Gesellschaft der Freunde der Wiener 66. Ausgabe Juni 2015

50 JAHRE INSTITUT OBERSCHÜTZEN

mit Beiträgen von Univ. Prof. Klaus Aringer und Univ. Prof. Herbert Weissberg

Neue Fagottistinnen bei den Symphonikern und in der Staatsoper Prima la musica-Wettbewerb 2015 „Wettbewerbe sind was für Pferde...“ (Anselma Veit) Bericht über die Generalversammlung 2015 Alfred Hertel und Ernst Krall zum 80. Geburtstag

WIENER OBOEN-JOURNAL Editorial

In dieser Ausgabe feiern wir 50 Jahre Exposi- Dass es sich bei den heurigen Preisträgern mit einer tur/Institut Oberschützen: Da ich auch einen Teil Ausnahme um Preisträgerinnen (fünf Studentinnen meines Studiums in Oberschützen absolvierte, und einen Studenten) handelt, spiegelt die allge- gratuliere ich als gleichfalls 50-Jähriger dem meine Situation in der Ausbildung – nicht nur in den Institut herzlich. Diese im Burgenland gelegene Oboenklassen – recht gut wider. Gerade eben haben „Zweigstelle“ der Universität Graz ist für die zwei Fagottistinnen (die Französin Sophie Dartiga- eigentlich ein Zentrum von großer longue und die Japanerin Ryo Yoshimura) wichtige Bedeutung, ist sie doch die einzige universitäre Stellen in der Staatsoper und bei den Wiener Sym- Lehranstalt außerhalb der Bundeshauptstadt, in phonikern erspielt und damit erstmalig weibliche der seit ihrem Bestehen Wiener Oboisten als Pro- „Einbrüche“ in bislang ausschließliche Männerbastio- fessoren wirkten und in ländlicher, für Schalmei- nen geschafft, was ja im Sinne angestrebter Gleich- enklänge idealer Umgebung den Wiener Klangstil berechtigung der Geschlechter auch einen Grund zu vermittelten. Wir haben deshalb diesem Jubiläum feiern darstellt. einen Heftschwerpunkt über die dort gepflegte Für aufmerksame Leser mag es scheinen, als hätten Wiener Musiziertradition und die Geschichte der wir inmitten der universalen Feier-, Jubiläen- und Oboen- und Fagottausbildung gewidmet. Wir Feststimmung vergessen, dass Beethoven nach dem danken dem Institutsleiter, Univ. Prof. Klaus fünften Teil unserer Artikelserie immer noch vor Aringer und Univ. Prof. Herbert Weissberg sehr der Uraufführung seiner Neunten steht. Haben wir herzlich für die Bereitschaft, uns zwei Artikel zu aber nicht, vielmehr hat „unser“ musikwissenschaft- diesen Themen zur Verfügung zu stellen bzw. die licher Beethoven-Experte Theodore Albrecht aus Genehmigung zum Nachdruck gegeben zu haben. gesundheitlichen Gründen um Aufschub bis zum Und wenn wir schon beim generellen Bedanken Herbst ersucht – wir werden die Schlussapotheose sind, so möchten wir Barbara Ritter einschließen, mit Sicherheit in den beiden letzten Journalen dieses die derzeit die Oberschützener Oboenklasse leitet Jahres nachholen. In der Zwischenzeit wünschen wir und uns die Anregung gab, das 50-Jahr-Jubiläum ihm alles Gute für seine Gesundheit! gebührend mitzufeiern. Pepi Bednarik Jubiläen anderer Art sind die 80. Geburtstage zweier verdienter Oboisten des Niederösterreichi- schen Tonkünstlerorchesters: Alfred Hertel und Ernst Krall gilt es zu feiern. Und feiern können Unsere Bankverbindung wir auch unseren begabten Oboen-Nachwuchs, Volksbank Wiener Neudorf der beim heurigen Prima la musica-Wettbewerb etliche Preise errungen hat. Wir möchten dabei nicht verschweigen, dass wir uns diesbezüglich auch ein wenig selbst feiern: haben wir doch durch unsere nun schon fast zwei Jahrzehnte währende Arbeit an der Bereitstellung eines nachwuchsrele- vanten, den Musikschulen zur Verfügung gestell- A- 2351 Wiener Neudorf, Europaplatz 1 ten Instrumentenparks erst die Basis für die daraus Tel.: 02236/62428-14 resultierenden regen Aktivitäten im Bereich des [email protected] Oboenunterrichts geschaffen (siehe auch die Sta- Internet: www.vbwienbaden.at tistik über die Anzahl der Leihinstrumente auf Seite 16). Apropos Wettbewerbe: Anselma Veit IBAN: AT70 43000 5363 635 0000 geht der Frage nach, ob Wettbewerbe abseits von BIC: VBWIATW1 Pferderennen im Prater überhaupt einen Sinn haben, und kommt zu einem positiven Ergebnis.

2 Journal - Wiener Oboe Neue Solofagottistin in der Wiener Staatsoper

Sophie Dartigalongue wird im September 2015 als Nachfolgerin von Michael Werba, der die Stelle des dann pensionierten Reinhard Öhlberger übernimmt, Solofagottistin in der Wiener Staatsoper. Geboren im Jahr 1991, begann Sophie Dartigalongue ihre musi- kalische Ausbildung mit Gitarre und Klarinette. Sie kam 2003 zum Fagott und studierte im Conserva- toire National Supérieur de Lyon in der Fagottklasse von C. Colombo und J. Pignoly. 2011 war sie in der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker, wo sie Daniele Damiano als Dozent betreute. 2012 gewann sie die Solo-Kontrafagottstelle und wurde Mitglied der Berliner Philharmoniker. Während ihres Studiums nahm sie an vielen Wettbewerben teil und gewann mehr als ein Dutzend internationale Preise, darunter im September 2013 den 2. Preis beim ARD-Wettbewerb in München. 2015 erhielt sie den Beethoven-Ring in Bonn. Als Solistin spielte sie mit dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Jolivet-Konzert), mit dem Münch- Sie war Teilnehmerin bei mehreren Festspielen ner Kammerorchester (Vivaldi-Konzert), mit der Südwest- wie: Beethovenfest Bonn, Peking Festi- deutschen Philharmonie (Mozart-Konzert), dem Wiener val, International Double Society Confe- Kammerorchester (Strauss Concertino) und dem SWR-Or- rences, Luzern Festival, BBC Proms, La Côte chester Stuttgart (Hummel-Konzert). Saint André Festival, Salzbourg Festival...

Neue Fagottistin bei den Wiener Symphonikern

Ryo Yoshimura (geboren in der Region Hokkaido/Japan) ist ab Oktober als Nachfolgerin Peter Spitzls 2. Fagottistin bei den Wiener Symphonikern. Sie begann mit 12 Jahren Fagott zu spielen, machte 2011 den Bachelor-Abschluss bei Prof. Koji Okazaki an der Universität der Künste in Tokyo und war im Studienjahr 2013/14 ERASMUS-Studentin bei Prof. Eberhard Marschall an der Hochschule für Musik und Thea- ter in München. Sie studierte Kontrafagott bei Ulrich Kirch- eis und machte im Juli 2014 den Diplomabschluss (Master Music Performance) bei Prof. Lyndon Watts an der Hoch- schule der Künste in Bern. Seit Oktober 2014 war sie Studen- tin im Master Historische Ausführungspraxis (Barockfagott) bei Lyndon Watts an der Hochschule für Musik und Theater in München, 2013-2015 Stipendiatin der Orchesterakade- mie der Münchner Philharmoniker. Sie spielte als ständige Substitutin in der NDR Radiophilharmonie, im Tampere Philharmonic (Finnland), im New Japan ​Philhar- monic Orchestra und im Sapporo Symphony Orchestra.

Journal - Wiener Oboe 3 Anmerkungen zur Geschichte der Oboe- und Fagottausbildung in Oberschützen anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Expositur und Institut Oberschützen der Kunstuniversität Graz 1965-2015“

Von Klaus Aringer

ie ersten Ideen zu einer Expositur der Grazer Holzbläserklassen in Oberschützen bildete, so kamen Akademie für Musik und darstellende Kunst in den Jahren 1966 und 1967 bereits Lehrkräfte für Dim burgenländischen Oberschützen gehen Doppelrohrblassinstrumente hinzu. Zu den Grün- auf die frühen 1960er Jahre zurück. Am 27. Septem- dungszielen der Expositur zählte nach einer Notiz ber 1963 regte Adolf Schäffer bei Akademiepräsident Adolf Schäffers vom 30. November 1966 eine Holzblä- Erich Marckhl die Errichtung eines Seminars für musi- serausbildung mit der „ausschließlichen Ausrichtung, kalische Volksbildung an, 1964 wurden Pläne für ein den Wiener Bläserklang zu pflegen.“ Seminar für evangelische Kirchenmusik geschmiedet. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen gelangten Die Oboen-Professoren Schäffer und Marckhl am 9. November 1964 zum Ziel. Im Wiener Unterrichtsministerium wurde grünes Gottfried Boisits, ein Schüler Adolf Schäffers, über- Licht für die Gründung der Expositur gegeben, deren nahm mit dem Wintersemester 1967/68 einen Lehr- Aufbau in der ersten Jahreshälfte 1965 sich in Win- auftrag für Blockflöte und Oboe. Boisits hatte vor deseile vollzog. Expositurleiter Adolf Schäffer und die seinem Studium an der Wiener Akademie für Musik Gründungslehrenden, zu den u.a. Harald Dreo, Heinz (Klasse Hans Hadamowsky) ersten Oboenunterricht Irmler, Wolfgang Messer, Gerhard Schönfeldinger und beim damaligen Solo-Oboisten der Wiener Volksoper Rudolf Tomschitz gehörten, trafen am 12. Februar zu Bernhard Klebel erhalten. Dieser war bereits 1966 einer ersten Versammlung zusammen, der in rascher zum jungen Oberschützer Dozententeam gestoßen, Folge weitere Treffen folgten, die der organisatorischen lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 2004 und wirkte und inhaltlichen Planung dienten. Am 7. Mai lud die von 1991 bis 2004 als Vorstand des Instituts. Gottfried Expositur Vertreter aus Politik, Schulen, Kirchen und Boisits unterrichtete neben seiner Tätigkeit als 1. Oboist Gesellschaft zu einer Informationsveranstaltung ein, im Orchester der Wiener Staatsoper (seit 1970) bzw. der bei der Präsident Marckhl die „Aufgaben der neuer- Wiener Philharmoniker (seit 1976) in Oberschützen bis richteten Expositur Oberschützen“ der Öffentlichkeit zum Ende des Sommersemesters 1983. erläuterte. Er umriss das Wesen der Musikakademien Die Nachfolge als Lehrbeauftragter für Oboe und Blä- als Hochschulen und widmete der neuen Hochschu- serkammermusik trat im selben Jahr sein Orchester- leinrichtung auf dem Lande programmatische Worte, kollege Gerhard Turetschek an. Dieser hatte nach die zu den Gründungsurkunden der Expositur zählen. seiner Zeit als Wiener Sängerknabe ebenfalls bei Hada- Mitten in die Vorbereitungen zur Aufnahme des Stu- mowsky studiert und gehörte seit 1963 dem Staatsopern- dienbetriebs im Sommersemester 1965 machte die orchester, ab 1967 als dessen 1. Oboist (seit 1970 auch Expositur vom 27. bis 30. Mai 1965 durch das Bachfest bei den Wiener Philharmonikern) an. Bevor er nach weithin auf sich aufmerksam. 11 Konzerte, die unter Oberschützen kam, unterrichtete er 1982/83 am Wiener der künstlerischen Leitung von Josef Mertin, Eduard Konservatorium. Seine Stelle wurde zum 1. Dezember Melkus, Vera Schwarz und Adolf Schäffer standen, 1986 in eine o.Hochschulprofessur (später Universitäts- lockten über 2000 Besucherinnen und Besucher in das professur) umgewandelt, die er bis zu seiner Emeritie- Südburgenland. Die Expositur eröffnete am 1. Sep- rung am 30. September 2011 innehatte. tember 1965 offiziell ihre Pforten, die Aufnahme des Seit 1. Oktober 2011 ist Barbara Ritter Professorin Studienbetriebs erfolgte am 1. Oktober. 2015 feiert das für Oboe und Bläserkammermusik. Sie absolvierte Institut mit einem Festakt und einer Langen Nacht der ihre Ausbildung in Salzburg (Konzertfachstudium Klänge am 12. Juni sein fünfzigjähriges Bestehen. Blockflöte an der Universität Mozarteum) und an der Auch wenn die Klarinette die Keimzelle der späteren Wiener Musikuniversität in der Oboenklasse der Pro-

4 Journal - Wiener Oboe fessoren Klaus Lienbacher und Manfred Kautzky. Nach bei Prof. Karl Öhlberger studiert hatte. Tätigkeiten im Wiener Kammerorchester, dem Orche- Mit dem Wintersemester 2010/11 wurde am Institut ster der Wiener Volksoper und den Wiener Symphoni- eine neue Universitätsprofessur für Fagott eingerich- kern erhielt sie 1996 die Stelle einer Solooboistin im tet, auf die als erster Inhaber David Seidel berufen Tonkünstler-Orchester Niederösterreich. Vor ihrer Pro- wurde. Seidel absolvierte sein Fagottstudium bei Prof. fessur in Oberschützen war sie seit 2009 als Lehrbe- Richard Galler am Salzburger Mozarteum und wirkt auftragte an der Universität für Musik und darstellende nach Orchestertätigkeiten in Graz, Salzburg und Linz Kunst in Wien tätig. Ebenso wie ihr Vorgänger Gerhard seit 1998 als 1. Fagottist (seit 2004 Solo-Fagottist) des Turetschek bildet sie sowohl Studierende der Wiener ORF-Radio-Symphonieorchesters Wien. Vor seiner Oboe wie auch solche mit französischer Oboe aus. Tätigkeit in Oberschützen hatte er als internationa- ler Gastdozent bei Meisterkursen und im Studienjahr Die Fagott-Professoren 2009/10 an der Konservatorium Wien Privatuniversität unterrichtet. Robert Unger unterrichtete in Oberschützen seit 1. Oktober 1966 neben der Blockflöte auch das Instru- Literaturhinweis: ment Fagott. Unger blieb dem Oberschützer Lehr- Klaus Aringer (Hrsg.), 50 Jahre Expositur und Institut körper nach der Übernahme einer Professur in Graz Oberschützen der Kunstuniversität Graz. Dokumente – (1973) noch bis zum Sommersemester 1978 erhalten. Erinnerungen – Bilder, Oberschützen 2015. 256 S. mit Die Fagottausbildung übernahm in seiner Nachfolge 1 CD (ISBN 978-3-200-04093-9). von 1980 bis 2010 Kurt Pfleger, der seinen ersten Zu beziehen über das Institut Oberschützen der Kunst- Unterricht auf diesem Instrument bei Robert Unger universität Graz, Hauptplatz 8, 7432 Oberschützen, Tel. bekommen und dann an der Wiener Musikhochschule 0316-389-3120.

Historisches Foto: Studenten in Oberschützen (Inskription 1983) Gerda Just (+), Jörg Schneider, Nikolaus Reinbold, Helga Prechler, Norbert Schermann, Johannes Kernmayer, Josef Bednarik

Journal - Wiener Oboe 5 Wiener Musiziertradition am Institut Oberschützen

Von Herbert Weissberg

n einem Gespräch im Jahre 2006 zwischen dem wienerischen Tradition wurde.2 damaligen Rektor Georg Schulz und mir über den Bevor ich weiter über „Wien, Wiener und wienerisch“ Izukünftigen Weg des Instituts Oberschützen – ich schreibe, sollten einige Punkte klargestellt sein: Die war zu diesem Zeitpunkt Institutsvorstand – äußerte oben genannten Begriffe bezeichnen keinen Geburtsort Schulz die Auffassung, Oberschützen könne ein Mitt- und keine Sprach- oder Dialektzugehörigkeit, sondern ler zwischen dem Wiener und dem Grazer Musikleben beschreiben ein kulturelles Umfeld, das durch in einer sein. Viele der in Graz beheimateten Institute hatten gemeinsamen Tradition stehende Lehrer und durch schon in den Jahren zuvor immer mehr den Weg zur gemeinsames Musizieren entstanden war, dessen Spe- Internationalität eingeschlagen, mir hingegen schien zifika weitergegeben wurden und immer noch werden. es sinnvoll, dass die Wiener Musiziertradition, die Auch eine ähnliche Mentalität oder ein ähnlicher Sinn von den Anfängen der Expositur an in Oberschützen für Humor – beides ist nicht notwendigerweise an Wien gepflegt wurde, ihren Platz im Institut 12 des frühen gebunden – mögen mitgeholfen haben, Musik auf ähnli- 21. Jahrhunderts bewahren sollte. Geographisch liegt che Weise aufzufassen und zu interpretieren. In diesem Oberschützen etwa in der Mitte zwischen Wien und Sinne stammen viele der besten „Wiener“ Musiker aus Graz, ein wenig näher bei Graz. Die geographische den Bundesländern und studierten an Wiener Hohen Lage spiegelt diese musikalische Mittlerrolle wider. Schulen bei Lehrern, die ihrerseits hier ihre Lehrjahre Viele der Lehrer1 der ersten Jahre nach der Gründung verbracht und ihren musikalischen Lebensmittelpunkt der Expositur Oberschützen im Jahre 1965 hatten gefunden hatten. (Einige gebürtige Wiener andererseits ihren Lebens- und Tätigkeitsmittelpunkt in Wien und sind nie „Wiener“ Musiker geworden.) Wichtig ist mir trugen zusammen mit burgenländischen und steiri- auch die Klarstellung, dass der Begriff des „Wiene- schen Lehrern, die zum Teil auch an der damaligen rischen“ keinerlei Wertung beinhaltet, sondern einzig Wiener Musikakademie studiert hatten, zum rasch und allein Anlass sein soll, sich mit dem Beschreibba- wachsenden guten Ruf der Expositur bei. Ich erin- ren einer Tradition zu beschäftigen. nere mich an viele Gespräche, deren Zeuge ich als Ist die Wiener Musiziertradition also ein wissenschaft- junger Flötist der Wiener Symphoniker in den späten lich nachweisbares Faktum, oder vielleicht doch nur Sechziger- und frühen Siebzigerjahren war, in denen ein Mythos, den selbstverliebte Wiener Musiker in die „Oberschützen“ als Synonym für hochklassige Aus- Welt gesetzt haben? Gibt es Merkmale, die man dieser bildung stand. Viele der hier tätigen Lehrer waren in Tradition zuschreiben kann? Sind solche Merkmale einer Tradition aufgewachsen, in der ein spezifischer belegbar, nachweisbar? Klang und eine gemeinsame Musiziertradition ein Zwei verschiedene Bereiche sind für die Entstehung festes musikalisches Band knüpften. Ich bin sicher, dieser Musizierkultur wesentlich: zum einen der oft dass nur wenigen klar war, worin dieses musikali- zitierte Wiener Klang, zum anderen die mit diesem sche Band bestand und nehme mich dabei nicht aus. Klang verbundene Musizierpraxis. Langjähriges Musizieren in den Wiener Orchestern Der Wiener Klang ist intensiv erforscht worden und und den vielen Kammermusikensembles hatten eine ein objektivierbares Faktum, dessen Details – auch stilistische Übereinstimmung geschaffen, die durch in physikalischer Hinsicht – in den Forschungen des gemeinsames Phrasieren, gemeinsames rhythmisches „Instituts für Wiener Klangstil“ an der Wiener Musi- Verständnis und gemeinsame Verantwortung für das kuniversität beschrieben werden. Er hängt auf Seite Zusammenspiel ihren Ausdruck fand und zu einer 2 Eine Holzbläserschule mit der „ausschließlichen Ausrich- tung, den Wiener Bläserklang zu pflegen“, nennt bereits eine 1 Ich bitte um Verständnis, dass ich die Bezeichnungen von Adolf Schäffer verfasste Beilage zur öffentlichen Leh- „Lehrer, Musiker“ etc. im Sinne einer leichteren Lesbarkeit rerversammlung am 30. November 1966; Kunstuniversität als Sammelbegriffe verwende. Selbstverständlich mei- Graz, Archiv Institut Oberschützen, ohne Signatur (Mappe ne ich damit immer auch Lehrerinnen und Musikerinnen. „Lehrpläne“).

6 Journal - Wiener Oboe der Streichinstrumente sehr mit einer Klangvorstel- Dekade meiner Orchestertätigkeit gespielte Holzflöte lung zusammen, deren Ideal ein eher dunkel gefärbter, eines deutschen Instrumentenbauers (Jochen Mehnert, weich-satter Klang ist. Es würde hier zu weit führen, Ottenbach 1993) kommt durch ihren tragenden und die technischen Voraussetzungen zur Erzeugung dieses mischfähigen Ton diesem oben beschriebenen Ideal spezifischen Klanges zu besprechen, aber natürlich sehr entgegen. Aber nochmals: Die Globalisierung hat setzt ein bestimmter Klang eine entsprechende Bogen- hier in den letzten Jahrzehnten vieles verändert. führung voraus und natürlich wählt der erfahrene Musi- Anders stellt sich die aktuelle Situation bei den Obo- ker für sich ein Instrument, das diesem Klangideal isten dar. Während weltweit die französische Oboe soweit wie möglich nahekommt. Auch das Verwendung findet – und diese weite Welt beginnt bei hat seinen Anteil an diesem Klang: Wiener Streicher den Oboen schon in Salzburg und Graz – bevorzugen vibrieren etwas langsamer und weniger ausladend, Oboisten, die in Wien oder in Oberschützen studiert wodurch sich die Mischfähigkeit des Tones (etwa im haben, die traditionelle Wiener Oboe. Der Klang dieses Orchester) erhöht. Primär ist aber der Bogenstrich für Instruments ist modulierfähiger und in der hohen Lage die Tonqualität verantwortlich. Ich kann eine eigene obertonreicher als die eher nasal klingende französi- Erfahrung hinzufügen: Viele Dirigenten mit minima- sche Oboe. In der Regel phrasieren Wiener Oboisten lem Wien-Bezug forderten zu meiner aktiven Zeit vor deutlicher, sprechender und spielen Staccato-Noten allem die hohen Streicher immer wieder zu intensive- kürzer. Die Vorteile der französischen Oboe kommen rem Vibrato auf, Österreicher (und die Streicher unter bei der nachklassischen Musik zum Tragen und liegen den Dirigenten) bevorzugten und bevorzugen noch im Wesentlichen im grifftechnischen Bereich.4 Den- immer die Ausdrucksfindung mit dem Bogen.3 noch haben prominente Vertreter der französischen Während klangliche Spezifika bei Streichern also Schule, wie etwa der deutsche Oboist Lothar Koch mit zum Großteil auf einer bestimmten Klangvorstellung seinem dunkel timbrierten Ton, auch die Entwicklung beruhen, verwenden Wiener Bläser zumindest in eini- der Wiener Schule beeinflusst. Das Vibrato, vor eini- gen Instrumentengruppen traditionell „wienerische“ gen Dekaden unter Wiener Oboisten noch verpönt, ist Instrumente. nicht nur für französische Musik immer mehr in Ver- Am wenigsten trifft diese Aussage auf die Flöten zu. wendung gekommen. Die Globalisierung hat also auch Viele der hervorragenden österreichischen Flötisten auf einem der ursprünglichsten Gebiete der Wiener haben einen Teil ihres Studiums in Nachbarländern Tradition deutliche Spuren hinterlassen. Dementspre- absolviert oder bei Lehrern, die in einem dieser Länder chend wird am Institut Oberschützen heute bevorzugt ihre Ausbildung genossen haben. Hier ist also eine Glo- Wiener Oboe unterrichtet; aber auch Studierende, die balisierung, auf die immer wieder zu verweisen sein den anderen, internationalen Weg gehen möchten, wird, am weitesten fortgeschritten. Ich selbst darf mich erhalten hier fachkundige Unterweisung.5 zu den „unmodernen“ Flötisten zählen, die nur in Wien, Bei den Klarinetten sind die Grenzen nicht so eng gezo- in meinem Fall an der Wiener Musikakademie, studiert gen. Das in Österreich und Deutschland gebräuchliche haben und deren Ideal ein runder, tragender Ton ist, – deutsche – Griffsystem wird auch in einigen osteuro- der weniger mit Kraft als mit Konzentration auf die päischen Ländern verwendet, das Boehm-System mehr Atmung erzeugt wird. Die in Wien gespielten Flöten oder weniger in der übrigen Musikwelt. Im Vergleich unterscheiden sich nur wenig von den in den anderen zur Boehm-Klarinette verlangt die deutsche Klarinette Musikzentren verwendeten. Instrumente mit rundem, durch die Bauart des Mundstücks und durch stärkere eher breitem, obertonreichem Ton, deren Klang sich Blätter mehr physischen Aufwand und produziert einen auch mit den anderen in Wien (und in den Wiener dunkleren, flexibleren, wenn auch weniger stabilen Orchestern) bevorzugten Holzblasinstrumenten gut Ton als die Klarinette mit Boehm-System, deren Klang mischt, mögen bei traditionsbewussteren Flötisten den Vorzug bekommen gegenüber Instrumenten, deren 4 Die Bemühungen Gerhard Turetscheks, des emeritierten Klang heller, schlanker, solistischer ist und die den Vor- Professors für Oboe am Institut Oberschützen, zusammen teil haben, direkter in der Ansprache zu sein. Aber auch mit dem japanischen Yamaha-Konzern die Entwicklung ei- ner Oboe voranzutreiben, die die klanglichen Vorteile der hier wird die Tonvorstellung den erwünschten Klang Wiener Oboe mit grifftechnischen Vereinfachungen verbin- wesentlich beeinflussen. Die von mir in der letzten den sollte, scheiterten. 3 Informationen mehrheitlich von Sylvia-Elisabeth Viertel, 5 Informationen von Barbara Ritter, Professorin für Oboe Professorin für Violine am Institut Oberschützen. am Institut Oberschützen.

Journal - Wiener Oboe 7 im Allgemeinen als heller und markanter empfunden unterrichtet, aber selbstverständlich auch das aus der wird. Entsprechend der Verbreitung der deutschen Kla- nachklassischen bzw. nachromantischen Literatur rinette genießen österreichische Klarinettisten auch in nicht mehr wegzudenkende Doppelhorn.8 deutschen Orchestern wie zum Beispiel den Berliner Bei den Trompeten ist weniger eine an Wien gebun- Philharmonikern Ansehen. Gleichermaßen erfreulich dene als eine literaturspezifische Wahl der Instru- wie bemerkenswert ist, dass ein Student des Instituts mente festzustellen. Instrumente mit Drehventilen Oberschützen vor kurzem Probespiele beim Londoner deutscher Bauart werden vorzugsweise für klassi- Philharmonia Orchestra und beim BBC Philharmonic sche und romantische Literatur (bis Richard Strauss Orchestra Manchester gewann – in beiden Orchestern und Gustav Mahler) verwendet, Instrumente anderer finden vorzugsweise Boehm-Klarinetten Verwendung. Bauart im Allgemeinen für Musik des 20. Jahrhun- Globalisierung einmal in die andere Richtung.6 derts. Die schon bei anderen Instrumenten beschrie- Keine prinzipiellen Unterschiede in der Bauweise der bene leichte Artikulation ist auch bei den Trompeten Instrumente gibt es bei den Fagotten. Fagottisten in für den wienerischen Musizierstil bezeichnend.9 aller Welt spielen Instrumente der gleichen Bauart und Die in Wien gespielten Posaunen und die verwendeten verwenden im Prinzip gleiche Rohre. Unterschiede im Mundstücke unterscheiden sich nicht von den in den Klang entstehen also vor allem durch eine persönli- übrigen Musikzentren gespielten Instrumenten. Die che Klangvorstellung, das „wienerische“ Element aus Artikulation bestimmt das Wienerische: Sie ist (wie einer durchsichtigen Artikulation und einer quasi leich- auch bei allen anderen Blasinstrumenten) leichter und ten Phrasierung, in der die Noten nicht automatisch kürzer, der Ansatz des Tones direkter.10 die notierte Länge erhalten und der Rhythmus nicht Weniger als „wienerisch“ bekannt, aber nichtsdestowe- selbstverständlich mathematischen Werten entspricht. niger mit dem typischen Klang eng verbunden, sind Das Vibrato wird bewusst zur musikalischen Charak- die Paukeninstrumente Wiener Bauart. Während in terisierung eingesetzt. vielen Klangkörpern die Bespannung der Pauken mit Ich selbst erinnere mich aber an „strenggläubige“ Kunststofffellen üblich geworden ist, werden in den Wiener Fagottisten aus den Sechzigerjahren des vori- Orchestern mit klassischer Tradition dafür Naturfelle gen Jahrhunderts, für die Vibrato ganz allgemein nicht verwendet. In Wiener Orchestern sind dies vorzugs- mit dem Wiener Stil kompatibel war.7 weise Ziegenfelle: Ihr Klang ist prägnanter als der Das in Wien gespielte „Wiener Horn“ hingegen ist Klang von Kunststofffellen. Selbstverständlich gelten im Gegensatz dazu ein fester Bestandteil des Wiener gerade die in der Wiener Tradition üblichen minimalen Klangs. Es ist in F gestimmt und produziert (immer rhythmischen Angleichungen und Abweichungen im wieder zusammen mit der entsprechenden Klangvor- Besonderen auch für die Pauken, die in den meisten stellung) durch eine engere Mensur einen obertonrei- Orchestern eine rhythmische und tempomäßige Füh- cheren, glänzenderen Klang als das Doppelhorn, das rungsposition innehaben.11 die Obertonreihen zweier Hörner – eines in F, das Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die im andere in B – kombiniert. Die spezielle Konstruktion Wiener Umfeld bevorzugten Instrumente gegenüber der Pumpenventile begünstigt das als Ideal gesehene den in anderen Kulturkreisen gespielten Instrumen- ausdrucksvolle Legatospiel, der Anstoß der Töne ten einen wärmeren, modulierfähigeren, persönliche- geschieht weich. Das Treffen von Tönen in hohen ren Klang entwickeln. Diesen klanglichen Vorteilen Lagen ist am Wiener Horn schwieriger, die legendä- – zumindest im Wiener Umkreis werden sie als solche ren „Kickser“ früherer Jahrzehnte gehören aber durch empfunden – stehen zumeist die Grifftechnik, die die hohe Qualität der Ausbildung immer weniger zum Intonation und die technische Sicherheit betreffende typischen Klangbild des Wiener Horns. Am Insti- Nachteile gegenüber. Wiens Orchester und Kamme- tut Oberschützen wird in diesem Sinne Wiener Horn 8 Informationen von Gergely Sugar, Professor für Horn am 6 Informationen von Wolfgang Klinser, Professor für Klari- Institut Oberschützen. nette am Institut Oberschützen. 9 Informationen von Hans-Peter Schuh, Professor für Trom- 7 Informationen von David Seidel, Professor für Fagott pete am Institut Oberschützen. am Institut Oberschützen. Da er vor seiner Berufung als 10 Informationen von Hans Ströcker, Professor für Posaune Fagottist in Hamburg wirkte, waren für ihn vor allem die am Institut Oberschützen. rhythmischen und phrasierungsmäßigen Unterschiede auf- 11 Informationen von Martin Kerschbaum, Professor für fallend. Schlaginstrumente am Institut Oberschützen.

8 Journal - Wiener Oboe rensembles haben aber bewiesen, dass Klangschönheit setzung für diese Phrasierungsart ist ein Denken in und Sicherheit weitestgehend vereinbar sind. großen Einheiten, das Prinzip ein Geben und Nehmen Ob die hier erwähnten klanglichen Merkmale einen innerhalb des metrischen Rahmens. Musikalisch füh- direkten Einfluss auf die im Wiener Kreis praktizierte rende Noten – sehr oft Vorhalte – werden länger als Musizierweise haben, ist zu bezweifeln. Die wieneri- im Metrum vorgesehen gehalten, andere, wie zum Bei- sche Musiziertradition ist meiner Meinung nach eher spiel Durchgangsnoten, zusammengefasst und dadurch eine Folge der den Wienern zugeschriebenen, zur etwas rascher und beiläufiger gespielt. Die erste einer Leichtigkeit neigenden Mentalität. Sie ist im Wesent- Reihe von gleich langen, gebundenen Noten wird lichen mit Worten konkretisierbar – die meisten Ober- meist etwas länger gehalten (wie schon von Leopold schützer Kollegen, auch die aus anderen Kulturzentren Mozart gefordert) und, wenn es der Charakter einer stammenden, haben ihr ähnliche Merkmale zugeord- Stelle erfordert, als musikalische Rhythmisierung net –, sie aber wissenschaftlich exakt nachzuweisen, leicht akzentuiert, die jeweils nachfolgenden Noten ist ungleich schwieriger.12 werden etwas schneller gespielt. Nach durch Punkte Merkmale von Wiener Musizierkultur finden sich oder Überbindungen verlängerten Noten wird quasi zu im Wesentlichen in vier musikbezogenen Sektoren, spät weitergespielt, die danach folgenden Noten zum nämlich: Phrasierung, Rhythmus, Artikulation und musikalischen Schwerpunkt hin phrasiert. Wichtig bei Intonation. all dem ist, dass die Summe der Temporückungen die Gesamtdauer einer Phrase nicht wesentlich verändert, 1. Phrasierung also weder verlängert noch verkürzt. Gut in dieses Bild einer großräumigen Phrasierung Wiener Musikern wird nachgesagt, dass sie barocke, passt eine Erfahrung, die nicht nur der Orchestermusi- klassische oder romantische Musik freier musizieren ker, sondern auch ein aufmerksamer Konzertbesucher als ihre Kollegen aus anderen Musikzentren. Voraus- machen kann: Viele österreichische oder dieser Musi- zierart nahestehende Dirigenten schlagen wenn mög- 12 An der Linzer Kepleruniversität wurde ein Computer- programm entwickelt, das Interpretationen sichtbar machen lich in größeren Einheiten und lassen auf diese Weise kann. Auf der Horizontalachse eines Diagramms werden die dem Musiker mehr Raum für eigenverantwortliches gemessenen Werte für Tempo, auf der Vertikalachse die für Musizieren. Prominente Beispiele dafür sind Herbert Lautstärke eingetragen, die Interpretation erscheint in Form von Karajan oder Carlos Kleiber, ein Beispiel für klein- eines „Wurmes“ und kann mit der Interpretation desselben räumiges, auch Nuancen vorgebendes Dirigieren der Werkes durch einen anderen Künstler verglichen werden. Diese Methode wurde bei Klaviermusik erfolgreich ange- in Frankreich geborene und in den USA ausgebildete wendet, bei Musik, die von mehreren Personen gleichzeitig amerikanische Dirigent Lorin Maazel oder der Italie- ausgeführt wird, gibt es Probleme technischer Natur. ner Riccardo Muti. Als langjähriger Hörer der philhar-

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Journal - Wiener Oboe 9 monischen Neujahrskonzerte und Mitwirkender bei man wählt Atemstellen nach technischen Gründen aus. vielen symphonischen Osterkonzerten beobachte ich Die erste Version wird von „Wiener“ Musikern bevor- in der traditionellen Wiener Tanzmusik auch zuneh- zugt und kann unter Umständen den durch die Notation mend einen Hang zu übermäßigen Rubati und wieder- bestimmten zeitlichen Abstand zwischen zwei Phrasen holten Ritardandi durch weltberühmte, aber nicht der vergrößern, die zweite Version nimmt mehr Rücksicht wienerischen Tradition nahestehende Dirigenten. Hei- auf das Metrum und die notierten Noten- und Pausen- mische Dirigenten und solche, die ihr Studium oder werte und setzt sich international immer mehr durch. zumindest einen Teil davon an der Wiener Musikaka- demie absolviert haben (zum Beispiel der aus Lettland 2. Rhythmus stammende Mariss Jansons oder der gebürtige Inder Zubin Mehta), stehen der Wiener Tradition näher und Die „Wiener“ Eigenheiten auf dem Gebiet des Rhyth- vermeiden Übertreibungen.13 Diese Aussage gilt auch mus betreffen vor allem Strukturen mit punktierten für Übertreibungen, was die Wahl der Tempi betrifft: In Noten, speziell bei klassischer und romantischer Musik. den Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Musiker konnte In punktierten Zweier-Gruppen wird die zweite, kurze ich eine internationale Tendenz zu immer schnelleren Note in der Regel später als dem mathematisch genauen Tempi für schnelle Sätze oder Werke und zu breiteren Wert entsprechend gespielt. Der musikalische Grund Tempi für langsame Werke feststellen. Für alle diese hierfür ist, dass punktierte Zweier-Gruppen nicht in Beobachtungen gibt es natürlich Gegenbeispiele, aber der Abfolge lang – kurz gedacht werden wie die übli- ein Trend in die skizzierte Richtung ist für mich ein- che Notation mit dem gemeinsamen Balken nahelegt, deutig. sondern in der musikalisch sinnvolleren Abfolge kurz An dieser Stelle sei auch eine Spielweise erwähnt, die – lang. Die kurze Note, auftaktig zur nachfolgenden immer öfter von berühmten Orchestern und Kam- langen Note hin phrasiert, rückt durch den musikali- mermusikformationen aus allen Kulturkreisen – und schen Zusammenhang näher an die lange, punktierte leider auch von in Wien heimischen Musikern – zu heran, ihr tatsächlicher Wert verkürzt sich minimal. hören ist, aber von in der Wiener Tradition veranker- Auch die lange – punktierte – Note erfährt insofern ten Musikern abgelehnt wird: das Nachdrücken von eine Änderung, als in der Regel der Punkt hinter der gleich langen, meist gebundenen Noten speziell in Note nicht ausgehalten wird, sondern zur Pause wird; langsamen Sätzen von klassischer oder romantischer die punktierte Note erhält dadurch einen leichteren Musik. Diese (wahrscheinlich aus bogentechnischen Charakter. Auch Dreiergruppen, in denen die erste Gründen) eher von Streichern geübte Spielweise ist in Note punktiert, die zweite gleichsam zu spät und die den letzten Jahren international in Mode gekommen dritte wieder an ihrem richtigen Platz gespielt wird, und stellt offenbar ein falsch verstandenes Espressivo- unterliegen dieser „Regel“14 Alle diese Rhythmen sind Spiel dar. Das schnelle Crescendo und Decrescendo nicht mathematisch genau beschreibbar, sie werden auf jeder einzelnen Note verhindert das Spielen mit durch Grundtempo und Charakter eines Werkes mit- Richtung und somit die Entwicklung einer musika- bestimmt. Erfahrung, langes gemeinsames Musizieren lischen Linie. Eine musikalische Linie ist aber die und Aufeinander-Hören machen trotz dieser rhythmi- Grundlage für ausdrucksvolles Musizieren. schen Unwägbarkeiten ein perfektes Zusammenspiel Ein interessantes Detail die Auswahl von Atemstellen möglich. Rhythmisch genau umsetzbar jedoch ist eine betreffend sei auch noch vermerkt – mir ist sie speziell sehr an Wien gebundene, aber auch hier nicht allge- bei jüngeren Flötisten aufgefallen. Im Prinzip kann mein geübte Tradition: Speziell bei Schubert wird man Atemstellen nach zwei verschiedenen Gesichts- eine Punktierung – je nach der Bewegung der ande- punkten auswählen. Entweder man atmet an Stellen, ren Stimmen – immer wieder als Triole, eine doppelte die sich aus musikalischen Gründen anbieten, oder Punktierung als Sextole auszuführen sein. Zwei Bei- spiele: In den Minore-Teilen des Zwischenspiels Nr. 2 13 In einem in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 29. De- aus Rosamunde sind die punktierten Achtelnoten plus zember 2014 erschienenen Interview berichtet Zubin Mehta nachfolgendem Sechzehntel der durchgehenden Trio- von einem Ausspruch des Konzertmeisters und Leiters der len-Bewegung in den anderen Stimmen anzugleichen; frühen Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker, Willi Boskovsky: „Ich erinnere mich, wie er zum Orchester ge- im Schlusstakt der Variation Nr. 2 des Variationen-Sat- sagt hat, man müsse diese himmlische Strauß-Musik nicht 14 Vergleiche den im letzten Satz von Beethovens 7. Sym- übertreiben, es soll alles logisch sein.“ phonie vorherrschenden Rhythmus.

10 Journal - Wiener Oboe zes aus dem Forellen-Quintett ist im Klavier (meiner mit der Tradition verbundene und weitgehend auch in Meinung nach) die doppelte Punktierung zusammen Oberschützen gelehrte Zungenstoß bewirkt (zusam- mit der Violine als Sextole zu spielen.15 men mit einer guten Atemtechnik) sowohl bei Holz- In diesem Zusammenhang ist auch die Begleitung des als auch bei Blechbläsern einen prägnanteren Beginn Wiener Walzers einer genaueren Betrachtung zu unter- des Tones. In der hiesigen Musizierkultur unübliche ziehen. Ich setze als bekannt voraus, dass bei der Wal- Spielweisen seien ebenfalls erwähnt. Tatsächlich ver- zerbegleitung die Zwei, also der erste der Nachschläge, pönt ist, die letzte einer Reihe von Staccato-Noten zu früh gespielt wird, die Drei aber weitestgehend länger zu halten, wenn die darauf folgende lang ist. wieder an ihrem metrisch richtigen Platz.16 Viele Musi- Gerade bei der Artikulation ist aber einmal mehr ker sind der Meinung, dass die vorgezogene Zwei mit die Globalisierung anzusprechen. Speziell bei der den Tanzschritten des Walzers zu tun hat, bei denen der Ausbildung der Flötisten – einige der besten haben zweite Schritt tatsächlich eher zu früh gesetzt wird. Ich zumindest einen Teil ihres Studiums im europäischen halte eine andere Erklärung für ebenso möglich: Die Ausland absolviert – hat eine (vorzugsweise in Frank- traditionelle Lehre besagt, dass der die Nachschläge reich gelehrte) hervorragende Atem- und Zungen- spielende Geiger oder Bratscher den Bogen auf der technik eine Erweiterung der technischen Möglich- Eins auf die Saite setzt und die Zwei mit Abstrich von keiten mit sich gebracht. Diese globale Ausbildung der Saite weg spielt. Dieser spezielle Bewegungsablauf hat selbstverständlich große Vorteile – Probespiele mag bei nicht streng geschulten Volksmusikern eine zu und Professuren werden üblicherweise international frühe Reaktion auf der Zwei bewirkt haben oder noch ausgeschrieben, Komponisten des 20. und 21. Jahr- immer bewirken. (Bei mir, der ich in der Kindheit eine hunderts schrieben und schreiben technisch überaus kurze Bekanntschaft mit der Geige machte, ruft diese anspruchsvolle Werke –, hat aber andererseits viele aus der oben beschriebenen Bewegung heraus entste- Eigenheiten einer Wiener Tradition überlagert oder hende Ungenauigkeit großes Verständnis hervor.) Die in Vergessenheit geraten lassen. zu früh gespielte Zwei wurde zur Tradition, die Drei, mit Aufstrich von oben auf die Saite gesetzt, erklingt wieder an der metrisch richtigen Stelle. Liegt hier viel- leicht eine dieser von Mahler gegeißelten wienerischen Schlampereien vor, die zu Tradition wurden?

3. Artikulation

Die Überlieferungen, die die Artikulation betreffen, habe ich zum Teil schon in der Besprechung der Instrumente beschrieben. In der Wiener Musizierkul- tur heimische Musiker artikulieren also meist leichter und kürzer, Noten werden (zum Beispiel bei Mozart) oftmals nicht in der notierten Dauer ausgehalten – viele Kollegen aus Oberschützen haben diese Charak- teristika als besonders „wienerisch“ eingestuft. Der

15 Ich erinnere mich an eine Diskussion während einer Probe der Wiener Symphoniker mit einem prominenten amerikanischen Dirigenten, der in den oben erwähnten Mi- nore-Teilen auf der mathematisch genauen Ausführung der punktierten Noten bestanden hatte. Das Nebeneinander von Triolen und Sechzehntelnoten speziell innerhalb des Holz- satzes verlieh dem lebhaften, tänzerischen Charakter dieser Teile eine chaotische Note. 16 Die von vielen vertretene Ansicht, die Drei komme „ir- gendwann, irgendwie“ verspätet, halte ich für nicht richtig. Vor allem Theoretiker aber beschreiben die Abfolge der Nachschläge immer wieder auf diese Weise.

Journal - Wiener Oboe 11 4. Intonation zierweise in Berührung gekommen. Sie alle übertragen durch Vorspielen im Unterricht und durch ihre künst- Bei einigen Wiener Orchestern und Kammermusiken- lerische Gestaltung bei öffentlichen Auftritten einen sembles ist eine Intonationseigenheit zu beobachten: Gutteil ihres Potenzials auf ihre Studierenden. Alle, die Große Terzen werden in klassischer und romantischer unterrichten, wissen, wie sehr die Spielweise eines Leh- Musik enger, kleine Terzen daraus folgend weiter into- rers (bis hin zu den die Spielweise begleitenden Bewe- niert als der temperierten Stimmung entsprechend. Als gungen) sich auf die Studierenden auswirkt. Diese Art Grund hierfür wird angegeben, dass der vierte Oberton, der Weitergabe wird, neben der Lehre der technischen die große Terz, zum Grundton eben dieses enge Inter- Voraussetzungen, den Fortbestand einer wienerischen vall aufweist. Diese Intonationsart geht naturgemäß Tradition zumindest zu einem Teil sichern. von den die Obertonreihe verwendenden Blechbläsern Was ist, zusammen mit dem spezifischen Klang, von aus, Streicher und Holzbläser schließen sich dieser all- der tradierten wienerischen Musizierweise tatsächlich gemein als angenehm und weich empfundenen Intona- lehrbar? Ohne Frage werden rhythmische Eigenhei- tionsweise an. Das seit Jahrhunderten tradierte Wissen ten wie zum Beispiel die Ausführung von punktierten um die Verschiedenheit etwa von dis und es, fis und Noten mit Richtung und Phrasierungsdetails wie länger ges oder cis und des etc. – dis ist tiefer als es, fis tiefer gehaltene erste Noten einer Bindung oder die Gestal- als ges, cis tiefer als des – spielt dieser Intonation in tung von Vorhalten von fast allen Professoren gelehrt, die Hände. Große Terzen werden also zum Beispiel bei erschließen sich aber möglicherweise nur Studierenden, choralartigen Stellen in Bruckner- oder Brahms-Sym- die mit entsprechender Musikalität begabt sind. Unar- phonien bewusst eng intoniert. Dass der vom Begriff ten wie das Nachdrücken von gebundenen Noten oder her missverständliche „Leitton“ – die zur Tonika die Verlängerung einer letzten Staccato-Note vor einer „drängende“ und daher angeblich höher zu intonie- länger ausgehaltenen sind ansprechbar und können rende 7. Stufe – tatsächlich höher zu intonieren sei, ist ausgemerzt werden. Eine „wienerische“ Artikula- aus dem Begriff heraus eine falsche Schlussfolgerung. tion mit leichten, kürzeren Staccato-Noten und nicht Eine große Terz (in diesem Fall zur Dominante) ist im immer mathematisch genau ausgehaltenen längeren Wiener Verständnis auch als 7. Stufe einer Tonart eng Noten haben fast alle der in Oberschützen Lehrenden, zu intonieren. Bei der Begleitung von Klavierkonzer- mit denen ich gesprochen habe, als Inhalt ihrer Lehre ten wird aber selbstverständlich auch im Orchester die erwähnt; die Wahl der Tempi oder von Atemstellen temperierte Stimmung verwendet. ist naturgemäß Teil der Ausbildung. Die oben bespro- In welcher Weise hat nun die Lehre am Institut Ober- chene Intonation der Terzen wird möglicherweise Teil schützen Anteil an einer wienerischen Klang- und der Orchestererfahrungen von Studierenden sein, sei Musizierkultur? Ich habe schon erwähnt, dass etwa die es in Oberschützen, sei es bei Substitutentätigkeiten in Wiener Oboe als eines der prominentesten Beispiele Berufsorchestern, die diese Art der Intonation pflegen. einer Wiener Tradition meines Wissens in Hohen Schu- In diesem Zusammenhang möchte ich auch quasi in len außerhalb von Wien nur in Oberschützen gelehrt eigener Sache das Ansetzen von Wiener Walzern als wird; ähnlich verhält es sich mit dem Wiener Horn. Encores der von mir geleiteten Konzerte verteidigen Alle Instrumente, nicht nur die schon von ihrer Bauart – ich weiß, dass ich damit nicht nur Zustimmung gefun- her wienerischen, haben aber durch eine spezifische den habe. Ich bin als ein mit der Wiener Tradition Ver- Klangvorstellung, die durch gemeinsames Musizieren bundener nach wie vor der Meinung, dass in Univer- jeglicher Art genährt wird, Anteil am Wiener Klang. sitäten unseres Kulturraumes eine so tief verwurzelte Viele der in Oberschützen unterrichtenden Persön- (und mit hoher Qualität in alle Welt hinausgetragene) lichkeiten haben entweder in Wien studiert oder sind Tradition wie die Wiener Tanzmusik gepflegt oder doch Mitglieder von Wiener Orchestern oder Ensembles und zumindest thematisiert werden sollte. Jeder Musiker, haben große Teile der „wienerischen“ Musizierweise der in Wien oder Oberschützen ein Studium absolviert – möglicherweise unbewusst wie die Generationen vor hat, sollte meiner Meinung nach mit der Wiener Tanz- ihnen – verinnerlicht. Jene Lehrenden der Instrumen- musik auf möglichst hohem Niveau Bekanntschaft talfächer in Oberschützen, die an Hohen Schulen in gemacht haben, jeder Streicher, jeder Hornist, jeder anderen Musikzentren ausgebildet wurden, sind in der Schlagwerker sollte wissen, wie eine Walzerbegleitung Folge durch Kontakte mit Wiener Musikern mit dem zu spielen ist. hier gepflegten Klang und der hier gepflegten Musi- Ich habe die Globalisierung schon mehrmals ange-

12 Journal - Wiener Oboe sprochen. Sie hat im digitalen Zeitalter in fast allen Anspruch auf höchste Perfektion und Brillanz besser Bereichen unseres Lebens tiefe Spuren hinterlassen genügen als ihre mit warmem Ton spielenden, musi- und natürlich auch Eingang in die E-Musik gefunden. kalisch phrasierenden und artikulierenden, in gleicher Wir können hervorragende Orchester aus aller Welt Weise Interesse weckenden, aber nicht ganz so brillan- mit charismatischen Dirigenten oder Kammermusi- ten Konkurrenten. Die Wiener Orchester, und damit kensembles von Weltklasseniveau in unseren Kon- auch die Träger einer wienerischen Musizierweise, ent- zertsälen live erleben, die den Begriff des „wieneri- wickeln sich auch durch die Wahl ihrer Dirigenten ohne schen Musizierens“ nur vom Hörensagen kennen und Frage von der in den Dekaden vor der Jahrtausend- trotzdem ihr Publikum durch Brillanz, virtuoses Spiel, wende geübten Wiener Musiziertradition weg. Diese Präzision und persönliche Interpretationen zu begei- Entwicklung zu bedauern wäre der falsche Ansatz und stern vermögen. Hervorragend ausgebildete Musiker würde trotzdem eine Veränderung weder verzögern aus der ganzen Welt kommen zu den Probespielen der noch aufhalten. Entwicklung ist in der menschlichen großen Wiener Orchester und erhalten immer wieder Natur begründet und per se positiv, tatsächliche Fehl- den Vorzug vor im Inland ausgebildeten, weil sie inter- entwicklungen – und nicht nur Abweichungen von essante Persönlichkeiten sind, ihre Instrumente makel- einer lieb gewordenen Tradition – wird, so glaube ich, los beherrschen und dem immer wichtiger werdenden die Geschichte korrigieren.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Vorstands des Instituts 12 Oberschützen der Kunstuniversität Graz, Univ. Prof. Dr. phil. Klaus Aringer. Erstveröffentlichung in: Klaus Aringer (Hrsg.), 50 Jahre Expositur und Institut Oberschützen der Kunstuniversität Graz. Dokumente – Erinnerungen – Bilder, Oberschützen 2015, S. 161-172.

Journal - Wiener Oboe 13 „Wettbewerbe sind was für Pferde...

Gedanken anlässlich des Prima la Musica-Wettbewerbs Von Anselma Veit

- nicht für Künstler.“ sagte Bela Bartok. Interessante früher man das lernt, desto besser, oder? Aussage für jemand, der einen beträchtlichen Teil 2.) Man kann niemals verlieren. Es gibt immer einen seines musikalischen Schaffens der Pädagogik gewid- Erfolg. Immer. Als ich weniger Jahre Fagott spielte, met hat. als man an einer Hand abzählen kann, fand ich mich Ich habe Wettbewerbe spielen als Aktivität von in der Situation wieder, in einem kleinen Theater in meinen Schülern gelernt. Da ich selbst nie bei einem Mitteldeutschland Ravels Bolero als Ballettmusik zu einzigen mitgemacht habe, wäre mir das erst mal nicht spielen. eingefallen. Aber als lernwilliger Lehrer kommt man Damals war die hohe Lage für mich unerforschtes Neu- nicht aus. land. Ich habe sie so gemieden wie der Polarforscher Meiner Erfahrung nach sind Wettbewerbe vor allem den Nordwind. Auch die Situation, so ziemlich als ein- eins: sinnvoll. Und zwar aus drei Gründen. zige zu spielen, während alle anderen Kollegen unab- 1.) Sie bereiten auf das wirkliche Leben vor. Das wirk- gelenkt durch eigenes Musizieren mit verschränkten liche Leben besteht aus Menschen wie Du und ich, Armen meinem Spiel folgen, erwies sich als unverhofft die alle eine Meinung haben. Was ich absolut cool unangenehm. finde, ist für Dich vielleicht albern. Und was Dich Am liebsten hätte ich gekniffen. Mich krank gemeldet. vom Hocker reißt, kommt mir vielleicht fad vor. Eine Aber kneifen ist feig. Feig wollte ich nicht sein. Ich Meinung zu haben scheint Teil der Anatomie des versuchte also die Flucht nach vorn. Wenn ich realisti- Menschen zu sein. scherweise nicht an mein Ideal von einem brillianten Schon kleine Kinder versuchen herauszufinden, was Auftritt herankommen konnte, dann wäre die andere gefragt ist, und das machen sie dann. Sie wollen der Möglichkeit, das Ideal auf mein realistisches Niveau – Meinung der Eltern entsprechen, sie wollen, daß diese äh – herunterzuschrauben. stolz auf sie sind. Bei den Lehrern geht‘s dann weiter. Ich nahm mir vor: Wenn ich es schaffe, diese Vorstel- Wir versuchen zu ermitteln, was in deren Augen gut lung zu überstehen, ohne in Ohnmacht zu fallen, ohne ist. Damit wir das dann abliefern und selbst als gut vom Sessel zu kippen, ohne vom Schlag getroffen zu angesehen werden. werden, dann hab ich schon echt was geleistet. Unser Leben gleicht einem Detektivspiel, dessen Und das hab ich dann auch tatsächlich geschafft. Ich Erfolg maßgeblich davon abhängt, wie gut wir ermit- hab mir gar nicht erst eingebildet, da sowas ähnliches teln. Nicht wer der Möder ist, sondern was ankommt. wie Kunst abzuliefern. Bei einem Nervositätslevel im Das ist dann unser roter Faden, an dem wir uns orien- Ausmaß einer Sonneneruption wäre das absurd gewe- tieren. Oder manchmal auch nicht orientieren – je nach sen. Aber ich spielte mein Zeug runter, ohne dabei zu charakterlicher Neigung und Sachlage. sterben, und das war mein Erfolg. Und ich hab nicht Die Besonderheit an musikalischen Wettbewerben gekniffen! ist nun, daß man hier von anderen Menschen beur- Selbst wenn man nicht mal den Trostpreis ergattert, teilt wird, wie jeden Donnerstag. Andere Menschen – wenn einem die größte Peinlichkeit passiert, es gibt andere Meinungen. Und das macht‘s tricky – und eben immer etwas, das man TROTZDEM geschafft hat. so, wie‘s im echten Leben zugeht. Was dem einen hinz, Man KANN gar nicht verlieren. ist dem anderen kunz (gemeint ist hier natürlich ein Im Endeffekt haben wir immer nur einen einzigen Niveau, wo alle ihre Stücke beherrschen und es nicht Gegner: unsere eigene Psyche. um Notenbuchstabieren geht). 3.) Wettbewerbe zeigen uns, daß uns das Tun happy Was lernen wir daraus? Eine gewisse stoische Ruhe macht. Und zwar auf lange Sicht. Das Lob der anderen schadet nicht, wenn man mit Meinungen anderer kon- ist super! Wir freuen uns, unser Ego ist gebauchpin- frontiert ist. Wo könnte man das besser trainieren als selt. Wir haben‘s geschafft, wir sind der King! Bravo, bei Wettbewerben und deren Ergebnissen? Und je wunderbar!

14 Journal - Wiener Oboe Aber dieser Kick hält erstaunlich kurz an. Ein Schub von außen, der einem sichtlich gut tut. Schulterklop- fen, anerkennende Blicke. Wer strahlt nicht, wenn BUCHER er Urkunden mit ganz kleinen Nummern bekommt, Anspitzhobel Fagott Hände schüttelt und als Held gefeiert wird? Echte Freude, die bleibt, bringt aber das Tun an sich. Das Aussenhobel Oboe ing Musizieren selbst. Die Musik zum Klingen zu bringen. ak Die Töne hervorzuzaubern – das ist das, was Erfüllung edm bringt. Das Tun – nicht das Meinungen bekommen. re Was happy macht, ist sich voll reinhängen, sich bei e Schwierigkeiten überwinden, dranbleiben, sich selbst re mal in den Ar... zu treten, wenn man grad faul ist. Seiner essf Leidenschaft nachgehen. Nicht nur wenn die Keksdose st r Automatik-Modul leer ist, sondern auch mal, wenn das Wetter eher nach Schwimmbad aussieht. Neu: Der Wunsch, die Musik zum Klingen zu bringen und das dann auch echt zu tun. Ins Instrument reinblasen, die Finger über die Klappen huschen lassen, das Rohr zum Schwingen zu bringen, die unlebendigen Noten- - Ohne Ihr Zutun schabt das Automatik-Modul Ihr Rohr - Automat stoppt nach Beendigung des Schabe- köpfe in lebendige Töne zu verwandeln. vorgangs Freude kommt durch das Tun selbst. Von innen. So - Regelmässige koordinierte Bewegungen der Achse schön Wettbewerbserfolge sind, sie helfen uns letztlich und des Schlittens ergeben höchste Genauigkeit und Feinheit der Schabung vor allem bei einem: herauszufinden, wer wir selbst - Alle Einstellmöglichkeiten des manuellen Betriebs sind, da drin. stehen zur Verfügung

Herzlichen Glückwunsch an alle Preisträger beim Bun- deswettbewerb Prima la Musica 2015 in Eisenstadt. Mein besonderer Dank geht an Iris, die sich an mein Stück „Irisierend“ herangewagt hat. Dabei hat sie sich als wahres Multitaskingtalent erwiesen. Quinten und komische Griffe am Klavier spielen, Pedal treten, in die Oboe singen, mit Klappen klappern, schnalzen und schnipsen, laut aufstampfen, aufs Klavier klopfen, cho- reographiert rumlaufen – und Oboe spielen. Und das alles auswendig.

Herzlichen Glückwunsch auch an Peter Mayrhofer, der - Schabung in höchster Präzision die jungen Künstler auf dieses erstaunliche Niveau - kein Nachschaben von Hand - Korrekturmöglichkeiten aller Bereiche der Schabung gebracht hat. Ein wahrlich guter Rennpferde-Domp- - Schabedicke variierbar in Hundertstel Millimeter teur :-) - persönliche und Standardmatrizen - einfacher Messerwechsel ohne Kalibrierung - konstane Reproduzierbarkeit der gewünschten Schabung

Anselma Veit ist studierte Violine, Fagott (beides im Oboenzubehör Bucher GmbH Konzertfach) und Klavier (Musiklehrer) an den Musik- Universitäten Salzburg, Wien und Paris, privat in Markus Bucher New York sowie Jazz-Klavier und Komposition. Sie www.oboenrohr.ch + 41 (0)41 780 40 58 ist Fagottlehrerin an der Musikschule der Stadt Wien. [email protected] 2009 gründete sie den auf Fagott-Literatur speziali- Bösch 41 CH-6331 Hünenberg sierten Verlag Anselma Music.

Journal - Wiener Oboe 15 Prima la Musica-Bundeswettbewerb 2015

Der Bundeswettbewerb 2015 wurde am Samstag, dem 23. Mai im Kultur Kongress Zentrum Eisenstadt abge- halten. Wir stellen die Preisträgerinnen und Preisträgern im Bereich Oboe vor und gratulieren sehr herzlich!

Iris Enache Kristina Laudon Maryam Rahbari 2. Preis in der Altersgruppe I 2. Preis in der Altersgruppe I 3. Preis in der Altersgruppe I

Kerstin Steinbauer Sebastian Breit Isabella Schwarz 1. Preis in der Altersgruppe II 2. Preis in der Altersgruppe IV 3. Preis in der Altersgruppe IV

Der Instrumentenbestand der Oboengesellschaft

Unsere Gesellschaft verfügt derzeit über 52 Leihinstrumente und zwei Museumsstücke folgender Hersteller:

11 Oboen (Schülermodell) Fa. Rado Folgende Musikschulen haben Leihinstrumente in 10 Oboen Fa. Rado Verwendung: 7 Oboen Fa. Yamaha 7 Oboen Fa. Zuleger Musikschule Staatz (3 Oboen) 4 Oboen Fa. Rauch Musikschule Tulln (2 Oboen) 4 Oboen Fa. Constantinides Musikschule Poysdorf (2 Oboen) 2 Oboen Fa. Wolf Musikschule Mattersburg (2 Oboen) 1 Oboe Fa. Rado - Yamaha Musikschule Horn (1 Oboe) 1 Oboe Fa. Yamaha - Rauch Musikschule Oberwart (1 Oboe) 1 Oboe Fa. Klose 2 Oboen d‘amore Fa. Rado 2 Englischhörner Fa. Zuleger Die Oboen d‘amoren werden (wie die Englisch- 1 Oboe (Museumsstück) Fa. Klose hörner) für spezielle Anlässe angefordert und sind 1 Oboe (Museumsstück) Fa. Schück ständig „ambulant“ im Einsatz.

16 Journal - Wiener Oboe Bericht über die Generalversammlung am 26. April 2015

Da um 13:10 Uhr nicht die erforderliche Anzahl von Geldpreise kleine Geschenke und eine Urkunde für Mitgliedern anwesend ist, wird der Beginn um 20 Minu- jede(n)Mitwirkende(n), je nach Leistung auch Sonder- ten verschoben. Um 13:30 Uhr begrüßt der Obmann preise und Auszeichnungen. Um die zeitliche Abfolge Josef BEDNARIK die anwesenden Mitglieder und zu entspannen und ein ausreichendes Feedback zu stellt die Beschlussfähigkeit fest. ermöglichen, wird diese quantitativ umfangreiche Darauf folgt der Bericht des Instrumentenbeauftrag- Gruppe am Vormittag spielen, die restlichen Gruppen ten Sebastian FRESE: Die Gesellschaft verfügt der- sind für Nachmittag vorgesehen. zeit über 52 Leihinstrumente (siehe S. 16), die Nach- Im Kapitel „Anträge“ wird auf Grund der gestiege- frage ist lebhaft, einige Personen stehen noch auf der nen Postgebühren über eine allfällige Erhöhung des Warteliste. Der Bau einer Oboe ist in Auftrag gegeben. Mitgliedbeitrags diskutiert und beschlossen, diesen Nach den Berichten des Kassiers Andreas PÖTTLER jedenfalls im Jahr 2016 unverändert zu belassen. und der Rechnungsprüfer Karin DIRSCHMIED und Sebastian Frese schlägt auf Grund einiger Anfragen Helmut MEZERA folgt der Antrag auf Entlastung des vor, ein Video über Rohrbau zu initiieren und dies Vorstandes und wird einstimmig angenommen. mit einem Porträt von Prof. Günther Lorenz zu ver- Peter MAYRHOFER berichtet über Erkenntnisse aus binden. Eine diesbezügliche Kooperation mit den dem Jürg Schaeftlein-Nachwuchswettbewerb vom Wiener Philharmonikern wäre anzustreben. Schließ- November 2014. Nach Rücksprache mit den Lehrerin- lich wird Ernst Kobau auf Grund seiner 15-jährigen nen und Lehrern werden beim Wettbewerb 2016 einige Gestaltung des Oboenjournals und seiner finanziel- Änderungen erfolgen: In der Altersgruppe 1 wird es len Unterstützung der Oboengesellschaft die Ehren- erste, zweite und dritte Preise geben, doch statt der mitgliedschaft verliehen.

Journal - Wiener Oboe 17 Prof. Alfred Hertel zum 80. Geburtstag

Eigentlich verkörperte er mit seiner französischen Oboe der personalisierten MGG-Edition, das zweite in Wien stets globale oboistische Normalität, aber da Wien wandelnde Lexikon, der Musik-Brockhaus des Wiener bekanntlich anders ist, war er hier sozusagen zeitle- Musiklebens der letzten acht Jahrzehnte inklusive eines bens ein Exot, jedenfalls aber unverwechselbares Ori- synaptisch gespeicherten Programmzettelarchivs aller ginal. Er habe zu Hause doch auch elektrischen Strom Auftritte in Konzertsälen, Kirchen, Stiften, Archiven, und keine Petroleumlampen als Beleuchtung, äußerte Weinkellern und Privathäusern, mit einem Supple- er einmal auf die Frage, warum er in Wien französi- mentband aller in Wien sich jemals ereignet habenden sche und nicht Wiener Oboe spiele. Das war pointiert Histörchen und Intrigen, und das will in der Tat etwas formuliert, aber keineswegs bös gemeint, schließlich heißen. Die Zusammenführung dieser beiden Univer- spielte Alfred Hertel ja alle blasbaren Einfach-, Doppel- sal-Enzyklopädien zu einem bibliophilen Gesamtwerk und Plastikrohrinstrumente, die auch nur irgend eine würde den Neubau eines Tiefspeichers der National- oder auch gar keine Ähnlichkeit mit einer Oboe hatten, bibliothek unter dem Volksgarten und Rathauspark vom Aulos über den Dudelsack bis zum stillen und erfordern, sollten nicht die gemeinsamen Instrumen- krummen Zink, und es geht die Sage, er hätte in der tensammlungen des Musikvereins und der Hofburg Toilettenanlage des Musikvereins sogar heimlich Ser- diesem Projekt zum Opfer fallen. Und immer noch pent geblasen. Und im Vergleich zu diesen auratischen erweitert sich das persönliche Hertel-Archiv, nicht der Instrumenten ist ja nun die Wiener Oboe geradezu geringste Ruhegenuss tritt ein, und in diesem Sinne eine Hightech-Neonröhre. Alfred Hertel schlicht als wünschen wir dem Jubilar weiterhin eine gut ausge- Oboisten zu bezeichnen, griffe daher entschieden zu leuchtete Wohnung durch viele weitere erfüllte Jahre kurz, er war beruflich und ist auch seitdem immer ein unermüdlichen Musizierens! universaler Tonkünstler, zugleich neben Rudi Führer, Ernst Kobau

Prof. Alfred Hertels Geburtstagsfeier mit seinen Schülern beim Guga v.l.n.r.: B. Ziegler-Hanak, Susanne Rigl, Elise Willander-Ryba, Eva Mayer, Alfred Hertel, Andrea Krauk, Frau Hertel, Hanns Fischer, Helga Boresch-Schrödl, Anne Lofgren

18 Journal - Wiener Oboe KLASSENABENDE OBOE, FAGOTT

BARBARA RITTER RICHARD GALLER Mittwoch, 10. Juni 2015, 18 Uhr Freitag, 19. Juni 2015, 18:30 Uhr Institut Oberschützen Universität für Musik Kammermusiksaal Lothringer Straße 18 /Franz Liszt-Saal, 1030 Wien

PETER MAYRHOFER PRISCA SCHLEMMER Freitag, 12. Juni 2015, 18 Uhr Samstag, 20. Juni, 11 Uhr Musikschule Margareten Universität für Musik Bräuhausgasse 50, 1050 Wien Bauteil B/Neuer Konzertsaal, Rennweg 8, 1030 Wien

HELMUT MEZERA KLAUS LIENBACHER Freitag, 19. Juni 2015, 18:30 Uhr Samstag, 27. Juni 2015, 14:30 Uhr J. S. Bach-Musikschule Universität für Musik Schaumburgergasse 1, 1040 Wien Hauptgebäude, Bauteil C/Fanny Hensel-Saal Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien

Ernst Krall zum 80. Geburtstag

Vom Starkstromtechniker bei Siemens, der in der Nachkriegszeit im Technikbereich des Theaters an der Wien arbeitete, dort während des Dienstes die Opernaufführungen der Wiener Staatsoper hörte und zunehmend von der Musik fasziniert war, zum Studenten der Oboe bei Rudolf Spurny im Wiener Konservatorium, zum Absolventen des Realgym- nasiums für Berufstätige am Wiener Henrietten- platz, zum Oboisten im St. Pöltner Stadttheater, Weinbau schließlich zum Englischhornisten der Nieder- Elisabeth & Karl Sommerbauer österreichischen Tonkünstler (1963-1995) und GUGA danach zum Seniorstudenten der Geschichte und Kunstgeschichte: Ernst Krall (siehe das Foto auf Semlergasse 4 S. 20) hatte eine abwechslungsreiche Biografie. 2380 Perchtoldsdorf Das „Tandem“ Alfred Hertel - Ernst Krall (ergänzt Tel.: 0699/11 32 35 90, 0664/215 35 45 zuerst durch Alfred Dutka, danach durch Margit E-Mail: [email protected] Quendler als seine Kollegen auf der 1. Oboe) Ausg‘steckt ist vom sorgte über drei Jahrzehnte für musikalische Qua- lität und vor allem auch Kontinuität in der Oboen- 12. - 28. Juni 2015 gruppe der Tonkünstler. 24. Juli - 9. August 2015 Wir wünschen unserem Kollegen Ernst Krall noch 4. - 20. September 2015 viele Jahre erfüllter Lebenszeit in Gesundheit!

Journal - Wiener Oboe 19 Die nächste Ausgabe des Journals der Gesellschaft der Freunde der Wiener Oboe erscheint im Oktober Österreichische Post AG 2015. Info.Mail Entgelt bezahlt

Wir bitten wieder um zahlreiche Mitarbeit in Form von Artikeln, Infos, Annoncen, Berichten, Mittei- lungen, Konzertterminen usw., zu richten an unseren Obmann Josef Bednarik.

Redaktionsschluss: 25. September 2015

Impressum: Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Gesellschaft der Freunde der Wiener Oboe Obmann und für den Druck verantwortlich: Josef Bednarik A 1230 Wien, Lastenstraße 13 Handy: +43/(0)664/215 35 44 E-Mail: [email protected] Instrumentenbeauftragter: Sebastian Frese Tel.: +43/1/712 73 54 Handy: +43/(0)650/712 73 54 E-Mail: [email protected] Internethomepage: http://www.wieneroboe.at Layout: Ernst Kobau (E-Mail: [email protected]) Digital-Druck: FBDS Copy Center 1230 Wien

Grundlegende Richtung: Das „Journal Wiener Oboe“ ist die Zeitschrift der Gesell- schaft der Freunde der Wiener Oboe. Sie erscheint viertel- jährlich und dient als Plattform des Dialoges. Für namentlich gezeichnete Artikel ist der jeweilige Ver- fasser verantwortlich und gibt seine persönliche Meinung wieder.

Herzliche Glückwünsche zum 80er! Ernst Krall im Juni 2015

Der Erwerb des Journals ist für Nichtmitglieder im Abonnement um € 14,- jährlich möglich; Mit- glieder erhalten das Journal GRATIS.