21. Wahlperiode 14
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BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/14037 21. Wahlperiode 14. 08. 18 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 11. November 2015 „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus auch in Zukunft fortsetzen“ (Drucksache 21/2196) 1. Anlass Der Senat hat diesem Ersuchen 2016 mit Druck- sache 21/5039 erstmals entsprochen und darin Die Bürgerschaft hat den Senat in ihrer Sitzung zudem angekündigt, die Bürgerschaft auch über am 11. November 2015 mit der Drucksache den Ressourceneinsatz für den Haushalt 2017/ 21/2196 „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbe- 2018 gemäß Drucksache 21/1395 zu unterrichten. reiten Salafismus und religiösen Extremismus auch in Zukunft fortsetzen“ ersucht, Mit der vorliegenden Drucksache kommt der Senat dem o.g. Ersuchen, in zweijährigem Ab- „1. das Senatskonzept vom 28. Oktober 2014 stand erneut zu berichten, nach und berichtet zu- (Druck sache 20/13460) ‘Effektive Maßnahmen gleich über den Ressourceneinsatz im Jahr 2017. gegen gewaltbereiten Salafismus und religiö- sen Ex tremismus ergreifen‘ über das Ende 2. Sicherheitslage des Förderzeitraumes am 31. Dezember 2016 hinaus fort zusetzen, weiterzuentwickeln und Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden hat entsprechende Haushaltsmittel im Haushalts- sich die Sicherheitslage für Deutschland und für plan 2017/2018 budgeterhöhend bereitzustel- Hamburg seit der letzten Fortschreibung der Se- len. Auf der Grundlage des unter Ziffer 2. ge- natsdrucksache (Drucksache 21/5039) im Jahr forderten Berichts zu den Haushaltsberatun- 2016 durch die erfolgten Anschläge nicht geän- dert. Die Bedrohungslage durch salafistisch/isla- gen ist zu prüfen, ob und inwieweit die perso- mistisch motivierte Indoktrinationen und unter nellen Ressourcen in der zuständigen Fach- Berufung auf religiöse Motive begründete Terror- behörde aufgestockt werden müssen. anschläge ist anhaltend international wie national 2. der Bürgerschaft alle zwei Jahre, erstmals zum hoch. Nahezu alle Staaten der EU stehen im er- 30. Juni 2016, über die unter dem Handlungs- klärten Zielspektrum international agierender Or- schwerpunkt ‚Vorbeugung und Bekämpfung ganisationen, die sich zur Begründung terroristi- von religiös motiviertem Extremismus und anti- scher Aktionen auf den Islam berufen. Die Reihe muslimischer Diskriminierung‘ geleistete Ar- jihadistisch motivierter Anschläge in Europa in beit Bericht zu erstatten; dazu gehört auch eine den letzten Jahren, insbesondere die Anschläge Berichterstattung über die Wirksamkeit und in Frankreich, Italien, Belgien, Großbritannien Zielerreichung der Projekte.“ und Schweden im Jahr 2017, belegen die bisheri- 1 Drucksache 21/14037 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode gen Gefährdungsbewertungen für europäische – Hannover Staaten. Auch Hamburg war durch ein Tötungs- 26. Februar 2016: Messerattacke auf einen Po- delikt betroffen, welches der Täter unter anderem lizisten. Das Opfer wurde lebensgefährlich mit seiner IS-Sympathie begründete. Am 28. Juli verletzt. Die Täterin war zum Tatzeitpunkt 2017 tötete Ahmad A. einen Menschen mit einem 15 Jahre alt. Sie wurde zu einer sechsjährigen Messer in einer Edeka-Filiale in Hamburg-Barm- Haftstrafe verurteilt. bek und verletzte fünf weitere Personen. – Essen In der Folge der schweren militärischen Niederla- gen und territorialen Verluste des sogenannten 16. April 2016: Sprengstoffanschlag auf einen „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak Sikh-Tempel mittels einer aus einem Feuerlö- kommt dem Internet eine immer größere Rolle zu. scher gebauten Bombe. Die Täter waren zum Es wird zunehmend aus dem Untergrund agiert. Tatzeitpunkt 16 bzw. 17 Jahre alt. Drei Perso- So gibt es im Internet Anwerbungsversuche, An- nen wurden verletzt, eine davon schwer. Die leitungen für die Begehung von Terroranschlä- Täter wurden zu mehrjährigen Jugendfreiheits- gen und virtuelle Unterstützung der Täter. strafen verurteilt. Anfang April 2017 versuchte eine sechsköpfige – Würzburg Gruppe von Jihadisten aus Hamburg, Nieder- 18. Juli 2016: Beilattacke auf Familie aus Hong- sachsen und Schleswig-Holstein in Richtung Sy- kong in Pendlerzug. Der Täter war zum Tatzeit- rien auszureisen, mutmaßlich um sich dem IS in punkt 17 Jahre alt, vier Personen wurden Syrien oder im Irak anzuschließen. Auf Grund der schwer verletzt, der Täter wurde von der Poli- Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Eu- zei erschossen. ropa konnten die Jihadisten bereits in Österreich (eine Person) und in Bulgarien (fünf) festgenom- – Ludwigshafen men, nach Deutschland zurückgeführt und in November/Dezember 2016: versuchter Spreng- Hamburg in Untersuchungshaft genommen wer- stoffanschlag auf den Weihnachtsmarkt mittels den. einer selbstgebauten Nagelbombe, die glückli- cherweise nicht detonierte. Der Täter war zum Dennoch hat entsprechend der bundesweiten Tatzeitpunkt zwölf Jahre alt. Entwicklung im Jahr 2017 auch in Hamburg der Ausreisedruck weiter nachgelassen. Insgesamt Es ist davon auszugehen, dass aktuell eine neue betrug die Zahl der aus der Metropolregion Ham- Generation von Jihadisten heranwächst. Dabei ist burg ausgereisten Jihadisten Ende 2017 rund 80 zu unterscheiden zwischen: Personen, der Frauenanteil lag bei etwa 20 Pro- zent. Zu rund 25 der ausgereisten Personen lie- – Kindern und Jugendlichen, die im Gebiet des gen Erkenntnisse vor, dass sie in den syrischen islamischen Staates (IS) indoktriniert wurden oder irakischen Krisengebieten ums Leben ge- und nun als Flüchtlinge nach Europa kommen kommen sein könnten. Von den insgesamt rund oder gekommen sind; 80 aus dem Großraum Hamburg Ausgereisten ist – Rückkehr von IS-Witwen (z.T. mit Kindern, die nach derzeitiger Erkenntnislage etwa ein Drittel in den Jihadgebieten geboren wurden); zurückgekehrt, darunter auch drei Frauen, die insgesamt fünf Kinder haben. – Generation 2 (Kinder, die in salafistisch-jihadis- tischen Familien in Deutschland aufwachsen). Generell können unter den Zurückkehrenden Neben den Salafisten waren in Hamburg auch an- auch Kinder und Jugendliche sein, die im Gebiet dere islamistische Gruppierungen in der Missio- des islamischen Staates (IS) indoktriniert und nierungsarbeit aktiv. Organisationen wie die Tab- über Jahre traumatischen Erlebnissen ausgesetzt ligh-i Jama’at (TJ) oder die Hizb ut-Tahrir (HuT) wurden und nun nach Europa kommen oder ge- versuchten auch im Jahr 2017 neue Mitglieder zu kommen sind. Bundesweit ist bekannt, dass Kin- werben. Ebenfalls mit dem Ziel der Anhänger- be- der in Einzelfällen zu Kampfeinsätzen oder zu ziehungsweise Mitgliederwerbung hat die in Ham- Hinrichtungen gezwungen wurden. burg sehr aktive Furkan-Gemeinschaft im Jahr In Einzelfällen ist ferner eine gezielte Instrumen- 2017 durch verschiedene Veranstaltungen auf talisierung von Minderjährigen für islamistische sich aufmerksam gemacht. bzw. jihadistische Aktivitäten in Deutschland zu Die islamistische Szene insgesamt hat sich in beobachten. Hamburg nach den Beobachtungen des Landes- Dies zeigen die vier bislang von Minderjährigen in amtes für Verfassungsschutz (LfV) wie folgt entwi- Deutschland begangenen Anschläge: ckelt: 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/14037 Anmerkung: Das LfV Hamburg beobachtet seit 2014 lediglich die extremistischen Teilstrukturen der Milli Görüs-Bewegung; daher ist die Hamburger Gliederung der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ in den Zahlen ab 2014 nicht mehr enthalten. Die jihadistisch-salafistische Szene in Hamburg hat sich nach den Beobachtungen des LfV wie folgt entwickelt: Anzahl Gruppierung 2013 2014 2015 2016 2017 2018* Salafisten 240 400 460 670 780 785 davon Jihadisten 70 240 270 320 420 420 * Quelle: LfV, Stand Juni 2018 Die Zahl der Islamisten, die in Hamburg dem sala- rüber hinaus werden die wichtigsten Maßnahmen fistischen Spektrum zugerechnet werden, stieg im Folgenden kurz dargelegt. von 670 (2016) auf 780 (2017). Unter diesen 780 Salafisten waren Ende 2017 420 Jihadisten (die 3.1 Steuerung des Umsetzungsprozesses den militanten Jihad unterstützen). Der Stand im Der Umsetzungsprozess wird weiterhin gesteuert Juni 2018 ist nahezu unverändert: 785 Salafisten, wie in Drucksache 21/5039 beschrieben. davon 420 Jihadisten. 3.2 Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisie- Weitere Informationen gibt es im aktuellen Verfas- rung sungsschutzbericht, der unter http://www.ham- Seit seiner Gründung verfolgt das Beratungsnetz- burg.de/verfassungsschutz/ abrufbar ist. werk das Ziel, die Zusammenarbeit aller staat- lichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, 3. Stand der Umsetzung des Senatskonzeptes die in Hamburg thematisch betroffen sind und/ oder über eine hohe fachliche Kompetenz auf den Mit Drucksache 21/5039 hat der Senat sein inno- relevanten Handlungsfeldern verfügen, zu institu- vatives und ganzheitliches Konzept zur Vorbeu- tionalisieren, einen stetigen strukturierten Aus- gung und Bekämpfung von religiös begründetem tausch zu gewährleisten und gemeinsam Exper- Extremismus und Muslimfeindlichkeit weiterent- tenwissen aufzubauen. wickelt. Die bereits seit Oktober 2014 angelaufe- nen Maßnahmen (Drucksache 20/13460) wurden Das Beratungsnetzwerk wurde seit 2016 um fol- fortgeführt, konzeptionell weiterentwickelt und gende Mitglieder erweitert: Evangelisch-Lutheri- intensiviert. Der Umsetzungsstand wird in Anlage sche Kirche in Norddeutschland, Fachrat Islami- 1 nach den in Drucksache 21/5039 benannten sche Studien e.V., Arbeitsgemeinschaft Kinder- prioritären Arbeitsschwerpunkten