Leopold-Franzens-Universität

Philosophisch-Historische Fakultät

Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

DIPLOMARBEIT

Frauen in der Luftfahrt Selbstverwirklichung oder Aufbrechen von Rollenbildern? Mit einer exemplarischen Aufarbeitung des selbigen Themas im Schulunterricht

Eingereicht von

Viktoria Tagwerker

Zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Philosophie

Betreuer: PD Dr. Mag. Wolfgang Weber MA (UCL)

Matrikelnummer: 01216078

Innsbruck, Österreich

Februar 2018

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ...... 4

2 Definitionen ...... 6

2.1 Geschichte ...... 6

2.2 Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte ...... 9

2.3 Sportgeschichte ...... 13

3 Flugsport ...... 19

3.1 Leichter als Luft ...... 19

3.2 Schwerer als Luft ...... 23

3.2.1 Anfangsjahre bis zum Ersten Weltkrieg ...... 24

3.2.2 Erster Weltkrieg ...... 28

3.2.3 Zwischenkriegszeit ...... 29

3.2.4 Zweiter Weltkrieg ...... 30

3.2.5 Das 21. Jahrhundert ...... 32

3.3 Fazit ...... 32

4 Frau und Flug ...... 33

4.1 Leichter als Luft – Die ersten Ballonfahrerinnen ...... 33

4.2 Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg ...... 37

4.3 Zwischenkriegszeit ...... 42

4.4 Zweiter Weltkrieg ...... 44

4.5 21. Jahrhundert ...... 46

4.6 Fazit ...... 46

5 Emanzipation durch die Aviatik? ...... 48

5.1 Geschlechterrollen – das Geschlecht als Kriterium ...... 49

5.2 Pilotinnen als „Neue Frau“ bzw. „sportsgirl“ und die Rolle der Medien ...... 54

5.3 Ökonomische Beschränkungen und Einwirkungen durch die Politik ...... 65

5.4 Fazit ...... 70

6 Exemplarische Biographien berühmter Pilotinnen ...... 71 2

6.1 Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg ...... 71

6.2 Elly Beinhorn ...... 74

6.3 Marga von Etzdorf ...... 76

7 Fazit ...... 80

8 Fachdidaktische Aufarbeitung ...... 83

8.1 Didaktische Überlegungen und Zielsetzungen ...... 84

8.2 Lehrplanbezug ...... 85

8.3 Stundenbilder ...... 87

8.4 Unterrichtsmaterialien ...... 97

9 Literaturverzeichnis ...... 116

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1 Einleitung „Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen fliegen, hätte er den Himmel rosa gemacht.“1 Auch die Genderwissenschaftlerin Gabriele Metz lässt ihr Buch „„Warum ist der Himmel blau?„ Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont“ mit diesem Satz John F. Kennedys begin- nen.2 Das Zitat zeigt eindrücklich, wie lange sich Vorurteile gegenüber Fliegerinnen hielten und zum Teil nach wie vor halten3. Dass gerade der Zugang zur kommerziellen Fliegerei nicht ganz einfach war und heute ebenfalls viele Frauen gehemmt sind, kann mit einigen Zahlen belegt werden. In Österreich waren im Jahr 2012 41 Frauen in der kommerziellen Luftfahrt, in einem Flugzeugcockpit tätig. Lediglich ein Viertel von ihnen als Kapitäninnen, die übrigen als Erste Offizierin.4 Während der gesamten Luftfahrtgeschichte waren Frauen in den meisten Erdteilen keine Selbstverständlichkeit. Im Verlauf der Weltkriege wurden sie jedoch in einzelnen Staaten eingesetzt, so etwa in geringem Ausmaß in Frankreich oder besonders während des Zweiten Weltkrieges in der Sowjetunion. In Amerika war die Fliegerei bei Frauen ebenfalls sehr be- liebt. Hier war die Toleranz Pilotinnen gegenüber auch größer, als es zum Beispiel in Deutschland der Fall war. Dennoch wurden fliegerisch ambitionierte Frauen mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert: Zunächst störte die traditionell weibliche Kleidung, die langen Röcke und engen Korsetts. Als diese Hürde, unter einem Aufschrei der Öffentlichkeit, über- wunden war, stellte sich den Pilotinnen die nächste Herausforderung. Sie mussten gegen die traditionellen Geschlechterrollen ankämpfen und gegen Männer, die ihnen den Einstieg in die Fliegerei nicht leicht machen wollten. Dass Frauen, die vor 1945 flogen, daher gemeinhin als exotische Ausnahmen und als bemer- kenswerter Beweis weiblicher Emanzipation gelten, verwundert wenig. Tatsächlich gibt es nur zu 19 deutschen Fliegerinnen kürzere oder längere Biographien bzw. wenigstens biogra- phische Informationen. Pionierarbeit leistete hier die Historikerin Evelyn Zegenhagen, die insgesamt 180 Namen der deutschen Motor- und Segelfliegerei erschloss. Für die Ausstellung im Zeppelinmuseum Friedrichshafen, die im Jahr 2004 stattfand, wurden gar Daten von über 1.000 Pilotinnen gesammelt. Für das österreichische Gebiet bzw. das Habsburgerreich gibt es kaum Publikationen, die darauf hinweisen, welche Rolle Frauen in der Luftfahrt spielten. In Deutschland ist der Forschungsstand zum Thema wesentlich besser, als er es im österreichi-

1 US-Präsident John F. Kennedy, Zit. nach Gabriele Metz, Warum ist der Himmel blau? Pilotinnen – ein Silber- streif am Horizont, Sulzbach/Taunus 2013, S.7. 2 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.7. 3 Vgl. hierzu Kommentare zum Artikel ‚Pilotinnen als Ausnahmen„ auf derstandard.at [http://derstandard.at/1376534176221/Pilotinnen-als-Ausnahmen], eingesehen am 27.11.2017. 4 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.7. 4 schen Raum ist. Aus diesem Grund bezieht sich diese Arbeit mehr auf das deutsche Gebiet, als auf Österreich, wobei ich versucht habe, die Informationen, die es zu den österreichischen bzw. habsburgischen Pilotinnen gibt, mit einzubeziehen. Die Forschungsfragen für diese Diplomarbeit lauten wie folgt: Wie entwickelte sich die Luft- fahrt und welche Rolle spielten dabei Frauen? Mit welchen Hindernissen hatten fliegerisch ambitionierte Frauen zu kämpfen? Inwieweit trug ihre Tätigkeit in Deutschland zur allgemei- nen weiblichen Emanzipation bei? Die These die ich dazu aufgestellt habe, ist folgende: Der Anteil an Frauen, die tatsächlich Fliegerinnen waren und deren Tätigkeiten überliefert sind, ist relativ gering. Dennoch trugen sie zu verschiedenen (Weiter-)Entwicklungen bei, wie etwa beim Fallschirm. Die Hürden, die von Frauen überwunden werden mussten, wenn sie Fliegerin werden wollten, waren sehr zahlreich. Besonders die traditionellen Geschlechterrollen, standen den Frauen im Wege. Ob- wohl die Blütezeit der Fliegerei in den 1920er Jahren verortet werden kann und zu dieser Zeit auch das Phänomen der „Neuen Frau“ auftrat, konnte die emanzipatorische Strömung das Potential der Fliegerinnen nicht nutzen. Die Geschichte der Pilotinnen ist somit keine Ge- schichte der allgemeinen Emanzipation, sondern lediglich die einer individuellen. Die Diplomarbeit beginnt mit einer Definition von Geschichte, Frauen- bzw. Geschlechterge- schichte und Sportgeschichte, um das Thema besser einordnen zu können. Daran wird eine knappe Darstellung der Entwicklung der Luftfahrt im Allgemeinen anknüpfen. Dabei werden lediglich verschiedene Erfindungen und Einschnitte, die zu Weiter- und Neuentwicklungen führten etwas näher beleuchtet. Im dritten Kapitel wird dann der Beitrag der Frauen zur Luft- fahrt betrachtet. Dieses Kapitel ist in die selben Einschnitte gegliedert, wie das Kapitel zur allgemeinen Luftfahrt. Es werden dabei nicht nur die Tätigkeiten der Frauen aus Deutschland und Österreich bzw. dem Habsburgerreich beschrieben, sondern auch andere Staaten wie etwa Frankreich oder die Sowjetunion betrachtet. Anschließend wird ein Kapitel zur Frage der Emanzipation und dem Phänomen der „Neuen Frau“ bzw. des „sportsgirl“ folgen. Besonders wird dabei ein Augenmerk auf die mediale Präsentation der Fliegerinnen und die politischen Gegebenheiten gelegt. Exemplarisch werden dann im sechsten Kapitel drei Fliegerinnenbio- graphien behandelt. Abschließen wird der wissenschaftliche Teil mit einem Fazit. Nach dem wissenschaftlichen Teil folgt im didaktischen Teil eine beispielhafte Aufarbeitung des Diplomarbeitsthemas im Unterricht in einer fiktiven 7. Klasse. Besonders die im wissen- schaftlichen Teil behandelten Biographien spielen dafür eine zentrale Rolle. Das Thema wird in einen größeren Kontext gestellt: „Geschlechterrollen und Geschlechterstereotype“. Dabei wird zunächst analysiert, was Geschlechterrollen und Geschlechterstereotype sind. Anschlie-

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ßend wird behandelt, wie sich die Geschlechterrollen im Zeitraum von 1900 und 1945 verän- derten. Die Rolle des Krieges und der Medien werden besonders hervorgehoben, da gerade durch die Betrachtung der Berichterstattung die historische Orientierungskompetenz gefördert werden kann. Um den Schülerinnen und Schülern einen persönlicheren Zugang zum Thema zu schaffen, sollen die Biographien der Pilotinnen im Unterricht bearbeitet werden.

2 Definitionen 2.1 Geschichte „Geschichte ist eine Gegenwartswissenschaft. Sie bezieht ihre Legitimation letztlich daraus, dass sie fundamentale Orientierungsbedürfnisse der Gegenwart abdeckt.“5 Das vor allem des- halb, weil der Mensch ein – wie es Müllner nennt – historisierendes Wesen ist, welches sich im Konstrukt ‚Zeit„ positionieren möchte. Eine sehr große Zahl an wissenschaftstheoretischen und philosophischen Definitionen von Geschichte wurde im Laufe der Zeit verfasst. Einer dieser Definitionsversuche stammt von Edward Hallet Carr aus dem Jahr 1961. Nach ihm ist Geschichte ein „fortwährender Prozess der Wechselwirkung zwischen dem Historiker und seinen Fakten, ein unendlicher Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit“.6 Bis heute trifft diese Definition, auch nach dem linguistic, cultural oder visual turn in den Geistes- und Geschichtswissenschaften, zentrale Aspekte.7 In unserer Umgangssprache meint Geschichte fast immer das Geschehene bzw. die Gesamtheit des Vergangenen. Zusätzlich bezeichnet sie aber auch die Verarbeitung und Darstellung oder Erzählung dieses Vergangenen und von der Menschheit Erlebte. Es handelt sich um eine vom menschlichen Subjekt gestaltete Geschich- te, um eine bestimmte Wissensform, die durch überprüfbare und nachvollziehbare Verfah- rensweisen gewonnen wurde.8 Geschichte ist nicht nur Zeit, sondern auch Leben und Raum.9 Es geschieht etwas im Rahmen von Zeit und Raum. Das was geschieht, hat Bezug zum Mensch und ist somit an den Faktor Leben gekoppelt.10 Als Historie bezeichnet die Geschichte Wissen von oder über etwas, das in

5 Rudolf Müllner, Perspektiven der historischen Sport- und Bewegungskulturforschung. Österreichische Kultur- forschung Band 13, Wien/Berlin/Münster 2011, S.60. 6 Zit. nach Rudolf Müllner, Perspektiven der historischen Sport- und Bewegungskulturforschung. Österreichi- sche Kulturforschung Band 13, Wien/Berlin/Münster 2011, S.60. 7 Ebd. S.60. 8 Egon Boshof/Kurt Düwell/Hans Kloft, Grundlagen des Studiums der Geschichte. Eine Einführung, Köln/Weimar/Wien 19975, S.2. 9 Karl H. Metz, Geschichte: Eine Theorie, Frankfurt am Main 2015, S. 8. 10 Boshof/ Düwell/ Kloft, Grundlagen, S.2. 6 der Gegenwart nur noch indirekt vorhanden ist. Unter anderem kann unter historischem Den- ken das „Heraustreten aus der Gefangenschaft des Unmittelbaren“ verstanden werden.11 Zwar lässt sich der Gegenstandsbereich der Geschichte nicht mehr verändern, nicht mehr un- geschehen machen, aber dennoch ist Geschichte nicht abgeschlossen. Denn es wachsen ihr durch die Zeit ständig neue Bereiche hinzu, mit der sich die Historiker und Historikerinnen befassen müssen.12

Auf die Frage wozu Geschichte gebraucht wird, gibt es unzählige Antworten. Geschichte kann zum Gegenwartsverständnis, zur Orientierung, zur Aufklärung oder zur Identitätsstif- tung beitragen. Sie erfüllt aber auch zahlreiche andere Zwecke bzw. leistet andere Beiträge. Diese Zwecke entspringen meist den politischen, pädagogischen und weltanschaulichen Inte- ressen, die ein Individuum hat. Sie werden also von außen an die Geschichte herangetragen. Doch die Frage nach dem ‚Wozu„ lässt sich nur sehr schwer beantworten, da im Begriff ‚Ge- schichte„ zwei Bedeutungen enthalten sind. Mit Geschichte kann auf der einen Seite ein Er- eigniszusammenhang, auf der anderen Seite eine Darstellung gemeint sein.13

In der Vormoderne wurde behauptet, dass die Geschichtsschreibung aufzeigen könne, was zu tun und zu lassen sei. Laut Pandel gehört das Wissen, das aus der Geschichte gewonnen wer- den kann, bis heute zu den „Gemeinplätzen des bundesrepublikanischen Selbstverständnis- ses.“14 Bis ins 18. Jahrhundert galt diese Devise laut Pandel in der gesamten Öffentlichkeit. Die Auslegung der Geschichte als einer ‚belehrenden Geschichte„ geht davon aus, dass es zahlreiche Exempel gibt, von denen man lernen kann. Wie Pandel schreibt, handelt es sich hierbei um „Rezeptweisheiten“, „die von sich behaupten, dass diese Handlungsmuster in jeder – auch späteren – Situation anwendbar […]“15 sind.16 Zentral für diese Theorie ist die An- nahme, dass der Mensch zu allen Zeiten dieselben Wünsche, Ziele und Emotionen und sich in den Epochen der Geschichte wenig geändert hat.17 Erst der Historismus des 19. Jahrhunderts widersprach der Meinung, dass Geschichte eine Lehrmeisterin sei. Dieser Meinungswechsel wurde durch die tiefgreifenden politischen und industriellen Veränderungen des 18. und 19. Jahrhunderts hervorgerufen. Die Veränderungen

11 Metz, Geschichte, S. 8.-10. 12 Boshof/ Düwell/ Kloft, Grundlagen, S.2-3. 13 Hans-Jürgen Pandel, Geschichtstheorie. Eine Historik für Schülerinnen und Schüler – aber auch für ihre Leh- rer, Schwalbach/Ts 2017, S.297-298. 14 Ebd. S.301. 15 Ebd. S.301. 16 Ebd. S.301. 17 Ebd. S.301-302. 7 waren auch ein Beweis dafür, dass die Geschichte sehr wohl Formänderungen unterworfen ist.18 Die Kritik an der Geschichte als Vorlage für gutes und schlechtes Handeln liegt nicht nur in der moralischen Absicht, die sie dadurch erhält, sondern auch in den abgeleiteten Handlungskategorien und der Enge des Gegenstandsbereichs, die mit einer solchen Ausle- gung von Geschichte entstehen.19 Obwohl die Geschichte heute weitgehend als Lehrmeisterin – im Sinne vom Kopieren gewis- ser Handlungsmuster – ausgedient hat, findet sie sich dennoch immer wieder als Argument in politischen Debatten oder als Rechtfertigung. In diesem Bereich hat die Geschichte ihre Rolle als Beispiel für gutes oder schlechtes Handeln immer noch nicht abgestreift. Von der wissen- schaftlichen Ebene unterscheiden sich diese Argumente und Legitimierungsversuche vor al- lem dadurch, dass sie stark simplifiziert und einseitig auf eine bestimmte (gewünschte) Kern- aussage herunter gebrochen werden.20 Eine weitere Funktion, die der Geschichte ganz besonders im Bildungsbereich zugeschrieben wird, ist jene der Orientierung. Hierbei handelt es sich weniger um eine Handlungsanweisung als vielmehr um ein Leistungsversprechen. Schon 1973 proklamierte der Historiker Theodor Schneider, dass Geschichte ein Orientierungsmittel sei, mit dem versucht werden kann, aus dem Gestern in ein Morgen zu finden. Jedoch beachtete Schneider bei dieser Aussage nicht, dass diese eine Geschichte nicht aus einer Stimme, sondern aus zahlreichen verschiedenen Stimmen besteht. Nicht ein Historiker, nicht eine Historikerin bearbeitet Themen und formt damit eine Geschichte, sondern viele verschiedene. Kant führt einen ganz anderen Gedanken an, wenn es um Orientierung geht. Er spricht von einem „Sich-Orientieren“. Damit meint er, dass – im Falle der Geschichte – zwar das Wissen eines einzelnen Historikers/einer einzelnen Historikerin genützt werden kann, um sich zu informieren, das Orientieren kann allerdings erst durch eigenes Denken erreicht werden.21 Trotz all dieser Kritik am Aus-der-Geschichte-Lernen sollte nicht außer Acht gelassen wer- den, dass der Mensch besonders aus negativen Ereignissen und Erlebnissen lernt. Laut Pandel lernen wir „nicht aus den Ereignissen, die uns die Geschichtsbücher berichten, sondern wir lernen in den Begebenheiten, in die wir selbst verwickelt sind.“22 Dennoch kön- nen uns Ereignisse beeinflussen, indem sie dazu beitragen, dass wir Handlungsmuster, Menta- litäten und Traditionen hinterfragen.

18 Ebd. S.302. 19 Boshof/ Düwell/ Kloft, Grundlagen, S.2. 20 Pandel, Geschichtstheorie, S.303-305. 21 Ebd. 306-307. 22 Ebd. S.308. 8

Gleichwohl gibt es in der Geschichtswissenschaft Stimmen, die glauben, dass das Bedeu- tungspotential der Geschichte durch das Internet und die technisch-gesellschaftlichen Prozes- se ausgelaugt und ausgehöhlt wird.23 Inwieweit sich diese Befürchtung bewahrheiten wird, wird sich aber erst im Laufe der Zeit sagen lassen, wenn sie bereits selbst vergangen sind und somit zu Geschichte wurden.

2.2 Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte In den 1970er Jahren waren es vor allem Frauen aus den USA, die sich auf die Suche nach der „eigenen Geschichte“ machten.24 Sie versuchten Frauengeschichte als wissenschaftliches Fach zu etablieren und mit neuen Forschungsfragen an Untersuchungen über Frauen in den 1940er und 1950er Jahren – zum Teil aber auch älteren Werken – anzuschließen.25 Die Frau- engeschichte prangerte den Ausschluss der Frauen aus der Geschichtswissenschaft sowie die Beschränkung auf die männlichen Akteure und die männlichen Sphären an.26 Die ersten An- liegen – die möglichen Ursachen für die Unterdrückung und Diskriminierung der Frauen zu finden und jenen Frauen, die „Großes“27 geleistet hatten, ebenfalls einen Platz in der Ge- schichte zuweisen zu können – wirkten unter den feministischen Historikerinnen verbin- dend.28 Ein besonderes Problem der Frauengeschichte ergab und ergibt sich daraus, dass sehr viele der uns verfügbaren Quellen von Männern verfasst wurden.29 Nach den traditionellen Methoden der Geschichte war Frauengeschichte zunächst eine ergän- zende Geschichte, da sie den Fokus auf sogenannte bemerkenswerte Frauen gelegt hatte. Die Geschichte, die sich daraus ergibt, sagt allerdings nicht viel bzw. nichts darüber aus, was die Mehrzahl der Frauen zu dieser Zeit gemacht oder für die Gesellschaft geleistet hat.30 „Die ‚Geschichte bemerkenswerter Frauen‘ ist die Geschichte von außergewöhnli- chen, vielleicht auch geltenden Normen widersprechenden Frauen und bietet keine

23 Metz, Geschichte, S.7. 24 Gunilla-Friederike Budde, Geschlechtergeschichte, in: Geschichtswissenschaften. Eine Einführung, hrsg. v. Christoph Cornelißen, Frankfurt am Main 2000, S. 282-293, hier S. 282. 25 Regina Wecker, Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschich- te/Revue suisse d’histoire/Rivista storica svizzera 41 (1991), Heft 3, S.308-319, hier S.308. 26 Regina Wecker, Vom Nutzen und Nachteil der Frauen- und Geschlechtergeschichte für die Gender Theorie. Oder: Warum Geschichte wichtig ist, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissen- schaft 18 (2007), Heft 2, S.27-52, hier S. 35. 27 Was genau Griesebner mit „Großes“ meint formuliert sie nicht aus. Naheliegend wäre, dass damit Frauen bezeichnet werden, die durch eine besondere Leistung (z.B. Marie Curie) oder aufgrund ihrer Persönlichkeit (z.B. Maria Theresia) weiten Teilen der Gesellschaft ein Begriff sind. 28 Andrea Griesebner, Feministische Geschichtswissenschaft. Eine Einführung, Wien 20122, S. 96. 29 Gisela Bock, Geschichte, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 14 (1988), Heft 3, S.364-391, hier S.387. 30 Gerda Lerner, Frauen finden ihre Vergangenheit. Grundlagen der Frauengeschichte, Frankfurt/New York 1995, S.141. 9

Darstellung der Erfahrung und Geschichte der Frauen insgesamt. Diese Einsicht führt zur Wahrnehmung von Klassenunterschieden in der Geschichte: Frauen aus verschie- denen gesellschaftlichen Klassen und sozialen Schichten hatten in der Geschichte ganz unterschiedliche Lebensgeschichten und Erfahrungen.“31 Nach dieser ersten Stufe der Erarbeitung der Frauengeschichte wurde die Frau als Helferin in das Zentrum der Forschungsinteressen gestellt. Vor allem Fragen danach, welchen Beitrag Frauen in der männerzentrierten Welt leisteten, welche Stellung ihnen zukam und wie sie un- terdrückt wurden, sollten beantwortet werden. Diese groben Richtungen wurden durch viele kleine Einzelthemen erweitert. Dabei wurde (und wird zum Teil heute noch) der Beitrag der Frauen oft nur nach den Wirkungen und Maßstäben, die für Männer gelten, beurteilt. Wie bedeutende Frauen dabei unterstützend oder anregend auf andere Frauen wirkten, wurde aus- geblendet.32 Laut Ute Frevert, einer feministischen Historikerin, hatte sich „ausgehend von dem Interesse, Frauen in der Geschichte sichtbar werden zu lassen, […] die Historische Frauenforschung bislang vorwiegend damit beschäftigt, offenkundige Lücken der ‚allgemeinen„ Geschichts- schreibung aufzufüllen.“33 Einerseits schien und scheint dieses Handeln längst überfällig, an- dererseits wird der allgemeinen Geschichte damit die Frau nur als „Sonderform“ hinzugefügt. Das Bild der Geschichte wird dadurch facettenreicher und bunter, aber verändert sich nicht an seinen Konturen oder Fluchtlinien.34 Folgt man Gisela Bock in ihren Ausführungen, ging/geht es bei der Frage nach den Frauen in der Geschichte nicht nur darum, dass Forschungslücken endlich geschlossen werden/wurden und die Ergebnisse dann in die gängigen historiographi- schen Kategorien eingeteilt wurden, sondern auch darum, dass ein neuer Blick auf die Ge- schichte im Allgemeinen geworfen wird.35 Ihrer Meinung nach geht es in der Frauengeschich- te nicht nur um die Frauen in der Geschichte, sondern auch um die Geschichte von Frauen, das heißt um ihre Erfahrungen. Bock sieht diese Geschichte nicht unabhängig von jener der Männer, aber dennoch als eine „Geschichte eigener Art“. Dabei seien Frauen vor allem des- halb unsichtbar geblieben, weil ihre Erfahrungen, ihre Aktivitäten und auch die Räume, in denen sie wirkten, zunächst nicht von historischem Interesse schienen. Aus diesem Grund mussten zunächst die Hierarchien, welche zwischen historisch Wichtigem und Unwichtigem bestanden, neu ausgelegt werden.36

31 Lerner, Frauen finden ihre Vergangenheit, S.141-142. 32 Ebd. S. 142-143. 33 Ute Frevert, Mann und Weib, Weib und Mann. Geschlechter-Differenzen in der Moderne, Wien 1995, S.9. 34 Ebd. S.10. 35 Bock, Frauengeschichte, S. 367. 36 Ebd. S.367. 10

Nach Bock haben Frauen eine andere Geschichte, als sie die Männer haben „nicht zuletzt we- gen ihrem ‚Anders„-Sein – ‚anders„ gemessen an der Geschichte von Männern […]“.37 Damit meint sie nicht, dass es sich bei der Frauengeschichte um einen „Sonderfall“ oder ein „Son- derproblem“ handelt bzw. dass ihr geringere Bedeutung zukommt, sondern dass Geschichte im Allgemeinen eher eine männerspezifische ist und die Frauengeschichte als ebenso allge- mein gelten sollte, wie es die ‚Männergeschichte„ bereits tut.38 Sie hält fest: „Die Geschichte der Frauen gleicht derjenigen der Männer darin, daß sie ebenso komplex und kompliziert ist und ebenso wenig linear, logisch und kohärent.“39 Frauen machen in etwa die Hälfte der Menschheit aus bzw. zu mancher Zeit sogar mehr als die Hälfte. Daraus lässt sich schließen, dass es problematisch ist, Frauengeschichte losgelöst von der allgemeinen Geschichte oder auch der Männergeschichte zu betrachten. Der Umkehrschluss muss daher lauten: Die allge- meine Geschichte und auch die Geschichte der Männer können nicht ohne jene der Frauen auskommen.40 Um Frauen aus ‚dem Schatten der Männer„ treten lassen zu können, wurden zwei strikt von- einander getrennte Sphären geschaffen. Einerseits war dies die Öffentlichkeit, die den Män- nern zugeschrieben wurde, andererseits war es die private Sphäre, in der die Frauen ihren Wirkungskreis fanden. Diese strikte Trennung – die in Wahrheit nie so gewesen war und sich auch aktuell nicht so gestaltet – brachte sowohl Vor- als auch Nachteile. Der größte Vorteil war wohl, dass nun die Frauen ebenfalls in den Forschungsfokus rückten. Jedoch verfestigten sich dadurch auch die vermeintlich natürlichen Geschlechtscharaktere. Durch die festen Gren- zen hatte jedes Geschlecht seinen fixen Platz erhalten: Männer nah an der Macht, Frauen weit weg davon, zwischen Kind, Herd und weiblichen Pflichten. Dadurch wurde eine Viktimisie- rung der Frauen erst möglich.41 Die Vorstellung von getrennten Sphären führte aber auch dazu, dass es zu einer Fixierung innerhalb der wissenschaftlichen Grenzen kam, sodass Frauengeschichte in fast ausschließlich weiblichen Händen lag, zum Teil noch liegt. Viele andere Historiker (und auch Historikerin- nen) setzten ihre Forschungen unbeirrt und unverändert fort, ohne auf den neuen feministi- schen Blickwinkel zu achten. Die Frauengeschichte geriet dadurch in Gefahr, eine Nischen- wissenschaft zu werden. Ausgehend von den USA wurde Mitte der 1970er Jahre deshalb eine Ersetzung der Women’s history durch eine Gender history angestrebt. Beim Namenswechsel allein sollte es nicht bleiben: Auch ein Paradigmenwechsel sollte vollzogen werden. Es ging

37 Ebd. S.368. 38 Ebd. S.368. 39 Ebd. S.369. 40 Ebd. S.372. 41 Budde, Geschlechtergeschichte, S.283-284. 11 nun vor allem darum, den Geschlechterbeziehungen nachzugehen. Das Geschlecht sollte zu einer neuen historischen Kategorie werden, so wie es die Klasse oder die Schicht bereits wa- ren.42 Von der Frauengeschichte unterscheidet sich die Geschlechtergeschichte also vor allem durch ihren komplexeren und stärker theorieorientierten Ansatz. Geschlecht wird nun zu einer Kategorie gesellschaftlicher Ordnung, Differenzierung und Hierarchisierung.43 Zunächst entbrannte allerdings eine Debatte um den Begriff „Geschlecht“, da einige Forscher und Forscherinnen die Meinung vertraten, dass Geschlecht etwas Gemachtes, durch Handeln Hergestelltes sei.44 Zudem ist die Differenz zwischen Mann und Frau nicht universal. Mann- oder Frau-sein bedeutet zu jeder Zeit und auch in jeder Kultur etwas anderes. Daher muss die Kategorie Geschlecht immer als kontextabhängig und kontextspezifisch gedacht werden.45 Letzten Endes sollte es aber nicht nur darum gehen, wie Geschlecht definiert werden kann, sondern auch, wie Menschen und vergangene Gesellschaften mit der Geschlechterdifferenz umgegangen sind und diese beschrieben haben.46 Die Herausforderungen der Geschlechtergeschichte waren allerdings nicht gerade bescheiden: Sie wollte an den Konturen kratzen und sie verändern. Frevert verweist auf das Ziel der Ge- schlechtergeschichte: „[…] vielmehr soll jenes ‚Allgemeine„ selber dekonstruiert, auf seine Geschlechterspezifik untersucht und neu zusammengesetzt werden.“47 Die Geschlechterge- schichte vermutet, dass hinter der Geschlechterdifferenz ein zentrales Strukturprinzip von Gesellschaft steckt. Diese Struktur lässt sich in vielen verschiedenen Bereichen feststellen: in der ökonomischen Produktion, der sozialen Praxis sowie in politischen und kulturellen Reprä- sentationssystemen. Wird von dieser Arbeitshypothese ausgegangen, so gibt es kein Feld his- torischen Handelns mehr, welches nicht in männlich oder weiblich unterteilt werden kann. Der „feministische Blick“ – wie es Frevert nennt – erweitert sich damit stark: Nicht mehr nur die Frauen stehen im Fokus, sondern die ganze Geschichte.48 Die Geschlechtergeschichte ver- ändert somit bisher bestehende Ordnungsschemata und Orientierungspunkte. Hierin liegt und lag die größte Herausforderung für die Geschichtswissenschaft, denn im Vergleich zur Frau- engeschichte erhebt die Gendergeschichte damit einen sehr viel radikaleren und weiter gehen- den Anspruch.49

42 Ebd. S.284-285. 43 Frevert, Mann und Weib, S.9. 44 Budde, Geschlechtergeschichte, S.285. 45 Bock, Frauengeschichte, S.373-374. 46 Budde, Geschlechtergeschichte, S.286. 47 Frevert, Mann und Weib, S.10. 48 Ebd. S.10. 49 Ebd. S.10. 12

Wissenschaftstheoretische Hilfestellung erhielt die Gendergeschichte von den Sozialwissen- schaften, der Alltagsgeschichte, der historischen Anthropologie und der Kulturgeschichte.50 Die Gendergeschichte sollte es sich aber nicht nur zum Ziel setzten, die Beziehung zwischen den Geschlechtern zu erforschen, sondern auch die Geschichte innerhalb der Geschlechter genauer zu beleuchten. Denn betrachtet man die unterschiedlichen sozialen Klassen einer Ge- sellschaft, so entstehen schon allein dadurch Unterschiede innerhalb eines Geschlechts. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder Kultur ändert das Verhältnis innerhalb der Geschlechter. Folglich ist die Situation innerhalb eines Geschlechts nie homogen.51 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Geschichte der Frauen nicht für alle dieselbe sein kann, sie hängt von vielen Faktoren wie Zeit, Kultur oder wissenschaftstheoreti- schen Positionen ab. Die Frauengeschichte und Geschlechtergeschichte kann und sollte nicht losgelöst von der restlichen, universalen Geschichte betrachtet werden, da sie alle betrifft.

2.3 Sportgeschichte Die Sportgeschichte ist eine Teildisziplin der Geschichtswissenschaft.52 Dabei beschäftigt sie sich mit allem, was in der Vergangenheit mit menschlicher Bewegung, Gymnastik sowie Tur- nen, Leibesübungen, Sport und Spiel zu tun hat.53 Der deutsche Sporthistoriker Michael Krü- ger schreibt hierzu: „Die Auffassungen über Sinn und Aufgabe von Sportgeschichte sowie über ihre Themen und Vorgehensweisen stehen auch im Zusammenhang mit der Theoriedis- kussion in der Geschichtswissenschaft allgemein.“54 Jedoch gilt, dass historische Reflexion über Sport und Bewegung uns dabei hilft zu verstehen, unter welchen Bedingungen sich die modernen Formen der Bewegungskultur einst entwickelten. Unser Handeln im Sport wird durch die Sportgeschichte genauer beleuchtet. Damit rücken auch unsere Ziele und Motive sowie die politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen, die unser Sporttreiben beein- flussen, in den Fokus.55

Besonders die historischen Untersuchungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrachte- ten die Sportgeschichte aus einem bestimmten politischen Blickwinkel heraus oder konzent- rierten sich nur auf die sportlichen Formen und ihre Organisationen sowie deren verantwortli-

50 Budde, Geschlechtergeschichte, S. 286-287. 51 Bock, Frauengeschichte, S.379-386. 52Claudio Ambrosi/Wolfgang Weber, Editorial/Editoriale, in: Geschichte und Region. Sport und Faschismen 13 (2004), Heft 1, S.5-19, hier S.5. 53 Michael Krüger, Einführung in die Geschichte der Leibeserziehung und des Sports. Teil 2: Leibeserziehung im 19. Jahrhundert. Turnen fürs Vaterland, Band 9, Schorndorf 1993, S.21. 54 Ebd. S.24. 55 Müllner, Sport- und Bewegungskulturforschung, S.60. 13 che (Gruppen-)Leiter. Diese Betrachtungsweise war wenig problemorientiert und auch nicht auf das Entdecken spezifischer Strukturen angelegt.56 Drei Bedeutungsebenen trägt der Begriff Sportgeschichte in sich. Zuerst einmal meint Sport- geschichte das vergangene Geschehen in Bewegungskulturen und Sport. Als Zweites folgt die Erforschung und Beschreibung dieses Geschehens. Als Drittes und Letztes wird damit der Prozess der Vermittlung und Popularisierung der Forschungsergebnisse gemeint.57

Die Sportgeschichte hat ihre Wurzeln nicht in der Geschichtswissenschaft, sondern beginnt in der Pädagogik und wird unter anderem mit Namen wie Johann Christoph GutsMuths und Friedrich Ludwig Jahn verbunden oder in einem weiteren Kontext auch mit Jean Jacque Rousseau. In ihren Anfängen griff die Körperkultur besonders auf die Praktiken und Gymnas- tik der alten Griechen zurück, die in diesem Bereich seit der Aufklärung eine Vorbildwirkung hatten. Aus pädagogischer Sicht beginnt die Sportgeschichtsschreibung mit der Aufklärung.58 Seit dem 19. Jahrhundert wurde sie mit pädagogischen Argumenten gestützt und hing beson- ders stark mit Fragen der Bildung und der Erziehung im Allgemeinen zusammen.59 Als eigene Disziplin wurde die Turngeschichte mit Einführung der universitären Turnlehrerausbildung institutionalisiert (Wien 1871, Graz 1873).60 Die heutige Turnlehrer- und Turnlehrerinnen- Ausbildung beinhaltet die Sportgeschichte längst nicht mehr in dem Ausmaß, wie es im 19. Jahrhundert oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war.61 Die vollständige akademische Anerkennung konnte das Fach in Österreich aber erst in der Zweiten Republik erreichen, da es erst nach 1945 zur Bildung eigener Institute kam.62 Sport als Begriff meint in dem weiten Feld der pädagogischen Sportgeschichte aber nicht nur die konkrete Ausübung von Turnen, Gymnastik, Leibesübungen etc., sondern verweist auch auf die Theorien und Debatten, welche sich mit dem Sporttreiben als Element von Erziehung und Bildung befassen.63 Laut Krüger hatte die Einheit von Theorie und Praxis der Erziehung und auch der Leibes-, Turn- und/oder Sporterziehung nicht lange Bestand „[…]vielleicht hat sie in Idealform auch nie wirklich existiert.“64 Aus diesem Grund sollte es eine zentrale Fra-

56 Krüger, Leibeserziehung, S.16. 57 Müllner, Sport- und Bewegungskulturforschung, S.60. 58 Krüger, Leibeserziehungen, S.18-22 und S.26-36. 59 Ebd. S.10-19. 60 Ernst Bruckmüller/Hannes Strohmeyer, Vorwort, in: Turnen und Sport in der Geschichte Österreichs. Schrif- ten des Institutes für Österreichkunde, hrsg. v. Ernst Bruckmüller/Hannes Strohmeyer, Wien 1998, S.4-5, hier S.4-5. 61 Krüger, Leibeserziehungen, S.10-19. 62 Bruckmüller/Strohmeyer, Vorwort, S.5. 63 Krüger, Leibeserziehungen, S.19. 64 Ebd. S. 20. 14 gestellung der Sportgeschichte sein, wie sich das Verhältnis zwischen praktischem sportli- chem Handeln, der Entwicklung von Leibesübungen und dem Sport selbst entwickelte und gestaltete.65 Sportgeschichte ist immer auch ein Stück Bildungsgeschichte, in der es um For- men und Inhalte des praktischen Sporttreibens genauso geht, wie um die pädagogischen Dis- kussionen, die zum Thema geführt wurden.66 Historisch gesprochen gibt es Sport seit dem 19. Jahrhundert, davor wurde allgemein von Gymnastik, Turnen, Leibesübungen oder Spiel gesprochen. Aus kulturhistorischer bzw. kul- turanthropologischer Sicht ist allerdings klar, dass Menschen zu allen Zeiten und in allen Ge- bieten, in denen sie verbreitet waren, Körperübungen betrieben und sich mit verschiedenen Spielen die Zeit vertrieben.67 Der Begriff ‚Sport„ fiel im deutschen Sprachraum erstmalig 1828. Die damaligen Zeitgenos- sen verstanden unter Sport allerdings nur den Englischen Sport. Dieser entwickelte sich in England während des 18. und 19. Jahrhunderts. Er unterschied sich von früheren Formen der Leibesübungen durch die Prinzipien der (formalen) Chancengleichheit, Leistung, Konkurrenz und Rekord sowie durch wachsende Rationalisierung, präzise Normierung und Bürokratisie- rung. Der Englische Sport verbreitete sich aufgrund der globalen Stellung des British Empire schnell weltweit. Es kam zu einer Annäherung von Deutschem Turnen, Schwedischer Gym- nastik und Englischem Sport. Gilbert Norden ist der Meinung, dass dabei der Englische Sport diese Annäherung, die seiner Meinung nach eine Verschmelzung war, dominierte. Gleichzei- tig wurde auch das Begriffsverständnis von Sport erweitert.68

Ambrosi und Weber historisieren Sportgeschichte folgendermaßen: „Trotz dieser langen Tra- dition der Sportgeschichte war die Geschichte von Körperkultur und Sport für die Ge- schichtswissenschaft selbst lange Zeit ein nicht forschungswürdiger Untersuchungsgegens- tand.“69 Die Ursache dafür kann vor allem darin festgemacht werden, dass die Sportgeschich- te nicht in einer historischen Disziplin ihren Anfang nahm, sondern in der Pädagogik. In der Sportwissenschaft selbst wurde die Sportgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr durch neuere Fachdisziplinen, wie etwa Trainingslehre, Biomechanik etc. verdrängt. Dafür können besonders zwei Gründe genannt werden: Einerseits wurden universitäre Arbeitsplätze

65 Ebd. S.20 66 Ebd. S.23. 67 Ebd. S.21 68 Gilbert Norden, Breitensport und Spitzensport vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, in: Turnen und Sport in der Geschichte Österreichs. Schriften des Institutes für Österreichkunde, hrsg. v. Ernst Bruckmüller/Hannes Strohmeyer, Wien 1998, S.56-85, hier S.56. 69 Ambrosi/Weber, Editorial, S.8. 15 nach der Emeritierung von Sporthistorikern durch Wissenschaftler der neueren sportwissen- schaftlichen Fachrichtungen, wie es etwa Biomechanik war, neu besetzt; andererseits wurde die Sportgeschichte in den Studienplänen ab den 1960ern zu einem Wahlfach. Dabei konnte sie sich längst nicht der Beliebtheit anderer Fachdisziplinen erfreuen.70 Heutzutage ist die Sportgeschichte einerseits ein Teil der Sportwissenschaft, andererseits auch ein Gegenstand der allgemeinen Geschichte. Sie wird aber auch interdisziplinär betrieben, rezipiert und integ- riert. Ein Charakteristikum der Sportgeschichte ist die Tatsache, dass zahlreiche journalisti- sche Darstellungen existieren und das Thema zudem verstärkt in Ausstellungen und Museen aufgegriffen wird.71

In der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges wurde die Sportgeschichte – besonders auch im NS-Staat – zu einer essentiellen Basis für neue ideologisch legitimierte

Körper- und Leistungskonzepte. Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren vor allem von einem Kampf um die akademische Vollanerkennung des Faches Sportwissenschaft be- stimmt.72 Schließlich wandte sich die Sportwissenschaft von der Sportgeschichte ab. In der Folge griff die allgemeine Geschichte die Thematik immer mehr auf. Durch die Aufarbeitung des Natio- nalsozialismus in den 1950er Jahren – die in der BRD begann – wurde die Sportgeschichte endlich wahr- und auch ernst genommen. Über die Politikgeschichte gelang der Sportge- schichte der Durchbruch als eigenständige historische Disziplin. In Österreich kam er aller- dings nicht so schnell, wie es in Deutschland der Fall war. Erst in den 1970ern wurde die Sportgeschichte – vor allem durch den an der Universität Wien tätigen Historiker Hannes Strohmeyer – wissenschaftlich und institutionell etabliert.73

Müllner schreibt über die Funktion der Sportgeschichte: „Die Vergangenheit dient heute nicht mehr selbstverständlich als ‚Lehrerin für das Leben„, sondern vielmehr zum besseren Ver- ständnis der Gegenwart zur Analyse von Identität. Zu diesen Funktionen bekennt sich auch die Historie des Sports.“74 Mittlerweile ist die Sportgeschichte laut Rudolf Müllner eine hete- rogene und oftmals von Einzelinitiativen geprägte Forschungslandschaft, in der viele Metho- den zum Einsatz kommen und zahlreiche Inhalte aufgegriffen bzw. behandelt werden.75

70 Ebd. S.8-9. 71 Müllner, Sport- und Bewegungskulturforschung, S.60. 72 Ebd. S.61. 73 Ambrosi/Weber, Editorial, S.9-10. 74 Bruckmüller/Strohmeyer, Vorwort, S.5. 75 Müllner, Sport- und Bewegungskulturforschung, S.61. 16

Frau und Sport In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden im deutschen Sprachraum die ersten prakti- schen und theoretischen Versuche unternommen, auch Mädchen eine körperliche Erziehung zukommen zu lassen. Dadurch sollte sich vor allem die sogenannte Wehrhaftigkeit des deut- schen Volkes verbessern. In der wilhelminischen Ära galt, dass Starke nur von Starken gebo- ren werden können. Zudem sollte die Gymnastik dazu beitragen, dass die Bewegungen der Mädchen an Reiz und Anstand gewinnen. Weiters sollte die Schönheit der weiblichen Körper- formen hervorgehoben und verbessert werden sollten.76 Mädchen- und besonders Frauenturnen hatten zahlreiche Gegner, da die Angst vor sittlichem Zerfall und einer Vermännlichung sehr groß war. Die Ausbildung von sogenannten ‚männli- chen„ Eigenschaften – wie etwa Durchsetzungsfähigkeit, Mut oder Selbstständigkeit – gefähr- deten die zur damaligen Zeit propagierte ‚natürliche„ Rangordnung der Geschlechter. Erst die sozioökonomischen Veränderungen Ende des 19. Jahrhunderts, die die zweite Industrielle Revolution mit sich brachte – ein großer Teil der Frauen arbeitete mittlerweile ebenfalls in Fabriken – mit denen sich auch die Stellung der Frau veränderte, führten zu einem leichten Umdenken. Durch die jetzt offensichtliche Doppelbelastung, der Frauen ausgesetzt waren, erschien es gesellschaftlich akzeptabel, dass sie auch zuvor männliche Eigenschaften besitzen mussten. Mut, Kraft und Ausdauer zählten nun in Maßen auch zu den weiblichen Eigenschaf- ten, solang die weibliche Grazie dadurch nicht verloren ging.77 Trotzdem bestanden weiterhin viele Vorurteile und Mythen, wonach der Sport einen ungünstigen Einfluss auf den weibli- chen Körper, den Geburtsverlauf oder den Geist der Frau habe. Besonders männliche Gynä- kologen plädierten dafür, dass Frauen auf keinen Fall zu viel oder zu hart Sport treiben dürf- ten, da ansonsten die Muskulatur zu straff oder das Becken zu eng werden könne. Viele Ärz- tinnen traten dagegen auf und wiesen in zahlreichen Untersuchungen und Studien nach, dass von einem ungünstigen Einfluss auf den weiblichen Körper nicht die Rede sein konnte.78 Annemarie Knopp schrieb 1927, dass es die Aufgabe des Sportes sein müsse, die Trennung und Entfremdung der Geschlechter zu vermindern. Sie vertrat die Meinung, dass durch den Sport die Geschlechter auf der Basis reiner Menschlichkeit wieder näher zusammenrücken könnten. Die Frau solle Freiheit und Individualität erreichen und nicht mehr länger ein unter- drücktes Individuum sein.79

76 Gertrud Pfister, Frau und Sport. Die Frau in der Gesellschaft. Frühe Texte, Frankfurt am Main 1980, S.16-17. 77 Ebd. S.17-21. 78 Ebd. 35-36. 79 In: Gertrud Pfister, Frau und Sport. Die Frau in der Gesellschaft. Frühe Texte, Frankfurt am Main 1980, S.69. 17

Trotzdem blieben Frauen im Sport lange Zeit eine Minderheit, nach dem Zweiten Weltkrieg machten sie nur etwa 10% der Sportaktiven aus.80

Laut Pfister herrscht in der Sportwissenschaft ein starker Androzentrismus – besonders viele (männliche) Wissenschaftler konzentrieren sich auf die Sportpraktiken und -erfahrungen von Männern. Ihrer Meinung nach ist das Interesse am Männersport größer, als es aufgrund der Geschlechterverteilung im Gesamtsystem zu erwarten wäre. Frauen würden dadurch am Maß- stab männlicher Verhaltensmuster beurteilt. Sporttreibende Frauen wurden für die Sozial- und Verhaltenswissenschaften erst gegen Ende der 70er und Beginn der 80er Jahre des 20. Jahr- hunderts zu einem Gegenstand der Forschung gemacht. Nicht zuletzt kann dieses steigende Interesse auf die wachsende Anzahl von Frauen im Freizeit- und Leistungssport zurückgeführt werden.81 Trotzdem scheint es, als wäre das Thema ‚Mann und Sport„ salonfähiger als ‚Frau und Sport„. 82

Das von Knopp 1927 angesprochene Thema – die Geschlechterdualität – blieb und bleibt bis in die Gegenwart aktuell. Inwieweit Sport einen Beitrag zur Aufrechterhaltung oder Verände- rung von Rollenbildern liefert, scheint wissenschaftlich vollständig geklärt zu sein.83 Heutige Frauen und Mädchen können aus einem breiten Angebot von Sportarten wählen, auch solche, die bis dato mit einem männlichen Charakter besetzt waren. Trotzdem sind laut Pfister Frauen nicht in vollem Maße mit gleichen Rechten am Sport beteiligt, wie es Männer sind. Gerade im Leistungssport hinken Frauen ihren männlichen Kollegen in vieler Hinsicht hinterher: Etwa bei finanziellen Förderungen, Trainer und Trainerinnen, wie auch bei der Medienpräsentati- on.84 Dass sich diese Thematik bis weit in die Gegenwart zieht, zeigt die aktuelle Debatte um die Damenfußballteams. Ihr Gehalt ist in den seltensten Fällen gleich hoch wie jener der männlichen Fußballspieler.85 Doch auch die soziale und ethnische Herkunft spielt bei den Chancen für Frauen im Sport eine zentrale Rolle.86

80 Gertrud Pfister, Sport im Lebenszusammenhang von Frauen. Ausgewählte Themen, Köln 1999, 81 Ebd. S. 15-16. 82 Ebd. S.21. 83 Ebd. S.21. 84 Ebd. S.16 85 Vgl. hierzu: derStandard.at, Streit um Geld eskaliert: Dänemarks Frauen sagen WM-Quali-Spiel ab, 18.10.2017, [http://derstandard.at/2000066251260/Streit-eskaliert-Daenemark-sagt-WM-Quali-Spiel- ab?ref=rec], eingesehen am 05.11.2017. 86 Pfister, Sport im Lebenszusammenhang von Frauen, S.17. 18

Nach Pfister verändern sich die Frauenbilder und Frauenrollen, sie „werden inner- und außer- halb des Sports in dem Maße differenziert, in dem Frauen Zugang zu traditionell männlich definierten Sportarten erhalten.“87 Die Kategorie Geschlecht kam in den 1970er Jahren in der Sportgeschichte auf. Forciert wur- den zu dieser Zeit Aufarbeitungen der fehlenden Perspektive ‚Frau im Sport„. Häufig wurden dafür eigene Kapitel „Die Frau in…“ geschrieben. Immer wieder wurden Frauen dabei als Abweichung der Norm ‚Mann„ beschrieben und defizitär dargestellt. Ein Meilenstein konnte durch die Errichtung der Kommission Frauenforschung innerhalb der deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft im Jahr 1991 erreicht werden. 2004 wurde diese dann in Geschlechter- forschung umbenannt.88

3 Flugsport Der Flugsport kann in zwei Bereiche eingeteilt werden, welche unterschiedlichen Prinzipien der Beherrschung von Luft zum Fliegen folgten. Zum einen galt das Prinzip „Leichter als Luft“. Hierzu zählen Heißluftballone und Zeppeline oder auch sogenannte Gleiter. Zum ande- ren wurde am Modell „Schwerer als Luft“ gearbeitet. Darunter fällt der Motorflug. Dass die Menschheit lange vom Fliegen träumte, beweisen Mythen und Legenden, wie jene des Ikarus und des Dädalus. Zunächst versuchten viele zu ‚Fliegen wie ein Vogel„. Einige Männer kletterten, um zu fliegen, auf einen hohen Turm und sprangen mit Tüchern, die den Schwung abfangen sollten, nach unten. Sie gingen als Turmspringer in die Geschichte ein. Solche Turmspringer lassen sich bereits früh nachweisen. Zur selben Zeit lassen sich aber auch schon Skizzen von Flugmaschinen finden. Jene des Leonardo da Vinci sind die Bekann- testen. 1670 entwarf der Jesuitenpater Francesco de Lana das erste Luftschiff. Dieses sollte durch Kugeln, in denen ein Vakuum herrschte, getragen werden. Die Versuche es zum Flie- gen zu bringen, scheiterten jedoch. Allerdings war dieser erste Versuch, eine Maschine herzu- stellen, die leichter als Luft war, eine Inspiration für andere Menschen, ebenfalls zu versuchen 89 ein flugfähiges Gerät herzustellen.

3.1 Leichter als Luft Dieses Prinzip findet im Entwurf des Jesuitenpaters Francesco de Lana seine erste überlieferte Erwähnung. Die Geschichte der Erfindung der Ballone ist eine sehr bewegte. Die ersten be-

87 Ebd. S.276. 88 Rosa Diketmüller, Frauen- und Geschlechterforschung im Sport, in: Sport Studies, hrsg. v. Matthias Mar- schik/Rudolf Müllner/Otto Penz/Georg Spitaler, Wien 2009, S.259-261, hier S.259. 89 Reg G. Grant, Fliegen. Die Geschichte der Luftfahrt, London/New York/München/Melbourne/Delhi 2008, S.10-11. 19 mannten Aufstiege lassen sich für das 18. Jahrhundert nachweisen und werden den Gebrüdern Montgolfier sowie dem Physiker Jacques Alexandre Cesar Charles in Frankreich zugeordnet. Der Siegeszug der Ballone begann recht schnell, genauso wie ihr Fall. Bereits in den Napole- onischen Kriegen wurden Ballone gezielt als militärische Waffe eingesetzt. Auch noch im Ersten Weltkrieg wurden Fesselballone90 bis zum Auftreten der motorisierten Flugzeuge als Waffe verwendet. Mit dem Flugzeug wurde der Ballon schrittweise verdrängt. Erst gegen Ende der 1860er setzte eine unerwartete Renaissance der Ballone ein. Zunächst aber machte der Ballon mit der Erfindung von steuerbaren Luftschiffen noch einmal von sich reden. Die Renaissance gelang jedoch erst mit größeren Luftschiffen und Zeppelinen, wobei sie keine Konkurrenz für den ‚gewöhnlichen„ Luftverkehr waren, sondern eine Ergänzung.91

Der Jesuit Bartholomeo Laurenzo de Gusmão war der Erste, dem ein Aufstieg – wenn auch nicht besonders hoch, weit oder lang – gelang. Er führte dem König von Portugal 1709 seinen unbemannten Heißluftballon vor. Seine Erfindung prallte nach einem kurzen Aufstieg gegen eine Wand und ging am Boden in Flammen auf. Trotzdem ging dieser, nicht ganz geglückte, Versuch als erster unbemannter Ballonaufstieg in die Geschichte der Menschheit ein.92 Am 4. Juni 1783 kam es schließlich zu einem weiteren erfolgreichen Versuch eines Ballon- aufstiegs. Die Brüder Joseph Michael und Jaques Etienne Montgolfier ließen am Marktplatz von Annonay eine Ballonhülle, die sie aus Papier und Leinwand hergestellt hatten, mittels eines Strohfeuers in die Lüfte entschweben. Der Ballon legte eine Strecke von etwa 2,5 Kilo- meter zurück und erreichte eine Höhe von ungefähr 1.800m. Nach einigen Monaten ließen die Brüder einen weiteren Heißluftballon aufsteigen: Dieses Mal befestigten sie an der Unterseite jedoch einen Weidenkorb, in dem sich je nach Quelle ein Schaf, ein Huhn bzw. ein junger Hahn und eine Ente befanden.93 Auch dieser Aufstieg war erfolgreich. Noch im selben Jahr wurde der erste bemannte Versuch gestartet. Aus Sicherheitsgründen wurde der Ballon jedoch mit einem Seil am Boden befestigt, damit er nicht unkontrolliert in den Luftraum entschwe- ben konnte. Der 26-jährige Jean-Francois Pilâtre de Rozier war der erste Mensch, der mit ei- nem Heißluftballon aufstieg. Nachdem dieser Versuch ebenfalls geglückt war, stieg Jean-

90 Ein Fesselballon wird mit Drahtseilen am Erdboden befestigt, damit er an einem bestimmten Ort gehalten werden kann. (Duden online, Fesselballon, [https://www.duden.de/rechtschreibung/Fesselballon], eingesehen am 12.01.2018.) 91 Tanja Chraust, Das Innsbrucker Flugwesen. Von seinen Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, Innsbruck 2004, S.16-19. 92 Ebd. S.16. 93 Vgl. hierzu: Tanja Chraust, Das Innsbrucker Flugwesen, von seinen Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, Innsbruck 2004, S.16 und Ivan Rendall, Griff nach dem Himmel. Das Abendteuer der Fliegerei, Köln 1990, S. 12 oder auch Gabriele Metz, Warum ist der Himmel blau? Pilotinnen – ein Silberstreif am Hori- zont, Sulzbach/Taunus 2013, S 16. 20

Francois am 21.November 1783 erneut auf, diesmal ohne Seil. Als Begleitung nahm er den Marquis d„ Arland mit. Nach ungefähr neun Kilometern und 25 Minuten in der Luft landeten beide unverletzt östlich von Paris auf der Erde.94 Zur selben Zeit wie die Gebrüder Montgolfier versuchte auch der französische Physiker Jacques Alexandre Cesar Charles einen funktionierenden Ballon herzustellen. Im Gegensatz zu den Montgolfiers sah er die Zukunft allerding in einem mit Wasserstoff gefüllten Ballon. Der Vorteil des von Charles genutzten Systems lag darin, dass der Ballon lediglich ein einzi- ges Mal befüllt werden musste, während der Heißluftballon der Montgolfiers eine ständige Hitzezufuhr benötigte, um nicht an Höhe zu verlieren. Ebenfalls 1783, nur zwei Monate nach den Montgolfiers, landete ein Gasballon des Physikers sicher nach einer Strecke von etwa 24 Kilometern. Nach diesem Erfolg wagte er sich selbst – mit einer Begleitung – am1. Dezember desselben Jahres in die Luft. Auch dieser Flug war erfolgreich und konnte sogar einen Entfer- nungs- und Zeitvorsprung gegenüber dem Heißluftballon der Montgolfiers verbuchen.95

Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts kristallisierte sich die Überlegenheit des mit Wasserstoff gefüllten Ballons immer klarer heraus. Zum einen war die Brandgefahr des bemannten Was- serstoffballons geringer als jene der Heißluftballone. Zum anderen war seine Leistungsfähig- keit höher. Obwohl beide Prinzipien noch Mängel aufwiesen, erfreuten sie sich großer Be- liebtheit. Deshalb blieb Ballonfahren auch kein Hobby der französischen Oberschicht, son- dern fand als Sport bald auch Anhänger in anderen europäischen Staaten. Zunächst ebenfalls nur in der Oberschicht, der Trend breitete sich aber auch in die mittleren Schichten aus.96 In der Habsburgermonarchie ließ der aus Graz stammende Buchdrucker Alois Widmannstet- ter im Jänner 1784 in Wien einen unbemannten Heißluftballon aufsteigen. Noch im Juli des- selben Jahres ließ der Lustfeuerwerker Johann Georg Stuwer, ebenfalls in Wien, einen be- mannten Ballon auf eine Höhe von 150m steigen. Beide Ballone waren jedoch mit einem Hal- teseil fixiert worden, damit sie nicht vom Wind davongetragen wurden. Sowohl Widmannstet- ter als auch Stuwer können als Pioniere der habsburgischen bzw. österreichischen Luftfahrt angesehen werden, waren es doch ihre Versuche, welche die Monarchie bzw. Österreich in die Luftfahrt einsteigen ließen.97

94 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.16. 95 Ebd. S.16-17. 96 Ebd. S.17. 97 Ebd. S.17. 21

Bereits nach kurzer Zeit wurde der Ballon zu einer militärischen Waffe. Erstmals nutzte ihn Frankreich während der Napoleonischen Kriege.98 Er wurde von der französischen Armee zur Beobachtung des Artillerieschießens verwendet. Allerdings löste Napoleon fünf Jahre nach dem ersten Einsatz des Ballons im Krieg seine Luftstreitkräfte – welche die ersten der Welt gewesen waren – wieder auf.99Im Laufe des 19. Jahrhunderts legten sich zahlreiche Armeen Balloneinheiten zu. In der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs spielte der Ballon noch eine größere Rolle, doch bereits in der zweiten Hälfte wurde er vom Flugzeug verdrängt. Erst im 20. Jahrhundert gelang ihm dann, besonders in Form von Zeppelinen, ein Comeback als Fracht- und Touristentransportmittel.100

Während des Siegeszugs der Ballone arbeitete der Franzose Henri Giffard daran, sie auch steuerbar zu machen.101Bis dahin waren die Ballone nicht dem Willen des Menschen, sondern dem der Natur unterworfen. Durch die Fortschritte, die im Bereich des Antriebes gemacht wurden, konnte auch daran gearbeitet werden, Ballone steuerbar zu machen.102Am 24. Sep- tember 1852 gelang es Giffard schließlich ein teilweise lenkbares Luftschiff in Paris vorzu- stellen. Er legte bei diesem Versuch eine Strecke von 28 Kilometern zurück. 1884 stellte Frankreich erneut seine führende Rolle in der Luftfahrt unter Beweis. Charles Renard und Athur H. C. Krebs stellten das Luftschiff „La France“ vor, welches ohne Rücksicht auf den Wind in jede beliebige Himmelsrichtung fliegen konnte. Wegweisend waren auch die Ent- würfe des gebürtigen Brasilianers Alberto Santos-Dumont, der 1901 mit einem Luftschiff die Stecke von St. Cloud nach Paris, was etwa 13km entspricht, bewältigte.103 Seine Leidenschaft galt dem Fliegen, er entwarf insgesamt 18 Luftschiffe, bevor er sich den Motorflugzeugen zuwandte.104 Eine führende Rolle in der Konstruktion von Luftschiffen spielte außerdem das II. Deutsche Kaiserreich. 1875 entwarf Paul Haenlein das erste deutsche Starrluftschiff. Als Vater aller Luftschiffe ging jedoch Ferdinand Adolf August Heinrich Graf von Zeppelin in die Geschich- te ein.105 Seinen ersten Erfolg konnte er 1906 mit dem Luftschiff LZ 3 verbuchen. Nach eini- gen Jahren konnte mit den Zeppelinen 1910 der Handelsluftschiffverkehr in Deutschland auf-

98 Ebd. S.17. 99 Riccardo Niccoli, Luftfahrt. Menschen, Mythen und Maschinen. Die Geschichte des Fliegens, München 2013, S.16. 100 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.17-19. 101 Ebd. S.17-18. 102 Niccoli, Luftfahrt, S.24. 103 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.18. 104 Niccoli, Luftfahrt, S.24. 105 Ebd. S.26. 22 genommen werden. In den ersten vier Jahren wurden 27 773 Passagiere auf einer Gesamtstre- cke von 273 600 Kilometern ohne Schaden befördert. Durch diesen Triumph zählt Zeppelin heute zu den Begründern der kommerziellen und zivilen Luftfahrt. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs fand seine Erfindung als Bombenträger auch militärisch Verwendung.106 Die oben genannten Vertreter wandten unterschiedliche Bauweisen bei ihren Luftschiffen an. Generell können drei Typen unterschieden werden. Zunächst einmal die sogenannten Prall- Luftschiffe. Sie erhalten ihre Form allein durch den Innendruck der Gasfüllung. Die zweite Kategorie ist jene der Halbstarrluftschiffe. Diese konnten ihre Form aufgrund des Gasdrucks und eines zusätzlichen Metallbalkens unterhalb der Ummantelung beibehalten. Die dritte und letzte Kategorie, welche in dieser Zeit gebaut wurde, war jene der Starrluftschiffe. Unter ihrer Außenhülle befand sich ein komplettes Metallgerüst, das zur Stabilisierung beitrug. Nur mit dieser Struktur konnten auch größere Luftschiffe gebaut werden.107 Die Kategorie der Starrluftschiffe machte sich auch Zeppelins Nachfolger, sein engster Mitar- beiter Dr. Hugo Eckner, zunutze. Er führte Zeppelins Lebenswerk nach dessen Tod 1917 wei- ter. Trotz des Friedensvertrags von Versailles, der die Möglichkeiten der deutschen Luftfahrt stark beschnitt, gelang es Eckner, den Luftschiffverkehr wieder aufzubauen. Mit dem Flug eines Luftschiffs über den Atlantik nach Lakehurst bei New York im Jahr 1924 setzte ein er- neuter Siegeszug ein. Schließlich wurde ein regelmäßiger Linienflugverkehr nach Südamerika eingerichtet. Die Modelle wurden ständig vergrößert. Den Höhenpunkt fanden die deutschen Zeppeline schließlich in der 245m langen Hindenburg, die 1936 ihren Dienst als Linienflug- schiff von Frankfurt nach New York aufnahm. Bereits 1937 kam es jedoch zu einem katastro- phalen Unfall über Lakehurst: Die Hindenburg ging aufgrund eines Manövrierfehlers inner- halb weniger Sekunden in Flammen auf. Dabei kamen 36 Menschen ums Leben. Dieser Un- fall war folgenschwer. Er führte zum Ende der zivilen Luftschiffart. Ein weiterer Grund war jedoch auch, dass sich in der zivilen Luftfahrt bereits eine Veränderung der Luftschiffe durch motorisierte Flugzeuge abzeichnete. Heute dienen Ballone und Luftschiffe vor allem als Frachtträger und zum Touristentransport, somit sind sie eine Ergänzung zum gewöhnlichen Luftverkehr und keine Konkurrenz.108

3.2 Schwerer als Luft Im 19. Jahrhundert waren Luftfahrzeuge, die diesem Prinzip folgten, von schwingenförmigen Flügeln geprägt. Da eine Antriebskraft noch fehlte, musste auf diese Flügelart zurückgegriffen

106 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.18 107 Nicolli, Luftfahrt, S.24. 108 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.18-19. 23 werden. Außerdem mussten kurze, recht unkontrollierte Sprünge in die Luft unternommen werden, um überhaupt ein Stückchen schweben zu können. Erst mit dem Beginn des 20. Jahr- hunderts und der Erfindung von Motoren konnten ‚richtige„ Flüge unternommen werden.109

3.2.1 Anfangsjahre bis zum Ersten Weltkrieg Es war der Engländer George Cayley, der zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert entschei- dend zur Weiterentwicklung der Flugtechnik beitrug. Bereits 1799 vermutete er, dass sich eine Flugmaschine nur durch Einzelteile, welche die Auf- und Antriebsfähigkeit garantierten, fliegen lassen könnte. Er entwickelte – ohne die Ideen da Vincis genauer zu kennen – ein re- volutionäres Konzept: Das Prinzip „Schwerer als Luft“.110 Durch ihn wurde ein erster theore- tischer Grundstein gelegt.111 Beflügelt von der Industriealisierung versuchten einige Erfinder ihre Flugmodelle durch Dampfmaschinen anzutreiben. Eine der herausragendsten Konstrukti- onen war jene des Engländers William Samuel Henson. Seine Aerial Steam Carraige wurde jedoch nie gebaut und das dazu entwickelte Modell konnte nicht fliegen. Zwar waren die wichtigsten Grundlagen – auch durch die Forschungen Cayleys – vorhanden, allerdings war die Dampfmaschine, die als Antrieb genutzt wurde, zu schwer.112 Da sich das Problem mit dem Motor nicht ohne weiteres lösen ließ, arbeiteten viele Erfinder weiter am Auftriebsproblem. Einer dieser Forscher war der deutsche Otto (von) Lilienthal. Bereits mit 15 Jahren baute er sein erstes Modell, das jedoch nicht flugfähig war. Seine Lei- denschaft behielt er sich bei, jedoch konnte er sie erst mit dem Eintritt in den Ruhestand rich- tig ausleben. Er baute Gleitflugzeuge, welche den Auftrieb bestmöglich auszunutzen versuch- ten.113 Zunächst konzentrierte er sich auf den Vogelflug und veröffentlichte hierzu auch Stu- dien, wie z.B. Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst, die zum Klassiker wurden.114 1892 begann er dann strahlenförmige Segelflächen und Doppeldecker zu entwerfen, da diese leichter zu steuern waren. Mit einem seiner Modelle stürzte er jedoch 1896 tödlich ab. Seine über zweitausend Gleitflüge waren jedoch eine große Inspiration für zahlreiche andere Pionie- re.115 Wer nun der erste Pionier war, dem es tatsächlich gelang, einen Flug durchzuführen, scheint in der Forschung nicht immer ganz unstrittig zu sein. Die Gebrüder Wright gelten gemeinhin

109 Ebd. S.19. 110 Niccoli, Luftfahrt, S.18. 111 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.19. 112 Wolfgang Behringer/Constance Ott-Koptschalijski, Der Traum vom Fliegen. Zwischen Mythos und Technik, Frankfurt am Main 1991, S.382. 113 Niccoli, Luftfahrt, S.19. 114 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.19. 115 Niccoli, Luftfahrt, S.19-20. 24 als die Ersten, die es schafften, mit einer Flugmaschine, die dem Prinzip „Schwerer als Luft“ folgte, einige Meter über der Erde zurück zu legen. Gelegentlich wird aber auch der Name Gustav Weißkopf genannt, dem es bereits 1901 gelungen sein soll, den ersten motorisierten Flug der Menschheitsgeschichte durchzuführen.116 Gustav Weißkopf war angeblich ein Mitarbeiter Otto Lilienthals, der aus Deutschland stamm- te, und nach Lilienthals Tod in die USA ausgewandert war. Laut Chraust gelang es ihm am 14. August 1901 in Connecticut einen Motorflug durchzuführen. Damals wurde in einigen Zeitungen über seinen Erfolg berichtet, jedoch gerieten seine Leistungen nach Chrausts An- sicht durch die Leistungen der Gebrüder Wright in Vergessenheit.117 Andere Wissenschaftler sehen die Flüge Weißkopfs wesentlich kritischer. Ihrer Meinung nach fehlen Beweise dafür, dass seine Flugmaschine tatsächlich abgehoben sei. Auch die 1985 und 1998 durchgeführten Versuche, einen Nachbau der Maschine Weißkopfs zum Fliegen zu bringen, was auch funkti- onierte, da andere Motoren verwendet wurden, änderten ihrer Meinung nach nichts daran. Denn der Motor, den Weißkopf für sein Modell benutzt habe, sei nie für andere Flugmaschi- nen eingesetzt worden. Die überlieferten technischen Details lassen ihrer Meinung nach nicht auf eine Flugfähigkeit schließen.118 Die Brüder Orville und Wilbur Wright führten ihren erfolgreichen Motorflug im Jahr 1903 durch, hierfür wurden zahlreiche Beweise gefunden.119 Die Wrights nutzten für ihre Flugma- schinen keine Dampfmaschine mehr, sondern einen Verbrennungsmotor, den sie in Zusam- menarbeit mit einem Mechaniker herstellten, da sie von der Automobilindustrie keine Unter- stützung bekamen. Inspiriert und unterstützt wurden sie auch durch den Forscher Octave Cha- nute, der in Paris geboren worden und bereits mit sechs Jahren mit seinem Vater in die USA ausgewandert war.120 Die Wrights trieben die Entwicklungen und Verbreitung der Fliegerei stark voran, obwohl sie ihre Erfolge zuerst so gut wie möglich geheim zu halten versuchten. Aus Europa kam aber bald schon die Nachricht, dass einige Pioniere sich bemühten, es ihnen gleich zu tun.121 Tatsächlich waren die Franzosen die größte Konkurrenz für die Brüder. Mit den Erfolgen der Montgolfiers im Bereich „Leichter als Luft“ glaubten viele französische Flieger, sie wären die „natürlichen Führer der weltweiten Fliegerei“122. Einige Franzosen ver-

116 Vgl. hierzu: Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S. 19./Niccoli, Luftfahrt, S.20 und S.38./Grant, Fliegen, S.20. sowie Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.17. 117 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.19. 118 Werner Schwipps/Hans Holzer, Flugpionier Gustav Weißkopf. Legende und Wirklichkeit, Oberhaching 2001, S.72 und S.94-97. 119 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.17. 120Niccoli, Luftfahrt, S.20 und S.38-39. 121 Ebd. S.40. 122 Grant, Fliegen, S.29. 25 suchten deshalb, die Erfolge der Wrights klein zu reden. Obwohl die Wrights zu diesem Zeit- punkt schon Darstellungen der Tragflügelverwindung veröffentlicht hatten, sah kein französi- scher Enthusiast die Notwendigkeit, eine Rollsteuerung zu installieren. Die meisten Pioniere waren selbst betuchter oder hatten Sponsoren, die ihnen ihre Erfindungen finanzierten. Die Leistungen der Wrights konnte jedoch keiner der Franzosen überbieten.123 Schließlich kam für die Gebrüder Wright aus Frankreich das Angebot, ihre Flugzeuge öffent- lich vorzustellen. Wilbur Wright übernahm diese Aufgabe, während Orville in den USA bei der Armee Vorführungen leitete. Wilbur gründete schließlich nahe Bordeaux die erste Pilo- tenschule der Welt. Zusammen mit seinem Bruder setzte er schließlich seine Europatour fort. Gemeinsam gründeten sie die Wright Company, unter deren Namen sie ihre Flugmaschinen herstellten und verkauften. Ihre Flyer Model A wurde zum ersten Serienexemplar und gleich- zeitig auch zum ersten Militärflugzeug der Welt.124 Der Siegeszug der motorisierten Flugmaschinen begann nach den Vorführungen Wilbur Wrights 1908 in Europa. Erst damit wurde das Echo in der Weltpresse größer und das Interes- se der Bevölkerung stieg an.125 In Europa war die Bewunderung für die Flüge der Wright Brüder größer, als in den USA bzw. ganz Amerika. Viele Europäer und Europäerinnen waren von den Flugversuchen fasziniert und versuchten ebenfalls Maschinen zu bauen, die fliegen konnten. Daher war Europa beim Ausbau der Fliegerei auch ausschlaggebend. In Frankreich gab es sofort mehrere Konstruk- teure, die sich ebenfalls mit den Gleitversuchen Lilienthals auseinandersetzten. Unter ande- rem waren das Blériot, Ferber oder auch Santos-Dumont, der bereits mit Ballonen und Luft- schiffen experimentiert hatte. Aber auch viele andere Männer versuchten, es den Gebrüdern Wright gleich zu tun und ein motorisiertes Flugzeug zu entwerfen.126 Alberto Santos-Dumont war es schließlich, der 1906 – also noch vor den Vorführungen der Wright Brüder in Europa – den ersten kontrollierten Motorflug in Europa durchführen konnte.127 Bereits ab 1909 wurden große Flugwettbewerbe, in der Regel mit einem beachtlichen Preisgeld, ausgeschrieben. Einer dieser Wettbewerbe wurde von der Daily Mail organisiert: Wer als Erster den Ärmelkanal überquerte, sollte dafür 25 000 Francs erhalten. Der Franzose Blériot, welcher zuvor vor al- lem für seine Abstürze bekannt geworden war, konnte das Wettrennen knapp vor dem Briten Hubert Latham für sich entscheiden.128 Mit diesem Flug wurde unter Beweis gestellt, dass

123 Ebd. S. 28-29. 124 Niccoli, Luftfahrt, S.40. 125 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.20. 126 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.399. 127 Niccoli, Luftfahrt, S.42. 128 Ebd. S.43-46. 26

Flugzeuge nicht mehr nur Luftsprünge machten, sondern auch weitere Flugstrecken bewälti- gen konnten. Die Bemühungen um einen Aufbau eines regelmäßigen Postflugdienstes wuch- sen an. Auch spielten die Ersten mit dem Gedanken, einen Linienflugverkehr zu entwickeln, da die Sicherheit der Maschinen stetig anwuchs.129 Doch nicht nur solche Flugwettbewerbe zogen Massen von Menschen an, sondern auch Flugwochen, Flugschauen oder Flugmeetings. Zudem konnten auch Internationale Luftfahrt- ausstellungen beachtliche BesucherInnenzahlen verbuchen. Im Jahr 1910 hatte die Fliegerei dann ihren endgültigen Durchbruch: Eine internationale Flugwoche jagte die andere. Durch die zahlreichen Wettbewerbe, an denen sich viele bekannte Pioniere wie auch kreative Erfin- derbeteiligten, führten dazu, dass sich nur Flugzeuge etablierten, die auch tatsächlich fliegen konnten.130Zu Flugzeugen, die sich bewähren konnten, zählte unter anderem die vom Wiener Ingenieur Igo Etrich in den Rumpler-Werken hergestellte ‚Taube„. Sie stellte eine eigenstän- dige Entwicklung zu den Flugzeugen der Wrights und Blériot dar. Die ‚Taube„ wurde zu ei- nem „narrensicheren Schulflugzeug“, mit dem viele Piloten und Pilotinnen das Fliegen lern- ten.131 Es dauerte nicht lange, bis zahlreiche Flieger um Rekorde wetteiferten. Noch vor dem Ersten Weltkrieg begann aber auch schon ein merkliches Konkurrenzdenken im Flugzeugbau zwischen den späteren Kriegsgegnern. Im Jahr 1912 wurden alle Rekorde im Bereich der Fliegerei von Franzosen gehalten. Aus diesem Grund rief der Prinz von Preußen zu einer Flugspende auf. Damit wurde das Fliegen zu einem nationalen Anliegen. 7 Millionen Reichsmark kamen bei der Sammlung des Prinzen zusammen. Hauptsächlich wurden sie für den Aufschwung des deutschen Flugzeugbaus verwendet, ein Teil davon wurde aber auch genutzt, um die Hinterbliebenen der verunglückten deutschen Flugpioniere zu unterstützen.132 Für heutige Betrachter bzw. Betrachterinnen mag die Toleranz der Flugpioniere und deren Zuschauern und Zuschauerinnen gegenüber Tod- und Verletzungsgefahr bemerkenswert scheinen. Die zahlreichen Flugrennen, die in den Anfangsjahren der Fliegerei abgehalten wurden, führten regelmäßig zu entsetzlichen Unfällen. Nicht nur die Piloten und Pilotinnen wurden dabei verletzt oder getötet, sondern auch Zuseher bzw. Zuseherinnen waren immer wieder in Unfälle verwickelt.133

129 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.20. 130 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.400-403. 131 Ebd. S.415-416. 132 Ebd. S.416-417. 133 Grant, Fliegen, S.49. 27

3.2.2 Erster Weltkrieg In den ersten Jahren des Krieges waren in den meisten Staaten die Bestände an Flugzeugen noch relativ gering. Mit Kriegsende nahmen aber auch die Zahlen der Flugzeuge zu. Die kriegsbeteiligten Staaten setzten zunehmend auf das Flugzeug als militärische Waffe.134 Zwi- schen 1914 und 1918 kam es in der Fliegerei durch den Druck der Kämpfe zu weiteren tech- nischen Fortschritten. Da die Piloten so gut wie jeden Tag flogen, mussten die Maschinen an Zuverlässigkeit gewinnen. Auch stärkere Motoren und robustere Zellen wurden gebaut. Nicht nur die Anforderungen änderten sich mit Kriegsausbruch, auch bei der Anzahl der produzier- ten Flugzeuge änderte sich einiges: Von einigen hundert Flugzeugen steigerte sich die Pro- duktion auf einige tausend.135 Aber auch die Faszination an der Maschine selbst wuchs durch den Kriegsbeginn weiter an. Diese förderte ebenfalls die Weiterentwicklung und Weiter- verbreitung der Luftfahrttechnologie.136 Zu Beginn des Krieges wurden Flugzeuge vor allem zum Ausspähen und Beobachten ver- wendet. Doch bald schon zeigte sich, dass es sinnvoll war, Flugzeuge ebenfalls mit Waffen auszustatten. So wurden Bomber und schnelle Jagdflieger entwickelt. Während die Besatzun- gen anfangs Bomben noch händisch abwerfen mussten, gab es am Ende des Krieges eigene Vorrichtungen, an denen die Bomben aufgehängt waren. Sie konnten via „Knopfdruck“ über ihrem Ziel abgeworfen werden. Auch bei den Jagdfliegern tat sich einiges: Im Kriegsverlauf wurden sie immer schneller und wendiger. Die Waffen, mit denen sie ausgestattet wurden, konnten immer leichter bedient werden.137 Die Männer, welche die Maschinen flogen, wurden bald als Helden der Lüfte glorifiziert. Sie galten als die „Ritter der Lüfte“. Während für die einen die Jagd auf andere Flugzeuge eine Art Sport war, sahen die anderen es als wissenschaftlichen Mord an, andere Flugzeuge samt Piloten vom Himmel zu schießen. Trotz aller Kritik an der Kriegsmaschinerie gingen Männer wie Manfred von Richthofen, der besser als Roter Baron bekannt ist, oder der junge Brite Alf- red Ball, hochgeehrt und glorifiziert in die Geschichtsbücher ein.138 Von den insgesamt 12 500 Kampfflugzeugen flogen 1918 etwa 80% für die Alliierten. Die meisten Flugzeuge wurden während des Krieges von Frankreich hergestellt.139 Erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Flugzeug wieder vermehrt als ziviles Transportmittel in den Fokus gerückt.140

134 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.20. 135 Grant, Fliegen S. 67. 136 Niccoli, Luftfahrt, S.60. 137 Grant, Fliegen, S.68-93. 138 Ebd. S.80-91. 139 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.419-421. 28

3.2.3 Zwischenkriegszeit Direkt nach dem Ersten Weltkrieg kämpften viele Flugzeughersteller um ihr wirtschaftliches Überleben, da kaum mehr Luftwaffen benötigt wurden. Bis in die 1920er und 1930er Jahre zeichnete sich jedoch ab, dass sich die Fliegerei – trotz Nachkriegsrezession und Weltwirt- schaftskrise – in einem goldenen Zeitalter befand.141 Durch den Durst nach Abenteuern und Ruhm seitens der Piloten, Konstrukteure und Flugzeughersteller wurde die Luftfahrt auch nach dem Krieg weitergetrieben.142 Während der 1920er und 1930er Jahre wurden zahlreiche Rekorde geflogen sowie Erstleis- tungen erbracht. Unter anderem der erste gelungene Transatlantikflug, zahlreiche Höhen- und Streckenrekorde.143 Piloten wurden weiterhin als Helden gefeiert. In der Öffentlichkeit wur- den mit großem Interesse die Erfolge und Misserfolge der Piloten und auch der Pilotinnen– die in Luftrennen und Rekordflügen erzielt wurden – verfolgt.144 Anfänglich unscheinbare Persönlichkeiten, wie etwa Charles Lindbergh – der den ersten Nonstopflug von New York über den Atlantik nach Paris bewältigte – wurden über Nacht zu großen Berühmtheiten. Die Flugzeuge wurden durch die neuen Belastungen weiter verbessert und sicherer gemacht.145 Doch nicht nur einzelne Piloten und Pilotinnen flogen von Ort zu Ort, auch immer mehr Pri- vatpersonen vertrauten auf die neue Technik. In Europa kam es nach dem Ersten Weltkrieg zur Gründung zahlreicher Fluglinien, die sich mehrheitlich auf Inlandsflüge spezialisierten. Nur wenige Fluglinien bauten ein ausgedehnteres Liniennetz auf.146 War die neue Technik noch bis in den Ersten Weltkrieg hinein nur einer (mutigen) Elite vorbehalten, so wurde sie nun langsam einer größeren Anzahl an Personen zugänglich. Zwar änderte sich direkt nach dem Krieg noch nicht viel im Bewusstsein der Bevölkerung, jedoch wurde das Potential der Luftfahrt für zivile Zwecke erkannt. Da zahlreiche Bahn- und Transportstrecken in Europa zerstört worden waren und auch die Seefahrt großen Schaden genommen hatte, war es not- wendig über alternative Transportwege nachzudenken. In den USA sah die Ausgangslage anders aus: Das Eisenbahnnetz war dort hervorragend ausgebaut. Aus diesem Grund liegt die Wiege der zivilen Luftfahrt in Europa. Während Deutschland mit Zeppelinen startete, kamen in Frankreich und Großbritannien vermehrt Flugzeuge zum Einsatz.147 Die ersten Flugzeuge,

140 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.20 141 Grant, Fliegen, S.107. 142 Niccoli, Luftfahrt, S.60. 143 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.426. 144 Grant, Fliegen, S.107. 145 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S. 425-428. 146 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.20-21. 147 Niccoli, Luftfahrt, S.64. 29 die dabei zum Einsatz kamen, waren meistens grob modifizierte, mehrmotorige Bomber oder zwei- bzw. dreisitzige einmotorige Maschinen. Sie waren laut, vibrierten, stießen die Fahrgäs- te hin und her und hatten keine Heizung, die für angenehmere Temperaturen sorgen konnte.148 Doch innerhalb kurzer Zeit wurden die Maschinen immer mehr an die Bedürfnisse der Zivil- bevölkerung angepasst. Die Flugzeuge wurden immer luxuriöser und auch die ersten Ste- wards, später auch Stewardessen149, welche die Passagiere in der Luft bedienten, wurden bald eingesetzt.150 In der Flugzeugkonstruktion nahm Europa ebenfalls zunächst eine Vorreiterrolle ein. Mit Flugzeugen von und Fokker wurden die ersten Maschinen gebaut, in denen mehrere Passagiere befördert werden konnten und die an Sicherheit und Stabilität gewannen. Jedoch liefen die US-amerikanischen Konstrukteure den Europäern mit dem Ende der 1930er Jahre den Rang ab: Flugzeuge der Douglas Aircraft oder der Boeing Aircraft Company erlangten internationales Ansehen.151 Auch der Gründungsboom an Luftfahrtgesellschaften blieb nicht auf Europa beschränkt – in dieser Zeit wurde auch die heute noch bestehende gegründet.152 Ebenso wurden in den USA bald die ersten Gesellschaften gegründet, die mit den US-amerikanischen Flug- zeugmodellen die ersten Passagiere über den Pazifik fliegen konnten.153 30 Jahre nach den ersten Versuchen hatte die Luftfahrt also einen gigantischen Aufschwung im Bereich der Flugmaschinen und auch der Flugkontrolle sowie der Flugsicherheitseinrich- tungen genommen. Die Flugzeuge konnten jetzt auch bei schlechterem Wetter und schlechte- rer Sicht geflogen werden. Damit hatte das Prinzip „Schwerer als Luft“ endgültig seinen Sie- geszug angetreten.154

3.2.4 Zweiter Weltkrieg Laut Chraust übte der Zweite Weltkrieg „[…] in Bezug auf die Technik und Organisation des Flugverkehrs einen bedeutenden Einfluß [sic!] aus, weil mit größtem Einsatz an Geldmitteln und Arbeitskräften Vorhandenes weiterentwickelt und Neues erprobt wurde.“155 In dieser Zeit wurden nicht nur die Propellermaschinen verbessert und schließlich vollendet, sondern auch

148 Ebd. S.68. 149 Ebd. S.73. 150 Grant, Fliegen, S.158-163. 151Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.21. 152 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.430. 153 Grant, Fliegen, S.161-162. 154 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.21. 155 Ebd. S.22. 30 die Düsenmaschinen haben im Zweiten Weltkrieg ihren Ursprung.156 Wie bereits der Erste Weltkrieg brachte also auch der Zweite einen großen technischen Entwicklungsschub – be- sonders bei den Werkstoffen und den Antriebsmitteln – mit sich.157 Zusätzlich wurden ent- scheidende Fortschritte bei elektronischen Geräten, wie etwa dem Radar, gemacht.158 Neu war auch, wie die Bomber während des Krieges eingesetzt wurden: Zu Tausenden flogen sie Angriffe auf die verschiedensten Ziele: Städte, Inseln, Häfen, Flugzeugträger, etc. Den Bodentruppen boten die Flugzeuge eine ungeahnte Mobilität, Nachschub und Feuerunterstüt- zung. Der größte Erfolg und auch der größtmögliche Schaden wurden jedoch durch gezielte Bombardierungen erreicht.159 Bereits zu Friedenszeiten wurden von den USA neuere Militärflugzeuge gebaut. In den zehn Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich aber kaum etwas. Es wurden weiterhin Doppeldecker als Jagdflugzeuge gebaut und auch das durch den Propellerkreis schießende Maschinengewehr wurde beibehalten. Unter dem Deckmantel ziviler Luftfahrin- dustrie entwickelte sich ein blühender und leistungsstarker militärisch-industrieller Komplex. Besonders erstaunlich ist dabei der Fortschritt, der in Deutschland während weniger Jahre gemacht werden konnte. Durch die Friedensverträge von Versailles war es für die Deutschen nahezu unmöglich öffentlich an ihren Militärflugzeugen zu bauen. Auch sie nutzten den Deckmantel der zivilen Luftfahrt, um neue Militärmaschinen zu bauen. Die NSDAP konnte so innerhalb kürzester Zeit eine Luftstreitkraft aufbauen, die bei Kriegsbeginn voll einsatzfä- hig war. Weder Frankreich noch Großbritannien verfügten im selben Maße über eine funktio- nierende Luftwaffe. Sie verfügten zwar über gleichwertige Flugzeuge, jedoch war deren Se- rienproduktion zu spät angelaufen. Doch während des Zweiten Weltkrieges wendete sich das Blatt: Trotz der großartigen Fortschritte, welche die Deutschen im Gebiet der Luftfahrt voll- brachten, konnten sie bei den Produktionszahlen bald nicht mehr mit den anderen kriegsteil- nehmenden Staaten mithalten.160 Schließlich läutete der Wille, die Produktionskapazität und den Kampfesmut des Gegners endgültig zu zerstören, ein neues Zeitalter ein. Mit der Atombombe wurde die Kriegsführung auf die Stufe einer nie dagewesenen Zerstörung gebracht. Durch das Flugzeug konnten solche Bomben auch transportiert werden.161

156 Ebd. S.22. 157 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.440. 158 Grant, Fliegen, S.187. 159 Ebd. S.187. 160 Behringer/Ott-Koptschalijski, Traum vom Fliegen, S.439-441. 161 Grant, Fliegen, S.187. 31

3.2.5 Das 21. Jahrhundert Die während des Zweiten Weltkrieges entwickelte Düsenflugtechnik konnte im Laufe des 20. Jahrhunderts ihren Siegeszug auch in der zivilen Luftfahrt antreten. Dadurch konnten die transkontinentalen Routen schneller und leichter geflogen werden. In wenigen Jahrzehnten stieg das Flugzeug zum schnellsten und sichersten Verkehrsmittel auf. Im heutigen Jet- Zeitalter wurde das Flugzeug, durch die Kapazitätssteigerung bei der Personenbeförderung und den damit verbunden größeren Flugzeugen und Flughäfen, zu einem erschwinglichen Verkehrsmittel weiter Teile der Bevölkerung.162 Laut Prognosen soll der zivile Luftverkehr weiter zunehmen163, wobei der Luftraum über einigen Erdteilen, durch die vielen Flugzeuge, bereits heute relativ eng geworden ist.164

Trotz der bewegten Geschichte ist die Faszination am Flugzeug und am Fliegen weiterhin (zumindest für einen Großteil der Menschheit) ungebrochen.165

3.3 Fazit Die Anfänge der Fliegerei lassen sich im Prinzip „Leichter als Luft“ finden. Besonders die Franzosen leisteten einen großen Beitrag zum Gelingen der ersten bemannten Ballonfahrten. Dadurch, dass Ballone nur bedingt steuerbar waren, suchten sowohl Männer als auch Frauen, die begeistert von der Luftfahrt waren, nach neuen Möglichkeiten. Besondere Berühmtheit erlangte dabei der Deutsche Otto Lilienthal, der mit seinen Gleitern Rekorde aufstellte. Doch mit dem Gleiten allein gaben sich die Pioniere (und die kaum erwähnten Pionierinnen, die meist im Schatten ihrer Männer standen) nicht zufrieden. Den Gebrüdern Wright gelang es schließlich als erste Menschen nachweislich in einem Fluggerät, welches dem Prinzip „Schwerer als Luft“ folgte, zu fliegen. Durch ihre Tätigkeit bei der US-amerikanischen Ar- mee und Tourneen in Europa, verbreitete sich die Flugbegeisterung weiter. Sowohl der Erste, als auch der Zweite Weltkrieg brachten große technische Verbesserungen mit sich, die schließlich im Luxus der heutigen Linienflugzeuge mündeten. Durch größere Passagierflug- zeuge mussten auch die Flughäfen angepasst werden. Mehr Kapazität bedeutete auch einen geringeren Ticketpreis für die Fluggäste. Durch diese Entwicklung konnte das Flugzeug zu einem Transportmittel werden, welches sich größere Teile der Bevölkerung leisten können. Aus heutiger Sicht mag es erstaunlich wirken, dass es Menschen gab, die in den Anfangsjah- ren der Fliegerei versuchten mit ihren unzuverlässigen Maschinen Rekorde aufzustellen. Das

162 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.23. 163 Niccoli, Luftfahrt, S.314. 164 Chraust, Innsbrucker Flugwesen, S.23. 165 Ebd. S.23. 32

Zuschauer und Zuschauerinnen ebenfalls ihr Leben riskierten, um ein Flugzeug fliegen zu sehen, erscheint in der jetzigen technisierten Zeit genauso leichtsinnig. Dennoch: Gerade durch solche „verrückte“ und illusionäre Menschen, konnte die Fliegerei ihren Aufschwung nehmen.

4 Frau und Flug Sogar 70 Jahre nach dem ersten Ballonaufstieg waren Frauen in der Luftfahrt nicht selbstver- ständlich. Es bestanden regional unterschiedliche Ge- und Verbote, an die sie sich zu halten hatten. Doch nicht nur in Gesetzen war festgeschrieben, ob und wie Frauen mit einem Ballon oder Flugzeug aufsteigen durften, es galt auch andere Hindernisse zu überwinden. Besonders hartnäckig stellten sich dabei die moralischen Hürden und das Rollenverständnis der jeweili- gen Zeit dar. Bis ins 20. Jahrhundert hatten Frauen sowohl mit den Gesetzen als auch mit den moralischen Hindernissen zu kämpfen, um fliegen zu dürfen.166 Der technische Aufschwung, die Industriealisierung wie auch die erstmalige Eroberung des Himmels wurden von einer Furcht vor dem Wandel begleitet, die sich in einer Kritik an Technik und Kultur niederschlug. Gerade die frühe Luftfahrt repräsentierte das Spannungsfeld der klassischen Moderne, in das Männer wie auch Frauen eingebunden waren, wie keine an- dere technische Entwicklung. Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Fliegerei zu einer Metapher eines ‚neuen Menschen„. Dieser neue Mensch wurde vor allem von männlichen Charakteristiken und Konzepten geprägt. Dennoch glaubten Frauen, dass sie an dessen Erschaffung Teil haben konnten.167

4.1 Leichter als Luft – Die ersten Ballonfahrerinnen Der erste Ballonaufstieg fand, wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt, 1783 statt. Bereits im Mai des Jahres 1784168 waren die ersten Frauen – als Passagierinnen – bei einem Fessel- ballonaufstieg dabei. Die erste Passagierin im Freiballon war Elisabeth Tible169, sie startete im

166 Heike Vogel, Frühe Ballonfahrerinnen und Pilotinnen. Hindernisse und Durchsetzungsstrategien, in: Frau und Flug. Die Schwestern des Ikarus, hrsg. v. Wolfgang Meighörner (Zeppelinmuseum Friedrichshafen), Marburg 2004, S.26-53, hier S. 27. 167Maria Osietzki, „Der Flug ist das Leben wert“. Entgrenzungen weiblicher Lebensentwürfe in der Luftfahrt des 20. Jahrhunderts, in: Frau und Flug. Die Schwestern des Ikarus, hrsg. v. Wolfgang Meighörner (Zeppelinmuse- um Friedrichshafen), Marburg 2004, S.8-25, hier S.11. 168 Gertrud Pfister schreibt, dass der erste Aufstieg einer Frau 1794 stattfand (Vgl. Gertrud Pfister, Fliegen– ihr Leben. Die ersten Pilotinnen, Berlin 1989, S.19) Mehrheitlich wird das Jahr 1784 angegeben (Vgl. Heike Vogel, Frühe Ballonfahrerinnen und Pilotinnen. Hindernisse und Durchsetzungsstrategien, in: Frau und Flug. Die Schwestern des Ikarus, hrsg. v. Meighörner Wolfgang (Zeppelinmuseum Friedrichshafen), Marburg 2004, S.26- 53.; Jutta Rebmann, Als Frau in die Luft ging. Die Geschichte der frühen Pilotinnen, Mühlacker 2001. 169 Wird auch Thible geschrieben, da der Name bereits in den Quellen nicht einheitlich geschrieben wurde. 33

Juni desselben Jahres. Eine Quelle für diese Ballonfahrt ist ein Brief, den sie an ihre Freundin schrieb. Darin schildert sie ihre Ballonfahrt und das Gefühl, welches sie hatte, ausführlich. Wer Elisabeth Tibles Schilderungen liest, für den ergibt sich das Bild einer selbstsicheren Frau, die davon ausgeht, dass sie als weibliche Person genauso die Möglichkeit gehabt hätte, als erster Mensch in die Lüfte empor zu steigen. Zudem schildert sie, wie sie in einer gefährli- chen Situation den Überblick behielt und damit bewies, dass auch Frauen dazu in der Lage waren und sind, in riskanten Momenten angemessen zu reagieren.170 Ein späterer Autor unterstellte Tibles und dem Fahrer des Ballons eine intime Beziehung. Er verbreitete auch das Gerücht, dass der Aufstieg eines Mannes und einer Frau nur deshalb stattgefunden habe, um die Liebe in einer anderen Atmosphäre zu erproben.171 Über den Zeitpunkt des zweiten Ballonaufstieges einer Frau herrscht Uneinigkeit.172

Nachdem die technischen Anfangsschwierigkeiten und Ängste überwunden waren, fand die Ballonfahrt allgemeine Anerkennung. Ballonfahrer und Ballonfahrerinnen arbeiteten bald professionell. Sie zogen mit ihrem Equipment von Stadt zu Stadt und Staat zu Staat. Sie ver- langten Eintrittsgelder für ihre Ballonvorführungen und boten meist auch Passagierbeförde- rungen – sowohl Männer als auch Frauen wurden mitgenommen – gegen Bezahlung an. Ehe- paare und ganze Familien versuchten damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.173 Schon von der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entwickelte sich das Ballonfahren zu einem Beruf. In Ausnahmefällen ergriffen ihn auch Frauen. Meist kamen sie durch ihre Ehemänner oder andere Verwandte mit der Fliegerei in Berührung.174 Die erste Frau, die als Berufsluftschifferin Aufstiege für zahlende Zuschauer und Zuschaue- rinnen vorführte, war Jeanne-Geneviève Labrosse. Sie heiratete 1801 den Ballonfahrer und Fallschirmspringer André-Jaques Garnerin. Er hatte sie schon vor ihrer Heirat theoretisch und praktisch im Ballonfahren unterrichtet. Jeanne-Geneviève Labrosse war auch die Erste, die einen Fallschirmabsprung (1799) wagte. Als Ehepaar reisten sie durch ganz Europa und traten in vielen unterschiedlichen Städten und Staaten auf. Die Garnerins adoptierten eine Tochter, die ebenfalls, bis zum Tod ihres Adoptivvaters, mit ihnen auftrat. Auch die Nichten der Gar- nerins verdienten ihren Lebensunterhalt als Ballonfahrerinnen und Fallschirmspringerinnen. Diese Tätigkeit fand bei der Bevölkerung allerdings keinen ungeteilten Zuspruch: Erstens herrschte die Meinung vor, dass der Luftdruck den zarten Organen einer Frau schaden könnte,

170 Vogel, Ballonfahrerinnen und Pilotinnen, S.29-31. 171 Ebd. S.31. 172 Ebd. S.31. 173 Ebd. S.31-32. 174 Gertrud Pfister, Fliegen – ihr Leben. Die ersten Pilotinnen, Berlin 1989, S.19. 34 zweitens waren viele der Ansicht, dass Fallschirme nur für Notfälle genutzt werden sollten und nicht zu Showzwecken.175 Eine weitere berühmte Frau, die mit Ballonen aufstieg, war Sophie Blanchard. Folgt man Pfisters Ausführungen war sie die erste professionelle Luftschifferin, da sie ihren Lebensun- terhalt durch waghalsige Vorführen verdiente.176Nach dem Tod ihres Ehemannes – dem ers- ten Ballonfahrer, dem es gelungen war den Ärmelkanal zu überqueren – führte sie, auch aus finanziellen Gründen, sein Geschäft weiter.177Sie erfreute sich großer Anerkennung und wur- de von Napoleon I. zur kaiserlichen Aeronautin ernannt.178 Zudem durfte sie bei offiziellen Anlässen ihre Künste vorführen. Ihre Vorführungen wurden allerdings immer riskanter – sie startete zum Beispiel 1810 nur auf einem Seil sitzend mit einem Ballon – weshalb es nicht verwundert, dass sie zahlreiche Unfälle hatte. Schließlich kam sie bei einer besonderen Bal- lonvorführung ums Leben. Sie wollte aus dem Korb Raketen zünden, der Ballon fing Feuer und stürzte mit seiner Luftschifferin ab.179 In Frankreich gab es mehrere berühmte Fallschirmspringerinnen und Ballonfahrerinnen. Aber auch in England oder den USA lebten viele Frauen, die durch ihre Tätigkeit Berühmtheit er- langten. So auch Mary Myers aus den USA, die unter dem Namen Carlotta Karriere machte. Nicht nur das Publikum war von ihr begeistert, auch die Presse und die Journalisten berichte- ten in Superlativen über die Schönheit und den Wagemut der ‚Lady der Lüfte„.180 Käthe Paulus, eine Deutsche, die durch ihre Ballonfahrten bekannt wurde, soll hier ebenfalls Erwähnung finden. Sie machte sich besonders damit verdient, dass sie den Fallschirm verbes- serte und ihn zu seiner heutigen Form führte. Dank ihrer Erfindung konnten, besonders wäh- rend des Ersten Weltkrieges, viele Soldaten überleben.181

Ende des 19. Jahrhunderts kam es durch das steigende Interesse an der Ballonfahrt zu zahlrei- chen Vereinsgründungen. Die Mitgliederlisten Deutschlands bestanden zu einem sehr großen Anteil nur aus Bürgern und selten auch Bürgerinnen der gehobenen Klasse. Die meisten Ver- eine erreichten sehr schnell eine hohe Mitgliederzahl, unter diesen befanden sich auch Frauen. Im Vergleich zur Gesamtmitgliederzahl fiel der Anteil an Frauen gering aus. Die Vorstände bestanden nur aus Männern. In Frankreich war es Frauen ab 1906 gestattet Mitglied im Aéro-

175 Vogel, Ballonfahrerinnen und Pilotinnen, S.32. 176 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.19. 177 Vogel, Ballonfahrerinnen und Pilotinnen, S.32. 178 Jutta Rebmann, Als Frau in die Luft ging. Die Geschichte der frühen Pilotinnen, Mühlacker 2001, S.21. 179 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.20. 180 Ebd. S.21-28. 181 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.41-42. 35 nautique-Club zu werden. In den USA stellte sich die Lage noch einmal anders dar: Thomas Edwin Elridge schrieb 1908 ausführlich über die Bedingungen, die in einem Club zu erfüllen waren, damit sich dort auch Frauen beteiligen konnten und durften. Frauen sollten seiner Meinung nach respektiert und zu aktiven und vollwertigen Mitgliedern des Clubs gemacht werden. Zudem sollten Männer während Versammlungen des Clubs auf das Rauchen verzich- ten und keine alkoholischen Getränke während der Ballonflüge mit sich führen. Elridge war der Meinung, dass die Ballonfahrerclubs nur dann Erfolg haben konnten, wenn einerseits auf die Frauen Rücksicht genommen wurde, andererseits die weiblichen Clubmitglieder auch als gleichwertig anerkannt sowie bei Entscheidungen miteinbezogen wurden. Dennoch konnten seine Forderungen bzw. sein Ziel weder in den USA noch in Europa tatsächlich umgesetzt bzw. erreicht werden.182 In den USA und in Frankreich formierten sich eigene Clubs nur für Frauen. Auch in Deutsch- land wurde diskutiert, ob ein solcher Verein notwendig sei. Eine der Ballonführerinnen, Mar- garete Grosse, welche sich immer wieder in Zeitschriften zu diesem Thema äußerte, meinte jedoch, dass innerhalb des Vereins das Prinzip ‚gleiche Rechte, bei gleichen Pflichten„ ver- wirklicht worden sei. Dass diese Situation jedoch nicht auf das Alltagsleben umgesetzt wurde, erwähnte sie ebenfalls, jedoch nur sehr zurückhaltend.183 Das Ballonführerpatent konnten Frauen ebenfalls nicht ohne Weiteres erwerben. Sobald Frau- en eine wirklich gleichberechtigte Stellung – durch ihre Ausbildung – hatten, wurden sie von den Männern in die zweite Reihe gedrängt. Die Einstellung der Menschen und die gesell- schaftlichen Zustände änderten sich nur sehr langsam. Für viele Männer schien die Vorstel- lung beängstigend zu sein, dass Frauen ‚männliche Eigenschaften„, wie Mut, kühler Sachvers- tand oder Geistesgegenwart besitzen könnten. Diese Erfahrung mussten auch die Frauen ma- chen, die sich dem Luftsport verschrieben. Immer wieder wurde propagiert, dass Frauen nicht die körperlichen und charakterlichen Voraussetzungen für die Luftfahrt mitbringen würden. Gesellschaftlich akzeptiert wurden Frauen, deren Ehemänner oder zumindest Väter ebenfalls in der Luftfahrt tätig waren. Die Frau nahm dann die Rolle der Assistentin ein. Somit konnte sie weiterhin der Rolle als Frau nachgehen. Bis 1913 hatten in den deutschen Vereinen 17 Frauen die Prüfung zur Ballonführerin bestanden. 15 von ihnen hatten Väter oder Ehemänner, die auch in einem der Vereine waren. Lediglich zwei waren selbst berufstätig. An dieser Stel-

182 Vogel, Ballonfahrerinnen und Pilotinnen, S.34-35. 183 Ebd. S.34-36. 36 le sollte angemerkt werden, dass die Prüfungsbedingungen für Frauen und Männer gleich wa- ren.184 Ganz ähnliche Erfahrungen musste auch die erste Frau machen, die das Luftschifferpatent erhalten wollte. Elfriede Riotte legte 1914 alle dafür notwendigen theoretischen und prakti- schen Prüfungen ab. Jedoch stellte die Luftschiffabteilung des Deutschen Luftfahrer- Verbandes in Berlin fest, dass es keine Regelung bezüglich der Ausstellung eines Patents an eine Frau gab. Unter den Herren, die eine Entscheidung fällen sollten, brach eine Diskussion aus. Schließlich wurde so entschieden, dass Frau Riotte zwar bestätigt werden sollte, dass sie die erforderlichen Bedingungen erfülle, jedoch kein richtiges Patent ausgestellt werden wür- de. Es wurde also ein Scheinkompromiss getroffen.185 Dabei scheint Deutschland bis 1910 zahlenmäßig führend bei der Ausbildung von Ballon- und Luftschiffführern. Insgesamt wurden bis dahin 1.150 Freiballonführer gemeldet, 61% entfie- len dabei auf Deutschland, 12,8% auf Frankreich, der Rest verteilte sich auf Italien, Belgien, Österreich, auf die USA, Spanien und die Schweiz. An dieser Stelle ist nur von Männern die Rede, da in den deutschsprachigen Gebieten weniger Frauen flogen, als in den USA.186 Dass Frauen als selbstständige Personen nicht gerne in der Luftfahrt gesehen wurden und schon gar nicht im Militär, mussten viele beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs erfahren. Sie boten ihrem Heimatland ihre Fähigkeiten an, bekamen vom Militär jedoch fast immer Absa- gen. Der Erste Weltkrieg und auch die Nachkriegszeit bildeten einen starken Einschnitt für die langsam positiv verlaufende Entwicklung der Beteiligung von Frauen an der Luftfahrt.187

4.2 Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg Obwohl sich die Ballone, wie im vorhergehenden Kapitel schon erwähnt wurde, stetig weiter- entwickelten, konnte das entscheidende Problem nicht gelöst werden: Sie blieben – zumindest in ihrer Urform – unlenkbar. Mit der Erfindung des Luftschiffskonnte diesem Problem Abhil- fe geleistet werden. Doch neben dem Zeppelin wurde eben auch eine weitere revolutionäre

Erfindung gemacht: Das motorisierte Flugzeug, welches dem Prinzip „Schwerer als Luft“ folgte.188 Seit der Erfindung der Ballone war Fliegen ein Hobby für mehr oder weniger reiche Männer. Um als Frau fliegen zu dürfen, brauchte es die Einwilligung von Mentoren und Mentorinnen – wie etwa Eltern- oder (Ehe-)Partnern. Diese mussten das Vorhaben ihrer Töchter bzw. (Ehe-)

184 Ebd. S.35-37. 185 Ebd. S.37-38. 186 Ebd. S.35. 187 Ebd. S.38. 188 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.41. 37

Frauen auch finanziell fördern und unterstützen.189 Zahlreiche Frauen wurden von der Auf- bruchsstimmung inspiriert und versuchten sich solche Einwilligungen zu holen. Zu ihrer Ent- scheidung für die Fliegerei zählten aber nicht nur die allgemeine Euphorie, sondern auch die Vorstellung von Freiheit sowie die Befreiung von Rollenklischees. In der Regel bedeutete eine Zuwendung zur Fliegerei eine Absage an die traditionellen Lebensentwürfe. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verloren die vorgeschriebenen Lebensverläufe immer mehr an Attraktivität für die Frauen. Deshalb erprobten sie Lebensformen, die ihnen mehr Autonomie versprachen. Gerade Frauen, welche die nötigen finanziellen Spielräume hatten, konnten dem Drang nach Selbsterprobung folgen. Die Absage an die traditionelle Rollenver- teilung war eine Bedingung, die Frauen für die Fliegerei einnahm. Auf unterschiedlichste Art und Weise kamen Frauen mit der Fliegerei in Berührung. Auch die Lebensumstände der frü- hen Pilotinnen waren sehr unterschiedlich. Eine Gemeinsamkeit lässt sich dennoch finden: Sie sprengten alle den konventionellen Rahmen, der ihnen als Frau zugedacht war.190 Die ersten Flieger und Fliegerinnen waren häufig gleichzeitig auch Flugzeugkonstrukteure. Besonders in jenen Staaten, in denen die Industriealisierung früher eingesetzt hatte und somit Anfang des 20. Jahrhunderts schon fortgeschrittener waren, wurden zahlreiche Flugzeugent- würfe erarbeitet. Zu diesen Staaten zählten Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Öster- reich-Ungarn, Italien sowie die USA. Auf der Grundlage von Gleitern und Drachenfliegern wurden neue Flugzeugmodelle erarbeitet. Die ersten Flugzeugbauer waren häufig Tüftler, die aus anderen Branchen, wie dem Motorrennsport, zur Fliegerei kamen. Gelegentlich verirrte sich aber auch ein ausgebildeter Ingenieur oder Mechaniker in die Gefilde des Flugsports.191 Unter den Fliegern gab es Sportler, Künstler, Preisjäger oder einfach nur Technikbegeisterte. Sie kamen nur zum Teil aus wohlhabenden Familien. Der andere Teil musste sich seinen Un- terhalt durch Flugvorführungen oder Siege bei Wettbewerben sichern. Auch den frühen Pilo- tinnen erging es nicht anders. Was allerdings einen markanten Unterschied darstellt, ist die Rezeption von Piloten und Pilotinnen in den Medien.192

Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gab es in Deutschland drei Fliegerinnen, welche die Flugprüfung ablegten. Amélie Beese, besser bekannt als Melli Beese, war die erste deut- sche Frau, die einen Luftfahrschein ausgestellt bekam. Sie führte eine eigene Flugschule und

189 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.17. 190 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.11-12. 191 Vogel, Ballonfahrerinnen und Pilotinnen, S.39 192 Ebd. S.39. 38 hielt mindestens zwei Flugzeugpatente.193 Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie, die in Laubegast bei Dresden wohnte. Ihre vielfältigen Begabungen wurden durch ihre Eltern gefördert. Beese hegte ein brennendes Interesse für Technik und war fasziniert von der Avia- tik. 1910 versuchte sie eine Ausbildung zur Pilotin zu machen. Doch der Weg bis zum Pilo- tenschein gestaltete sich für Beese sehr schwer. Die Pionierinnen der Luftfahrt schienen eine Bedrohung für die männliche Vorherrschaft am Himmel zu sein. Widerstände und Hindernis- se, wie etwa Sabotage oder auch die Unterstellung, dass Fliegen für Frauen ungesund sei und ihre Gebärfähigkeit beeinflusse, mussten von den Pilotinnen überwunden werden, um ihrem Ziel – dem Glück am Himmel – näher rücken zu können. Melli Beese ging während des Ers- ten Weltkrieges ins Exil. Als sie zurückkam, war sie nicht nur morphiumsüchtig, sie fand auch ihre Flugschule in Trümmern. Nachdem sie ihr Privatvermögen verloren hatte, versuchte sie Geldgeber zu finden, um in der Fliegerei wieder Fuß fassen zu können. Doch es gelang ihr nicht. Sie erschoss sich schließlich im Dezember des Jahres 1925.194 Die zweite Frau, die in Deutschland eine Lizenz bekam, war Charlotte Möhring. Sie führte gemeinsam mit ihrem Mann eine Flugschule und unterstützte ihn bei seiner Tätigkeit als Ge- neralvertreter für den Verkauf von Flugzeugen.195 Die dritte deutsche Frau war Martha Behrbohm, die von Beruf Flugtechnikerin war. Sie trat mit ihrem Mann bis zum Kriegsausbruch als ‚fliegendes Ehepaar„ auf. Vermutlich gab es noch andere deutsche Frauen, die in der Fliegerei tätig waren, die jedoch keine offizielle Aus- bildung bzw. Fluglizenz hatten.196 Nicht nur in Deutschland fühlten sich Frauen zur Fliegerei hingezogen, auch in der Donau- monarchie Österreich-Ungarn erwarben bald die ersten Frauen eine Fluglizenz. Bozena Lagler197 war die erste Frau in der Habsburgermonarchie, die einen Pilotenschein für Motor- flugzeuge erwerben konnte. Am 11.Oktober 1911 legte sie ihre Prüfung erfolgreich ab. Lagler erlernte in Berlin das Fliegen und legte auch dort – neun Tage nachdem sie einen Flugschein für Österreich erhalten hatte – eine Flugprüfung ab. Somit war sie nicht nur die erste Frau der Donaumonarchie, die eine Fluglizenz hatte, sondern gleichzeitig die zweite Frau, die in Deutschland einen Flugschein erhielt. Ursprünglich entstammte sie einer wohlhabenden Fa- milie, die ein großes Interesse für Technik und die Naturwissenschaften hatte. Zweitweise

193Evelyn Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel. Fliegerinnen zwischen 1918 und 1945, Göttingen 2007, S.109 194Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.48-56. 195 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.109. 196 Ebd. S.109. 197 Bozena Lagler stammte aus dem heutigen Tschechien. Sie wurde in Prag geboren. (Early aviators, Bozena Laglerova, 20.01.2008, [http://www.earlyaviators.com/elangle1.htm], eingesehen am 26.12.2017.) 39 verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit Flugshows und Wettbewerben. Trotz zweier schwerer Abstürze zog sie sich nicht sofort aus der Fliegerei zurück.198Sie entschied sich schließlich dafür, sich nicht bei der neu gegründeten Tschechischen Air Force einzuschreiben und been- dete ihre Flugkarriere.199 Anderen Quellen zufolge zog sie sich nach einem Absturz, bei dem sie lebensgefährlich verletzt wurde, aus der Fliegerei zurück.200 Aus diesem Grund lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen, in welchem Jahr Lagler die Fliegerei ganz aufgab. Als zweite Frau der Habsburgermonarchie konnte die Ungarin Lilly Steinschneider 1912 ei- nen Flugschein erwerben. Bevor sie selbst als Pilotin tätig war, flog sie häufig als Passagierin in verschiedensten Flugzeugen mit.201 Bei zahlreichen Rekordversuchen saß sie mit im Flug- zeug, ehe sie – fasziniert von der Aviatik – in Wiener-Neustadt bei Karl Illner Flugstunden nahm. Steinschneider gilt als erste Frau Österreich-Ungarns, die in Österreich ausgebildet und geprüft wurde. Sie nahm an verschiedenen Flugtagen teil und galt als ‚Pilotin der ersten Stun- de„. Ursprünglich stammte sie aus einer jüdischen Familie, die Möbel und Bettwäsche her- stellte. 1914 heiratete sie den Grafen Johannes Evangelist Virgilio Coudenhove-Kalergi.202 Auf sein Drängen hin zog sie sich aus der Fliegerei zurück.203 Nicht nur in Deutschland und Österreich-Ungarn gab es berühmte Pilotinnen, die mit dem Prinzip „Schwerer als Luft“ arbeiteten. Auch in den USA und Mexiko, Russland, Frankreich und England gab es einige schillernde Flugpionierinnen. Die erste Frau, die überhaupt einen Luftfahrschein erhielt, war die Französin Raymonde de Laroche, die sich als Baronesse bezeichnen ließ. Sie starb als Passagierin bei einem Flugzeug- absturz kurz nach dem Ersten Weltkrieg.204 Einige weitere weltberühmte Pionierinnen, die an dieser Stelle erwähnt werden sollen sind: Die Belgierin Hélène Dutrieu, die US-Amerikanerin Ruth Law205 und ihre Landsfrau Harriet Quimby, die als erste Frau selbst den Ärmelkanal überquerte.206. Sie war auch eine der ersten Frauen, die sich für die Emanzipation und die

198 Sabine Fuchs, Die Töchter des Ikarus, in: Das Bordmagazin zur Ausstellung „schwerer als Luft“. 100 Jahre Motorflug in Wien: Pioniere, Konstrukteure, Piloten & Pilotinnen, Ereignisse, Flugschauen, Unfälle, Flugplätze, Werbung, Literatur, Musik, Film, Architektur, hrsg. v. Sylvia Wurm-Mattl, Wien 2009, S.33-39, hier S.33. 199 Early Aviators, Bozena Laglerova, 20.01.2008, [http://earlyaviators.com/elangler.htm], eingesehen am 26.12.2017. 200 Hubert Prigl, Luftfahrtpioniere, Flugzeugkonstrukteure, Piloten & Pilotinnen, in: Das Bordmagazin zur Aus- stellung „schwerer als Luft“. 100 Jahre Motorflug in Wien: Pioniere, Konstrukteure, Piloten & Pilotinnen, Er- eignisse, Flugschauen, Unfälle, Flugplätze, Werbung, Literatur, Musik, Film, Architektur, hrsg. v. Sylvia Wurm- Mattl, Wien 2009, S.10-31, hier S.18. 201 Fuchs, Töchter des Ikarus, S.33-34. 202 Zeitgeschichte Wiener Neustadt TOWN, Lilly-Steinschneider-Gasse – Flugpionierin, [http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/abgelegene-orte-des-juedischen-wr- neustadt/pplace/487?pfadid=7], eingesehen am 26.12.2017. 203 Prigl, Luftfahrtpioniere, S.18. 204 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.67. 205 Ebd. S.69-71. 206 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.45 und S.64. 40

Integration der Frau in die Luftfahrt einsetzte. Außerdem sah sie keinen Grund, weshalb die Fliegerei nicht auch eine einträgliche Berufskarriere für Frauen sein sollte.207 Hélène Dutrieu gelang es als eine der wenigen Frauen während des Ersten Weltkrieges in Frankreich beim Militär aufgenommen zu werden. Sie gehörte der Pariser Luftwache an und sollte die Stadt vor deutschen Flugzeugen und Zeppelinen schützen.208 Es gab mehrere andere Pilotinnen, die durch ihre Leistungen vor dem Ersten Weltkrieg auffie- len und in den Schlagzeilen der damaligen Zeitungen landeten. Schon zu dieser Zeit machten die Frauen den Männern in ihren ‚fliegenden Kisten„ auf allen Gebieten der Fliegerei Konkur- renz. Nicht selten wurden daher die Flugzeuge der Pilotinnen sabotiert, um z. B. zu verhin- dern, dass sie bei einem Wettfliegen gewannen.209 Eine nicht zu unterschätzende Anzahl an fliegenden Frauen versuchte ihr Auskommen als Fluglehrerin zu verdienen. In der Regel unterrichteten sie fast ausschließlich männliche Ele- ven. Um überhaupt an eine solche Stelle zu kommen, die in der Regel von Männern dominiert wurde, mussten die Frauen sehr qualifiziert sowie kompetent sein.210 Die unterschiedlichsten Frauen begannen mit dem Fliegen. Solche, die bereits verheiratet wa- ren, genauso wie jene, die noch keinen Ehemann hatten. Auch Frauen mit Kindern flogen, nicht nur kinderlose. Bei den Altersgruppen ergibt sich ein ähnlich gemischtes Bild: Junge genauso wie ältere Frauen begannen mit den ersten Flugstunden. Jedoch entstammte die Mehrzahl der Pilotinnen der Mittel- und Oberschicht. Da eine Pilotenausbildung eine große finanzielle Belastung war, verwundert dies allerdings wenig. Auffällig ist zudem, dass sehr viele Pilotinnen – ganz besonders die erfolgreichsten unter ihnen – bereits zuvor in anderen Sportarten aktiv waren.211 Der Erste Weltkrieg brachte, wie schon für die Ballonfahrerinnen, einen entscheidenden Ein- schnitt mit sich. Die Mehrzahl der Frauen wurde aus der Fliegerei gedrängt, Männer ins Heer eingezogen und als Helden stilisiert. Mut, Stärke und Tapferkeit zeichneten „die Ritter der Lüfte“ aus. Charakteristika, welche zu jener Zeit eindeutig männlich besetzt waren. Somit wurde das Fliegen endgültig zu einer Männerdomäne.212 Den verheißungsvollen Anfängen der weiblichen Fliegerei wurde damit ein jähes Ende gesetzt. Während des Ersten Weltkrieges lag die Weiterentwicklung der Flugzeuge im deutschsprachigen Raum in den Händen des

207 Ebd. S.71. 208 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.71. 209 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.44-45. 210 Ebd. S.45. 211 Ebd. S.45-46. 212Bubert Rieke, Ausstellung: Pilotinnen in der Geschichte der Luftfahrt, 20.09.2016, [https://frauenseiten.bremen.de/blog/ausstellung-pilotinnen-geschichte-luftfahrt/ ], eingesehen am 28.11.2017. 41

Militärs. Frauen wurden von der Ausbildung und Verwertung der neuen Technologien ausge- schlossen.213 Dennoch versuchten viele Pilotinnen ihr Glück und meldeten sich freiwillig zu Kriegsbeginn, damit sie ihre Flugtüchtigkeit bewahren konnten und ihre Lizenzen nicht verlo- ren. Frauen und Militär schienen aber ein unüberwindbarer Gegensatz zu sein. Nur in sehr wenigen Staaten schafften es Frauen tatsächlich, im Militär eine Stelle zu bekommen, so z.B. in Frankreich. Als Kampfpilotinnen kamen sie jedoch nicht zum Einsatz.214 Nach dem Ersten Weltkrieg waren Mann und Flugzeug so sehr im gesellschaftlichen Kollek- tiv zusammengewachsen, dass für weibliche Charakteristika kein Platz mehr zu sein schien. Zudem brachte das Kriegsende aus Seiten der Achsenmächte zahlreiche Einschränkungen mit sich. Die Flugzeugproduktion und die zivile Luftfahrt wurden den Verlierern des Ersten Weltkrieges zu großen Teilen verboten. Bestehende Flugzeuge und Motoren zum größten Teil beschlagnahmt. Zusätzlich gab es strenge Bestimmungen sowie Limitierungen bei der Her- stellung und Einfuhr von Luftfahrzeugen und den dazu gehörigen Motoren der Land- und Marineluftfahrt, aber auch bei der Finanzierung von Sportfliegerausbildungen. Anfang der 1920er Jahre wurden die Auflagen für die deutschsprachige Luftfahrindustrie schließlich ge- lockert, blieben aber dennoch von den Alliierten kontrolliert.215

4.3 Zwischenkriegszeit Angetrieben durch die technische Weiterentwicklung wurde es nach dem Ersten Weltkrieg möglich, den Aktionsradius der Flugzeuge immer mehr zu erweitern. Berge, Seen, sogar Mee- re wurden nun endlich überwindbar. In der ganzen Welt boten sich neue Flugziele an. Auch das Publikum wurde von diesem Fernweh angesteckt und gab sich bald nicht mehr nur mit Platzrunden zufrieden. Ständig wurden neue Rekorde aufgestellt, neue Sensationen angebo- ten, die viele Piloten und auch einige der wenigen Pilotinnen der damaligen Zeit, mit dem Tod bezahlten. Trotzdem waren auch viele Frauen vom ‚weiter, schneller, höher„ fasziniert und ließen sich von der Lust und Sucht nach Rekorden anstecken.216 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es für Frauen erneut schwieriger, in der Fliegerei Fuß zu fassen. Die Friedensverträge mit den Alliierten sorgten wie schon erwähnt dafür, dass die Luftfahrt stark eingeschränkt wurde. Den Einschränkungen zum Trotz begannen deutsche

Flugzugunternehmen bereits in den frühen 1920er Jahre erfolgreich Flugzeuge zu konstruier- ten. Zudem wurden neue Fluglinien gegründet. Die Luftfahrt wurde nun als zukunftsweisende

213 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.110 214 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.19. 215 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.110. 216 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.89. 42

Technologie erkannt. Bereits um 1930, konnte sich Deutschland – trotz der Nachkriegsaufla- gen sowie ökonomischer und politischer Instabilität – als eine der führenden Luftfahrnationen etablieren.217 Doch die Einschränkungen war nicht die einzige Hürde, die es für die Frauen zu überwinden galt: Mit den technischen Neuerungen, die während des Krieges gemacht worden waren, wa- ren Frauen nicht vertraut. Außerdem sah das gängige Frauenbild nicht vor, dass sich eine Frau hinter das Steuer eines Flugzeuges setzten sollte. Die motorisierte Luftfahrt war zudem sehr teuer. Nur wer Geld oder Unterstützer hatte, konnte es sich leisten, eine Ausbildung zu ma- chen, geschweige denn, ein eigenes Flugzeug zu unterhalten.218 Dabei hatte sich gerade im Bereich der Medizin einiges verändert. In den 1930er Jahren gab es endlich mehr Mediziner, die bestätigten, dass das Fliegen keine bedenklichen gesundheitlichen Folgen für Frauen habe. Dies widerlegte die Behauptungen jener, die propagierten, dass Frauen durch das Fliegen mit erheblichen gesundheitlichen Folgen zu rechnen hätten.219 Trotzdem gab es wenige weibliche Persönlichkeiten, die es in dieser Zeit schafften, in diesem schwierigen Metier Fuß zu fassen und durch ihre Flüge zu Berühmtheiten wurden. Sie ver- dienten ihr Geld oft nicht nur durch das Fliegen, sondern auch durch das Vermarkten ihrer eigenen Person. Einige Pilotinnen nahmen Werbeaufträge an, um ein zusätzliches Einkom- men zu haben.220

Hierzu zählen etwa Frauen wie Thea Rasche – die erste deutsche Frau, die nach dem Ersten Weltkrieg wieder flog221 – Elly Beinhorn, Antonie Strassmann und Marga von Etzdorf. Sie verkörperten ein neues, modernes Frauenbild.222 Besonders die deutschen Frauen wurden auf der ganzen Welt durch ihre Flüge berühmt. Elly Beinhorn führte mehrere abenteuerliche Langstreckenflüge durch. Liesel Bach wurde im Jahr 1934 Europameisterin im Motorkunst- flug. Hanna Reitsch und Melitta Gräfin Schenk von Stauffenberg, geb. Schiller, besaßen be- reits 1937 die Dienstbezeichnung Flugkapitän.223 Diese Liste ließe sich mit vielen weiteren Namen ergänzen, die ebenfalls beachtliche Leistungen erbrachten. Der Zugang zur kommerziellen Fliegerei blieb den Frauen im deutschsprachigen Raum aller- dings verschlossen. Deutschland hatte die 1924 von der CINA (Commission Internationale de Navigation Aérienne) beschlossene Resolution übernommen, wonach nur Männer Piloten

217Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.107. 218Bubert, Pilotinnen in der Geschichte der Luftfahrt. 219 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.120. 220 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.19. 221 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.116. 222 Bubert, Pilotinnen in der Geschichte der Luftfahrt. 223 Helmut Erfurth, Luftfahrt im Dritten Reich. Ziviler Flugverkehr und Luftwaffe 1933-1945, München 2011, S.27. 43 eines kommerziellen Flugzeuges sein durften. Demnach durften Frauen keine Ausbildung an der Deutschen Verkehrsflieger-Schule machen. Die einzige Ausnahme bildet hier wohl Hanna Reitsch, der es in den 1930er Jahren aufgrund besonderer Verdienste (und Kontakte) gelang, einen Kurs an der Verkehrsflieger-Schule zu besuchen. Selbst für Männer war der Zugang zu jener Zeit schwierig, da die Wartelisten lang waren. Von keiner deutschen Pilotin ist überlie- fert, dass sie den Beschluss, dass Frauen nicht an die Verkehrsflieger-Schule durften, je ange- fochten hätte. Die Pilotinnen waren frühestens zu einem spürbaren Faktor geworden, als sich die kommerzielle Luftfahrt bereits etabliert hatte. Dies unterscheidet die deutschsprachigen Staaten von anderen Industrienationen. Zudem wurden zunächst Piloten des Ersten Weltkrie- ges eingestellt, bevor externe Quellen erschlossen wurden. Als diese langsam in die Pension verabschiedet wurden, mussten neue Bewerber gefunden werden. Anders als z.B. in der UdSSR waren in Deutschland durch die kontinuierliche Ausbildung in der Deutschen Ver- kehrsflieger-Schule mehr als genug männliche Bewerber vorhanden. Doch nicht nur in der kommerziellen Luftfahrt hatten es Frauen nicht leicht, auch als Sportfliegerinnen mussten sie in Deutschland mit viel Gegenwind rechnen. Als Erwerbsquelle blieb den Frauen meist nur die Jagd nach Rekorden und Preisgeldern für Wettbewerbe und Flugschauen. Passagiere ge- gen Entgelt zu befördern war ihnen, auch in ihren eigenen Maschinen – im Gegensatz zu ih- ren männlichen Kollegen – verboten. Lediglich Thea Rasche wies auf diesen Missstand hin. Es darf nicht verwundern, dass die wenigsten Pilotinnen kaum gegen diesen Widerstand an- kämpften. Die Gesamtsituation der Frauen in der Weimarer Republik gestaltete sich grund- sätzlich so, dass die wenigsten von ihnen berufstätig waren.224

4.4 Zweiter Weltkrieg Während des Zweiten Weltkrieges wurden Flugzeuge erneut als Waffen eingesetzt. Die Pilo- tinnen der deutschen Luftfahrt entsprachen jedoch nicht dem nationalsozialistischen Frauen- bild. Einige Pilotinnen boten während des Krieges an, Hilfsdienste zu übernehmen. Auf sie wurde gegen Ende des Krieges zurückgegriffen, als alle verfügbaren Kräfte genutzt werden sollten. 225 Dennoch durften vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in NS-Deutschland nur Mitglieder der Luftwaffe motorisierte Flugzeuge fliegen. Damit wurden Frauen ausgeschlos- sen, da ihnen der Zugang zur Luftwaffe untersagt blieb. Dennoch bestätigen auch hier Aus- nahmen die Regel: Hanna Reitsch und ebenso Beate Köstlin, verheiratete Uhse, flogen auch

224 Zengehagen, Schneidige deutsche Mädel, S.116-117. 225 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.20. 44 während der NS-Diktatur Flugzeuge. Auf unterschiedlichste Art und Weise ließen sie sich durch die Nationalsozialisten politisch instrumentalisieren.226 In der UdSSR stellt sich das Bild der fliegenden Frau während des Zweiten Weltkrieges ganz anders dar. Hier gab es eine eigene Einheit, die nur aus Frauen bestand und in Nachtflugakti- onen die deutsche Front angreifen sollte. Diese mutigen Kampfpilotinnen wurden von den Deutschen als ‚Nachthexen„ bezeichnet – und gefürchtet. Trotz ihrer schwierigen Aufgabe wurden sie vom Heer nur schlecht ausgerüstet und dienten mehr als Bombenfutter. Denn der Verlust einer Frau – so schien es – war leichter zu verkraften als der eines Mannes.227In fast allen westlichen Staaten wurden Pilotinnen nach dem Zweiten Weltkrieg marginalisiert. Auf die Sowjetunion trifft dies in viel geringerem Ausmaß zu. Die Fliegerinnen konnten meist in ihrem Beruf tätig bleiben und wurden hoch geehrt.228 Auch in der Türkei gab es eine Kampfpilotin, sie gilt als die erste der Welt- und Kriegsge- schichte. Sabiha Gökcen war die Adoptivtochter des damaligen Staatschefs Kemal Atatürk. Er ermöglichte es ihr, eine Ausbildung als Kampfpilotin zu machen. Bis 1955 flog sie für das Militär. Anschließend schloss sie sich einer Kunstflugstaffel an und stellte dort bis 1964 ihre fliegerischen Fähigkeiten unter Beweis. Gökcen absolvierte mehr als 8.000 Flugstunden in 22 verschiedenen Flugzeugmodellen – unter denen sich sowohl Propellermaschinen als auch Jets fanden.229 Noch zu ihren Lebzeiten wurde zweiter Flughafen nach ihr benannt. Ihr Ruhm erhielt im Jahr 2004 aus Sicht der nationalen Türkei einen leichten Makel, als sich Be- lege dafür fanden, dass sie eigentlich keine gebürtige Türkin, sondern ein armenisches Wai- senkind gewesen sein soll.230

In Deutschland beschlossen einige Pilotinnen sich abzusichern. Aus diesem Grund kehrten sie in die traditionelle Frauenrolle zurück. Manche waren mit Piloten verheiratet und konnten sich dadurch ihren Traum von einer Beschäftigung mit und in der Luftfahrt aufrecht erhalten. Trotzallem: Gerade in Europa verarmten viele der frühen Pilotinnen, da es nicht zur erhofften beruflichen Integration kam.231

226 Bubert, Pilotinnen in der Geschichte der Luftfahrt. 227 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.20. 228 Fuchs, Töchter des Ikarus, S.37. 229 Ernst Probst, Sabiha Gökcen – Die erste türkische Pilotin, 2010, [http://www.grin.com/de/e- book/146195/sabiha-goekcen-die-erste-tuerkische-pilotin], eingesehen am 10.12.2017. 230 Ulrich Trebbin, Sabiha Gökcen, erste Kampfpilotin der Welt, 05.05.2015, [http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/0505-erste-kampfpilotin-sabiha-goekcen-100.html], eingesehen am 10.12.2017. 231 Ebd. S.20-21. 45

Insbesondere in Deutschland und den angelsächsischen Staaten wurden die Fliegerinnen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrem Beruf und dem öffentlichen Bewusstsein ver- drängt. Als häufigstes Argument wurde dabei angeführt, dass Frauen lediglich Anwenderin- nen technischer Neuerungen gewesen seien, die selbst aber über kein technisches Interesse und Verständnis verfügten.232

4.5 21. Jahrhundert Wie Pfister in ihrem Buch schreibt, ist die Luftfahrtgeschichte nicht nur eine Geschichte von Männern, sondern auch von Frauen, die sich beharrlich in die Männerdomäne vorgekämpft haben.233 Der Weg der Frau zurück in die Pilotenkanzel dauerte, zumindest in Österreich, nach dem Zweiten Weltkrieg sehr lange:1988 trat die erste Österreicherin ihren Dienst bei der Lauda Air an.234 Der Anteil an Pilotinnen hält sich in Österreich hartnäckig um die fünf Pro- zent. Nur selten sind Frauen in den Cockpits zu finden, viel öfter fliegen sie als Stewardessen mit. Dabei scheint die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht gegen den Beruf der Pilotin zu sprechen. Tatsächlich haben Stewardessen und Pilotinnen dieselben Arbeitszeiten.235 Um das Bild der Luftfahrt endlich von der klassischen Männerdomäne zu befreien, wurde 2013 in Österreich die Initiative „Girls in Aviation“ ins Leben gerufen. Dabei sollen Mädchen und jungen Frauen die vielfältigen Möglichkeiten einer Beschäftigung in der Luftfahrt gezeigt werden.236

4.6 Fazit Fliegen war für viele Pilotinnen eine Chiffre von Glück, Freiheit und Abenteuer. In der von Männern dominierten Welt waren sie eine Ausnahmeerscheinung. Viele sahen sich dabei nicht als Kämpferinnen für eine Öffnung für Frauen in propagierten Männerberufen, sondern strebten vor allem nach Selbstverwirklichung. Um dieses Ziel zu erreichen, gingen sie alle unterschiedliche Wege. Gemeinsam haben sie allerdings alle, dass sie Randfiguren in der Fliegerei waren. Sie wurden frauenstereotyp rezipiert: Es wurde über ihre Kleidung geschrie- ben oder auch darüber, dass Fliegen für Frauen offensichtlich à la mode sei. Im krassen Ge-

232 Fuchs, Töchter des Ikarus, S.38. 233 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.235. 234 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.21. 235derStandard.at, Pilotinnen als Ausnahmen, 21.08.2013, [http://derstandard.at/1376534176221/Pilotinnen-als- Ausnahmen], eingesehen am 12.12.2017. 236 Austrian Wings, “Girls in Aviation” – der Himmel muss nicht rosa sein!, 23.06.2013, [https://www.austrianwings.info/2013/06/girls-in-aviation-der-himmel-muss-nicht-rosa-sein/], eingesehen am 12.12.2017. 46 gensatz dazu stand die Rezeption ihrer männlichen Kollegen. Sie wurden zu Helden der Luft stilisiert.237 Eine weitere Gemeinsamkeit sind die Hürden, die es für die Frauen zu bewältigen gab. Auf der einen Seite wurde es von der Gesellschaft nicht gerne gesehen, dass sich eine Frau hinter das Steuer eines Flugzeuges setzte, auf der anderen Seite mussten viele Pilotinnen auch um die nötigen finanziellen Mittel kämpfen. Dass sie für ihre Leistungen nicht dieselbe Anerken- nung bekamen wie ihre männlichen Kollegen, hinterlässt bei all den Problemen, mit denen sie zu kämpfen hatten, nur einen faden Beigeschmack. Es gab für die Pilotinnen zahlreiche Ge- und Verbote, an die sie sich halten mussten, wenn sie fliegen wollten. Als erkannt wurde, dass die Fliegerei von der Frau als Werbemittel profitie- ren konnte, wurden diese etwas gelockert.238 Ein weiteres Problem stellte auch die isolierte Behandlung von Frauen dar. So durfte Melli Beese, als sie ihre Lizenz erwarb, etwa nur dann fliegen, wenn ihre männlichen Flugschulkol- legen schon geflogen waren. Auch Marga von Etzdorf – die erste Frau, die Pilotin eines Li- nienflugzeuges war – musste alleine auf ihre Theorieprüfung lernen, während die Männer gemeinsam in der Verkehrsflieger-Schule lernen konnten.239 Auch Sabotagen standen an der Tagesordnung.240 Ein weiteres Problem stellten die Bedenken der Ärzte der damaligen Zeit dar: Bis in die 1930er Jahre war der Glaube weit verbreitet, dass die weiblichen Organe zu zart für den Luftdruck in großer Höhe waren. Auch später noch waren viele Mediziner nicht ganz sicher, ob die unsanften Landungen nicht der Gebärfähigkeit schaden würden.241 Als es den Menschen gelang zu fliegen und sich auch Frauen erstmals in ein Flugzeug setzten, sei es nun als Passagierin oder als Pilotin, trugen sie noch lange Röcke, Korsetts und Hüte. Selbstredend konnte in dieser Kleidung kaum Sport betrieben werden.242 Um trotzdem fliegen zu können, wechselten viele Frauen zu Pluderhosen und ließen das Korsett weg. Anfangs zo- gen sich viele Frauen heimlich um und waren die Ersten auf dem Flugfeld, um beim Fliegen nicht beobachtet werden zu können. Die ersten Frauen, die sich dazu bekannten ohne Korsett zu fliegen, verursachten einen Aufschrei in der Öffentlichkeit.243 Eine Pilotin, die durch ihr außergewöhnliches Flugdress bekannt wurde, war Harriet Quimby. Sie flog in einem pflau-

237 Bubert, Pilotinnen in der Geschichte der Luftfahrt. 238 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.21. 239 Ebd. S.22. 240 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.48-53. 241 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.119-120. 242 Renate Ell, Pilotinnen ist nichts verboten, in: VDI Nachrichten, Nr.16, 21.April 2017, S.30. 243 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.21-23. 47 menfarbenen, aus Satin gefertigten Fliegeranzug, der eine Kapuze besaß, unter der sie ihr Haar verstecken konnte.244 Für manche Pilotinnen war das Fliegen nur ein weiter Schritt in ihrer sportlichen oder artisti- schen Karriere, für andere war es die Flucht aus einem bürgerlichen Leben, in das sie nicht mehr zurückkehren wollten. Die wenigsten fanden Möglichkeiten mit dem Fliegen ihren Le- bensunterhalt zu verdienen, wenn sie nicht an Kunstflugschauen teilnahmen. Trotz ihrer Leis- tungen wurden die frühen Pilotinnen nicht ernst genommen.245 Metzt schreibt in ihrem Buch, dass das Fliegen einen Sieg der Technik über die Natur bedeu- tete und dass das Vertrauen in diese Technik immer weiter zunahm. Ebenso hält sie fest: „Der Aufstieg im Flug stand symbolisch für Entgrenzung, der Flug wurde zum Synonym für Frei- heit, für Absagen an irdische Mühen.“246 Zudem stand der Flug für einen Aufbruch in neue Gebiete, für Macht – auch über die Natur – und zugleich auch für männliche Macht, Kraft, Stärke und die Genialität des Mannes. Fliegen barg den Mythos des Unsterblichen, es war durchwegs männlich besetzt.247Auch wenn die frühen Pilotinnen ihren Traum vom Fliegen erfüllen konnten, so war der Preis, den sie dafür zu zahlen hatten, hoch: In der Welt der Män- ner wurden sie nie ganz ernst genommen und in jener der Frauen wurden sie zu Fremden. Sie waren immer die gesellschaftlichen Außenseiterinnen, die Marginalisierungseffekte zu tragen hatten. Eine gewisse Frechheit, außerordentlicher Mut, Durchsetzungsvermögen und vor al- lem Ausdauer waren wichtig, wollte eine Frau zumindest einen ersten Schritt in der von Män- nern dominierten Luftfahrt wagen.248

5 Emanzipation durch die Aviatik? Durch die Weimarer Verfassung, welche Männer und Frauen zumindest politisch, jedoch nicht zwingend sozialrechtlich gleichberechtigte, kam es in den 1920er Jahren zu einer eman- zipatorischen Grundstimmung bei manchen Akteurinnen und Akteuren der Gesellschaft. Nun wurde es für einzelne Frauen, in der Regel jene aus besser situierten Schichten, einfacher das traditionelle Rollenbild zu überschreiten.249 Von der emanzipatorischen Grundstimmung angetrieben, konnte es einzelnen Frauen gelin- gen, in die von Männern dominierte Fliegerei einzudringen. Der gesellschaftspolitische offene Teil der Weimarer Republik inszenierte und interpretierte die Pilotinnen als einen Prototyp

244 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.64-66. 245 Ebd. S.86. 246 Metz, Pilotinnen – ein Silberstreif am Horizont, S.17. 247 Ebd. S.17 248 Ebd. S.24. 249 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.189. 48 der neuen Frau – im Widerspruch zum Rollenbild der konservativen und reaktionären Mehr- heitsbevölkerung. Modernität, Emanzipation, Weltoffenheit, Urbanität und Technikbegeiste- rung sollten durch die Fliegerinnen verkörpert werden.250 Grundlage für das Auftreten der „Neuen Frau“ waren die neu erreichten sozio-politischen Freiheiten, wie etwa veränderte Moralvorstellungen, eine Selbstverwirklichung durch die Möglichkeit einer Berufsausübung, die neu entdeckte und ausgelebte Sexualität oder auch der bessere Bildungszugang für Frauen.251 Das neue Frauenideal fand durch die Verwendung der Medien, wie Filme oder Illustrierte, eine weite Verbreitung. Die „Neue Frau“ oder das „sportsgirl“ war nicht nur erfolgreich im Beruf, sondern auch im Sport. Medien propagierten zudem, dass Frauen, die dieser neuen Strömung angehörten, auch im Liebesleben großen Erfolg hätten. Doch es blieb beim Ideal, die Realität sah anders aus: Eine überwiegende Mehrheit der Frauen galt sowohl in der Ar- beitswelt als auch in der Familie als das „zweite Geschlecht“. Als Frauen mussten sie sich dem Ehemann als Familienoberhaupt unterordnen. In der Praxis veränderten die neuen Ideale und Rechte nur wenig an der Geschlechterhierarchie.252 Obwohl die Pilotinnen gemeinhin als bemerkenswerter Beweis weiblicher Emanzipation gel- ten, wurden die Wenigsten von emanzipatorischen Motiven angetrieben, ihre Gründe waren weitaus vielfältiger.253 „Allerdings spitzte das in den Neuen Frauen und besonders in den Fliegerinnen verkörperte Potential von Frauen, öffentliche und als männlich attribuierte Räu- me zu erobern, die gesellschaftliche Diskussion um Frauenbild und Emanzipation zu“254, hält Zegenhagen in ihrem Buch fest. Das Fliegen schien eine Emanzipation zu symbolisieren, die ganz generell ein neues Leben versprach.255

5.1 Geschlechterrollen – das Geschlecht als Kriterium Der Erste Weltkrieg bewies, dass sich Frauen auch in Berufen behaupten können, die als tra- ditionell männlich wahrgenommen wurden. Mit der Aufnahme der politischen Gleichberech- tigung in die Verfassung wurde ein erster Schritt in Richtung emanzipatorischer Fortschritt gemacht. Gleichzeitig wurde diese Gleichberechtigung immer wieder als Ursache für den

250 Ebd. S.189. 251 Gesa Kessemeier, Sportlich, sachlich, männlich. Das Bild der „Neuen Frau“ in den Zwanziger Jahren: zur Konstruktion geschlechtsspezifischer Körperbilder in der Mode der Jahre 1920 bis 1929, Dortmund 2000, S.1. 252 Gertrud Pfister, Langstreckenfliegerinnen und Rekordjägerinnen. Zwischen Tradition und Befreiung – Pilo- tinnen in der Zwischenkriegszeit, in: Frau und Flug. Die Schwestern des Ikarus, hrsg. v. Wolfgang Meighörner (Zeppelinmuseum Friedrichshafen), Marburg 2004, S.110-135, hier S.111. 253 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.189. 254 Ebd. S.189. 255 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.11. 49

Verfall von Familie, Kultur und Gesellschaft angesehen, da die bestehenden Rollenbilder durch die Gleichberechtigung aufgebrochen wurden. Ohnehin waren konservative Kreise der Meinung, dass Frauen, mochten sie noch so männliche Züge auf Kosten ihrer Weiblichkeit annehmen, niemals zur selben (genialen) Entfaltung ihres Geistes gelangen konnten, wie es einem Mann möglich war. Zahlreiche Frauen, nicht nur Fliegerinnen im Besonderen, hatten mit solchen geschlechtsbasierten Vorbehalten zu kämpfen. Der Widerstand kam nicht nur von Männern, die sich in ihrer patriarchalen Position gestört bzw. angegriffen fühlten, sondern auch von konservativ eingestellten Frauen.256 Bedingt durch die Krisen und die ökonomischen Schwierigkeiten, die nach dem Ersten Welt- krieg herrschten, suchten große Teile der Bevölkerung Halt in den traditionellen Werten und Rollenbildern. Familie und Ehe erschienen als stabile Elemente in einer Welt voller Verände- rungen. Die Emanzipation stand eben diesen Werten im Wege, weshalb sie gerade auf kon- servative Kreise bedrohlich wirkte. Durch die Emanzipation würde sich die Frau – so die Meinung der Konservativen – nur ihrer natürlichen Bestimmung entziehen. Für die Fliegerin- nen bedeutete dies, dass es für sie von Vorteil war, nicht offiziell zur Emanzipationsbewegung zu gehören. Sie fanden in breiteren Kreisen Akzeptanz, wenn sie sich als in den traditionellen Werten verhaftet gaben. Der hohe gesellschaftliche Druck, der dadurch auf den Pilotinnen lastete, wird besonders erkennbar, wenn Inlands- und Auslandsauftritte miteinander vergli- chen werden. Zwar sind dafür wenige Belege vorhanden, doch diese wenigen lassen darauf schließen, dass sich Fliegerinnen im Ausland wesentlich freier bewegen konnten. Einer dieser Belege ist ein Brief Antonie Strassmans aus den USA, aus dem hervorgeht, dass vor allem die US-Amerikaner, aber auch die US-Amerikanerinnen, sehr positiv auf ihre Tätigkeit als Pilotin reagieren würden.257 Die Frauenbewegungen der Weimarer Republik sahen in den Pilotinnen keine Vorkämpferin- nen, denn die Fliegerinnen waren sozusagen im „falschen Metier“ tätig. Zegenhagen schreibt, dass die Frauenrechtlerinnen sich vor allem dafür einsetzten, dass eine Gleichberechtigung im Bereich der Sozial- und Familienpolitik – also traditionell weiblichen Gebieten – erreicht wurde. Von den unterschiedlichen Frauenbewegungen der Weimarer Republik gingen ihrer Meinung nach keine Impulse für ein Agieren außerhalb der traditionellen Rollenbilder oder die Schaffung neuer Geschlechterrollen aus. Fliegerinnen und Frauenbewegung konnten sich laut Zegenhagen somit nicht gegenseitig emanzipativ anregen oder ergänzen.258

256 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.199-202. 257 Ebd. S.202-203. 258 Ebd. S.199-202. 50

Grundsätzlich zeichneten sich die frauenpolitischen Richtungen erst im späten 20. Jahrhundert dadurch aus, dass diskutiert wurde, ob Gleichberechtigung eine Anpassung der Frau an die Männerwelt meine, oder ob es nicht vielmehr darum gehe, die männliche Welt so umzugestal- ten, dass auch die weiblichen Werteordnungen darin Berücksichtigung finden könnten. Osietzki schreibt dazu, dass in der frühen Luftfahrt solche Forderungen noch nicht im allge- meinen Bewusstseinshorizont von Emanzipationsbestrebungen gelegen hätten.259 Deshalb wurden in der Luftfahrt je nach Bedarf und den politischen Rahmenbedingungen, die Kriterien, die für das jeweilige Geschlecht zu gelten hatten, neu interpretiert. Auf der einen Seite gestalten sich die sozialen, ökonomischen und politischen Bedingungen, unter denen die Pilotinnen ihr Auskommen suchten, flexibel. Auf der anderen Seite herrschte jedoch ein be- stimmtes, traditionelles Bild, welchem sich Frauen fügen mussten. In dieses traditionelle Rol- lenbild passten die Pilotinnen nicht mehr. Dadurch kam es zu starken Schwankungen bei der Bewertung ihrer Leistungen. Zudem konnte es nie zu einem konkreten Rollenmodell für Pilo- tinnen kommen.260 Es gab nie ein einheitliches Rollenbild für die Pilotinnen. Ein großes Dilemma für die Sportpilotinnen war, dass ihr Können (und auch ihre Existenz) nicht als ein Beleg dafür galten, dass auch Frauen technische oder sportliche Leistungen erbringen konnten. Ihr Können war untrennbar mit ihrem biologischen und ihrem sozialen Geschlecht verbunden. Somit wurden sie immer am Maßstab traditioneller Geschlechterrollen gemessen. Hieraus gab es für die Sportpilotinnen keinen Ausweg. Sie konnten ihre persönli- chen Ambitionen mit den Bewertungen, die von der Gesellschaft ausgingen, nicht vereinba- ren. Obwohl die Emanzipation in der Verfassung verankert war, garantierte sie ihnen keine Gleichberechtigung oder Gleichbehandlung in der Luftfahrt und im Flugsport. Stattdessen wurden sie von allen Seiten misstrauisch beobachtet und immer wieder mit dem Vorwurf kon- frontiert, dass sie unweiblich und egoistisch seien, da sie nicht den gängigen Rollenmodellen entsprachen und sich ihrer natürlichen Bestimmung entzögen.261 Der Faktor ‚Frau„ wurde für die Fliegerinnen zu einem Hemmnis, ihr biologisches Geschlecht zu einem Makel. Viele Pilo- tinnen versuchten deshalb, ihr Geschlecht als diskriminierenden Faktor auszuschalten. Marga von Etzdorf gab sich z.B. während ihrer Zeit bei der Lufthansa als männlicher Pilot aus, Elly Beinhorn versuchte dem Initiator einer Afrikaexpedition so lange als möglich zu verheimli-

259 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.10. 260 Evelyn Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug. Rollenbild, Chancen und Beschränkungen deutscher Sportfliegerinnen der Zwischenkriegszeit, in: Frau und Flug. Die Schwestern des Ikarus, hrsg. v. Wolfgang Meighörner (Zeppelinmuseum Friedrichshafen), Marburg 2004, S.86-109, hier S.87. 261 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.202-204. 51 chen, dass sie eine Frau war. Das Geschlecht blieb für die Frauen eine Barriere in der Luft- fahrt.262 Die 1920er Jahre wurden zu einem wahren goldenen Zeitalter der Luftfahrt, von dem auch die Pilotinnen profitieren konnten. Diese Frauen, die dafür kämpften, fliegen zu dürfen, wagten sich wie kaum eine andere Gruppe in ein von Männern dominiertes Feld.263 Der Schulter- schluss zwischen Männlichkeit und Technik war charakteristisch für die Luftfahrt. Dennoch gab es in ihrer Geschichte spektakuläre Karrieren von Frauen, die als Pilotinnen oder Ingeni- eurinnen tätig waren. Es blieben allerdings zu wenige, um eine Gleichberechtigung der Frau- en im Allgemeinen durchzusetzen, maximal Eingeständnisse gegenüber einzelnen Pilotinnen konnten erreicht werden. Die (erfolgreichen) Sportfliegerinnen blieben Einzelkämpferinnen, die einen Individualismus pflegten, der zu keinen frauenpolitischen Ambitionen in der Luft- fahrt führen konnte. Zumindest für Deutschland wurde belegt, dass die Fliegerinnen keine offensive Traditionsbildung anstrebten bzw. an einer Gruppenidentität arbeiteten.264 Sport- fliegerinnen positionierten sich als Einzelkämpferinnen, sie ordneten sich bereitwillig in die männliche Sphäre der Fliegerei ein und unter. Doch die Pilotinnen lernten auch von dieser Tatsache zu profitieren: Sie nutzten kulturelle Vorurteile über weibliche Betätigungen in der Luftfahrt zu ihrem eigenen Vorteil aus. So überließen es manche Pilotinnen absichtlich ihren Technikern, den Flugzeugmotor zu warten, da Frauen dem damaligen Rollenbild entsprechen nichts von Technik verstanden. Dennoch blieb die Akzeptanz in der Männerwelt ‚Luftfahrt„ zerbrechlich. Um sie zu erhalten, versuchten die Fliegerinnen sich von äußeren Einflüssen abzuschirmen. Dieses Abschirmen führte auch dazu, dass nur wenige Fliegerinnen private Freundschaften untereinander aufbauten. Vermutlich ist dies auch eine Ursache dafür, dass es im deutschsprachigen Raum nie zur Gründung einer eigenständigen Interessensvertretung für fliegende Frauen kam. Um dem gesamten Ruf der Luftfahrerinnen nicht zu schaden, durfte sich keine der Fliegerinnen einen Fehler erlauben, denn der Druck der Öffentlichkeit war enorm. Die meisten Pilotinnen votierten in der Öffentlichkeit gegen einen allgemeinen Zu- gang für Frauen zur Luftfahrt und zum Flugsport, dadurch versuchten sie das Risiko der Ruf- schädigung möglichst gering zu halten. In der Weimarer Republik waren Pilotinnen keine Konkurrenz für ihre männlichen Kollegen, da sie ohnehin keine Gleichberechtigung erfuhren und gesetzlich von der kommerziellen Luftfahrt ausgeschlossen wurden.265

262 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.14. 263 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.87. 264 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.10. 265 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.204-208. 52

Die Zeitgenossen bewerteten die fliegenden Frauen und ihre Leistungen nach den Kriterien, die im Laufe der Zeit auf Männer zugeschnitten worden waren. Eine geschlechtsneutrale Be- wertung war ihnen unmöglich. Somit wurden die Pilotinnen immer am Kriterium „Ge- schlecht“ gemessen.266 Für viele Frauen, die aus bürgerlichen oder großbürgerlichen Familien stammten, war es be- reits in den 1920er Jahren normal, ihre eigenen Interessen zu artikulieren. Sie waren dem Existenzkampf kleinbürgerlicher und proletarischer Frauen entzogen und konnten dadurch eine individuelle Selbstverwirklichung anstreben. Ein solcher Lebensstil war auch für den Beginn einer fliegerischen Karriere nicht von Nachteil. Denn durch die gesammelte Lebenser- fahrung konnten sich die angehenden Fliegerinnen in einem rein männlichen Umfeld, in dem sie argwöhnisch beäugt wurden, wie es oftmals in Flugschulen der Fall war, behaupten. Kon- flikte zwischen den Flugschülern und den Flugschülerinnen waren keine Seltenheit. Bereits in der Flugschule lernten Frauen ‚wie ein Mann„ zu agieren. Dadurch konnte der soziale Spreng- stoff, der in ihrem Geschlecht lag, zumindest teilweise ausgeblendet werden. Ihre Flugleis- tungen konnten die Frauen nur erbringen, weil sie im Sinne der traditionellen Rollenbilder eben nicht mehr „ganze Frauen“ waren. Sie wurden zu Ausnahmen. Durch ihr männliches Agieren konnten die Leistungen der Fliegerinnen auch so bewertet werden, wie jene der Männer. Deshalb konnte das ‚starke„ Geschlecht stark bleiben. Das ‚schwache„ Geschlecht blieb schwach und die Geschlechterrollen damit unangetastet. In den meisten Fliegerinnen- biographien lassen sich Belege für solche Umdeutungen finden. Beispielsweise wurden ihnen Charakteristiken zugeschrieben, die zur damaligen Zeit eindeutig männlich waren. Wie etwa Kameradschaft, Tapferkeit und Mut sowie die Fähigkeit in schwierigen Situationen einen ‚kühlen Kopf„ zu bewahren.267 Dies zeigen auch die drei exemplarischen Biographien im Ka- pitel 5.1 dieser Arbeit. Trotz der Vorteile, die eine Herkunft aus der Mittel- oder Oberschicht mit sich brachte, ist die soziale Herkunft der Sportfliegerinnen nicht ganz so leicht dar zu stellen, als bislang in der Wissenschaft angenommen wurde. Zegenhagen fand heraus, dass zwar eine relativ große Zahl aus der Mittel- und Oberschicht stammt, jedoch lassen sich auch einige Frauen aus dem Kleinbürgertum unter den Pilotinnen finden. Viele der frühen Fliegerinnen hatten eine kauf- männische oder Sekretariats-Ausbildung absolviert, denn diese galt als schicklich und als gute Vorbereitung für die Aufgaben einer jungen Frau. Die soziale Klassifizierung der Pilotinnen wird selbstredend durch ihre soziale Mobilität erschwert, die nicht selten gerade durch die

266 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.87. 267 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.204-208. 53

Fliegerei bedingt wurde. Insgesamt betrachtet fällt auf, dass die Zugehörigkeit zum Großbür- gertum bzw. vermögenden Bürgertum eine fliegerische Karriere (meist) erleichterte und oft- mals auch dauerhaft ermöglichte, da genügend finanzielle Mittel vorhanden waren.268 Zegen- hagen meint jedoch: „Für den Wunsch, sich fliegerisch zu betätigen, und den Erwerb eines Luftfahrerscheines war sie jedoch kein ausschließliches Kriterium.“269 In ganz besonderer Weise standen die Sportpilotinnen an einem Scheidepunkt. Nämlich je- nem zwischen traditionellen Rollenerwartungen und modernem Zeitgeist. Die Konflikte, die eine Frau – wollte sie Pilotin sein – zu überwinden hatte, begannen spätestens, wenn sie ihren Wunsch zu fliegen artikulierte. Von verständnisvoller Unterstützung bis hin zu völliger Ab- lehnung und zum Entzug jeglicher finanzieller Mittel reichte das Spektrum an Reaktionen der Umgebung. Die Motivationen für eine Karriere als Pilotin waren, wie die Reaktionen, höchst unterschiedlich. Unter anderem konnte es sich um individuelle Rebellion gegen die Tradition handeln, um sportliche Herausforderung, den Rausch der Geschwindigkeit oder darum, einem Vorbild nacheifern zu wollen. Für manche Frauen war Fliegen auch einfach nur ein Ausdruck ihres bürgerlichen oder adeligen Lebensgefühls bzw. waren sie von der Atmosphäre des Abenteuerlichen fasziniert. Als weitere Motivationen lassen sich ein unmittelbares berufliches Interesse – wie es etwa bei Melitta Schiller (verheiratete Schenk, Gräfin von Stauffenberg) der Fall war– oder auch der Drang nach Öffentlichkeit und Publicity nennen.270

5.2 Pilotinnen als „Neue Frau“ bzw. „sportsgirl“ und die Rolle der Medien Die Blütezeit der deutschen Sportfliegerinnen – die sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jah- re festmachen lässt – fiel mit dem soziokulturellen Phänomen der Neuen Frau zusammen. Bereits um 1900 wurde mit diesem Begriff ein visionärer Emanzipationsentwurf bezeichnet. Frauen strebten dabei nach ökonomischer und sozialer Selbstständigkeit sowie nach einem gleichberechtigen Zugang zu den Bildungsmöglichkeiten bzw. politischer Gleichberechti- gung. Während dieser Zeit schlugen sich diese Vorstellungen allerdings noch nicht im äußer- lichen Erscheinungsbild der Frauen nieder. Mitte der 1920er wurde der Begriff Neue Frau für meist berufstätige, urbane, jugendliche Frauen verwendet, die einen individuellen Emanzipa- tionsanspruch hatten und die an typischen äußeren Merkmalen erkennbar waren – wie etwa dem Kleidungsstil, ihrem Haarschnitt, der Jugendlichkeit, Sportlichkeit oder Motorisierung. Schon durch ihre äußere Erscheinung fielen Neue Frauen auf: Bubikopf, kurzer Rock und

268 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.194-195. 269 Ebd. S.195. 270 Ebd. S.196. 54

Seidenstrümpfe, Krawatte, Zigarette, Hose, Pullunder oder ein Monokel. Diese Dinge wurden kennzeichnend für Neue Frauen. In den 1920ern erhoben die Neuen Frauen keine allgemein gesellschaftlichen Emanzipationsansprüche mehr, da diese bereits in der Verfassung der Weimarer Republik verwirklicht schienen. Diese Frauengeneration war die Erste, für die ein selbständiges berufliches Leben vorstellbar sowie gesellschaftlich akzeptabel war, zumindest bis zu ihrer Heirat. Sie forderten selbstbewusst Rechte und Freiheiten ein, die Männern bereits zustanden. 1925 waren im Vergleich zu 1907 dreimal so viele Frauen berufstätig. Die meisten Neuen Frauen entstammten proletarischen oder kleinbürgerlichen Kreisen. Sie waren oftmals nach konservativen Werten und Traditionen großgezogen worden und kehrten aus diesem Grund spätestens nach ihrer Eheschließung in das damals als ‚natürlich„ gesehene Rollenver- halten zurück. Insgesamt umfasste das Phänomen der Neuen Frau jedoch nur einen Bruchteil der gesamten weiblichen Bevölkerung. Größtenteils waren es Verkäuferinnen und Angestell- te, die sich als Neue Frauen gaben. Proletarierinnen, Frauen in der Land- und Hauswirtschaft sowie Akademikerinnen bzw. Frauen mit einer konservativen Einstellung waren von der Er- scheinung der Neuen Frau nur peripher betroffen. Dennoch wurde die Neue Frau zu einem Kennzeichen einer ganzen Epoche. Dies hat vor allem zwei Gründe: Erstens wurden Neue Frauen von ihren Zeitgenossen und Zeitgenossinnen bewusster wahrgenommen, weil sie die traditionellen Wege weiblicher Erwerbstätigkeit und weiblichen Rollenverhaltens – wenigs- tens zeitweise – verließen. Zweitens fielen sie durch ihr Erscheinungsbild auf, welches weiter oben schon näher beschrieben wurde. Das durch die Medien inszenierte und propagierte Bild entwickelte eine große Attraktivität. Das Zeitalter der Neuen Frau wurde gleichzeitig zu je- nem der befreiten Frau erklärt. Frauen konnten ihre Freiheit nun individuell ausleben. Die Vorstellung von einer freien Frau lässt sich auch in den Darstellungen der Fliegerinnen in den Medien wiederfinden.271 Laut Kessemeier waren es gerade die Visualisierungsstrategien in den Medien, die den Mode- und Lebensstil-Charakteristika der Neuen Frauen zum Durch- bruch verhalfen.272 Zegenhagen fügt an dieser Stelle an, dass Neue Frauen durch die iko- nographische und oberflächliche Inszenierung der Medien, auf ein „Modepüpchen-Bild“ re- duziert wurden. Denn trotz der aufwendigen und neuartig erscheinenden Aufmachung wurden weiter traditionelle Vorstellungen und Geschlechterrollen vermittelt. Im Bild der Neuen Frau trifft somit Fortschritt und Beharrung aufeinander.273 Gabriele Hauch ist sogar der Meinung, dass die Neue Frau eine Projektionsfläche für „Angst und Hoffnung, Abscheu und Begehren,

271 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.191-192. 272 Kessemeier, Sportlich, sachlich, männlich, S.171-174. 273 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.193. 55

Dynamik und Passivität, Liebe und Haß [sic!]“274 war. Ihrer Meinung nach nutzten nicht nur Männer Neue Frauen als Projektionsfläche, sondern auch Frauen im gesamten urbanen Euro- pa.275 Gerade solche Interpretationen, wie sie Hauch liefert, widersprechen den herkömmli- chen Wahrnehmungen der Neuen Frau, die sonst als souverän, emanzipiert und selbstständig angesehen wird.276 „Ungeachtet der Erwartungshaltungen der bürgerlichen Gesellschaft hatten Frauen ihren Auf- bruch in den Himmel gewagt und sich die neue Technologie des Fliegens erschlossen, wie es Frauen zuvor bei keiner anderen Technologie getan hatten“277, schreibt Zegenhagen in ihrem Artikel Vom Aufwind in den Sturzflug. Ein Vorteil, den die Pilotinnen für ihre Zwecke nutzen konnten, war, dass sie dem Typus der Neuen Frau, wie er in der Weimarer Republik propa- giert wurde, nahezu perfekt zu entsprechen schienen, wie in diesem Kapitel bereits erwähnt wurde. Es hatte den Anschein, dass Fliegerinnen gegen die gängigen Rollenbilder rebellierten, die beginnende soziale und ökonomische Selbstständigkeit der Frau verkörperten und ein Symbol für den emanzipatorischen Aufschwung waren, den der Erste Weltkrieg und die Weimarer Verfassung für die Frauen mit sich gebracht hatten. Es erweckte den Eindruck, dass die Pilotinnen diese neu gewonnenen Freiheiten perfekt nutzen. Für viele junge Mädchen wurden sie zu Vorbildern, da sie von den Fliegerinnen beeindruckt waren und inspiriert wur- den. Die Fliegerinnen personifizierten all jene Attribute, die der Neuen Frau zugeordnet wur- den: Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit, sachliche Sportlichkeit, gepflegte Jugendlichkeit. Zusätzlich spielten sie mit einem androgynen, gewagten Äußeren.278 Pfister hält fest, dass nicht wenige der Pilotinnen – was sowohl ihr Privatleben und ihre Hobbys als auch ihr Be- rufsleben betraf – ungewöhnlich exzentrisch und extrovertiert waren. Die Fliegerei zog durch das Versprechen an, Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit zu bekommen. Die imaginierte Freiheit in der Luft schien auch eine Freiheit von Rollen und Regeln zu sein.279 In der Zeitschrift „Die Dame“ wurde 1926 ein Artikel veröffentlicht, wonach nun auch die Mode dem männlichen und dem weiblichen Prinzip den Kampf ansage. Dabei ging es nicht darum, dass sich Frauen mit dem neuen Kleidungsstil eine Art Freiheitskostüm anzogen, son- dern darum, dass durch den neuen androgynen Dresscode endlich die Beziehung zwischen

274 Gabriele Hauch, „Die Versklavung der Männer durch feministische Gesetzte“? Zur Ambivalenz der Ge- schlechterverhältnisse in Krieg, Kultur und Politik: 1917/18-1933/34, in: Politik und Geschlecht. Dokumentation der 6. Frauenringvorlesung an der Universität Salzburg WS 1999/2000, hrsg. v. Elisabeth Wolfgruber, Inns- bruck/Wien 2000, S.85-106, hier S.99. 275 Ebd. S.99. 276 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.193. 277Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.91. 278 Ebd. S.91. 279 Pfister, Langstreckenfliegerinnen und Rekordjägerinnen, S.130. 56 den Geschlechtern neu diskutiert werden sollte. Für viele Frauen war dieser neue Crossover ausgesprochen reizvoll.280 Wobei die Pilotinnen wohl mehr des Zweckes Willen ein androgy- nes Äußeres annahmen als der Mode wegen. Sowohl die Pilotinnen als auch die Mode, wurden zu einem Beleg dafür, wie sehr die gängi- gen Klischees ins Wanken geraten waren.281 Der neue Zeitgeist der 20er Jahre – die enormen Veränderungen in den soziopolitischen und ökonomischen Bereichen der Weimarer Republik – spiegelte sich in der damaligen Mode wieder. Die Entwicklung der Mode wurde von der neuen Stellung der Frau beeinflusst. Hinzu kam, dass Mode nicht mehr nur für Frauen der Oberschicht interessant war, sondern die Aufmerksamkeit von Frauen aller Schichten genoss. Durch die neuen geometrischen Linien sowie dem Wunsch nach Funktionalität und Geradli- nigkeit wurde die Nachkriegsmode zur ersten tragbaren Damenmode für breitere Massen. Im Fokus standen allerdings vor allem junge, selbständige und sportlich-elegante Frauen.282 So wie es die Pilotinnen zu sein schienen. Doch nicht nur Bewunderung schlug den Fliegerinnen – den idealen Neuen Frauen – entge- gen, mit Kritik wurde ebenfalls nicht gespart. Die extremste davon war, dass sich die Pilotin- nen vor ihrer biologischen Aufgabe – nämlich Kinder zu gebären – drücken würden. Es sei eine Gefahr für Deutschland, wenn mehr Frauen flögen, da dann die Zahl der Einwohner noch mehr sinken würde. Bereits vor 1933 war deshalb der Druck auf die Fliegerinnen immer grö- ßer geworden. Die Forderungen, dass Frauen nur dann fliegen dürften, wenn sie sich ihrer Verpflichtung gegenüber dem Vaterland stellen und die ganze Fliegerei keinen Einfluss auf die Reproduktionsfähigkeit habe, wurden besonders nach 1933 zunehmend lauter. 283 Von den Pilotinnen selbst konnte das neue Frauenbild nicht immer gewinnbringend eingesetzt werden. Auf der einen Seite bewiesen sie Geschäftssinn, waren selbstständig und brachten neue Ideen mit ein. Doch diese Bemühungen fanden bei den Männern kaum Gehör. Anderer- seits entwickelten die Fliegerinnen das Bild der Neuen Frau zweckbewusst weiter: Natürlich- keit, Sportlichkeit und gesunde Ernährung wurden von ihnen aufgenommen und weiter pro- pagiert. Diese drei Punkte führten zu einem neuen weiblichen Körperbewusstsein, das schließlich im Körperkult des Nationalsozialismus gipfelte. Somit haben die Fliegerinnen auch einen Anteil am neuen Normalbild, das für die 1930er Jahre prägend war.284

280 Gerda Buxbaum, Mode! Das 20. Jahrhundert, München/London/New York 1999, S.32-33, hier S.32. 281 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.91. 282 Caroline Klingenschmid, Der Wandel der Condition Féminin in der Zwischenkriegszeit der Weimarer Repu- blik und dessen Niederschlag in der Mode mit einer bildlichen Darstellung und analytischen Diskussion selbiger im Schulunterricht, Innsbruck 2014, S.50-51. 283 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug S.91. 284 Ebd. S.91-92. 57

„Generell gesehen blieb das Konzept der Neuen Frau aber ein zeitlich und auf bestimmte so- ziale Schichten begrenztes Phänomen, das keinen wesentlichen Beitrag zur Durchsetzung emanzipatorischer Rechte leisten konnte.“, schreibt Zegenhagen. Durch die politische und ökonomische Situation der Nachkriegszeit wurde der emanzipatorische Aufbruch der Frauen gering gehalten, jeder noch so kleine Fortschritt wurde zunichte gemacht. Da durch den verlo- renen Krieg die Würde und Geltung Deutschlands in der Welt gesunken war, wurde zumin- dest von den Eliten kein Wert auf Emanzipation gelegt. In den konservativen Kreisen galt sie sogar als entartet, als „egoistisches Schachern und Interessenspolitik, was abzulehnen war.“285 Dass die emanzipatorischen Bestrebungen die bürgerliche Ordnung ins Wanken brachten, ist unter anderem an der scharfen Abwehr und Kritik, die ihr entgegengebracht wurde, zu erken- nen. Zum Teil wurde der Emanzipation die Schuld an den harten Zeiten und den „roheren Sitten“, wie Zegenhagen es nennt, gegeben. Nicht der Erste Weltkrieg und die daraus resultie- rende politische, ökonomische und soziale Instabilität waren Schuld daran, sondern die „ent- arteten“ Ansprüche der Frauen. In solch einem Klima kamen keine Forderungen mehr von Frauen bezüglich der Fliegerei, was kaum verwunderlich ist. Kurz darauf diktierten sowohl konservative, als auch nationalistische Strömungen die Zuständigkeitsbereiche der Frauen.286 Von den zeitgenössischen Medien wurden die Fliegerinnen möglichst weiblich dargestellt. Hin und wieder wurde ihre Weiblichkeit extra hervorgehoben, was dazu führte, dass teilweise auch herausragende Leistungen heruntergespielt und damit entwürdigt wurden.287 Ungeachtet ihres Geschlechts und der Berichterstattung durch die Medien wurden Pilotinnen in den 1920er und 1930er Jahren von einer großen Masse als spektakulär empfunden. Da- durch erlangten sie einen gewissen Werbewert, den schon sehr bald die Politik sowie die Wirtschaft zu nutzen suchten.288 Reklameflüge waren eine zusätzliche Finanzierungsmöglich- keit, auf die fast alle Fliegerinnen zurückgriffen. Dabei erhielten sogar prominente Fliegerin- nen pro Reklamestunde maximal 90 Reichsmark. Die anfallenden Kosten für Benzin, etc. mussten sie selbst tragen. Es lassen sich drei Einsatzgebiete im Bereich der Werbung unter- scheiden: Erstens Werbung für Produkte und Dienstleistungen, die in direktem Zusammen- hang mit der Tätigkeit der Fliegerinnen standen. Hierzu würden zum Beispiel Flüge für Flug- zeugfirmen und Treibstofflieferanten zählen. So flog Thea Rasche, die erste Frau Deutsch- lands, die nach dem Ersten Weltkrieg wieder fliegen durfte, 1928 für Flugzeuge der Bayeri-

285 Ebd. S.92. 286 Ebd. S.92-93. 287 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.94. 288 Ebd. S.94-95. 58 schen Flugzeugwerke AG und Marga von Etzdorf bewarb Shell-Brennstoffe. Zweitens war- ben Fliegerinnen mit ihrem Namen und oftmals ihrer Geschlechterrolle entsprechend für ver- schiedenste Produkte. Die berühmte Langstreckenfliegerin Elly Beinhorn machte etwa Wer- bung für Leica Kameras, mit denen sie auf ihren Flügen Fotos machte. Thea Rasche machte Werbung für Kosmetikartikel. Drittens flogen Fliegerinnen auch Reklameflugzeuge für alle Arten von Produkten. Auch hier kann wieder Thea Rasche als Beispiel herangezogen werden: Sie flog für den Radiohersteller Seibt.289 In den 1930er Jahren kam es schließlich zu einer Umdeutung der Neuen Frau. Jetzt wurde vermehrt vom „sportsgirl“ gesprochen. In den Medien wurden die Pilotinnen daher nicht mehr als ein Prototyp der Neuen Frau inszeniert, sondern als „sportsgirls“ umgedeutet. Je nach Be- trachtungsweise fiel die Inszenierung – laut Zegenhagen – euphorisch oder spöttelnd aus. Durch die Umdeutung konnte sich zudem eine breitere Basis bilden. Zuvor war die Fliegerei eher eine elitäre Sportart für die Dame von Welt. Da sich das Frauenbild jetzt mehr an der Sportlichkeit orientierte, verkündeten die Medien, dass das Fliegen nur eine weitere Sportart sei, die auf die Eroberung durch die Frau wartete. Dass die Fliegerei hohe Nebenkosten mit sich brachte und es keine Möglichkeit zum Broterwerb gab, blieb von den Medien unerwähnt. Viele flugbegeisterte Frauen wechselten deshalb zum Segelflug, da dadurch die Kosten für Benzin bzw. für ein eigenes Flugzeug sanken. Zwar war der Segelflug ein weniger schillern- des Hobby, dennoch war es eine Alternative zum teuren Motorflugsport. Im Segelflugbereich bildeten sich durch den Zulauf immer mehr Frauengruppen.290 Die Umdeutung der Frauenfliegerei zu einem bloßen Hobby brachte auch für die Männer ei- nen großen Vorteil: Es ging kein emanzipativer Anspruch mehr von Fliegerinnen aus. Die Notwendigkeit mit dem Fliegen sein Geld zu verdienen, schien mit der Umdeutung ebenfalls an Gewicht zu verlieren. Die Frau konnte und sollte nun in kleinerem, nahezu verantwor- tungsfreiem Rahmen in der Luftfahrt agieren, während bei den Männern die Verantwortung zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Fliegerei lag.291 Ob es nun der Segelflug oder der Motorflug war, den die Frauen betrieben: Beide bildeten Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften aus, die in der damaligen Zeit nicht zum tradi- tionellen weiblichen Geschlecht passten und eher Männern zugeschrieben wurden. Die neuen Frauenpersönlichkeiten hatten ein großes Interesse an Technik. Für die Fliegerei war es ohne- hin notwendig, etwas über Technik zu lernen, da basale Kenntnisse für den Erwerb eines Flugscheines notwendig waren. Trotzdem überstieg das Wissen vieler Pilotinnen dieses basale

289 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.124-125 290 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.210-211. 291 Ebd. S.210. 59

Wissen. Die Fähigkeit sein Flugzeug selbst reparieren zu können, war in der Zwischenkriegs- zeit unerlässlich. Für Kunstfliegerinnen war es besonders wichtig, möglichst viel über Flug- zeug und Motor zu wissen, da sie das Verhalten während des Fluges einschätzen mussten. Ohne technisches Wissen konnten gravierende Fehler passieren, die nicht selten mit einem Absturz endeten. Weibliche Berührungsängste mit der Technik erwiesen sich als ein Ge- schlechtsrollenstereotyp der damaligen Zeit. Zahlreiche Fliegerinnen bildeten sich auch nach Abschluss ihrer Ausbildung technisch fort. Fotographien aus der damaligen Zeit, welche die Pilotinnen alleine oder mit einem Mechaniker bei Motorarbeiten zeigen, sind somit keine blo- ße Vermarktungsstrategie der Medien, sondern entsprechen der damaligen Realität. Obwohl Frauen und Technik keine Gegensätze mehr waren und ihre Existenz sogar optisch und medi- al dokumentiert wurde, kam es in den 30ern des letzten Jahrhunderts zu keiner Auseinander- setzung und Korrektur der Geschlechterrollen und Geschlechterbilder. Die offensichtlichen Tatsachen wurden von weiten Teilen der Bevölkerung und von den politischen Machthabern ausgeblendet. Den Frauen wurde weiterhin eine Technikferne zugeschrieben und gegebenen- falls der Zugang zum technischen Territorium blockiert. Deshalb konzentrierten sich die Me- dien bald nur mehr darauf zu beschreiben, welches Freiheitsgefühl in den Fliegerinnen durch die Luftfahrt geweckt wurde. Ein reines „sportsgirl“, das kein Interesse an Technik und keine ernsthaften fliegerischen Ambitionen hatte, wurde am männlich dominierten Himmel gestat- tet. Für die Pilotinnen entstand so ein hoher Adaptionsdruck durch die Gesellschaft, oder, wie es Zegenhagen nennt, ein hoher Selbstkonditionierungsdruck. Ihre hohe Präsenz in den Me- dien und in der Öffentlichkeit erwies sich dabei als ein zweischneidiges Schwert. Während die Publicity auf der einen Seite notwendig war, verstärkte sie auf der anderen Seite auch den Druck, dass eine Fliegerin nicht zu männlich sein und vor allem ihre Pflichten als Frau nicht vergessen bzw. vernachlässigen durfte. Pilotinnen sollten sich der Verhaftung in der weibli- chen Rolle bewusst bleiben. Diese Ansicht wurde zusätzlich durch die Medien unterstützt. Je weiblicher sich eine Fliegerin gab, desto größerer Popularität konnte sie sich erfreuen und desto häufiger erhielt sie Werbeaufträge.292

Zur emanzipierten Neuen Frau bzw. dem „sportsgirl“ existierte auch eine Gegenströmung. Seit dem 19. Jahrhundert gab es bereits einen Gegenentwurf zur Emanzipation, bei dem Frau- en weiblich bleiben sollten. Im 20. Jahrhundert spitzte sich dieser Gegenentwurf rhetorisch weiter zu, indem von einer ‚Entartung der Geschlechter„ gesprochen wurde, wenn eine Frau zu androgyn war. Frauen, die sich dem traditionellen Geschlechterstereotyp nicht beugten,

292 Ebd. S.211-215. 60 kamen schnell unter den Verdacht, lesbisch oder promiskuitiv veranlagt zu sein. Die Fliege- rinnen erhielten ebenfalls immer wieder Vorwürfe in diese Richtung. Oftmals kamen diese aber daher, dass ein Unverständnis gegenüber dem Lebenswandel von Pilotinnen vorherr- schend war. Auch hier zeigt sich wieder: Den Fliegerinnen wurde das Vordringen in die männliche Sphäre Luftfahrt nur dann gestattet, wenn sie sich weiterhin stereotyp weiblich benahmen und zum traditionellen Frausein standen bzw. es auch unter Beweis stellten. Pilo- tinnen mussten Strategien entwickeln, um diesem Adaptionsdruck stand zu halten oder ihre Tätigkeit in der Luftfahrt einstellen. Die Fliegerinnen waren sich bewusst, dass sie einen Spa- gat zwischen Fliegeroverall und Abendkleid machen mussten, wollten sie ihr Hobby oder ihre Berufung weiter verwirklichen. Ab 1930 mussten sie ihre Weiblichkeit unter Beweis stellen, was zum Teil zu absurden Inszenierungen führte.293 So wird z.B. Marga von Etzdorf, die in ihrer kurzen Laufbahn beachtliche Flüge absolvierte, als ein „junges Mädchen“, das am Fens- ter sitzt und näht, inszeniert. Inwieweit das auf die Inszenierung folgende Zitat „Ich nähe meine Kleider alle alleine, ich koche auch, man sagt sogar recht gut. Mit einem Wort, ich bin, jawohl, ich bin ganz normal“294, tatsächlich von ihr stammt, lässt sich nicht mehr eindeutig rekonstruieren. Viele Fliegerinnen entwickelten im Zuge der Adaption bzw. ihrer Selbstkon- ditionierung, wie es Zegenhagen nennt, eine individuelle zweckangepasste Weiblichkeit.295 Festgehalten werden kann also: Hielten die Fliegerinnen an ihrer Rolle als Frau – an ihrer Weiblichkeit – fest und fügten sie sich dieser, war ihnen das Fliegen erlaubt. Ihre weiblichen Pflichten sollten sie nur temporär aufschieben. Auf keinen Fall sollte es ein Dauerzustand werden. Dadurch mussten sich die Männer nicht bedroht fühlen, da klar war, dass die Frauen in ihre gewohnten Bereiche zurückkehren würden und mussten.296 Frauen hüpften zwischen der Rolle der ölverschmierten Pilotin und der gut gekleideten Dame von Welt hin und her. Sie lebten in zwei Welten, in beiden fanden sie oftmals wenig Akzeptanz.297 Laut Zegenhagen gelang es ihnen zu keiner Zeit, den latenten Kontrast der einzelnen Elemente stimmig zu überwinden. „[…] das Dilemma der Integration fliegender Frauen in ein standardisiertes Rol- lenverhalten wurde immer nur oberflächlich gelöst.“298 Egal wie sehr Fliegerinnen versuch- ten, männliche Verhaltensweisen zu inkorporieren, es war und blieb ihre Aufgabe, weibliche Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen zu profilieren. Auf der einen Seite war ihre

293 Ebd. S.215-217. 294 Z. Glaß, Zwei lernen fliegen. Interview mit der fliegenden Weiblichkeit, in: Das Magazin (105), Mai 1933, S.53-56, hier S. 56. 295 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.219. 296 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.95-96. 297 Vgl. hierzu diverse Fotographien der Pilotinnen, wie sie etwa bei Osietzki (Flug ist das Leben wert, S.18-19) zu finden sind. 298 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.96-97. 61

Weiblichkeit Begründung und Entschuldigung für ihr Handeln. Auf der anderen Seite war es aber auch – auf eine gewisse Art und Weise – der Preis, den sie zu zahlen hatten, wollten sie fliegen. Fliegerinnen konditionierten sich immer wieder selbst und betonten ihre Weiblich- keit, da von der Gesellschaft ein hoher Druck ausging, der danach verlangte, dass sich auch Pilotinnen in die Rollenmuster einzugliedern hatten.299 Die stereotypen Rollenbilder erfuhren auch in den 1920er und 1930er – innerhalb der Zeit der Neuen Frau und des „sportsgirls“ – keine größere Lockerung, sondern lediglich eine neue Akzentuierung. Zwar gelang es den Pilotinnen zu Beginn der 1930er Jahre ihre Leistungen noch einmal hervorzuheben und Anerkennung zu erhalten – denn es bestand auch ein politi- sches Interesse daran, Deutschland in der Luftfahrt zu großen Leistungen zu führen – doch spätestens Mitte der 1930er Jahre mussten sich auch die Pilotinnen den Weiblichkeitsvorstel- lungen der NS-Diktatur fügen.300 Die NS-Partei an der Spitze des Staates brachte für die Pilotinnen (vorerst) keine größere Zä- sur, obwohl sich gerade in der Sportfliegerei viele Tendenzen gegen Frauen richteten.301 Ein kleiner Wendepunkt kann jedoch schon im Jahr 1933 festgemacht werden: Der Segel- flugsport wurde als Breitensport für Frauen beworben, denn das NS-Regime versprach sich dadurch, dass Frauen zu verständnisvollen Kameradinnen, Ehefrauen, Schwestern und Müt- tern wurden. Zudem war der Segelflugsport weniger kostspielig und aufwändig zu betreiben. Auch der militärische Zweck war beim Segelfliegen wesentlich geringer. Als Paradebeispiel für eine verständnisvolle Fliegerin galt Elisabeth Hartmann, deren Sohn während des Zweiten Weltkrieges die höchste Abschusszahl im gesamten NS-Staat erzielte. Sie hatte selbst eine Flugschule und bildete ihre Söhne zu exzellenten Fliegern aus. Selbst hörte sie mit dem Flie- gen auf, damit sie ihre Söhne und ihren Mann sowohl beim Fliegen, als auch als Hausfrau und Mutter unterstützen konnte.302 Während der zweiten Hälfte der 1930er kam schließlich die große Zäsur: Der Weg in die mo- torisierte Fliegerei – oder gar an ihre Spitze – wurde den Frauen durch administrative, organi- satorische und finanzielle Hürden so schwer wie möglich gemacht. Trotz dieser Hindernisse konnten sich manche Frauen bis ganz an die Spitze kämpfen. Wer erst einmal oben ange- kommen war, erhielt durchaus Wertschätzung von der NSDAP, ebenso von männlichen Kol-

299 Ebd. S.97. 300 Ebd. S.97. 301 Ebd. S.99. 302 Ebd. S.98-99 sowie S. 108. 62 legen. Wesentlich kritischer sahen allerdings weite Teile der Bevölkerung die fliegenden Frauen.303 Dabei hatten viele Pilotinnen zunächst eine Vormachtstellung der NSDAP im Staat begrüßt, da sie sich – genauso wie ihre männlichen Kollegen – eine großzügige Förderung der Fliege- rei erhofft hatten und von der Propaganda begeistert waren. Gerade zwischen 1930 und 1933 konnten zahlreiche Fliegerinnen vom Regime profitieren – wie etwa Marga von Etzdorf, Hanna Reitsch oder Elly Beinhorn. 1933 funktionierte die Symbiose zwischen Staat und Pilo- tinnen noch zum gegenseitigen Vorteil. Die erfolgreichen Fliegerinnen wurden administrativ, medial und gelegentlich auch finanziell vom Regime unterstützt und stellten sich dafür als „fliegende Botschafterinnen“304 zur Verfügung. Das Image NS-Deutschlands konnte von den werbewirksamen Flügen der Pilotinnen profitieren. Für viele Fliegerinnen war die Zusam- menarbeit mit dem Staat ein Weg, um überhaupt fliegen zu können. Auch wenn für die eine oder andere Pilotin die Bindung an den NS-Staat lediglich ein Lippenbekenntnis war, so bleibt ihr Propagandawert für die Diktatur unbestritten.305 Jedoch vertrug sich das NS- Frauenbild nicht mit jenem einer Pilotin oder dem einer Automobilistin. Zunächst wurden Frauen deshalb von den Lenkrädern der Autos verdrängt, anschließend von den Steuerknüp- peln der Flugzeuge. Der – halbherzige – Versuch einiger Fliegerinnen zur Gründung einer Organisation für fliegende Frauen scheiterte am sofortigen Verbot durch die NSDAP. Einige berühmte Fliegerinnen der 1920er und 1930er Jahre gaben schließlich das Fliegen ganz oder zumindest für Propagandazwecke auf. So auch Thea Rasche und Elly Beinhorn. Andere emig- rierten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, wie es etwa Antonie Strassmann tat.306 Laut Ze- genhagen ist es umso erstaunlicher, dass die fliegende Weiblichkeit mit der NS-Diktatur ko- operierte, wenn im Hinterkopf behalten wird, dass sich spätestens seit Mitte der 1930er ab- zeichnete, dass Frauen aus der Fliegerei gedrängt werden sollten. Als Belege für dieses Ab- drängen führt sie an, dass Frauen aus renommierten Wettflügen ausgeschlossen wurden, im Nationalsozialistischen Fliegerkorps nur mehr fördernde Mitglieder sein durften und ab 1938 wesentlich höhere Ausbildungs- und Nutzungsgebühren zu zahlen hatten als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig veränderte sich auch die mediale Berichterstattung: Im Mittelpunkt stand nun das Flugzeug und sein Erbauer, nicht mehr der Pilot bzw. die Pilotin.307 Den Pilotinnen blieb oftmals nichts anderes übrig, als einen Spagat zwischen Tradition und Moderne zu machen. Dies spiegelt sich auf der einen Seite in ihrem androgynen Erschei-

303 Ebd. S.99. 304 Ebd. S.101. 305 Ebd. S.99-101. 306 Ebd. S.102-104. 307 Ebd. S.101-102. 63 nungsbild, auf der anderen Seite in ihrer Betonung traditionell weiblicher Werte wieder. So präsentierte sich Elly Beinhorn z.B. in der Öffentlichkeit als Fliegerin verwegen und kom- promisslos, als Frau hingegen feminin und konservativ. Den provokanten Angriff auf eine von Männern dominierte Sphäre und den Zugriff auf die Moderne verharmlosten viele der Pilotinnen mit ihrem angeblichen oder tatsächlichen Wertekonservatismus. In den Medien wurden die Sportfliegerinnen als Neue Frauen dargestellt und inszeniert. Trotz ihrer ‚Sonder- stellung„ waren den Pilotinnen dieselben Grenzen und Einschränkungen gesetzt, wie es bei weiblichen Angestellten – die der Prototyp der Neuen Frau waren – der Fall war. Sowohl die Pilotinnen als auch die weiblichen Angestellten konnten keine dauerhafte ökonomische Un- abhängigkeit und keine gesicherte berufliche Position bzw. keine Führungsposition erreichen. Sie blieben in den allermeisten Fällen in den traditionellen Geschlechterrollen verhaftet. So- wohl bei den weiblichen Angestellten als auch bei den Sportfliegerinnen wurde dafür gesorgt, dass der Zeitraum individueller Freiheit begrenzt blieb und somit die Grundlagen der Gesell- schaft nicht erschüttert wurden. Das von den Medien erschaffene Bild der Neuen Frau, bei dem Familie, Beruf und das traditionelle Rollenbild sowie Emanzipation unter einen Hut ge- bracht wurden, war eine Illusion.308 Laut Zegenhagen war auch diese Illusion, wie so viele andere, zum Scheitern verurteilt.309 Nicht genau klären lässt sich jedoch, inwieweit der (kaum geäußerte) Anspruch auf Gleichbe- rechtigung eine Intention der Pilotinnen war. Zegenhagen führt hier zwei Möglichkeiten an: „entweder der Verzicht auf Offenlegung der tatsächlichen Ambitionen im Interesse eines rela- tiv konfliktfreien Eindringens in den männlich dominierten Raum der Fliegerei“310 oder als zweite Möglichkeit, „das individuelle Fehlen einer emanzipatorischen Motivation, die über eine individuelle partielle Selbstbefreiung und Gelichberechtigung […] hinausging.“311 Wer die Selbstaussagen der Sportfliegerinnen betrachtet, der wird eher – so Zegenhagen – auf den zweiten Erklärungsansatz kommen. Viele Frauen waren fasziniert von der Fliegerei, in der idealtypische Bilder der Bohème mit fortschrittlichen, optimistischen, modernistischen und anti-modernen, natursehnsüchtigen und lebensreformatorischen Attitüden verbunden wurden. Auch aus diesem Grund ist die landläufige Interpretation, dass Sportfliegerinnen der Zwi- schenkriegszeit ausschließlich ein Symptom eines emanzipativen Anspruchs und Aufbruchs sind, nicht ausreichend.312

308Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.198-199. 309 Ebd. S.199. 310 Ebd. S.196. 311 Ebd. S.196-197. 312 Ebd. S.197. 64

Zegenhagen schreibt:„Die augenscheinliche Unkonventionalität einer Lebensführung als Pi- lot/Pilotin, die vermeintliche Freiheit eines anscheinend selbstbestimmten Lebens, das an so- ziale und geographische Grenzen nur noch bedingt gebunden zu sein schien, und der Drang nach Selbsterkenntnis und Selbstbewährung hatten den Biographien von Fliegerinnen durch- aus eine individuelle emanzipative Schubkraft gegeben, waren jedoch nicht mit einer gesamt- gesellschaftlichen Erkenntnis der hierarchischen Ordnung der Geschlechter verbunden, so wie dies für Frauenrechtlerinnen des Kaiserreiches noch gegolten hatte“313. Da die Pilotinnen kein gemeinsames Verständnis für ihre identische Lage entwickelten und auch keinen Kontakt zu ausländischen Kolleginnen aufbauten – die in emanzipatorischen Fra- gen zum Teil schon weiter waren– unterstützt laut Zegenhagen die Annahme, dass kaum indi- viduelle bzw. gesamtgesellschaftliche Emanzipationsbestrebungen die Motivationsgründe waren.314

5.3 Ökonomische Beschränkungen und Einwirkungen durch die Politik Bis 1914 gab es in Deutschland etwa 800 Piloten und drei Pilotinnen, die einen Flugschein besaßen. Das Bild änderte sich unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch ein- mal zu Gunsten der Männer. Mehrere Tausend Männer standen weiterhin drei Frauen gegen- über. Diese Tatsache änderte sich nur sehr langsam, da die Alliierten, wie bereits erwähnt wurde, strenge Auflagen für die Zivil- und Militärfliegerei diktierten. Eine weitere Tür schloss sich für die Frauen 1924 mit der CINA (Internationalen Kommission der Luftfahrtna- vigation). Durch die Regelungen der CINA wurden Frauen von der zivilen Luftfahrt ausge- schlossen. Somit wurde ihnen eine weitere Möglichkeit genommen, mit der sie ihren Lebens- unterhalt bestreiten hätten können. In vielen Industrieländern wurde die CINA-Regulative gegen Frauen aufgehoben, in Deutschland jedoch nicht. Den Frauen blieb die Nutzung des B- Scheines verwehrt. Dieser war aber notwendig, um ein größeres Flugzeug für die zivile Luft- fahrt lenken zu dürfen. Lediglich zwei Frauen durften zivile Luftfahrzeuge lenken: Marga von Etzdorf und Hanna Reitsch. Von Etzdorf war Copilotin und konnte sich einen Vertrag mit der heutigen Lufthansa sichern. Als dieser jedoch auslief, war auch ihre Karriere als einzige deut- sche Frau am Steuer eines Linienflugzeugs vorbei.315 Sie hatte sich die ganze Zeit den Passa- gieren gegenüber nicht als Frau zu erkennen gegeben. Stumm und in männlicher Uniform war

313 Ebd. S.197. 314 Ebd. S.197. 315 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.88. 65 sie ihnen gegenüber gestanden, um nicht als Frau erkannt zu werden.316 Sie konnte zwar als eine der wenigen Frauen den B-Schein machen, durfte jedoch nicht am Unterricht der Piloten teilnehmen und musste sich das Fachwissen selbst beibringen. Nach dem Auslaufen des Ver- trages wurde aber auch ihr die Chance auf einen Pilotensitz in einem zivilen Flugzeug endgül- tig genommen.317 Hanna Reitsch konnte hingegen, aufgrund ihrer bisherigen Leistungen und guten Kontakte, in der Verkehrsfliegerschule einen Kurs besuchen. Sie war damit die erste Frau, welcher der Zugang gestattet wurde. Die dritte Deutsche, der es schließlich gestattet wurde, den B-Schein zu machen, war Melitta Schiller, verheiratete Gräfin Schenk von Stauffenberg. Sowohl für sie als auch für Reitsch war der B-Schein eine fachlich nötige Qualifikation, um später zivile und ebenso militärische Forschungsaufgaben übernehmen zu können. Der Beitrag, den Schenk von Stauffenberg und Reitsch zur Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit und Schlagkraft der deutschen Luftwaffe leisteten, sollte nach Zegenhagen nicht unterschätzt werden.318 Durch das Verbot, das in Deutschland für Frauen erlassen wurde und dafür sorgte, dass Frau- en nicht als Verkehrspilotinnen arbeiten durften, konnten die wenigsten ihren Lebensunterhalt mit dem Fliegen bestreiten. Denn das kontinuierlichste Einkommen bot nun einmal die zivile Luftfahrt.319 Zusätzlich durften die Pilotinnen in ihren privaten Maschinen keine Passagiere gegen Entgelt befördern.320 Thea Rasche war die einzige Pilotin, die öffentlich gegen diese Regelungen protestierte.321 Dabei hatten sich gerade in den 1930er Jahre viele Frauen der Fliegerei zugewandt, weil sie gehofft hatten, dort einen Beruf zu finden. Das Fliegen ver- sprach öffentliche Anerkennung und eine gewisse Herausforderung. Mit dem Eintritt in die Luftfahrt mussten sich die Fliegerinnen einer männlichen Werteordnung und den harten Ge- setzten der Geschlechterdifferenz stellen.322 Osietzki hält fest, dass sich die Frauen damit ge- gen die Unsichtbarkeit als Ehefrau und Mutter auflehnten und zugleich mehr oder weniger bewusst gegen die Marginalisierung in einem unspektakulären Dienstleistungsberuf opponier- ten. Ihrer Meinung nach mussten die Frauen, die sich in die Fliegerei wagten, zumindest einen gewissen Hang zum Außergewöhnlichen haben.323

316 Alice Bota, Der Flug ist das Leben wert, Zeit online, 23.01.2014, [http://www.zeit.de/2014/05/marga-von- etzdorf-fliegerin], eingesehen am 12.12.2017. 317 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.88. 318 Ebd.S.88. 319 Ebd. S.88 320 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.116. 321 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.88. 322 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.12. 323 Ebd. S.12. 66

Weshalb Frauen derart vom ökonomischen Nutzen der Fliegerei ausgegrenzt wurden, wurde seitens der Regierung nie klar definiert. Es wurden lediglich (pseudo-) medizinische Gründe genannt, wonach die Gebärfähigkeit eingeschränkt werden würde oder Frauen schlicht zu schwach waren, um ein Flugzeug zu lenken. Allerdings waren dies nur Vorbehalte und Vorur- teile, die sich in späterer Zeit als nicht haltbar erwiesen. Trotzdem sorgten sie dafür, dass die Frauen der 1920er und 1930er Jahre zu keiner ökonomischen Konkurrenz der Männer werden konnten.324 In Österreich sorgte vor allem der Beschluss der Internationalen Kommission der Luftfahrtna- vigation (CINA) dafür, dass Frauen keine Mitbewerberinnen um Arbeitsstellen in der Fliege- rei werden konnten. Genauso wie in Deutschland wurde den Pilotinnen dadurch auch in Ös- terreich eine wichtige Einkommensmöglichkeit genommen.325 Derartige ökonomische Hindernisse hatten mehrere Auswirkungen. Die erste Auswirkung war, dass an Sportfliegerschulen der weibliche Nachwuchs quantitativ eingeschränkt wurde. Die meisten Frauen sahen keine berufliche Zukunft in einer Ausbildung zur Pilotin. Dies führ- te unweigerlich zur nächsten Folge: Durch die geringe Anzahl an Pilotinnen wurde nie eine repräsentative Vertretung erreicht. Deshalb konnten die Frauen auch nie ihre fliegerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Es schienen immer nur einzelne Ausnahmen zu sein, die wirklich fliegen konnten. Die dritte und letzte Auswirkung, welche die schlechte ökonomi- sche Lage und die geringe Anzahl an Fliegerinnen mit sich brachte, war, dass keine sichere Ausgangslage für die Frauen geschaffen werden konnte, von der aus ein weiteres Vordringen möglich gewesen wäre. So entwickelte sich laut Zegenhagen ein regelrechter Teufelskreis.326 Fuchs ist hier anderer Meinung: Sie schreibt in ihrem Artikel, dass gerade in den 1920ern immer mehr Frauen das Fliegen lernten. Als Beleg führt sie Zegenhagen an, die herausfand, dass zwischen 1918 und 1945 ungefähr 100 Frauen im Motorflug tätig waren und mehrere hundert[sic!]327 im Segelflug.328 Die wenigen Frauen, die flogen, beschränkten sich auf die Sportfliegerei und den Kunstflug, da sie dort Geld verdienen konnten. Doch auch in diesem Bereich gab es viele Hindernisse und Hürden zu überwinden, wie bereits im Kapitel zur „Frau in der Luftfahrt“ in dieser Arbeit dargestellt wurde. Erstaunlich ist, dass die wenigen Damen, trotz ständigem Wettkampf – sowohl zwischen den Frauen selbst als auch mit den Männern – beim Gewinnen von Förde-

324 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.88-89. 325 Fuchs, Töchter des Ikarus, S.35. 326 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.88-89. 327 Zegenhagen schreibt davon, dass es zwischen 1918 und 1945 viele hunderte, vermutlich tausende segelflie- gender Frauen gab. [vgl. Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.9] 328 Fuchs, Töchter des Ikarus, S.35. 67 rern, Helfern und medialer Aufmerksamkeit sehr erfolgreich waren. Dennoch blieben die emanzipatorischen Aussagen der erfolgreichen Pilotinnen rar. Elly Beinhorn, die mehrfach Langstreckenflüge durchführte, sprach sich sogar dagegen aus, dass mehr junge Mädchen fliegen lernen sollten.329 Dies ist aber auch darauf zurück zu führen, dass jede Fliegerin mehr auch mehr Konkurrenz bedeutete. Außerdem wurden die Pilotinnen genau beobachtet. Ein Fehltritt einer Einzelnen gefährdete das Ansehen aller. Bereits zu Beginn ihrer Diktatur schenkte die NSDAP in ihren Programmen Frauen und Mäd- chen nur geringe Aufmerksamkeit. Zegenhagen schreibt, dass „das rudimentäre, inkohärente und ständigen Schwankungen unterworfene Frauenbild des frühen Nationalsozialismus […] sowohl Elemente eines patriarchalen Weltbildes wie auch des bürgerlichen Antifeminis- mus“330 umfasste. Gleichwohl erschienen Beiträge zu den Sportfliegerinnen bereits vor 1933 in nationalsozialistischen Publikationen. Auch noch nach 1933 wurde den Fliegerinnen Raum in Publikationen eingeräumt. Bis in das Jahr 1937 lassen sich solche Beiträge nachweisen, obwohl die Fliegerinnen nur bedingt dem Idealbild der nationalsozialistischen Frau entspra- chen. Die propagandistische Wirkung der fliegenden Frauen war sowohl im In- als auch im Ausland dermaßen groß, dass die NSDAP nicht darauf verzichten wollte.331

Vom NS-Regime wurde auch der Deutsche Luftsport-Verband (DLV) gegründet. Dessen Pressesprecher erklärte schon recht früh, dass Pilotinnen nicht überall in der Luftfahrt ge- braucht würden. Zusätzlich führte er eine ganze Menge an Gründen an, wieso das so war: Er griff auf biologische, antifeministische und patriarchale Argumente zurück, um den Frauen ihre Kompetenz ab zu sprechen. Damit hatte das „sportsgirl“ ausgedient. Sportfliegerinnen wurden immer wieder abgewertet, während ihre Kollegen eine erneute Aufwertung erfuhren. Die konservative Rollenverteilung im NS-Staat sollte unter allen Umständen aufrecht erhalten werden. Um dies zu erreichen, waren viele Arten der Abwertung erlaubt. So wurde den Flie- gerinnen unter anderem der räumliche Orientierungssinn abgesprochen, da sie eigentlich unter eine ganz andere Haube als unter die Fliegerhaube332 gehören würden. Die NSDAP erschuf auch aus diesem Grund das Bild des sehr männlich dargestellten (Lufthansa-)Piloten, der ein sonnengegerbtes Gesicht hatte, stark, sehnig und mutig war sowie der Sportfliegerin, die in Straßenschuhen und seidenen Strümpfen ihre Runden am Himmel drehte und dabei das Flie- gen nur als Hobby betrieb, keine Risiken einging bzw. nur bei gutem Wetter flog. Frauen

329 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.90-91. 330Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.220. 331 Ebd. S.220. 332 Zegenhagen zitiert damit den Artikel aus dem Berliner Tageblatt: Wie sie unter die Haube kamen, Berliner Tageblatt, Beilage Frauenspiegel, 16.1.1934. 68 wurden in eine passive Rolle gedrängt und sollten bewundernd zu ihren Kollegen aufsehen. Die Männer erfuhren hingegen erneut eine Art Heroisierung. Zwar existierte in der Wirklich- keit keine dieser Inszenierungen, jedoch waren sie unerlässlich, um in der Luftfahrt eine Ge- schlechterpolarisierung zu erschaffen und zu erhalten.333 Da die deutsche Luftfahrt mit vielen Sanktionen zu kämpfen hatte, entwickelte sich die Segel- fliegerei zu einer blühenden Sparte. Dennoch erschien es notwendig, den Sportflug und vor allem die Luftwaffe in Deutschland wieder aufzubauen. Aus diesem Grund wurde unter dem Deckmantel des Sportfluges 1924 die Sportflug GmbH gegründet. Sie sollte, genau wie die Luft Hansa, Personal ausbilden und Material herstellen, welches für eine zukünftige Luftwaf- fe geeignet war. Den Alliierten entging diese Paramilitarisierung nicht, sie forderten die Schließung der Sportflug GmbH, mit der Begründung, dass sie aus öffentlichen Geldern fi- nanziert wurde. Dies verstieß gegen den Versailler Vertrag. Die Deutschen gründeten darauf- hin ein neues Unternehmen: Die Deutsche Luftfahrt-GmbH. Diese wurde offiziell von Privat- leuten finanziert. Dadurch waren den Alliierten die Hände gebunden. Damit der Deckmantel der privaten Finanzierung nicht aufflog, wurden Frauen ebenfalls zugelassen. Da sie aber we- niger erwünscht waren wie ihre Kollegen, wurden sie bei weitem nicht im selben Ausmaß gefördert. Dennoch hinderte das die Frauen nicht daran, eine Ausbildung zur Pilotin zu ma- chen. Bis dahin hatten die meisten, um ihren Traum erfüllen zu können, weit größere Wider- stände bewältigt: Die Einwände der Eltern, der Familie und/oder des Ehemannes sowie die gesellschaftlichen Hürden. Trotzdem war es für die meisten kein emanzipatorischer Akt, Flie- gerin zu werden. Ein Großteil der Pilotinnen hatte durch die Metapolitisierung eine nationalis- tische Motivation, sie wollten ihrem Vaterland dienen.334 Während der 1930er Jahre differenzierte sich die Gruppe der Fliegerinnen deutlich aus. Zu Beginn der 1930er gelang es nur wenigen Frauen, ihren Flugsport weiter zu betreiben. Andere flogen nur noch sporadisch. Entweder, weil die Fliegerei für sie nur ein extravagantes Hobby war oder weil ihnen die nötigen finanziellen Mittel fehlten, weiterführende Ambitionen zu verfolgen. Dennoch lässt sich für zahlreiche Fliegerinnen, die ihren Flugschein bis 1932 er- warben, belegen, dass sie regionale, zum Teil sogar überregionale Bekanntheit erlangten und dadurch einige junge Frauen inspirierten.335

333 Ebd. S.221-224. 334 Zegenhagen, Vom Aufwind in den Sturzflug, S.93-94. 335 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.209-210. 69

5.4 Fazit Mit dem neuen Frauenbild ging in den 20er Jahren auch eine neue Entwicklung in der Mode einher. Erstmals wurden breitere Gesellschaftsschichten angesprochen. Die Neue Frau bzw. das „sportsgirl“ entwickelte sich, als eine mögliche Reaktion auf die gesellschaftlichen Um- brüche. Die zeitgenössischen Pilotinnen schlossen sich oftmals der neuen Bewegung an und trugen Hosen, Monokel, Bubikopf oder eine Krawatte. Von den Medien wurden die Fliege- rinnen mit ihrem gewagten Hobby, sie drangen in eine Männerdomäne ein, bald zum Inbegriff der Neuen Frau stilisiert. Zum Teil inspirierten die Sportfliegerinnen junge Frauen dazu, ebenfalls eigene Wege zu gehen. Durch die mediale Bekanntheit fiel es den Pilotinnen leichter Sponsoren bzw. Sponsorinnen für ihre ehrgeizigen Ziele – Erst-, Rekord- oder Tagesflüge – zu finden. Die Abhängigkeit vom Wohlwollen der Politik und der Medien war groß. Zwar entstammten die meisten der Pilotinnen der Mittelschicht oder dem Großbürgertum, jedoch waren ihre finanziellen Mittel in den seltensten Fällen ausreichend, um ihre Träume voll und ganz auszuleben. Sowohl die zeitgenössische Politik, als auch die Medien wussten, wie sie die Fliegerinnen für ihre Zwecke nutzten konnten. So verwendete die NSDAP namenhafte Fliegerinnen für Propa- gandazwecke, während die Medien versuchten, mehr Publikum durch die gekonnten Inszenie- rungen von Pilotinnen zu erreichen. Um sich die Sympathie der Bevölkerung, der Medien sowie der Politik zu erhalten, mussten die Fliegerinnen dafür sorgen, dass sie weiterhin als Frauen bzw. als weiblich wahrgenommen wurden. Ihre Weiblichkeit war der notwendige Preis, für das Eindringen in die Männerdomä- ne Luftfahrt. Pilotinnen, die sich scheinbar zu männlich verhielten, wurden schnell verdäch- tigt lesbisch oder promiskuitiv veranlagt zu sein. Zudem verloren sie dadurch die Akzeptanz der Bevölkerung und das Wohlwollen der Medien. Infolgedessen bekamen sie auch kaum mehr Sponsoren bzw. Sponsorinnen und konnten ihre Vorhaben wegen der fehlenden finan- ziellen Mittel nicht mehr durchführen. Häufig bedeutete dies auch, dass die Frauen das Flie- gen ganz aufgeben mussten oder zumindest nicht mehr so häufig fliegen konnten. Ein Wech- sel zum Segelflug war ebenfalls eine Möglichkeit, um dem großen Adaptionsdruck der Mo- torfliegerei zu entgehen. Erkennbar ist, dass jene Fliegerinnen, die wussten, wie sie ihre Weiblichkeit nutzen konnten, mehr Erfolg und einen höheren Bekanntheitsgrad in der zeitgenössischen Bevölkerung genos- sen, als ihre Konkurrentinnen. So profitierte etwa Elly Beinhorn von ihrer Jugendlichkeit und ihrem Charme und wurde daher von den Medien bald zum Liebling der Nation erhoben.

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Die Politik sorge ihrerseits dafür, dass die Pilotinnen zu keiner Konkurrenz für die Piloten werden konnten. Durch die Verordnungen der CINA konnten Frauen nicht in der kommerziel- len Luftfahrt Fuß fassen. Damit war den Pilotinnen eine Möglichkeit genommen, mit der Fliegerei Geld zu verdienen. So blieben ihnen nur Reklameflüge, Wettbewerbe oder Rekord- flüge – die ohne Sponsoring allerdings nicht durchgeführt werden konnten – um das notwen- dige Geld für ihr teures Hobby auf zu treiben. Manche Sportfliegerinnen konnten durch ihre Bekanntheit auch Werbeverträge mit verschiedenen Marken erhalten. Elly Beinhorn machte z.B. Werbung für Leica Kameras. Auch hierin zeigt sich wieder, wie wichtig Weiblichkeit für die Fliegerinnen war. Zwar drangen sie in eine Männerdomäne ein, bekamen jedoch nicht die gleichen Chancen, um dort auch ihren Lebensunterhalt (und den ihres Flugzeuges) zu verdie- nen. Lediglich der Rückgriff auf ihr Frau-Sein, konnte ihnen in der Luftfahrt Geld einbringen.

6 Exemplarische Biographien berühmter Pilotinnen 6.1 Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg Melitta Klara Schiller wurde am 09.01.1903 in Krotoschin in Posen geboren.336 Von ihrer Familie und ihren Freunden wurde sie ‚Litta„ genannt.337 Ihr Vater Michael Schiller war Bau- rat338 und entstammte einer jüdischen Pelzhandelsgroßfamilie, die ihren Sitz in der Gegend von Odessa hatte.339 Er ließ sich vor seinem Studium evangelisch taufen.340 Melittas Mutter Margarete gehörte ebenfalls der evangelischen Kirche an und hatte früh ihren Vater, einen Schulrat, verloren. Aus der Ehe zwischen Michael und Margarete gingen fünf Kinder hervor. Die Älteste war Marie-Luise, anschließend folgte der einzige Sohn Otto, als drittes Kind kam 341 Melitta zur Welt. Jutta und Klara waren die Jüngsten der Familie Schiller. Alle vier Mäd- chen machten ihr Abitur, drei davon konnten studieren.342 Von der jüdischen Abstammung des Vaters wussten die ehemaligen Kommilitonen und auch die Bekannten in Krotoschin nichts, da er sich früh zu einer evangelischen Taufe entschlossen hatte. Auch seine Kinder

336 Margot Fuchs, Schenk von Stauffenberg, Melitta Gräfin, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 678-679 [Online-Version: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119036134.html#ndbcontent], eingesehen am 30.12.2017. 337 FemBio Frauen Biographieforschung, Melitta Schenk von Stauffenberg. Geb. Schiller, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/melitta-graefin-schenk-von-stauffenberg-geb.-schiller/], eingesehen am 30.12.2017. 338 Margot Fuchs, „Wir Fliegerinnen sind keine Suffragetten“. Die Versuchsingenieurin und Sturzflugpilotin Melitta Schiller (1903-1945), in: Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, hrsg. v. Hiltrud Häntzschel/Hadumod Bußmann, München 1997, S.260-266, hier S. 260. 339 Gerhard Bracke, Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin, München 1990, S.15. 340 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.260. 341 Bracke, Gräfin Stauffenberg, S.15. 342 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.260. 71 erfuhren erst davon, als sie erwachsen waren und der jüdische Ursprung des Vaters durch das NS-Regime zu einem Grund für eine Verfolgung wurde.343

Melitta Schiller hatte großes Interesse an Naturwissenschaft und Philosophie sowie am Segel- fliegen. Sie las sehr viel, zeichnete und modellierte. Nach ihrem sehr guten Abitur in Hirsch- berg wählte sie München als Studienort, wo sie 1922 zunächst Chemie studierte. Nach einem Semester wechselte sie jedoch an die Technische Universität München und begann dort das Studium der Technischen Physik.344 Zudem besuchte sie flugtechnische Vorlesungen.345 Durch die Pensionierung ihres Vaters verschlechterten sich ihre finanziellen Verhältnisse.346 Sie gab deshalb Kurse für Kommilitonen und Kommilitoninnen, um diese auf bevorstehende Prüfungen vorzubereiten und konnte damit ihr Studium finanzieren. Bei der Fliegerei, zu der es sie sehr hinzog, konnte sie nur als Passagierin mitwirken. Einerseits erlaubte ihr ihre schwierige finanzielle Lage nicht, an einem Segelflugkurs teilzunehmen, andererseits fanden solche Kurse meist in der Zeit statt, in der sie Tutorien hielt.347 Nach ihrem Studienabschluss 1927 fand sie schließlich eine Anstellung bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin-Adlershof, wo sie Untersuchungen an Flügeln und über die Wirkungsform von Propellern machte.348 Während dieser Zeit erwarb sie auch meh- rere Flugscheine. 1936 wechselte sie schließlich aus der Forschung in die Industrie, zu den Askania-Werken. Dort wurde im Auftrag militärischer Stellen an einer eingebauten Kurssteu- erung gearbeitet. Zunächst befasste sich Melitta mit den Problemen der automatischen Steue- rung, ehe sie als Versuchspilotin eingesetzt wurde. Ihre Hauptaufgabe war es nun, ein Sturz- flugvisier für Sturzkampfbomber zu entwickeln.349 In dieser Zeit wurde sie auch im Blindflug ausgebildet.350 1937 verlieh ihr der Reichsluftfahrtminister Hermann Göring den Titel ‚Flug- kapitän„. Ein Jahr darauf wurde Melitta vom Nationalsozialistischen Fliegerkorps mit der Sportfliegerin Elly Beinhorn auf ein Flugmeeting nach England entsendet.351 Im selben Jahr heiratete sie ihren Mann, den Althistoriker Alexander Schenk Graf von Stauffenberg. Zuvor hatten sie eine Fernbeziehung geführt. Nach den Nürnberger Gesetzen wäre es Melitta verbo- ten gewesen, einen ‚Arier„ zu heiraten, da sie ‚Halbjüdin„ war. Ihre Familie hatte jedoch (zu-

343 Bracke, Gräfin Stauffenberg, S.15-16. 344 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.260. 345 Fuchs, Schenk von Stauffenberg, [Online-Version: https://www.deutsche- biographie.de/pnd119036134.html#ndbcontent]. 346 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.260. 347 Bracke, Gräfin Stauffenberg, S.29-31. 348 Fuchs, Schenk von Stauffenberg, [Online-Version: https://www.deutsche- biographie.de/pnd119036134.html#ndbcontent]. 349 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.261. 350 Fuchs, Schenk von Stauffenberg, [Online-Version: https://www.deutsche- biographie.de/pnd119036134.html#ndbcontent]. 351 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.261. 72 nächst) erfolgreich verschleiert, dass der Vater eine jüdische Abstammung hatte. Die Reich- stelle für Sippenforschung entdeckte 1940, dass Melittas Vater Jude war, womit sie laut Ab- stammungsnachweis ein ‚jüdischer Mischling„ war. Da ihre Tätigkeit für die deutsche Luft- waffe, in die sie 1939 abkommandiert wurde352, sehr bedeutend war, wurde ihrem Antrag vom Sommer 1940 als ‚deutschblütig„ eingestuft zu werden, stattgegeben.353 In der Zeit zwi- schen 1939 und 1942 führte sie für die Luftwaffe über 900 Zielstürze von 5000 auf 1000 Me- ter Höhe aus. Ab 1942 wechselte sie nach Gatow an die Technische Akademie der Luftwaffe, wo sie weitere Sturzflugerprobungen machte. Ihre Sturzflüge wurden gemessen und gefilmt, damit sie diese anschließend auswerten konnte. Täglich führte Melitta zwischen fünf und 15 Sturzflüge durch. Insgesamt machte sie um die 2000 Sturzflüge.354 Nach dem missglückten Attentat ihres Schwagers Claus Stauffenberg kam die gesamte Fami- lie Stauffenberg in Sippenhaft. Melittas Mann Alexander wurde in ein Konzentrationslager gebracht, während sie Anfang September auf Weisung Himmlers wieder entlassen wurde. Bereits am nächsten Tag führte sie wieder planmäßig Sturz- und Nachtflüge durch. Ihre Be- ziehungen nutzte sie dazu, um ihren Angehörigen die Haft zu erleichtern und ein Besuchs- recht zu erwirken.355 Schließlich wurde ihr Mann im April 1945 vom KZ Buchenwald nach Schöneberg im Bayeri- schen Wald verlegt. Als Melitta davon erfuhr, versuchte sie ihn mit einem Verbindungsflug- zeug zu erreichen. Ihre Maschine wurde dabei am 8. April in der Nähe von Straubing von einem US-amerikanischen Jäger abgeschossen. Zwar gelang ihr eine Notlandung, jedoch er- lag sie knapp darauf ihren Verletzungen.356 Dass Melitta Schenk von Stauffenberg zum Widerstand gehörte, kann anhand der existieren- den Fakten eindeutig ausgeschlossen werden.357Fuchs ist außerdem der Meinung, dass Melitta nicht als ein Opfer des Nazi-Regimes gesehen werden kann. Melitta arbeitete dem Hitlerre- gime zu und sorgte dafür, dass die Kriegsmaschinerie noch effizienter funktionierte. Sie dis- tanzierte sich klar vom emanzipatorischen Gedankengut der bürgerlichen Frauenbewegung und propagierte stattdessen die frauenfeindliche Ideologie der Nationalsozialisten, wie Fuchs

352 Ebd. S.261. 353Cord Aschenbrenner, Eine zwielichtige Frau, in: Neue Zürcher Zeitung, 18.07.2012, [https://www.nzz.ch/eine- zwielichtige-frau-1.17368093], eingesehen am 30.12.2017. 354Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.261-262. 355 Ebd. S.262. 356 Ebd. S.262. 357 Sowohl Margot Fuchs (Fliegerinnen sind keine Suffragetten, S.264), als auch Cord Aschenbrenner, der eine Rezension zum Buch Thomas Medicuses schrieb [NZZ: https://www.nzz.ch/eine-zwielichtige-frau-1.17368093, eingesehen am 30.12.2017], kommen zu diesem Schluss. 73 in ihrem Artikel erwähnt.358Außerdem schreibt Fuchs: „ In ihrer Zielstrebigkeit und ihrer Be- geisterung für das Fliegen ließ sie [Melitta] sich als Aushängeschild für das Nazi-Regime be- nutzen; die Tatsache, daß [sic!] ihre Arbeit und ihr Können letztlich dem Ziel dienten, Bom- ben abzuwerfen und damit Menschen zu vernichten, scheint sie fast vergessen zu haben.“359

6.2 Elly Beinhorn Elly Beinhorn wurde am 30. Mai 1907360 als einziges Kind einer Kaufmannsfamilie in Han- nover geboren.361 Zuerst besuchte sie die Stadttöchterschule. Danach besuchte sie das Ly- zeum, wo sie die Primaner-Jahrgangsstufe erreichte. Daran anschließend absolvierte sie zwi- schen 1925 und 1926 kaufmännische Privatkurse in Maschineschreiben und Stenographie.362 Elly Beinhorn war schon in jungen Jahren sehr abenteuerlustig und wünschte sich, an Expedi- tionen in alle Erdteile teilnehmen zu können. Deshalb schrieb sie auch an den Tierpark Ha- genbeck, um dort eine Stelle zu erhalten. Sie bekam jedoch keine Antwort. Auch die UFA in Berlin kontaktierte sie, welche sie anschließend zu einem Bewerbungsgespräch einlud. Jedoch war Elly zu diesem Zeitpunkt zu jung, um alleine nach Berlin reisen zu können.363 Ein Vor- trag des Ozeanfliegers Hermann Köhl im Jahr 1928 brachte sie auf die Idee, Pilotin zu wer- den.364 Besonders ihr Vater hatte zu Beginn ihrer fliegerischen Karriere seine Bedenken geäu- ßert und sich zunächst gegen den Wunsch seiner Tochter ausgesprochen. Erst als Elly den Widerstand überwunden hatte, konnte sie mit einer Pilotenausbildung beginnen.365 Am 2. November 1928 saß sie erstmals in einem Cockpit auf dem Flugplatz Berlin Staaken.366 Im Frühjahr 1929 legte sie dort ihren Sportflugzeugführerschein ab. Anschließend wechselte sie in die Flugschule nach Würzburg, wo sie den Kunstflugschein erwarb. Darauf folgen die Blindflugberechtigung und der B- 1 Schein, der sie berechtigte auch schwerere einmotorige Landflugzeuge zu fliegen. Schlussendlich legte sie auch den Flugzeugführerschein für kleine- re Segelflugzeuge ab.367 Während ihrer zahlreichen Ausbildungen flog sie Werbeflüge für eine Brauerei, nahm an Flugtagen teil und flog als Charterpilotin.368

358 Fuchs, Fliegerinnen keine Suffragetten, S.264. 359 Ebd. S.265. 360 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.240. 361 FemBio Frauen Biographieforschung, Elly Beinhorn-Rosemeyer, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elly-beinhorn/], eingesehen am 01.01.2018. 362 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.240. 363 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.229-230. 364FemBio, Elly Beinhorn-Rosemeyer, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elly-beinhorn/]. 365 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.241. 366 Rainer Blasius, Die letzte Königin der Lüfte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.05.2007, [http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/elly-beinhorn-die-letzte-koenigin-der-luefte-1435815.html], eingesehen am 01.01.2018. 367 FemBio, Elly Beinhorn-Rosemeyer, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elly-beinhorn/]. 368 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.241. 74

Ihren ersten großen Alleinflug startete sie 1931. Er führte über 7.000 Kilometer durch Afrika bis in das heutige Guinea-Bissau. Während ihres Rückfluges musste sie in Timbuktu notlan- den. Die einheimischen Songheis halfen ihr – sie versorgten sie medizinisch bzw. zeigten sie ihr den Weg zum nächsten Dorf – und sorgten damit dafür, dass sie überleben konnte.369 Ihre spektakuläre Notlandung mitten in der Wüste, in einer Region, in der vor ihr noch nie eine weiße Frau gewesen war, wurde in ihrem Heimatland zur Sensation: Sie legte den Grundstein für Beinhorns Karriere als eine der erfolgreichsten Pilotinnen der Welt. Elly wurde durch die Medien zum Liebling der Öffentlichkeit erklärt. Zu ihren Starts und Landungen kamen nun tausende Menschen, um sie zu sehen. Zuvor hatte Beinhorn noch um Geldmittel kämpfen müssen, nun erfreute sie sich größter Beliebtheit. Durch die Aufmerksamkeit, die sie nach ihrem Afrikaflug genoss, fiel es ihr leichter, an Sponsoren und Sponsorinnen zu kommen. Auf diesen erfolgreichen Alleinflug folgten zahlreiche weitere Flüge: Ein Flug um die Welt, ein ‚Völkerfreundschafts-Werbeflug„ nach Großbritannien, weitere Flüge nach Afrika, verschie- denste Eintagesflüge und vieles mehr. Beinhorn repräsentierte Deutschland und seine Produk- te im Ausland und war sich dieser Aufgabe auch bewusst. Sie konnte viele Erfolge sowie Re- korde feiern und erhielt zahlreiche Ehrungen. Die wichtigste Auszeichnung war wohl der Hindenburgpokal370, die höchste sportfliegerische Ehrung, die eine Frau in Deutschland je- mals erhielt. Elly galt als der Prototyp der modernen, unprätentiösen Frau. Sie musste jedoch immer wieder erfahren, dass ihr Geschlecht ihre Anerkennung als erfolgreichste und belieb- teste aller deutschen Fliegerinnen determinierte. Auch privat wurden ihre Erfolge zu einem Stolperstein: Ihr Verhalten entsprach nicht den traditionellen Geschlechterrollen.371 1936 hei- ratete sie den Rennfahrer Bernd Rosemeyer. Zwei Jahre später kam ihr gemeinsamer Sohn Bernd zur Welt. Zehn Wochen nach der Geburt versuchte Rosemeyer sen. einen Geschwin- digkeitsrekord aufzustellen und verunglückte dabei tödlich.372 Während ihrer Ehe erfuhr sie immer wieder berufliche und private Herabsetzungen, was schließlich dazu führte, dass sie sehr skeptisch in Bezug auf die Chancen von Frauen in der Luftfahrt eingestellt war. Die NS- Politik nutzte sie, anders als andere Kolleginnen, nicht als Karrieresprungbrett. Vorteilhaft war dabei vor allem, dass sie sich schon vor 1933 einen Namen gemacht hatte und während der Herrschaft der Nationalsozialisten weiter davon profitieren konnte. Sie nutzte ihre Be- kanntheit, ohne dem Nationalsozialismus zu nahe zu kommen. Weder der NSDAP trat sie bei, noch bekannte sie sich jemals zum Nationalsozialismus. Trotzdem erfuhr sie als ‚Ikone des

369FemBio, Elly Beinhorn-Rosemeyer, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elly-beinhorn/]. 370 Der Hindenburgpokal war die höchste sportfliegerische Auszeichnung, die ein/e Motorflieger/in, später auch ein/e Segelflieger/in erhalten konnte. (Zegenhagen schneidige deutsche Mädel, S.134.) 371 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.242-245. 372 Fembio, Elly Beinhorn-Rosemeyer, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elly-beinhorn/]. 75 weiblichen Flugsports„ weiterhin finanzielle und administrative Unterstützung für ihre Projek- te.373 Während des Krieges heiratete sie den Industriekaufmann Karl Wittmann und brachte 1942 eine Tochter zur Welt. Sie entschloss sich, nicht mehr zu fliegen und sich stattdessen um die zwei Kinder und den Haushalt zu kümmern. 1951 erneuerte sie ihre Fluglizenz – sie er- warb in der Schweiz den internationalen Sportfliegerschein als erster deutscher Pilot (männ- lich und weiblich)374 – und verdiente sich ihren Unterhalt als fliegende Reporterin und durch die Veröffentlichung zahlreicher Bücher und Hörspiele. 1979 zog sie sich endgültig aus der aktiven Fliegerei zurück und gab ihren Flugschein retour.375 Sie resümierte die Jahre in der Luftfahrt folgendermaßen: „Ich hatte das Glück, in einer Zeit fliegen zu dürfen, als das wirk- lich noch ein Abenteuer war. Ich habe noch diese herrlichen, unabhängigen Zeiten erlebt, als man am Himmel ganz für sich alleine war!“ Elly Beinhorn starb am 28. November 2007 in Ottobrunn bei München.376

6.3 Marga von Etzdorf Marga von Etzdorf wurde am 01. August 1908 in Spandau als Tochter einer Offiziersfamilie geboren.377 Ihr bürgerlicher Name war eigentlich Margarete Wolff.378 Ihre Eltern verlor sie mit vier Jahren bei einem Unfall, als die Familie auf Urlaub in Dubrovnik war.379 Sie und ihre jüngere Schwester wurden von den Großeltern mütterlicher Seite adoptiert und wuchsen bei ihnen auf. Die Sommer verbrachte Marga bei Gehren in der Niederlausitz im Landhaus, in den Wintern fuhren alle gemeinsam nach Berlin in das Stadthaus der Familie.380 Am liebsten spielte Marga im Freien und war mehr für sportliche Aktivitäten, wie Hockey, Reiten oder Fechten zu begeistern als für Handarbeiten und Klavierspielen.381 Die vermögenden Großel- tern schlugen ihr keinen Wunsch ab, auch nicht den damals für eine Frau ungewöhnlichen Wunsch Fliegerin zu werden.382 Ab 1926, nachdem ihr ein Bekannter einen Freiflugschein für einen Rundflug geschenkt hatte, nahm Marga Flugunterricht in Staaken. Als einzige Frau er-

373 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.245-246. 374 Ebd. S.249. 375Blasius, Die letzte Königin der Lüfte, [http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/elly-beinhorn-die- letzte-koenigin-der-luefte-1435815.html]. 376Fembio, Elly Beinhorn-Rosemeyer, [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/elly-beinhorn/]. 377 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.166. 378 Deutsche Biographie, Indexeintrag. Margarete Wolff, [https://www.deutsche-biographie.de/sfzW8241- 5.html], eingesehen am 02.01.2018. 379 In welchem Ort die Eltern starben, lässt sich nicht genau rekonstruieren, da widersprüchliche Angaben exis- tieren: vlg. Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.156, Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.144 und Kulturring.org, Frauenpersönlichkeiten in Berlin Mitte. Margarete von Etzdorf, [https://www.kulturring.org/konkret/frauen- persoenlichkeiten/index.php?frauen-persoenlichkeiten=wissenschaft/bildung&id=113], eingesehen am 02.01.2018. 380 Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.144. 381 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.157. 382 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.166. 76 regte sie dort Aufsehen. Schwieriger als die praktische Ausbildung war für eine Frau die theo- retische, da sie das, wie Pfister sie selbst zitiert, „was jeder Junge heute schon mit zehn Jahren weiß […]“383 alles neu lernen musste. Marga von Etzdorf ließ sich davon nicht aufhalten und lernte mit großem Eifer die theoretischen Grundlagen. Unter den strengen Augen des Werk- meisters half sie bei der Wartung und Reparatur der Motoren. 1927 erhielt sie ihren A-Schein, nachdem sie die Prüfung erfolgreich abgelegt hatte. Damit war sie nach Thea Rasche die zweite Frau, die in der Zeit nach dem Krieg wieder fliegen durfte.384 Bereits einen Monat be- 385 vor sie ihren Flugschein hatte, bewarb sie sich bei der Luft Hansa als Kopilotin. Zur dama- ligen Zeit bildete die gerade gegründete Luft Hansa nicht selbst aus, sondern suchte sich ihr Personal auf Flugplätzen und in Flugschulen zusammen. Die Verantwortlichen hatten zu- nächst Bedenken, eine junge Frau Passagiere transportieren zu lassen. Doch Marga von Etz- dorf zerstreute diese mit der Begründung, dass sie als Kopilotin nicht fliegen müsse, sondern lediglich navigieren. Sie wurde angestellt und konnte im Februar 1928 ihre neue Stelle als Franz – wie der Navigator in der Fliegersprache genannt wurde, da er sich nicht verfranzen sollte – antreten.386 Die Junkers F13, mit der sie flog, besaß eine geheizte Kabine für die Pas- 387 sagiere, die Piloten saßen jedoch im Freien und waren dem Wetter ausgesetzt. Für von Etz- dorf hatte dies jedoch auch einen Vorteil: Durch die große, warm gepolsterte Kleidung wurde sie von den Passagieren oftmals für einen Mann gehalten. Sie nahm ihnen diese Illusion nicht und vermied es zu sprechen.388 Zwischen 10.000km389 und 15.000km390 flog Marga von Etz- dorf für die Luft Hansa, ehe ihr Vertrag endete. Dass sie sich jemals um eine Anstellung als kommerzielle Pilotin beworben hätte, ist nicht bekannt.391 Marga erwarb 1928, nach ihrer Tätigkeit bei der Luft Hansa, einen Kunstflugschein und be- kam sofort ihr erstes Angebot. Auf einem Flugtag in sollte sie ihre Fähigkeiten vor- führen. Dort lernte sie einen Segelflieger kennen, der sie für seinen Sport begeisterte. Sie er-

383 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.157. 384 Ebd. S.157. 385 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.167. 386 Angelika Machinek, „First we take the cabin and then we take the bird …“. Weibliche Besatzungsmitglieder von der Stewardess bis zur Flugkapitänin, in: Frau und Flug. Die Schwestern des Ikarus, hrsg. v. Wolfgang Meighörner (Zeppelinmuseum Friedrichshafen), Marburg 2004, S.156-179, hier S.158-159. 387 Laut „swissair“ betrug die Flughöhe der etwa 4.600 Meter (swissair, Ad Astra Aeoro. Junkers F 13, [http://www.swissair00.ch/junkers_f_13.html], eingesehen am 13.01.2018.) 388 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.167. Auch Pfister zitiert Etzdorf so, dass sie nur eine stumme und männliche Verbeugung gemacht hätte (Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.159.) Rebmann schreibt davon, dass Etzdorf ihre Stimme immer ganz männlich habe klingen lassen, um keine Irritation hervorzurufen (Rebmann, Als Frau in die Luft ging, S.145.) Wahrscheinlicher erscheint jedoch, dass sich Etzdorf tatsächlich nur stumm verbeugt hat. 389 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.159. und Machinek, „First we take the cabin and then we take the bird …“, S.160. 390 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.168. 391 Ebd. S.168. 77 warb den Segelflugschein.392 Nachdem sie die notwendigen Streckenkilometer geflogen war, erwarb Marga zusätzlich den B-Schein, der sie dazu befähigte, auch schwerere Maschinen zu fliegen. Für die theoretische Prüfung musste sie sich den Stoff selbst aneignen, da ihr als Frau der Zugang zur neu gegründeten Verkehrsflieger-Schule nicht gestattet war. In Motoren- und Flugkunde wurde sie aber von Melitta Schiller (verh. Schenk Gräfin von Stauffenberg) unter- stützt, da diese schon als Ingenieurin bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) tätig war.393 Zegenhagen zitiert hier Etzdorfs Autobiographie: „Wie dankbar war ich ihr nach- her dafür, denn trotz aller dieser Vorbereitungen bestand ich die Prüfung nur mit knapper Not, eine Prüfung, die ich heute nicht noch einmal machen möchte. Mutterseelenallein wurde ich von fünf Offizieren der Luftpolizei fast drei Stunden lang geprüft. Es ist ja sehr viel leichter, wenn man zu mehreren geprüft wird, aber ich war ja unglücklicherweise eine Frau, und da die Möglichkeit eines weiblichen B-Prüflings hier ebenso wenig wie in der Verkehrsfliegerschule je vorausgesehen und auch in den Bestimmungen nicht berücksichtigt war, wurde ich eben allein geprüft.“394 1930 kaufte sich Marga mit Unterstützung ihrer Großeltern ein eigenes Flugzeug. Eine kleine zweisitzige Junkers-Junior mit einem 80 PS Motor, die sie in einem knalligen Gelb lackieren ließ. Der Schriftzug „Kiek in die Welt“ zierte den Rumpf der Maschine.395 In der Fliegerei war ein Rekord- und Langstreckenboom ausgebrochen, von dem auch Marga von Etzdorf begeistert war. Im August 1930 startete sie zusammen mit einem Hamburger Sportpiloten in seiner ‚Motte„ und zwei Passagieren von Berlin aus nach . Die Reise dauerte 14 Tage. Wegen Benzinmangels mussten die Piloten und Pilotinnen immer wieder ungeplante Notlan- dungen durchführen, ansonsten kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. Kurz darauf, im November desselben Jahres, startete sie alleine zu ihrem nächsten Langstreckenflug. Diesmal wollte sie bis zu den Kanarischen Inseln fliegen. Den Hinflug schaffte sie mühelos, sie er- reichte ihr Ziel am 06 Dezember 1930. Auf dem Rückflug geriet sie jedoch in ein Unwetter, verlor die Orientierung und konnte gerade noch in Sizilien auf einer Wiese notlanden. Als sie von dort aus weiterfliegen wollte, streifte sie beim Starten, wegen des aufgeweichten Bodens, eine Umfassungsmauer, wobei ihre Maschine schwer beschädigt wurde. Sie selbst kam mit leichten Verletzungen davon. Den restlichen Heimweg musste sie mit der Bahn bestreiten.396 Trotz der Notlandung in Italien wurde ihr Flug als Erfolg gewertet.397

392 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.160. 393 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.168. 394 Ebd. S.168. 395 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.160. 396 Ebd. S.161. 397 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.170. 78

Als nächstes Ziel suchte sich die ehrgeizige Marga aus. Da sie sich von Prof. Hugo Junkers Unterstützung erhoffte, war dies ein strategisch guter Schritt von Marga. Sowohl Jun- kers als auch die Luft Hansa versuchten nach Asien zu expandieren. Flüge nach Japan galten zudem als letzte große Herausforderung für europäische Sportflieger und Sportfliegerinnen. Da die Strecke weitgehend über Land verlief, war sie auch in den kleinen Sportflugzeugen, die viel Benzin benötigten, relativ sicher zu bewältigen. Die mehr als 11.000 km flog von Etzdorf in zwölf Tagen. Als erste Frau überquerte sie damit Eurasien. Ihre sportliche Leistung sollte dabei besonders hervorgehoben werden, da die Flugzeuge zur damaligen Zeit nur ein begrenztes Leistungsvermögen besaßen. Margas Maschine hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 172 Stundenkilometer und flog durchschnittlich 125 bis 130 km. Sie muss demnach pro Tag knapp 1000 Kilometer geflogen sein, was bedeutet, dass sie etwa 10 Stunden täglich in ihrem Flugzeug saß.398 Ihre Ankunft in Tokio wurde als ein großer Erfolg gefeiert. Doch bei ihrem Rückflug hatte sie erneut kein Glück und stürzte kurz nach dem Start von ab, weil der Motor ihrer ‚Kiek in die Welt„ ausfiel. Ihr Flugzeug war ein Trümmerhaufen. Sie verstauchte sich die Wirbelsäule und musste vier Wochen still liegen.399 Zahlreiche Blutergüsse, eine Nierenquet- schung und weitere Verletzungen sorgten dafür, dass sie erst nach zehn Monaten wieder nach Deutschland zurückkehren konnte.400 Ihrem Ruf in der Öffentlichkeit schadete dieser Unfall sehr. Elly Beinhorn wurde zum neuen

Medienliebling. Marga musste ca. 200 Vorträge halten, um genügend Geld für ihr nächstes Vorhaben sammeln zu können: Ein Flug nach Australien. Da ihre finanziellen Mittel sehr begrenzt waren, war sie auf Sponsoren und Sponsorinnen angewiesen. Nachdem sie bereits zwei Bruchlandungen zu verbuchen hatte, gestaltete sich die Suche schwierig. Vermutlich entschied sie sich auch deshalb, ihren Flug zum Teil illegal zu finanzieren. Es finden sich Nachweise, dass der Flug zunächst mit einer Henkel-Maschine der deutschen Versuchsanstalt geplant gewesen war. Margas Flug sollte über Kapstadt nach Australien führen. Da Elly Beinhorn mittlerweile einen Flug über Ostafrika nach Kapstadt und dann entlang der westaf- rikanischen Küste geplant hatte, musste von Etzdorf ausweichen. Im April 1933 suchte sie um eine Genehmigung an, mit einer Klemm Kl 32 (die den Klemm-Werken gehörte) nach Aust- ralien fliegen zu dürfen. Im Mai 1933 startete Marga von Berlin aus in Richtung Australien. Zegenhagen verweist an dieser Stelle auf einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1933, in dem sich die langjährige Kollegin und Managerin Etzdorfs daran erinnert, dass Marga nahegelegt

398 Ebd. S.171. 399 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.161-162. 400 Zegenhagen, Schneidige deutsche Mädel, S.172. 79 wurde, sie müsse die Maschine heil wieder zurückbringen. Bereits einen Tag nach ihrem Ab- flug, beging Marga bei der Landung in Mulimijeh bei Aleppo einen Pilotinnenfehler. Das Flugzeug wurde nur leicht beschädigt und hätte innerhalb kurzer Zeit repariert werden kön- nen. Dennoch erschoss sich Marga von Etzdorf am 28.Mai 1933 im Gästezimmer des Flugha- fens mit einer Schmeisser Maschinenpistole.401 Zunächst wurde das Gerücht gestreut, dass sie sich aufgrund der Äußerungen eines französi- schen Flugplatzkommandanten erschossen habe. Das deutsche Auswärtige Amt entsandte einen Diplomaten nach Aleppo, da das öffentliche Echo groß war. Dieser konnte klären, dass es kein Fehlverhalten auf Seiten der Franzosen gegeben habe. Die französischen Ermittlungen zu diesem Fall erstreckten sich bis in den September desselben Jahres, da neben der Schmeis- ser Maschinenpistole – die von Etzdorf aufgrund der internationalen Regelungen nicht mit- führen hätte dürfen – auch Preislisten und Kataloge in englischer Sprache sowie eine eindeu- tige Korrespondenz mit dem Hauptmann a.D. der Fliegertruppe Ernst Heymann gefunden wurden. Marga von Etzdorf sollte (und wollte) während ihres Fluges die Waffe illegal ver- treiben. Trotz der Brisanz der Lage wurde in Deutschland nie etwas darüber publiziert oder thematisiert, dass von Etzdorf gegen internationale Abkommen verstoßen hatte. Sie wurde 1933 als Heldin beerdigt.402 Ihr Grabstein auf dem Invalidenfriedhof in Berlin trägt die Auf- schrift: „Der Flug ist das Leben wert“. Was Marga von Etzdorf dazu bewogen hat, dass ihr gerade dieser Flug mit nicht einmal 26 Jahren das Leben wert war, konnte nie zweifelsfrei geklärt werden.403

7 Fazit Wie in dieser Diplomarbeit bewiesen werden konnte, war die Anzahl der Frauen in der Luft- fahrt gegenüber der Zahl an Männern relativ gering. Die Leistung der Fliegerinnen wurde oftmals heruntergespielt und durch übertriebene Darstellung ihrer Weiblichkeit entwürdigt. Die Hindernisse, die die Frauen, wollten sie im Flugsport Fuß fassen, überwinden mussten, waren sehr zahlreich. Vor allem die gesellschaftlichen Widerstände waren schwer zu über- winden und traten gehäuft auf. Die traditionellen Rollenbilder standen den Frauen bei einem weiteren Eindringen in die Fliegerei im Wege. Besonders die Konservativen argumentierten gegen die Tätigkeit von Frauen in der Luftfahrt. Sowohl physische als auch psychische Grün- de wurden angeführt, um den Frauen die Fähigkeit abzusprechen überhaupt fliegen zu kön-

401 Ebd. S.172-174. 402 Ebd. S.174-175. 403 Pfister, Fliegen – ihr Leben, S.163. 80 nen. Nach Meinung der konservativen Bevölkerung hatten Frauen nicht die charakterlichen Eigenschaften, um ein Flugzeug fliegen zu können. Außerdem würde sich die Änderung des Luftdrucks negativ auf die Gebärfähigkeit auswirken. Für die Pilotinnen war es essentiell sich als weiblich dar zu stellen. Sie diente als Garantie dafür, dass Frauen zu keiner Bedrohung der männlichen Flieger werden konnten. Besonders in den 1930er Jahren wurden Pilotinnen in eine fast passive Rolle gedrängt, um zu verhindern, dass sie zu großen Einfluss bekamen. Lediglich einzelnen Fliegerinnen gelang es, größeren Einfluss auf die Luftfahrt während des Nationalsozialismus zu nehmen. Hierzu zählen etwa Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg oder auch Hanna Reitsch. Viele der Pilotinnen ließen sich, um fliegen zu dürfen, von der NSDAP zu Propagandazwecken instrumentalisieren, wie es etwa Marga von Etzdorf tat. Die Betonung ihrer Weiblichkeit war für die Pilotinnen auch in medialer Hinsicht sehr wich- tig: Je weiblicher sie erschienen, desto mehr Aufmerksamkeit bekamen sie. Elly Beinhorn kann hier als ein bemerkenswerter Beleg für außergewöhnliche Leistung bei gleichzeitiger Betonung ihrer Weiblichkeit angeführt werden. Die politischen Gegebenheiten brachten ebenfalls Hürden mit sich. Die Einführung der Rege- lung der CINA beschränkte die Einnahmequellen der Fliegerinnen drastisch. Auch die Ein- führung des Deutschen Luftsport-Verbandes (DLV) half den patriarchalen Machthabern da- bei, der fliegenden Weiblichkeit die Kompetenz ab zu sprechen. Doch nicht nur Gesellschaft, Familie und Politik stellten Hindernisse dar: Auch die weibliche Kleidung war zu Beginn der Luftfahrt eine große Gefahrenquelle. Die engen Korsetts, die langen Röcke und Tücher, die die Frauen trugen, behinderten sie in ihrer Beweglichkeit und konnten sich in den Motoren oder Propellern der Flugmaschinen verheddern. Die ersten Frau- en, die die traditionelle Kleidung tauschten, verursachten einen Aufschrei in der Öffentlich- keit. Die Hemmnisse, mit denen Fliegerinnen zu kämpfen hatten, wurden im Laufe des 20. Jahr- hunderts nicht geringer. Im Wechsel der gesellschaftlichen und politischen Konstellationen wandelten sie einzig ihren Charakter. Exemplarisch hierfür kann vor allem die Militarisierung der Luftfahrt gesehen werden. Mit dem Ersten Weltkrieg wurden die Piloten zu Kämpfern, Flugzeuge zu Waffen. Das Ende des Krieges machte die Flieger zu Helden der Lüfte. Die Gesellschaft brachte ihnen eine große Wertschätzung entgegen. Pilotinnen konnten im deutschsprachigen Raum nie eine solche Wertschätzung erreichen. Mit dem Nationalsozia- lismus kam auch ein diskriminierendes Frauenbild, das viele der Frauen, die in der Weimarer Republik noch auf Emanzipationskurs gewesen waren, aus der Luftfahrt drängte. Doch nicht

81 nur die Militarisierung ist ein Beispiel für den Wandel in der Gesellschaft und der Luftfahrt. Ferner war es die Professionalisierung, die die Pilotinnen an den Rand der Luftfahrt dräng- te.404 Dadurch, dass die Fliegerinnen durch verschiedenste Bestimmungen nicht in der kom- merziellen Luftfahrt tätig sein durften, wurden ihre Einkünfte durch den Flugsport auf tempo- räre Gelegenheiten, wie etwa Werbeflüge, Wettbewerbe, etc., reduziert. Lange Zeit wurden die frühen Pilotinnen und die von ihnen erbrachten Leistungen als ein Teil der Emanzipationsbewegung gesehen. Diese These kann laut Evelyn Zegenhagen nicht auf- recht erhalten werden. Kaum eine Pilotin äußerte jemals ihren Unmut über ungleiche Behand- lung. Keine der deutschen oder österreichischen Fliegerinnen, die in der Öffentlichkeit auftra- ten, bekannten sich zu einer emanzipatorischen Bewegung. Die meisten der Frauen bewegten sich zwischen der traditionellen Frauenrolle und ihrem Dasein als Fliegerin hin und her, da sie von der Duldung männlicher Kollegen sowie Vorgesetzten abhängig waren. Der zusätzliche Druck durch die Gesellschaft sorgte dafür, dass Fliegerinnen, so gut es ging, versuchten, Frauen – nach dem traditionellen Rollenbild – zu bleiben. Individuell sind Bestrebungen in Richtung der Emanzipation zwar nachweisbar, jedoch erlangten sie nie eine größere Bedeu- tung, weshalb sie nahezu vernachlässigt werden können. Die Geschichte der Pilotinnen zeigt zudem, wie Osietzki fest hält, dass ihre Emanzipation quasi an den Grenzen des Flugfeldes endete. Diskriminierungen standen an der Tagesordnung einer fliegenden Frau. Dennoch sehen manche Autoren und Autorinnen in der Geschichte der Pilotinnen auch eine Geschichte der Emanzipation. Sie argumentieren damit, dass jede Frau, die Fliegerin werden wollte, gegen die vielfältigen Widerstände, wie etwa die psychische und physische Eignung einer Frau, Benachteiligungen bei der Ausbildung sowie schlechtere Berufsaussichten, an- kämpfen mussten. Fliegerinnen, die sich all diesen Hindernissen widersetzten konnten, kön- nen als ein Beispiel für erfolgreiche Emanzipation gesehen werden. Laut Karolina Dorothea Fell zeigen die Biographien der Frauen nicht „in erster Linie die Diskriminierung von Frauen […], sondern Wege, gegen diese Diskriminierung anzugehen.“405 Die Tatsache, dass Pilotinnen weiblich waren, genügte, um sie mit einem Makel zu behaften. Sportfliegerinnen mussten sich stets zwischen zwei Rollen bewegen. Einerseits wurden sie an männlichen Maßstäben gemessen und mussten diesen Maßstäben auch entsprechen, anderer- seits wurde von ihnen erwartet, dass sie ganze Frauen blieben, ganz nach dem Rollenbild je- ner Zeit. Auch die 20er Jahre, die ‚neue Frau„ oder das ‚sportsgirl„ konnten nichts an der Tat-

404 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.13. 405 Karolina Dorothea Fell, Kalkuliertes Abenteuer. Reiseberichte deutschsprachiger Frauen (1920-1945), Er- gebnisse der Frauenforschung Band 49, Stuttgart/Weimar 1998, S.203. 82 sache ändern, dass Frauen immer um ihre Stellung in der Luftfahrt kämpfen mussten. Den Angriff auf eine von Männern dominierte Sphäre mussten die Pilotinnen mit ihrem (scheinba- ren) Wertekonservatismus rechtfertigen. Osietzki ist überzeugt, dass Pilotinnen Repräsentantinnen eines gesellschaftlichen Aufbruchs sowie Protagonistinnen beim Einbruch in die Männerwelt waren. Sie hält aber auch fest: „[…] ein heroisierendes Geschichtsbild, das partiell ihr eigenes Selbstverständnis reproduziert, in- dem es herausstellt, wie sie den ‚Traum vom Fliegen„ gegen die sich ihnen bietenden Hinder- nisse mit großer Durchsetzungsfähigkeit und Widerständigkeit verwirklichten, normalisiert ihre Lebensverläufe im Dienste eines Identitätsangebots, das eine ‚biographische Illusion„ nährt.“406 Damit dient ihrer Meinung nach ein Lebenslauf nur noch dazu, die Erzählung der Emanzipation zu stützten. Sie kommt zum Schluss, dass biographische Heroisierungen, die historiographisch an der identitätspolitischen Legende vom Siegen einiger Frauen in der Flie- gerei berichten, so wie es etwa bei Fell vorkommt, als Mythen zu betrachten sind.407 Die Geschichte der Fliegerinnen zeigt somit keine Emanzipation der Frauen im Allgemeinen, sondern lediglich die Emanzipation und Selbstverwirklichung eines einzelnen Individuums. In den 1920er Jahren konnten weder die Fliegerinnen von den Frauenbewegungen der Weimarer Republik, noch die Frauenbewegungen von den Fliegerinnen profitieren. Es kam zu keiner Zusammenarbeit, da die Interessensgebiete beider weit auseinander lagen. Selbstverständlich wurden Pilotinnen in Österreich in der zivilen sowie militärischen Luft- fahrt erst in den letzten Jahrzehnten.408 Selbst heute ist die Zahl der Fliegerinnen in der kom- merziellen und militärischen Luftfahrt weitaus geringer als die der Männer. Die Gründe dafür hat die Genderwissenschaftlerin Gabriele Metz in ihrem Buch untersucht und umfassend dar- gestellt.

8 Fachdidaktische Aufarbeitung

Thema: Geschlechterrollen und Geschlechterstereo- type

Klasse: 7. Klasse (11. Schulstufe)

Verwendetes Schulbuch: Staudinger Eduard/

406 Osietzki, Flug ist das Leben wert, S.13. 407 Ebd. S.13. 408 Fuchs, Töchter des Ikarus, S.38. 83

Scheucher Alois/Ebenhoch Ulrike/Scheipl Josef, Zeitbilder, Band 7, Wien 2014.

Planung: Vier bis fünf Unterrichtseinheiten (ca. 200 Minuten)

8.1 Didaktische Überlegungen und Zielsetzungen In diesem Teil der Diplomarbeit wird das Thema „Frauen in der Luftfahrt: Selbstverwirkli- chung oder Aufbrechen von Rollenbildern?“ fachdidaktisch aufgearbeitet. Das Thema wurde von mir in einen mehrstündigen Themenblock eingebettet, welcher den Namen „Geschlechterrollen und Geschlechterstereotype“ tragen soll. Es wurden vier bzw. fünf Unterrichtseinheiten für eine fiktive 7. Klasse geplant. Den Schülerinnen und Schülern soll in den vier Unterrichtseinheiten ein Gefühl dafür gege- ben werden, wie sich Geschlechterstereotype und Geschlechterrollen in der Vergangenheit ausgewirkt haben und wie sie unser Leben heute noch beeinflussen. Die Biographien der Pilo- tinnen sollen dabei als ein mögliches Beispiel für Grenzüberschreitung dienen, um die Hür- den, welche es zu überwinden galt, für die Lernenden erfahrbarer sowie greifbarer zu machen. Ein Ziel war es, die Begriffe Geschlechterstereotyp, Gender, Frauenbewegung und Gleichstel- lungspolitik zu definieren sowie den Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen, wie sich die Gesellschaft im Laufe der Zeit veränderte und Frauen durch diese Veränderungen mehr „Freiheiten“ erlangen konnten. Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler erfahren, welche Ziele die Frauenbewegung verfolgte und wie diese umgesetzt wurden. Des Weiteren sollen die Lernenden darauf aufmerksam gemacht werden, welche Rolle die Medien bei der Darstel- lung von Geschlecht spielten und spielen. Durch die Interpretation unterschiedlicher zeitge- nössischer Bildern soll gezeigt werden, wie sich die Gesellschaft, besonders die Frau, verän- dert hat und welche Rolle der Erste Weltkrieg, die Frauenbewegungen und die Medien für eine solche Entwicklung gespielt haben. Dazu wird ein Arbeitsblatt ausgeteilt, welches näher auf die Frauenbewegungen und Gleichstellung der Frau eingeht. Da es sich besonders auf Deutschland bezieht, sollen die Schülerinnen und Schüler mithilfe ihres Schulbuches die sel- ben Fragen auch für Österreich beantworten. Abschließend sollen sich die Lernenden näher mit den Biographien der Pilotinnen auseinander setzten, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie schwer es als Frau sein konnte, in einer Männerdomäne zu bestehen. Abschließend soll anhand einer Quelleninterpretation noch einmal aufgezeigt werden, wel- chen nicht zu unterschätzenden Anteil die Medien bei der Weiterverbreitung des Frauenbildes

84 hatten. Die Ergebnisse, welche die Schülerinnen und Schüler durch die Analyse erhalten, sol- len sie mit ihrem Wissen verknüpfen, dass sie durch die Biographien erhalten haben.

8.2 Lehrplanbezug409 Im Lehrplan steht: „Die Schülerinnen und Schüler sollen ein globales Geschichtsverständnis entwickeln, das von regionalen Bezügen bis zur weltumspannenden Dimension reicht. […] Der Überwindung von Vorurteilen, Rassismen und Stereotypen ist dabei besondere Beach- tung zu schenken.[…] Orientiert am europäischen Leitziel der Chancengleichheit und Gleich- stellung der Geschlechter sollen Schülerinnen und Schüler auch erkennen können, dass Ge- schlechterrollen und Geschlechterverständnisse im Laufe der Geschichte unterschiedlich defi- niert waren und demnach veränderbar und gestaltbar sind.“ Besonders diesem Punkt des Lehrplanes wird bei der Bearbeitung des Themenblocks im Unterricht Beachtung geschenkt. Zudem sind in den Bildungsbereichen folgende Punkte enthalten, die durch die didaktische Aufarbeitung angesprochen werden sollen:  Stellenwert und Stellung von Frauen und Männern als Individuen und Sozialwesen im jeweiligen historischen Kontext  gesellschaftliche Folgen von technischen Innovationen  gesellschaftliche und politische Funktion und Instrumentalisierung des Sports in ver- schiedenen Kulturen Der Lehrstoff der 11. Schulstufe umfasst außerdem folgende Punkte, die ebenfalls durch den Themenblock erarbeitet werden können: a) Nationalsozialistisches System und Holocaust (Entwicklung; Österreich im Dritten Reich; Wiederstands- und Freiheitsbewegungen) b) Soziale, ökologische, politische, wirtschaftliche und kulturelle Ungleichheiten und die Entwicklung von nachhaltigen Lösungsstrategien c) Entwicklung der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme, Integrations- und Zerfallspro- zesse  Krisen der Zwischenkriegszeit d) Emanzipatorische, soziale Bewegungen und Gegenströmungen nach 1945 (Frauen-, Jugend- und Studentenbewegungen;…) e) Politisches Alltagsverständnis – die verschiedenen Dimensionen und Ebenen von Poli- tik, Formen und Grundwerte der Demokratie und der Menschenrechte, Motivationen

409 Bezieht sich auf den Lehrplan der AHS, zit. n. Lehrplan, Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, Bundesministerium für Bildung und Frauen, [https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_neu_ahs_05_11857.pdf?61ebyg], eingesehen am 02.01.2018. 85

und Möglichkeiten politischer Beteiligungs-, Entscheidungs- und Konfliktlösungspro- zesse;

Dem vom Bundesministerium vorgeschriebene kompetenzorientierte Unterricht wird eben- falls Folge geleistet, da während der Erarbeitung sämtliche Kompetenzen angesprochen wer- den.

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8.3 Stundenbilder Ausgangssituation:

Themenblock: Geschlechterrollen und Geschlechterstereotype

Klasse: 7. Klasse (11. Schulstufe) Anzahl der Schüler: 24 Schüler und Schülerinnen Geschichtebuch: Zeitbilder, Band 7 (Wien 2014)

Verwende Abkürzung: SuS  Schülerinnen und Schüler

87

1. Stunde Zeit (Minuten) Was? Wie? (didaktisch – Material Kompetenz

(Inhalt) methodischer Kommen- tar)

2 Begrüßung durch LP, All------fälliges

5-10 Tafelbild gestalten: auf Die SuS sollen durch ge- Tafel Orientierungskompetenz, einer Seite steht Mann auf zieltes Fragen auch dazu Fragekompetenz, der anderen Frau. Die SuS angeleitet werden, dass sie sollen nun Begriffe dazu Charaktereigenschaften schreiben (Was verbindet und Berufe, die typisch ihr mit dem Geschlecht?) männlich oder weiblich sind, auf die Tafel schrei- ben.

Anschließend soll darüber gesprochen werden, wie es vor 100 oder 50 Jahren aussah. Wie stand es um das Wahlrecht? Um die

88

Kleidung der Menschen? Ihre Berufe? Etc. (Aktivie- rung von Vorwissen)

30-40 Klärung und Definition der Gemeinsam soll zunächst PC, Power Point, vorgefer- Sachkompetenz Begriffe Gender, Ge- erarbeitet werden, was die tigte Definitionen, schlechtsrolle, Stereotype Begriffe bedeuten könnten. Heft/Mappe und Gleichstellungspolitik, Was von den SuS gesagt Frauenbewegung(en) wird, sollte in die vorgefer- tigten Definitionen einge- flochten werden, falls es nicht schon vorhanden ist.

Verständnisprobleme sol- len gemeinsam geklärt und erörtert werden.

Definitionen sollen an- schließend ins Heft/in die Mappe geschrieben wer- den.

Außerdem sollen die SuS erste Kenntnisse zur Frau-

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enbewegung und Stellung der Frau in Österreich in ihr Heft/ihre Mappe notie- ren.

2. Stunde

Zeit (Minuten) Was? Wie? (didaktisch – Material Kompetenz

(Inhalt) methodischer Kommen- tar)

2 Begrüßung durch LP, All------fälliges

5 Gegebenenfalls Arbeit der Siehe oben PC, Power Point, vorgefer- Sachkompetenz letzten Stunde beenden tigte Definitionen, Heft/Mappe

30 Gruppen bilden, Die SuS werden zuerst in Kärtchen um die Gruppen Methodenkompetenz, Fra-

Analyse von Bildern, Er- Gruppen eingeteilt. Jede ein zu teilen (Bilder, die gekompetenz, gebnisse vergleichen Gruppe erhält anschlie- zur Analyse genutzt wer- ßend Bilder, die analysiert den, werden auch für die (Sechs Gruppen zu je 4 werden sollen. Bild 1 ist Kärtchen genutzt), Bilder

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SuS) von einer Frau um 1905, für die Analyse, Guideline Bild 2 aus 1920, Bild 3 aus zur Bildanalyse; Leitfra- 1940, Bild 4 1960; gen auf die Tafel schreiben

Die SuS sollen die Bilder darauf untersuchen, wie Geschlecht dargestellt wird. Als Leitfragen wer- den dabei folgende an die Tafel geschrieben: Was hat sich im Laufe der Zeit verändert? Gibt es viel- leicht auch Gemeinsam- keiten? Wie wirkt der Mensch auf mich? Wie werden die Frauen auf den Bildern dargestellt (wirken sie besonders weiblich? Wieso wirken sie so auf mich?)

Die Ergebnisse sollen an-

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schließend verglichen und gegebenenfalls ergänzt werden.

15 Wie kam es zu dieser Ver- Zunächst wird die Frage Arbeitsblatt Methodenkompetenz, Fra- änderung?  Rolle des gestellt, wie es zu solchen gekompetenz, Sachkompe- Krieges, der Medien und Veränderungen kommen tenz, Orientierungskompe- der Frauenbewegung; Ar- konnte (wieder Aktivie- tenz beitsblatt (aus „Sozialge- rung von Vorwissen)

schichte. Ein Arbeitsheft Die Rolle des Krieges, der für die Schule“) Medien und der Frauen- bewegung sollen ange- sprochen werden.

Zur Frauenbewegung wird ein Arbeitsblatt ausgeteilt.

Beim Arbeitsblatt wir die Aufgabe gestellt zu über- legen, wie es in Österreich war. (Als Hilfe können die SuS ihr Buch verwenden: S.18-20 und vor allem

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S.162-163)

3. Stunde

Zeit (Minuten) Was? Wie? (didaktisch – Material Kompetenz

(Inhalt) methodischer Kommen- tar)

2-5 Begrüßung durch LP, All- -- Heft/Arbeitsblatt -- fälliges

Arbeiten der letzten Stun- de beenden.

5 Zweierteams bilden Einteilung der Zweier- -- teams

40 Gruppenarbeit: Steckbrief Erarbeiten der Biographien Vorbereitetes Infomaterial, Methodenkompetenz, Fra- Biographie in Zweierteams. Jedes Leitfragen, eventuell gekompetenz Team mithilfe einiger PCs/Handy für zusätzliche Leitfragen und eines Aus- Infos gansartikels einen Steck-

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brief zu einer Pilotin erstellen. Anschließend setzen sich die Teams zu den jeweiligen Pilotinnen zusammen und erstellen einen gemeinsamen Steck- brief. Dieser Steckbrief wird der Lehrperson aus- gehändigt, die ihn abtippt und einen Lückentext er- stellt. Dieser wird für die nächste Einheit benötigt, in welcher der Steckbrief in 5-10 Min. präsentiert werden soll.

4. Stunde

Zeit (Minuten) Was? Wie? (didaktisch – Material Kompetenz

(Inhalt) methodischer Kommen-

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tar)

2 Begrüßung durch LP, All------fälliges

15-35 Halten der Präsentationen, Die SuS sollen nun prä- Arbeitsblätter Sachkompetenz, Ausfüllen der AB sentieren, was sie in der letzten Stunde erarbeitet haben (die Gruppen dürfen selbst bestimmen, wer die Präsentation hält; will niemand bestimmt die Lehrperson) Jeder erhält den Steckbrief als Lücken- text (jeweils der Steck- brief, der nicht in der eige- nen Gruppe behandelt wurde)

Restliche Stunde bzw. Analyse einer Quelle Zum Abschluss des The- Quelle, Als Hilfe: Guideli- Methodenkompetenz, Ori- nächste Unterrichtsein- mas soll eine Quelle ana- ne Analyse einer Textquel- entierungskompetenz heit lysiert werden. Sollte sich le dies in dieser Stunde nicht mehr ausgehen, wird es

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auf die nächste verlegt. Dabei soll im Plenum noch einmal angesprochen werden, wie wichtig die Darstellung der Medien und der Einfluss der Poli- tik für die Rollenbilder war/ist. Die Ergebnisse der Analyse sollen dabei mit dem Wissen, dass die SuS aufgrund der Bearbeitung der Biographien erhalten haben, kontrastiert werden.

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8.4 Unterrichtsmaterialien Material 1. Unterrichtseinheit:

Power Point Folien:

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Vorgefertigte Definitionen:

Gender, Geschlechterstereotypen und Gleichberechtigung

Es gibt nicht nur das biologische Geschlecht, das einen Körper als männlich oder weiblich auszeichnet, sondern auch ein so genanntes soziales Geschlecht. Das soziale Geschlecht wird als Gender bezeichnet. Gender wird von Gesellschaft und Kultur geprägt. Alles, was als „ty- pisch männlich“ oder „typisch weiblich“ angesehen wird, wirkt sich auf unser soziales Ge- schlecht aus.

Das Ziel von Gender Mainstreaming und Gleichstellungspolitik ist eine gerechte Gesell- schaft, in der Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten haben, unabhängig davon, ob es ihrem sozialen Geschlecht entspricht oder nicht.

Jahrhundertelang wurde das Bild geprägt, wie eine Frau oder ein Mann auszusehen und sich zu verhalten hatte. Diese Geschlechterstereotypen sollen weiterhin abgebaut werden, damit jeder Mensch Ausbildung, Beruf und Privatleben frei wählen kann. Früher waren zum Bei- spiel nur Frauen für die Betreuung und Erziehung der Kinder verantwortlich; heute gibt es immer mehr Männer, die sich für einen „Papamonat“ oder eine Väterkarenz entscheiden, um bei ihren Kindern zu sein. Das alles sind wichtige Schritte, damit Gleichberechtigung auch im Alltag, im tagtäglichen Leben stattfindet.

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Material 2. Unterrichtseinheit:

Guideline zur Bildanalyse:

Analyse von Bildern

Als Quelle für die Geschichtswissenschaften sind Gemälde und Fotographien sehr wichtig. Sie stellen aber nicht immer da, was tatsächlich gewesen ist. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, dass wir uns kritisch mit ihnen auseinander setz- ten. Für eine Analyse kann eine drei Schritte-Methode angewendet werden:

1. Schritt: Bildbeschreibung  Was ist auf dem Bild zu sehen?  Welche Personen sind abgebildet? Was machen Sie? Stehen sie im Vordergrund oder im Hintergrund des Bildes?  Welche Gegenstände siehst du? Gibt es Symbole?  Aus welcher Zeit stammt das Bild?  Um welche Art von Bild handelt es sich? (z.B. Gemälde, Fotographie, etc.)  Aus welcher Quelle stammt das Bild?

2. Bildanalyse  Wie werden die Personen im Bild dargestellt?  Falls es Symbole gibt: Was bedeuten diese?  An wen könnte sich das Bild richten?  Wo wurde es veröffentlicht bzw. wo findet man das Gemälde?  Was könnten Gründe für die Veröffentlichung gewesen sein?

3. Interpretation der Bildaussage  Was glaubst du, wieso das Bild gemacht wurde? (z.B. Werbung, um andere zu überzeugen/abzuschrecken, etc.)  Was war wohl das Ziel des Fotographen, als er das Bild machte? Was möchte er dem Betrachter sagen?  Was wird nicht im Bild gezeigt? Warum?

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Bilder zur Analyse:

Bild aufgenommen um 1905 (Quelle: http://www.joajo.de/hermann-flaig/)

Bild aufgenommen um 1925 (http://www.kubiss.org/hkk-20er-jahre/frau.html) 100

Bild aufgenommen um 1940 (http://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/ba105059)

Bild aufgenommen um 1960 (https://rtlnext.rtl.de/cms/klassische-rollenverteilung-bleibt- frauen-putzen-maenner-reparieren-1631443.html) 101

Arbeitsblätter Frauengeschichte:

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Material 3. Unterrichtseinheit:

Texte um Steckbrief zu erstellen: Elly Beinhorn - im Alleinflug um die Welt

In einer Zeit, als Frauen keine Passagierflugzeuge steuern durften, stellte diese Dame Lang- streckenrekorde auf: Elly Beinhorn. Mit 23 Jahren flog die Flugpionierin allein nach Afrika, mit 25 um die Welt. Am 4. Dezember 1931 startete sie durch.

Stand: 02.12.2016 | BR-Themen

Elly Beinhorn war schon als Kind ein ei- zu jener Zeit als etwas Unerhörtes - ging genwilliges Persönchen. Am 30. Mai 1907 sie nach Berlin und machte innerhalb we- geboren, träumte sie als einzige Tochter niger Wochen den Sportflugschein. Im einer angesehenen Hannoveraner Kauf- Januar 1931 zerriss Elly Beinhorn endgül- mannsfamilie vom großen Abenteuer. Im tig alle Fesseln der Konvention: Mit einem Urlaub mit ihren Eltern, erinnerte sie sich, mit Stoff bespannten Klemm- habe sie "aus jeder kleinen Sache eine Ex- Leichtflugzeug brach sie alleine nach Afri- pedition gemacht". Vor allem Afrika und ka auf - ohne Funk, Radar und Navigati- seine wilden Tiere faszinierten sie schon onssystem. Nach siebzig Stunden und damals und immer schon träumte sie da- 7.000 Kilometern erreichte sie ihr Ziel Bo- von, alleine dorthin zu reisen. Mit 16 Jah- lama im heutigen Guinea-Bissau. Und das ren verließ Elly Beinhorn die Schule, ar- wäre dann auch beinahe ihr letzter Flug beitete zunächst als Modell und Schwimm- gewesen: Ein Ölrohrbruch auf dem Rück- lehrerin, bis ein Vortrag des Fliegers Her- weg zwingt sie zur Notlandung in der mann Köhl, der als erster den Atlantik in Wüste. Vier Tage bleibt sie verschollen, Ost-West-Richtung überflogen hatte, ihre bis sie nach einem 50-Kilometer- Neugier fürs Fliegen weckte. Von diesem Fußmarsch erschöpft und krank Timbuktu Moment an wusste Elly Beinhorn, wie sie erreicht. ihre Träume verwirklichen würde.. Triumphaler Empfang in Tempel- Alleine nach Afrika hof

Unerhört? Ganz schön mutig! Als das erste Lebenszeichen per Telegraph Gegen alle Widerstände ihrer Eltern - aus Timbuktu in Deutschland eintrifft, ist schon die Tatsache, dass sie Auto fuhr, galt Elly Beinhorn schlagartig berühmt. In ei- nem neuen Flugzeug landet sie am 29. Ap- 104

ril 1931 unter dem Jubel Tausender von res, von wo sie ein Schiff nach Deutsch- Menschen auf dem Tempelhofer Feld in land zurückbrachte. Am 26. Juli 1932 kam Berlin. Was sie mitbrachte von ihrer ersten sie stolz in Berlin an: Sie hatte ihr Ziel, Reise, war die Sehnsucht nach dem nächs- einmal allein um die Welt zu fliegen, er- ten Abenteuer. reicht.

Einmal um die ganze Welt Drei Kontinente an einem Tag

Elly Beinhorn stellte Langstreckenrekorde Flüge nach Afrika, Asien, Süd- und Mittel- auf - für Frauen in den 1930er-Jahren un- amerika wurden für die Luftfahrtpionierin denkbar. in den nächsten Jahren zur Selbstverständ- lichkeit. 1936 flog sie auf der Strecke Ber- Dank ihrer neu gewonnen Berühmtheit fiel lin - Damaskus - Kairo - Athen - Budapest es Elly Beinhorn in den nächsten Jahren - Berlin in nur einem Tag drei Kontinente leichter, ihre Abenteuerlust zu befriedigen. an. Zahlreiche Firmen unterstützten ihren nächsten Flug, mehr als vierzig Zeitungen Deutsches Traumpaar für zwei wollten ihre Reiseberichte drucken. Und so konnte sie noch im selben Jahr, am 4. De- Jahre zember 1931, ihren historischen Flug um die Welt starten. Der 80-PS-Motor ihrer Beinhorn und Rosenmeyer waren in den "Klemm L 26" sollte sie bis nach Austra- 1930er-Jahren ein abenteuerlustiges lien tragen. Es wurde eine abenteuerliche Traumpaar. Im selben Jahr wurde Elly Reise: Auf dem Weg nach Bagdad fiel sie Beinhorn noch ein Stück berühmter, als sie in einem starken Sturm beinahe aus der den populären Autorennfahrer Bernd Ro- Maschine. Am persischen Golf musste sie semeyer heiratete, mit dem sie zum deut- notlanden, in Bali wurde ein Freund von schen Traumpaar der 1930er-Jahre wurde. ihr von einem Raubfisch getötet. Trotzdem 1938 allerdings starb Rosemeyer bei einem erreichte sie im April 1932 ihr vorläufiges Weltrekordversuch auf einer Autobahn bei Ziel Sydney. Frankfurt. Noch im selben Jahr begann Elly Beinhorn wieder mit dem Fliegen und Von dort aus wurde die Klemm in Einzel- gewann unter anderem 1959 eine Goldme- teile zerlegt per Schiff nach Panama trans- daille im europäischen Sternflug. Erst mit portiert. Die Strecke über den stillen Ozean 72 gab sie ihren Pilotenschein zurück und wäre zu weit gewesen für das Leichtflug- bis dahin, erklärte sie "bin ich 51 Jahre zeug. Über Kolumbien und Chile kam sie - lang mit Anstand geflogen". Elly Beinhorn jetzt wieder fliegend - schließlich nach starb hundertjährig am 28. November 2007 rund 31.000 Kilometern nach Buenos Ai- in Ottobrunn bei München.

Quelle: [https://www.br.de/themen/wissen/elly-beinhorn-luftfahrt100.html]

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Pilotin Marga von Etzdorf: Der Flug ist das Leben wert

Von Alice Bota | 02.Februar 2014 Sie scherte

Auf dem Invalidenfriedhof in Berlin, dort, sich nicht wo einmal die Mauer verlief, steht der Grabstein einer Frau, die lange tot ist. Sie darum, war eine der ersten und sicher die außer- was Frau- gewöhnlichste Pilotin Deutschlands. Ein Findling erinnert an sie, grau, etwas ver- en durften wittert, unscheinbar. Ich wäre daran vor- beigelaufen und bleibe nur stehen, weil ich und was nicht sie suche. "Der Flug ist das Leben wert" ist auf den Stein eingraviert. Marga Wolff von Fünf Kugeln zählt sie ab und füllt sie ins Etzdorf, geboren 1. August 1907, gestor- Magazin. 18.40 Uhr. Sie legt den Lauf an ben 28. Mai 1933. die linke Schläfe, drückt mit der rechten Hand ab. Zwei Kugeln bohren sich in ihren Am Tag, als Marga von Etzdorf den letzten Kopf und treten auf der anderen Seite wie- Flug ihres Lebens bewältigt, landet sie um der aus. Glatter und tödlicher Durchschuss. 18.17 Uhr im syrischen Aleppo mit dem Später meldet der deutsche Konsul: "Das Wind, der an diesem Tag heiß weht. Er Gesicht zeigte einen ruhigen und erre- trägt das Flugzeug über die Landebahn gungslosen Zustand. Motiv völlig unklar." hinaus, bis es in einem Graben aufschlägt. Die Maschine wird beschädigt, aber nicht Die junge Tote wird einbalsamiert, das besonders schwer. Sie hätte ohne Weiteres Herz in Formalin konserviert, ihre Flieger- repariert werden können. Marga von Etz- uniform mit in den Sarg gelegt. Am 8. Juni dorf bleibt unverletzt. Sie wollte als erste transportiert ein Dampfer von der Hapag Frau von Deutschland nach Australien den Leichnam zurück nach Deutschland. fliegen, in zwei, drei Tagen hätte sie ihren Eine große Fliegerin kehrt heim. "Eine der Flug fortsetzen können. besten", schreiben die Zeitungen. Sie steigt aus der Fliegerkabine. Fühlt sich Ihr Flugzeug, die Kiek in die Welt.war eine müde, macht aber einen klaren Eindruck. einmotorige Junkers Junior A 50, die sie Sie lässt sich von französischen Offizieren knallgelb lackieren ließ. befragen. Dann zieht sie sich in eines der Früh verlor sie ihre Eltern, wuchs dann bei Zimmer zurück, das man ihr angeboten den Großeltern auf. Sie scherte sich nicht hat. Dort bettet sie ihren Kopf auf ein Kis- darum, was Frauen durften und was nicht. sen und greift zu ihrer Maschinenpistole, einer Schmeisser 28/II, Neun-Millimeter- Als sie das erste Mal fliegt, ist sie 19 Jahre Kaliber mit hundert Schuss. alt. Ein Bekannter hatte einen Rundflug gewonnen, und Marga bittet ihn darum, ihr

den Gutschein zu schenken. An diesem Tag ist sie aufgeregt. Doch kaum sitzt sie mit dem Piloten im Flugzeug, fällt jede

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Nervosität von ihr ab. Sie spürt keine Sie braucht ihr ganzes Vermögen, um sich Angst, es kommt ihr nicht einmal beson- die Kiek in die Welt zu kaufen. Es reicht ders ungewohnt vor. Das schreibt sie spä- nicht, also legen ihre Großeltern etwas ter. Sie ist ganz bei sich. Schaut hinaus. drauf. Marga von Etzdorf bricht auf. Ein Die Maschine dreht ihre Runden über ums andere Mal. Eine Ruhelosigkeit hat sie Staaken bei Berlin, Marga sieht, was ihr erfasst. Sie lebt im Unterwegssein. "Heute immer vertraut war, die Felder, die Havel, hier – morgen da, so war ich richtig in die Großmutter, die Schwester, die unten meinem Element. Wie oft konnte ich die- warten. Und doch ist alles verändert, die sen vibrierenden, gleichsam elektrisieren- bekannte Welt entrückt, alles wird klein den Zustand verspüren, der mich jedesmal und winzig, alles neu und seltsam. "An befällt, wenn ich zum ersten Mal in einer diesem Tag hat es mich richtig gepackt, fremden Stadt bin, dieses Gefühl des Nie- um mich nie wieder loszulassen, dieses genughabens, das einen durch alle Straßen Gefühl der unendlichen, der dreidimensio- treibt und die alltäglichsten Dinge mit ei- nalen Freiheit, das einem nur das Fliegen nem fremdartigen Reiz erfüllt." geben kann." Sie überredet ihre Großel- tern, den Flugschein machen zu dürfen. Meistens fliegt sie allein, ganz für sich. Sie Ihre Großmutter ist zunächst entsetzt, un- spricht mit niemandem, ihr Flugzeug hat terstützt Marga aber dann. keinen Funk. In ihrer offenen Junkers ist sie Kälte, Regen und Sturm ausgesetzt. Wenige Monate später wird Marga von Stundenlang dröhnt der Motor, oft muss sie Etzdorf als erste Frau Deutschlands Co- auf irgendwelchen Feldern notlanden, weil Pilotin bei der Lufthansa. Wie hatte sie das der Sprit wieder einmal ausgegangen ist. geschafft? "Da bis jetzt bei der Lufthansa Ihre Tanks sind zu klein, später lässt sie noch niemals eine Frau als Führerin einge- sich für ihre Weltreisen größere einbauen. stellt worden war, begegnete ich zuerst Sie hat Kompass und Karten dabei, orien- etwas erstaunten Gesichtern bei den Her- tiert sich an Flussläufen und Eisenbahnli- ren, denen ich meine Bitte vortrug", nien, immer weiter, immer schneller. schreibt sie in ihrem Reisebuch. "Aber als zweiter Führer konnte ja selbst eine Frau Am liebsten fliegt sie tief, nur wenige kein Unheil anrichten. Dieser Ueberlegung Hundert Meter über dem Boden. Je tiefer verschloß man sich nicht, und ich bekam sie fliegt, desto stärker berauscht sie die die Erlaubnis, als zweiter Führer bei der Geschwindigkeit ihrer Junkers: "Wir Lufthansa mitfliegen zu dürfen." Wenn die brausten durch die Welt." Auf Bildern je- Passagiere, die es hinten schön gemütlich ner Zeit sieht man sie oft im Pilotendress und warm hatten, nach dem Flug "den Her- aus Leder. Dort, wo keine Pilotenbrille ihr ren Piloten" danken, verbeugt sich Marga Gesicht bedeckt, ist die Haut von der Son- von Etzdorf, komplett im Fliegerdress ver- ne verbrannt und vom Wind wund ge- steckt, stumm und männlich: "Ich habe peitscht. Marga von Etzdorf ist eher klein, mich immer gehütet, ihnen diese Illusion schmal und gerade. Ihr Gesicht kantig. Die durch ein Verraten meiner Stimme zu rau- Stimme aber heiter und mädchenhaft, das ben." Für ihren B2-Schein bringt sie sich kann man auf alten Tonaufnahmen noch die theoretischen Kenntnisse selbst bei heute hören. mithilfe einer Freundin, einer Ingenieurin, und tritt dann zur Prüfung an. Sie besteht. Liebe und Leidenschaft? Kaum vorhanden. Jedenfalls nicht zu Menschen. Margas Ihr Sarg ertrinkt in Blumen und Brief an einen unbekannten "geliebten Zwilling" und der Liebesbrief einer Japa- Kränzen. Überall Hakenkreuze nerin an sie sind alles, was überliefert ist. Männer? Wohl keine, erinnert sich Jahr- zehnte später ihre Cousine: Marga ist eher 107

scheu. Unvorstellbar, dass sie ein Leben Dienststellen des Heeres, der SS und der wie ihre Schwester Ruth führt: verheiratet, NSDAP. In dieser Funktion hat er eine Kinder, Hausfrau. Doch wie viele Margas Sache mit dem "gnädigen Fräulein" zu jener Zeit haben sich wohl gegen ihren klären. In dem Brief an sie schreibt er: Willen in dieses Schicksal pressen lassen? "Wie versprochen übermittle ich Ihnen Vielleicht musste sie tausend Meter hoch hiermit eine Maschinenpistole "Schmeis- steigen, um solchen Ansprüchen zu ent- ser" 28/II, kal. 9 mm. Ich füge ferner einen fliehen. deutschen Katalog nebst Gebrauchsanwei- sung sowie zwei englische Kataloge bei, Nach ihrem Tod schrieb die Kreuz- ausserdem englische Preislisten in dreifa- Zeitung, dass "die Etzdorf" kein glückli- cher Ausfertigung. So sehr ich hoffe, daß cher Mensch gewesen sei. "Ihre Augen, die Sie die Waffe für Ihren persönlichen so lustig sein konnten, hatten eine große Gebrauch nicht benötigen, so sehr würde Schwermut. Ihr wurde nichts geschenkt, ich mich freuen, wenn sich irgendwo auf sie machte es sich nicht leicht: Dazu war Ihrem Fluge die Möglichkeit ergeben wür- ihr Wesen zu vornehm, zu schwer, unbe- de, Geschäfte mit dieser Waffe einzuleiten. stechlich und konsequent. Und gerade aus Es ist ganz selbstverständlich, daß Sie an der Schwere ihres Wesens stammt die solchen Geschäften beteiligt sind." Sehnsucht nach dem Freien, Leichten, Bunten, Schillernden, Schwebenden." Den Deutschen ist die Herstellung und der Verkauf von automatischen Waffen nach Vielleicht ist es das, was sie alle Strapazen dem Ersten Weltkrieg verboten. Die Rüs- auf sich nehmen, sie den Erfolg ertragen tungsindustrie, auch Haenel, sind dadurch lässt, der immer auch das Scheitern in sich in Schwierigkeiten. Weltenbummler wie trägt. Von keinem ihrer großen Flüge kehrt Marga von Etzdorf werden plötzlich wich- sie in ihrer eigenen Maschine zurück, auf tig, um das Geschäft illegal am Laufen zu jedem Rückweg stürzt sie ab, verletzt sich, halten. Im Gegenzug soll sie mitverdienen. reist heimwärts, startet wieder. Bis zu je- nem 28. Mai 1933. Sie habe eine starke Abneigung gegen Waffen jeder Art, schreibt Marga von Etz- Sie braucht dringend Geld. Kiek in die dorf in ihrem Reisebuch. Aber sie benötigt Welt ist nach dem letzten Absturz, auf dem Geld. Marga von Etzdorf packt jedenfalls Rückweg von Tokio, nur noch Schrott. Sie am 27. Mai die Waffe des Herrn Heymann selbst überlebt nur knapp und muss mona- in ihren Flieger, dazu eine Kamera und telang liegen, bis sie wieder gesund ist. fünf Filmspulen – auch das wegen mögli- Auch ihr Ruf hat gelitten, was ihr Sorgen cher Spionage strengstens verboten. Jetzt macht, weil sie von Sponsoren abhängt. ist sie die Waffenschieberin einer deut- Andere Pilotinnen rücken nach, fangen an, schen Rüstungsfirma. erfolgreicher und bekannter zu werden. Jetzt leiht sich Marga von Etzdorf eine Am Ende erschießt sie sich mit der mitge- Maschine des Flugzeugbauers Klemm. Der führten Waffe. Warum ist bis heute unklar. Druck ist enorm: Marga gilt plötzlich als Klar ist jedoch, dass ihr das Fliegen alles Pechmarie, dieses Mal muss sie die Ma- bedeutete: Der Flug war ihr das Leben schine aus Australien heil zurückbringen. wert.

Sie bekommt ein Schreiben von Ernst Heymann, Leiter einer Rüstungsfirma, erreicht Marga von Etzdorf am Tag vor Quelle: [http://www.zeit.de/2014/05/marga-von- ihrem Abflug. Er ist Kontaktmann für die etzdorf-fliegerin/komplettansicht?print]

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Material 4.Unterrichtseinheit:

Guideline: Analyse einer Textquelle

Analyse einer Textquelle

Verschiedene Texte erfüllen unterschiedliche Aufgaben. Beim Lesen und Interpretieren von historischen Textquellen müssen wir mitbedenken, dass Texte immer aus einer bestimmten Sicht- weise und oft auch mit einer bestimmten Absicht geschrieben wurden. Texte können uns eine Vielzahl an Informationen lie- fern, wir müssen nur wissen wie wir sie ihnen entlocken können:

Schritt 1: Was erfährst du aus dem Text?  Formuliere dazu zwei eigene Sätze und verweise auf die Textstellen.

Schritt 2: Finde die Schlüsselbegriffe im Text.  Suche im Text Wörter und Wendungen, die dir wichtig erscheinen bzw. die häufig vorkommen.  Kläre, wenn nötig, die Bedeutung dieser Schlüsselbegriffe.

Schritt 3: Von wem stammt der Text?  Nenne die Autorin bzw. den Autor, den Zeitpunkt, zu dem der Text geschrieben wur- de, und die Gruppen von Leserinnen und Lesern, an die sich der Text vermutlich rich- tet.

Schritt 4: Was kannst du noch aus dem Text erfahren?  Stelle Vermutungen über den Verfasser bzw. die Verfasserin und den Zweck des Tex- tes an und begründe diese mit Textstellen.

Schritt 5: Weiterführende Fragen  Welche zwei Fragen möchtest du nach der Lektüre des Textes beantwortet haben? Notiere sie dir!

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Quelle: Das Magazin

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9 Literaturverzeichnis Literatur:

Ambrosi Claudio/Weber Wolfgang, Editorial/Editoriale, in: Geschichte und Region. Sport und Faschismen 13 (2004), Heft 1, S.5-19.

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Bock Gisela, Geschichte, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, in: Geschichte und Ge- sellschaft 14 (1988), Heft 3, S.364-391.

Boshof Egon /Düwell Kurt / Kloft Hans, Grundlagen des Studiums der Geschichte. Eine Ein- führung, Köln/Weimar/Wien 19975.

Gerhard Bracke, Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin, München 1990.

Bruckmüller Ernst/Strohmeyer Hannes, Vorwort, in: Turnen und Sport in der Geschichte Ös- terreichs. Schriften des Institutes für Österreichkunde, hrsg. v. Bruckmüller Ernst/Strohmeyer Hannes, Wien 1998, S.4-5.

Budde Gunilla-Friederike, Geschlechtergeschichte, in: Geschichtswissenschaften. Eine Ein- führung, hrsg. v. Cornelißen Christoph, Frankfurt am Main 2000, S. 282-293.

Buxbaum Gerda, Mode! Das 20. Jahrhundert, München/London/New York, 1999, S.32-33.

Chraust Tanja, Das Innsbrucker Flugwesen. Von seinen Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, Innsbruck 2004.

Diketmüller Rosa, Frauen- und Geschlechterforschung im Sport, in: Sport Studies, hrsg. v. Marschik Matthias/Müllner Rudolf/Penz Otto/Spitaler Georg, Wien 2009, S.259-261.

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Erfurth Helmut, Luftfahrt im Dritten Reich. Ziviler Flugverkehr und Luftwaffe 1933-1945, München 2011.

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Klingenschmid Caroline, Der Wandel der Condition Féminin in der Zwischenkriegszeit der Weimarer Republik und dessen Niederschlag in der Mode mit einer bildlichen Darstellung und analytischen Diskussion selbiger im Schulunterricht, Innsbruck 2014.

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Metz Karl H., Geschichte: Eine Theorie, Frankfurt am Main 2015.

Müllner Rudolf, Perspektiven der historischen Sport- und Bewegungskulturforschung. Öster- reichische Kulturforschung Band 13, Wien/Berlin/Münster 2011. 117

Niccoli Riccardo, Luftfahrt. Menschen, Mythen und Maschinen. Die Geschichte des Fliegens, München 2013.

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Pandel Hans-Jürgen, Geschichtstheorie. Eine Historik für Schülerinnen und Schüler – aber auch für ihre Lehrer, Schwalbach/Ts 2017.

Pfister Gertrud, Fliegen – ihr Leben. Die ersten Pilotinnen, Berlin 1989.

Pfister Gertrud, Frau und Sport, Die Frau in der Gesellschaft. Frühe Texte, Frankfurt am Main 1980.

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Prigl Hubert, Luftfahrtpioniere, Flugzeugkonstrukteure, Piloten & Pilotinnen, in: Das Bord- magazin zur Ausstellung „schwerer als Luft“. 100 Jahre Motorflug in Wien: Pioniere, Kon- strukteure, Piloten & Pilotinnen, Ereignisse, Flugschauen, Unfälle, Flugplätze, Werbung, Li- teratur, Musik, Film, Architektur, hrsg. v. Wurm-Mattl Sylvia, Wien 2009, S.10-31.

Rebmann Jutta, Als Frau in die Luft ging. Die Geschichte der frühen Pilotinnen, Mühlacker 2001.

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorlie- gende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quel- len entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister- /Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

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Datum Unterschrift

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