Ethnobotanische Und Phytochemische Untersuchungen Von Ipomoea Purga
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ETHNOBOTANISCHE UND PHYTOCHEMISCHEUNTERSUCHUNGEN VON Ipomoea purga (Wender.) Hayne IM HINBLCK AUF IHRE IN DER REGION TLANCHINOL, MEXIKO, BEKANNTE WIRKUNG ALS GALAKTAGOGUM vorgelegt von KATRIN KAYSER aus Leverkusen Zur Erlangung des MASTER OF SCIENCE IN ARZNEIMITTELFORSCHUNG (DRUG RESEARCH) Februar 2011 Unterstützt vom Pharmazeutischen Institut der Abteilung für Pharmazeutische Chemie Erstgutachter: Dr. H. Wiedenfeld Zweitgutachter: Prof. Dr. M. Wiese I. Einleitung 1.1 Einleitung In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse der ethnobotanischen und phytochemischen Untersuchung über die Convolvulaceae Ipomoea purga (Wender.) Hayne, aufgezeigt. Es werden erstmalige ethnobotanische Ergebnisse über den traditionellen Einsatz von Ipomoea purga als milchbildungsförderndes Mittel (Galaktagogum) dargestellt. Dazu wurden Daten über den Bekanntheitsgrad der Pflanze, Anwendungsgebiet, Zubereitung, Dauer der Einnahme, Dosierung und Empfinden, anhand 79 halbstrukturierter Fragebögen erhoben. Die Arbeit wurde in drei Dörfern der Gemeinde Tlanchinol (Tierra Colorada, Toctitlan, San Salvador), Mexiko innerhalb eines zweiwöchigen Forschungsaufenthalts im September 2010 durchgeführt. Die Bewohner wurden zufällig ausgewählt und für die Befragung in ihren Häusern besucht. Durch phytochemische Analysen im Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn wurde versucht, für die im Heimatland ermittelte traditionelle Anwendung von I. purga, eine nach den westlichen Vorstellungen zu vereinbarende Rationalität (ct. WHO, traditional medicine strategy 2002- 2005) zu finden. Da die oberirdischen Teile (Blätter mit Blattstiel) hier ethnobotanisch zum Einsatz kommen, wurde eine systematische Isolierung und qualitative Analyse der oberirdischen Teile der Pflanze bis hin zur Strukturaufklärung einzelner Inhaltsstoffe durchgeführt. Über die Phytochemie der Blätter liegen besonders wenige Daten vor, da sich die wenigen phytochemischen Untersuchungen über Ipomoea purga zumeist auf die Analyse der Wurzelknolle beziehen. Das Gebiet Tlanchinol in Hidalgo, Mexiko wurde für die ethnobotanische Arbeit ausgewählt, da es bereits Hinweise über den Gebrauch von I. purga als Galaktagogum in dieser Gegend durch vorhergehende Arbeiten von Andrade-Cetto (1999) gab. Des Weiteren bietet die Region durch ihr feucht-warmes Klima, dem hohen Niederschlag und der Höhe optimale Voraussetzungen für das Vorkommen der untersuchten Pflanze. Die Bewohner der Region gehören ethnisch zu den Náhuas, der größten heutzutage noch existierenden indigenen Volksgruppe. Laut INEGI1 (2011) sind die Náhuas aus Gründen fehlender Gesundheitsfürsorge bis zum heutigen Tag überwiegend auf Heilkräuter angewiesen, die einen wichtigen Beitrag in ihrem Leben darstellen. Dieser Umstand lässt das Potenzial ethnobotanischer Studien erahnen. __________________________________________________________________________ 1Instituto Nacional de Estadística, Geografía e Informática (INEGI) (Nationales Institut für Statistik, Geographie und Informatik) 1.2 Problemstellung Da die Anwendung der Pflanze als Galaktagogum bislang keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzen besitzt, gilt es zu überprüfen ob die Pflanze in der angewandten Darreichung eine nachweisbare Wirkung besitzt. Ebenso sollte das Risiko aufgrund eventuell toxischer Inhaltsstoffe abgeklärt werden, um ggf. die Bewohner vor einer Überdosierung zu schützen. 1.3 Ziel der Arbeit Ziel ist es, detailliert die Anwendungsweise von I. purga als Galaktagogum in der Region darzustellen und die Wichtigkeit dieser Pflanze für diese Indikation für die ansässige Bevölkerung zu ermitteln. Darüber hinaus soll durch Analyse der Inhaltsstoffe überprüft werden, ob ein Zusammenhang zur traditionellen Anwendung besteht. II. Grundlagen 2.1 Ethnobotanik Die Ethnobotanik ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, welches die Beziehungen zwischen Vegetation und Menschen erforscht (Akerreta et al. 2006). Der Begriff „Ethnobotanik“ wurde erstmals 1896 vom US-amerikanischen Botaniker William Harshberger definiert als „die Nutzung von Pflanzen durch Ureinwohner“ (Johns 2000; Heinrich und Gibbon 2001; Young und Hopkins 2007). Ethnobotanik beinhaltet sowohl naturwissenschaftliche als auch sozialwissenschaftliche Bereiche und verbindet Fachrichtungen wie Ethnologie, Botanik, Medizin, Linguistik und Pharmazie miteinander (Ankli 2000; Young und Hopkins 2007; Martin 1994). Ethnobotanik bezieht sich neben den Heilpflanzen auf alle aus dem Pflanzenreich abgeleiteten natürlichen Produkte, wie: Nahrungsmittel, Farbstoffe oder Baustoffe (Akerreta et al. 2006; Heinrich 2001; Heinrich und Gibbons 2001). Dabei liegt das größte Forschungsinteresse jedoch bei den Heilpflanzen (Berlin 1992; Heinrich und Gibbons 2001; Heinrich 2001), die laut Franz (1999) 60% aller Nutzpflanzen ausmachen. Eine wichtige Aufgabe von Ethnobotanikern ist die Untersuchung und Dokumentation des traditionellen Wissens über die Pflanzen, welches durch die zunehmende Industrialisierung bedroht ist verloren zu gehen (Heinrich 2001). Dieses Wissen ist in den Kulturen fest verankert. Es ist Wissen, welches von Heilern weitergegeben wird oder allgemein unter der urbanen Bevölkerung wie Hausmittel bekannt ist (Heinrich 2001). Nach Schätzungen der WHO sind im Durchschnitt 80% aller Menschen in Entwicklungsländern ausschließlich auf Heilpflanzen und traditionelle Medizin angewiesen (Heinrich 2001; Spainhour 2005). Demnach sollten nach WHO (1999) qualifizierte Studien über Sicherheit und Wirksamkeit der Heilpflanzen erfolgen, um somit vor möglichen toxischen Effekten zu warnen. Weiterhin kann über die Entwicklung galenischer Präparate eine bessere Bioverfügbarkeit erreicht werden. Phytochemische Arbeiten zur Isolierung der aktiven Inhaltsstoffe, sowie die pharmakologische Erforschung eines Wirkmechanismus können eine wirksame Substanz detektieren, welche als Leitsubstanz dient. Durch die Abwandlung der Struktur dieser Substanz können weitere effektivere, selektivere sowie nebenwirkungsärmere Arzneistoffe entstehen. In der Vergangenheit wurden auf diese Weise bereits zahlreiche Arzneimittel, die noch heute in der modernen Medizin Anwendung finden, entdeckt. Ein klassisches Beispiel ist die Entdeckung von Curare (aus Chondrodendron Spp.), welches von den Indianern Südamerikas als Pfeilgift benutzt wurde. Die ersten detaillierten Aufzeichnungen über die Pflanze und deren Anwendung wurden von Alexander von Humboldt im 18. Jahrhundert verfasst. Anschließende phytochemische Analysen führten zur Isolierung von Tubocurarin, der paralysierenden Komponente dieses Pflanzenextrakts (Heinrich und Gibbons 2001). Tubocurarin bzw. dessen chemisch vereinfachte Analoga (z.B. Atracurium) werden heutzutage als wichtige Muskelrelaxantien in der Anästhesie eingesetzt (Ankli 2000). Man spricht dabei nach wie vor von „Curarisierung“ (Mutschler et al. 2001). Ein weiterer neuerer Wirkstoff ist Artemisinin extrahiert aus Artemisia annua (Asteraceae). Dieses Beifußgewächs wurde in der Traditionellen Chinesischen Medizin schon vor zweitausend Jahren gegen Fieber und Malaria angewandt (Ankli 2000). Vor einigen Jahren wurde seine Wirkung auch in der westlichen Welt erkannt und aktuell wird es weltweit als Mittel gegen multiresistente Stämme von Plasmodium falciparum, dem Malariaerreger, eingesetzt (Ankli 2000; WHO 2010). 2.1.1 Verantwortung ethnobotanischer Forschung Die Verantwortung der Ethnobotaniker bezieht sich einerseits auf den nachhaltigen Umgang mit den Pflanzen, um die Biodiversität zu bewahren, andererseits sollen die Einwohner der entsprechenden Länder von ihrer Mithilfe profitieren. Die Ergebnisse über Sicherheit und Wirksamkeit der Pflanzen sollen an die Einheimischen zurückgegeben werden: Vor möglichen toxischen Effekten soll gewarnt werden, auf bessere Verabreichungen soll hingewiesen werden (WHO 1999). Zudem soll bei der Entwicklung eines gewinnbringenden Arzneistoffs (oder Phytopräparats) ein Teil der Einnahmen an das Ursprungsland zurückfließen. Solche Formen des „benefit-sharing“ werden heute durch Abmachungen und Konventionen geregelt2, wodurch ein Beitrag zur Entwicklungshilfe der Länder geleistet werden kann (WHO 2010). 2 Konvention über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten (CITES): www.cites.org Biodiversitätskonvention (CBD): www.biodiv.org TRAFFIC: www.traffic.org 2.2 Geschichte von I. purga Die Azteken nutzen I. purga als Hauptkomponente zur Herstellung eines purgativen Extrakts, „Tlanoqulinoni“ genannt, welcher aus insgesamt sieben Knollen der Gattung Ipomoea bestand (Pereda-Miranda und Bah 2003; Linajes et al. 1994). Sie schätzten die laxierende Wirkung der Knolle, da sie glaubten durch Abführmittel, Brechmittel, etc. Krankheiten aus dem Körper zu vertreiben (Oritz de Montanello 1990). Dieser Ansatz ähnelte stark der damals in Europa gebräuchlichen Humorallehre nach Galen, die vorsah den Körper durch allerlei „austreibende Mittel“ (Emetika, Diuretika Diaphoretika, Laxantien) von seinen krankmachenden Säften zu befreien, um ihn zu heilen (Pereda-Miranda und Bah 2003). So war es nicht verwunderlich, dass die 1565 vom spanischen Arzt Nicolás Monardes aus „Neu-Spanien“ mitgebrachte Abführdroge bald in ganz Europa bekannt wurde (Huguet-Termes 2001). Andere Mittel wurden durch sie ersetzt und schließlich wurde sie in die damals gegenwärtige, europäischen Fassung der Materia Medica3 eingetragen (Huguet-Termes 2001). Die Knolle der Pflanze wurde unter dem Namen Jalapa-root bekannt. Dieser Name leitete sich von Xalapa, der Hauptstadt von Veracruz, Mexiko, ab, wo die Pflanze damals hauptsächlich angebaut wurde (Linajes