Repositorium für die Medienwissenschaft

Maribel Cedeño Rojas Jason Barr: The Kaiju : A Critical Study of Cinema’s Biggest 2017 https://doi.org/10.17192/ep2017.3.7550

Veröffentlichungsversion / published version Rezension / review

Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Cedeño Rojas, Maribel: Jason Barr: The Kaiju Film: A Critical Study of Cinema’s Biggest Monsters. In: MEDIENwissenschaft: Rezensionen | Reviews, Jg. 34 (2017), Nr. 3. DOI: https://doi.org/10.17192/ep2017.3.7550.

Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung 3.0/ Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Attribution 3.0/ License. For more information see: Auskünfte zu dieser Lizenz finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ Fotografie und Film 391

Jason Barr: The Kaiju Film: A Critical Study of Cinema’s Biggest Monsters Jefferson: McFarland 2016, 212 S., ISBN 9780786499632, USD 29,95

Ein gieriger Filmregisseur und Enter- die Quelle der Probleme und selten die tainer startet eine zweifelhafte Insel- Lösung, sie ist für gewöhnlich nur eine Expedition, nach deren Ende ein Fassade. Am Ende siegt jedoch mei- gigantischer Affe mit einer blonden stens das ‚Gute‘ (vgl. S.9ff.). Schauspielerin in der Hand durch New Des Weiteren übernehmen Kaiju- York zieht. Oder Wissenschaftler - Filme Konventionen von - wickeln eine Bombe, deren Einsatz und Horrorfilm. Einerseits sind der eine riesige radioaktive Echse aus den Ursprung und die Eigenschaften der Meerestiefen steigen lässt, die Leiden meistens so übernatürlich, und Zerstörung verbreitet. Der Plot dass sie sich nicht mit Vernunft erklä- und die zahlreichen Elemente, die in ren lassen. Andererseits adressieren (1933) sowie (1954) diese Filme gegenwärtige Ängste; sie thematisiert werden, prägen bis heute erzeugen und halten Spannung mithilfe das Kaiju-Filmgenre. von Erzählstrategien und Ästhetik des Die Anwesenheit einer großen Horrorfilms, beispielsweise des Body- Kreatur und die Ästhetik der Zerstö- Horrors (vgl. S.10f. und S.164ff.). Das rung wurden häufig als Merkmale des Kaiju- resultiert des Weiteren Science-Fiction- gedeutet, wes- aus der Fusion des populären „­creature halb der Kaiju-Film nicht als eigen- feature“ (S.26) der 1950er Jahre im ständiges Genre anerkannt wurde. In Westen und des riesigen Repertoires seiner differenzierten Analyse zeigt von Tradition, Bühnenerfahrung und Jason Barr entscheidende Unterschiede Folklore des Ostens. Diesbezüglich zwischen diesen thematisch verwand- unterscheidet Barr zwischen Yokai, ten . Der Kaiju-Film zeichnet die Menschen vor schlechten Entschei- sich dem Autor zufolge durch seinen dungen warnen, und Kaiju, die eine starken Realitätsbezug aus. Leicht Parabel für moderne gesellschaftliche identifizierbare bauliche Wahrzeichen Missstände darstellen (vgl. S.27f.). Der dienen als visuelle und emotionale Autor geht darüber hinaus ausführlich Anker und sind im Gegensatz zu den auf verschiedene Theaterformen ein, Kaiju-Monstern „real“ (S.17). In vielen die den Kaiju-Film ästhetisch und nar- dieser Filme soll die Katastrophe kei- rativ beeinflussen. Es sei hier insbeson- nen ästhetischen Genuss hervorrufen, dere auf den kontemplativen Charakter sondern den unangenehmen Hinter- und die Plotstruktur des Noh-Theaters grund bereitstellen, in dem Menschen hingewiesen sowie auf die slow-burn- zu überleben versuchen (vgl. S.8f.). Technik des Kabuki-Theaters, über die Wissenschaft ist hierbei normalerweise sich unerfahrene Zuschauer_innen vor 392 MEDIENwissenschaft 03/2017 allem des japanischen Kaiju ärgern: Kapitel legt Barr exemplarisch dar, Die Monster werden eher spät und dass Frauen – wenn sie im Film vor- wenig gezeigt (vgl. S.32ff.). kommen – überwiegend stereotypische Traditionell im Kaiju-Film kritisch Rollen übernehmen (vgl. S.156). Wenn behandelte Themen strukturieren Barrs sie als selbstbewusst und unabhängig Buch. Mit Rekurs auf einschlägige auftreten, sind sie böse und werden Beispiele aus zahlreichen Produktionen entsprechend bestraft (vgl. S.157). Es verschiedener Jahrzehnte und Länder finden sich kaum nuancierte weibliche beschäftigt sich der Autor mit dem Figuren, die wirklich unabhängig von Widerspruch zwischen Wissenschaft den männlichen funktionieren oder als Wissenshersteller und Weltzerstö- nicht nur als MacGuffins fungieren rer, und somit mit Fragen der Wissen- (vgl. S.158ff.). Es gibt weibliche Kaiju, schaftsethik, dem Kampf zwischen wie beispielsweise , die auf- althergebrachten Werten und moder- grund ihrer Charakterisierung sehr neren Überzeugungen, dem Aufeinan- beliebt sind. Dennoch verkörpern diese dertreffen von Natur und Technologie, in der Regel auch stereotypisch weib- dem Horror vor Natur- und von Men- liche Eigenschaften, etwa Selbstauf- schen verursachten Katastrophen und opferung und Pazifismus (vgl. S.163f.). deren Folgen (z.B. Umweltverschmut- Barrs tiefgründige Studie zeigt die zung) sowie heiklen politischen Ent- Grenzen und Überschneidungen des scheidungen und der Schwäche des Kaiju-Films mit anderen Genres auf. Militärs (vgl. S.24, S.56, S.71 und Zudem verdeutlicht sie die starke sozi- S.106). Hinsichtlich seiner Aktualität okritische Dimension eines als „cheese“ sind Barrs Auseinandersetzung mit (S.18) bezeichneten Filmgenres. Als dem Thema Terrorismus und seine zukunftsweisend für Forschungs- Überlegungen zu (2008) zwecke sei neben dem Exkurs zur besonders hervorzuheben, einer US- Rolle der Frau ebenfalls derjenige zur amerikanischen Produktion, in der die Rolle der Nostalgie auf inhaltlicher, Anschläge von 9/11 aus der Perspektive rezeptionstheoretischer sowie meta- der Opfer mit der Technik des found analytischer Ebene unterstrichen, denn footage sinnbildlich aufgearbeitet wer- beide stellen kaum erforschte, aber den (vgl. S.53ff.). relevante Gebiete dar, um das Phäno- Da der Kaiju-Film vor und hinter men des Kaiju-Films auf und jenseits der Kamera ein eher männlich domi- der Leinwand umfangreicher verstehen niertes Genre ist und auch die meisten und erklären zu können (vgl. S.170f. Fans Männer sind, wurde die Rolle und S.175). der Frau bisher kaum untersucht. In einem kurzen, aber aufschlussreichen Maribel Cedeño Rojas (Siegen)