LAND & Forst • Nr. 37 • 12. September 2013 LAND & Forst • Nr. 37 • 12. September 2013 | Gesundheit 67

Das Familien-Magazin für Niedersachsen Fotos: Vienna Vienna GerstenkornFotos: Die zum Teil noch leeren Wartezimmer, hier das Sportheim in Die Ausstattung ist hochmodern und platzsparend. „Wir muss- , könnten in Zukunft auch sozialer Treffpunkt werden. ten planen wie ein Motorradfahrer“, sagt Dr. Bohlemann.

sie aus dem Krankenhaus ent- Viele Patienten sprechen erst Routineuntersuchungen Der bisher älteste Patient lassen. Noch ein wenig skep- mit ihrem Hausarzt, bevor sie durchgeführt werden. Sogar kam mit seiner Frau zu Fuß in tisch klettert sie über eine Stufe sich auf das neue Projekt ein- für ein EKG und eine Blutun- die Praxis und ist 98 Jahre alt, in den freundlich gestalteten lassen. Deshalb ist die Zusam- tersuchungen ist modernste der jüngste 55 – ein Landwirt, Behandlungsraum. Dr. Boh- menarbeit mit den Praxen in Technik an Bord. der sich bei der Arbeit am lemann schließt die Tür des der Region besonders wichtig. Falls der Hausarzt einen Auf- Knie verletzt hatte. Mit einem Behandlungszimmers. Heute trag erteilt, würde die „Rollen- Verband und einer frischen stehen nur Routineuntersu- Hausärzte skeptisch de Praxis“ an den Nachmitta- Tetanusimpfung ging es aus chungen an. Als die Tür wieder gen nach den Sprechstunden der mobilen Praxis direkt wie- Elfriede Heider, eine der ers- aufgeht, lächelt die Patientin. Dr. Bohlemann sucht auch hier auch Hausbesuche überneh- der auf den Trecker. ten Patientinnen in Roklum, lust Schnell hat sie Vertrauen zum den Dialog, denn einige der men. Damit sich die Wartezim- fasst in der mobilen Praxis Dorf mobilen Doktor gefasst. niedergelassenen Ärzte be- mer in Zukunft noch besser frust schnell Vertrauen zu Dr. Jür- Dorf fürchten Konkurrenz durch das Landwirt verarztet füllen, will Bürgermeisterin gen Bohlemann. Ärzte-„Casting“ neue Angebot. „Das ist aber Ute Heider in Roklum mehr keinesfalls Ziel der ‚Rollenden Vier bis sechs Patienten ka- Werbung machen. Ein Seni- Dr. Bohlemann findet einen Praxis“, sagt Thomas Fischer men in den ersten Wochen orentreffen am Tag nach der guten Draht – auch zu neuen von der SVLFG. im Schnitt pro Sprechstunde. Sprechstunde sei der perfekte Patienten. Sieben Jahre lang Er stellt sich die Zusammen- Noch mehr Dorfbewohner ha- Anlass. Mit einem Bürger- hatte er eine eigene Praxis. arbeit so vor: Während größere ben erst einmal nur einen Blick frühstück und einem „Tag der Um seine Eltern im Alter zu Untersuchungen nach wie vor in das Behandlungszimmer offenen Praxis“ möchte sie im versorgen, ist er in die Heimat beim Hausarzt stattfinden, geworfen und mit den Ärzten Dorf zusätzliches Interesse Eine Landarztpraxis auf Rädern zurückgekehrt und seither können in der mobilen Praxis über das Projekt diskutiert. wecken. Vienna Gerstenkorn bei der Kassenärztlichen Ver- einigung beschäftigt. „In den Pilotprojekt Besonders auf den Dörfern sinkt die Zahl der niedergelassenen kenkassen, darunter die AOK, ersten zwei, drei Jahren war Fragen an Ulrich Löhr Ärzte. Aus diesem Grund läuft seit einem Monat im Landkreis Wolfenbüttel ein die Deutsche BKK und die So- die Rückfallgefahr zur eigenen zialversicherung für Landwirt- Praxis sehr groß, bei jeder Ge- Mitglied der SVLFG-Vertreterversammlung aus Groß ungewöhnliches Modellprojekt: die „Rollende Arztpraxis“. Die LAND & Forst war bei schaft, Forsten und Gartenbau legenheit habe ich Kollegen in einer der ersten Sprechstunden in der Gemeinde Roklum mit dabei. (SVLFG) finanzieren aus einem ihren Praxen vertreten“, erin- Warum macht die SVLFG bei der Rollenden Arztpraxis mit? 50.000 Euro starken Projekttopf nert sich Dr. Bohlemann. Der überwiegende Teil unserer Versicherten lebt auf dem Land. Wir die medizinischen Leistungen. Weil die übrige Arbeit auf haben hier die besondere Gelegenheit, im Rahmen einer regionalen wischen einer leicht ver- partner wollen deshalb, wis- chen Vereinigung Niedersach- Von den Ersatzkassen betei- dem Schreibtisch wartet, su- Allianz aus Sponsoren, die allesamt ein Interesse an einer guten Ge- witterten Eiswerbung senschaftlich begleitet von der sen (KVN), die damit die Per- lige sich nur die Barmer GEK, chen die beiden Ärzte noch sundheitsversorgung auf dem Lande haben, mit der mobilen Praxis Zund einem Zigarettenau- TU Braunschweig, testen, ob sonalkosten trägt. Vom Land so Ute Heider, Bürgermeisterin Verstärkung für die rollende eine Idee zu testen, ohne gleich in eine ganze Flotte mobiler Praxen investieren zu müssen. tomaten hängt am Roklumer eine mobile Praxis die Haus- Niedersachsen wird das Pro- von Roklum, und sie bedauert, Praxis. Ein gutes Dutzend Be- Sportheim ein Zettel mit der arztpraxen ergänzen kann. Die jekt mit 30.000 € unterstützt. dass ihre Krankenkasse nicht werber wird derzeit „gecastet“, Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten ein? Aufschrift „Patientenwarte- Idee stammt aus der Schweiz. mitmacht. Eine Frau im Nach- erzählt Dr. Bohlemann. Doch Es wird sich zeigen, wie gut die mobile Praxis von den Patienten angenommen wird. Falls sich raum“. An der Dorfstraße vor Dr. Jürgen Bohlemann Gemeinschaftsprojekt bardorf wolle deshalb nun ihre nicht jeder käme infrage. der Erfolg nicht einstellen sollte, war der Versuch auf jeden Fall die investierte Geldsumme der Tür macht heute die „Rol- und seine Kollegin Dr. Silke Krankenkasse wechseln. „Im Der neue Arzt sollte me- wert. Vielleicht wird sie aber ja auch zum Exportschlager. lende Arztpraxis“ Station. Ein Wachsmuth-Uhrner steuern Die Praxis finanziert sich durch Notfall lassen wir natürlich dizinisch fit, vor allem aber Pilotprojekt. Denn immer we- den ausgebauten Kastenwa- das Zusammenwirken der niemanden vor der Praxis ste- menschlich geeignet sein und Würden Sie selbst die mobile Praxis besuchen? niger niedergelassene Ärzte in gen abwechselnd dienstags Partner selbst: VW-Nutzfahr- hen“, sagt Dr. Bohleman. für einen längeren Zeitraum Momentan habe ich das Glück, dass mein Hausarzt im Dorf ist, ich bin mobil und familiär gut ländlichen Regionen finden und donnerstags in eines der zeuge hat den Kleintransporter In Roklum kommt an diesem dabei bleibt. Einige Bewer- verzahnt. Die fahrende Praxis ist vor allem ein Angebot für ältere und wenig mobile Patienten, einen Nachfolger. Im Landkreis sechs Dörfer: , Flöthe, sowie den notwendigen Auf- Tag vorerst nur Elfriede Heider, ber schrecke ab, dass sie den die nicht oder nur eingeschränkt von Familienangehörigen zum Arzt gefahren werden kön- Wolfenbüttel ist der Ärzteman- , , Roklum bau gesponsert, der Landkreis die Schwiegermutter der Bür- Kleinbus, der sich laut Boh- nen. Die Wartezimmer der mobilen Praxis – das Dorfgemeinschaftshaus oder das Sportheim – gel noch nicht akut, kündigt und Dahlum. Die beiden Ärzte Wolfenbüttel unterhält das germeisterin, in die Sprech- lemann wie ein Wohnmobil bieten zugleich Gelegenheit für soziale Kontkakte im Dorf. Ansonsten, warum nicht? sich aber an. Mehrere Projekt- arbeiten bei der Kassenärztli- Fahrzeug. Die beteiligten Kran- stunde. Erst vor Kurzem wurde fährt, selbst lenken müssten.