461_01_Editorial 28.03.2008 7:32 Uhr Seite 1

EDITORIAL

❖ Die SPD hat es in diesen Wo- Zurücknahme kommt einer politi- chen nicht leicht. Bei den letzten schen Kapitulation der SPD gegen- Landtagswahlen verfehlte sie in über der „Linken“ gleich. Insofern Niedersachen und ihr ist es nicht verwunderlich, dass die Ziel, die CDU-geführten Landeska- Umfragewerte der SPD weiter sin- binette von Christian Wulff und ken und die ihres Vorsitzenden Kurt abzulösen. In Hessen Beck mittlerweile in den freien Fall war sie zwar „gefühlter Sieger“, geraten sind. gleichwohl hat die CDU mit Roland Die innerparteiliche Debatte der Koch trotz herbester Verluste einen SPD über ihren Umgang mit der hauchdünnen Vorsprung vor der SPD behal- „Linken“ lassen die unter Gerhard Schröder ten. Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea verdeckten alten Konfliktlinien wieder auf- Ypsilanti plante, sich mithilfe der in den brechen. Der linke Flügel der SPD drängt zur neuen eingezogenen „Linken“ zur Kooperation mit der „Linken“, wie sie seit Jah- Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Dazu ren im Berliner Senat unter Klaus Wowereit hatte ihr der SPD-Vorsitzende freie schon praktiziert wird. Der rechte Flügel will Hand gegeben. Dies war eine Weichenstel- den Tabubruch nicht hinnehmen und bringt lung, die die parteipolitische Landschaft neue Namen für die Kanzlerkandidatur gegen Deutschlands vollständig umpflügen würde. Kurt Beck ins Gespräch. Hier geht es nicht nur Verhindert hat dies die SPD-Landtagsabge- um eine inhaltliche Nachbesserung der Hartz- ordnete Dagmar Metzger, die sich dem politi- IV-Gesetzgebung oder eine Neubewertung schen Druck nicht beugte und sich auf ihre des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr – Gewissensfreiheit berief. Themen, mit denen die „Linke“ in die west- Natürlich ist es hoch unerfreulich für die hes- deutschen Landesparlamente gelangte –, hier sische SPD-Führung, so nahe an der Ziellinie geht es um die Zukunft der SPD als Volkspar- zu scheitern. Dass sie bereit war, die Duldung tei. Der Kern dieser strategischen Auseinan- durch die „Linke“ hinzunehmen, obwohl dersetzung hat eine Explosionskraft, die zur sie im Wahlkampf jegliche Zusammenarbeit, Abspaltung oder gar Spaltung der SPD führen auch eine indirekte, ausgeschlossen hatte, das kann. ist weit mehr als der Bruch eines Wahlver- Dies alles kann die Union weder als Partner sprechens. Es ist eine Täuschung der Wähler. der Großen Koalition noch als Volkspartei Hier wird die Zusammenarbeit mit einer Par- gleichgültig lassen. Seit längerer Zeit sinken tei ins Visier genommen, die ihre Herkunft aus die kumulierten Anteile der Volksparteien an einer Diktaturpartei zu verschleiern sucht und den Wahlergebnissen und steigt die Wahlent- immer wieder das System infrage stellt. Bisher haltung. Der Einzug der „Linken“ in die Par- hat die SPD den Zusammenschluss von SPD lamente von Bund, Ländern und Gemeinden und KPD in der Sowjetischen Besatzungszone bedeutet für die Volksparteien eine weitere immer als „Zwangsvereinigung“ unter der Reduktion ihrer Potenziale, für die Konfigura- Regie der sowjetischen Besatzungsmacht dar- tionsmöglichkeiten von Regierungsbündnis- gestellt. Wenn sie heute der SED-Nachfolge- sen eine zusätzliche Hürde und für die Glaub- partei die Hand zur Zusammenarbeit reichen würdigkeit der Politik eine neue Belastung. würde, dann wäre dies ein Verrat an ihrer Hier ist die Kunst der politischen Führung eigenen Geschichte. Deshalb war ihre Versi- durch Geradlinigkeit und Kommunikation cherung der Nichtzusammenarbeit mit der gefragt. ❖ „Linken“ eine strategische Selbstverpflich- tung, die die scharfe Trennlinie zwischen der SPD und der Linkspartei markieren sollte. Ihre

Nr. 461 · April 2008 Seite 1