Bach-Marathon

MI 1. APR 2020 | KULTURPALAST PROGRAMM

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) Konzert für drei Klaviere und Streicher d-Moll BWV 1063 (ohne Bezeichnung) Alla Siciliana Allegro

Konzert für Klavier und Streicher f-Moll BWV 1056 (ohne Bezeichnung) Largo Presto

Konzert für zwei Klaviere und Streicher c-Moll BWV 1060 Allegro Adagio Allegro

PAUSE

Konzert für zwei Klaviere und Streicher c-Moll BWV 1062 (ohne Bezeichnung) Andante Allegro assai

Konzert für Klavier und Streicher g-Moll BWV 1058 (ohne Bezeichnung) Andante Allegro assai

Konzert für drei Klaviere und Streicher C-Dur BWV 1064 Allegro Adagio Allegro

Anna Vinnitskaya | Klavier ARTIST IN RESIDENCE | Klavier Ljupka Hadzigeorgieva | Klavier

Philharmonisches Kammerorchester Dresden WOLFGANG STÄHR

Für ein, zwei, drei Klaviere Ein Bach-Marathon

KAFFEEHAUSMUSIK Als »Deutschlands größter Kirchenkom- ponist«, als »Erzkantor«, »Spielmann Gottes« und »fünfter Evangelist« sollte Johann Sebastian Bach in die Geschichte der Musik eingehen. Nicht von ungefähr: Den Maßstab setzte das Amt des Leipziger Thomaskantors, das er am längsten, wenngleich nicht am liebsten innehatte. Seine musikalisch anspruchsvollste und gewiss auch dankbarste Aufgabe aber fand Bach als Hofapellmeister im anhaltischen Köthen, als er dort eine Elite der exzellentesten Virtuosen und »CammerMusici« um sich versammelte. An diese Goldenen Jahre konnte Bach erst wieder anknüpfen, nachdem er 1729 in Leipzig (neben seinem Dienst an den Hauptkirchen) die Leitung des Collegium musicum übernommen hatte, eines bunt gemischten Ensembles aus Studenten der Universität, Privatschülern des Thomas- kantors, gastierenden Solisten und Musizierende Studenten in Leipzig, 1727 Leipziger Ratsmusikern, mit denen Bach allwöchentlich auftrat und öfentliche Konzerte gab – in einem Kafeehaus:

2 Das Zimmermannsche Kaffeehaus, Veranstaltungsort des Collegium Musicum von 1723 bis 1741, Kupferstich von Johann Georg Schreiber aus dem Jahr 1732, daneben ein Foto desselben Gebäudes (ganz rechts) und ein Blick in die Katharinenstraße auf einem Foto aus dem Jahr 1905. Das Haus wurde 1943 bei einem Luftangriff auf Leipzig zerstört.

in Gottfried Zimmermanns elegantem Während der Handelsmessen gab es noch Lokal, das in der Leipziger Katharinen- eine zusätzliche zweite Soiree am Dienstag. straße lag. In den schmalen, langgezoge- Alles in allem waren es über 500 Konzerte, nen Sälen des ersten Stockwerks konnten die Bach im Laufe der Jahre, von 1729 mit die Musikfreunde an jedem Freitag in der zweijähriger Unterbrechung bis mindes- Zeit von 20 bis 22 Uhr gegen Entrichtung tens 1741 (als Zimmermann starb), an der eines Eintritts- oder Verzehrgeldes den Spitze des Collegium musicum dirigierte, berühmten Johann Sebastian Bach und mehr als 500 Programme von je zwei seine Studiosi bewundern. Im Sommer Stunden Dauer, die er abwechslungsreich wurden die Versammlungen auf den zusammenstellen musste. Nachmittag vor- und in den Zimmer- mannschen Kafeegarten hinausverlegt.

3 AUS ALT MACH NEU Sätze dieser Partitur entstammen ofen- Es liegt auf der Hand, dass er nicht bar nicht nur einem, sondern mehreren unablässig neue Werke schreiben und Werken, von denen freilich kein einziges urauführen konnte, ja dass er, wie bei erhalten blieb. Gute Gründe sprechen der Komposition mancher Kantatensätze dafür, hinter dem Eröfnungssatz den im sogenannten Parodieverfahren, Anfang eines Violinkonzerts in g-Moll auch in seiner Instrumentalmusik ältere zu vermuten. Das »Largo« hingegen, Partituren durch Umarbeitung und das Bach bereits 1729 als Sinfonia seiner Neubesetzung für das Repertoire der Kantate »Ich steh mit einem Fuß im Grabe« wöchentlichen Auftritte reaktivieren BWV 156 voranstellte, dürfte einem musste. Nahezu ausnahmslos alle Klavier- Konzert für Oboe, Streicher und Continuo konzerte, die Bach für das Leipziger entnommen sein. Denn in derselben Collegium musicum und zur Demonstra- Besetzung – und nicht mit einer Solo- tion seines eigenen Könnens als Tasten- violine! – wird auch der Kantatensatz virtuose einrichtete, gehen auf Konzerte musiziert, ein wortloser Gesang und ein für Melodieinstrumente zurück: für Oboe, bewegendes Zeugnis der nie veraltenden Violine oder Viola. Hinter dieser schlich- Bachschen Melodie, wie sie Johann ten Feststellung verbergen sich allerdings Nikolaus Forkel, der erste Biograph des immense Forschungsprobleme, die Komponisten, zu rühmen wusste: »Sie seit vielen Jahren schon die Gemüter bleibt ewig schön und ewig jung, wie die erhitzen und zu höchst ergiebigem Natur, aus welcher sie entsprungen ist.« Meinungsstreit einladen. Auch das »Presto« des f-Moll-Konzerts BWV 1056 könnte auf einer Komposition BWV 1056 mit solistischer Oboe beruhen, fehlen Namentlich bei dem Klavierkonzert in diesem Finale doch die charakteristischen, f-Moll BWV 1056 kreist die Diskussion instrumententypischen Spielfguren der um einen ganz und gar verwickelten Violine, die den ersten Satz kennzeichnen. »Fall« der Bach-Forschung, denn die drei Vielleicht aber war es auch völlig anders, und alle drei Konzertsätze gehörten ur- sprünglich einmal an die Spitze verschol- lener Weimarer oder Köthener Kantaten.

4 Erste Seite des Autographs des Klavierkonzertes BWV 1056

5 BWV 1058 DIE DOPPELKONZERTE BWV 1060 Im Winter 1739/40 brachte Bach sein UND BWV 1062 Konzert in g-Moll für Klavier (ursprüng- Ein Abend in Moll – das klingt wie eine lich Cembalo), Streicher und Basso »Studie in Grau«, nach Melancholie, continuo BWV 1058 mit dem Collegium Trübsinn und Weltschmerz. Das »weiche musicum zur Urauführung. Allerdings Tongeschlecht« legt einen Trauerschleier handelte es sich, bei Licht besehen, auch über das Gemüt. Aber wer weiß, vielleicht bei dieser Partitur um kein funkelnagel- kann man es auch anders sehen (und hö- neues Werk, sondern um eine Bearbeitung ren). Ob hart oder weich, Dur oder Moll: des Violinkonzerts in a-Moll BWV 1041 aus dass die Tongeschlechter und namentlich seligen Köthener Tagen. »Die erhaltenen die Tonarten bestimmte, sogar defnier- Konzerte für Violine und Orchester gehö- bare Afekte übertragen, von der Musik ren zu den Werken Bachs, bei denen man auf den Hörer, davon waren zumindest von vornherein auf jede Analyse verzich- die Vertreter der musikalischen Gelehr- ten muß«, bemerkte Albert Schweitzer samkeit überzeugt. Nehmen wir zum Bei- voller Ehrfurcht. »Das a moll-Konzert ist spiel c-Moll: Der Hamburger Komponist groß in seiner mehr herben Schönheit.« und Musiktheoretiker Johann Mattheson, Geradezu faszinierend wirke auf das ein Zeitgenosse Bachs, beschrieb c-Moll moderne Publikum der zentrale langsame 1713 als einen »überaus lieblichen dabey Satz, der Gesang der Violine über dem auch tristen Tohn«. Der Musiker und Li- Orakelspruch des Basso ostinato: »Unwill- terat Christian Friedrich Daniel Schubart, kürlich denken wir uns irgend etwas, das ein Zeitgenosse Mozarts, notierte 1784 mit der Idee des Schicksals zusammen- in seiner »Charakteristik der Töne« über hängt, hinzu.« Vermutlich hatte Bach c-Moll: »Liebeserklärung, und zugleich das a-Moll-Konzert um 1719/20 in Köthen Klage der unglücklichen Liebe. – Jedes komponiert, zwanzig Jahre vor dem Schmachten, Sehnen, Seufzen der liebe- Leipziger Kafeehauskonzert, der Neu- trunknen Seele, liegt in diesem Tone.« fassung mit Klavier. Dergleichen literarische Defnitionen lassen sich ebenso mühelos erhärten wie verwerfen. Im 18. Jahrhundert jedoch, im Zeitalter der Auflärung, der

6 der Thomaskantor alsbald mit seinem »Bachischen Collegium Musicum« in der Leipziger Catharinenstraße. Es bleibt eine befremdliche Vorstellung: Bachs »heilige Musik« im Kafeehaus? Doch wollen wir annehmen oder wenigstens hofen, dass die Gäste den Billardtisch räumten, die Tabakspfeife erkalten ließen und konzentriert lauschend vor leeren Gläsern saßen, als Johann Sebastian Bach in die Saiten grif. Allerdings scheint der Typus des andächtigen Bach-Hörers ohne- hin einer späteren Epoche anzugehören. Wie etwa der 1944 geborene niederlän- dische Schriftsteller Maarten ’t Hart, der

Johann Sebastian Bach in seinen späten Leipziger nie den Tag vergessen wird, als er zum Jahren. Portarit eines unebekannten Malers ersten Mal das Doppelkonzert BWV 1043 wahrscheinlich aus dem 19. Jahrhundert nach dem Portrait von Elias Gottlob Haussmann hörte, zu Besuch bei einem Studienkolle- gen, der eine Schallplatte aufegte. Und Wissenschaften, des Fortschritts und der dann begann der langsame Satz. »Wie Enzyklopädien, entsprach es durchaus fnde ich die Worte, um zu beschreiben, der vorherrschenden intellektuellen was damals in mir vorging? Dass es die Disziplin, die Afekte zu systematisieren bewegendste musikalische Erfahrung und die Tonarten zu katalogisieren. meines Lebens war, steht fest. Nichts Doch die Vorgeschichte beginnt in davor und nichts danach hat jemals einen d-Moll. Als Hofapellmeister in Köthen so tiefen Eindruck auf mich gemacht. komponierte Bach eine Triosonate für Während die beiden Violinen geduldig, zwei Violinen und Basso continuo, die fast behutsam, in dem öden Weltall, in er um 1730, mittlerweile in Leipzig, zu dem wir leben, nach genau jenen Tönen einem Doppelkonzert umfunktionierte, suchten, die alle Schrecknisse beschwö- dem berühmten d-Moll-Konzert BWV ren, hielt mein Kollege plötzlich im 1043. Und dieses Concerto musizierte

7 Reden inne. Er sah mich an, legte einen vermutet werden, dass er es zusammen Finger auf die Lippen.« Noch Jahrzehnte mit seinen Söhnen Carl Philipp Emanuel später fragte sich Maarten ’t Hart: »Was und Wilhelm Friedemann oder mit hat Bach empfunden, dass er eine solche seinen begabtesten Schülern im Kafee- Musik zu komponieren vermochte? Da er haus an der Katharinenstraße musizierte. sie später für zwei Cembali bearbeitete, Freilich war auch dieses buchstäblich darf man schließen, dass die Musik ihm aufsehenerregende Werk nicht wirklich keineswegs so heilig war wie heute uns, neu: Bach hatte die Solopartien eines seinen Verehrern.« Konzerts für Oboe und Violine nahezu Ja, tatsächlich: um in den wöchentlichen unverändert in die Stimmen der beiden Programmen etwas (scheinbar) Neues Cembalisten eingetragen, eines Doppel- bieten zu können, arrangierte Bach das konzerts, das er wahrscheinlich um 1720 Doppelkonzert 1736 für zwei »Clavicem- in Köthen komponiert hatte. Aber bei all bali obligati« (BWV 1062), transponierte diesen Arrangements und Umarbeitun- das Werk, ein wahres »work in progress«, gen bildete sich eine Gattung heraus, die von d- nach c-Moll, übertrug die solis- ihre Glanzzeit noch vor sich hatte und tischen Violinpartien auf die rechten mit der Generation der Bach-Söhne und Hände der Cembalisten, beschäftigte -Schüler einen ungeahnten musikhisto- deren linke mit allerlei fgurierten oder rischen Aufschwung nehmen sollte: das kontrapunktischen Gegenstimmen und Klavierkonzert. beschleunigte im zentralen langsamen Satz das Zeitmaß von Largo zu Andante, DIE TRIPELKONZERTE BWV 1063 um auch die angerissenen, rasch ver- UND BWV 1064 klingenden Töne der Cembali zu gesang- Vielleicht für alle Zeiten unaufndbar lichen Melodien verbinden zu können. sind die mutmaßlichen Originalversionen Das Konzert BWV 1060 für zwei Klaviere der Konzerte für drei Cembali concertati, (Cembali), Streicher und Continuo, eben- Streicher und Basso continuo in d-Moll falls im »lieblich-tristen« c-Moll, schuf BWV 1063 und in C-Dur BWV 1064. Das Bach Anfang der 1730er Jahre, und es darf letztgenannte Werk gewann Bach aus der tiefgreifenden Neufassung eines Kammer- konzerts in D-Dur für drei Violinen, obligates Violoncello und Continuo (ohne

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Ripieno!) aus seiner Köthener Amts- zeit. Ein älteres, wahrscheinlich 1714 in Weimar entstandenes d-Moll-Konzert für drei Violinen (mit Ripieno) verwandelte er in das tonartengleiche Opus für drei Cembali, tauschte später aber den Mittel- satz gegen ein neukomponiertes »Alla Si- ciliana« aus, das mit seiner quadratischen Periodik, der manierierten Seufzermelo- dik, den »Klopfässen« und der Schlicht- heit seiner Form der Forschung manches Kopfzerbrechen bereitet und sogar Echt- heitsfragen aufwirft, sofern nicht, wie unlängst geschehen, eine parodistische Absicht unterstellt wird. Jedenfalls dürfte dieser Satz erst um 1740 eingefügt worden sein, während die Bearbeitung der Eck- 3 sätze sowie des gesamten C-Dur-Konzerts etwas früher in den 1730er Jahren voll- TASTENINSTRUMENTE DER BACH-ZEIT: 1 Clavichord (»Lépante«, Musée de la Musique, Paris) endet wurde. 2 Französisches Cembalo von Donzelague, Lyon 1716 3 Originaler Hammerflügel von Gottfried Silbermann (Freiberg, 1746) im Konzertzimmer des Schlosses Sans-Souci in Potsdam

9 KLAVIERKONZERTE? Johann Pachelbel in Erfurt studiert Konzerte von Bach für ein, zwei oder drei hatte), erlernte das gesamte Spektrum Klaviere: Von welchem Instrument ist der »Claviere«. Das Spiel auf einer Orgel überhaupt die Rede? Der Name Klavier in der – je nach Jahreszeit kalten und – oder in der zeitgenössischen Orthogra- schlecht beheizten – Kirche, das überdies phie »Clavier« (vom mittellateinischen die Hilfsdienste eines Bälgetreters erfor- »clavis«, Taste) – bezeichnete, als Johann derte, war der Ausnahmefall. In der Regel Sebastian Bach lebte und wirkte, rund- wurde im Haus des Lehrmeisters auf weg alle besaiteten Tasteninstrumente, einem Clavichord geübt, später auf einem sei es ein Cembalo, Clavichord, Spinett, Saitenklavier mit angehängtem Pedal. Virginal, Lautenklavier oder später das Zweimanualige Clavichorde mit Pedal Hammerklavier, ja selbst die Orgel konnte gehörten in Bachs Tagen zur Grundaus- mit diesem Sammelbegrif gemeint stattung eines Organistenhaushalts. Aber sein – man denke etwa an den dritten ein Organist musste damals ohnehin Teil der Bachschen »Clavier Übung«, der auch die anderen Tasteninstrumente fast exklusiv aus Orgelmusik besteht. beherrschen: Als städtischer Bediensteter Der Grund für diese vereinheitlichende musste er bei festlichen Zeremonien des Terminologie lag in der Ausbildungs- und Rates mitwirken und am Cembalo ge- Berufspraxis, die noch keine Trennung meinsam mit den Stadtpfeifern musizie- von Organisten und »Pianisten« kannte. ren; auch private Auftraggeber konnten Wer bei einem Organisten in die Lehre ihn, beispielsweise für Hochzeiten, als ging wie Bach bei seinem ältesten Bruder Cembalisten verpfichten. Und dass Johann Christoph (der seinerseits bei ein Hoforganist auch in der fürstlichen Kapelle und der höfschen Kammermusik als Continuospieler am »Flügel« benötigt wurde, wissen wir von Johann Sebastian Bach in Weimar oder von Johann Bern- hard Bach in Eisenach.

10 Aber wie hielt es denn Bach mit den Agricola. »Hr. Silbermann hatte auch den »neuern Forte «? 1731 stellte ihm der löblichen Ehrgeiz gehabt, eines dieser sächsische Orgelbauer Gottfried Silber- Instrumente, seiner neuern Arbeit, dem mann seinen Prototyp eines Fortepianos seel. Hrn. Kapellmeister Bach zu zeigen vor, eines Klaviers mit der zukunftswei- und von ihm untersuchen zu lassen; und senden Hammermechanik: Mit dem Tas- dagegen von ihm völlige Gutheißung er- tendruck wird ein Hämmerchen gegen langet.« Dieses zweite Zusammentrefen die Saite geschleudert. Der Bach-Schüler Silbermanns und Bachs mag 1746 nach Johann Friedrich Agricola wusste von ihrer gemeinsamen Orgelprüfung in den wechselvollen Begegnungen seines der Naumburger Wenzelskirche statt- Lehrers mit Silbermann zu erzählen: gefunden haben. Im Mai 1747 jedenfalls »Herr Gottfr. Silbermann hatte dieser improvisierte Bach als Gast Friedrichs des Instrumente im Anfange zwey verfertiget. Großen in Potsdam auf einem der Silber- Eins davon hatte der sel. Kapelmeister mannschen Hammerfügel, und vielleicht Hr. Joh. Sebastian Bach gesehen und hatte er auch ein solches Instrument im bespielet. Er hatte den Klang desselben Sinn, als er das Ricercar a 3 des »Musicali- gerühmet, ja bewundert: Aber dabey geta- schen Opfers« BWV 1079 schuf. Dass Bach delt, daß es in der Höhe zu schwach lau- selbst sogar ein Hammerklavier besessen tete, und gar zu schwer[gängig] zu spielen haben muss, bezeugt die Quittung über sey. Dieses hatte Hr. Silbermann, der gar den Verkauf eines Flügels, »Piano et Forte keinen Tadel an seinen Ausarbeitungen genant«, den er im Mai 1749 an einen leiden konnte, höchst übel aufgenom- Grafen in Polen veräußerte. Die Zeit seiner men.« Um sich die Bachschen Bedenken Klavierkonzerte war damals schon längst gleichwohl zu Herzen zu nehmen und vorüber: Bei dieser Werkreihe rechnete unablässig an der Verbesserung seines Bach noch ausnahmslos mit dem Cembalo, Hammerklaviers zu arbeiten. »Kurz das erst später, nach seinem Tod, von den darauf liessen des Königs von Preussen moderneren »Clavieren« beerbt werden Majestät eines dieser Instrumente, und sollte. als dies Dero allerhöchsten Beyfall fand, noch verschiedene mehr, vom Hrn. Silber- mann verschreiben«, weiß wiederum

11 JOHANN SEBASTIAN BACH 31. März 1685 in Eisenach † 28. Juli 1750 in Leipzig

Klavierkonzerte BWV 1056, 1058, 1060, 1062, 1063, 1064

ENTSTEHUNG zwischen 1729 und 1740, oftmals auf der Grundlage älterer Werke. URAUFFÜHRUNGEN zwischen 1729 und 1740, die genauen Daten sind nicht überliefert ZULETZT VON DER DRESDNER PHILHARMONIE GESPIELT BWV 1056: 2. Dezember 1990 mit Bettina Otto als Solistin unter Leitung von Jörg Peter Weigle BWV 1063: 15. April 1929 mit Astrid Richter, Lotte Schurig und Alice Schwarzkopf als Solistinnen unter Leitung von Willy Kehrer BWV 1064: 21. März 1935 mit Elfriede Clemen, Rut von Haldenwang-Rokohl und Janka Weinkauf als Solistinnen unter Leitung von Paul van Kempen Für die anderen Konzerte sind in den uns derzeit zugänglichen Datenbaken keine Auführungen nachgewiesen. BESETZUNGEN ein bis drei Solo-Cembali, Streicher DAUERN BWV 1056: ca. 10 Minuten BWV 1058: ca. 14 Minuten BWV 1060: ca. 15 Minuten BWV 1062: ca. 15 Minuten BWV 1063: ca. 14 Minuten BWV 1064: ca. 16 Minuten

12 13 KLAVIER

ANNA VINNITSKAYA

Anna Vinnitskaya wird von Publi- auch große Gemälde malen zu kum und Kritik gleichermaßen können. Vinnitskayas Repertoire bescheinigt, nicht nur spektakuläre reicht von Bach bis Gubaidulina. musikalische Feuerwerke zünden, Ihre besondere Liebe gilt den gro- sondern mit ihrem farbenreichen ßen russischen Komponisten wie Klang und der Fähigkeit zur Gestal- Rachmaninow, Prokofew, Schos- tung langer, durchdachter Bögen takowitsch und dem Klavierwerk von Ravel, Debussy und Chopin.

13 In jüngerer Zeit erregte sie mit Interpretationen von Brahms und Bartók Aufsehen. Als Artist in Resi- dence der Dresdner Philharmonie Gebürtig aus dem russischen in der Saison 2019/2020 präsentiert Novorossijsk, lebt Vinnitskaya, Anna Vinnitskaya alle Facetten nach Studien bei Sergei Ossipienko ihres Klavierspiels. in Rostow, seit 2002 in , Der 1. Preis beim Concours Reine zunächst als Meisterschülerin bei Elisabeth in Brüssel 2007 war für Evgeni Koroliov, heute als Profes- Anna Vinnitskaya der Auftakt zu sorin an der Hochschule für Musik ihrer internationalen Karriere. Zu und Theater. den Dirigenten, mit denen sie bis- her zusammengearbeitet hat, gehö- ren sowohl Pultstars der jüngeren Generation wie Andris Nelsons, Kirill Petrenko, Krzysztof Urbański als auch Altmeister wie Marek Janowski und Vladimir Fedoseyev. CD-Einspielungen von Anna Vin- nitskaya wurden mit zahlreichen Preisen wie dem Diapason d’Or, der Gramophone Editor’s Choice und dem ECHO Klassik ausgezeichnet.

14 KLAVIER

EVGENI KOROLIOV

eine Sonderstellung ein. Der Komponist György Ligeti schwärmte: »Wenn ich nur ein Werk auf eine einsame Insel mitnehmen darf, wähle ich Koroliovs Bach, denn diese Platte würde ich, einsam ver- hungernd und verdurstend, bis zum letzten Atemzug immer wieder hören«. Seit 1978 lebt Evgeni Koro- liov in Hamburg, wo er bis Evgeni Koroliov, 1949 in Moskau ge- 2015 Professor an der Hochschule boren, ist zweifellos eine herausra- für Musik und Theater war. Er gende Erscheinung der internatio- selbst war Student des legendären nalen Klavierszene. Über sein Spiel Tschaikowski-Konservatoriums in schreibt die Süddeutsche Zeitung: Moskau. Zu seinen Lehrern zählten »Koroliov behandelt jedes Ding Heinrich Neuhaus, Maria Judina, nach seinem Wesen, er interessiert Lew Oborin und Lew Naumow. Er sich in einem emphatischen Sinn war Preisträger der Bach-Wettbe- für das Sein statt für den Schein.« werbe in Leipzig und Toronto und Im Repertoire von Koroliov, das gewann 1977 den »Grand Prix« vom Barock über die Impressionis- des Clara-Haskil- Wettbewerbs. ten bis hin zu Messiaen und Ligeti Mit Recitals ist Koroliov in vielen reicht, nehmen die Werke Bachs der wichtigsten Konzerthäuser Europas aufgetreten: Concertge-

15 bouw Amsterdam, Teatro Olimpico Rom, Gulbenkian Stiftung Lissabon, Palau de la Música Barcelona, ins Palais des Beaux Arts Brüssel, Konzerthaus Wien, das Théâtre des Konzerthaus Berlin, Liederhalle Champs-Elysées Paris, das Fest- Stuttgart, Konzerthaus Dortmund, spielhaus Baden-Baden und die Laeiszhalle Hamburg und Münchner Philharmonie Essen. Alljährlich ist Herkulessaal. Er war zu Gast bei der mit einem Recital in der renommierten Festivals wie Salz- Liszt Akademie Budapest zu Gast. burger Festspiele, Carinthischer Im Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 Sommer, Chopin Festival Warschau, wird Evgeni Koroliov alle Klavier- Settembre Musica in Turin, La sonaten des Komponisten im Beet- Roque d’Anthéron, Rheingau hovenhaus Bonn auführen. Musikfestival, Ludwigsburger Zu seinen Kammermusik-Partnern Schlossfestspiele, Schleswig- gehören Natalia Gutman, Mischa Holstein Musik Festival, Bach- Maisky, das Keller Quartett und das woche Ansbach und Schwetzinger Pražák Quartett. Regelmäßig spielt Festspiele. Koroliov im Klavierduo mit Ljupka Mozarts Klavierkonzerte standen Hadzigeorgieva. 2012 auf dem Programm mit dem CD Einspielungen von Evgeni Orchester des Mariinsky-Theaters Koroliov sind bei TACET, Hänssler in St. Petersburg unter der Leitung Classic, Profl Edition und dem von Valery Gergiev. Mehrfach Label des Hessischen Rundfunks konzertierte Koroliov mit der hr.klassik erschienen. Die »Gold- Kremerata Baltica, war auch Solist berg-Variationen« wurden von Eu- von Concerto Budapest und des roArts auf DVD veröfentlicht, ein Beethovenorchesters Bonn. Mitschnitt vom Bachfest Leipzig 2008/09 war er »Artist in Residen- 2008. Seine CDs wurden mehrfach ce« der Duisburger Philharmoniker. ausgezeichnet – zuletzt mit dem Im Herbst 2014 war Koroliov mit Solisten-Preis bei den International Bachs »Kunst der Fuge« im Klavier- Awards (ICMA) zyklus der Berliner Philharmoniker 2015 für seine jüngste Schubert CD. zu erleben. Engagements führten ihn zuletzt unter anderem in den

16 KLAVIER

LJUPKA HADZIGEORGIEVA

Ljupka Hadzigeorgieva wurde in Bogdanci, Mazedonien geboren. Ihr Klavierstudium absolvierte sie an den Hochschulen in Skopje und Zagreb sowie als Stipendiatin ihres Heimatlandes am Moskauer Tschaikowski Konservatorium. Bereits während des Studiums gewann sie mehrere Preise bei internationalen Wettbewerben und begann eine umfangreiche Konzerttätigkeit mit namhaften Orchestern und als Kammermusi- kerin, vor allem im ehemaligen Jugoslawien und in der Sowjet- union, in Tschechien, der Slowakei, Bulgarien, Italien und Deutschland.

17 Ljupka Hadzigeorgieva und Evgeni Koroliov spielen als Klavierduo seit der Zeit ihres Studiums in Moskau in den 70er Jahren. Das Gemeinsam mit der Pianistin Duo war Preisträger mehrerer Anna Vinnitskaya, die bei Evgeni internationaler Wettbewerbe. Kon- Koroliov studiert hatte, standen zertreisen führten die Künstler häufg Bachs Konzerte für ein, u.a. nach Rom, Lyon, Luxemburg, zwei und drei Klaviere auf dem Antwerpen, Ferrara, Seoul, Mün- Programm: auf einer Deutsch- chen und in das Beethovenhaus land-Tournee mit Helmuth Rilling Bonn. Sie gastierten bei Festivals und dem Bach-Collegium Stutt- wie z.B. Ohrider Sommer, Musik- gart, mit der Sinfonia Varsovia fest Stuttgart, MDR Musiksommer, beim Festival La Roque d’Anthéron, Rheingau Musik Festival, Sommer- dem Orchester des Mariinski liche Musiktage Hitzacker und Soli Theaters in St. Petersburg, der Deo Gloria in Braunschweig. Kremerata Baltika in Brüssel, Für CD hat das Klavierduo Werke Pomeriggi Musicali in Mailand von Bach, Schubert, Strawinski und dem Thüringer Bach-Collegi- und Ravel, zuletzt auch Beethovens um bei den Thüringer Bachwochen. Große Fuge op. 134 eingespielt, Mit der Kammerakademie Potsdam von der Fachkritik sehr positiv wurden die Werke für CD einge- besprochen. spielt (Alpha Classics) und folgte ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie.

18 KÜNSTLERISCHER LEITER UND KONZERTMEISTER

WOLFGANG HENTRICH

Wolfgang Hentrich ist seit 1996 Von 1987 bis 1996 war er Erster Erster Konzertmeister der Dresdner Konzertmeister der Robert- Philharmonie. Er studierte an der Schumann-Philharmonie Chemnitz. Dresdner Musikhochschule Violine Ab 2009 spielte Wolfgang Hentrich bei Gudrun Schröter und in der als Konzertmeister regelmäßig mit Meisterklasse von Gustav Schmahl. dem Rundfunk-Sinfonieorchester Eine zusätzliche Ausbildung erhielt Berlin unter Leitung von Marek er in den Fächern Streichquartett Janowski. bei Rudolf Ulbrich und Dirigieren bei Volker Rohde.

19 An CD-Produktionen sind u.a. zu nennen: Violinkonzerte von Kurt Er leitet das Philharmonische Kam- Schwaen und Ruth Zechlin, merorchester Dresden und widmet Orchesterwerke von Johann sich intensiv der Kammermusik. Strauß, Vivaldis »Vier Jahreszeiten«, Von 2012 bis 2018 gestaltete er mit »Arabesque« mit der Harfnistin dem Philharmonischen Kammer- Nora Koch, Werke von Paganini orchester Dresden die von ihm für Violine und Gitarre mit Markus konzipierte Konzertreihe »Dresdner Gottschall sowie Mozarts Sonaten Abende« im Deutschen Hygiene- für Klavier und Violine mit Camillo Museum Dresden, die in das Kon- Radicke sowie »Romantischer zertangebot der Dresdner Philhar- Streicherklang« mit dem Philhar- monie eingebettet war. monischen Kammerorchester Seit 2013 ist Wolfgang Hentrich Dresden. Chefdirigent der Deutschen Nach dem Vorbild des legendären Streicherphilharmonie und produ- Wiener Konzertmeisters Willi zierte mit diesem jüngsten deut- Boskovsky dirigierte er seit 1999 schen Spitzenorchester zwei CDs. zahlreiche Neujahrskonzerte der Das vielfältige Repertoire des Dresdner Philharmonie und der Künstlers reicht von der Barockmu- Robert-Schumann-Philharmonie sik über die zyklische Auführung Chemnitz. von Violinsonaten u.a. von Mozart, Wolfgang Hentrich ist Honorar- Beethoven, Schumann, Brahms, professor für Violine an der Dresdner Grieg bis zu gemeinsamen Auf- Musikhochschule und widmet sich tritten mit dem Rockmusiker Dirk mit besonderer Liebe speziellen Zöllner. Programmen für Kinder. Als Solist spielte er mehrfach mit Im Jahr 2002 gründete er mit musik- der Dresdner Philharmonie und begeisterten Laien das Förder- führte u.a. Violinkonzerte von vereins-Orchester der Dresdner Prokofew, Hindemith, Hartmann Philharmonie, das seitdem das (Concerto funebre), Bernstein Musikleben der Stadt bereichert. (Serenade), Bruch (Schottische Fantasie), Pēteris Vasks und Tors- ten Raschs Violinkonzert auf.

20 ORCHESTER PHILHARMONISCHES KAMMERORCHESTER DRESDEN

und ofen sein für das Neue« seinem Publikum. Musizierfreude, Das Philharmonische Kammer- ein besonderer Klangsinn und orchester Dresden gehört zu den eine ideenreiche Programmgestal- traditionsreichsten Kammer- tung begeisterten die Besucher ensembles Dresdens. Gegründet der »Dresdner Abende«. Zu einer im Jahr 1969 durch Dresdner Phil- schönen Tradition sind auch die harmoniker, kann es 2019 auf gemeinsamen Konzerte mit dem 50 erfolgreiche Jahre seines Be- Dresdner Kreuzchor geworden. stehens zurückblicken. In dieser Außerordentlich erfolgreiche Auf- Zeit hat es sich einen festen Platz tritte gab es darüber hinaus u.a. im Musikleben der Stadt und mit Marek Janowski, Rudolf Buch- darüber hinaus erarbeitet. binder, Ludwig Güttler, Hakan Anfangs wurde das künstlerische Hårdenberger, Andreas Scholl, Profl durch die Dresdner Collum- Peter Bruns, Vadim Gluzman, Konzerte, die Zwinger-Serenaden Ivan Ženatý, Kolja Lessing, Pēteris und später auch durch die Wieder- Vasks, Bejun Mehta und Christian aufaukonzerte für die Dresdner Tetzlaf, mit den Bach-Chören Frauenkirche geprägt. London und Bern, mit Vocal Im Jahr 2002 übernahm Konzert- Konzert Dresden und dem chorus meister Wolfgang Hentrich die 116. Einladungen nach Japan, Leitung des Philharmonischen Kammerorchesters. Seitdem präsentiert es sich unter dem Motto »Die Tradition wertschätzen

21 Spanien und in die Schweiz sowie zu großen Festivals beweisen das hervorragende Renommee des Klangkörpers. Darüber hinaus widmet sich das Philharmonische Kammerorchester Dresden mit besonderem persön- lichem Engagement Programmen für Kinder und Jugendliche und ist regelmäßig in Dresdner Schulen zu Gast.

22 IMPRESSUM

HERAUSGEBER TEXT BILDNACHWEISE Intendanz Wolfgang Stähr Wikimedia Commons: S. 2, 3, 9 der Dresdner Philharmonie bach-digital.de: S. 5 Die Texte sind Originalbeiträge Schloßstraße 2 kulturstiftung.de: S. 7 für dieses Heft; Abdruck nur mit 01067 Dresden Marco Borggreve: S. 13 ausdrücklicher Genehmigung des T +49 351 4866-282 Gela Megrelidze: S. 15 Autoren. Barbara Frommann: S. 17 dresdnerphilharmonie.de Markenfotografe: S. 19, 22 Wolfgang Stähr, geboren 1964 in Berlin, schreibt über Musik und Literatur für Tageszeitungen (u.a. Neue Zürcher CHEFDIRIGENT UND Zeitung), Rundfunkanstalten, die Fest- MUSIKBIBLIOTHEK KÜNSTLERISCHER LEITER spiele in Salzburg, Luzern und Dresden, Die Musikabteilung der Marek Janowski Orchester wie die Berliner und die Zentralbibliothek (2. OG) hält Münchner Philharmoniker, Schall- zu den aktuellen Programmen plattengesellschaften, Konzert- und der Philharmonie für Sie in Opernhäuser; er verfasste mehrere INTENDANTIN einem speziellen Regal Buchbeiträge zur Bach- und Beetho- Partituren, Bücher und CDs Frauke Roth (V.i.S.d.P.) ven-Rezeption, über Haydn, Schubert, bereit. Bruckner und Mahler.

REDAKTION Preis: 2,50 €

Jens Schubbe Änderungen vorbehalten.

Wir weisen ausdrücklich

darauf hin, dass Bild- und

Tonaufnahmen jeglicher Art während des Konzertes durch Besucher grundsätzlich untersagt sind.

Die Dresdner Philharmonie als Kultureinrichtung der Landeshauptstadt Dresden (Kulturraum) wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. TICKETSERVICE

Schloßstraße 2 | 01067 Dresden T +49 351 4866-866 MO – FR 10 – 19 Uhr SA 9 – 14 Uhr [email protected]

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