7. Jahrgang, Nr. 82 November 2004 ROTFUCHS T RIBÜNE FÜR K OMMUNISTEN UND SOZIALISTEN IN DEUTSCHLAND Trendwende Das Wort Trendwende gehört zu den ausgeht, dürfte dann konkretere Gestalt Lieblingsvokabeln bundesdeutscher Po- annehmen. litiker. Nach Wahlen wird es von Siegern, Von einer Trendwende muß auch in der Besiegten und jenen, die sich trotz ihrer deutschen Innenpolitik gesprochen wer- Schlappe für Gewinner halten, gleicher- den. Sie hat dazu geführt, daß Nazis aus maßen strapaziert. Doch mit dem Einzug NPD und DVU unterdessen in zwei Lan- des forschen CSU-Mannes Horst Köhler in desparlamenten sitzen. Noch wird man das Bundespräsidentenamt und der fast sich, da die Macht des Kapitals durch gleichzeitig durch Schröders Außenmini- keine entsprechende Gegenkraft bedroht ster Joseph Fischer vor der UNO erhobe- ist, mit offener oder schleichender Faschi- nen Forderung nach einem deutschen Sitz sierung begnügen und die Hunde nicht im Weltsicherheitsrat ist in der Tat eine vollends von der Kette lassen. I NHALT Trendwende in der BRD-Politik eingetre- Eine echte Trendwende war der massive ten. Der deutsche Imperialismus versucht Einbruch der CDU bei den jüngsten Land- Nach Brandenburg und Sachsen: PDS contra „Hartzburger Front“ S. 2 jetzt einen „Grand mit Vieren“ zu spielen. tags- und Kommunalwahlen. Frau Mer- Zur Rolle G. Schabowskis am Bevor der mit ostdeutschen Angelegen- kels Rechnung, ihre Partei werde 2006 9. November 1989 S. 3 heiten genauestens vertraute Herr Köhler gewissermaßen im Durchmarsch zum Nicht Demarkationslinie, sondern seinen hohen Posten hierzulande antrat, Sieg schreiten, da in Massen abwandern- völkerrechtliche Staatsgrenze S. 4 hatten wir in einem Leitartikel des RF de SPD-Wähler dann zu den Schwarzen ÜberÜber ddieie RRussenussen uundnd üüberber uunsns S. 5 davor gewarnt, daß mit seiner Wahl zum überlaufen würden, hat sich zumindest Wie Dietmar Bartschs ND dem Staatschef – nach dem handzahmen Jo- in Sachsen und Brandenburg als Fehlkal- Zeitgeist hinterherläuft S. 6 „Fehlverhalten“ eines Theologen S. 7 hannes Rau – ein Ruck nach rechts und kulation erwiesen. Diesmal hat das Zwei- Spiel nicht mit den zu autoritärer geprägten Verhältnissen parteiensystem die SPD-Verdrossenen Schmuddelkindern! S. 8 zu befürchten sei. Besonders frühere DDR- nicht automatisch zur CDU „kanalisiert“. Der glorreichen SPD S. 9 Bürger sollten wissen, wer da auf sie zu- So muß diese wieder bangen, da ihre Warum wurde die SED 1989 kam. Der neue Präsident hatte sich seine Zugkraft als Auffanglinie für Enttäuschte nicht in den Kampf geführt? S. 10 Meriten nicht als Sozialarbeiter verdient, deutlich abgenommen hat. „Goldener Maulkorb“ verliehen S. 10 sondern als die Nr. 1 des in der Dritten Nachdem auch die SPD in Serie eins aufs Die Kosmos-„Lupe“ des Herrn Struck S. 11 Welt als Würger Nr. 1 empfundenen Inter- Haupt bekommen hatte – in Sachsen wur- Spionage für den Frieden? S. 11 nationalen Währungsfonds (IWF). Zuvor de sie einstellig, in Brandenburg und im Jürgen Kuczynski – ein fröhlicher war Herr Köhler unter Annexionskanzler Saarland sackte sie um etliche Prozent- Marxist S. 12 Kohl jener Staatssekretär in Waigels Fi- punkte ab –, verstieg sich Chefdemagoge Er schützte das Karl-Liebknecht- nanzministerium gewesen, dem die be- Müntefering dazu, ebenfalls eine „Trend- Haus: Max Matern S. 13 rüchtigte Treuhand unterstand. In dieser wende“ zu signalisieren. Aber welche Zum „Dopingopfer-Hilfegesetz“: Funktion hat er seine Erfahrungen bei der Trends haben sich da wie gewendet? Erfolgsquote 3 Prozent S. 14 DDR-Olympiasiegerin Cornelia Klier feindlichen Übernahme fremden Volks- Eigentlicher Wahlgewinner war die PDS, im RF: Mich dopte niemand S. 15 vermögens gesammelt, die ihn dann für die mit einer wirksamen Anti-Hartz-Kam- Schwerin: Inkompetenz im den Aufstieg an die IWF-Spitze besonders pagne antrat. In Brandenburg errang sie Dutzend S. 16 empfahlen. Ist es nicht makaber, daß sich statt ihrer bisher 5 jetzt 23 Direktmanda- Präsident Hugo Chávez an ausgerechnet Köhler dafür aussprach, te im Landtag. Daß sie in Potsdam nicht General Vasco Gonçalves S. 17 die „Neger“ im kolonial unterworfenen um den Preis des Verzichts auf ihre Wahl- Staatsterrorismus – Wesen des Ost-„Busch“ auf Dauer in der Rolle von kampfaussagen in die Koalitionsfalle ging, „amerikanischen Jahrhunderts“ S. 18 Menschen zweiter Klasse zu belassen? wird ihr zum Vorteil gereichen. Viele, die KP der USA: Bush, Kerry oder keiner? S. 18 Warum sich der Westen auf Belo- Apartheid auf europäisch! im Osten PDS wählten, dürften bei ihrer rußland eingeschossen hat S. 19 Und Herr Fischer hat im UNO-Haupt- Stimmabgabe daran gedacht haben, daß Lukaschenko wurde 50 S. 19 quartier am New Yorker East River – auf- die DDR das buchstäbliche Kontrastpro- Ukraine: Welches Spiel betreibt schlußreicherweise im Bunde mit dem gramm zu Hartz gewesen ist. Auch in Alexandr Moros? S. 20 Premier Japans, des einstigen Achsen- Nordrhein-Westfalen machte die PDS eine Präsidium des ZK der KPRF zu den partners der Hitleristen in Fernost – nicht gute Figur. 6 % in der Ruhrgebietsstadt den Ereignissen in Beslan S. 21 weniger als einen Freibrief für den Weg Oberhausen und ähnlich viel in Duisburg Afghanistan: Wahlfarce am Hindukusch S. 22 der BRD zur Weltmacht verlangt. In man- sowie eine Verdoppelung der Mandate im Programm des irakischen Widerstandes S. 23 chen Hauptstädten stieß solche Kühnheit Maßstab des Bundeslandes waren ein Israel: Eine Nation? Was für eine auf Befremden. Denn wenn die von Köhler Durchbruch. Nation? S. 24 präsidierte Bundesrepublik Deutschland Übrigens hat sich auch die DKP dort, wo Beutekunst aus der DDR S. 25 als Veto-Macht am Tisch der ganz Großen sie entweder selbst antrat oder auf Ein- Eng mit China verbunden: Zum Platz nehmen würde, dann tickten die heitslisten kandidierte, achtbar geschla- 100. Geburtstag Klara Blums S. 26 Uhren der internationalen Politik vermut- gen: 6,5 % in Bottrop, 4,4 % in Gladbeck Ein Fernsehfi lm von 1973: „Rotfuchs“S. 27 ¡Presente! lich anders. Die einstweilen potentielle und der erste kommunistische Stadtrats- Leserbriefe S. 29 Gefahr, die von der heute schon in welt- sitz seit 1953 in Essen können sich sehen Anzeigen / Impressum S. 32 weite Militäreinsätze verstrickten BRD lassen. Klaus Steiniger Seite 2 ROTFUCHS / November 2004

Ein Slogan, mit dem die PDS einst an- beiden maßgeblichen Erfi nder des Sozial- Rechtfertigungsversuch, es handle sich getreten war, der danach aber fast in kahlschlagsprojekts „Hartz IV“, also SPD eben um ein Bundesgesetz, sei auf Gregor Vergessenheit geraten zu sein schien, und CDU. Sie machen als „Hartzburger Gysi verwiesen, der (im ND vom 2. 9. 04) hat bei den Landtagswahlen in Sachsen Front“ so auch optisch ihre beliebige erklärte: „Maßstab für eine Landesko- und Brandenburg seine Gültigkeit deut- Austauschbarkeit als politische Willens- alition ist die mit dem Koalitionspartner lich gemacht: Verändern beginnt mit vollstrecker von Hochfi nanz und Konzern- verabredete Landespolitik. Die PDS ist Opposition! Als Oppositionspartei gegen magnaten deutlich. nicht genötigt, sich zur Bundespolitik „Agenda 2010“ und insbesondere „Hartz Für die PDS aber bleibt damit der ent- solidarisch zu verhalten.“ Nur: Wo bleibt IV“ in den Wahlkampf gegangen, erzielten schiedene Widerstand gegen soziale die praktische Konsequenz aus solch rich- die Demokratischen Sozialisten in Bran- Demontage, für soziale Gerechtigkeit die tiger Erkenntnis? denburg ihr bislang bestes Ergebnis bei politische Aufgabe. Zutreffend bezeichne- In diesem Zusammenhang erweist es Landtagswahlen: Gegenüber 1999 legten te „Neues Deutschland“ es als „geradezu sich als notwendig, einige Zahlen aus sie in Sachsen um 1,4 und in Brandenburg den Wahlbilanzen von Brandenburg und eine Überlebensfrage“ für diese Partei, gar um 4,7 % zu. Wobei diese relative Ver- Sachsen zu hinterfragen. „bei Hartz IV konsequent und damit besserung sogar begleitet war von einer Die beunruhigendste liefert zweifelsohne glaubwürdig zu bleiben“. Die Potsdamer absoluten Zunahme um 69 613 Wähler- das alarmierende Abschneiden der Fa- stimmen in Brandenburg und einem Plus Entscheidung stelle deshalb den „politi- schisten in beiden Bundesländern. Mit von 10 178 in Sachsen. schen Normalfall“ dar. verharmlosenden Erklärungen, die Stim- Dieses Ergebnis bedeutet gewissermaßen Wie wahr! Doch gilt das bloß für Bran- men für NPD und DVU seien nicht gleich- auch, daß sich mit dem aktiven Opponie- denburg? Gibt es für und Schwerin bedeutend mit braunem ideologischem ren für die PDS selbst etwas zu verändern ganz andere Regeln? Potential, sondern überwiegend „bloßer Ausdruck von Protest“, dürfen sich Nazi- Gegner keinesfalls begnügen. Und die PDS Nach Brandenburg ist eine antifaschistische Partei; ihr Spit- zenpolitiker Gysi hatte es als das wich- tigste Wahlziel bezeichnet, den Einzug und Sachsen: PDS contra der Hitler-Anbeter in diese Landesparla- mente zu verhindern! Das ist leider nicht gelungen. Sicher trifft zu, daß viele von „Hartzburger Front“ dieser Gesellschaft Enttäuschte, an den Rand Gedrängte und perspektivlos Ge- begann. Sie konnte, so Lothar Bisky, Ver- In der Hauptstadt wie in Mecklenburg- machte ihre Wut in einer Weise äußerten, trauen zurückgewinnen und sich als poli- Vorpommern bezieht die PDS natürlich mit der sie glaubten, Protest besonders tische Kraft konsolidieren. verbal und bei Demonstrationen gleich- wirkungsvoll, weil „extrem“ artikulieren Um so spannender war die Frage, was falls Anti-Hartz-IV-Positionen. Selbst Tei- zu können. Die primitive Demagogie der die PDS mit diesem Erfolg anfangen, wie le ihres „mitregierenden“ Personals sieht Schnauze-voll-Parolen erwies sich nicht sie ihn nach der Wahl politisch nutzen man hin und wieder bei Protestaktionen zuletzt deswegen als verführerisch, weil werde. hinter Plakaten mit der Aufschrift „Hartz viele die eindeutige Alternative eben nicht Was Sachsen angeht, fi el die Antwort IV – das ist Armut per Gesetz. Weg damit!“ in der PDS zu sehen vermochten, da sie leicht. Da nur der Wahlverlierer CDU mit Doch zurückgekehrt in Senatoren- und diese sowohl als Protestpartei als auch dem Wahlverlierer SPD eine Koalition Ministerbüros widmet man sich der „kor- in der Rolle einer Erfüllungsgehilfi n bilden konnte, blieb den sächsischen Ge- rekten Umsetzung der Arbeitsmarktre- nossen das Oppositionsprivileg ohnehin form Hartz IV“. Dies, so argumentiert die Schröderscher Regierungspolitik erleben. erhalten. PDS-Elite, sei ihre Pfl icht als „Regierungs- Welch enormes Potential Sozialisten als Wie jedoch würden sich die in Potsdam partei“. Sie biete auch die Möglichkeit, konsequente Opposition aber erschließen entscheiden? Es fehlte im Vorfeld ange- „Schlimmeres zu verhindern“. Das Klischee könnten (und müßten!), zeigt sich unter sichts ihres schon vorhergesagten Wahl- von der Partei des „kleineren Übels“ soll anderem daran: Die PDS gewann bei die- erfolges ja nicht an Gedankenspielen, in Kritiker in der eigenen Partei ruhigstellen sen beiden Landtagswahlen etwa 50 000 Brandenburg (nach Berlin und Mecklen- und zugleich den Wählerstamm erhalten Stimmen von Wählern, die 1999 den burg-Vorpommern) die dritte, farbverfäl- helfen. In bezug auf die eigene Mitglied- Wahlurnen ferngeblieben waren. Aber: schend als „rot-rot“ bezeichnete Koalition schaft funktioniert das bislang auch. Auf Aus dem Nichtwählerlager wanderten einzugehen. Und auch unmittelbar nach dem kürzlichen PDS-Landesparteitag von rund 65 000 allein zur sächsischen NPD! dem Wahltag verhehlte Führungsper- Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls Und nach wie vor bleibt die „Partei der sonal der brandenburgischen PDS – so konnte damit die Delegiertenmehrheit Nichtwähler“ am stärksten. Sie rekrutiert Spitzenkandidatin Enkelmann und Lan- gewonnen werden, die massive Kritik aus sich überwiegend aus Menschen, denen deschef Christoffers, assistiert von Gre- der Basis – insbesondere vom Jugendver- jegliches Vertrauen zum bestehenden Ge- gor Gysi – keineswegs die Neigung, mit band „solid“ – und deren Forderung nach sellschaftssystem abhanden gekommen der SPD eine Regierungsehe einzugehen. einem Sonderparteitag zur Frage des Aus- ist. Diese politisch zu aktivieren kann nur Allzu hoch legten sie die Latte ihrer Be- stiegs aus der Koalition mit der SPD in den gelingen, wenn eine Partei wie die PDS dingungen dafür nicht gerade – ein (eher Wind zu schlagen. den Kampf für die Alltagsinteressen der platonischer) „Forderungskatalog an die In diesem Bundesland wie in Berlin bleibt „einfachen Leute“ mit dem Eintreten für Bundesregierung zum Thema Sozialre- die PDS damit eine Partei mit zwei Gesich- eine Perspektive verbindet, die über das form“ war der härteste Brocken, den die tern. Das ist ihrer Glaubwürdigkeit nicht bestehende System hinausweist – also auf PDS den Sozialdemokraten unterbreitete. förderlich. Schon gar nicht, wenn sich den Sozialismus zielt. Die aber ließen – vermutlich auf des Kanz- immer wieder herausstellt, „daß die PDS, In dem vom Parteivorstand dem Potsda- lers Geheiß – nicht einmal dazu Entgegen- wenn sie einmal im (Regierungs-)Boot mer PDS-Parteitag vorgelegten Leitantrag kommen erkennen. Die PDS-Führung aber sitzt, bis zum Ziele alles mitmacht und „Für eine starke PDS: Sozial, und mit voller fi el diesmal nicht um. Auf ihren Mini- dem Schlagmann von der SPD folgt“ (Hans Kraft“ fanden sich in dem als „strategi- malforderungen beharrend, brach sie die Modrow). Siehe das Schweriner Exempel: sches Dreieck“ bezeichneten Konzept zu- Sondierungsgespräche ab und entschied Dort unterschrieben im Koalitionsvertrag mindest zaghafte Ansätze, die die Partei sich dafür, als Oppositionskraft politisch SPD und PDS, daß die Landesregierung in diese Richtung orientieren könnten. Es wirksam zu bleiben. eine Zusammenlegung von Arbeitslosen- gilt aufmerksam zu beobachten, ob und in Die politische Landschaft ist damit über- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau ab- welchem Maße sie ihre künftige Politik sichtlicher geworden. In diesen beiden lehnt. Aber genau das erfolgt mit Hartz IV tatsächlich bestimmen werden. Bundesländern koalieren nunmehr die – und durch beide Parteien. Zum hilfl osen Wolfgang Clausner ROTFUCHS / November 2004 Seite 3 Zur Rolle G. Schabowskis am 9. November 1989 In einer für die DDR sehr ernsten Situa- sehen übertragen wurde. Gegen Ende in deren Besitz kämen, und daß im Sinne tion und unter dem Druck dringend zu der Pressekonferenz erkundigte sich ein der schon länger geltenden Weisung unter lösender Probleme fand vom 8. bis 10. Korrespondent nach dem Reisegesetz. Bei keinen Umständen mit Waffengewalt vor- November 1989 die 10. Tagung des ZK der seiner Antwort teilte Schabowski gegen gegangen werde. Die GÜST zu Westberlin SED statt. Die Ereignisse überschlugen 19.00 Uhr beiläufi g mit: „... allerdings ist wurden personell verstärkt. Die Präsenz sich. Für die entstandene Lage hatte das heute, soviel ich weiß, eine Entscheidung der Deutschen Volkspolizei im Vorfeld Politbüro die volle Verantwortung über- getroffen worden ... Also Privatreisen wurde erhöht. Auch eine Kanalisierung nommen und trat zurück. Es erfolgte die nach dem Ausland können ohne Vorlie- möglicher Menschenströme wurde über- Wahl eines neuen Politbüros und Sekreta- gen von Voraussetzungen (Reiseanlässe, legt. Eine militärische Variante wurde riats. Egon Krenz wurde Generalsekretär Verwandtschafts verhältnisse) beantragt nicht in Erwägung gezogen. des ZK der SED. In seiner Rede analysierte werden. Die Genehmigungen werden Die Lage entwickelte sich wie erwartet. er Ursachen, die zur tiefen Krise der Par- kurzfristig erteilt.“ Und weiter: „Ständige Schabowski hatte mit seiner Antwort tei und des Staates geführt hatten. Er be- Ausreisen können über alle Grenzüber- „sofort, unverzüglich“, gewollt oder unge- gründete den Entwurf eines Aktionspro- gangsstellen zur BRD erfolgen.“ Auf die wollt, die Bürger veranlaßt, die GÜST, vor gramms. Das ZK beschloß darüber hinaus, Frage, ab wann diese Regelung gelte, ant- der SED-Fraktion in der Volkskammer wortete Schabowski, der als erfahrener allem in Berlin, spontan aufzusuchen, um zu empfehlen, bei der Neubildung der Journalist mit Sperrfristen genauestens frei und ungehindert, unter Berufung auf Regierung Hans Modrow für die Wahl vertraut war: „Nach meiner Kenntnis ihn und die „Aktuelle Kamera“ nach West- zum Vorsitzenden des Ministerrates der sofort, unverzüglich!“ Er ergänzte noch, berlin zu gelangen. Bekanntlich kam es zu DDR vorzuschlagen. Wie ersichtlich, ging daß die ständige Ausreise auch über die großen Menschenansammlungen zu Fuß es um Grundfragen der Sicherung der Grenzübergangsstellen zu Westberlin er- und mit Fahrzeugen. Die sofortige Öffnung Machtverhältnisse und des Bestandes der folgen könne. der Grenze wurde mit Nachdruck unter DDR als sozialistischer deutscher Staat. Wir, die wir im Dienst waren und über die Bezug auf Schabowski gefordert. Unter Ausgehend von der Situation, die sich Bildschirme diese falsche und stümper- Berücksichtigung des Möglichen, bei Ver- durch den Ausreisestrom aus der DDR in hafte Verkündung der neuen Reiserege- meidung von Blutvergießen, Gewalt und Ungarn und der CSSR sowie durch die lung und das dilettantische Verhalten des weiterer Eskalation von Provokationen Öffnung der Grenze Ungarns zu Öster- Politbüro-Mitglieds Schabowski erlebten, sowie weitgehender Wahrung der staatli- reich (in der Nacht vom 9. zum 10. Sep- waren geschockt, nahezu sprachlos. Mit chen Souveränität mußte unter Beachtung tember) ergeben hatte, war vom Politbüro dieser offi ziellen Mitteilung aus der ZK- des noch vorhandenen Handlungsspiel- auf seiner turnusmäßigen Sitzung am 7. Sitzung über das Fernsehen war doch raumes mit den verantwortlichen Offi zie- November beschlossen worden, aus dem zu erwarten, daß die Antragsteller auf ren der GÜST vor Ort entschieden werden. bereits 1988 fertiggestellten, aber erst am Ausreise und viele Bürger, die ins Aus- Sie konnten am besten einschätzen, was 6. November 1989 veröffentlichten neuen land reisen wollten, sich sofort in Marsch getan werden konnte. Mit der Bestätigung Reisegesetz der DDR den sogenannten setzen oder zumindest prüfen würden, ob ihrer Vorschläge bzw. Handlungen und Ausreiseteil gesondert als Verordnung das, was gesagt wurde, auch zuträfe. Es der Erteilung von Vollmachten wurde war abzusehen, daß schnell eine Mas- des Ministerrates vorzeitig in Kraft zu gemeinsam, übereinstimmend und zen- setzen. Mit der Ausarbeitung dieser Ver- senbewegung in Richtung Staatsgrenze, tral entschieden. Diese Konzentration des ordnung wurden das Ministerium des In- vorwiegend zu Westberlin, und damit Drucks auf nur wenige GÜST, vor allem in nern und das MfS beauftragt. Am frühen ein ungeheurer Druck auf die Grenzüber- Nachmittag des 9. November lag der Text gangsstellen (GÜST), entstehen würde. Berlin, von den westlichen Medien stark vor. Er enthielt neben Regelungen für die Alle für den 10. November vorgesehenen beeinfl ußt, führte dazu, daß die Verant- ständige Ausreise auch sehr weitgehende Maßnahmen zur gesicherten Durchfüh- wortlichen der DDR-Grenztruppen und Erleichterungen für Besuchsreisen, die rung der neuen Reiseordnung wurden der Paßkontrolleinheiten des MfS an den von den Bürgern der DDR erwartet, ja durch die Nichteinhaltung der zu ihrer betroffenen Grenzübergängen nach Ab- gefordert wurden. Sie waren schon seit Veröffentlichung festgelegten Sperrfrist stimmung mit ihren vorgesetzten Stäben, längerem vorbereitet, kamen jedoch auf hinfällig. Es entstand schlagartig eine Lagezentren und den amtierenden Leitern Grund politischer Fehleinschätzungen völlig neue Situation. Eine solche zeitlich das einzig Richtige taten: Sie öffneten die sowie aus fi nanziellen und ökonomischen überraschende Öffnung der GÜST in Ber- Schlagbäume. Es war eine folgenschwere, Gründen nicht zur Entscheidung. Abwei- lin war weder geplant noch beabsichtigt. aber notwendige Entscheidung. Diese sich chend von der Tagesordnung informierte Wir waren von einer Vorbereitungszeit innerhalb weniger Stunden (knapp 2 bis Egon Krenz am 9. November gegen 16.00 von acht bis zehn Stunden ausgegangen, 3 Stunden) entwickelnde Situation über- Uhr das ZK der SED über diese durch den die auch ausgereicht hätte, um einen ord- raschte die Verantwortlichen in den zu- Ministerrat zu erlassende Verordnung nungsgemäßen Ablauf bei der Umsetzung ständigen Organen. Die Führung war auf zum Reisegesetz, die ab 10. November der Reiseordnung zu gewährleisten. eine derartige Lageentwicklung in diesem 1989 in Kraft treten sollte. Die dazu erar- Mir wurden die möglichen Folgen und Augenblick nicht vorbereitet. Die Minister beitete Presseerklärung hatte eine Sperr- die sich daraus ableitenden Gefahren im waren noch in der ZK-Sitzung bzw. auf frist bis 04.00 Uhr des 10. November. Zusammenhang mit der Gesamtlage für dem Weg zu ihren Ministerien oder nach Die leitenden Genossen des MfS (Minister, den weiteren Bestand der DDR bewußt. Hause. Sie wußten offensichtlich nicht, zwei Stellvertreter, 1. Sekretär der SED- Mein Bestreben war, den sich abzeich- was Schabowski auf der Pressekonferenz nenden Schaden für unsere Republik zu Kreisleitung im MfS) nahmen an der ZK- gesagt und mit seinem „sofort, unverzüg- Tagung teil. Ich war in meiner damaligen begrenzen. Die verantwortlichen Leiter lich“ ausgelöst hatte. Funktion als Stellvertreter des Ministers der Diensteinheiten im MfS, insbesonde- Daß die GÜST schließlich unter dem – gemeinsam mit mir unterstellten Mitar- re der HA I, III, VI, VII, VIII, ZKG sowie Druck der Massen und ohne Blutvergie- beitern – im Dienst. Wir führten die Lage, Leiter und Diensthabende der Organe des verfolgten die sich entwickelnde Situa- Zusammenwirkens (MdI, DVP, NVA, GT, ßen geöffnet wurden, ist ein Verdienst tion, um auskunftsfähig zu bleiben und Zollverwaltung) wurden von mir kontak- aller beteiligten bewaffneten Organe und reagieren zu können. Wir alle waren na- tiert, informiert bzw. dazu konsultiert, der Zollverwaltung der DDR. Sie handel- türlich auch besonders an Informationen was zu erwarten sei und getan werden ten angesichts der eingetretenen Lage und Orientierungen aus der ZK-Sitzung könne, um Provokationen zu verhindern besonnen und verantwortungsbewußt. interessiert. So verfolgten wir auch die und trotz der eingetretenen Situation die Generalleutnant a. D. Pressekonferenz von G. Schabowski über Sicherheit zu gewährleisten. Eine wichti- Dr. Gerhard Neiber, den Verlauf des 2. Tages der ZK-Sitzung ge Frage war dabei, die Waffen verstärkt ehem. Stellvertreter des Ministers für am 9. November, die live vom DDR-Fern- zu sichern, damit keine Unberechtigten Staatssicherheit der DDR Seite 4 ROTFUCHS / November 2004 Nicht innerdeutsche Demarkationslinie, sondern völkerrechtliche Staatsgrenze

„Die Grenzen der DDR“. Unter diesem Titel dieser Grenze vom Oberkommandieren- zeigen, Ausdruck des in der BRD als haben Klaus-Dieter Baumgarten und Pe- den der Vereinten Streitkräfte bestimmt. Staatsdoktrin herrschenden Antikommu- ter Freitag unter Mitwirkung kompeten- Es ist verständlich, daß es so gestaltet nismus. Sie folgte dem vom damaligen ter Autoren ein umfangreiches Sachbuch wurde, daß sich die leidvollen Erfahrun- Bundesjustizminister Kinkel auf dem 15. herausgebracht, welches die deutsche gen der UdSSR nach dem 22. Juni 1941 Richtertag 1991 erteilten politischen Auf- Geschichte seit dem Ende des Zweiten nicht wiederholen konnten. trag, die DDR zu delegitimieren. Diesen Weltkrieges bis zur Gegenwart unter dem In den weiteren Kapiteln wird die sich erfüllte u. a. Richter Föhrig, der Klaus- Aspekt der Beziehungen beider deutscher verschärfende Konfrontation im Kalten Dieter Baumgarten als Chef der Grenz- Staaten zueinander und des sich daraus Krieg lebendig, die Veränderungen in der truppen zu 61/2 Jahren Freiheitsentzug ergebenden Grenzregimes faktenreich Organisierung des Grenzschutzes zur Fol- verurteilte und in seiner Urteilsbegrün- beleuchtet. Es ist die erste zusammen- ge hatten, was sich in einer Verstärkung dung ausführte: „Wir wollten verurteilen fassende Darstellung des Grenzschutzes hinsichtlich des Personalbestandes, der und wir haben verurteilt.“ der DDR überhaupt, die sich u. a. auch Bewaffnung und Ausrüstung, der Zen- Akribisch demontieren die Autoren die dadurch auszeichnet, daß keine Fragen, tralisierung der Befehlsstruktur und des haltlosen juristischen Konstruktionen, auch der zur Kriminalisierung der Grenz- sukzessiven pioniermäßigen Ausbaus mit denen der Bruch internationaler truppen durch die BRD-Justiz herange- der Grenzbefestigung einschließlich des Rechtsnormen (Aufhebung des Rückwir- zogene Gebrauch von Schußwaffen und Einsatzes gekennzeichneter Minenfelder kungsverbotes), des 2 + 4-Vertrages, des Minenfeldern, ausgeklammert werden. niederschlug. Einigungsvertrages (Nichtanwendung Eingangs wird die Staatsgrenze als die In einem speziellen Abschnitt wird auf des DDR-Rechts) u. a. internationaler Markierung eines Territoriums defi niert, die militärische Vorbereitung und Durch- vertraglicher Verpfl ichtungen der BRD in dem die völkerrechtlich geschützten führung der Maßnahmen zur Sicherung erfolgte. Sie weisen nach, daß die Grenz- Hoheitsrechte eines souveränen Staates der Staatsgrenze zu Westberlin am 13. soldaten legitim den ihnen durch Artikel 7 ausschließlich und unabhängig von an- August 1961 eingegangen, in dem inter- der DDR-Verfassung erteilten Auftrag zur deren Staaten ausgeübt werden. Sie sind essante, allgemein nicht bekannte Details Gewährleistung der Unverletzlichkeit der eine Trennlinie zwischen Staaten. Die zu erfahren sind. Staatsgrenze und der auch in der BRD gül- Androhung der einseitigen Überwindung Ausführlich werden Probleme der mili- tigen Bestimmungen über den Schußwaf- oder gewaltsamen Veränderung führen zu tärischen und politischen Führung der fengebrauch erfüllten. Der unterstellte einer brisanten und friedensgefährden- Grenztruppen und ihrer politisch-mora- Tötungsvorsatz wie auch der angebliche den Situation. lischen wie psychologischen Vorbereitung Schießbefehl konnten in keinem einzigen Nachfolgend wird die Entwicklung der auf den Einsatz behandelt. Die Grenz- Prozeß nachgewiesen werden. Demarkationslinie zwischen den Besat- soldaten fühlten sich den bewaffneten Was würden diese Juristen wohl zu ih- zungszonen in Deutschland nach der Formationen des Warschauer Vertrages rer Rechtfertigung sagen, wenn sie sich Bildung der BRD und folgend der DDR zugehörig, die durch die Sicherung des – staatlicher Machtfülle entkleidet – eines zur Staatsgrenze und nach Einbeziehung militärischen Gleichgewichts zur Erhal- Tages wegen Rechtsbeugung und Frei- der BRD in die NATO und der DDR in den tung des Friedens beitrugen. Sie wünsch- heitsberaubung im besonders schweren Warschauer Pakt zur Frontlinie zwischen ten niemals die Verwundung oder Tötung Fall persönlich zu verantworten hätten? den mächtigsten Militärallianzen der Ge- von Menschen, auch nicht von Grenzver- Der juristische Umgang mit DDR-Bürgern schichte beschrieben. Mit vielen wissens- letzern. fi ndet seine Entsprechung in der nach werten Details werden fünf unterscheid- Ein Abschnitt ist den Opfern im Kalten dem Anschluß betriebenen Vernichtung bare Phasen des Kalten Krieges nach- Krieg, darunter 27 Grenzsoldaten, gewid- der DDR-Wirtschaft. Diese fi el nach den gezeichnet. Waren anfangs polizeiliche met, deren Todesumstände geschildert Worten Christa Lufts vollständiger aus Aufgaben zur Bekämpfung von Schmuggel werden. als die Zerstörungen im Zweiten Welt- und Schieberei zu bewältigen, ging es Von aktueller Bedeutung sind die von krieg. Es folgte ein sozialer und kulturel- später um die militärische Sicherung der Erich Buchholz und Frank Osterloh ver- ler Kahlschlag. Uns davor 40 Jahre lang Unverletzlichkeit der Staatsgrenze und faßten Kapitel zur Strafverfolgung von bewahrt zu haben, ist das bleibende Ver- entsprechende Vorkehrungen zur Abwehr ehemaligen Angehörigen der Grenztrup- dienst der DDR-Grenzsoldaten. Dafür ist einer NATO-Aggression. Da es sich um pen der DDR durch die bundesdeutsche ihnen zu danken. Das vorliegende Buch die Trennlinie zwischen den Staaten des Strafjustiz. Sie war, wie auch die Frei- setzt ihnen das verdiente Denkmal. Warschauer Vertrages und den Staaten sprüche und Verurteilungen zu Bagatell- Die Lesbarkeit dieses seriösen, sich durch der NATO handelte, wurde das Regime an strafen für Morde an DDR-Grenzsoldaten hohe Sachkenntnis der Autoren auszeich- nenden Werkes, dem wegen der Vermitt- lung faktenreich belegter Zeitgeschichte Am 13. November um 10.30 Uhr ein breiter Leserkreis zu wünschen ist, muß hervorgehoben werden. Sie geht stellt Generaloberst a. D. Klaus-Dieter Baumgarten manch anderen offi ziellen Darstellungen in einer Veranstaltung der ab. Negativ macht sich eine große Anzahl Regionalgruppe Neubrandenburg das Buch orthographischer und stilistischer Fehler bemerkbar. Eine sorgfältigere Lektorie- rung hätte diesen Mangel sicher beheben Die Grenzen der DDR können. Dr. Hartwig Strohschein vor. Klaus-Dieter Baumgarten/Peter Frei- tag (Hg.): Die Grenzen der DDR. Fakten, Geschichte, Hintergründe, edition ost, Lokal: VS-Begegnungsstätte Südstadt Berlin 2004, 448 Seiten, geb., 17,50 Euro, ISBN 3-360-01057-4 ROTFUCHS / November 2004 Seite 5

„Wenn die Fortsetzung des Krieges über- aus dem möglichen Kampfgebiet östlich 6. Mai 1945 als Arbeiter gearbeitet ha- haupt noch einen Sinn haben konnte“, der Neiße. ben. Der Betrieb steht unter Leitung der urteilte General von Tippelskirch Ende Was planten die Faschisten westlich der russischen Armee. Sorau-Seifersdorf, den Januar 1945, „so nur den, die rote Flut im Neiße? 7. Mai 1945. Stempel (Otto Fliegel), Unter- Osten zum Stehen zu bringen und wenn „Die Stadt Weißwasser wurde zur Festung schrift (S. Hähnel) Betriebsführer.“ möglich zurückzuwerfen.“ erklärt und entsprechend der Verteidi- Anordnungen der Roten Armee hinderten In Millionen Köpfen hatte die Propaganda gung eingerichtet. Stadtkommandant von niemanden daran, unvermittelt am „Tag über Jahre ein Feindbild geschaffen. Weißwasser war der Besitzer der Guts- der Befreiung“ wieder in die heimatlichen 17. März 1937: Aus dem Protokoll einer herrschaft Kromlau, Standartenführer Dörfer zurückzukehren. der SA Graf von und zu Egloffstein. Im Lehrerkonferenz (140. Volksschule Berlin- Ein unvergeßlicher Akt der Humanität der Rahmen des Aufbaus neuer Sperrstellun- Wedding) zum Thema „Führerpersönlich- Offi ziere und Soldaten der 1. Ukrainischen gen wurde Muskau als Verteidigungskno- keit“: Front, uns vor möglichen Kriegsgefahren ten befestigt“, hieß es in einer zeitgenössi- „In mitreißendem Schwunge umriß hier geschützt zu haben. Hätten sie nicht allen Koll. Haferkorn Adolf Hitlers große ge- schen Publikation. Grund gehabt, Gleiches mit Gleichem zu schichtliche Tat durch seinen Kampf Tatsächlich eröffnete die Rote Armee am vergelten? gegen Bolschewismus und Rassenmisch- 16. April 1945 die „Berliner Operation“: Von den Deutschen wurden während des masch, die – wenn auch vom Ausland „Nach der Artillerie- und Luftwaffenvor- noch nicht gewürdigt – doch die Rettung bereitung begannen um 06.55 Uhr die Krieges ganz oder teilweise 1 710 Städte, Deutschlands und Europas bedeutet.“ vorgeschobenen Infanterietruppenteile über 70 000 Dörfer und Ansiedlungen erklärte in einer Rede auf Sturmbrücken und behelfsmäßigen und 6 Millionen Häuser zerstört und am 19. Juli 1942: Übersetzmitteln hinter einem Nebelvor- 25 Millionen sowjetische Bürger obdach- „Der Arbeiter und der Bauer in der Sowjet- hang die Neiße zu überwinden. Der In- los gemacht. union gleichen einem in einen dunklen Keller Eingesperrten, dem man nach 25- jähriger Haft mit Leichtigkeit weismachen kann, daß eine brennende Petroleumlam- pe die Sonne sei. Es ist nicht unsere Art, Über „die Russen“ und über uns den Gegner zu unterschätzen. Aber wir sind nach wie vor von der Überzeugung durchdrungen, daß auch hier die höhere Rasse über die niedere triumphieren wird, gleichgültig, welcher infernalischen Mit- fanterie folgte die Begleitartillerie, deren Die Kollektivwirtschaften wurden tel sie sich bedient, um ihrem verdienten Geschütze mit Seilen auf dem Flußgrund aufgelöst. Der Boden wurde deutschen herübergezogen wurden. Nachdem Brük- Offi zieren und Soldaten übergeben. Die Schicksal zu entgehen.“ kenköpfe auf dem Westufer des Flusses Kollektivbauern wurden zu Sklaven der Nun jedoch siegte unter hohen Opfern die gebildet worden waren, errichteten un- neuen deutschen Grundbesitzer gemacht „niedere Rasse“ über die höhere und al- sere Truppen eilig Pontonbrücken und oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland lenthalben waberte die Angst: „Der Russe danach feste Brücken. Dadurch konnte be- verschleppt. kommt!“ reits um 08.40 Uhr begonnen werden, den Das einst von den Richtung Westen fl üch- Vertreter der faschistischen Reichsregie- Hauptverteidigungsstreifen am Westufer tenden Deutschen herrenlos zurückgelas- rung veranschlagten noch am 19. Februar der Neiße sowohl mit den Truppen der sene Vieh sammelten Rotarmisten und 1945 die Zahl von 8 500 000 Volksgenossen, Haupt- als auch der Nebengruppierungen endlich aus der deutschen Knechtschaft die zwischen Ostpreußen und Sudeten- zu durchbrechen“, schrieb Oberst P. A. befreite „Ostarbeiter und Ostarbeiterin- land dem Feind nicht in die Hände fallen Shilin. nen“ in den größten Stallungen unseres und ins „Reichsinnere“ evakuiert werden Nicht alle, die mit einem winzigen Teil Dorfes. sollten, allein aus Schlesien 500 000. ihrer Habe gen Sorau zogen, hatten Eile. Und wieder trat der Kommandant in Zibel- Uns – das waren drei Familien im Dorf Immer wieder kam das Gerücht von den le an uns heran. Es wurde eine Herde von Zibelle (heute Niwica) – schreckte die Wunderwaffen Hitlers auf, die „den Rus- 150 Milchkühen zusammengestellt. Unse- Propaganda nicht. Wir zählten nach sen endgültig kaputt machen“ würden. re Aufgabe: Kühe treiben, pro Tag maxi- Goebbels’ Worten zu den „Volksfeinden“, Uns scherte das nicht. Schließlich er- mal 15 Kilometer, damit der Milchverlust hörten regelmäßig Radio Moskau und reichten wir am 19. März die Tuchstadt, möglichst gering blieb. Ziel: Berlin. BBC London: erhielten im Rathaus Wohnraum und Daß wir allerdings in die Ausführung ei- „Und wenn Herr Bramsig und Frau Knöte- alle Arbeitsfähigen einen Arbeitsplatz nes Beschlusses des Kriegsrates der Front rich nicht so viel Gehirn im Kopfe haben, in einer Weberei zugewiesen. In seinen eingebunden worden waren, für die Ver- um einzusehen, daß man im Kriege nicht Erinnerungen schrieb Generalleutnant sorgung von Kindern und Kranken in Ber- auf den Feind hören darf, dann müssen sie Antipenko, seinerzeit Chef der „Rückwär- lin 5000 Milchkühe der Stadt zuzuführen, durch exemplarische Strafen dazu ange- tigen Dienste“: diese tiefe Bedeutung blieb uns damals halten werden“, verkündete Goebbels. „Wir interessierten uns außerdem für die verborgen. Hans Horn Am 21. Februar 1945 erreichten Spitzen vielen stillgelegten Industriebetriebe, in der Roten Armee unser Dorf, 11 Kilome- erster Linie für Mühlen, Großbäckereien ter von der Lausitzer Neiße, Bad Muskau, und Teigwarenfabriken, nutzten aber Kommunist kann entfernt. auch jede Möglichkeit, in Textil- und Neugierig beobachteten wir am 10. März Lederfabriken die Produktion wieder in einer nur dann werden, 1945, wie eine Spezialeinheit sich an unse- Gang zu bringen, denn die Front brauchte rem Dorfteich zu schaffen machte. Letzt- Uniformen, Fußbekleidung und anderes wenn er sein Gedächt- lich stiegen vier Fesselballons auf. mehr.“ nis um alle die Schätze Tags darauf, am Sonntag, hieß der Kom- Eine deutsche Vorarbeiterin stellte uns mandant uns alle, das Dorf zu verlassen an die Webstühle. Für unsere Arbeit bereichert, die von der und uns in Richtung der 24 Kilometer öst- erhielten wir ausreichend Lebensmittel. lich entfernten Stadt Sorau zu bewegen. Ein vergilbtes Dokument hält fest: „Ich Menschheit gehoben Rückevakuierung. bescheinige hierdurch, daß die Frau Der Treck in Richtung Sorau vermehrte Cilli Horn, geboren am 15. 12. 1911, und worden sind. sich zunehmend, denn die Rote Armee ihr Sohn Hans Horn, geboren am 30. 10. bereitete sich auf die „Berliner Operation“ 1929, in dem Betriebe der Firma Otto Flie- LENIN (LW, Bd. 31, S. 277) vor, evakuierte alle deutschen Bewohner gel, Sorau, Seifersdorf, vom 20. März bis Seite 6 ROTFUCHS / November 2004 Wie Dietmar Bartschs ND dem Zeitgeist hinterherläuft

Unter dem neuen Geschäftsfüh- Mein Vorschlag: W. Neiße sollte schnell- rer Dietmar Bartsch nimmt die stens durch einen arbeitswilligen, so- Zahl antikommunistisch einge- zialistisch denkenden und fühlenden färbter Beiträge im ND deutlich Journalisten ersetzt werden. Wer einen zu. In letzter Zeit haben vor solchen Fehlgriff im ND verursacht, der allem zwei Veröffentlichungen sollte zur taz gehen oder in einer anderen bei Lesern Unwillen hervorgeru- antikommunistischen Giftküche sein Heil fen. Das war erstens der aus der versuchen.“ bürgerlichen Presse abgekupferte Artikel eines gewissen W. Neiße So weit Horst Jäkel. Nun zum zweiten zum „plötzlichen Verschwinden“ „journalistischen“ Elaborat. „Zurück des Potsdamer Lenin-Denkmals, in Reih und Glied“ ist der Ostrowski- das sich gegenüber dem „Haus „Gedenkartikel“ von Martin Hatzius der Offi ziere“ befand. Es wurde überschrieben. über Nacht – angeblich durch den Besitzer des Grundstücks Die Neuverlegung von Nikolai Ostrow- – „entsorgt“. Der Beitrag erschien skis Hauptwerk „Wie der Stahl gehärtet in der Ausgabe vom 28. Septem- wurde“ benutzt der politisch unbedarfte ber. Rezensent zu derben Ausfällen. Das Wie- Nur einen Tag später inszenierte dererscheinen des Buches, dessen Lektüre das ND auf seiner Feuilleton-Sei- ganze Generationen von Kommunisten te den zweiten Skandal. Dort brachte hat einen vorgegebenen Wortlaut einfach und Sozialisten geprägt hat, begrüßt er man eine als Ehrung verkaufte Schmä- kopiert. Offensichtlich identifi ziert er sich mit der Bemerkung „Aber wer wird die- hung des sowjetischen Schriftstellers damit. Ob das die Mehrzahl der ND-Abon- ses Buch heute lesen? Ewig Gestrige, die Nikolai Ostrowski, dessen 100. Ge- nenten aber schluckt? Ich bezweifl e das. Pawel Kortschagin noch immer als den burtstag am 29. September begangen Lenin reckte nicht, wie es dort heißt, „sei- selbstlosen Helden betrachten ...? Altern- wurde. nen Spitzbart in die Höhe“. Er vermittelte de DDR-Romantiker, die – damals zur Lek- Wir drucken zunächst Auszüge aus nicht wenig, sondern viel revolutionäre türe verpfl ichtet – nun freiwillig noch ein- einem Brief unseres Potsdamer Lesers, Energie. Nicht die „PDS-Ortsgruppe“ zog mal den Geist ihrer Jugendzeit heraufbe- des PDS-Genossen Horst Jäkel, aann ddieie mit Eimer und Lappen los, um das Denk- schwören wollen?“ Auch über seine eigene Geschäftsführung und Chefredaktion mal von Zeit zu Zeit zu reinigen, sondern Verfassung gibt Hatzius Auskunft. Er sei des ND ab, den uns der Verfasser in Kopie zur Verfügung stellte. „Nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, von dem der „Da geben sich viele Menschen Mühe, dem ND neue Leser und Abonnenten zuzufüh- Autor nur das erste Drittel erleben durfte (oder mußte?), er- ren. Und nun fallen uns wieder einmal An- scheint es mir absurd, Freund und Feind, Gut und Böse in tikommunisten in den Rücken. Wenn man Stein zu meißeln, in Stahl zu gießen. Viel mehr als Bewun- in Zeitungen wie unserem bürgerlichen Provinzblatt – der Märkischen Allgemei- derung spüre ich Mitleid für diesen fragwürdigen Abenteu- nen (MAZ) – Lenin in den Dreck zu ziehen rer, den eine Zeit wie die unsere nicht hervorbringen kann.“ versucht, dann müssen sich Sozialisten darüber nicht wundern. Von dieser Seite M. Hatzius im ND vom 29. 9. 2004 ist nur solches zu erwarten. Wenn aber die sozialistische Tageszeitung diesen Kommunisten und Sozialisten machten „gerade jung genug“ gewesen, „um an der Text zu mehr als 60 % wortwörtlich über- das gemeinsam. Lenin ist nicht, wie be- Schullektüre in der DDR vorbeigekommen nimmt, dann ist daran etwas faul. hauptet wird, ein „Künstlername“. Das zu sein“. Heute gelesen, habe Ostrowskis ND-Autor W. Neiße war offensichtlich zu Potsdamer Lenin-Denkmal störte auch Roman „die erzieherische Funktion voll- träge, eigene Recherchen anzustellen. Er keine Baufreiheit, sondern die Einheits- ständig eingebüßt“, behauptet er. Selten front der Antikommunisten. Kein halb- habe ihn ein Buch „gleichzeitig so faszi- wegs fair denkender Mensch wird Lenin niert und abgestoßen“. Abstoßend sei „die Am 29. November 2004 als „Gevatter“ herabwürdigen. Ignoranz gegenüber anderen Wahrheiten“. begeht der ehemalige Und was passierte 1989 ff.? Doch beileibe „Die uneingeschränkte Hinwendung zu Buchenwaldhäftling keine Revolution! Revolutionen bringen ihrer Klasse, zu ihren Genossen, macht etwas voran. 1989 wurde die Vergangen- Held und Autor nicht nur stahlhart, heit zurückgeholt. Die Potsdamer Lenin- sondern gleichzeitig erschreckend blind allee wurde in Zeppelinstraße umben- – nicht nur auf den Augen.“ Eine grobe Ge- Herbert Thomas annt. Daß der Stadtkonservator mehr für Preußenmief übrig hat als für Lenin, ist schmacklosigkeit gegenüber dem infolge zuletzt Pressechef auch nicht aufregend. Wer Lenin verges- einer schweren Verwundung erblindeten der DDR-Volkskammer, sen machen möchte – das ist für Sozia- Budjonny-Reiter. in Berlin seinen listen kein Geheimnis. Er wurde nicht Das Fazit des ND-Schreibers: Es handle sich um „rote Schwarz-weiß-Logik“. Und 92. Geburtstag. nur in der DDR beachtet. Seine Schriften gehören zu denen, die in der Welt am mei- noch einmal Hatzius: Er sei „irgendwie sten verbreitet worden sind. Kein noch froh darüber, daß es eine zweite Oktober- revolution nicht geben“ werde. Eine herzliche Umarmung so übler Schwätzer kann Lenins Namen aus dem Gedächtnis der fortschrittlichen Wie man sieht, mehrt sich im ND jene Lo- der RF-Genossen! Menschheit löschen. Auch die Vokabel gik, die aus Schwarz und Weiß, aber nicht „Ikone“ vermag Lenin nichts anzuhaben. mehr aus Rot gespeist wird. ROTFUCHS / November 2004 Seite 7

Prof. Dr. theol. habil. Gert Wendelborn, Gespräch mit Prof. Gert Wendelborn evangelischer Theologe und Kirchenhi- storiker, gehört zum „RotFuchs“-Kessel in Rostock. 1935 dort geboren, hat er „Fehlverhalten“ eines Theologen seiner Vaterstadt stets und ihrer Uni- versität, solange diese ihn wollte, die Treue gehalten: Seit 1977 war er Profes- Das ist gar nicht ganz einfach. Diesen an- Im „RotFuchs“ gibt es gegenwärtig sor, zuletzt mit Lehr stuhl. 1992 wurde spruchsvollen Imperativ kann man sicher eine Debatte über den Charakter der er aus dem Amt gejagt. Im Urteil der nicht derart absolut zur Norm erheben, „Wende“ von 1989/90. Wie beurteilen sogenannten Ehrenkommission heißt zumal ja auch nicht jeder, der von Sozia- Sie das, was damals passierte? War es dazu, seine „Funktionen im natio- lismus spricht, damit absolut gleiche Be- das eine Konterrevolution? nalen Rang“ stellten ein „schweres griffsinhalte verbindet. Für mich ist aber Fehlverhalten“ dar und führten „zur unstrittig, daß der Sozialismus, wie wir Die sozialistischen Errungenschaften Abberufung als Hochschullehrer für al- ihn defi nieren, besser zum christlichen der DDR wurden wie in der Sowjetunion le Zeit“. Gert Wendelborn war Mitglied Glauben paßt als jede Gesellschaftsord- und anderen Ländern beseitigt; an deren des Hauptvorstan des der CDU der DDR, nung vorher. Der Auftrag des Christen zu Stelle wurde der friedensunfähige Kapi- bis 1990 Abgeordneter der Volkskam- Friedfertigkeit und Nächsten liebe fi ndet talismus restau riert. Damit hat zweifellos mer, seit 1982 Vizepräsident des Frie- im politischen Raum seine Entsprechun- eine Gegenrevolution stattgefunden, ein densrates. Heute ist Gert Wendelborn gen im Kampf um soziale Gerechtigkeit Prozeß entgegen den gesellschaftlichen parteilos, aber nicht ohne Parteinah- und in sozialistischer Friedenspolitik. Entwicklungsgesetzen. Die DDR war auf me. Jüngste Ver dienste erwarb er sich Also sind eigentlich gute Voraussetzun- einem guten Weg. Sicher, es gab auch um die Volkssolidarität. gen dafür gegeben, daß der einzelne vom berechtigte Unzufriedenheit. Aber wo christlichen Glauben zum sozialistischen gibt es die nicht? Ich denke, viele Bürger Engage ment fi ndet. Und Christen sollten der DDR haben sich sehr naiv verhalten. Genosse Wendelborn, was ist für Sie offen sein für jede wissen schaftliche Sie hätten es besser wissen müssen. Sie wichtig am „RotFuchs“, und was ver- Erkenntnis, auch im gesellschaftlichen haben sich das, was sie täglich erleb ten, bindet Sie besonders mit ihm? Bereich. Solche Positionen waren in der als Propaganda weismachen lassen und Seit 2003 lese ich regelmäßig den „Rot- CDU der DDR fest verankert. sind dabei selbst auf die Propaganda der Fuchs“, und ich lese ihn gern. Beeindruckt anderen Seite hereingefallen. Sie verfi e len hat mich eine Leserversammlung im April Sie verweisen auf die erfolgreiche dem Irrtum, daß Glanz und Flitter des Ka- dieses Jahres in Rostock, auch wegen der und vertrauensvolle Zusam menarbeit pitalismus zu dem hinzukämen, was sie in großen Teilnehmer zahl. Ich fühle mich von Kommunisten und Christen. Pe- der DDR hatten. Die Quittung bekommen beim „RotFuchs“ unter guten Freunden. ter Franz, auch ein ev.-luth. Theologe, sie jetzt. Ob sie damit auch Schuld auf sich Von besonderem Interesse sind für mich bittet im Rahmen eines Disputs zum geladen haben, vermag ich nicht schlüssig die Beiträge zur Grundfrage „Wie stehe Thema „Religion und Atheismus“ in RF- zu beurteilen. ich zur DDR?“ und diejenigen, in denen es Nr. 75 darum, anzuerkennen, daß es um den politischen Standort heute geht. neben den atheistischen Kommunisten Interview: Wolfgang Mäder Ich bekenne mich zu meiner politischen auch solche mit religiöser Motivation Mitarbeit in der DDR und habe nichts geben kann. Wie stehen Sie zu dieser zurückzunehmen. Position? Wichtig ist für mich, daß die DDR keine Ich unterstütze die Auffassung von Peter durchgestrichene Fußnote der Geschichte Franz. Zentrales Ziel der Kommunisten ist ist. 40 Jahre DDR und 70 Jahre Sowjet- eine qualitativ neue Gesellschaftsforma- union haben so viele positive Erfahrungen tion, die auch meiner Meinung nach nicht Die Herren machen vermittelt. Sie gilt es zu bewah ren, damit objektiv atheistisch ist. Viel wichtiger als sie ausgewertet werden können, um sie eine solche Differenzierung ist doch die das selber, daß dann zu verwer ten, wenn sie gebraucht auf Lebenszeit mögliche Bundesgenossen- werden. Dazu leistet der „RotFuchs“ einen schaft zwischen beiden mit dem gemein- wichtigen Beitrag. Eine sozialistische samen Ziel der befreiten Menschheit. Ein ihnen der arme Gesellschaft der Zukunft wird sicher in freier Dialog kann helfen, eventuelle Miß- vielem ganz anders sein, aber den Erfah- verständnisse auf diesem Weg zu klären. Mann feind wird. rungsschatz des realen Sozialismus wird Ich bin davon überzeugt, daß die Säku- man bei ihrer Gestaltung berücksichtigen larisierung des öffentlichen Lebens wei- Die Ursache des müssen, natürlich auch mit Für und Wi- tergehen wird, daß es daneben aber auch der. Dabei will ich im besonderen auch auf wahrhafte und lebendige Kirche geben die Schrittmachererfahrungen verweisen, wird. Diese Kirchen werden anders sein Aufruhrs wollen sie die wir in der CDU der DDR bei der akti- als heute. Und der atheistische Marxist ven politischen Mitarbeit von Christen darf mit gutem Recht davon ausgehen, nicht wegtun. im Sozialismus gesammelt haben, für daß er auch dann christliche Partner die es große Möglichkeiten gab. Das po- neben sich haben wird. Heute befürch- litische Engagement christli cher Bürger ten die Kirchen, im Sozialismus in ihrer Wie kann es die in der sozialistischen DDR wird auch herkömmlichen Konstitution als privi- kirchengeschicht lich noch vorurteilsfrei legierte Staats- oder Volkskirchen nicht Länge gut werden? aufzuarbeiten sein, denn Christen und zu überleben, zumal sie in den Ausbeu- Kirchen wird es auch in einer neuen so- terordnungen jeweils fest verwurzelt So ich das sage, muß zialistischen Gesellschaft geben. waren. Es gibt für sie die Alternative, aus dem Glauben heraus das Richtige zu unter- Der intensiv mit dem Verhältnis zwi- stützen, ohne dabei auf den eigenen Vor- ich aufrührerisch schen Christentum und Marxismus be- teil zu setzen. Und schließlich haben wir schäftigte Westberliner Theologiepro- erleben müssen, daß mit der sogenannten sein! Wohlhin! fessor Helmut Gollwitzer (1908–1993) Wende leider Atheisten und Christen der vertrat die Auffassung, ein Sozialist revolutionären Sache untreu geworden könne Christ sein, aber ein Christ müs- und aus beiden Gruppen nur Minderhei- THOMAS MÜNTZER (1524) se Sozialist sein. Wie würden Sie diesen ten da sind, die den Kampf fortsetzen. Satz kommentieren? Auch letzteres verbindet. Seite 8 ROTFUCHS / November 2004

„Spiel nicht mit den Schmuddelkin- Seit 1990 hat man den „Nichtabgehau- chen. Wenn die Kaschmirfraktion an die dern, sing nicht ihre Lieder ...“ heißt enen“ ihr Bleiben in der Heimat nicht Seite der Demonstranten rückt, sich für es in einem bekannten Song des west- verziehen! „Soziale Marktwirtschaft“ und die Schwachen engagiert und sogar den deutschen Kommunisten Franz-Joseph „Rheinischer Kapitalismus“ schicken sich Schulterschluß mit den Laubenpiepern Degenhardt. an, ihren Offenbarungseid zu leisten. Sie wagt, um die Eigentumswohnungen Be- waren die konkrete Erscheinungsform dürftiger zu verteidigen, übersteigt das Es geht bekanntlich nicht zimperlich zu, des Kapitalismus unter den Bedingungen zwar noch nicht das gewohnte Maß an wenn sich Volkes Stimme lautstark Gehör der globalen Systemauseinandersetzung. Heuchelei ...“ (FAZ) verschafft, wie bei den landesweiten Anti- Beide haben das Ende des Sozialismus in Hohe Sparbucheinlagen und Eigentums- Hartz-IV-Demonstrationen. „Clement in Europa nur kurz überdauert. Die „soziale wohnungen sind wahrlich nicht das Pro- die Produktion, aber nur für Billiglohn!“ Bändigung“ des Kapitalismus entsprach blem der „kleinen Leute“. wurde in Gera verlangt. Das Volk skan- dem SPD-Konzept einer „evolutionären Das Parteiergreifen für die in „Not Gerate- diert, die Regierung manövriert, und Veränderung des Kapitalismus“. nen“ macht aber stutzig. das Kapital akkumuliert. Und was macht Mit moderner Lohnsklaverei zu Dumping- Doziert hier ein Blinder über Farben? die kapitalgepolsterte Schreibzunft? Sie löhnen wird der „sozialdemokratisierte Nein. Hier geht es um etwas anderes: Mit der Präzision eines Uhrwerks hat die „Liberalisierung“ die Mittelschichten erreicht. Die Erfahrungen mit den als „Reaganismus“ und „Thatcherismus“ be- Spiel kannten Spielarten des Neoliberalismus sind eindeutig: Er führt neben einer wei- teren Verarmung der untersten sozialen nicht Schichten zu einer zunehmenden Polari- sierung der Mittelschichten. Weite Teile, vor allem ältere Angestellte, werden all- mählich „proletarisiert“, wenige steigen mit wirtschaftlich auf. Der Wohlstandssockel der Mittelschichten bröckelt. Cui bono – Wem nützt es, das Spiel oh- den ne Grenzen? Denen, die bei Strafe ih- res Unterganges den antagonistischen Grundwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft verdecken müssen: Den Schmuddelkindern! Widerspruch zwischen dem gesellschaft- lichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Aneignung des Mehrprodukts. Sie treibt die Angst vor analysiert! Aus der seinerzeit zugunsten Gesellschaftsvertrag“ aufgekündigt. Er dem „großen Bündnis“ um. der neuen Unordnung ausgelegten Losung ist nicht mehr im Interesse des Kapitals. Und für vermeintlich was wird prote- „Wir sind das Volk!“ wurde plötzlich laut Expansion nach außen und Erhöhung der stiert? „Für das Recht, dauerhaft auf Springers Welt (16. 8.) „der bespöttelte Repression nach innen sind die Fortset- Kosten anderer leben zu dürfen. 15 Jahre Slogan von damals“. zung der „friedlichen Revolution“ mit an- des westlichen, des weichen, und 40 Jah- Der durch die Bourgeoisie ausgelegte deren, nämlich kapitalistischen Mitteln. Die zynischen und entwürdigenden At- re des östlichen, des harten Sozialismus Köder des westdeutschen „Sozialstaates“ haben die Menschen vergessen lassen, erscheint nach Aufforderung dieses Blat- tacken gegen die „Kollateralschäden“ der Freiheit, gegen den sogenannten Boden- daß es vielleicht ein Recht auf Arbeit gibt, tes heute in einem eher unfreundlichen ein Recht auf einen festen Arbeitsplatz Licht: satz der Gesellschaft, gegen das immer weiter wachsende Heer von Sozialhilfe- jedoch nicht. Es kann dies Recht deshalb „15 Jahre Vollalimentation nach westli- nicht geben, weil es sein Gegenstück, die chem Muster haben die DDR-typische empfängern, Obdachlosen, Gestrauchel- ten, sozial Entwurzelten usw. sind hinrei- Verpfl ichtung, einen anderen mit Arbeit Versorgungsmentalität zwar überlagert, zu versorgen, auch nicht gibt.“ (Die Welt) jedoch nicht eigentlich verändert. Die chend bekannt. Schon hört man aber auch neue Töne. Einer der Hauptangriffspunk- Recht auf Arbeit – „vielleicht“, als Beloh- Montagsdemonstrationen verteidigen das nung für Wohlgefallen, Duckmäuserei Produkt aus beidem, sie wollen östliche te ist das „Maskottchen der deutschen Versorgungsindustrie, der dynamische und Kriecherei, sprich „Mobbing“ und Staatsfürsorge auf westlichem Niveau.“ Frührentner“. (Die Welt) „Wohlgenährt, Entsolidarisierung! In keiner anderen Ge- „In diesem Schutzraum entstand im die Trillerpfeife zwischen den welken sellschaft wurde das „Recht, auf Kosten vergangenen Jahrzehnt neben einer be- Lippen und die Kappe des großen Bruders anderer leben zu dürfen“, so kultiviert, scheidenen realen Wirtschaft eine virtu- Gewerkschaft auf dem Kopf, beschwört er die Asozialität so zur Daseinsform der elle Beschäftigungswelt. In ihrem sozi- eine Tradition, die es nicht gibt.“ Wieder- herrschenden Klasse erhoben wie in der altherapeutischen Klima, mit unzähligen erwachende Solidarität macht auch vor kapitalistischen Gesellschaft. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und „Frührentnern“ nicht halt. Und gegen was „Um das Recht auf Arbeit nicht immer nur fragwürdigen Fortbildungskursen der wird angeblich protestiert? Gegen „etwas zu beschwören, sondern auch einzulösen, Gewerkschaftsbildungskonzerne, sind Abstraktes, den sogenannten Sozialab- braucht die Regierung andere, die nicht nicht nur Eigensinn und Selbstvertrau- bau“, gegen das, „was dabei herauskommt, zu Unrecht so genannten Arbeitgeber. In en erstickt worden. Persönlicher Erfolg wenn man Begriffe wie Selbstverantwor- diese Rolle kann man keinen zwingen; da- steht immer noch im Verdacht, sich aus tung und Eigenvorsorge ernst nimmt“. zu kann man bestenfalls ermuntern, und vermeintlicher Gleichheit herausstehlen Aber auch die sogenannte Kaschmirfrak- das geschieht am sichersten, indem man zu wollen.“ tion kriegt ihr Fett weg: „Manch einer, der ihnen Freiheit läßt. Ob es das ist, für was Und weil Erfolg eher verpönt ist, gibt es von kargem Lohn Steuern zahlt, mit denen die Leipziger Demonstranten unter Füh- auch keinen Umgang mit dem Scheitern die Hilfe für in Not Geratene fi nanziert rers Führung auf die Straße gehen wol- ... Wer es nicht aushielt, packte die Kof- wird, mag sich nämlich wundern, daß len: für die Freiheit des Unternehmers?“, fer: „Abwanderung Ost als Flucht aus er auf seinem Sparbuch noch nie so viel schrieb Die Welt. Dem Bellen nach zu einer Zwangsgemeinschaft vermeintlich Geld zu deponieren vermochte, wie es jene urteilen, haben die Anti-Hartz-IV-Demon- Zukurzgekommener“ höhnte die FAZ am für sich in Anspruch nehmen, die jetzt strationen jedenfalls die richtigen Hunde selben Tag. von Grausamkeiten durch Hartz IV spre- getroffen. Dr. Erhard Kegel ROTFUCHS / November 2004 Seite 9 Der glorreichen SPD

Sie waren mal rot mit edlen Gedanken, sie wollten politisch die ganze Macht, doch leider haben Konzerne und Banken den Marx nicht gemocht und Bebel verlacht.

Sie waren mal rot in Sozi-Noblesse mit roten Liedern und roter Moral. Den Linken gaben sie eins in die Fresse und zogen vom Leder im Wahlkampfsaal.

Sie starben gefaßt in Hitlers Verliesen, sie waren im Unglück wieder vereint. Doch „Brüder zur Sonne“ in Nachkriegskrisen, ein schöner Traum, wenn die Sonne nicht scheint.

Sie waren mal rot, sie wollten Reformen mit linkem Profi l und linkem Verstand, doch die verkündeten rettenden Normen, die nützten Daimler, sonst niemand im Land.

Sie waren mal rot und aufrecht vor Thronen, sie zählten die Opfer, doch niemals das Geld, doch heute sind sie beim Spiel um Millionen die Hasardeure der westlichen Welt.

Was sollen sie wählen, die Arbeitslosen, die lasche Partei, den Kanzler, der prahlt? Statt Nelken schenken die Herren sich Rosen, und die sind auch noch vom Bürger bezahlt.

Wie rechnet sich Armut, wer zahlt Kredite? Das Auto, die Kita, das Krankenhaus? Die Insolvenz, das ist leider so Sitte, ist nur das letzte Wort vor dem Aus!

Was nun, SPD, du solltest dich färben, denn im Grunde bist du doch rabenschwarz. Du könntest Bismarck und Wilhelm beerben mit deiner Version vom menschlichen Hartz.

Gerhard Schmidt Seite 10 ROTFUCHS / November 2004

diese und die Staatengemeinschaft in Warum wurde die SED 1989 kapitalistischer Umklammerung existie- ren können. Daraus ergibt sich, daß die politischen nicht in den Kampf geführt? Konfl ikte in der DDR nicht nur haus- gemacht waren, sondern zu jeder Zeit Je nachdem, auf welcher Seite der Barri- Der zweite Schlag richtete sich gegen die unmittelbar mit der Gesamtlage und Ent- kade man 1989/90 stand, wird man die Verteidigungsfähigkeit der sozialisti- wicklung in der UdSSR zusammenhingen. Frage nach der Konterrevolution so oder schen Staatengemeinschaft. In Reykjavik So ist es aller Ehren wert, daß die DDR so beantworten. machte Gorbatschow weitgehende Zuge- trotz Mangelwirtschaft und Versorgungs- SED-Mitglieder und parteilose, in ihrem ständnisse in Abrüstungsfragen an den engpässen unter komplizierten Entwick- Staat fest verwurzelte Menschen, die um amerikanischen Präsidenten Reagan, für lungsbedingungen bei garantierter Voll- dessen Bestand 1990 auch noch ohne Par- die die Gegenleistungen der USA-Seite bis beschäftigung die höchste Arbeitspro- teiführung gekämpft haben, bis ihnen die heute nicht erbracht worden sind. duktivität der sozialistischen Länder, die Contras die Beine wegschlugen, vertreten Der dritte Schlag richtete sich gegen die höchste Industrieproduktion pro Einwoh- dazu sicher eine andere Auffassung als je- Einheit und Geschlossenheit der soziali- ner erzielte und ein Bruttoinlandsprodukt ne, die die Vernichtung des Sozialismus in stischen Staatengemeinschaft. Das Prin- pro Kopf erwirtschaftete, das 1989 höher der DDR angestrebt haben. Ich meine da- zip der uneingeschränkten eigenen Ent- war als das Spaniens, Griechenlands oder bei Leute, die im Verein mit denen handel- scheidungshoheit aller Teilnehmerstaa- Portugals. ten, welche rechtzeitig ihr SED-Mitglieds- ten des Warschauer Vertrages, das schon Der Führung meiner Partei kann ich nicht buch abgaben und sich aus den gewählten früher in Belgrad formuliert worden war, verzeihen, daß sie, die diese Fakten kannte Gremien fortstahlen, weil sie nicht mehr führte zur Handlungsunfähigkeit. Es und das negative Ende der „unverbrüchli- für das neue, bessere Deutschland einste- bildete das Gegenstück zum zuvor ver- chen Freundschaft“ voraussehen mußte, hen wollten. Vorher hatten viele von ihnen folgten Hegemoniestreben der UdSSR, das sich wie das Kaninchen vor der Schlange mit glühenden, salbungsvollen Worten bei eine Demokratisierung der Leitungs- und verkroch, statt den standhaften Teil einer jeder Gelegenheit geheuchelt, sie stünden Führungsgremien und damit eine weitere nominell 2,3 Millionen Mitglieder und selbstverständlich fest auf dem Boden der Festigung der Beziehungen der Staatenge- Kandidaten zählenden „marxistisch-leni- Partei und des Marxismus-Leninismus. meinschaft verhindert hatte. nistischen Kampfpartei“ rechtzeitig zur Für mich gibt es keine Frage. Die Ereig- Die DDR war in jeder Hinsicht – von der Verteidigung des Sozialismus zu mobili- nisse von 1989/90 waren eine Konterre- Rohstoffversorgung bis zur Landesver- sieren und das Heft des Handelns nicht volution. teidigung – schicksalhaft mit der Sowjet- freiwillig aus der Hand zu geben. Daß alles so friedlich ablief, hing nur union verbunden. Sie hätte niemals ohne Dr. Adolf Eser damit zusammen, daß die „alte Macht“ die angeblichen Revolutionäre nicht zur bewaffneten Auseinandersetzung zwang, wie es die Bourgeoisie gegenüber der kämpfenden Arbeiterklasse stets getan „Goldener Maulkorb“ verliehen hatte. Ein Ministerialdirigent im Bauministeri- Privatsache sei und in der Öffentlichkeit Wäre die „Wende“ tatsächlich eine Revo- um des Landes Brandenburg, aus Bayern nichts zu suchen habe. lution gewesen, wie es die gegnerische zugezogen, hat das Sporthaus Ziegenhals, Dieser Meinung bin ich nicht, und ich Propaganda behauptet, dann hätte sie in dem sich die Ernst-Thälmann-Ge- freue mich deswegen sehr, an Herrn G. ja zu einer neuen Qualität führen müs- denkstätte befi ndet, billig ersteigert den „Goldenen Maulkorb“ der zu ver.di sen. Aus der DDR wäre eine modernere und will auf dem Ufergrundstück teure gehörenden Journalistengewerkschaft Gesellschaft auf einer höheren Stufe des Wohnungen bauen und verkaufen. Das verleihen zu dürfen, als Preis für die gesellschaftlichen Eigentums an den ist in unserem Wirtschaftssystem nicht versuchte Einschüchterung der Medien, Produktionsmitteln hervorgegangen. Her- verboten. Aber die Gedenkstätte ist nun als Preis für die Ungeheuerlichkeit, ein ausgekommen ist aber die Restauration versperrt und mit Abriß bedroht, das fi n- anerkanntes antifaschistisches Denkmal des Monopolkapitalismus, der Sieg der den viele Menschen illegal, geschmacklos zu beseitigen, als Preis für dieses Vorbild alten Klassen über die fortschrittlichere, und geschichtsfeindlich. Das Gemeine ist, an reaktionärer Geschichtsentsorgung dem Jugendalter gerade entwachsende daß der betreffende Herr Ministerialdiri- und um die Person und das Vorhaben des Gesellschaft. gent G. Zeitungen und Personen mit straf- Herrn G. der öffentlichen Kritik auszuset- Das Ziel des internationalen Kapitals, bewehrten Unterlassungs-Erklärungen zen. Er täuscht sich: Ob Thälmann oder namentlich des amerikanischen und des überzieht, die sein Vorhaben kritisieren nicht, ist nicht seine Privatsache; wir deutschen, die seit der Oktoberrevolution und dabei seinen Namen nennen. Herr mischen uns da ein bißchen ein! in der Welt eingetretenen Veränderun- G. ist der Meinung, daß die politische gen zugunsten des Sozialismus und der Schweinerei, die er da betreibt, seine Dr. Seltsam bei der hohen Ehrung antiimperialistischen Kräfte rückgängig zu machen, wurde – was Europa betrifft – vollständig erreicht. Ein Blick auf die heutige Landkarte zeigt das. Die letzte Führung der KPdSU und der UdSSR unter Gorbatschow hat drei ent- scheidende Schläge gegen die Grundpfei- ler der Macht des sozialistischen Weltsy- stems geführt: Der erste Schlag richtete sich gegen die „Ich habe führende Rolle der Arbeiterklasse und ständig den der KPdSU. Dafür stand bereits 1985 die Alptraum, daß von Gorbatschow in Leningrad gehaltene ich einer meiner Rede mit schlimmen Ausfällen gegen die eigenen Ange- Partei, ihre Strukturen und ihre Funk- stellten bin.“ tionäre. Dem folgte bald die weitgehende Aus: Auswechslung erfahrener Kader des re- „The Guardian“, gionalen und zentralen Apparates. Sydney ROTFUCHS / November 2004 Seite 11 Die Kosmos-„Lupe“ des Herrn Struck

Die Bundeswehr ist nicht mehr zur über- Natürlich steht dort in Wahrheit nur die Demagogie ist immer im Spiel. Der Name fl üssig gewordenen Landesverteidigung, Antenne der Station. Den ersten Raum- „SAR-Lupe“ ist ein Paradebeispiel. „SAR“, sondern zur weltweiten „Konfl iktverhü- fl ugkörper wird eine russische Kosmos- die Abkürzung des englischen Search tung und Krisenbewältigung“ aufgestellt. Trägerrakete 2005 ins All bringen; bis and Rescue, kennen wir hierzulande So kann man es den aktuellen „Verteidi- 2007 soll das System komplett sein. Re- von Rettungshubschraubern. Hier wird gungspolitischen Richtlinien (VPR)“ aus lativ kleine Satelliten, nur 3 Meter hoch die Bezeichnung für ein Spionagesystem dem Jahre 2003 entnehmen. Dabei ver- und lediglich 800 kg schwer, sollen die mißbraucht. Und so werden die von der pfl ichtet „Verteidigungsminister“ Struck Gesamtkosten bei kaum glaubhaften 300 Rüstungsindustrie abgesegneten „Ver- (SPD) die Streitkräfte zur Unterstützung Millionen Euro halten. von Bündnispartnern „auch über das Ziel ist es, mittels der „SAR-Lupe“ auf teidigungspolitischen Richtlinien“ zur Bündnisgebiet hinaus“. Anforderung von jedem beliebigen Punkt materiellen Gewalt in den Händen ge- Diese Ziele werden im Interesse der BRD- der Erde Radarbilder in hoher Aufl ösung wissenloser Politiker. Schauen wir ihnen Rüstungsindustrie konsequent verfolgt. anzufertigen, die Objekte noch unter ei- im Interesse des Friedens genau auf den Für das erste Halbjahr 2004 meldete nem Meter deutlich darstellen. Einzelne zynischen Mund und noch genauer auf die Rheinmetall eine Steigerung des opera- Menschen zum Beispiel ... Finger! Richard Georg Richter tiven Gewinns auf 89 Millionen Euro, 30 Millionen mehr als vor einem Jahr. Und Daimler, ebenfalls zuerst eine Rüstungs- schmiede, konnte den Gewinn um 36 % Spionage für den Frieden? steigern. Richtig, das ist der „Autobauer“, der aus „Wettbewerbsgründen“ jährlich Das Buch ist in mehrfacher Hinsicht be- gegen Unmenschlichkeit“ und daran, daß die Kosten um 500 Millionen Euro sen- merkenswert Es ist das Ergebnis einer der „Wandel durch Annäherung von au- ken muß, weil ihm sonst nichts anderes Konferenz, die am 7. Mai 2004 in einer ßen und Wandel durch Widerstand von übrigbleibt, als die Arbeitsplätze in Bil- Kirche in Kreuzberg stattgefunden hat. innen sich gegenseitig ergänzen“ sollten liglohnländer zu verlagern. Sozialabbau Referenten und Teilnehmer waren Histo- und Teil der aggressiven NATO-Politik und Rüstungsgewinne sind zwei Seiten riker und Spionagechefs, Geheimdiens- waren. einer Medaille. texperten aus Ost und West, von denen Erich Schmidt-Eenboom verwies darauf, Die Bundeswehr hilft der Quisling-Re- einige noch im Dienst sind. Zu den 17 daß der Krieg gegen Irak ebenso mit einer gierung in Irak „uneigennützig“ bei der Beteiligten gehören u. a. Prof. Stefan geheimdienstlichen Operation begann Ausbildung und Ausrüstung „eigener“ Doernberg, Markus Wolf, Rainer Rupp, wie der zweite Weltkrieg mit dem fi ngier- Streitkräfte. 100 Fünf-Tonnen-LKW aus Milton Bearden, Gabriele Gast, Werner ten Angriff angeblich polnischer Soldaten Bundeswehrbeständen werden in die Ver- Großmann, Wolfgang Schwanitz und auf den Sender Gleiwitz. Seine Analyse einigten Arabischen Emirate verschifft Erich Schmidt-Eenboom. Jeder von ihnen erlaubt den Schluß, daß CIA und BND und dort an Irak übergeben. Als Zugabe hat Gewichtiges aus seinen Erfahrungen eine Gefahr für den Frieden sind: „Neu trainieren deutsche Ausbilder vor Ort zu sagen, wenn er zum Thema „Spionage scheint allenfalls die Dreistigkeit, mit der Hunderte irakische Soldaten im Umgang für den Frieden“ spricht. Ob allerdings Regierungen Geheimdienstinformationen mit diesen Fahrzeugen. Siegfried Prokop Recht hat, wenn er in frisieren, ignorieren oder uminterpretie- Aber auch im eigenen Land wird kräf- seinen Schlußbemerkungen postuliert ren, neu vor allem die Nonchalance, mit tig an der Rüstungsspirale gedreht. Am „Jawohl, die Spionage hat der Sicherung der sie zur politischen Tagesordnung 30. 7. 2004 brachte das Erste um 21.39 des Friedens gedient, und es ist ja auch übergehen, wenn sie der Lüge überführt Uhr das Programm „ARD exclusiv: U 31 irgendwie ein Wunder, daß es nicht zum wurden. Neu ist ebenfalls – zumindest ... streng geheim“. Der Werbetext in der Kriege kam“, sollte jeder selbst prüfen. in diesem Umfang –, daß sich hohe Ge- Programmzeitschrift TV 14 lautete: „Das Mit gutem Grund betonen mehrere Red- heimdienstler auch öffentlich gegen die Superboot der Deutschen Marine hat die ner aus Ost und West, daß die Spionage vorsätzliche Verfälschung ihrer Berichte im nicht-nuklearen Bereich weltweit fort- Teil der Blockkonfrontation war, und da wehren. Das hat die Nachrichtendienste schrittlichste Technologie. Eines kostet ist es wohl doch ein Unterschied, ob eins allerdings nicht gehindert, auf den üb- 500 Mio. Euro.“ der Systeme die friedliche Koexistenz als rigen Aufgabenfeldern zu tun, was ihnen Die Sendung war aufschlußreich. Gezeigt günstige Bedingung für seine Entwick- als ihre Pfl icht erschien.“ Das Buch ver- wurde ein in Kiel entwickeltes und gebau- lung anstrebt und die andere Seite Roll- dient unsere Aufmerksamkeit. tes U-Boot mit Brennstoffzellenantrieb. back-Politik betreibt. Prof. Dr. Horst Schneider Es kann wochenlang ohne Verbindung Nur auf dem historischen Hintergrund zur Außenluft tauchen, hat einen nicht und mit dem Wissen um die bitteren Er- Klaus Eichner/Gotthold Schramm zu erfassenden Geräuschpegel und ist fahrungen der UdSSR 1941 wird erklär- (Hg.): Spionage für den Frieden. Eine fast nicht zu orten. Alles Eigenschaften, bar, warum – dargelegt von Oberst a. D. Konferenz … Alle Referate und Beiträ- die für einen Angreifer vorteilhaft sind. Korotkow, Generalmajor a. D. Alexander ge. edition ost, Berlin 2004, 184 Seiten, Und so wurden als Einsatzgründe auch Karin, Rainer Rupp und Gabriele Gast 10 Euro Aufklärung, Spionage aller Art und das – die sowjetische wie auch die DDR-Auf- unbemerkte Absetzen von „Spezialkräf- klärung als obersten Auftrag betrachte- ten“ hervorgehoben. ten, zur Verhütung eines heißen Krieges Die Regionalgruppe Passend dazu fand ich in einer Zeitung des beizutragen. Chemnitz-Zwickau-Plauen folgenden Tages die Meldung „SAR-Lupe“: So wie Spione im Dienste der NATO in lädt für den 6. November, eigenes Satelliten-Aufklärungssystem“. ihren Regierungen durch nüchterne Ana- 10.00 Uhr, nach Zwickau, Hierbei handelt es sich um ein speziell lysen die Falken „gezügelt“ haben mögen, Schlobigplatz 23, ein. für die Bundeswehr entwickeltes System kann der eine oder andere im Detail auch aus fünf Spionagesatelliten. Man möch- objektiv zur Friedenssicherung beigetra- Prof. Dr. Werner Roß te selbst und unabhängig von anderen gen haben, aber das war und ist nicht im- spricht über das Thema Staaten „aufklären“, heißt es. Das Bremer perialistische Politik. Gerade die Geheim- Die Oktoberrevolution – Raumfahrtunternehmen OHB-System AG dienste der USA und Israels beweisen das der versunkene rote Stern? als Hauptauftragnehmer hat in Gelsdorf in ihrer Rolle beim Krieg gegen Irak und Mitglieder, Leser und Interessenten bei Bonn die Bodenstation zur Kontrolle die Palästinenser vor aller Welt sind herzlich eingeladen. der Satelliten und zur Auswertung ih- Wolfgang Schwanitz erinnerte eindrucks- rer Daten fertiggestellt und übergeben. voll an die berüchtigte „Kampfgruppe Seite 12 ROTFUCHS / November 2004 Jürgen Kuczynski – ein fröhlicher Marxist

Vor 100 Jahren – am 17. 9. 1904 – wurde selbst bei solchen Zeitgenossen – insbe- Jürgen Kuczynski in Berlin geboren. Nach sondere auch jungen Menschen – große dem Studium der Philosophie, Politökono- Beachtung, die bisher mit seinem Namen mie und Statistik in Heidelberg, Erlangen nichts anzufangen gewußt hatten. In dem und Berlin folgte ein dreijähriger Studi- Buch setzte sich J. K. kritisch mit be- enaufenthalt in den Vereinigten Staaten. stimmten Vorgängen in der DDR ausein- 1929 kehrte er nach Deutschland zurück ander, allerdings mit einem nicht zu über- und trat ein Jahr später der KPD bei. Dort sehenden positiven Grundtenor. Dennoch sammelte er ab 1933 Erfahrungen in der dauerte es einige Jahre, bis es erscheinen illegalen Arbeit. Seit 1936 lebte er im eng- konnte. ZK-Sekretär Kurt Hager hatte im lischen Exil. Bei Kriegsende kehrte er nach Vorfeld einige Passagen ändern lassen. Berlin zurück. 1947 wurde er Präsident Dessenungeachtet bezeichnete es der sei- der Gesellschaft zum Studium der Kultur nerzeitige 1. Bezirkssekretär von Berlin, der Sowjetunion (später Gesellschaft für Konrad Naumann, in Verkennung dessen, Deutsch-Sowjetische Freundschaft), was was Kuczynski damit bewirken wollte, als er als eine „wundervolle Aufgabe“ emp- das „republikfeindlichste Buch“. fand. Von dieser Funktion entband man Der Titel erschien jedenfalls in mehre- ihn 1950 völlig überraschend. Gern hätte ren Aufl agen, fand großen Absatz, und J. K. eine Funktion in der Regierung der alsbald meldeten sich die „Enkel“ zu 1949 gegründeten Deutschen Demokrati- Wort. Der Herbst 1989 nahte heran. Auch schen Republik übernommen. Nach sei- Kuczynski war der Überzeugung, daß es ner eigenen Schilderung sei in der Partei Veränderungen bei der Gestaltung des gewissermaßen „klar“ gewesen, daß er Sozialismus bedürfte und die DDR „ver- „nach der Revolution“ Wirtschaftsmini- besserungswürdig“ sei. Eine Einladung ster werden sollte. Diese Hoffnung erfüll- der Partei- und Staatsführung zum 40. te sich allerdings nicht. Dafür gründete er Jahrestag der DDR schlug er aus und äu- an der Berliner Humboldt-Universität ein ßerte gegenüber seiner Frau, daß man auf einzigartiges Institut für Wirtschaftsge- einem Vulkan nicht tanzen solle. Noch im schichte und machte bald durch zahlrei- Bei der Vorbereitung dieses Aufsatzes Februar 1990 nahm J. K. an einer Tagung che Publikationen auf sich aufmerksam. stellte ich in meinen Unterlagen fest, daß der evangelischen Akademie Tutzing teil, Bis zu seinem Tode dürften es weit über uns fast zwei Jahrzehnte Briefwechsel die unter dem Motto stand „Neue Antwor- 3000 Veröffentlichungen geworden sein. bis zu seinem Tode verbanden. Nie wer- ten auf die deutsche Frage“. Seine Vorred- Hervorzuheben ist hierbei die 40bändige de ich vergessen, wie ich nach einem ner waren unter anderem Hans Dietrich „Geschichte der Lage der Arbeiter unter berufsbedingten Aufenthalt im Stadtbe- Genscher und Willy Brandt. Die weitere dem Kapitalismus“, der Jahre später die zirksgericht Berlin Weißensee sein in der zeitgeschichtliche Entwicklung ist be- 10bändigen „Studien zur Geschichte der gleichen Straße gelegenes Haus spontan kannt. Wenige Monate darauf wurde die DDR der Bundesrepublik einverleibt. Auch fortan beteiligte sich der Professor „Vor 70 Jahren begann ich mein erstes Buch zu schreiben. aktiv am gesellschaftlichen Leben, unter Es hat te den Titel ,Zurück zu Marx‘ und enthielt den Satz: anderem im Ältestenrat der PDS. Seine ,Zurück zu Marx heißt vorwärts mit Lenin.‘ Dieser Meinung Memoiren, die zunächst nur den Zeitraum bis 1945 umfaßten, wurden um 2 Bände bin ich auch heute noch.“ erweitert. Daneben erschienen die Bro- schüren „Ein Leben in der Wissenschaft der DDR“, „Schwierige Jahre 1987 bis JÜRGEN KUCZYNSKI in „Ein hoffnungsloser Fall von Optimismus? 1989“, „Letzte Gedanken?“ und „Was wird Memoiren 1989–1994“ aus unserer Welt?“. In dieser Arbeit of- fenbarte J. K. nochmals seine Vision: „Es fragt sich also: Wer soll den völligen Ver- Gesellschaftswissenschaften“ und die aufsuchte, um ihn zu besuchen. Nach mei- fall des Kapitalismus in die Barbarei auf- aus 5 Bänden bestehende „Geschichte des nem Klingeln öffnete er mir die Tür und halten? Wer soll den Lauf der Geschichte Alltags des deutschen Volkes“ folgten. Im empfi ng mich mit frohen Worten. Gemein- ändern und ihn auf eine sozialistische Mittelpunkt seines Forschens stand die sam gingen wir zu seinem Arbeitszimmer, Gesellschaft richten? Ich glaube an den Analyse der kapitalistischen Weltwirt- vorbei an zig Regalen, die mit Büchern letztlich richtigen Instinkt von Arbeitern, schaft. Auf diesem Gebiet war er stets ein und Zeitschriften bis unter die Decke Angestellten und Intelligenz. Es wird das nützlicher Berater seiner Partei, verfaßte überladen waren. So saß er mir in sei- ausgebeutete Volk, das zu stets wachsen- Texte und Analysen für deren Generalse- nem Ohrensessel gegenüber, und ich trug der Arbeitslosigkeit, ob Arbeiter oder An- kretär. Dennoch betrachtete der Professor mein Anliegen an ihn heran. Mit wachen gestellter, verdammt ist, im Bündnis mit die Entwicklung des Sozialismus in der hellen Augen sah er mich an und hörte der linken und humanitären Intelligenz DDR zugleich auch kritisch. Dies brachte zu, kommentierte das eine oder andere, sein, das die Wendung bringen, das uns ihm nicht immer Wohlwollen durch die stimmte mir zu oder machte Bedenken vor dem Verfall in völlige Barbarei retten Führung der SED ein. Später hat er öfter geltend. Nach einiger Zeit waren wir uns wird. Es wird das Volk sein, das eine so- ein wenig damit kokettiert, daß er ebenso einig, und er brachte mich zur Tür. Beim zialistische Gesellschaft aufbauen wird, viele Parteistrafen wie Auszeichnungen Abschied gab er mir dann allerdings doch eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und erhalten habe. Bei alledem verlor er nie- mit auf den Weg: „Mach das nie wieder, in wunderbarer materieller und geistiger mals seine Grundüberzeugung, daß der ruf mich vorher an! Es war nur senile Gut- Blüte.“ Sozialismus/Kommunismus die einzig mütigkeit, daß ich Dich heute empfangen Der „Nestor der Gesellschaftswissen- vernünftige Alternative zur kapitalisti- habe.“ Selbstverständlich habe ich seinen schaften in der DDR“ starb am 6. August schen Welt ist. Gern zitierte er Lenin, Hinweis künftig beherzigt. 1997 im Alter von fast 93 Jahren. auch um seine eigene Überzeugungsbil- Wenige Monate zuvor war der „Dialog mit dung wissenschaftlich zu belegen. meinem Urenkel“ erschienen und fand Ralph Dobrawa ROTFUCHS / November 2004 Seite 13 Max Matern – Er schützte das Karl-Liebknecht-Haus

die Mutter schuftet auf dessen Feldern. Hunderte eilen nach Eggesin, darunter Obwohl die Arbeitszeit an jedem Tag Max Matern und seine Brüder. Mit blan- zwölf Stunden dauert, reicht der Ver- ken Fäusten und Knüppeln treiben sie die dienst der Eltern nicht aus, vier Kinder zu Militaristen auseinander und jagen sie ernähren und zu kleiden. Und so müssen samt ihrem Feldmarschall davon. auch diese nach der „Schule“ – das war Das Leben in seiner abgelegenen Heimat- ein einziger schäbiger Raum, in dem al- region ist besonders schwer. Infl ation, le Klassen gleichzeitig ein paar Stunden Hungerlohn und Arbeitslosigkeit veran- „unterrichtet“ wurden – zu ihrer „Schicht“: lassen Max, sich Anfang 1925 in der Hoff- zum Ausmisten in die Ställe des Gutes, nung auf den Weg nach Berlin zu machen, das auch denen von Quitzdorf gehört. 1916 dort ein etwas besseres Leben beginnen beginnt Max die Lehre als Former in den zu können. Er bekommt tatsächlich Arbeit Hallerwerken in Torgelow. Der Besitzer in der Eisengießerei Kailing & Thomas im und die Meister betrachten die Jungen Wedding, wo er in der Burgstraße auch als billige Arbeitskräfte. Aber Max ist ein möbliertes Zimmer beziehen kann. kein Duckmäuser, er widersetzt sich An- Und er fi ndet dort noch mehr: klassen- treiberei und Schikanen, verlangt für alle bewußte Arbeiter, Kommunisten. Schnell Lehrlinge feste Arbeitszeiten und Entloh- gewinnt er Freunde, und im Dezember Sommer 1932. Die Nazis wurden immer nung. In Gesprächen mit älteren Kollegen 1925 wird er ihr Genosse. Jetzt beginnt dreister und brutaler. Ihrer sogenannten zeigt er Interesse an politischen Themen. die Zeit des Lernens und der politischen Sturmabteilung, der SA, fallen in der Schließlich tobt der Erste Weltkrieg. Willi Arbeit. Er studiert die „Elementarbücher ersten Junihälfte siebzehn Arbeiter zum Pahl, einer seiner Freunde, erinnert sich des Kommunismus“, dann das „Manifest“ Opfer, im Juli sind es 86. Die Polizei sieht an den energischen und gradlinigen Bur- und weitere Schriften, die von der Par- diesem verbrecherischen Treiben nicht schen, an die damalige Zeit: „Wir disku- tei herausgegeben werden. Er tritt der nur tatenlos zu. Die Polizisten, oftmals tierten im Kreis der Jungen und der heim- Buchgemeinschaft „Universum-Bücherei“ von SPD-Funktionären geführt, schützen gekehrten verwundeten Soldaten über die bei, liest Emile Zola, Henri Barbusse, die Faschisten, wenn sich die Angegriffe- Ereignisse in Rußland. Obwohl wir die Maxim Gorki und andere Werke. In der nen zur Wehr setzen. Und nicht nur das, Oktoberrevolution in ihrer historischen militärpolitischen Zeitschrift der KPD die uniformierten Staatsdiener prügeln Tragweite damals noch nicht begriffen, „Oktober“ und in der „Roten Fahne“ erhält auf die Proleten, auf die Antifaschisten gelangten wir zu der Auffassung, daß er Anleitung für seine politische Arbeit. ein, wo immer sie dazu eine Gelegenheit man zum Frieden bei uns einen ähnlichen In der Betriebszelle der Partei und in der sehen, verhaften sie sie und bringen sie Weg gehen muß.“ Gewerkschaft, aber ebenso als Organisa- vor Gericht. Die Nazi-Banditen dagegen In den Morgenstunden des 13. März 1920 tionsleiter der Straßenzelle im Wedding bleiben weitgehend unbehelligt. „Täglich unternehmen reaktionäre Kräfte den leistet er eine umfangreiche Arbeit. 1930 mordet die braune Pest unsere Genossen, Versuch, die seit 1918 bestehende bürger- wird er Mitglied des Schutz- und Sicher- schlägt unsere besten Kämpfer nieder, lich-demokratische Republik mit Waffen- heitsdienstes der KPD. Dort zieht er auf unternimmt provokatorische Angriffe gewalt zu beseitigen und eine Militärdik- Wache am Karl-Liebknecht-Haus, geht auf auf unsere Parteihäuser; in den Gefäng- tatur zu errichten. Ihre Anführer sind der Streife, um die Faschisten zu beobachten, nissen schmachten unsere Genossen, die ostpreußische Generallandschaftsdirek- deren Provokationen und Angriffe recht- den wehrhaften Kampf gegen das faschi- tor Kapp, die Generale von Lüttwitz und zeitig zu erkennen. Aber die Partei setzt stische Verbrechertum führen.“ So kenn- Ludendorff, der ehemalige Berliner Poli- ihn auch als Personenschützer für den zeichnet am 8. Juli Ernst Thälmann die zeipräsident von Jagow, der Liebknecht- Vorsitzenden Ernst Thälmann, für Clara Lage. In Berlin richten sich die Angriffe Mörder Pabst. Landesweit treten Arbei- Zetkin und weitere Genossen des Zen- der vom deutschen Kapital fi nanzierten ter in den Generalstreik, greifen zu den tralkomitees ein. Man schätzt seinen Mut, SA-Schläger zunehmend auch gegen das Waffen. Heftige Kämpfe entwickeln sich seine Disziplin, Einsatzbereitschaft und Karl-Liebknecht-Haus am Bülow-Platz. in Mecklenburg, denn auf den Gütern der Verschwiegenheit. Als im Januar 1933 Hier hat das Zentralkomitee der Kommu- Junker hat die Reaktion Waffen gehortet Wilhelm Pieck und der Generalsekretär nistischen Partei Deutschlands seinen und Kampfeinheiten formiert. Deshalb der Französischen Kommunistischen Sitz. Aber so oft die Nazis vorstoßen, ertönen am 16. März Alarmrufe. Bewaff- Partei, Maurice Thorez, an den Gräbern so oft müssen sie unverrichteter Dinge nete Putschisten rücken gegen die Stadt der Revolutionsopfer in Friedrichsfelde wieder abziehen. Wenn den Verteidigern vor. An die vierhundert Arbeiter bewaff- sprechen, bringt Max Matern mit seiner als Abwehrwaffen auch nur handfeste nen sich, schlagen den Feind am Bahnhof Gruppe den ausländischen Gast vor dem Knüppel und der kräftige Wasserstrahl Jatznick zurück. Hier erlebt Max Matern Zugriff der Polizei in Sicherheit. aus einem Hydranten zur Verfügung seine Feuertaufe, gewinnt er nachhaltige Max gehört zu den ersten Kommunisten, stehen – die Angreifer kommen kein Eindrücke vom Klassenkampf. Weitere auf die die Faschisten 1933 Jagd machen. einziges Mal zum Ziel, das Gebäude zu Erfahrungen sammelt er im Juni 1922. Zu oft und entschieden hat er sich ihnen stürmen. Sie scheitern immer wieder an Mehrere tausend Angehörige von monar- entgegengestellt, hat er ihnen einen Strich der Entschlossenheit, der Disziplin und chistischen Kriegervereinen marschieren durch die Rechnung gemacht. Am 25. Einsatzbereitschaft der Genossen des mit Orden, Fahnen und Marschmusik in März 1933 verhaftet, wird er vor Gericht Parteiselbstschutzes. Dazu zählen auch Eggesin auf, um dem Generalfeldmar- gestellt. Er soll Polizisten getötet haben, Gruppen aus dem roten Wedding, und ei- schall von Mackensen, einem jener Kriegs- behauptet man, ohne Beweise dafür vor- ner der sie anführt, spricht das Platt eines verbrecher, zu huldigen, die gewissenlos zulegen. Die bürgerlich-kapitalistische Mecklenburgers; er heißt Max Matern. Millionen junger Männer, darunter Max Klassenjustiz, die sich völlig in den Dienst Dieser kräftige und furchtlose junge Materns ältesten Bruder, für den Profi t der Nazis gestellt hat, verurteilt ihn zum Mann ist gerade 30 Jahre alt. Er wurde der Krupp und Thyssen, aber auch für den Tode. Zwei Jahre lebt er noch, die meiste am 19. Januar 1902 in Berndshof bei Uek- der Quitzdorfs und der Hallerwerke in den Zeit gefesselt in einer Einzelzelle. Am kermünde geboren. Sein Vater arbeitet in Tod getrieben haben. Die Mecklenburger 22. Mai 1935 wird Max Matern mit dem der Ziegelei des Junkers von Quitzdorf, Arbeiter lassen sich das nicht gefallen. Handbeil ermordet. Günter Freyer Seite 14 ROTFUCHS / November 2004

Am 14. Juni 2002 hat der Deutsche Bun- Hans Hartleb, Herbert Jäger, Eberhard gebung und Gesetzesauslegung wurden destag in großer Eile ein „Dopingopfer- Kohl, Gerhard Grimmer und Thomas Pfül- aber vor der Beschlußfassung gestellt. So Hilfegesetz“ gegen drei Stimmen von PDS- ler (heute als Sportdirektor des Deutschen als u. a. der Sportausschuß des Deutschen Abgeordneten (die anderen Mitglieder der Skilaufverbandes tätig) gerieten ins Vi- Bundestages zur „Meinungsbildung“ über damaligen Fraktion enthielten sich wohl) sier. In das gleiche Horn tuteten auch der das Gesetz eine öffentliche Anhörung verabschiedet. „Deutschlandfunk“ Köln, die „Frankfurter or ganisierte. Sieben der insgesamt 16 ge- In den entsprechenden Fonds sind zwei Rundschau“ und der WDR. Nach Ablauf ladenen „Sachverständigen“ gehörten zur Millionen Euro (aus Steuergeldern) gefl os- der Meldefrist am 31. März 2003 trat vor- Kern mannschaft kompromißloser Gegner sen, denn die erwartete Zahl von „DDR- erst Funkstille ein. Hatte man ca. 10 000 des DDR-Sports und waren als Verfechter Dopingopfern“ belief sich auf ca. 10 000 Antragsteller erwartet, so waren es tat- groß zügiger Zuwendungen einzuordnen. Antragsteller. Jedenfalls sahen es die Ver- sächlich nur 306 (gerade mal 3 Prozent). Keiner von ihnen stammte aus der DDR. treter der CDU/CSU und auch der SPD so. Obwohl zuletzt noch einmal mächtig Hinzu kam das „Dopingopfer“ Birgit Es ist schon richtig, daß geschädigte getrommelt und Briefe versandt wurden, Boese. Eine ehrliche Aufarbeitung konnte Sportlerinnen und Sportler, ganz gleich er höhte sich die Zahl der Antragsteller, von diesem Personenkreis nicht erwartet mit welcher Verletzungsart, für nach- darunter viele Trittbrettfahrer, nicht. werden. weisliche Beeinträchtigungen ihrer Ge- Bis zum 31. Januar 2004 wurden 185 Der Ehrenvorsitzende der Gemeinschaft sundheit eine fi nanzielle Kompensation positive Bescheide zugestellt, die dann Deutscher Olympiateilnehmer und Fah- erhalten. Aber dieses Gesetz ist eine ein- per Überweisung je 6000 bis 9000 Euro nenträger der BRD-Olympiamannschaft deutige Fortset zung der Kampagne gegen erhielten. Das waren knapp zwei Prozent von 1952 in Hel sinki, Friedel Schirmer, schrieb an den Sportausschuß u. a.: „Vor- aussetzung (sollte) sein, daß der Kreis der Sachverständigen ausgewogen zusam- mengesetzt ist. Derzeit besteht Anlaß dar- an zu zweifeln, weil die Mehrheit der uns bekannt gewordenen ‚Sachverständigen‘ Das „Dopingopfer-Hilfegesetz“ nicht aus eigenem Erleben den Leistungs- sport der DDR kennt oder als befangen angesehen werden muß. Zur Erforschung des Deutschen Bundestages: der Wahr heit gehört vielmehr, daß auch frühere Spitzensportlerinnen und Spit- zensportler der DDR zu Wort kommen.“ Erfolgsquote 3 Prozent Aber auch diese Anhörung des Sportaus- schusses diente als Zustimmung zum „Dopingopfer-Hilfegesetz“. Der von Karen König angestrebte Prozeß gegen das NOK Deutschlands auf Zah lung einer Entschädigung ist sicher der An- den Sport der DDR, gegen die Trainer (so- der Er warteten. 111 Anträge wurden trotz fang einer möglichen Prozeßlawine. Das weit man sie nicht für Medaillen benötigt), der Großzügigkeit bei der Bearbei tung Oberlandesgericht in Frankfurt/Main gegen Ärzte und Funktionäre. Die Worte abgelehnt. hat die Klage der DDR-Schwimmerin an- Gustav-Adolf Schurs treffen den Kern. Er Paragraph 6, Absatz 2 des Gesetzes ließ genommen und den Prozeß eröffnet. In sagte im Bundestag: „Die PDS war vom übrigens auch Antragsteller zu, die keinen diesem Rechtsstreit fordert Karen König ersten Tag an für einen Gesetzentwurf, medizinischen Nachweis eines Schadens ein „Schmerzensgeld“ von mindestens wenn er denn vom Bo densee bis zum erbrachten. Im Gesetz heißt es: „Zur Aner- 10 000 Euro, da sie nach ihrer Aus sage ei- Stralsunder Bodden gilt.“ kennung eines erhebli chen Gesundheits- nen „Dopingschaden“ erlitten haben will. Doch Antragsteller aus den alten Bundes- schadens genügt die Wahrscheinlichkeit Als Mitglied des TSC Berlin gehörte sie ländern wurden sofort abgewiesen. Es eines ursächlichen Zu sammenhanges mit 1985 der 4 x 100-m-Freistilstaffel an und ging ja um das „fl ächendeckende Doping“ der Verabreichung von Dopingsubstan- erhielt für einen Medaillengewinn am 30. im „Unrechtsstaat DDR“. Nachweisliche zen.“ Bis zum heutigen Tag liegen keine März 1990 ein Preisgeld von 30 000 Mark Körperschä den durch Doping, sogar gerichtsmedizinischen Gutachten und durch das Amt für Jugend und Sport beim Todesfälle wie der der Siebenkämpferin kaum Beweise vor. Es genügt die Wahr- Ministerrat der DDR. Jetzt, fast 20 Jahre Birgit Dressel aus Mainz, fi elen unter scheinlichkeit! Eine einmalige Großzü- später, fordert sie vom NOK erneut Geld. den Tisch. Die Leiterin der Berliner Bera- gigkeit, und dies bei leeren Staatskassen. Eine zweite Klägerin, Cornelia Jeske, geb. tungsstelle für „DDR-Dopingopfer“ Birgit Ausreichend war die Formel: Unterstüt- Reichhelm, verlangt vom NOK sogar den Boese, die sich selbst als Betroffene aus- zende Mittel = Doping = Körperscha- Betrag von 33 000 Euro. Hierzu muß man gibt, obwohl sie zu keiner Zeit zu einem den. So wurden Urteile gesprochen und wissen, daß sie zu keiner Zeit in das Blick- Olympia- oder Nationalmannschaftska- Strafbescheide gegen Trainer, Ärzte und feld von Verbandstrainern des Deutschen derkreis gehörte, erklärte im Bundes- Funktionäre des DDR-Sports erlassen. In Ruderverbandes der DDR geraten war, tagssportausschuß, daß sich bei ihr auch Abkehr von den im Sozialwesen üblichen also nie zu einer Auswahlmannschaft Sportler gemeldet hätten, die in der BRD Normen der Antragstellung auf Zuwen- gehörte. Sie beklagt einen Wirbelschaden gedopt worden seien. Sie hätten jedoch dungen wurde hier gera dezu händerin- (!). Dies auf Doping zurückzuführen, hält keine Chance gehabt, in den Kreis der gend um Antragsteller gebettelt. selbst NOK-Präsident Dr. Klaus Stein bach, „Geschädigten“ aufgenommen zu werden. Der ehemalige Vorsitzende des Sportaus- renommierter Orthopäde, für absurd. Jahrelang gab es zur Ge setzgebungsfrage schusses im Deutschen Bundestag, Fried- Es sei, wie es sei. Ein lang anhaltender lautstarke Dispute. Die Medien verbreiten helm Julius Beucher (SPD), bemerkte zu Feldzug gegen den Sport der DDR ist noch heute Greuelmärchen, Halbwahrhei- dem Dilemma: „Die Frage, ob es ein fl ä- das politi sche Ziel, es geht um Revanche ten und Lügen. „Der Spiegel“ stand dabei chendeckendes DDR-Doping gegeben hat, an der erfolgreichen Sportorganisation mit an vorderster Front. In seiner Aus- muß neu gestellt werden ... Ich erwarte, der DDR. In den Stadien, Schwimmhal- gabe 52/2003 wurden zur Vorbereitung daß die wissenschaftlichen Untersuchun- len oder anderen Sportarenen erlittene auf die Biathlon-Weltmeisterschaften in gen, die Anhörungen und Befragungen im Niederla gen schmerzen noch immer und Oberhof fast alle dortigen Wintersport- Interesse von Klarheit und Wahrheit über- rufen „Dopingfahnder“, Journalisten und funktionäre zur Zielscheibe. Für Goldme- prüft werden.“ Dem sollten sich in ehr- Politiker auf den Plan. Neben der - daillen war Bundestrainer Frank Ullrich licher Aufarbeitung (für beide deut sche keule wird wohl auch die Dopingkeule gut, aber ein Kübel Dreck wurde auch Staaten) die Sportführung des DSB und noch einige Jahre geschwungen werden. über ihn ausgeschüttet. Karl-Heinz Wolf, das NOK stellen. Die Weichen für Gesetz- Erhard Richter ROTFUCHS / November 2004 Seite 15 DDR-Olympiasiegerin Cornelia Klier im RF: Mich dopte niemand

Die Olympischen Spiele des Trainingswissenschaftler Jahres 2004 sind vorbei. In und Trainingsmethodiker, die meinen Augen waren sie ein Einsatzbereitschaft aller Be- Desaster. Die Reserven der teiligten, ob Trainer, Sportler, „alten DDR“ sind fast aufge- ehrenamtliche Übungsleiter braucht. Die Sportförderung und Betreuer wurde auf Do- wurde in allen Bereichen ge- ping und Stasi reduziert. Was kürzt und weggespart. Dafür so nicht stimmte! Wir konnten gibt dieses Land Millionen Eu- auch im kapitalistischen Aus- ro für Aufrüstung und Militär, land unbewacht in den Wett- für Drogenberatungsstellen, kampforten bummeln und Selbsthilfegruppen, Sorgente- einkaufen gehen. lefone und ähnliches aus. Ich habe während der ganzen Die kleine arme Schwester Jahre meines Sports keine DDR konnte sich ein Sportsy- Dopingmittel verabreicht be- stem leisten (soviel ich weiß, kommen und wurde dreimal für 0,35 % des Nationalein- Weltmeisterin und einmal kommens), das gut und richtig Olympiasiegerin, war bei zwei war. Kinder, Jugendliche und Olympischen Spielen und vie- Erwachsene im Breiten- und len, vielen internationalen Re- Leistungssport wurden „ge- gatten am Start! sichtet und ausgewählt, geför- Die DHfK und das dazugehöri- dert und gefordert“. Die schu- ge Forschungsinstitut für Kör- lische und berufl iche Ausbil- perkultur und Sport wurden dung wurde koordiniert. Und als mißliebige Konkurrenz das Beste daran: Der Sport, zur Sporthochschule Köln ge- das Sporttreiben selbst war schlossen, viele Trainer aus auch für einkommensschwa- ihren Clubs entlassen. In der che Familien bezahlbar. DDR gab es nicht so viel Kri- Ich war Ruderin beim SC minalität, eine Drogenszene DHfK in Leipzig, wurde mit entstand erst nach der „Wie- 16 Jahren durch Heinz Quer- dervereinigung“. mann und seine Sendung Die BRD will drittstärkste „Zwischen Frühstück und Gän- Sportnation der Welt sein. sebraten“ auf diese Sportart Dafür gäbe es viel zu tun. aufmerksam, bewarb mich Sportschulen und Internate, und wurde angenommen. Drei gute Trainer und ausgefeilte Jahre später war ich bei den Methodik sind die beste Ba- Olympischen Spielen in Mont- sis für sportliche Leistungen real dabei! auf Weltniveau. Dieses reiche Als Lehrling zahlte ich monat- Land hätte alle Möglichkeiten, lich 80 Pfennig Mitgliedsbei- den Sport wieder voranzu- B i r g i t F i s c h e r trag im DTSB. Da ich das fünf- bringen, wenn es auf die Er- (Brandenburg). te von sieben Geschwistern fahrungen der vielen bereits Die vielfache war, hätten meine Eltern kaum genannten Komponenten, vor Kanu-Weltmeisterin eine Möglichkeit gehabt, mich allem auf die Erfahrungen un- aus der DDR errang in dieser Zeit fi nanziell zu un- seres gut ausgebildeten Trai- in Athen ihr terstützen. Während meiner nerpotentials zurückgreifen achtes Olympiagold. leistungssportlichen Lauf- und das Sportsystem gründ- bahn und auch noch danach lich „reformieren“ würde. wurde über den Sportclub Allein mir fehlt der Glaube, Grafi k: Arno Fleischer meine Ausbildung zur Physio- daß das gelingen könnte. therapeutin organisiert. Ich mußte nie Sorge haben, daß ich auf Grund der vielen Trai- ningslager und Wettkämpfe Fest des politischen Liedes meinen Job verliere. Ich konn- te mich voll und ganz auf mein 27.27. 11.,11., abab 1919 UhrUhr Training konzentrieren. Aus Anlaß der 30. Geburtstage der Mitwirkende u. a.: Singeclubs „Ernesto Che Guevara e. V.“, Gruppe „Rotdorn“, Hamburg Wir haben als Sportler nach und „Die Marbacher“ fi ndet am Sonnabend, „Quijote“, Chemnitz der sogenannten Wende mit dem 27. November, im Russischen Haus „Tiempo Nuevo“, Potsdam, Trauer festgestellt, daß ausge- der Wissenschaft und Kultur, Berlin, „Die Marbacher“, Heilbronn rechnet das System, das nach Friedrichstraße 176–179, das „Ernst-Busch- Chor“, Berlin unserer Meinung funktio- „Fest des politischen Liedes“ statt. „Singeclub Ernesto Che Guevara e. V.“, nierte, als schlecht und nicht Dresden nachahmenswert abgewickelt Der „RotFuchs“-Förderverein ist einer Kartenvorbestellungen unter: wurde. Der ganze Bereich der der Mitveranstalter. Telefon 0351-268 53 40. Seite 16 ROTFUCHS / November 2004 Schwerin: Inkompetenz im Dutzend

Ach, was waren das für glückliche Zeiten gabe sein ... Nun aber beging die Stadtver- Kleingärten nutzen, gehandelt werden. unter den Großherzögen von Mecklen- waltung den Fehler, daß sie glaubte spar- Das ist Buga unsozial“, schreibt der Kreis- burg! Da durfte das gemeine Volk im sam zu sein, wenn sie kein Geld ausgäbe. vorsitzende dieser Partei. Schloßgarten spazierengehen. Jetzt, unter Eine ganze Reihe von Einrichtungen, bei Blaue Blüten: Weil Schwerin so wenig der „Demokratie“, kommt die Herrschaft einer Residenzstadt vorausgesetzt, fehlt Seen (nur 15) hat, soll ein neues Gewässer – nicht das Volk – auf die Idee, einen Zaun daher heute noch in Schwerin.“ Geschrie- mit einer Buga-lnsel her. Auch die Idee, um den Schloßgarten zu ziehen. Wegen ben am 19. Oktober 1907! einen Kanal um den großherzoglichen der Schweriner Bundesgartenschau; denn Das will nun unsere untertänigste Stadt- Marstall herumzulegen, betrachten die nur so könne man im Jahre 2009 Ein- hoheit ab 2004, also 100 Jahre später, Bürger als Witz. Geht es vielleicht um das trittsgelder kassieren. Die Einheimischen nachholen, und die Bundesgartenschau Sicherheitsbedürfnis der darin sitzenden müßten sich preiswerte Dauer-Billetts soll es richten. Wenn es wirklich um Regierer? Als fi xer Gedanke erweist sich (für 60 Euro, das weiß man heute schon!) eine Gartenschau ginge, wäre ja alles in auch der neue „Stadthafen“ für die Gar- besorgen oder – eine neue „Idee“ – mit Ordnung, und sicher hätten die Schweri- tenschau, weil er mehr Grün zerstört als einer Fähre um Schloß und Schloßgarten ner auch einen Nutzen davon. Aber alle schafft. So jagt ein Einfall den nächsten. herumschippern. Und dann sollte der „Planungen“ beweisen: Darum geht es Die „Schweriner Volkszeitung“ bringt fast Zaun ja auch anschließend gleich stehen- ja gar nicht. Der Chef der „christlichen“ täglich Briefe von empörten Lesern. SPD, bleiben, um die Randalierer aus dem Park Partei läßt die Katze aus dem Sack: „Die PDS, CDU und FDP werfen sich gegensei- fernzuhalten. Nichts dauert bekanntlich Bundesgartenschau bringt Aufträge für tig Buga-Dilemma und Planungschaos länger als ein Provisorium. die Unternehmer.“ Und da wird das Steu- vor. Ein politischer Kindergarten. Der Für die Stadtoberen – und im Schlepptau ergeld der Bürger in die privaten Taschen Skandal: Sämtliche Parteien sitzen in den der CDU auch die PDS-Baudezernentin, von Hamburger Planern und Firmenbe- verschiedenen Vorbereitungsgremien und eine ausgewiesene Immobilienmaklerin sitzern umgeschaufelt. So kommt es nicht sind selbst für diese Zustände mit ver- – ist die Entfernung der Schweriner aus auf Blumen an, sondern auf „Events“ und antwortlich. Aber durch das ganze Getue ihrem Garten etwas völlig Normales: „Attraktionen“, so teuer wie irgend mög- sieht alles so fürchterlich „demokratisch“ Hauptsache, Touristen bringen Geld! lich. Daher treibt die Bundesgartenschau aus. Ein SVZ-Leser charakterisiert das Was nicht einmal der Großherzog seinen schon jetzt gar wundersame Blüten. richtig: Es geht gar nicht um eine Garten- Untertanen zugemutet hat, ist für die rosa- Rosa-rosa Blüte: Für den von allen bauausstellung, sondern allein ums Geld. rosa Landesregierung die einzige Rettung. Reiseführern als romantisch gepriese- Die Unternehmer drängeln, die Industrie- Sie stimmte den kühnen Plänen der Stadt- nen Pfaffenteich, ein städtebauliches und Handelskammer fördert jeden noch väter zu. Lautstarke Befürworterin dieser Kleinod mitten in Schwerin, gibt es tolle so phantastischen Vorschlag. Klar, städ- grandiosen und bevölkerungsnahen Idee Überlegungen: Einrichtung einer Super- tische Aufträge sind attraktiv. So eine ist übrigens die PDS-Fraktionschefi n. Wasserski-Anlage, einer schwimmenden Stadtkasse zahlt im Prinzip alles, sie geht Solcherlei Subordination hat hierzulan- Gaststätte, einer Hubbrücke, durch die nicht wirklich pleite. Schuldenmachen ist de Geschichte. Bereits 1907 beklagte das „Hochseedampfer“ direkt in die Stadt „in“, auch für die Fraktionschefi n der PDS, „Neue Wochenblatt“ in seiner Ausgabe hineinfahren können und andere Aben- die sich für immer neue Kredite erwärmt. Nr. 7: „Wie selten ein anderes Gemeinwe- teuerlichkeiten. Dabei kann man nicht Die Kapitalisten nehmen kein Risiko auf sen ist die Residenzstadt des Schweriner einmal den Betrieb der beliebten Fontäne sich. Für 20 % Profi t lohnt es sich, den Fürstenhauses durch ihre (landschaft- im Teich bezahlen. städtischen Kleinkrieg anzufachen. liche) Lage begünstigt, und langsamer Grüne Blüte: Der Abfl uß des Schweriner Hauptsache, die „Fördermittel“ werden als bei einer anderen Stadt schreitet ihre Sees nach Wismar in die Ostsee (30 km) ist alle. Nur die Bürger haben von alledem Entwicklung fort ... Mancher Mann der mit seiner Umgebung ein Naturparadies. nichts. Aber das stört unsere Muster- Stadtverwaltung fragt sich schließlich Was wollen die Landesplaner aber mit „Demokraten“ wenig oder gar nicht, auch nicht mehr: Was dient dem Wohl der einem schönen Flecken? Vermarkten – zu wenn sie immer vom „„Wohl der Allge- Stadt, sondern: Was sagt der Hof dazu ...? Geld machen, indem sie dieses idyllische meinheit“ schwadronieren. Auch als Residenz- und Beamtenstadt ist Gewässer zu einem motorschiffbaren Als der Großherzog verfl ossener Zeiten Schwerin heute nicht mehr mustergültig. Monstrum von der Ostsee nach Schwerin Schwerin satt hatte, verlegte er seine Re- Man bezahlt seine Steuern für die schöne umfunktionieren. Kostenpunkt: 120 Mil- sidenz kurzerhand nach Ludwigslust. Und Umgebung, und die müßte eine Gratisbei- lionen Euro. Auch 20 Millionen Profi t sind seit 1990 sind dank der Sorge der „Demo- im Kalkül. Schwerin wird Seehafenstadt! kraten“ auch 20 000 Schweriner ausgeris- Das war schon ein Traum des Großher- sen. Soll das so weitergehen? Zwei 70jährigen zogs Albrecht anno 1550. Nachdem der Rostocker Bürgermeister aus dem Norden gilt Schwarze Blüte: Der „Hopfenbruchgarten“ wegen der IGA-Geldverschwendung sollte zur zentralen Bugafl äche gestaltet seinen Hut nehmen mußte, wurden die unsere Gratulation werden. Die Unternehmer leckten sich Schweriner Abgeordneten wach und frag- schon die Finger, und mehrere hundert- ten den zugereisten Verfassungsschützer Manfred Manteuffel tausend Euro fl ossen bereits in diese und jetzigen Oberbürgermeister nach dem (13. November) und Richtung für „Planungen“. Nun stellten Konzept der Buga. Trockene Antwort: „Es die weisen Stadtoberen plötzlich fest, gibt noch keins.“ Und das nach fünf Jahren Harald Holtz daß das Gelände gar nicht Schwerin ge- „Planung“. Aber, um dem Ganzen die Krone (25. November) aus Rostock hört. Also hektische Suche nach neuen aufzusetzen, soll auf dem künftigen Aus- Flächen. Und schon erhält eine private stellungsgelände im denkmalgeschützten bringen wir Grundstücks-GmbH, die unerwartet Schloßgarten vorher ein Autorennen à la die feste erbbauberechtigt ist, von der Stadtver- Monaco stattfi nden! Verbundenheit waltung das Angebot, Millionen in einen Lebhaft erinnere ich mich des Geschreis des RF-Kollektivs morastigen baugrunduntauglichen Boden der Bürgerbewegten von 1989, sie wollten zum Ausdruck. zu versenken und 180 Kleingärtner zu endlich kompetente Leute in Verwaltung vertreiben. Selbst der FDP ist das zu viel: und Regierung sehen. Jetzt haben sie die „Jahre wurde unüberlegt geplant, jetzt soll Inkompetenz im Dutzend. Glückwunsch! ohne Rücksicht auf die Menschen, die die Dr. Norbert Pauligk ROTFUCHS / November 2004 Seite 17

Herr General und vergangen, zu deren grundle- der überwältigenden Mehrheit Identifi kation mit der Sache brüderlicher Freund! genden Führern Sie gehörten. der Portugiesen stattfand. Am des Volkes. Empfangen Sie einen brüder- So wie am 13. April 2002 die 13. April 2002 beabsichtigte Ich möchte einige Ihrer Wor- lichen und revolutionären Einheit von Zivilisten und man, den Prozeß abzutöten, te anführen, die mit Klarheit Gruß! Seitdem ich Ihre schöne Militärs einer äußerst kurzen und Deutlichkeit das zusam- in dem die Heimat von Simon und solidarische Botschaft an Unternehmerdiktatur in Vene- menfassen, was jene echte das 2. Welttreffen der Solida- zuela ein Ende bereitete, hat Bolívar unter maßgeblicher revolutionäre Erfahrung war, rität mit der Bolivarianischen das Bündnis zwischen Volk Beteiligung des Volkes auf den die Portugal zwischen 1974 Revolution gelesen habe, und Streitkräften Portugals Weg zur zweiten nationalen und 1975 durchlebte. Es han- drängt mich die Pfl icht, Ihnen am 25. April die Szenerie des Unabhängigkeit gelangte. delt sich um Worte, die ein unschätzbares Zeugnis sind, weil sie beweisen, wie Sie in jener Zeit die höchste Verant- wortung als Premierminister Präsident Hugo Chávez wahrnahmen: „Die Aprilrevolution war die an General Vasco Gonçalves tiefste und volksverbundenste der portugiesischen Revolutio- nen. Sie brachte dem portugie- Portugals Nelkenrevolution sischen Volk, den am meisten benachteiligten Klassen die größten Errungenschaften lebt im Sieg der Bolivarianischen ihrer Geschichte von mehr als acht Jahrhunderten.“ Die Aprilrevolution lebt im Revolution Venezuelas weiter Sieg der Bolivarianischen Re- volution weiter, weil sie einen Präzedenzfall dafür darstellte, einige Zeilen zu schreiben, um Salazar-Regimes hinwegge- Der ruhmreiche 13. April ist was das Volk und seine Sol- für diese Geste zu danken. Ich fegt, der am längsten wäh- ein Kind des nicht weniger daten zuwege bringen, wenn bin deshalb bewegt, weil ich renden Diktatur in Europa. ruhmreichen 25. April. An sie sich einig sind. Daraus selbst ein Soldat der Würde Dadurch wurde nicht nur so diesen beiden historischen erwächst ein Beispiel für die und ein konsequenter Revolu- vielen Jahren der Unterdrük- Daten wandten sich die wah- Welt. tionär bin, wie Sie es immer kung ein Ende gesetzt, sondern ren Soldaten unserer beiden Abschließend möchte ich, Ge- waren und sind. auch dem ebenfalls lange Jah- Vaterländer dem Volke zu und neral Vasco Gonçalves, daß Sie Am 25. April waren 30 Jah- re währenden Kolonialkrieg in wurden zu seinen Befreiern. wissen, daß es eine Ehre wäre, re seit der Nelkenrevolution Afrika, der gegen den Willen Niemand kann aus seinem wenn Sie uns in Kürze besuch- Gedächtnis jene ten. Das Vaterland von Bolívar Bilder der Soldaten wird immer Ihr Haus sein. löschen, die durch Empfangen Sie eine starke die Straßen Lissa- Umarmung, die von revolutio- bons marschierten närem Geist durchdrungen ist. und Nelken in die Brüderlich, mit einem tiefen Gewehrläufe steck- Gefühl der revolutionären ten als Symbol Solidarität, mein General ihrer Weigerung, am Kolonialkrieg Hugo Chávez Frias, teilzunehmen, so- Präsident der wie als schönster Bolivarianischen Republik Ausdruck ihrer Venezuela Seite 18 ROTFUCHS / November 2004 Staatsterrorismus – Wesen des „amerikanischen Jahrhunderts“

An der Ostküste der heutigen USA hatte Seit Mitte der 70er Jahre werden Wirt- der internationalen Monopolbourgeoisie alles begonnen. Hier ent standen im 17. schaft und Außenpolitik in ständig zur sogenannten Globalisierung unter Jahrhundert die 13 englischen Kolonien, zunehmendem Maße durch forcierte amerikanischer Führung liegt eine stra- die sich später vereinigten und langsam Militarisierung bestimmt. Die materiel- tegische Fehlkalkulation zugrunde: Die zu einer neuen Nation wurden. Die na- le Absicherung des aggressiven Kurses Widersprüche zwischen den kapitalisti- tionale Befreiungsbewegung wurde ihr der Hochrüstung führte in den USA zur schen Staaten lassen sich auf Dauer nicht Geburtshelfer. Schwächung fast aller Bereiche der zi- beherrschen. Der Nationalkongreß erklärte alle seit vilen Produktion und logischerweise zu Wenn auch die geistige Bewegung der 1764 erlassenen und von den Kolonien einer Verschärfung der ökonomischen Neuzeit noch vom Schock der angeblichen mißbilligten Akte für gesetzwidrig. und sozialen Konfl ikte. Die vielgeprie- „Zeitenwende“ gelähmt ist, die Ende des England antwortete mit Gewalt und sene amerikanische Demokratie leidet vorigen Jahrhunderts mit dem Zusam- verstärkte die in Amerika stationierten unter chronischer Schwindsucht. Die menbruch des europäischen Sozialismus Truppen auf 50 000 Mann, wovon die gute aus dem Vietnamkrieg erwachsene Frie- eingeleitet schien, so begann diese nicht Hälfte deutsche Kontingente waren. Die densbewegung wird platt gemacht. Das mit einer Revolution, sondern mit dem Briten wurden besiegt und Nordamerika Establishment war und ist darin geübt, Anspruch der reaktionären Supermacht konsolidierte sich zur eigenen Wirt- die Widersprüche zum Vorteil des Kapi- USA auf die Weltgendarmen rolle. Die Ver- schaftsmacht. Noch waren die Freiheits- tals auszulegen. Der Feind stand folglich einigten Staaten haben indes den Zenit ideen im Volk und der Verfassung verwur- immer jenseits der Ozeane und hieß zu- ihrer besten Jahre längst überschritten zelt, als die sich formierende Bourgeoisie nächst „Weltkommunismus“. und sich von den Idealen ihrer Pionier- damit begann, die „ungezügelte Demokra- Es gelang den Politikern der herrschen- zeit verabschiedet. Daher refl ektiert die tie“ in Ketten zu legen. den Klasse der USA nicht nur, den beste- Politik der USA nicht mehr ein wirkliches, Mit der Bill of Rights (Charta der Bürger- henden Antagonismus gegenüber dem sondern ein vermeintliches Interesse der rechte) von 1791 erhielt die Verfassung ein sozialistischen Weltsystem zugunsten Menschheit. Früher oder später wird der wichtiges Instrument, womit das ameri- der Hochrüstung zu nutzen, sondern mit tatsächliche Verlauf der Geschichte die kanische Volk für seine immer wieder ein- der Einbindung ihrer Paktpartner in die geistige und politische Bewegung der geschränkten Freiheiten kämpfen konnte. globale antikommunistische Strategie zu- Menschen zum Widerstand führen. Die Dieser Dauerkampf um Demokratie gleich auch Voraussetzungen für die nach- linken Parteien sind gut beraten, sich wurde zu einem Wesensbestandteil der folgende Ära der allein bestimmenden Su- rechtzeitig darauf einzustellen. Die Zeit öffentlichen Ordnung in den Vereinigten permacht zu schaffen. Es gibt eine neue wird heranreifen, in der dieses Wider- Staaten. Von daher kommt es, daß in den Polarität: arm und reich. Die Dritte Welt, standspotential dem Kapitalismus Paroli USA – anders als in Europa – ein steter jetzt vergrößert durch die Länder Osteu- zu bieten vermag. Horst Joachimi Zusammenhang zwischen Geschichtsab- ropas, wird nach Öl- und Gasvorkommen Unser Autor war Resident der Haupt- lauf, Geschichtsschreibung und aktueller taxiert und gegebenenfalls unter dem verwaltung Aufklärung des MfS in den Regierungspolitik besteht. So liegt in der Vorwand der Terrorismusbekämpfung USA und arbeitete mit diplomatischem historischen Entwicklung des Landes ein militärisch angegriffen und besetzt. Doch Status in der DDR-Vertretung bei den schier unversiegbarer Quell von Selbstge- dem von Washington geforderten Konsens Vereinten Nationen. rechtigkeit. Es entwickelte sich eine ständige Wech- selwirkung zwischen bestimmten ge- schichtlich-politischen Konzepten und Regierungsstrategien, die sich nach dem KP der USA: Bush, Kerry Zweiten Weltkrieg verstärkte. Ekkehart Krippendorff machte in seinem 1970 erschienenen Buch über die ameri- oder keiner? kanische Strategie darauf aufmerksam, daß bereits aus der Interpretation des Die KP der USA hat eine Erklärung zu 2. Die KP der USA empfi ehlt keinen „Sicherheitsbedürfnisses“ der USA, wie sie den Präsidentschafts- und Kongreßwah- Kandidaten für die Präsidentschaft zu vom Großkapital vorgenommen wird, die len 2004 veröffentlicht, mit der sie sich den Wahlen des Jahres 2004. Wir un- Gefahr des Staats terrorismus hervorgeht. scharf von verleumderischen Äußerungen terstützen nicht die Kandidaten anderer Seine Studie beginnt mit „Am Anfang über den angeblichen Standpunkt der politischer Parteien. Wir haben davon war die Revolution“ und endet mit dem amerikanischen Kommunisten abgrenzt. Abstand genommen, unseren eigenen Schluß, „daß die politische Klasse der So wurde u. a. behauptet, die Partei habe Kandidaten aufzustellen, um nicht von Vereinigten Staaten offensichtlich bereit sich für eine Unterstützung der Kandida- der Hauptanstrengung Kräfte abzuziehen, ist, zur Erhaltung der kapitalistischen tur des Bewerbers der Demokratischen die darin bestehen muß, Bush und seiner Gesellschaftsstruktur nicht nur den Preis Partei John Kerry ausgesprochen. Hier ultra-rechtsextremistischen Agenda eine einer notwendig werdenden Repression der Wortlaut: Niederlage zu bereiten. – nämlich der Transformation der Demo- 1. Die KP der USA wird alles in ihren 3. Die KP der USA besitzt ihre eigene kratie – zu zahlen, sondern auch den der Kräften Stehende tun, um zu einer Nie- unabhängige politische Plattform für die Totalzerstörung menschlichen Lebens“. derlage von Bush beizutragen. Wir sind Dieser verderbliche Prozeß ist in vollem – wie die Mehrheit im Lande und in der Wahlen im Jahre 2004. Obwohl diese im Gange. Welt sowie alle größeren fortschrittlichen Hinblick auf volle soziale Gerechtigkeit Der Staatsterrorismus ist zum Wesen des Organisationen – tief besorgt über die viel weiter geht als die Kerrys, bedarf es proklamierten „amerikanischen Jahr- großen Gefahren einer zweiten Amtspe- einer Niederlage Bushs, um irgend etwas hunderts“ geworden. Die durchaus auch riode Bushs. Zu einem weiten Spektrum davon umsetzen zu können. Eine Bewe- glorreiche eigene Geschichte wird zum von Schlüsselfragen (soziale Sicherheit, gung, die den republikanischen Würge- Vorwand eines militärischen Sicherheits- Gesundheitsfürsorge, Bezahlung von griff auf die Regierung bricht, könnte bedürfnisses genommen und damit von Überstunden, Mindestlöhne usw.) gibt es sozialen Fortschritt an vielen Fronten den Machtinteressen des Großkapitals reale, inhaltliche Unterschiede zwischen erleichtern. entwürdigt. Bush und Kerry. Aus „The Guardian“, Sydney ROTFUCHS / November 2004 Seite 19 Warum sich der Westen auf Belorußland eingeschossen hat

Anfang September erfolgte die Ansetzung Nicht zufällig rief die Ansetzung des oder Moskau, das Regime in Minsk trage einer von der Verfassung vorgesehenen Referendums erhebliche Unruhe bei jenen einen „nichtdemokrati schen Charakter“. Volksbefragung in der Repu blik Belarus. hervor, die auf Belorußland die Sitten des Nach offi zi ellen Angaben der Zentralen Das rief im Westen und in proimperia- heutigen „de mokratischen“ Rußland aus- Wahlkommission Belorußlands gehör- listischen Kreisen des Landes sowie in dehnen möchten, das im Ergebnis einer ten den Bezirkswahlkommissionen auch Rußland eine regelrechte Hysterie hervor. 13jährigen Leitung durch „Demokraten“ Vertreter in Opposition zur Volks macht Dabei wurde nur die Frage gestellt, ob und „Reformer“ in einem blutigen Sumpf stehender Kräfte an. Man muß wissen, es dem Präsidenten der Republik Alex- endloser Terrorakte und krimineller daß in den Washingtoner Korridoren der andr Lukaschenko gestattet werden solle, Ausschreitungen versinkt. Im Fernsehen Macht wie im Moskauer Fernsehen Grup- neben den anderen Kandidaten und auf hat Lukaschenko diesen Leu ten jegliche pierungen wie die Vereinigte Bürgerpar- Hoffnung genommen, daß die Banditen- tei, die Sozialdemokratische Partei, die sitten, die im Nachbarstaat herrschen, Belorussische Volksfront, die sogenannte auf belorussischen Boden übergreifen. In Partei der Kommunisten Belorußlands der Erkenntnis, daß sich ihre Vorhaben of- (PKB) u. a. besonders geschätzt werden. fensichtlich nicht erfüllen, daß die Volks- Sie alle stehen gegen Lukaschenko. Doch macht der Republik Belarus die Absicht niemand verbot sie oder schickte sich hat, auch weiter die stabile, vorwärtswei- an, sie aus den Wahlkommissionen zu sende Entwicklung des Staates und der verbannen. Gesellschaft zu garantieren und sich da- Übri gens, in Belorußland gibt es nur eine bei ausschließlich auf verfassungsmäßige Kommunistische Partei, die wirklich die und demokratische Methoden zu stützen, Interessen des werktätigen Volkes ver- stimmten die Feinde dieses Kurses in tritt, und die aktiv den sozial-ökonomi- Zeitungen und über die Sender ein wildes schen Kurs des Präsidenten unterstützt, Geschrei an. Die Vorbereitungen auf das der den Wünschen der Mehrheit des Referendum liefen an. Am 17. Oktober fan- Volkes entspricht: Das ist die Kommuni- den das Referendum und die Wahlen zum stische Partei Belorußlands (KPB), deren Parlament der Republik Belarus statt. Vertreter an der Arbeit der Bezirkswahl- Im Mittelpunkt des Wahlkampfes hatte kommissionen sowie an der Vorbereitung die Frage der Entwicklungstendenzen der des Referendums aktiv teilnahmen. Sie belorussischen Gesellschaft gestanden. trägt zur Stärkung der Volksmacht in der Das war eine Antwort auf die verleum- Republik Belarus bei. gleicher Grundlage an den nächsten Wah- derischen Behauptungen aus Washington R. F., gestützt auf „Prawda“, Moskau len des Staatsoberhauptes teilzunehmen. Sie werden 2006 stattfi n den. Ein Referendum ist in den Verfassungen vieler Staaten, die überdies – wie in den USA – zahlreiche Ergänzungen (Amend- Lukaschenko wurde 50 ments) erlebt haben, vorgesehen. Es han- Reichlich zehn Jahre ist es her, daß der junge Direktor des Sowchos „Gorodjez“, delt sich in Belarus nicht um irgendeine Mitglied der Deputiertenfraktion „Kommunisten Belorußlands – für Demokra- „Verlängerung der Vollmachten“ des jetzi- tie!“ zum ersten Mal in den Kampf um den Posten des Präsidenten der Repu blik gen Staatschefs, wie Gegner der belorus- eingriff. Die klare, eindringliche Rede von Lukaschenko gegen Korruption und sischen Volksmacht behaupten, sondern Willkür jener, die im Lande zusammen mit der Regierung der damals die Macht um die gleichberechtigte Teilnahme an ausübenden Pseudodemokraten Einzug gehalten hatten, brachte ihm eine au- den Wahlen. ßerordentlich starke Unterstützung durch das Volk ein. Im zweiten Wahlgang Es ging darum, ob der Präsident sich dem erhielt Lukaschenko mehr als 80 % der Stimmen. demokratischen Votum des Volkes ein Wie es heißt, ist in diesen Jahren viel Wasser den Bach hinabgefl ossen, aber weiteres Mal stellen darf, und nicht um unverändert bleibt der Kurs, nach dem der zielstrebige Präsident, der sich den die schönen Augen Lukaschenkos oder seine „sportliche Er scheinung“. Zur De- Ausfällen des Westens und den Provo kationen der inneren Opposition nicht er- batte stand die Entscheidung für die Fort- geben hat, Belorußland führt. setzung einer Politik, die der Republik Dieser Kurs heißt: gegen die der Republik von außen aufgezwungenen ruinieren- Belarus die beeindruckendsten Kennzif- den „Reformen“, gegen die Ausplünderung des Volkes durch eine Handvoll aus- fern auf dem Gebiet der sozialen Entwick- ländischer und „hausgemachter“ Gauner. Er zielt auf die Einheit mit Rußland lung in der ganzen GUS und ihrem Volk und letztendlich auf die Wiedergründung der großen und mächtigen Union der ein ruhiges Leben gewährleistet, in dem Bruder völker. die Worte „Terroris mus“ und „Banditen- Die bourgeoise Welt hat sich fast einmütig auf das „ungehorsame“ Staatsober- tum“ wie Äußerungen von Wesen ferner haupt Belorußlands eingeschossen. Was für Anschuldigungen sind schon auf Planeten wahrgenommen werden. So wie sein Haupt herabgeprasselt! „Autoritarismus“ wird ihm vorgeworfen und be- das in der Sowjetunion der Fall war, von hauptet, er trete „die demokratischen Freiheiten mit Füßen“! Das erklingt aus der alles Gute im heutigen Belorußland dem Munde von Leuten, welche offen die unmenschlich sten, blutigsten Diktatu- dank der Volksmacht unter Präsident A. ren un terstützen und „verhätscheln“, die dem Westen zu Diensten sind. Lukaschenko erhalten geblieben ist. Nicht Aber trotz allem bleibt die Haupt sache: Auf der Seite von Alexandr Lukaschenko zufällig haben im August auf die vom steht die Mehrheit des belorussischen Volkes und die Solidarität der fortschritt- soziologischen Informationsdienst ÄKO- lichen Kräfte in der Welt. Zu seinem 50. Geburtstag erhielt der Jubilar deshalb OM gestellte Frage „Wie schätzen Sie die viele Glückwünsche aus dem In- und Ausland. Aus „Prawda“, Moskau politische Situation in Belorußland ein?“ 54 % der Angesprochenen gesagt, daß die „Situation ruhig und stabil“ sei; 32 % Beide Materialien übersetzte Eberhard Bock. nannten sie „fast ruhig“. Seite 20 ROTFUCHS / November 2004

In der Ukraine ist die Präsidentschafts- Fernsehen Alexandr Moros so ins Bild, Und was ist nun die KPU (o)? Die Sonne wahlkampagne auf dem Höhepunkt. Auf daß er der Häufi gkeit des Erscheinens bringt es an den Tag: Die KP der Ukraine den Posten des Staatschefs prätendieren nach nur von dem Kandida ten der „Partei (Vereinigte) wird faktisch von der Um- die verschiedensten Leute, darunter auch der Macht“, dem Premierminister Viktor gebung eines gewissen Viktor Pintschuk Kandidaten aus linken Parteien. Der Vor- Janukowitsch, überholt wird. verwaltet. Er ist der Chef des Dnjepro- sitzende der Sozialistischen Partei der Dabei brandmarkt Moros natürlich un- petrowsker Oligarchenklans und Schwie- Ukraine, Alexandr Moros, hat schon 1999 ablässig das herrschende Re gime und gersohn des jetzigen Präsidenten der am Kampf um den Posten des Präsidenten insbesondere Janukowitsch. Aber wozu Ukraine Leonid Kutschma. Weiß Alexandr teilgenommen und dabei den dritten Platz brauchen dies Medwedtschuk und seine Moros von diesen Flugblättern? Er weiß belegt. Er ließ den jetzigen Präsidenten regierenden Kollegen? Die Antwort ist es nicht nur, er begrüßt sogar eine solche der Ukraine, Leonid Kutschma, und den offensichtlich. Die Resultate der vergan- Unter stützung. Er ist auf dem Kongreß Führer der ukra inischen Kommunisten, genen Präsidentenwahl und der Parla- und in der Presse der KPU (o) aufgetreten. Pjotr Simonenko, damals vor sich. Moros mentswahlen haben ge zeigt, daß die Po- Seine Sozialistische Partei beabsichtigt stellt sich wieder zur Wahl. Aber mit wel- pularität von P. Simonenko und der KPU nicht, gegen die Kommunisten als Partei chem Ziel? um mehr als zweimal höher ist als die zu kämpfen. „Uns interessieren nur die Heute gibt es in der Ukraine ein halbes von A. Moros und seiner SPU. Und wenn Menschen, die die KPU und Pjotr Simo- Dutzend Parteien, die sich „linke“ nennen. man die Aufmerksamkeit der Wähler auf nenko wählen wollen“, erklärte Moros Dies sind sowohl die Sozialdemokratische Moros richtet und damit von Simonenko kürzlich in einem Interview mit der „Lwo- wer Zeitung“. Offensichtlich ist er davon überzeugt, daß im Wahlkampf alle Mittel recht sind. Dabei hatte doch Moros erst im Sommer mit Simonenko eine Verein- barung über faire Wahlen unterzeichnet. Allerdings unterschrieb er ein ähnliches Ukraine: Welches Spiel betreibt Papier auch mit Justschenko. Um ihn her- um scharwenzeln die Nationalisten und die 0ligarchen, die die Ergebnisse der Pri- vatisierung zu ihrem Nutzen re vidieren Alexandr Moros? möchten. Der USA-Kongreß fördert fast offen die Kandi datur Justschenkos für den Posten des Präsidenten der Ukraine. Nach gewissen Informationen werden auf dem Territorium Polens bereits Abtei lungen Partei der Ukraine (Vereinigte), die in auch nur ein Prozent der Stimmen abzieht, von „Kämpfern“ für die Destabilisierung Wirklichkeit eine Partei des Großkapitals könnte im entscheidenden Handgemen ge der Lage im Falle einer Niederlage bei den ist, als auch weitere Parteien, deren Auf- mit den Kandidaten der Macht und der Präsidentschaftswahlen vorbereitet. An trag darin besteht, den wahrhaft linken Oligarchien herauskommen, daß Pjotr Si- die Macht drängt ein Räuber, der sogar Kräften Stimmen abzuziehen. monenko beim Nachzählen gerade dieses noch gefährlicher ist als sein Vorgänger Aber es gibt auch zwei richtige linke eine Prozent fehlt. Moros kann nach sei- Kutschma. Und mit einem solchen Mann Parteien: die Kommuni stische Partei der nen Umfragewerten selbst nicht siegen. hat A. Moros eine Vereinbarung über faire Ukraine (KPU), geleitet von Pjotr Simo- Unlängst erschienen an den Schwarzen Wahlen ab geschlossen! nenko, und die Sozia listische Partei der Brettern und an den Mauern der Häuser Die KP der Ukraine und ihr Führer Pjotr Ukraine (SPU) unter Führung von Alex- der Städte der Ukraine Flugblätter, in de- Simonenko haben diesmal eine Chance, andr Moros. Die Pro gramme dieser beiden nen die KPU (o) – die Kommunisti sche Par- den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen Parteien sind sehr ähnlich: Wahl des tei der Ukraine (Vereinigte) – dazu aufruft, zu erringen. Sie besitzen den Willen zum sozialistischen Weges der Entwicklung, für Alexandr Moros zu stimmen. Dabei Sieg, die Unterstützung durch breite Wäh- Kampf für die Rechte der Werktätigen, muß man wissen, daß die KPU (o) keinerlei lerschichten, ein solides und begründetes die Forderung, dem Staat das allgemeine Beziehungen zu Simonenkos Kommunisti- Aktionsprogramm. Es gibt nur ein Übel: Volkseigentum zurückzugeben, Unter- scher Partei der Ukraine unterhält. Aber Gleichzeitig mit Pjotr Simonenko tritt der stützung von Wissen schaft und Bildung, von der Abkürzung KPU unterscheidet sie Kandidat einer politisch verwandten und Kampf gegen Korruption. nur der kleine Buchstabe „o“ in Klammern, durch die Kommunisten geachteten Partei Es entsteht die logische Frage: Warum und alles übrige – sowohl rote Farbe als – Alexandr Moros – an. Aber dieses Mal gehen beide Bruderparteien nicht bei auch Hammer und Sichel – gleicht der verfolgt er keine solidarischen Absichten, den Präsidentschaftswahlen zusammen, Symbolik der tatsächlichen KP aufs Haar. sondern nur ein Ziel: den Sieg des kommu- warum stellen sie keinen gemeinsamen Doch viele kennen den Unterschied nicht. nistischen Kandidaten zu verhindern. Kandidaten auf? Die Vereini gung der So kann es kommen, daß Wähler, die für Anstrengungen von Kommunisten und Simonenko votieren wollen, annehmen, R. F., gestützt auf „Prawda“, Moskau Sozialisten würde die Chancen auf einen die KP rufe ja selbst dazu auf, A. Moros zu Sieg vergrößern. Vielleicht will A. Moros unterstützen. Übersetzt von Eberhard Bock einfach nicht den Sieg des linken Kandi- daten bei den Präsidentenwahlen in der Ukraine? Dieser Vorwurf ist ernst, aber es gibt auch Gründe, Moros gerade dessen Der „RotFuchs“ grüßt zu verdächtigen. Ebenso wie in Rußland ist das Fernsehen Egon Eismann aus Wernigerode (1. November) zum 75., das Haupt transportmittel der offi ziellen Staatspropaganda. Aber es besteht ein Horst Franzkowiak ausaus HoyerswerdaHoyerswerda (9. November) zum 70. Unterschied: Während in Rußland die und die beiden 65jährigen Berliner Nachwuchsveteranen Telekanäle unmittelbar vom Kreml aus geleitet werden, steuert den nationalen Manfred Kurka (4. November) und Hauptkanal ein gewisser Viktor Med- wjedtschuk – der Anführer des oligar- Dr. Carl-Bernd Uhlmann (21. November). chischen Klans von Kiew und Spitzen- mann der „Sozialdemokraten“. Auf dem Herzlichen Glückwunsch! Höhepunkt der Wahlkampagne setzt das ROTFUCHS / November 2004 Seite 21 Präsidium des ZK der KPRF zu den Ereignissen in Beslan

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Instrumente zur Ausführung po litischer de die Sowjetmacht war es, die wiederholt Partei der Russischen Föderation äußert Aufträge der Macht verwandelt worden. ihr Vermögen und ihre Fähigkeit bewies, Zorn und Empörung über die neue Welle Der Willkür der Verbrechen und dem Ter- den Frieden auf dem Boden unseres mul- des Terrorismus und der Gewalt, die ge- ror kann nur die un verzügliche Änderung tinationalen Staates zu bewahren und den gen Rußland gerichtet ist. Die russischen des sozial-ökonomischen und politischen Schutz seiner Bürger zu gewährleisten. Kommunisten trauern zutiefst über den Kurses ein Ende setzen. Notwendig ist, in Wir sind überzeugt, daß die Gesellschaft Tod von Menschen, die in keiner Weise kürzester Zeit überall die ökonomische nach der Serie schrecklicher Tragödien, schuldig sind, und bringen ihr aufrich- Basis des Verbrechens aufzudecken und die sich ereignet haben, endlich das wah- tiges Beileid gegenüber Verwandten und zu zerschlagen, die Kanäle der fi nanzi- re Antlitz der jetzigen Macht erkennen Freunden der Getöteten zum Ausdruck. ellen und personellen Unterstützung der und einen Wechsel der Führung des Lan- Alle an dem Massenmord Schuldigen „Kämpfer“ zu verschließen. des durchsetzen wird. – von den Auftraggebern und Initiatoren Sogar in diesen tragischen Tagen hat sich Aus „Prawda Rossiji“, 8.–14. 9. 2004 bis zu den Ausführenden und Helfershel- Präsident Putin wieder einmal negativ fern dieser blutigen Verbrechen – müssen über die Sowjetunion geäußert. Aber gera- Übersetzung: Eberhard Bock harter Be strafung zugeführt werden. Das ZK der KPRF ist der Meinung, daß es unmöglich ist, den Frieden wiederherzu- stellen und den Bür gern Ruhe und Sicher- heit zu garantieren, ohne die Grundursa- chen des Geschehens aufzudecken. Die Macht ist nicht daran interessiert und zu einer solchen Analyse auch gar nicht fä- hig. Davon zeugt der Aufruf Präsiden t Pu- tins. Die Wurzeln der Tragödie muß man nicht nur im „internationalen Terroris- mus“ suchen, der ein bequemer Vorwand ist, die wahren Ursachen der Vorfäl le zu bemänteln, sondern vor allem innerhalb unseres Landes. Der Zerfall der Ökonomie, die angesam- melte Last von Problemen sozialer Art, Arbeitslosigkeit, Armut, die Entfesselung der Kriminalität, die Korruption in den Macht- und Rechtsschutzorganen, die endlose und sinnlose Reformiererei der Gewaltstrukturen, die Vernachlässigung der internationalen Probleme, die Schwä- chung der kulturellen Bande zwischen den Völkern Rußlands, die Fehler, die in Tschetschenien begangen wurden – hier liegen die wahren Ursachen, die die tragi- schen Ereignisse hervorgebracht haben. Die jetzige Macht, die all diese Probleme erzeugt hat, ist außerstande, mit ihnen zurechtzukommen und nur darum be- sorgt, ihren Bestand zu sichern. Das Putin-Regime hat seine Anstrengungen auf den Kampf gegen die Oppo sition, auf die Unterdrückung der Massenmedien, auf den Aufbau einer harten Vertikale der Macht gerichtet, die sich in dieser Situation jedoch als ohnmächtig erwie- sen hat. Die Rechtsschutzorgane sind in

Liebe Leserinnen und Leser, dank Eurer wärmenden Solidarität hat der „RotFuchs“ schwierige Zeiten überstanden und auch dieses Jahr regelmäßig erscheinen können. Wie Ihr wißt, seid Ihr unser einziges Hinterland. Es gibt sonst niemanden, der uns fi nan- ziell stützt. Über diese Unabhängigkeit sind wir froh, aber sie birgt auch Risiken. Wir haben das Solidarprinzip konsequent durchgehalten: Wer von unseren inzwischen 11 000 Lesern dazu in der Lage ist, unterstützt den RF von Zeit zu Zeit mit Spenden. Wer das nicht kann, bleibt dennoch auf unserer Bezieherliste. Diesmal legen wir der Zeitschrift einen Überweisungsschein für alle diejenigen bei, die imstande sind, unserem Fuchs ein kleines Weihnachtsgänschen zu rupfen. Herzlichen Dank! Eure Redaktion Seite 22 ROTFUCHS / November 2004

A FGHANISTAN : Wahlfarce am Hindukusch Wie CIA-Mann Karsai an die Staatsspitze gehievt wurde

Am 9. Oktober fanden in Afghanistan Im Juni ging man von 10 bzw. etwa 10,4 und Modjahedinführern die Amerikaner Präsidentschaftswahlen statt. Auf der Pe- Millionen Wahlberechtigten aus; die UNO in Irak entlasten würde. „Hamid Karzai tersberger Konferenz im Dezember 2001 gab deren Zahl mit nur 9,8 Millionen an. muß seine Herrschaft mit vielen teilen, war beschlossen worden, im Juni 2004 Unter den verantwortlichen Wahlgremien um an der Macht zu bleiben, mit Zalmay gleichzeitig Parlaments- und Präsident- entbrannte ein regelrechter Wettkampf Khalilzad, dem amerikanischen Botschaf- schaftswahlen abzuhalten. Dies wurde um eine möglichst hohe Anzahl Regi- ter in Kabul, mit Verteidigungsminister nochmals im Art. 160 der Verfassung vom strierter. Eine Personalausweiskontrolle Mohammad Fahim, mit Finanzminister 26. 2. 2004 bekräftigt. Somit war die Amts- wurde nicht überall durchgeführt, so Aschraf Ghani, mit den Königstreuen und zeit von Interimspräsident Hamid Karsai daß sich nicht nur Afghanen, sondern selbst mit einem Teil der Taleban. Was eigentlich bereits abgelaufen; er regierte auch pakistanische Taxi- und Busfahrer bleibt ihm am Ende? Nichts als ein bloßer mehrere Monate lang ohne Mandat und problemlos mit Wahlkarten versorgen Titel!“, schrieb „Pyame Mudjahed“ (Die Legitimation. Statt sein Amt niederzule- konnten. Ohne Alterskontrolle wurden gen, verschob er zweimal eigenmächtig ganze Schulklassen in die Wählerlisten Botschaft des Modjahed). den Termin. Zunächst sollten die Wahlen eingetragen. Viele Menschen ließen sich Als CIA-Mann ist Karsai mit allen Was- in den September verlegt werden, dann gleich mehrfach registrieren. „Der mir sern gewaschen und kennt keine Skrupel. in den Oktober. Dieses Taktieren Karsais bekannte Rekord liegt bei 30 Wahlkar- Auch auf der Suche nach „guten Taleban“ erinnert an den zweiten islamischen Prä- ten“, bestätigte Sanjar Sohail, Mitglied und „guten Kommunisten“ ist er erfolg- sidenten, Burhanudin Rabani, der zu Be- des Demokratischen Studentenzentrums reich gewesen. Der ehemalige Minister ginn seiner Regierungszeit 1992/93 einen in Kabul. Kein Wunder, daß die Zahl der für Erziehung der Demokratischen Re- Krieg unter den Regierungsparteien aus- Wahlberechtigten immer weiter nach publik Afghanistan, Abdul Raschid Jalili, löste, der die Zerstörung Kabuls zur Folge oben angepaßt werden mußte. Wohlha- rief seine Anhänger vor der Wahl auf, für hatte und den Einmarsch der Taleban bende Warlords kauften massiv Karten Karsai zu stimmen. Zugleich hatte dieser provozierte. Stünden hinter Karsai nicht auf, wofür sie pro Stück zwischen 50 und 700 Kämpfer und den Religionsminister die USA, wäre ein erneuter Bürgerkrieg 100 Dollar zahlten. der Taleban aus der Haft entlassen. Damit schon längst im Gange. Der Interimsprä- Auch über die Zahl der Kandidaten für verbesserten sich seine Aussichten, schon sident trennte also die Parlaments- von das Präsidentenamt gab es die unter- im ersten Wahlgang die nötige absolute den Präsidentschaftswahlen. Hätte er bei- schiedlichsten Angaben. Sie schwankten Mehrheit der Stimmen auf sich zu verei- de gleichzeitig stattfi nden lassen, wäre es zwischen 18 und 23. Nach UNO-Angaben nen. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß kaum möglich gewesen, den Überblick zu sollten bis Mitte August Frauen knapp die internationale Gemeinschaft nicht bewahren. Eine allumfassende Kontrol- 42 % der 9,9 Millionen ausgestellten die Absicht hatte, Wahlbeobachter nach le, Beeinfl ussung oder gar Manipulation Wählerausweise erhalten haben. Beacht- Afghanistan zu entsenden. Die ganze der Wahlen wäre wesentlich erschwert lich, daß überhaupt eine Frau für das Wahlprozedur soll übrigens 130 Millionen worden. Eine Niederlage Karsais war aber Präsidentenamt zu kandidieren wagte. für die USA – auch aus Gründen des Wahl- Monika Hauser, Geschäftsführerin der Dollar gekostet haben. Berlin war daran kampfes von George W. Bush – nicht hin- Frauenhilfsorganisation Medica Mondi- mit 5,1 Millionen Euro beteiligt. Wie viele nehmbar. Daher mußte zunächst Karsai ale, stellte nämlich nüchtern fest: „Es ist Schulen hätte man mit diesem Geld wohl als Präsident gewählt werden, um dann, nicht übertrieben zu sagen, daß für die bauen können? aus einer Position der Stärke, die Parla- meisten Frauen ganz Afghanistan ein gro- Die Probleme Afghanistans sind mit der mentswahlen durchzuführen. ßes Gefängnis ist.“ Aber die Eintragung Wahlfarce nicht gelöst. Die Warlords, zu- Der Beschluß zur Verschiebung der Wah- in die Wählerlisten bedeutete noch keine gleich Heroinbarone und allesamt Ver- len fi el nicht in Kabul, sondern im Weißen Stimmabgabe, insbesondere bei den Frau- bündete der USA, die die von Karsai Haus. Als der innerafghanische Druck en. Es ist nicht auszuschließen, daß viele geführte Zentralregierung an den Rand auf Karsai zunahm, sagte dieser zu, daß von ihnen am Wahltag durch ihre Männer drängen, bleiben mächtig wie eh und je. die Wahlen wie geplant stattfi nden wür- daran gehindert worden sind. Der Opiumertrag soll in diesem Jahr 3600 den. Doch damit hatte er die Rechnung Auch in Afghanistan geht es in der Poli- Tonnen erreicht haben, das entspricht ohne den Wirt gemacht. Er wurde nach tik nicht ohne Kungelei ab. Schon am 23. 75 % des weltweiten Heroinverbrauchs. Washington einbestellt. Noch in den USA Mai hatte sich Karsai mit den hundert Davon profi tieren beachtliche Teile der verkündete er, der Wahltermin in Afgha- mächtigsten Miliz- und Modjahedinfüh- hochrangigen Funktionäre des afghani- nistan müsse aus Sicherheits- und organi- rern getroffen. Unter ihnen befanden schen Staatsapparats. Selbst der Kabuler satorischen Gründen verschoben werden. sich Mohammad Ismael Chan aus Herat, Finanzminister Aschraf Ghani sprach von Wesentlich für die Verlegung des Da- die Ultra-Islamisten Abdul Rasul Sayaf einem „Drogenmafi a-Staat“. Aber auch die tums war auch, daß sich zunächst wenig und Burhanudin Rabani, Verteidigungs- Taleban und Al Qaeda fi nanzieren sich Wähler in die Listen eingetragen hatten; minister Marschall Mohammad Qasim durch Drogenhandel, da sie etwa 35 % obwohl den Menschen schon bei ihrer Fahim, General Abdul Raschid Dostum Registrierung für jede Stimme eine Sum- und dessen Rivale Milizführer Atta Mo- des Landes im Süden und Osten, wo im me zwischen 100 und 110 Dollar geboten hammad aus dem Norden des Landes. großen Stil Mohnanbau betrieben wird, wurde, wie man mir während meines Dieses Treffen gab dem Verdacht weitere kontrollieren. Afghanistan-Aufenthaltes im Frühjahr Nahrung, daß der USA-Strohmann Karsai „Noch ist Afghanistan von einer Demo- 2004 glaubhaft versicherte. Anfang Juli, eher mit den Warlords die Macht teilt, als kratie weit entfernt“, lautet das Urteil der also genau einen Monat nach Ablauf des an Reformkurs, Recht und Gesetz zu den- FAZ. Das entspricht den von mir vor Ort ursprünglichen Wahltermins, war mit ken. Diese Koalition stimmt insofern mit gesammelten Erfahrungen. Und der Weg etwa 5,2 Millionen erst die Hälfte aller Washingtons regionaler Strategie über- zu einer „Normalisierung“ wird immer Wahlberechtigten erfaßt. ein, als eine Allianz aus Karsai, Warlords länger. Dr. Matin Baraki ROTFUCHS / November 2004 Seite 23

Seit Beginn der Okkupation Iraks reißen Wer mit den Okkupanten zusammenarbeitet, die den Amerikanern versetzten Schläge nicht ab. Allein im August waren 2600 An- ist ein Kollaborateur griffe des irakischen Widerstandes gegen sie gerichtet. Andrew Terrill, Professor am Army War College und Spezialist für Irak-Fragen, erklärte: „Ich sehe keinerlei Programm Licht am Horizont. Ich glaube nicht, daß man den Aufstand niederschlagen kann. des irakischen Wir beobachten immerzu größere und stärker koordinierte militärische Attak- ken gegen uns. Die Erhebung hat die Fä- Widerstandes higkeit gezeigt, sich zu regenerieren und jene zu ersetzen, die getötet worden sind. Das politische Klima in bezug auf die den Okkupanten geschaffen worden sind“, panten geschaffenen Institutionen“. Jede amerikanische Anwesenheit wird ständig proklamiert. Punkt 2 befaßt sich mit dem Zusammenarbeit mit den Besatzern wird feindseliger.“ Prof. Jeffrey Record vom Widerstand an allen Fronten: „... der für strafbar erklärt. Air War College der US-Luftwaffe gab Front des bewaffneten Kampfes wie der Man muß wissen, daß es gegenwärtig zu: „Ich sehe keinen Ausweg. Wir haben Front der Manifestationen und Hand- bereits mehr als 50 000 von den Ameri- das ja schon vorher gewußt. Man könnte lungen des zivilen Ungehorsams und der kanern angeheuerte Söldner gibt. Es ist den Vorgang auch als Vietnamisierung Front des Boykotts von durch die Okku- ein offenes Geheimnis, daß von ihnen die bezeichnen.“ Hören wir noch die Meinung Attentate gegen Moscheen und Märkte in des US-Generals Odom: „Diese Region Szene gesetzt werden, um den nationalen ist viel schwerer zu kontrollieren als Widerstand in Verruf zu bringen. Vietnam, und wir haben überdies große Bagdad-Ballade Punkt 3 des Programms regelt „die Rück- Schwierigkeiten mit unseren traditionel- gewinnung der Souveränität Iraks, die GI len Verbündeten.“ Wiederaufstellung einer traditionellen Für die Zeit unmittelbar nach den USA- dein Vater tötete in Vietnam Armee und die Re-Nationalisierung der Präsidentschaftswahlen kündigte Gene- Frauen privatisierten oder ans Ausland verkauf- ral Hoare eine extrem gewalttätige Offen- und Kinder ten Industrien“. Der 4. Punkt sieht die sive gegen Aufstandszentren der Wider- Du Installierung einer Regierung der iraki- standsbewegung, vor allem Falludja, an. wolltest nicht ohne Arbeit sein schen nationalen Einheit vor, die inner- Seit April 2003 wurden mehr als 12 000 wurdest marine halb von zwei Jahren Parlamentswahlen irakische Zivilisten getötet, überwiegend hast im Schlamm durch die Okkupanten. deinen Willen brechen lassen abhalten soll. Abgeordnete können alle Um die Resistance-Kämpfer zu dis- deine Menschenwürde verloren Iraker, ungeachtet bestehender Mei- kreditieren, behauptet die Presse der nungsverschiedenheiten, werden, wenn Jetzt sie eine Bedingung erfüllen: Sie dürfen imperialistischen Länder, die für ihre tötest du Geiselnahmen berüchtigte Gruppe des nicht mit den Okkupanten zusammenge- in fremden Ländern arbeitet haben. Das Programm gipfelt in Bin-Laden-Adjutanten Al-Tawhid d’ Al- Frauen und Kinder der Ankündigung einer neuen Verfassung Zarqaoui stehe hinter den meisten Aktio- deinen letzten Funken nen gegen die Amerikaner. Das entspricht Menschlichkeit und dem Bekenntnis zur Einheit des Lan- nicht den Tatsachen. Die Operationen des als Teil der arabischen Welt. dieser Gruppe sind eher Randerscheinun- Hans-Dieter Hesse gen, erhalten aber in den amerikanischen R. F., gestützt auf „Solidaire“, Brüssel Medien eine überdimensionierte Publizität. Das Ziel ist klar. Man will den antikolonialen Charakter des irakischen Befreiungskrieges verschleiern. In Wirklichkeit sind die extremistischen Terroristen und Fanatiker weitgehend isoliert. Der Nahostspezialist Alain Lalle- mand vom Pariser „Le Soir“ stellte fest: „Obwohl Al-Tawhid einige der dramatischsten Seiten in der jüng- sten Geschichte Iraks geschrieben hat, ist er für den Aufstand nicht repräsentativ.“ Er sei innerhalb der Resistance, deren Sprecher die Enthauptungen ausdrücklich ver- urteilt habe, keine Hauptfi gur. Am 2. September veröffentlichte der irakische Widerstand sein Programm. Khair-el-Din Haseeb, Generaldirektor des Zentrums für Studien der arabischen Einheit in Beirut, stellte es in seiner Zeitung „Al-Arabia“ vor. Das Dokument weist jegliche ethnische und reli- giöse Spaltung der Iraker zurück. Unter Punkt 1 wird die „totale Verurteilung der Okkupation und aller Organisationen, die – wie die interimistische Regierung – von Bagdader Idylle Aus „Solidaire“, Brüssel Seite 24 ROTFUCHS / November 2004

Die Sache klingt wie ein Witz, sie ist aber Um sich mit einer derart tiefschürfenden Gemeinschaft wurde einfach als Nation sehr ernst. Die Regierung von Israel er- Frage zu befassen – so sagten die Richter defi niert, und so kam eine Nation zu- kennt die israelische Nation nicht an. So des Zivilsenats, der sich gewöhnlich mit stande, die gleichzeitig eine Religion war. etwas gebe es nicht. Könnte es für die Verwaltungsangelegenheiten beschäftigt Das war natürlich eine Fiktion, aber eine Regierung Frankreichs möglich sein, die – seien sie nicht genügend gerüstet. Er riet notwendige: Der Zionismus beanspruchte Existenz der französischen Nation zu den Antragstellern, zum Distriktgericht Palästina für die jüdische „Nation“. Um leugnen? Oder für die Regierung der Ver- zu gehen, wo eine ausführliche Diskus- einen nationalen Kampf zu führen, mußte einigten Staaten von Amerika, die ameri- sion möglich wäre und Experten gehört es eine Nation geben. kanische Nation in Abrede zu stellen? werden könnten. Die Recht Begehrenden Zwei Generationen später jedoch wurde Jede Person in Israel ist im Einwoh- nahmen den Rat an. Und so wurde die die Fiktion Realität. In Palästina entwik- nerverzeichnis des Innenministeriums Debatte zu einem anderen juristischen kelte sich eine reale Nation mit nationaler registriert. Das Verzeichnis schließt den Forum umgeleitet, das sich mit vielen An- Wirklichkeit und nationaler Kultur. Es Punkt „Nation“ ein. Er erscheint auch hörungen wird abgeben müssen. war klar, daß die Mitglieder dieser Nation auf der Identitätskarte, die jeder immer Warum weigert sich die Regierung, die Juden waren, aber Juden, die in vielen bei sich tragen muß. Wer das nicht tut, israelische Nation anzuerkennen? Nach Hinsichten anders als Juden in der Welt waren. Jeder Israeli, der im Ausland nach seiner nationalen Zugehörigkeit gefragt wird, antwortet automatisch: „Ich bin Is- raeli“. Es kommt ihm gar nicht in den Sinn zu sagen: „Ich bin Jude“, es sei denn, er wird nach seiner Religion gefragt. I s r a e l : Es gibt keinen Widerspruch zwischen Israeli-sein und Jude-sein. Ein moder- ner Mensch besteht aus verschiedenen „Schichten“, die einander nicht ausschlie- ßen. Eine Person kann dem Geschlecht Eine Nation? nach männlich sein, der Vorliebe nach Vegetarier, der Religion nach Jude und ein Israeli nach seiner Nation. In vielen Sprachen bedeutet Nationalität Staats- Was für eine Nation? angehörigkeit. Jeder US-Bürger hat die amerikanische Staatsangehörigkeit, ob er schottischen, mexikanischen, afrika- nischen oder jüdischen Ursprungs ist. Der Religion nach kann ein US-Amerikaner katholisch, jüdisch, buddhistisch oder riskiert strafrechtliche Verfolgung. Das ihrer offi ziellen Doktrin gibt es eine „jü- evangelisch sein. Das hat keinen Einfl uß Innenministerium hat eine Liste von 140 dische“ Nation, und der Staat gehört ihr. auf seine Zugehörigkeit zu einer Nation, anerkannten Nationen, die der Beamte Nach allem ist es doch ein „jüdischer“ die ein politisches Kollektiv ist. Auch eu- registrieren kann. Es handelt sich dabei Staat oder mit den Worten eines der ropäische Nationen gleichen sich langsam nicht nur um wohlbekannte Nationen Gesetze: „Es ist der Staat des jüdischen diesen Normen an. Nur Faschisten ver- (wie „russisch“, „deutsch“, „französisch“ Volkes.“ Nach derselben Doktrin ist es usw.) sondern auch um „christlich“, auch ein demokratischer Staat, und alle langen eine totale Übereinstimmung von „muslimisch“, „drusisch“ und andere. Die seine Bürger werden als gleichberechtigt Rasse, Nation und Sprache. „Nation“ des arabischen Bürgers in Israel angesehen, ungeachtet ihrer nationalen Warum ist das so wichtig? Die Zugehörig- kann z. B. „arabisch“, „christlich“, „ka- Zugehörigkeit. Aber grundsätzlich ist der keit zu einer Nation ist Sache der eigenen tholisch“ – aber nicht „palästinensisch“ Staat „jüdisch“. Nach dieser Doktrin ist persönlichen Entscheidung. Hunderttau- – sein. Das Innenministerium hat noch das Judentum beides: eine Nation und ei- sende Russen, die – als nahe Verwandte nichts von der Existenz einer solchen ne Religion. In den ersten Jahren Israels von Juden – legal nach Israel kamen, in Nation gehört. Die meisten israelischen war es üblich, wenn jemand – auf Treu der israelischen Armee gedient haben und Einwohner tragen eine Identitätskarte bei und Glauben – erklärte, er oder sie seien israelische Steuern zahlen, falls sie zur sich, auf der natürlich unter Nation „jü- jüdisch, dann wurde der oder die Betref- israelischen Nation gehören wollen, zäh- disch“ steht. Dies wurde nun zum Thema fende registriert. Aber als das religiöse len tatsächlich dazu. Arabische Bürger, einer Debatte. Lager mehr Macht erhielt, wurde das Ge- die sich zur israelischen Nation rechnen Eine Gruppe von 38 Israelis hat darum ge- setz geändert: Nun wurde eine Person nur möchten, sind in der Tat Israelis – ohne beten, die Eintragung „jüdisch“ zu strei- dann registriert, wenn sie eine jüdische daß sie ihre palästinensische Identität chen und durch „israelisch“ zu ersetzen. Mutter hatte oder zum jüdischen Glauben und ihre muslimische, christliche oder Das Innenministerium weigerte sich und konvertiert war und keine andere Reli- drusische Religion aufgeben. behauptete, daß eine solche Nation nicht gion besaß. Dies ist natürlich eine rein Für viele Leute ist es schwierig, sich von auf seiner Liste erscheine. Diese Gruppe religiöse Defi nition. (Nach dem jüdisch- den zionistischen Mythen, mit denen sie hat beim Obersten Zivilgericht einen An- religiösen Gesetz ist eine Person jüdisch, aufgewachsen sind, loszusagen. Sie versu- trag gestellt und darum gebeten, das In- wenn die Mutter jüdisch ist – der Vater ist chen, jeder Diskussion darüber auszuwei- nenministerium zu informieren, man mö- hier irrelevant.) chen, und auch die Medien sprechen nicht ge sie, da sie sich zur „israelischen“ Nation Die Ursprünge dieses Durcheinanders darüber. Unsere Petition an das Gericht gehörig fühle, auch als solche registrieren. gehen bis in die Anfänge der zionistischen zielt darauf ab, eine solche Debatte an- Jetzt kam dieser Fall vor Gericht. Bewegung zurück. Bis dahin waren Juden zustoßen. Zu den 38 gehören die berühmtesten Pro- in aller Welt eine religiös-ethnische Ge- Vor mehr als zweitausend Jahren befand fessoren Israels (Historiker, Philosophen, meinschaft. Aber als sich in Europa die sich der Prophet Jona auf einem Schiff, Soziologen und andere) sowie bekannte modernen Nationalbewegungen entwik- das im Sturm unterzugehen drohte. Die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. kelten und es so aussah, daß die Juden verängstigten Matrosen suchten nach Auch ich zähle dazu. Die Initiatoren stam- in ihnen keinen Platz hätten, entschieden dem Schuldigen und fragten ihn: „... Aus men keineswegs nur aus einem politi- die „Väter“ der zionistischen Bewegung, welchem Lande und von welchem Volke schen Lager – unter ihnen sind Linke und daß sich die Juden als unabhängige Nati- bist du?“ Jona erwiderte: „Ich bin ein He- Rechte. Das Oberste Gericht behandelte on konstituieren und einen eigenen Staat bräer!“ Heute sagen wir, so gefragt: „Wir den Fall wie eine heiße Kartoffel. gründen sollten. Die religiös-ethnische sind Israelis!“ Uri Avnery ROTFUCHS / November 2004 Seite 25

Wir dokumentieren auf dieser Seite einen Briefwechsel zwischen „Rot- Fuchs“-Leser Horst Mette aus Palingen in Mecklenburg-Vorpommern und den Beeskower „Betreuern“ der durch die Annexion der DDR an die Bundes- republik gefallenen Beutekunst. Die Korrespondenz ist aussagekräftig ge- nug und bedarf keines redaktionellen Kommentars.

Beutekunst aus der DDR

HORST METTE Palingen, 30.08.2004 Hauptstr. 19 An die Betreuer der 23923 Palingen Sammlung „Kunst der DDR“ in der Steinerne Burg Beeskow Frankfurter Str. 23 15848 Beeskow Zeugen der Sehr geehrte Damen und Herren, Geschichte der Ostseezeitung vom 19. August entnehme ich, daß in Beeskow („in einem ehema- ligen Getreidespeicher“) eine umfangreiche Sammlung von Büsten der Klassiker des In Berlin verdingte sich ein Denk- Kommunismus (Marx, Engels, Lenin) und anderer Persönlichkeiten – mit zahlreichen mal in Zeiten von Popcorn und Co- Duplikaten – zusammengetragen worden ist. ca-Cola so gar als Kinostar. In „Good Ihnen ist sicher nicht entgangen, daß nach einer Umfrage hier in Ostdeutschland Karl bye, Lenin!” fl og Lenin durch die Marx als der bedeutendste Deutsche gilt. Luft und lockte Millionen Menschen Das ist auch meine Überzeugung, und ich suche seit längerem nach einer Möglichkeit, vor die Leinwände. Das Original eine Büste von Karl Marx zu erwerben – bisher ohne Erfolg. liegt verscharrt in einer Kiesgrube Ich bitte Sie um Auskunft, ob die Möglichkeit besteht, Sie aufzusuchen und ein oder in Köpenick. Um schlossen von ei- zwei der bei Ihnen gelagerten zahlreichen Duplikate zu erwerben. nem Beton sarkophag, als wäre ein Ich hoffe auf eine positive Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen Le nin aus Stein so gefährlich wie ein geborstener Atommeiler. Am gez. Horst Mette Platz der Verein ten Nationen, wo das 17 Me ter hohe Lenin-Monument einst stand, sprudelt jetzt ein tri- KUNSTARCHIV BEESKOW stes Wasserspiel. ARCHIVIERTE SAMMLUNG VON DDR-KUNST Ein paar Kilometer weiter, in Bees- Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow, Tel. (03366) 35 27 13, Fax (03366) 35 27 24 kow, fanden ausran gierte Helden [email protected] von einst Asyl in einem ehemaligen Herrn Getreidespeicher. In einer Ecke Horst Mette steht Lenin. Er hebt die Faust Rich- Hauptstraße 19, 23923 Palingen tung Wand, zu seinen Füßen liegt Wilhelm Pieck. Wofür hebt man sie Erwerb einer Büste von Karl Marx eigentlich noch auf? Sehr geehrter Herr Mette, Der letzte Kulturminister der DDR, das Kunstarchiv Beeskow betreut im Auftrag der Bundesländer Berlin, Brandenburg Herbert Schirmer, hat hier Tausen- und Mecklenburg-Vorpommern Kunstwerke, die von Betrieben, Massenorganisatio- de Objekte aus Parteibüros, FDGB- nen und Parteien der DDR angekauft bzw. in Auftrag gegeben wurden. Fe rienheimen und Kulturhäusern Diese Kunstgegenstände sind Eigentum der genannten Bundesländer und werden der DDR zusammengetragen. Unter durch das Kunstarchiv Beeskow treuhänderisch verwaltet. den Stromver teilungskästen im Unter den ca. 23 000 Kunstobjekten befi nden sich u. a. auch Büsten von Karl Marx. Keller steht eine unsortierte Reihe Dabei handelt es sich jedoch immer um Unikate. kommunistischer Staats chefs, wie Duplikate liegen fast ausschließlich im Bereich des Graphikbestandes vor. Grabbeigaben für eine aufgebahr- Ein Verkauf von Kunstgegenständen aus dem Fundus des Kunstarchivs erfolgt gene- te Republik. Viele davon kennen rell nicht. Somit ist es mir leider nicht möglich, Ihren Wunsch, eine Büste von Karl die Leu te heute nicht mehr. Eine Marx käufl ich zu erwerben, zu erfüllen. ABM-Kraft sagt: „Die mit Bart sind Mit freundlichen Grüßen einfach, das sind meist Marx oder Lenin.” Marina Aurich Leiterin Kunstarchiv (Aus „Ostseezeitung“, 19. 8. 2004) Seite 26 ROTFUCHS / November 2004

Die Dichterin und Übersetzerin Klara Diese habe zurückgezogen gelebt und dem Bändchen 24 der Lyrik-Reihe „Ant- Blum wurde am 27. November 1904 ge- behauptet, „einen chinesischen Freund wortet uns!“ Kostproben Blumscher Lyrik boren. Ihr 100. Ge burtstag veranlaßt uns, zu haben, aber keiner kannte ihn, keiner vor. Mitte der fünfziger Jahre lernte der an die ungewöhnliche Tragik der jüdisch- hatte ihn je gesehen. Sie erfand Gedichte Schriftsteller Harry Thürk Klara Blum in chinesischen Schriftstellerin zu erin nern. von ihm, von denen sie versicherte, sie China kennen. Sie war für ihn „eine geistig Klara Blum – im rumänisch-österreichi- übersetzt zu haben.“ mit dem Bürgertum, aus dem sie ja auch schen Czemowirz geboren – fl oh später Seit 1952 führte Klara Blum den chinesi- kam, eng verbundene Linke. Ihr Linkssein mit ihrer Mut ter vor dem despotischen schen Namen. Sie lehrte als Germanistik- war echt. Ihre Tragödie bestand darin, Vater nach Wien, wo sie das Abitur ableg- professorin an der Sun-Yatsen-Universität daß sie in ihrem deutschen Sprachgebiet te. Bei dem ehemaligen Freud-Schüler Al- in Kanton. Die Autorin publizierte im trotz ei niger späterer Veröffentlichungen fred Adler studierte sie Individualpsycho- Greifenverlag zu Rudolstadt, unter ande- nie einen Leserkreis fand. Dort, wo sie logie. Zunächst war sie Anhängerin der rem drei Texte in dessen Almanach 1959. hin emigrierte, hatte sie auch keinen. Sie öster reichischen Sozialdemokratie, trat Sie bekannte, 1947 in Paris von Friedrich hing also – als ich sie traf – zwischen aus dieser aus und sympathisierte mit Wolf die Adresse des Verlages erhalten allen Stühlen“, schrieb Thürk. Ferner den Kommunisten. Ihre er sten Gedichte zu haben. „Ich schickte Nachdichtun- bemerkte er, daß ihr Deutsch „die Spuren wurden in jüdischen Zeitschriften publi- gen aus der Negerliteratur“, schrieb die einer jahrzehntelangen Entfremdung, ei- ziert. Bei einem Literaturwettbewerb prä- Blum 1959. Die Briefe aus Rudolstadt ner Nichtbenutzung aufwies“. Die Blum miert, folgte sie 1934 einer Einladung in „haben mich ermutigt, ein neues Werk zu habe damals die Mao-Ballade „Ashnia“ die Sowjetunion. Als Auszeichnung durfte schrei ben, ,Das Lied von Hongkong‘, fünf ins Deutsche übertragen. Ein Kollege meinte, die Übersetzung klinge etwa so, als habe man den georgischen „Recken im Eng mit China verbunden: Tigerfell“ von der „Trotzköpfchen“-Auto- rin ins Deutsche übertragen lassen. Thürk konstatiert in dem Brief (1989), Ausländer Zum 100. Geburtstag hätten sich in China in jeder Weise anpas- sen müssen, auch wenn sie die chinesische Staatsbürgerschaft besaßen. Thürk bün- Klara Blums (Zhu Bailan) delte seine Ansichten über Klara Blum: „Ich halte sie für eine jener Gestalten in sie sich zwei Monate dort aufhalten. In Novellen aus Chinas jüngster Geschichte der deutschsprachigen Literatur, deren Moskau war sie ständige Mitarbeiterin und Gegenwart“. Das Buch rezensierte möglicherweise vorhandenes Talent sich der Zeitschriften „Das Wort“ und „Inter- Mira Lask im „Sonntag“ (5/1960). „Die durch historisch bedingte Gründe nie so nationale Literatur“. Klara Blum bestritt Europäerin Klara Blum ist völlig im chi- recht entfalten konnte. Den Roman ,Der ihren Lebensunter halt als Lehrerin, nesischen Leben aufgegangen“, bemerkte Hirte und die Weberin‘ betrachte ich Übersetzerin und Mitarbeiterin der Bi- sie. Als echte Humanistin habe sie sich als ihr aussagekräftigstes und zugleich bliothek. In der UdSSR erschienen ihre „ganz auf die Seite des Volkes gestellt“. künstlerisch bedeutendstes Werk. Dafür fünf Gedichtbände in deutscher Sprache. Das Buch sei „ein wertvolles Kunstwerk, allein verdiente sie schon, als Schriftstel- Der ungarische Literaturhistoriker und ein Hohelied des proletarischen Huma- lerin der deutschen Sprache bezeichnet zu Philosoph Georg Lukacs unterstützte ihre nismus“. 1951 wurde in dem Rudolstädter werden“. 1991 schrieb der Publizist Frank Aufnahme in den sowjetischen Schrift- Verlag Klara Blums Roman „Der Hirte und Quilitzsch, der 1989/90 als Lektor an der stellerverband und lobte sie als „eine die We berin“ gedruckt, der an eine chine- Nanking-Universität in China war, in der der allerbegabtesten Schriftstellerinnen sische Saga angelehnt war. Man zog ihn in der jungen Generation der deutschen zurück, da die Mos kauer Emigration zu „Thüringischen Landeszeitung“ über die antifaschistischen Literatur“. Johannes negativ gestaltet sei. Nachdem Wilhelm „Tragik der jü disch-chinesischen Schrift- R. Becher sprach von einem „echten poeti- Pieck interveniert hatte, gelangte eine stellerin Klara Blum“. Er verwies darauf, schen Talent“. Klara Blum verbreite te, sie Aufl age wieder in den Handel. daß sich diese in China auf fällig ange- habe ein knappes Jahr mit dem chinesi- Die Literaturkritik schwieg das Buch tot. paßt habe. Sie übersetzte Mao Zedongs schen Theaterregisseur und Journalisten Willi Bredel und Friedrich Wolf waren Gedichte, verfocht glühend seine Lehren Zhu Xiang-cheng gelebt, der am 18. April nicht geneigt, sich öffentlich zu äußern, und setzte sich zunächst für die „Kul- 1938 spurlos verschwand. Ihre beharrli- obwohl sie vom Verlagsleiter angeschrie- turrevolution“ ein. Sie habe spartanisch chen Nachforschungen brach ten nichts ben worden waren. Erst als sich Lion gelebt, aus ihrem letzten Jahrzehnt sei an den Tag. Im Schriftstellerverband Feuchtwanger Jahre später in zwei Briefen wenig bekannt. wurde ihr plötzlich „Disziplinlosigkeit lobend über den Roman der Blum äußerte, Klara Blum starb nach längerem Leiden und Hyste rie“ vorgeworfen. 1947 fuhr sie erfolgte eine gewisse Rehabilitierung. Der am 4. Mai 1971 in China. Für ihr 1961 nach China, hoffend, hier etwas über den Verlag Volk und Welt Berlin stellte 1961 in beendetes Romanmanuskript „Schick- Lebensgefährten zu erfah ren. Er war am salsüberwinder”, in dem sie ihren „aus- 17. Januar 1943 in einem sibirischen La- ländischen Lesern die großartigen und ger verstorben. Die Regionalgruppe Dresden liebenswerten Schicksalsüberwinder des Von den Moskauer Zeitzeugen der Blum neuen China vor Augen“ führen wollte, lädt für den 13. November schreibt der österreichische Schriftsteller fand sie keinen Verlag. Die in Klagenfurt 2004 um 10.00 Uhr zu einereiner Hugo Huppert in seinem Memoirenband tätige Wissenschaftlerin Zhidong Yang Veranstaltung in die Drogenmühle veröffentlichte 1996 „Klara Blum – Zhu „Schach dem Doppelgänger“ (1979) über Heidenau ein. die „Bukowiner Poetesse Klara Blum“. Er Bailan (1904–1971)“ in einem Frankfurter sei in ihrer schweren Zeit der einzige Kol- Prof. Dr. Werner Roß Verlag. Die Autorin teilte mit, daß sie bei lege gewesen, „der die Unglückliche ernst spricht über das Thema: ihrer Suche nach Spuren der Dichterin auf nahm, sich ihrer annahm und sie schließ- dem Spei cher der Sun-Yat-Sen-Universität lich bewog, als Propagandistin und Über- einen Koffer mit Manuskripten, Briefen setzerin in den Dienst der Sowjetarmee und Fotos entdeckt habe. Sie beklagte, einzutreten“. Er habe versucht, sie ab- daß man ihr die sen anderntags vorent- zuhalten, dem verlorenen Freund nach halten habe. Das Material sei nicht mehr China nachzureisen. Die Schriftstellerin zugänglich gewesen. Dennoch konnte die Hedda Zinner schreibt in ihrem Erinne- Wissenschaftlerin das konfl iktreiche Le- rungsbuch „Selbst befragung“ (1989) über ben der Schriftstellerin Klara Blum auf jene dreißiger Jahre in Moskau. Sie habe beachtli che Weise erhellen. Klara Blum als Lyrikerin sehr ge schätzt. Dieter Fechner ROTFUCHS / November 2004 Seite 27

Eva Kolinauke heißt die junge Frau, 28 Jahre, hübsch und temperamentvoll, Ein Fernsehfi lm aus dem freundlich und zuverlässig. Eva sagen einfach viele zu ihr. „Rotfuchs“ nennen sie manche, vor allem die Männer; denn Jahre 1973: „Rotfuchs“ sie hat herrlich echtes rotes Haar. Peter Abraham, der Autor dieser Eva, charakte- für ihre nächste Arbeit, für „Rotfuchs“. Angelika Waller spielt den „Rotfuchs“, risiert sie noch so: „In ihrem Dorf an der Und beide treten dafür ein, eine reali- Jürgen Zartmann den Binnenschiffer Jon, Havel hat sie die wichtige Aufgabe, Briefe, stische, wirklichkeitsgetreue Geschichte jenen Mann, den Eva liebt. Weiter sind Zeitungen und Geldsendungen an die auch fi lmisch real einzufangen, d. h., sie u. a. Norbert Christian, Ruth Kommerell, richtigen Empfänger zu leiten. Nebenbei verzichten auf Modernismen, geben keine Karin Schrö der, Günter Naumann dabei. schlachtet sie bei Leuten mal ein Kanin- Bilderrätsel auf. Die Kameraführung von Alle waren mit großer Freude bei der Sa- chen, gibt Rezepte in der Kreisapotheke Gün ter Eisinger bemüht sich, den Inhalt ab und kennt alle Neuigkeiten der nähe- so wiederzugeben, wie er ist, d. h., die che. Es ist zu hof fen, daß diese poetische ren Umgebung. Manchmal tauscht sie die Kamera schaut den Menschen ins Gesicht, Geschichte vom „Rotfuchs“, daß dieser Postmütze ge gen die weiße Mütze eines beobachtet sie in ihrer natürlichen Um- Fernsehfi lm den Zu schauern innerhalb Schleusenmeisters aus, der ihr Vater ist, welt, zeigt, wie sie le ben, sich bewegen. des Festtagsprogramms sehr willkommen und sorgt dafür, daß die Binnenschiff- Und das nicht ohne Humor. ist. H. M. in „Filmspiegel“ Nr. 26/1973 fahrt nicht zum Erliegen kommt. Sie hat einen Sohn, der schon zur Schule geht. Die Männer behaupten, bei ihr wäre irgend- wie Pfeffer dahinter. Aber Eva hat kei nen Mann. Es mangelt nicht an Bewerbern, aber die glauben, mit Eva ein leichtes Spiel zu haben, ohne sich binden zu müs- sen. Es gibt auch einen, der es ernst meint. Aber jeden nimmt sie nun mal nicht. Und mit dem einen, den sie unbedingt will, gibt es Probleme. Wieder steht also eine Eva im Mittelpunkt eines Fernsehfi lms.“ Manfred Mosblech, der Regisseur des Films, sagt zum Grundanliegen: „Wir behandeln das vielschichtige Pro blem des Rechtes auf Selbstverwirklichung der Frau, das auch verbunden ist mit Pfl ich- ten an sich selbst. Wir zeigen eine junge Frau, die versucht, alles zu erleben, was das Leben bietet, und den starken Willen hat, mit dem Leben fertig zu werden – und sich zu der Konsequenz durchringt, alles ganz zu machen. Eva ist ein Mensch, dem die anderen sehr wichtig sind, der sich verantwortlich fühlt für seinen Nächsten und Anspruch erhebt auf das eigene Glück. Und für einen solchen Menschen, der ak- tiv ist, der mitten im Leben, in unserem Leben, steht, gibt es bei der Lösung seiner Probleme immer eine Alternative. Solange er sich selbst nicht aufgibt, ist ihm auch die Möglichkeit gegeben, glücklich zu sein. Das ist vielleicht die wichtigste Aussage unserer kleinen Alltagsgeschichte.“ Beide, Peter Abraham und Manfred Mosblech, engagieren sich stark für Gegenwartsthe- men, interessieren sich für Stoffe, die aus dem realen Leben in der DDR berichten, für Geschichten über Menschen, die in diesem Lande leben, für Menschen, die ihr eigenes Gesicht, ihren unverwech- selbaren Charakter haben und deren individuelle Probleme und Schicksale oft von der Landschaft beeinfl ußt werden, in der sie leben. Das wird auch bei „Rotfuchs“ deutlich. Die Havellandschaft mit ihrem eigenen Reiz, die Beziehungen der Men- schen zu ihr, spielen eine große Rolle. Beide, Autor und Regisseur, schätzen die Kollektivarbeit sehr – das ist ihr Arbeits- prinzip, von der ersten Überlegung für einen Film bis zum letzten Handgriff. Als sie gemeinsam den Fernsehfi lm „Standes- amt – Eintritt frei“ beendet hatten, waren sie sich einig: Wir bleiben zusammen. Und gemeinsam fanden sie bei einem Zuschauerforum zu diesem Film die Idee Seite 28 ROTFUCHS / November 2004

Ideen wurde ihm bewußt, daß es ihm an er ihnen auf Leseabenden vermittelte. ¡Presente! einem soliden wissenschaftlichen Funda- Die Kolonisten traten ebenfalls in einen ment fehl te. Daher vervollständigte Ma- Briefwechsel mit dem Dichter, der den Anton S. Makarenko karenko seine pädagogische Ausbildung Zöglingen Makarenkos antwortete, sie von 1914 bis 1917 durch den Besuch des anspornte und weiterhin mit ihnen und starb vor 65 Jahren Lehrerbildungsinstituts in Poltawa. Auf- der Kolonie in Verbindung blieb. Am grund der Kriegsjahre wurde er während 6. Juli 1928 besuchte Maxim Gor ki die  Am 1. April jährte sich der Todestag seines Studiums im Herbst 1916 als Soldat nach ihm benannte Arbeitskolonie. Im des sowjetischen Pädagogen Anton Sem- der „Landwehr zweiten Aufgebots“ nach Laufe der Zeit kamen auch immer mehr jonowitsch Makarenko, des Pioniers einer Kiew eingezogen. In dieser Zeit wurde der Delegationen aus verschiedenen Ländern Sozialisierung straffälliger Jugendlicher Drang in ihm immer größer, seine Gedan- in die Kommune, die in der ganzen Welt durch sinnvolle Tätigkeit, der mit seinen ken in Worte zu fassen und diese der Welt bekannt wurde. Im Anschluß an die Gor- pädagogischen Romanen wie „Der Weg mitzuteilen. Daher begann Makarenko, ki-Kolonie wurde er 1929 Gesamtleiter der ins Leben“ neue Dimensionen in eine sich Tagebücher sowie Gedichte zu schreiben. Dzierzynski-Ju gend arbeitskommune in von der Wirklichkeit wegtheoretisierende 1917 wurde er wegen starker Kurzsich- Charkow, die er bis zum 1. Juli 1935 leite- Erziehungslehre brachte. Nicht zuletzt tigkeit aus dem Heeresdienst entlassen. te. Für diesen Posten mußte er jedoch die trug er aber durch sein Vorbild und Danach setzte er sein Studium in Poltawa Leitung der Gorki-Kolonie abgeben. durch seine Schriften zur Erziehung vie- fort. Am 15. Juni legte er seine Abschluß- 1930 begann Makarenko, das Leben der ler Kommunistinnen und Kommunisten prüfung mit der Goldenen Medaille ab. Dzierzynski-Kommune in der Erzählung Entscheidendes bei. Darum soll in diesem Im Jahr 1920 wurde Makarenko Leiter der „Der Marsch des Jahres dreißig“ nieder- „RotFuchs“ an ihn erinnert werden – auch städtischen Elementarschule in Poltawa. zuschreiben. Außerdem arbeitete er an wenn das eigentliche Gedenkdatum schon Zusätzlich beteiligte er sich an der Neuor- seinem Plan „Versuch einer Methodik etwas zurückliegt. ganisation der Schulen als Arbeitsschulen für die Arbeit in einer Arbeitskolonie für Anton Semjonowitsch Makarenko wurde im Gouvernement Poltawa. Vorher wurde Kinder“, der zu einem Buch ausgearbeitet am 1. März 1888 (nach dem damaligen er Mitglied des Gouvernementsvorstan- werden sollte. Vom Herbst 1931 bis zum 1. Julianischen Kalender, am 13. März nach des der Lehrergewerkschaft. Vor der west licher Datierung) in der ukrainischen Übernahme seiner neuen Aufgabe, der Juli 1935 war er verantwortlicher Leiter Stadt Belopolje geboren. Er stammte aus Fürsorgeerziehung in der Arbeitskolonie, für den pädagogischen Bereich. einer Eisenbahnerfamilie und besuchte entwickelte er an zwei weiteren Schulen Mit der Veröffentlichung des ersten Teils ab 1895 die vierklassige Elementar- experimentelle Formen der inner- und von „Weg ins Leben“ 1933 und dem Ein- schule in Kremen tschug, die er 1904 als außerschulischen Erziehung. Diejenigen reichen des Schauspiels „Dur“ beim All- Klassenbester abschloß. Nach erfolg- Merkmale, die später die Aufmerk samkeit unionswett be werb wurde Makarenko am reicher Absolvierung eines einjährigen Außenstehender auf die Gorki-Kolonie 1. Juni 1934 in den Schrift stellerverband pädagogischen Ausbildungskurses zum lenkten, verbanden sich dabei mit einer aufgenommen. 1935 wurde er als Depu- Volksschullehrer trat Ma karenko im pädagogischen Einwirkung auf die El- tierter in den Sowjet des Dzierzynski- Herbst 1905 seine erste Lehrstelle an der tern. Stadt be zirks von Charkow gewählt. Am Zwei-Klassen-Schule der Eisenbahnwerk- 1920 wurde die Arbeitskolonie (Gorki-Ko- 1. Juli nahm er eine Tätigkeit in Kiew stätten in Krjukow an. Makarenko nahm lonie) für straffällig gewordene, verwahr- als stellvertretender Leiter der Arbeits- sich seiner Schüler auch an, nachdem loste Jugendliche aufgebaut, der Maka- kommunen des Innenkommissariats der die Schulstunden vorüber waren. Nach renko bis 1928 als Leiter vorstand. In Ukrainischen SSR an. Als Schriftsteller dem Mittagessen kamen die Kinder in die dieser Zeit heiratete er Galina Stachiewna stellte er zu dieser Zeit den zweiten und Schule zurück, wo sie unter der Leitung Salko. Den Aufbau der Kolonie, das dor- dritten Teil von „Weg ins Leben“ fertig. Makarenkos Theaterstücke einstudierten, tige Leben und seine pädagogischen Er- Gorki schrieb ihm zum dritten Teil, daß lasen, lernten oder spielten. fahrungen hielt er in seinem Hauptwerk dieser ihm noch wertvoller als die beiden Von 1905 bis 1911 war er Lehrer an der hö- „Der Weg ins Leben“ (Das pädagogische ersten Teile erscheine. heren Elementarschule für Eisenbahner- Poem) fest, das 1935 erschien (der gleich- Von Oktober 1936 bis Januar 1937 leitete kinder in Krjukow, dann folgte eine Leh- namige Film von Nikolai Ekk von 1931 Makarenko neben der Tätigkeit im Innen- rer- und Erzieherstelle an der Eisenbah- muß als Vorläufer des Makarenko-Werks kommissariat und seiner schriftstelleri- nerschule in Dolinskaja. Außerdem nahm gesehen werden). Während der Zeit in der schen Arbeit eine Kolonie in Brovary. Von er die Stelle eines „Aufsehers“ an, mit der Gorki-Kolonie war Gorki für Makarenkos Februar 1937 an lebte er als freier Schrift- er seine eigene Pädagogik umzusetzen ver- kulturelle und politische Entwick lung steller in Moskau. Von Anfang 1937 bis zu suchte. Die Stelle beinhaltete, daß er 100 von großer Be deutung. seinem Tod schrieb und veröffentlichte Kinder nicht nur zu unterrichten hatte, Nebenbei studierte Makarenko vom er über 60 sozialpolitische, pädagogische, sondern mit ihnen gemeinsam lebte und 14. Oktober bis 27. November 1922 am publizistische, kritische Beiträge, Studien, ihnen tagelang die Eltern ersetzte. Schon Zentralinstitut für die Organisation der Skizzen und Drehbücher – darunter „Ein damals wurde ihm bewußt, daß eine Ge- Volksbildung. Dies mußte er aufgrund Buch für Eltern“ (1937) und das Jugend- meinschaft her anwachsender Jugendli- der geforderten sofortigen Rückkehr buch „Flaggen auf den Türmen“ (1938; von cher nicht planlos in den Tag hineinleben unterbrechen, um den Zusammenbruch Arkadi Naroditzki 1958 verfi lmt), das die sollte. Ihr Tagesablauf mußte organisiert der Kolonie zu verhindern. Die Kolonie Entwicklung der Dzierzynski-Kommune werden. Die Einhaltung dieses Ablaufes wurde dem Volks kommissariat für das darstellt. wurde von Schülern überwacht, so daß Bildungswesen der Ukraine unterstellt. 1939 wurde ihm am 1. Februar der Rot- nicht der Lehrer und „Aufseher“, also A. Makarenko mußte sich mit Bürokraten bannerorden verliehen. Neben anderen S. Makarenko, die führende und regelnde auseinanderset zen, die seinen pädago- Vorträgen hielt er am 1. März noch eine Kraft war. Er blieb im Hintergrund, wo- gischen Ideen und Praktiken ablehnend Vorlesung an der Moskauer Staatsuniver- bei er aber seiner vollen Verantwortung gegenüberstanden. Ab 8. Juli 1925 begann sität zum Thema „Kommunistische Erzie- gerecht wurde. Dies kann bereits als Vor- Makarenko einen Briefwechsel mit Maxim form seiner späteren Kollektivpädagogik Gorki, der bis zum Tod des Schriftstellers hung und kommunistisches Verhalten“. in der Arbeiterkolonie angesehen werden. fortgeführt wurde. Makarenko begeister- Am 1. April starb er an einem Herzanfall. In der alltäglichen Umsetzung seiner te seine Zöglinge für das Werk Gorkis, das (Neue Volksstimme, Wien) ROTFUCHS / November 2004 Seite 29

Böhme und Siegfried Lorenz habe darin bestan- wählten dafür die Hauptabteilung Düngemittel Leserbriefe an den, daß sie es unterlassen hätten, auf eine Huma- aus. nisierung des Grenzregimes hinzuwirken. Vielfach werden die Leistungen der DDR in der ROTFUCHS Am 23. Februar 1964 wurde ein Mopedfahrer, der Frauenpolitik auf sozialpolitische Maßnahmen 750 g Kaffee, 100 g Tee und 20 Eier in Belgien ein- bzw. Förderung und Qualifi zierung beschränkt. gekauft hatte, das Erworbene jedoch nicht verzol- Zu wenig wird der Schaffung von Arbeitsplätzen, len wollte, an der deutsch-belgischen Grenze bei die die Gleichberechtigung mit dem Manne ge- Zum 7. Oktober Dank an alle Verantwortlichen Aachen von hinten erschossen. Dieser Todesfall währleisteten, berücksichtigt. Die Hauptabteilung unserer DDR, die mir – dem Proletariersohn einer wurde heftig diskutiert und führte schließlich zu Düngemittel (bis 1967 als Abteilung Salz bekannt) Scheuerfrau und eines Steinsetzers – Bildung, einer Fragestunde im Deutschen Bundestag. Der entstand in der Zeit des Ersten Weltkrieges. Daß Erfolg in einem erfüllten Berufsleben, soziale Si- Abgeordnete Günther (CDU/CSU) stellte die Fra- es sich in diesem Betrieb um schwere körperliche cherheit und Geborgenheit ermöglichten. Und dies ge: „Sowohl auf deutscher als auch auf belgischer und gesundheitsschädliche Arbeit handelte, kann ohne Protektion, Filz oder Andienerei, sondern Seite wurden in der Presse Äußerungen belgischer u. a. an der geringen Zahl weiblicher Beschäftigter einzig und allein durch die von ihnen geschaffenen Zollbeamter wiedergegeben, die gesagt haben in der Zeit seines Entstehens gemessen werden. und beschützten Möglichkeiten eines Staatswe- sollen: ,Bei uns passiert so etwas nicht, daß auf Von den 363 dort zum Zeitpunkt der Untersuchung sens, für das sie heute zu Verbrechern gestempelt Menschen geschossen wird.‘ Ist unser Gesetz (1965/1967) tätigen Frauen waren vor 1945 ledig- werden. Joachim Loeb, Berlin strenger als das belgische?“ Der damalige Fi- lich vier hier beschäftigt gewesen. In der Zeit von nanzminister Dr. Dahlgrün (FDP) antwortete: „Die 1955 bis 1959 waren es bereits 120, von 1960 bis Allen Genossinnen und Genossen, allen Freunden 1963 kamen weitere 107 hinzu. 62,6 % der Frauen Grenzen Deutschlands sehen anders aus als die und Kampfgefährten herzliche Glückwünsche zum hatten im Zeitraum von 1955 bis 1963 die Arbeit in Grenzen Belgiens. Wir haben sehr schwierige 55. Gründungstag der DDR! dieser Abteilung aufgenommen. 54,8 % gehörten Grenzen! Denken Sie einmal an die Alpen, an den Der Sieg der Konterrevolution wird nicht ewig nicht zu den sozialen und bürotechnischen Berei- Bayerischen Wald, denken sie an die Zonengren- währen! „Nichts auf der Welt ist beständig. Alles chen. Das war der Tatsache geschuldet, daß die ze! ... Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran fl ießt, und jede Erscheinung wandelt sich im Laufe Arbeit ständig weiter mechanisiert, modernisiert der Zeit.“ (Ovid) erinnern, daß dieses Gesetz erst im Jahre 1961 (!) und erleichtert wurde. 83,2 % waren mit ihrer Tä- Die maßlose Gier des Kapitals werden die Volks- vom Bundestag einstimmig beschlossen worden tigkeit zufrieden, die Fluktuation lag bei ca. 8 %. massen nicht ewig ertragen. Der große jüdische ist. Wir müssen das Anhalterecht an der Grenze Keine Frage, daß die Entwicklung nicht überall auf Schriftsteller Erich Fried schrieb seinerzeit den aufrechterhalten!“ gleicher Ebene verlief. Die Ergebnisse unterstrei- Herrschenden ins Stammbuch: „Bekämpfe nie Und was sagten die Abgeordneten des Deutschen chen jedoch, wozu eine von Ausbeutung befreite einen Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat.“ Bundestages dazu? Dr. Mende (FDP) meinte: „Die Gesellschaft in der Lage ist. Adolf Eduard Krista, Worbis sollen aufhören zu schmuggeln!“ Dr. Wuermeling Dr. Marianne Blankenhagen, Berlin (CDU): „Kein Wort gegen den Schmuggel? ... Fehlt Unser Leser hat unter dem Autorennamen Eduard nur noch ein Antrag auf Schmugglerfürsorge!“ Meines Erachtens hat J. Dreßler in seinem Beitrag v. Wosilovsky bemerkenswerte Bücher zur Jagd- Als gebürtiger Aachener, mit dem bereits im „Der springende Punkt: die Konsumideologie“ (RF geschichte der DDR geschrieben, unter ihnen die Kinderwagen Kaffee und Schokolade geschmug- 81) Engels zu eng aufgefaßt. Die wachsenden Erfolgstitel „Mit Hirschruf und Passion“ (1999) und Bedürfnisse werden sich auf die Verwirklichung „Der Sohn des St. Hubertus“ (2003). gelt wurde, weiß ich, was es bedeutet, daß der Todesschuß auf Schmuggler damit gutgeheißen des menschlichen Wesens beziehen und nicht auf Einige Bemerkungen zum Beitrag von Willi Gerns wurde. Es gab bei den armen Leuten im Grenz- das Wesen des Spießbürgers, der den Nachbarn über die Neukonstituierung der DKP in Nr. 79. gebiet in den 30er Jahren wohl keinen, der nicht ausstechen muß und dazu „Tapeten in der Garage“ Meines Erachtens fehlte in dem wichtigen Material schmuggelte. braucht. In „Zur Wohnungsfrage“ schreibt Engels die Beantwortung der Frage, warum die Gründung Im Organ des Bundes der Deutschen Zollbeamten von der „Möglichkeit … bei verständiger Vertei- lung der Arbeit unter alle, nicht nur genug für die der Partei gerade im September 1968 notwendig konnte man 1964 sogar folgendes lesen: „Was reichliche Konsumption aller Gesellschaftsglieder war. Es geht mir um die Beleuchtung der konkreten aber soll das große Geschrei , besonders in der … hervorzubringen, sondern auch jedem einzelnen historischen Umstände. Damals hatte sich in der Presse? Dieser Schmuggler ist nicht wegen hinreichend Muße zu lassen, damit … Wissen- Bundesrepublik eine brisante Situation heraus- des geringfügigen Schmuggelgutes erschossen schaft, Kunst, Umgangsformen … in ein Gemein- gebildet. Die Demonstrationen gegen den Viet- worden. Der Zollbeamte ist doch kein Hellseher. namkrieg wurden immer heftiger. Die Hamburger gut der ganzen Gesellschaft verwandelt und weiter ... Konnte dieser Mann nicht vielmehr staatsge- fortgebildet werden“. Wohlgemerkt: Die Muße ver- Studenten entrollten bei einer Vollversammlung ein fährdendes Material bei sich führen, Rauschgifte, Transparent mit der Aufschrift „Unter den Talaren schlingt gar keine Ressourcen, die Beschäftigung konnte er nicht ein langgesuchter Verbrecher sein? der Muff von tausend Jahren“, das für große Auf- mit Kunst und Wissenschaft nur geringe. Er war ein Kleinschmuggler, aber wußte man das regung sorgte. Hinzu kamen die Willensbekundun- Dies scheint vielleicht utopisch nach den Erfahrun- vorher?“ gen der seinerzeitigen IG Druck und Papier gegen gen mit dem Bewußtsein vieler DDR-Bürger, aber Ich kann mich nicht erinnern, daß solche oder ähn- Springer. 1968 erfolgte die Gründung der SDAJ, zum einen waren diese der Konsumpropaganda die rasch an Einfl uß gewann. Der DGB rief zu einer liche Überlegungen bei den Prozessen gegen Bür- aus dem Westen eher noch stärker ausgesetzt Großkundgebung in die Dortmunder Westfalenhal- ger der DDR irgendeine Rolle gespielt hätten. (...) als die BRD-Bürger selbst, und zum anderen liegt le gegen die Notstandsgesetze auf. Große Teile der Hubert Bachhofen, Weilburg vor dem Kommunismus noch die erste Phase, der IG Metall und vor allem die IG Druck und Papier be- Sozialismus, in dem das Prinzip der Verteilung schlossen, statt nach Dortmund in die Halle nach Dr. Adolf Eser setzt sich in seinem Beitrag im RF Nr. sein sollte „Jedem nach seiner Leistung“. Ist die- Bonn auf die Straße zu gehen. Mit großem Beifall 80 nach meiner Meinung zu Recht mit der Bespre- ses Prinzip konsequent verwirklicht, werden nur wurden dort die Busse mit den Gewerkschaftern chung des Buches „Prägung aus acht Jahrzehnten Idioten auf Dauer länger arbeiten und auf „schöp- empfangen. Hunderttausend kamen nach Bonn. – Bitterfelder Weg eines Generaldirektors“ durch ferische Muße“ verzichten, um sich Tapeten in der Von der Stimmung konnte sich der damalige Vor- Prof. Dr. Alfred Barth auseinander. Mit Kompe- Garage zu leisten. sitzende der IG Metall Georg Benz überzeugen. In tenz und Sachlichkeit widerlegt er Aussagen des (...) Ich teile Dreßlers Sorgen über die globalen Per- seiner Rede machte er eine kurze Pause. Er sagte: Rezensenten, die dieser auf der Grundlage des spektiven nach der Erschöpfung der fossilen Ener- „Wir fordern ...“ und die Hunderttausend antworte- Buches von Heinz Schwarz getroffen hat. Das giereserven. Es ist hohe Zeit, alternative Konzepte ten: „Generalstreik!“ fi ndet meine volle Zustimmung. zu entwickeln. Nur: Unter den Bedingungen der Nach dieser großartigen Demo gab es fast überall Daß unsere wirtschaftliche Entwicklung infolge Kapitalherrschaft sehe ich eher kommen, daß die Diskussionen, das könne doch nicht alles gewe- des Zweiten Weltkrieges schwierig war, und daß letzten Reserven verbraucht werden, ehe das Pro- sen sein. Auf der politischen Ebene kam es zu sie auch nicht fehlerfrei verlaufen ist, bleibt un- blem auch nur zur Kenntnis genommen wird. Auch einem „Betriebsunfall“: Gustav Heinemann wurde bestritten. Um so höher ist es zu bewerten, daß deshalb laßt uns mit aller Kraft daran arbeiten, daß Bundespräsident. Die Genossen sprachen mit ihm es der DDR gelang, in historisch kurzer Zeit eine dieses System rechtzeitig abgelöst wird! darüber, ob die KPD nicht wieder zugelassen wer- Volkswirtschaft zu entwickeln, die Vollbeschäfti- Friedrich Dittmar, Hamburg den könnte. Im Prinzip hatte der Präsident nichts gung gewährleistete, Arbeitslosigkeit verbannte Dank an Genossen Johannes Dreßler für seinen dagegen, gab aber zu bedenken, daß der Wider- und allen Werktätigen ein Einkommen garantierte, klugen Artikel im Oktober-„RotFuchs“. stand groß sein werde. Wenn nämlich das Bun- mit dem der Lebensunterhalt bestritten werden desverfassungsgericht das Verbot aufhöbe, hätte Die Menschheit steuert unter imperialistischen konnte. Die chemische Industrie nahm dabei einen Verhältnissen unaufhaltsam in die Barbarei, in die das erhebliche materielle Folgen für den Staat, da besonderen Platz ein. Entschädigungen in Millionenhöhe gezahlt werden Naturkatastrophe, wenn der Konsumterror in der Das veranlaßte mich, in Leuna, wo die Verhältnisse Welt so weitergeht. Danach gibt es keine positiven müßten. So kam man zu der Überlegung, die Partei ähnlich gelagert waren wie in Bitterfeld, mit einem als DKP neu zu konstituieren. (...) Bedingungen mehr für den Aufbau des Sozialis- Kollektiv eine Untersuchung zum Thema „Die Manfred Bohle, Düsseldorf mus, weil alle Ressourcen aufgebraucht sind und Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit um die wenigen noch vorhandenen brutale Kriege (...) In der Urteilsbegründung beim letzten Politbü- der Frau im Industriebetrieb, dargestellt am VEB geführt werden. Deshalb ist es unbedingt erforder- roprozeß heißt es, die Schuld von Hans-Joachim Leunawerke “, durchzuführen. Wir lich, daß sich das Konsumverhalten der Menschen Seite 30 ROTFUCHS / November 2004 verändert. Dies muß auf der materiellen und auf Klassenfeind als von Verrätern an der Spitze des Nebenrolle zufi el, hätten die Alarmglocken läuten der geistigen Ebene geschehen. Kreml aus. und hätte die Gefahr erkannt werden müssen, daß Der künftige sozialistische Staat und die kommu- Heute geht es darum, mit geeigneten Mitteln ge- der Klassengegner mit dieser falschen Politik di- nistische Partei müssen die Bevölkerung zu mehr gen das kapitalistische System zu kämpfen, im rekt zum Angriff eingeladen worden war. (...) Achtsamkeit im täglichen Umgang mit Konsumgü- Interesse der breiten Masse der Werktätigen den Bei offener Darstellung der Gefahren, der Tatsache, tern veranlassen. Hier muß das Prinzip „Weniger ist „Rechtsstaat“ immer wieder als Unrechtsstaat zu daß das Volk alles verlieren würde, was es sich in mehr“ angewandt und den Menschen verständlich entlarven und die Tribüne, die sich uns bietet, zu den vielen Jahren erfolgreich erarbeitet hat, und gemacht werden. (...) Konsumgüter, die nicht un- nutzen, ohne uns bei den herrschenden Kräften daß nun alle zusammenstehen müssen, um dem bedingt zum Leben notwendig, aber darüber hin- anzubiedern. Feind Paroli zu bieten, wäre eine Abwehr möglich aus vorhanden sind, erzeugen beim Konsumenten Deshalb halte ich von wiederholten Diffamierun- gewesen. Die Masse des Volkes war zu gewinnen, langfristig Leid, weil er immer genußunfähiger wird, gen der PDS im „RotFuchs“ gar nichts. Besser ist und sie wäre, wie die Kubaner, bereit gewesen, die wie Genosse Dreßler richtig schreibt. Die logische es, in die aktuellen Befi ndlichkeiten einzugreifen erreichten Erfolge auch unter spürbaren Einbußen Folge ist, daß die Bürger mit den gesellschaftli- und eine eindeutige Position zu diesen Fragen zu zu verteidigen. Alfred Krajewski, Berlin chen Verhältnissen unzufrieden werden, weil der beziehen. (...) sozialistische Staat ihre nimmersatten Gelüste Der Bundeskanzler hat im Gespräch mit der Zeit- Mit großem Interesse habe ich die Ausgabe 81 nicht erfüllen kann. schrift „Guter Rat“ die „Mitnahmementalität“ vieler gelesen und es als sehr wohltuend empfunden, Die Menschen sollten nicht nur den Marxismus- Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen in daß eine breite Leserdebatte zum Thema „Wende Leninismus studieren, um Klassenbewußtsein zu Deutschland beklagt. Offensichtlich geschah das oder Konterrevolution“ stattfand. Was meiner Mei- erlangen, sondern auch im „Menschsein“ geschult im Zusammenhang mit dem Titel der Zeitschrift nung nach den „RotFuchs“ auszeichnet, ist, die werden, denn jahrzehntelange kapitalistische „Holen Sie sich alles, was Ihnen zusteht“. Damit Meinungsvielfalt deutlich zu machen und zugleich Erziehung bzw. Unerziehung haben ihre Spuren ist die legale Möglichkeit der Rückforderung von eine sachliche Diskussion über die Geschichte zu hinterlassen. (...) Steuern gemeint. Nicht gemeint sind die überhöh- führen. Es entspricht meiner Auffassung, wenn Die sozialistische Gesellschaft muß, um sich vom ten Bezüge von Ex-Ministern, Ex-Staatssekretären, viele Zuschriften die verschiedensten Aspekte der unmenschlichen kapitalistischen System deutlich Ex-Bundeskanzlern usw. Schröder meinte auch Konterrevolution 1989/90 darstellen. Sie führte zu unterscheiden, als moralische Instanz auf die nicht jene, die unversteuerte Gelder am Fiskus letztlich dazu, daß sich der Kapitalismus mit all sei- Menschen wirken und positiv besetzte Ideale ver- vorbei ins Ausland schleusen, die Parteispenden nen schlimmen Erscheinungen bei uns wieder aus- mitteln können. Hans-Michael Henk, Bremen dort lagern, jene Bosse, die für ihre miserable breiten konnte. Dennoch bin ich mir mit Genossin Wirtschaftsführung wahnsinnige Abfi ndungen Elsa Schmidt aus Hamburg einig: Der Sozialismus J. Dreßler geht einer wichtigen Frage nach: dem kassieren, jene, die in Ostdeutschland nach der ist nicht am Ende. (...) Einfl uß einer Konsumideologie auf den Drang vie- Rückwende die volkseigenen Betriebe für einen Bitte schickt den „RotFuchs“ an folgende fünf ler DDR-Bürger in den Westen. Er unterliegt jedoch Appel und ein Ei zur Ausschlachtung erwarben. Adressen ... einem wesentlichen Irrtum. Auch die individuellen Er meinte ganz offensichtlich jene, die nicht mehr Herbert Flegel, Asproklisi, Griechenland Bedürfnisse entspringen (soweit nicht natürlichen dank der Hilfe der Zeitschrift „Guter Rat“ ihre An- Ursprungs) keineswegs aus dem Individuum, son- sprüche in Millionenhöhe verfallen lassen wollen. Die Veränderung 1989/90 habe ich vor dem dern sind eine gesellschaftliche und historische Zum Hartz-IV-Schaden auch noch der Hohn! Fernseher bestaunt. Wie H. Kohl sich vor der Men- Kategorie. So produziert der Kapitalismus aus Dr. Manfred Bewersdorf, Neubrandenburg schenmenge feierte und wie sich dann die Politiker Profi tgründen täglich neue, häufi g völlig unsinnige einer nach dem anderen mit patriotischen Worten „Bedürfnisse“. Sie schlagen sich in einem unglaub- Mit großer Aufmerksamkeit habe ich alle Beiträge auf der Bühne aufspielten. Das geht nicht gut aus, lichen Kulturverfall und auch in einer Bedürfnisbe- zu der Frage „Wende oder Konterrevolution“ ge- war damals mein Gefühl. Ich erinnere mich an die friedigung auf niedrigstem geistigem und kultu- lesen. Jede Zuschrift enthält kluge Bemerkungen. Worte Rudolf Augsteins, der etwa sagte, nun sei rellem Niveau nieder. Die Profi tbestimmtheit der Alle zusammengefaßt ergeben den Grundstein für der Zug abgefahren, und man könne, bezogen auf Bedürfnisentwicklung beweist ihre gesellschaftli- eine Analyse. (...) eine gesamtdeutsche Veränderung, nichts mehr che Natur und nicht ihre Unabhängigkeit von der Die Situation 1989 war schwierig, die Führung der tun. Gunter Grass nannte das Verfassungsbruch, Gesellschaftsordnung. Das Konsumtrommelfeuer SED nicht imstande, auf die neue Lage zu reagie- was Kohl und die Regierung da eingeleitet hatten. aus dem Westen auf die DDR war ein Moment des ren. Wo waren die vielen „Berufsrevolutionäre“? Heute müssen wir zuschauen, wie der Rest des Klassenkampfes und nicht ein Problem des Indivi- Wo war die straff organisierte Partei mit ihren „Sozialstaats“ auf die Müllhalde der Geschichte duums. Das Bild des halbverhungerten Mannes in über 2 Millionen Mitgliedern? Als abzusehen war, geschoben wird. Ist das auch eine „nachholende Lumpen mit einem Handy am Ohr zeigt doch die daß wir verlieren würden, konnte man nichts von Revolution“? Andreas Rösler, Hamburg Verbiegung der Psyche des Menschen, der angeb- einem geordneten Rückzug spüren. Wo waren die lich nichts Wichtigeres braucht als „Informationen“, Leute, die jeden Tag ihre Treueschwüre auf den Der „RotFuchs“ braucht auch zum Sport in die- mehr als Wasser und Brot. Diese Unmenschlich- Sozialismus abgaben? Wir wirkten wie gelähmt. ser rosa-grünen Diktatur der Bosse, Banker und keit ist ein Charakteristikum der kapitalistischen Die Konterrevolution hat die großen Schwächen Börsianer eine verwendbare Standortbestimmung. Gesellschaft. nicht nur der Parteiführung ausgenutzt und uns (...) Wir hatten in der DDR durchaus eine heftige De- besiegt. (...) 15 Jahre Bildungsverbot für die DHfK in Leipzig, 15 batte zur Bedürfnisfrage, und uns war klar, daß Jetzt kann es nur darum gehen, umgehend die Jahre subjektivistische Auswahl sportlicher Talen- Bedürfnisse im Sozialismus niemals identisch sein richtigen Lehren zu ziehen. Schluß mit den Gra- te oder Genies nach dem Grundsatz, wer kann es können mit Bedürfnissen im Kapitalismus. Heißt benkämpfen zwischen den verschiedenen linken bezahlen – herrje – und kein geschlossenes Sich- das Bedürfnis „Auto“ oder richtiger „schnell, billig Parteien! Wir müssen uns zusammenraufen, ge- tungs- und Förderungssystem im Nachwuchs! Die und bequem befördert zu werden“? Das hört sich meinsam handeln und wieder eine marxistisch- Leute da oben im Sport werden alles so machen, primitiv an, kennzeichnet aber das Problem, das leninistische Kampfpartei schaffen. wie es diesem Staatssystem entspricht. Alles an- wir in der DDR unter dem Druck kapitalistischer In der „Einheit“, dem theoretischen Organ der SED, dere wäre systemfremd – oder profi tfremd! Und die Konsumpropaganda nicht bewältigen konnten. erschien in den 70er Jahren ein Artikel, aus dem Beteuerungen, Gemeinsamkeit und Zusammenar- Bedürfnisse im Sozialismus heißt doch nicht we- ich zitiere: „In einer italienischen Zeitung schrieb beit zu pfl egen, kann nur derjenige ernst nehmen, niger oder simpler oder zurück zur Natur, sondern vor nicht allzu langer Zeit ein der DDR keinesfalls für den Ostern und Weihnachten auf einen Tag Bedürfnisse auf immer höherem (!) Niveau. freundlich gesinnter bürgerlicher Journalist: ,Wenn fallen. Auch im Sport war es eindeutig eine Konter- Die Konsumideologie ist eine spezifi sch imperia- ein Goethe oder ein Heine, ein Thomas Mann oder revolution. Wolfgang Ahrens, Ballenstedt listische Ideologie, die viele DDR-Bürger in die ein Stefan Zweig zu den Lebenden zurückkehren Falle gelockt hat. Der Sozialismus sollte durchaus könnte und gefragt würde: In welchem der beiden Kohl ging es 1990 nicht, wie er immer beteuerte, an seinen Thesen der höheren Genußentwicklung Deutschlands erkennst du dich wieder?, würde er darum, „die lieben Brüder und Schwestern“ aus festhalten, wo nicht vom Profi t bestimmt wird, was sicher antworten: im östlichen.‘“ dem Osten „heim ins Reich zu holen“, sondern nur zu konsumieren ist. Jetzt wissen wir, welche Chance wir vertan haben um die schnellstmögliche Liquidierung des verhaß- Bleiben wir doch bei unserer Weltanschauung, und warum unsere DDR beseitigt werden mußte. ten Staates DDR. (...) dem dialektischen Materialismus: Der Spring- Wolfgang Hilbert, Kahla Kürzlich wurde ich unfreiwilliger Zeuge eines Dis- punkt ist nicht eine Ideologie, sondern sind die puts auf dem Leipziger Markt. Einer der Beteiligten gesellschaftlichen Verhältnisse, aus denen sich Meines Erachtens hat die politische Führung der äußerte: „Gegen das, was uns dieser Staat seit Ideologien ableiten. DDR, insbesondere seit der Funktionsübernahme 1990 zugemutet hat und jetzt weiter aufbürdet, Dr. Norbert Pauligk, Schwerin durch Erich Honecker, die Bindung zum Volk, für hatten wir in der DDR direkt goldene Zeiten. Und das die SED einst angetreten war, immer mehr ich war bis 1989 nicht unbedingt ein Freund der Natürlich war die 1989 eingeleitete gesellschaft- verloren. Die Politik der Anpassung, des Über- DDR!“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. liche Rückwende in der DDR vom Wesen und holenwollens, der Zulassung von Westwaren und Gottfried Fleischhammer, Leipzig vom Verlauf her eine Konterrevolution. Es ist aber der D-Mark in den Intershops führten direkt zur 15 Jahre danach müßig, darüber zu debattieren Spaltung der DDR-Bevölkerung und öffneten Justizvollzugsanstalt Torgau im Jahre 2004. Erhöh- und das damals zu Recht verärgerte, aber auch der Konterrevolution die Tore. Spätestens beim te Sicherheitsstufe im sächsischen Strafvollzug. durch Illusionen verleitete Volk zu beschimpfen. Erfurter Treffen, auf dem die Menschen Brandt Antifaschistische Gedenkstätte. Gefangene mit tä- Die Konterrevolution ging damals weniger vom zujubelten und Stoph nur noch eine unbedeutende towierten Hakenkreuzen, schwarz-weiß-rote Flag- ROTFUCHS / November 2004 Seite 31 gen auf Papier gemalt, aus der Hitlerbiographie Chinas mit den Vereinigten Staaten. China hat z. Z. Einladung zum Sommertreffen der Kämpfer und abgezeichnete Porträts des „Führers“. Ein T-Shirt ein jährliches Wachstumstempo von ca. 10 % und Freunde der Spanischen Republik nach Berlin. De- mit dem Bildnis von Rudolf Heß und der Aufschrift die USA von etwa 3 %. Höhere Arbeitsproduktivi- legierte aus Spanien, Frankreich, Schweden, Eng- „Märtyrer für Deutschland“. Aus Tonwiedergabege- tät und ökonomische Überlegenheit besitzen noch land und der Tschechischen Republik bereicherten räten dröhnt das Gegröle faschistoider Texte der immer die USA. Deren Nichterreichen kann folglich die Aussprache. Wertvoll war der Beitrag von Fritz Bands „Landser“ und „Böhse Onkelz“. Alles unter als der wichtigste und tiefste Grund dafür ange- Teppich, ehemaliger Stabsoffi zier der Spanischen den Augen und Ohren Deiner Diener, Justitia. (...) sehen werden, daß nach und nach Verhältnisse Volksarmee, der den Kampf in Spanien nicht nur Rassistischer Sprachgebrauch von Bediensteten entstanden sind, die der Konterrevolution den Sieg als Bürgerkrieg, sondern auch als Beitrag zur Ver- gegenüber ausländischen Mitgefangenen ist an über uns ermöglichten. Noch immer gilt für Marxi- hinderung des Zweiten Weltkrieges verstand. Ich der Tagesordnung. Protestierern wird stereotyp sten die Praxis, d. h. die unverfälschte Realität, als informierte über unsere Wien-Exkursion „Auf den geantwortet, es wäre doch nur Spaß, um die ange- Kriterium für die Wahrheit. Spuren der Spanienkämpfer“, und der Kongreß un- spannte Atmosphäre aufzulockern. Stellen wir uns vor: Die sozialistische Welt hätte terbrach meine Rede mit lebhaftem Beifall, als ich Von verschärften Sicherheitsvorschriften scheinen tatsächlich ökonomische Überlegenheit über die sagte, Alfred Möbius, Unteroffi zier einer Interbriga- nur „Linksextreme“ betroffen zu sein. Wie sonst fortgeschrittenen kapitalistischen Industriestaaten de, sei ein Sebnitzer Zimmermann gewesen, und läßt sich erklären, daß es selbst bei PDS-Schriften erzielt, dann wäre der Wettbewerb der beiden sein Sohn, der auch Alfred heißt, habe das Erbe erhebliche Bezugsprobleme gibt, aber zeitgleich Weltsysteme zu unseren Gunsten ausgegangen des Vaters übernommen und grüße das Treffen. NPD-Werbematerial ungehindert ausgehändigt und die BRD-Regierung hätte den Generalsekretär Der Vater war im März 1945 auf jugoslawischem wird. Marco Roitzsch, JVA Torgau der SED dringend ersucht, den antifaschistischen Territorium ermordet worden, nachdem er in Grie- Schutzwall, d. h. die Mauer, aus Angst vor Massen- chenland als ELAS-Partisan zur Niederlage der In einer bekannten Tageszeitung Mecklenburg- fl uchten der eigenen westdeutschen Bevölkerung deutschen Wehrmacht beigetragen hatte. Vorpommerns (SVZ) erschien am 6. Oktober nicht abzubauen. Lars Schubert, Sebnitz 2004 auf S. 1 folgende Nachricht: „Im Minenfeld Natürlich teile ich die Meinung der Verfasser der getötet. Athen (dpa). Ein illegaler Einwanderer ist in Leserbriefe, daß die Suche nach den alles ent- Erfreut fanden wir gestern die Oktober-Ausgabe der Nacht zu gestern in ein Minenfeld an der grie- scheidenden Ursachen für das Nichterreichen öko- des RF im Briefkasten. Was dann folgte? Es blieb chisch-türkischen Grenze geraten und dabei ums nomischer Überlegenheit und das Verschwinden alles noch Lesbare (ND, Leipzigs Neue und PDS- Leben gekommen. Wie der griechische Rundfunk unserer DDR von der Bühne der Weltgeschichte Literatur) liegen, selbst notwendige Hausarbeit berichtete, ist der Mann das 88. Opfer seit 1990.“ noch längst nicht abgeschlossen ist. Prof. kam zu kurz! Folgende unbequeme Fragen sollten erlaubt sein: Dr. Manfred Naundorf, Rangsdorf Ergo, herzlichen Dank dem Autorenkreis um Dr. Da es sich um einen „illegalen Einwanderer“ han- Steiniger sowie allen Mitarbeitern und Mitstreitern. delt, muß es sich ja andererseits auch um einen Meine Meinung zu dem Artikel „Charles de Gaulle Fritz und Irene Bach, Schwarzenberg illegalen Auswanderer handeln. Könnte es sich – ein Feind von Format“ von Dr. Bernhard Majo- bei dem „illegalen“ Ein- bzw. Auswanderer gar um row: Erfreulich das Abschneiden der PDS bei der Wahl einen Grenzverletzer gehandelt haben, der gegen Leute, die der USA-Politik gegenüber kritisch ein- in Sachsen und Brandenburg, erschreckend die innerstaatliches Recht der Türkei oder (und) Grie- gestellt sind, glauben oft, daß Frankreich eine Poli- Hinwendung junger Menschen zu rechtsextremi- chenlands verstieß? Die Türkei und Griechenland tik der Unabhängigkeit bzw. eine europaorientierte stischen Parteien, die ihre Legalität der Tatsache sind doch NATO-Staaten und haben trotzdem eine Politik betreibt. Daß es sich dabei um imperialisti- verdanken, in der Person des Innenministers Schily verminte gemeinsame Staatsgrenze? sche Sonderinteressen bzw. innerimperialistische einen Mann gefunden zu haben, dem die deutsche Es ist völkerrechtlich legitim, daß Staaten ihre Widersprüche handelt, wird meistens übersehen. Geschichte in der Zeit des tausendjährigen Rei- (gemeinsamen) Staatsgrenzen so sichern, wie De Gaulle setzte sich für die Ergänzung der ches verlorengegangen zu sein scheint. Nicht an- sie es für richtig und angebracht halten. Nur dem wirtschaftlichen durch eine politische Union ders kann ich seine moderate Haltung gegenüber „Unrechtsstaat DDR“ wurde und wird dieses Recht Westeuropas ein. Die Überwindung der Teilung diesen Gruppierungen deuten. abgesprochen. Die für die Verminung der Staats- des Kontinents, die scheinbar systemneutrale Als Zeitzeuge des Hitlerstaates, dem ich im Ver- grenze DDR/BRD indirekt tätigen Grenzsoldaten Zusammenarbeit zwischen ost- und westeuropä- trauen auf das Wissen der Eltern, der Lehrerschaft wurden und werden „lediglich“ mittels eigens kon- ischen Ländern, die These, der Kalte Krieg und und aller öffentlichen Institutionen blind folgte, struierter Rechtsetzung der Sieger strafrechtlich die Blockkonfrontation seien überholt – all das kann ich mich in die heute reagierenden Jugend- zur Verantwortung gezogen. förderte die Kräfte in den sozialistischen Ländern, lichen, Arbeitslosen und Unzufriedenen hineinver- Ich bin gespannt, wann und auf welcher Rechts- die opportunistisch eingestellt waren. setzen, zumal gewisse Parallelen unverkennbar grundlage die ersten Prozesse gegen türkisch- Die allmähliche Eingliederung der osteuropäischen sind. Damals wie heute geistert die „Grundtorheit griechische Grenzer und Politiker wegen der Ver- Staaten in ein gesamteuropäisches Gefüge sollte des 20. Jahrhundert“ wie Thomas Mann den An- minung und den 88 Opfern im Zeitraum 1990 bis so ideologisch abgesichert werden. Wesentliche tikommunismus nannte, durch die Gesellschaft, 2004 stattfi nden. Mich würde auch interessieren, Elemente der gaullistischen Propaganda wurden obwohl selbst das Grundgesetz der BRD in Art. 15 welche Position die griechischen bzw. türkischen von den kommunistischen Parteien als offi zielle eine „Vergesellschaftung von Grund und Boden, Mitstreiter des RF zu dieser Problematik einneh- Argumentation übernommen, weil sie USA-kritisch Naturschätzen und Produktionsmitteln durch men. RA Dr. Klaus Emmerich, Crivitz waren. Überführung in Gemeineigentum“ ausdrücklich Als einer der ersten imperialistischen Politiker zuläßt. Hans R. Müller, Hamburg Als ausgewiesener Nichtökonom möchte ich zu erkannte de Gaulle, daß der Zerfall der alten dem Aufsatz von Prof. H. Wachowitz (RF 80) und Kolonialsysteme unaufhaltsam geworden war. Er Unlängst hat der Vorsitzende des Bundes der den hierzu veröffentlichten Leserbriefen (RF 81) stellte die französische Politik konsequent auf Deutschen Industrie, Michael Rogowski, gegen- einige Bemerkungen machen. Im Unterschied zu neokolonialistische Methoden um. So konnte er über der Chemnitzer „Freien Presse“ mit Blick den Verfassern der Leserbriefe gehe ich davon aus, sich mit ganzer Kraft auf seine neue Rolle in der auf die rechtsextremen Parteien DVU und NPD daß Prof. Wachowitz zur Problematik des Nichter- europäischen Politik konzentrieren. die Katze aus dem Sack gelassen. Er erklärte reichens ökonomischer Überlegenheit durch die Petra Reichel, Bad Kreuznach unumwunden, daß ihm die Zugehörigkeit dieser Länder der sozialistischen Staatengemeinschaft Parteien zu den Landtagen in Brandenburg und Wesentliches und Zutreffendes, wenn auch noch Ich bin Helga Möller aus Jena sehr dankbar für ih- Sachsen weniger Sorgen bereite als die verstärk- nicht Erschöpfendes herausgearbeitet hat. ren Leserbrief im Oktober-„RotFuchs“, in dem sie te Anwesenheit der PDS. Es steckt doch etwas Freunde und Sympathisanten des RF bedürfen an die großzügige Ferienbetreuung unserer Kinder dahinter, wenn der Spitzenvertreter dieser Kreise keiner Beweisführung darüber, daß die Sowjet- in der DDR erinnert und sie den haarsträubenden Nazistrukturen bewußt verharmlost. Man muß das union und die nach dem Zweiten Weltkrieg im fi nanziellen Forderungen gegenüberstellt, die den im Zusammenhang mit dem ND-Kommentar vom Wege revolutionärer Umwälzungen entstandenen Eltern heutzutage für einen Aufenthalt ihrer Kinder 20. 9. (Auch die Weimarer Republik ist einmal ge- sozialistischen Länder dank der Planwirtschaft in einem Ferienobjekt abverlangt werden. Auch endet) betrachten. (...) Eine geeinte und aktionsfä- bedeutende, um nicht zu sagen historische Ergeb- meine drei Kinder verlebten in der DDR jedes hige linke Kraft in der BRD tut dringend not. nisse aufzuweisen haben. Trotz aller Erfolge des Jahr erholsame, unbeschwerte Ferien in einem Hans-Georg Vogl, Zwickau praktizierten sozialistischen Wirtschaftssystems, Heim meines Betriebes an der Ostsee. Meine Frau trotz eines z. T. höheren Wachstumstempos und schilderte das in einem Brief an ihre Schwester im Der Papst hat Kaiser Karl I. von Österreich selig erheblicher Produktivitätssteigerung ist es weder hessischen Wetzlar. Prompt kam die Antwort, 12 gesprochen – eine Vorstufe zur Heiligsprechung. der Sowjetunion noch der DDR und den anderen Mark pro Tag seien wirklich großzügig. Nein, meine Dieser Karl hat Mitte des Ersten Weltkrieges das sozialistischen Ländern zu irgendeinem Zeitpunkt Frau hatte nicht angenommen, daß sie mißverstan- Zepter ergriffen. Seine erste Amtshandlung war die gelungen, ökonomische Überlegenheit über die den würde. Insgesamt 12 Mark kosteten uns zwei brutale Ausweitung des Krieges. Er befahl den Ein- Staaten der kapitalistischen Welt zu erlangen. (...) Ferienwochen inklusive beaufsichtigte An- und Ab- satz von Giftgas gegen italienische Truppen. Für Der entscheidende Vergleichsmaßstab ist nicht reise mit der Bahn, Unterkunft, Vollverpfl egung und den Pontifex aber war er „ein Freund des Friedens“. die Zuwachsrate, sondern vor allem der erreichte pädagogische sowie medizinische Betreuung. (...) In diesem Zusammenhang weise ich auf den RF Stand der Produktion, insbesondere der Arbeits- vom November 2002 hin. Hier wurde eine Heilig- Rudolf Janert, Berlin produktivität. Und der war trotz aller Fortschritte sprechung behandelt. Der „Auserwählte“ war der in der Sowjetunion erheblich niedriger als in den Voller Erwartungen folgten wir vier Mitglieder Gründer der berüchtigten Seilschaft Opus Dei, USA. Ebenso verhält es sich bei einem Vergleich der Internationalen Gruppe „Spurensucher“ der Escriva de Balaguer. Dieter Bartsch, Berlin Seite 32 ROTFUCHS / November 2004

Prof. Dr. Hans Heinz Holz erstmals in Rostock. Der angesehene Philosoph aus San Abbondio (Schweiz) spricht am 30. November, um 16.00 Uhr, im Saal der Tanzgaststätte „Am Scharren“ in Rostock-Evershagen, Bertolt-Brecht-Straße, zum Thema Ist der Marxismus überholt? Veranstalter ist die Regionalgruppe Rostock des „RotFuchs“-Fördervereins

Am 19. Nov., 16.30 Uhr, stellen der Chef der DDR-Grenztruppen, Generaloberst a. D. Klaus-Dieter Baumgarten, und der Direktor des Instituts der Zollverwaltung der DDR, Prof. Dr. sc. Horst Bischoff, in der Begegnungsstätte der Volkssolidarität, Torstr. 203–205, auf einer Veranstaltung der Regional- gruppe Berlin das Buch Die Grenzen der DDR vor.

RF-Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger präsentiert am 26. November, um 18.00 Uhr, in der Begegnungsstätte Sternzeichen, Galileistraße 37, sein neues Buch Bei Winston und Cunhal und stellt sich gemeinsam mit RF-Vertriebsleiter Armin Neumann der Diskussion. Frei nach „Hans Guck-in-die-Luft“ Grafi k: Klaus Parche IMPRESSUM Der RF, im Februar 1998 von der DKP-Gruppe Autorenkreis: Dr. Erhard Kegel Künstlerische Mitarbeit: Berlin Nordost begründet, ist seit dem Prof.Prof. Dr.Dr. EikeEike KopfKopf (Peking)(Peking) Karlheinz Effenberger Dr. Matin Baraki Dr.Dr. HHans-Dieterans-Dieter KrügerKrüger ArnoArno FleischerFleischer 1. Juli 2001 eine von Parteien unabhängige Rolf Berthold kommunistisch-sozialistische Publikation. Prof.Prof. Dr.Dr. HansHans LutterLutter Heinz Herresbach Isolda Bohler (Valencia) Wolfgang Mäder Klaus Parche Dr. Manfred Böttcher Dr.Dr. BBernhardernhard MajorowMajorow SHAHAR Herausgeber: Dr. Vera Butler (Melbourne) WolfgangWolfgang MetzgerMetzger Internetpräsentation: „RotFuchs“-Förderverein e. V. Wolfgang Clausner Prof.Prof. Dr.Dr. HarryHarry MilkeMilke Dr.Dr. RRudolfudolf DruxDrux WEBMASTER: FrankFrank MMühlefeldtühlefeldt Dr. Hartwig Strohschein Chefredakteur: Dr. Klaus Steiniger (V.i.S.d.P.) Dieter Fechner Sokrates Papadopoulos (Thessaloniki) Teterower Ring 37, 12619 Berlin, Dr. sc. Gerhard Feldbauer Dr.Dr. NNorbertorbert PauligkPauligk [email protected]@t-online.de 030/561 34 04, Fax 030/56 49 39 65 Dr. Peter Fisch RichardRichard GeorgGeorg RichterRichter AKTUELLE RF-AUSGABE: Bernd Fischer Iris Rudolph E-Mail: [email protected] Prof.Prof. Dr.Dr. WernerWerner RoßRoß Peter Franz Gerhard Schmidt PC-Systembetreuerin: (Redaktionsadresse) Günter Freyer Prof. Dr. Horst Schneider SylviaSylvia FeldbinderFeldbinder Dr.Dr. EErnstrnst HHeinzeinz Fritz Teppich Layout: Egon Schansker Hans-Dieter Hesse HerbertHerbert ThomasThomas Versand und Vertrieb: Armin Neumann Herstellung: Druckerei Bunter Hund Manfred Hocke Dr.-Ing. Peter Tichauer Werner Hoppe Prof.Prof. Dr.Dr. IngoIngo WWagneragner Salvador-Allende-Straße 35 12559 Berlin 030/654 56 34 Internet: www.rotfuchs.net Hans Horn StefanStefan WarynskiWarynski ((Warschau)Warschau)  Dieter Itzerott Prof.Prof. Dr.Dr. GünterGünter WilmsWilms [email protected] Marianne Ahrens, Redaktionsschluß ist jeweils der 15. des Monats. Konto für Spenden und Beiträge: W. Metzger / RotFuchs Sonja Brendel, Bruni Büdler, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto-Nr. 220 160 759 ChristaChrista undund BerndBernd KoletzkiKoletzki Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.