Die Weiße Rose Im Widerstand Tanz“ Nennen Könnte
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B 215 75 F zur debatte 5/2011 Themen der Katholischen Akademie in Bayern 6 11 32 37 Wie Parteien und Bürger wieder zu- US-Generalkonsul Conrad Tribble zur Prof. Dr. Marie-Theres Tinnefeld macht Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring erörtert den sammenfinden, ist das Thema von Willensbildung in den USA sich für die Privatheit stark Wert von Medienpädagogik Prof. Dr. Werner Weidenfeld 8 29 35 38 Prof. Dr. Silvano Moeckli erklärt, wie Gefahren in den sozialen Netzwerken Mehr Engagement von der Politik beim Das Glück des Ehrenamts stellt Prof. direkte Demokratie in der Schweiz benennt Dr. Ulrike Wagner Privatheitsschutz wünscht sich Gerhart Dr. Michael N. Ebertz vor funktioniert Rudolf Baum Gesicherte Deutungen – strittige Fragen Die Weiße Rose Hans Günter Hockerts im Widerstand Die ersten vier Flugblätter der Wei- ßen Rose entstanden in rascher Folge. Sie wurden in nur 16 Tagen, von Ende Juni bis Mitte Juli 1942, hergestellt und als Briefsendung verbreitet. Danach trat eine längere Pause ein, da die Haupt- akteure als Sanitätsfeldwebel an die rus- sische Front abkommandiert wurden. Erst ein halbes Jahr später, im Januar und Februar 1943, ging es mit der Pro- testaktion weiter, und zwar mit so tief greifenden Veränderungen im Aktions- und Argumentationsstil, dass es ratsam ist, die Sommerphase 1942 erst einmal gesondert zu betrachten. Hans Scholl und Alexander Schmo- rell haben diese vier Flugblätter allein verfasst, allein auf Matrize getippt, ver- vielfältigt und per Post versandt. Als Produktionsort diente Schmorells Zim- mer in seinem Elternhaus in München- Foto: akg-images Harlaching. Wer sonst noch Bescheid wusste, lässt sich nicht mehr genau klä- Mitglieder der Weißen Rose: Dieses Foto Münchner Ostbahnhof, kurz bevor die ren. Wahrscheinlich war Christoph von Christoph Probst (re.) sowie Hans beiden jungen Männer an die Ostfront Probst eingeweiht. Anscheinend kamen Prof. Dr. Hans Günter Hockerts, und Sophie Scholl entstand 1942 am mussten. Sophie Scholl und Traute Lafrenz an- Professor für Zeitgeschichte an der In seinem Vortrag stellte der Münch- hof der Münchner Universität ihre hand von Textbezügen auf die richtige Ludwig-Maximilians-Universität ner Historiker Professor Hans Günter Flugblätter verteilten und dabei fest- Spur, sie wurden aber von den beiden München Hockerts den neuesten Forschungs- genommen wurden. Zeitzeugen, Men- Verschwörern abgewiesen, als sie nach- stand zur Geschichte der Widerstands- schen aus dem Umfeld der Weißen fragten – mit Sätzen wie: Es sei besser, gruppe der Weißen Rose dar. Bei der Rose und deren Nachkommen waren nicht so viele Fragen zu stellen. Hans Scholl im Gestapo-Verhör Abendveranstaltung am 9. Mai 2011 zusammen mit rund 200 Teilnehmern Die gefährliche Post ging an etwa hervor, es sei höchste Zeit gewesen, mit dem Titel „Die Weiße Rose im in die Akademie gekommen. Die Zeit- 100 Adressaten, vornehmlich im Raum diesen Teil des Bürgertums an seine Widerstand. Gesicherte Deutungen – zeugen beteiligten sich mit Schilde- München. Die Empfänger gehörten zu- Pflichten zu erinnern. Die Flugblät- strittige Fragen“ beschrieb der renom- rungen der für sie so gefährlichen und meist dem gebildeten Bürgertum an: ter enden immer mit der Aufforde- mierte Historiker die Quellenlage, bedrückenden Erlebnisse in der NS- Schriftsteller, Schuldirektoren, Buch- rung zum Abschreiben und Weiter- ging auf die Biographien der Haupt- Zeit an der Diskussion. „zur debatte“ händler, Professoren, Ärzte usw. Das verbreiten. Den Adressaten war also akteure ein und schilderte detailliert dokumentiert das vom Verfasser über- Sozialprofil der Zielgruppe ergibt sich eine Multiplikatorenrolle zugedacht. die Umstände des 18. Februars 1943, arbeitete Referat. zum einen aus einer Liste von 35 Emp- Damit sollte das Kommunikations- als Hans und Sophie Scholl im Licht- fängern, die solche Sendungen bei der monopol des NS-Regimes durchbro- Gestapo ablieferten; zum anderen hob chen und eine Gegenöffentlichkeit im Untergrund hergestellt werden – Aktionsform sahen sie darin, Sand ins Verstockte vom verbrecherischen Cha- eine Art „Samisdat“. Getriebe zu streuen: Sabotage in kriegs- rakter des Nationalsozialismus über- Über die Selbstbezeichnung „Weiße wichtigen Betrieben, Sabotage auf allen zeugen soll. Kurz: Schmorell stellt anti- Rose“ ist viel gerätselt worden. Die wissenschaftlichen und geistigen Gebie- jüdische Ressentiments in Rechnung Editorial überzeugendste Antwort hat Hans ten, die für die Kriegsfortführung be- und kämpft auf seine Weise dagegen an. Liebe Leserinnen und Leser! Scholl selbst gegeben. Das sei ein spon- deutsam sind, Sabotage in allen Veran- Wir wissen, wie Scholl und Schmorell taner Einfall gewesen, um der Aktion staltungen kultureller Art, „die das an die Grundinformation über die Ver- Diese „debatte“ erreicht Sie wahr- und dem Programm einen klangvollen ,Ansehen‘ der Faschisten im Volke he- brechen an Juden und Polen gelangt scheinlich im zeitlichen Umfeld des Namen zu geben. Dabei habe er sich an ben könnten“ und so fort. Die beiden sind: über den ihnen gut bekannten Ar- Deutschlandbesuches von Papst Be- eine Romanze von Clemens Brentano Autoren benennen viele Möglichkeiten chitekten Manfred Eickemeyer, der für erinnert. Dort tritt Rosa Blanca als des Sichentziehens bis hin zum Appell, die Organisation Todt im Generalgou- nedikt XVI. Ich denke mit Freude Symbol einer hellen Zukunft auf, die bei Straßensammlungen nicht einen vernement tätig war. Aber wir wissen an jenes Gespräch 2004 zwischen aus einer schuldverstrickten Gegenwart Pfennig zu geben, weil sich das Regime nicht, wie sie auf die Zahl 300.000 ka- Kardinal Joseph Ratzinger und dem hinausführt. Es mag sein, dass intuitiv mit solchen Sammlungen Legitimität er- men. Der Text erklärt auch nicht, worin Philosophen Jürgen Habermas über auch noch andere Assoziationen mit- schleichen wolle. Die Beispiele zeigen, das gedankliche Bindeglied besteht, das die vorpolitischen, moralischen wirkten, zum Beispiel Dostojewskis Er- dass die Weiße Rose keineswegs nur zwischen dieser Ermordetenzahl und Grundlagen eines freiheitlichen zählung vom Großinquisitor, wo von zum großen Widerstand der riskanten der Präzedenzlosigkeit in der Mensch- Staates, zu dem wir die beiden Den- weißen Rosen als Symbol von Tod und Art aufrufen wollte, sondern auch zu heitsgeschichte vermittelt. Die Zahl al- ker eingeladen hatten, und das bis Auferstehung die Rede ist. dem, was Arthur Kaufmann den „Wider- lein war ja so präzedenzlos nicht! Der heute immer noch direkt oder indi- stand der kleinen Münze“ genannt hat, Text überlässt es dem Leser, diese Lücke rekt zitiert wird. der das Alltagshandeln betraf und nicht in der Argumentation selbst zu schließen. Und mit einiger Überraschung Die Weiße Rose ging davon sehr riskant war. Nur eines wollte die Die zweite Kernstelle findet sich im stelle ich fest, dass die Themenzu- Weiße Rose nicht gelten lassen: dass fünften Flugblatt, das größtenteils aus aus, dass Widerstand im man gar nichts tun könne. der Feder von Hans Scholl stammt: sammenstellung der neuen „debatte“ Kopf anfängt. „Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder etliche Aspekte jener „moralischen Verhältnis zum Judentum dasselbe Schicksal erleiden, das den Grundlagen“ reflektiert, ohne die ein Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit Gemeinwesen wohl kaum würde „Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdi- Über das Verhältnis der Weißen Rose dem gleichen Maße gemessen werden überleben können. Da steht bewusst ger als sich ohne Widerstand von einer zum Judentum hat es vor einigen Jahren wie Eure Verführer? Sollen wir auf ewig an der Spitze der Bericht über den verantwortungslosen und dunklen Trie- eine erregte Debatte gegeben, ausgelöst das von aller Welt gehasste und ausge- neuesten Forschungsstand zur „Wei- ben ergebenen Herrscherclique regieren durch die These, dass in den Flugblät- stoßene Volk sein? Nein! Darum trennt ßen Rose“, dem Vorbild von Gewis- zu lassen“, so beginnt das erste Flug- tern Antijudaismus erkennbar sei; dazu Euch von dem nationalsozialistischen sensentscheidungen in lebensbedro- blatt. Dann folgt ein Viererschritt, der in kam die Unterstellung, dass die Weiße Untermenschentum!“ Diese Parallelisie- hender und -vernichtender Situation. ähnlicher Form auch in den nächsten Rose am gesetzlich legitimierten Anti - rung von Deutschen und Juden ist so Dann die Frage der Zukunftsfä- Blättern erkennbar wird. Erst die Expo- semitismus wohl keinen Anstoß ge- kommentiert worden: Die den Deut- higkeit unserer Demokratie. Was wir sition einer Wertidee: Das Höchste, das nommen habe. Sehen wir uns die ent- schen drohende Strafe werde als ge- ein Mensch besitzt, sei der „freie Wille“, scheidenden Passagen daher genau an. recht qualifiziert, also besage der Um- augenblicklich als Kirchenkrise leid- die „Individualität“. Dann die Diagnose: Im zweiten Flugblatt formulierte kehrschluss, dass die Juden zu Recht voll durchleben, scheint in den grö- Jetzt aber sei jeder einzelne in ein „geis- Schmorell: „Nicht über die Judenfrage das von aller Welt gehasste und ausge- ßeren Zusammenhang zu gehören, tiges Gefängnis“ gesteckt. Es folgen wollen wir (…) schreiben, keine Vertei- stoßene Volk seien. wie unter dem Epochenparadigma Warnung und Drohung: Wenn das digungsrede verfassen – nein, nur als der Individualisierung Großinstitu- deutsche Volk bereit sei, sich als feige Beispiel wollen wir die Tatsache kurz tionen ihre Mitglieder so einzubin- Masse, als seichte willenlose Herde ins anführen (…), dass seit der Eroberung So geriet Hans Scholl auf den verstehen, dass sowohl die Verderben führen zu lassen, dann