Napoleon in Den Invalides: Es Lebe Der Kaiser!
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Napoleon in den Invalides: Es lebe der Kaiser! Die Rückkehr der Asche/Le retour des cendres Ein riesiger Sarkophag aus russischem Quarzit/Porphyr auf einem rechteckigen Sockel aus Granit in der Krypta des Invalidendoms, direkt unter der Kuppel, umrahmt von einem Lorbeerkranz und den Namen siegreicher Schlachten; umgeben von einer Galerie mit zwölf Siegesgöttinnen. Ein beein- druckendes Bild, wenn man von oben herunterblickt, aber beeindruckend auch die Umrundung des Sarkophags auf Augenhöhe: Eine monumentalere, repräsentativere Grablege ist kaum vorstellbar. Aber für Napoleon war das Beste gerade gut genug. Der Leichnam hätte ja auch in Sankt Helena bleiben können, wo Napoleon am 15. Mai 1821 gestorben war. Aber Napoleon wollte gerne in Paris beerdigt werden, „an den Ufern der Seine, inmitten des französischen Volkes, das ich so sehr geliebt habe“. 1 1840 war England bereit, einer Überführung der sterblichen Überreste des Kaisers nach Frankreich zuzustimmen. Und die Julimonarchie des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe ergriff die Gelegenheit, Napo- leon und damit vor allem sich selbst in Szene zu setzen. Das war auch dringend geboten, denn von Louis-Philippe erwartete man, anders als von den durch die Siegermächte wieder eingesetzten und 1830 gestürzten Bourbonen, eine Revanche für die Nie- derlagen von 1814 und 1815. Sein Ministerpräsident Adolphe Thiers startete auch einige entspre- chende Initiativen –z.B. im Nahen Osten oder in Richtung Rheingrenze und ließ sicherheitshalber Paris auch von einem Festungsgürtel umgeben. Nie war der Krieg nach 1815 so nahe.1 Aber Louis Philippe schreckte dann doch vor einem Krieg und der Gefahr einer Niederlage zurück und Thier wurde entlassen. Was blieb, war die Demütigung des Landes.2 Da kam nun die von den Engländern 1840 genehmigte Rückführung der sterblichen Überreste des Kaisers als Ausgleich zum enttäuschten nationalen Selbstbewusstsein genau zum richtigen Zeitpunkt. Wie Tulard feststellt: Louis Philippe vereinnahmte damit die siegreichen Schlachten Napoleons von Austerlitz, Jena und Wagram und rettete damit sein Regime. Die Frage war jetzt allerdings, wo Napoleon bestattet werden sollte. Dafür boten sich verschiedene Orte an: Das Pantheon, in dem schon Voltaire und Rousseau, aber auch sehr viele Militärs, Politiker und Wissenschaftler des Empire ruhten; die Madeleine die von Napoleon als Tempel des Ruhms seiner Armeen geplant war; der Arc de Triomphe de l’Étoile, der die napoleonischen Armeen und ihre Siege verherrlichte3 oder die Vendôme-Säule, das hervorragende Symbol der kaiserlichen Epoche. Napoleon selbst hatte sich gewünscht, in der Basilika von Saint-Denis begraben zu werden, an der Seite der französischen Könige. Aber dagegen gab es –verständliche- Einwände von rechts und links. Napoleon könne, wie es der damalige Innenminister im Parlament formulierte, nicht in einem „ge- wöhnlichen Königsgrab“ bestattet werden – also in St. Denis. Er müsse weiter herrschen und kom- mandieren, wo die Soldaten des Vaterlandes ruhten und wo diejenigen sich inspirieren ließen, die künftig zur Verteidigung des Vaterlandes zu den Waffen gerufen würden.4 Damit war das Hôtel des Invalides als Bestimmungsort der sterblichen Überreste Napoleons festgelegt, was uneingeschränkte Zustimmung fand. Die Invalides waren immerhin ein Ort gewesen, der in der Selbstdarstellung Napoleons und des Kai- serreichs eine wesentliche Rolle gespielt hatte: 1800 hatte Bonaparte, damals Erster Consul, die Überführung der sterblichen Überreste des Marschalls Turenne, eines der berühmtesten Heerführer Frankreichs, in den Marstempel, wie der Invalidendom zu Zeiten der Revolution hieß, angeordnet. 1804 verteilte er hier die ersten Orden der von ihm geschaffenen Ehrenlegion. Napoleon veranlasste auch die Bestattung der Herzen des Festungsbaumeisters Vauban und des Napoleon besonders nahe stehenden Marschalls Lannes im Invalidendom Sein Ziel war es, aus den Invalides einen Ort der Versöhnung der Franzosen mit ihrer Vergangenheit zu machen und die Kontinuität der Armeen Ludwigs XIV., der Revolution und des napoleonischen Kaiserreichs zu demonstrieren. Damit verband die Julimonarchie die beiden bedeutendsten Herr- scher, die Frankreich im öffentlichen Bewusstsein der damaligen Franzosen je gehabt hatte, also Na- poleon und Ludwig XIV. Es war ja der „Sonnenkönig“ gewesen, der zur Unterbringung seiner Vete- 1 Siehe dazu den Blogbeitrag zum Arc de Triomphe (November 2016) 2 Jean Tulard, Le Retour des Cendres. In. Les Lieux de Mémoire. Sous la direction de pierre Nora. II. La Nation, Bd 2, S. 92/93. Der Blog-Beitrag stützt sich in hohem Maße auf diesen Beitrag des hervorragenden Napleon- Spezialisten Jean Tulard. 3 Siehe den Blog-Beitrag zum Arc de Triomphe, November 2016 4 Tulard, Le retour des cendres, S. 81 2 ranen und Invaliden den Anstoß zum Bau des Hôtel des invalides gegeben hatte, zu dem der Invali- dendom gehört. Ludwig XIV. wird gleich über dem Eingang in römischer Tracht hoch zu Roß abgebildet – und über ihm strahlt die Sonne. Damit ist die riesige Anlage gewissermaßen mit seinem Stempel versehen. 5 Und der Bürgerkönig Louis Philippe präsentierte sich mit der Wahl des Invalidendoms für die „cendres“ des Kaisers als legitimer Nachfolger der französischen Könige, allen voran Ludwigs XIV., der Französischen Revolution und Napoleons. Beauftragt mit der Rückfüh- rung Napoleons wird der General Gourgaud. Er war einer der Getreuen, die Na- poleon nach Sankt Helena begleitet hatten, also hin- länglich legitimiert. Gourgaud schrieb dann auch einen Bericht über seine Mission. Am 15. Oktober 1840 wird der Leichnam Napoleons exhumiert. Auch mehr als 19 Jahre nach dem soll er „dans un excellent état de conservation et parfaitement identifiable“ gewesen sein. 6 5 Im Moment (Oktober/November 2016) wird die nördliche Front des Hôtel des Invalides allerdings renoviert, da ist die Statue Ludwigs XIV hinter Gerüsten verborgen. „Invalidendom“ ist übrigens eine missverständliche Bezeichnung. Denn es handelt sich ja nicht um einen Dom im eigentlichen Sinne, also eine Bischofskirche, sondern um eine Kapelle der Kirche Saint-Louis des Invalides. Die deutsche Bezeichnung „Dom“ ist eine Übernahme des französischen Wortes „dôme“, also Kuppel, und in der Tat ist der „Invalidendom“ ja ein grandioser Kuppelbau. 6 http://www.napoleon.org/histoire-des-2-empires/articles/39624/ Tulard zitiert dazu ausführlich den Bericht von der Öffnung des Sargs. Retour des Cendres, S. 99/100 3 Auf der französischen Fregatte mit dem schönen Namen „Belle Poule“ wird der Leichnam nach Cherbourg gebracht und erreicht dann via Rouen und die Seine den Hafen von Courbevoie. Von dort aus geht es zum fahnengeschmückten Arc de Triomphe, wo der Zug mit Böllern empfangen wird.7 Dann fährt der von 16 Pferden gezogene, 13 Tonnen schwere und 10 Meter hohe Wagen mit golde- nen Rädern durch den Arc de Triomphe und über die mit Statuen geschmückte Champs Elysées zum Hôtel des Invalides. Dort wird der Sarg von der königlichen Familie, Vertretern der Kirche, Abgeord- neten, dem diplomatischen Korps mit allen politischen, geistlichen und auch musikalischen Ehren empfangen: Neben der obligatorischen Militärmusik wird auch das Requiem von Mozart dargeboten. Allerdings sind aufwändige Umbauarbeiten erforderlich, und erst 1861 ist das monumentale Grab- mal fertiggestellt und kann von Napoleon III., dem Neffen Napoleons I., eingeweiht werden. Etwa 1 Million Zuschauer sehen dem Leichenzug Napoleons zum Hôtel des Invalides zu. Napoleon ist zum Volkshelden geworden, „le despotisme est oublié au profit de la gloire“8. Selbst kritische Geister wie Heinrich Heine oder Victor Hugo feiern den großen Kaiser, auch wenn Hugo die Zeremonie selbst für eher abgeschmackt hält.9 Übrigens kehren nicht nur die sterblichen Überreste Napoleons aus Sankt Helena zurück, sondern auch die Steinplatten (dalles), die sein Grab in Sankt Helena bedeckten. Seit 1978 liegen sie in dem Garten seitlich der Kirche. 7 http://www.napoleonprisonnier.com/postmortem/invalides.html 8 Tulard, Le retour des cendres, S. 86 9 Tulard, Le retour des cendres, S. 85 und 103 Zu Hugo auch sehr ausführlich und fundiert: http://groupugo.div.jussieu.fr/groupugo/00-09-16laurent.htm. Dort u.a.: „Hugo (…) ignore ou minore volontairement tout ce qui dans l’aventure napoléonienne relève de la restauration monarchique.“ 4 Der Invalidendom ist ein grandioser lichtdurchfluteter Raum. Anders als in anderen Kirchen, etwa dem Pantheon, ist die Krypta nach oben geöffnet. Man steigt zwar zum Grabmal Napo- leon herab, hat aber immer über sich den strahlenden Kirchenraum und seine Kuppel. Der Umgang um das Grabmal ist mit Reliefs von Charles Simart versehen. Hier wird das segensreiche Wirken Napoleons im Innern Frankreichs dargestellt, wobei zum Teil auch seine eigenen Worte aus dem Mémorial de Saint Hèlène zitiert werden. Bei diesem Werk handelt es sich um eine Nieder- schrift von Gesprächen, Kommentaren und Monologen von und mit Napoleon auf Sankt Helena, 5 niedergeschrieben von einem der Begleiter Napoleons, Las Cases. Emmanuel-Augustin-Dieudonné- Joseph de Las Cases war zunächst Marineoffizier und unter Napoleon zum Reichsbaron. Nach Napo- leons zweiter Abdankung bat er darum, zusammen mit seinem Sohn seinen geliebten Kaiser nach Sankt Helena begleiten zu dürfen, wo er 18 Monate blieb. In dieser Zeit entstand das Mémorial de Saint-Hélène. Das Werk war zunächst dazu bestimmt, Mitleid mit dem von den Engländern auf einen Felsen ver- bannten und unwürdig behandelten Kaiser zu erzeugen. Dazu kam dann -im Sinne der napoleoni- schen Strategie seit seinem Italienfeldzug-