Zwanzig Jahre Jüdische Feministische Theologie
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Zwanzig Jahre jüdische feministische Theologie Autor(en): Wallach-Faller, Marianne Objekttyp: Article Zeitschrift: Neue Wege : Beiträge zu Religion und Sozialismus Band (Jahr): 90 (1996) Heft 1 PDF erstellt am: 01.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-143945 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Und wenn uns der kalte Wind wird, wie immer, schwer. der Selbstverantwortung zu heftig um die Ohren weht, dann gibt's für uns ja bald die Silvia Strahm Bernet Marianne Wallach-Faller Zwanzig Jahre jüdische feministische Theologie Seit gut zwanzig Jahren gibt es eine jüdische feministische Theologie. Ihre Wurzeln reichen in die 60er Jahre zurück, als in den USA im Rahmen der zweiten Frauenbewegung einzelne jüdisch-feministische Frauengruppen entstanden. 1972 wurde mit Sally Priesand erstmals wieder eine (Reform-jRabbinerin ordiniert - nachdem bereits 1935 in Deutschland Regina Jonas ordiniert worden war, die bis zu ihrer Ermordung in Auschwitz 1944 als Rabbinerin wirkte - die letzten beiden Jahre in Theresienstadt.1 Im Anschluss an die erste National Conference of Jewish Women widmete die Zeitschrift Response 7975 eine von Elizabeth Koltun herausgegebene Nummer dem jüdischen Feminismus. Diese Nummer von Response bewirkte, dass zahlreiche Frauen und Frauengruppen in den USA, Europa undIsrael die Frage nach der Rolle der Frau in derjüdischen Gesellschaft mit Nachdruck stellten. Aus einer 1974 stattfindenden zweiten Konferenz entstand in den USA die nationale Jewish Feminist Organization. M.W.-F. 1976: Elizabeth Koltun, The Jewish Feministische und jüdische Gemeinschaft Woman Spiritual Quest nennt sich das erste Thema Das Heft der Zeitschrift Response wurde in Elizabeth Koltuns Buch. Unter dem von Elizabeth Koltun zum Buch: The Titel: The Jewish Feminist: Conflict in Jewish Woman. New Perspectives, erweitert, Identities, äussert sich Judith Plaskow zum das 1976 erschien. Da die jüdische feministische inneren Konflikt, der sich für sie aus ihrem Theologie wichtige Anstösse auch Leben in verschiedenen Gemeinschaften von der christlichen feministischen Theologie ergibt: der feministischen und der erhielt, finden sich im Band von jüdischen, deren Tradition weitgehend von Elizabeth Koltun auch zwei Beiträge der Männern geprägt wurde. Dennoch gibt es befreundeten christlichen feministischen für sie in der jüdischen Geschichte Theologinnen Carol Christ und Phyllis Tri- Momente, wo sich beide Gemeinschaften ble. Das Themenspektrum der Aufsätze in decken - Geschichte, die es wiederzugewinnen Koltuns Sammelband deckt sichjedoch nur gilt. Als Beispiel, wie jüdische teilweise mit jenem der christlichen Frauengestalten mit neuen Augen gesehen feministischen Theologie. und neu angeeignet werden können, lässt Judith Plaskow ihren feministischen se bei ihrer Einführung im 1. Jahrhundert Midrasch von Eva und Lilith folgen. unserer Zeitrechnung einen grossen Fortschritt für die Frau bedeutete, da sie ihren Status sicherte und ihr materielle Sicherheit Lebenszyklus und neue Rituale gewährte. Heute stört am traditionellen Ein zweiter Themenkreis ist überschrieben Ehevertrag vor allem, dass er für Frau und mit: The Life Cycle and New Rituals. Mann nicht denselben persönlichen und Frauen wurden im Judentum an den Rand rechtlichen Status voraussetzt. Eine neue des öffentlichen Gottesdienstes gedrängt, Ketuba sollte die sinnerfüllte jüdische und nur wenige Rituale wurden ihnen Hochzeitszeremonie zwar weitgehend zugewiesen. So fehlten in der jüdischen beibehalten, aber der Frau dieselbe aktive Tradition, in der praktisch alle Lebenssituationen Rolle wie dem Mann zuweisen. von Segenssprüchen begleitet werden, Um Reinheit und Unreinheit geht es Segenssprüche zur Geburt einer Tochter. Rachel Adler in: Tumah and Taharah: Daniel und Myra Leifer beschreiben unter Ends and Beginnings. Der Text ist die dem Titel: On the Birth of a Daughter, wie verkürzte Wiedergabe eines Beitrags im 1973 sie die Geburt ihrer Tochter und deren von Richard Siegel, Michael und Sharon Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft analog Strassfeld herausgegebenen ersten Jewish zu den Ritualen für einen Sohn feierten, Catalog. Rachel Adler geht der ursprünglichen und zitieren dabei die (durchwegs traditionellen) Bedeutung von «unrein» und «rein» Texte und Segenssprüche, die sie im Judentum nach. Unrein werden dazu ausgewählt haben. Menschen bei der Berührung mit toten Nach jüdischer Tradition erreicht ein Menschen und Tieren, bei Aussatz, Männer bei Mädchen mit zwölf und ein Knabe mit Samenerguss, Frauen bei der Menstruation dreizehn Jahren die religiöse Mündigkeit. und bei der Geburt eines Kindes - Situationen, Seit dem Mittelalter begehen die Knaben in denen Tod und Leben miteinander dieses Ereignis mit einer religiösen Feier, verknüpft sind. Reinheit wird durch das der Bar-Mizwa-Feier. (Bar Mizwa heisst lebendige Wasser im Tauchbad, der Mik- «Sohn des Gesetzes», weil der Knabe von we, erreicht, wo wir wiedergeboren werden. nun an verpflichtet ist, die Gebote des Von diesen Situationen der Unreinheit, Judentums auf sich zu nehmen.) Dabei lesen die in erster Linie rituelle Unreinheit Knaben erstmals im Rahmen eines bedeutete und den Besuch des Tempels ver- Gottesdienstes einen Abschnitt aus der Tora, dem unmöglichte, ist nur die Unreinheit der Pentateuch, vor und legen ihn aus. Die Frau durch die Menstruation übriggeblieben, religiöse Volljährigkeit von Mädchen, ihre weil die Hebräische Bibel der Frau Bat Mizwa, wurde lange nicht, in während dieser Zeit sexuelle Beziehungen Reformgemeinden nur in reduziertem Mass, zu ihrem Mann untersagt. Und diese gefeiert. Die jüdische Pädagogin Chérie Unreinheit ist, wie die Herausgeberin der Koller-Fox berichtet in: Women andJewish Autorin entgegenhält, von Männern geradezu Education: A New Look at Bat Mitzvah, dämonisiert worden. Rachel Adler in ihrer wie Mädchen ihrer Klasse begannen, neue Antwort besteht darauf, diese Unreinheit Wege zu suchen, um ihre Bat Mizwa zu wieder ins Positive zu wenden und auch feiern - und über das entmutigende Verhalten Männer zum Besuch des Tauchbads zu von Rabbiner und Gemeinde, als einige ermuntern. der Mädchen ihre Wünsche in die Tat Arlene Agus schreibt in: This Month Is umsetzten. for You: Observing Rosh Hodesh as a Um den jüdischen Ehevertrag, die Woman's Holiday, über die Wiederentdeckung Ketuba, geht es Rabbiner Daniel I. Leifer und Erneuerung des Neumondfestes in: On Writing New Ketubot. Er hatte die Rosch Chodesch, eines alten jüdischen Enttäuschung junger jüdischer Paare über Frauenfeiertags, durch jüdische Feministinnen. die traditionelle Ketuba erlebt, obwohl die¬ Sie beschreibt die Geschichte des Feiertags und gibt ein Beispiel einer neuen, erhalten. Dadurch dass Frauen nicht zur von Frauen entwickelten Rosch-Cho- Befolgung bestimmter Gebote, insbesondere desch-Liturgie. im öffentlichen Gottesdienst und in Aviva Cantor Zuckoff stellt eine Jewish der Rechtsprechung, verpflichtet wurden, Women's Haggadah vor. Die Haggada wird verloren sie mit der Zeit auch das Recht, am Sederabend, am Vorabend des Pessach- diese Funktionen auszuüben. festes, gelesen und hat die Befreiung Israels Das jüdische Recht versucht, die damit aus der ägyptischen Knechtschaft zum verbundenen Nachteile für die Frau Inhalt. Im traditionellen Text fehlen die Frauen möglichst zu kompensieren, vor allem im Zivilrecht. fast vollständig, obwohl Frauen beim Aber auch hier sind bis heute gravierende Auszug aus Ägypten eine bedeutende Rolle Probleme ungelöst, vor allem das spielten. Dies und die Schwierigkeit, die Problem der Aguna, der Frau, die entweder Befreiung des jüdischenVolkes mit ganzem von ihrem Mann ohne Scheidebrief verlassen Herzen mitzufeiern, während die eigene wurde oder deren Mann verschollen Unterdrückung weitergeht, begann eine oder gestorben ist, ohne dass Zeugen dafür Gruppe jungerjüdischer New Yorker Frauen, vorhanden sind. Saul Berman zieht aus der unter ihnen Aviva Cantor, zu stören. Sie Tatsache, dass die Tora der jüdischen Frau schrieben den Text um