Tischbein Zeitalters‘ des ‚Goldenen und die Kunst

Tischbein und die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ Rezeptionsgeschichte(n) um 1800 Stefanie Rehm

Tischbein und die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘

Stefanie Rehm

Tischbein und die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ Rezeptionsgeschichte(n) um 1800 Diese Publikation wurde als Dissertation mit dem Titel Bildwissen, Verbreitung und Rezeption der Kunst des Goldenen Zeitalters um 1800 am Beispiel der Niederlande-Reise von J. H. W. Tisch- bein von Stefanie Rehm an der Kunsthochschule Kassel der Universität Kassel zur Erlangung des akademischen Grades der Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) eingereicht und am 04.07.2019 verteidigt. Der Text wurde für die Publikation leicht überarbeitet.

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Publiziert bei arthistoricum.net, Universitätsbibliothek 2020.

Die Online-Version dieser Publikation ist auf https://www.arthistoricum.net dauerhaft frei verfügbar (Open Access). urn: urn:nbn:de:bsz:16-ahn-artbook-619-1 doi: https://doi.org/10.11588/arthistoricum.619

Text © 2020, Stefanie Rehm

Korrektorat: Dörte Schneider Gestaltung (außer Umschlag): Bernhard Wollborn, atelier grotesk, Kassel

Umschlagvorderseite: Christiaan Andriessen: Kunstbeschouwing bij den heer Goll, Museum Umschlagrückseite: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Zwei Kunstbetrachter, Landes­ museum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Frontispiz: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Holländischer Raucher, Ausschnitt, Landes­ museum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

ISBN 978-3-948466-18-3 (Hardcover) ISBN 978-3-948466-17-6 (PDF) Inhalt

1 Einleitung 11

1.1 Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘ 13 Forschungsvorhaben 13 Begriffe, Methoden und Forschungsstand 16 1.2 Das ‚Tischbein-Puzzle‘ – Notizen, Manuskripte und Veröffentlichungen der Lebenserinnerungen 22 Quellenkritische Aufarbeitung 22 Die Kunst der Erinnerung 27 Besondere Merkmale der Lebenserinnerungen Tischbeins 31 1.3 Tischbeins Begegnungen mit der niederländischen Kunst 37 1.4 Anmerkungen 43

2 Bildwissen – Aneignung von Wissen über niederländische Künstler 51

2.1 Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 52 Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien 52 2.1.1 Die Sammlung eines ‚portugiesischen Juden‘ 54 Der Sammler im Kontext Amsterdams 55 Die Sammlung und das Vorkaufsrecht 58 Der Wettbewerb unter Sammlern 61 2.1.2 Seestücke von Willem van de Velde 64 Ausgewählte Gemälde der Sammlung 66 Tischbeins Blick auf die Sammlung 72 2.2 Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 75 Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien 76 2.2.1 Die Sammlung Lubbeling in Amsterdam 78 Über den Sammler, seine Sammlung und ausgewählte Gemälde 78 2.2.2 Die verschiedenen ‚Manieren‘ von Philips Wouwerman 83 Was thematisiert Tischbein mit den ‚Manieren‘ Wouwermans? 85 Zum Vergleich: Die Beurteilung Wouwermans vom 17. bis zum 19. Jahrhundert 89 2.2.3 Kennerschaft als Gesellschaftsspiel 92 Die Anekdote im Kontext 92 Kriterien für die Zuschreibung an Wouwerman oder 97 2.3 Anmerkungen 105

3 Verbreitung – Netzwerke der Kenner und Sammler niederländischer Kunst 116

3.1 Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 117 Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien 117 3.1.1 Der Sammler Johann Goll van Frankenstein d. Ä. 120 Die Sammlung Goll in Amsterdam 124 Internationale Besucher der Sammlung 127 3.1.2 Über das Sammeln von Graphik 131 Die Zeichenkunst im 18. Jahrhundert und der Dilettantismus 132 Handzeichnungen vs. Reproduktionen 135 3.1.3 Kunstbetrachtung in Gesellschaft 141 Kunst und Konversation – jeden Dienstag zu Gast bei Golls 141 Rituale der Kunstbetrachtung – von Hand zu Hand 145 3.1.4 Unter Kennern 149 Kennerschaft im zeitgenössischen Diskurs 150 Über echte und vermeintliche Kenner 153 3.2 Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 158 Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien 159 3.2.1 Auktionen in Amsterdam 160 Die Versteigerung der Gemälde-Sammlung von Gerret Braamcamp 161 Die Auktion der Sammlung von Jan Maurits Quinkhard 167 Die Versteigerung der Graphik-Sammlung von Dionys Muilman 171 3.2.2 International tätige Kunstagenten und ihre Auftraggeber 174 Die Kunstagenten Gerhard Morell und Johann Ernst Gotzkowsky 175 Die Auftraggeber Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel und Markgräfin Karoline Luise von Baden 178 3.2.3 Negative Seiten des Kunsthandels 186 Zwielichtige Kunsthändler und unrühmliche Praktiken 187 Der internationale Aufkauf von Kunstschätzen 190 Der Kunstmarkt nach dem Siebenjährigen Krieg 195 3.2.4 Moden des Kunstsammelns 197 Persönliche Vorlieben des Sammlers Jan Jansz. Gildemeester 198 Das Sammeln berühmter Meister wie Jan van Huysum 205 Über die Macht der Mode und die ‚Namen-Käufer‘ 211 Die niederländische Mode und die deutschen ‚Hollandisten‘ 215 3.3 Anmerkungen 222

4 Rezeption – Wertschätzung der niederländischen Malerei in Deutschland 243

4.1 Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 244 4.1.1 Besonderheiten der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ 244 Über die Vortrefflichkeit der niederländischen Kunst 244 Über das Klima, den Zeitgeist und das holländische Wunder 249 4.1.2 Die Kunst des Nordens vs. die Kunst des Südens 253 Anekdoten über die Arbeitsweise der Künstler 253 Charakteristika der Kunstentwicklung 256 Niederlande vs. Italien in der Geschichte der Kunst von Johann Heinrich Meyer 261 Die Anerkennung der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ im 19. Jahrhundert 266 4.2 Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 269 Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien 269 4.2.1 Tischbeins Vorstellung eines ‚guten Kabinettes‘ 271 Die Künstler des Kabinettes – eine exemplarische Rekonstruktion 271 Über die Zusammensetzung des Kabinettes 285 4.2.2 Tischbeins fiktives Kabinett im Vergleich mit realen Kabinetten des 18. Jahrhunderts 290 Tischbeins eigene Gemäldesammlung und die Oldenburger Gemäldegalerie 292 Die Gemäldegalerie der Landgrafen von Hessen-Kassel 295 Wunschlisten, Lieblingswerke und das Vergnügen am Sammeln niederländischer Kunst 299 4.3 Anmerkungen 308

5 Resümee 326

Anhang 331

Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 332 Autobiographie. Originalmanuskript (1811) 332 Alte Transkription der Lebensgeschichte (1824) 340 Archivalienverzeichnis 351 Literaturverzeichnis 352 Abbildungsverzeichnis und Nachweis 371 Personenverzeichnis und Register 379

Dank 386 Solche vortrefflichen Maler waren die Holländer 1 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Goethe in der römischen Campagna, 1787, Städel Museum Frankfurt am Main 1 Einleitung

Es war einmal … ein junger deutscher Maler, der, fasziniert von der niederländischen Kunst, zu einer Reise in die Niederlande aufbrach.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein – ein Name, der fast ausschließlich im gleichen Atemzug mit dem von Johann Wolfgang von Goethe genannt wird. Und geht es um Reisen und Tischbein, so liegt nichts näher als der Gedanke an Goethes italienische Reise, auf der sich beide Persönlichkeiten kennen und schätzen lernten. Vor allem seinem bekanntesten Gemälde, das Goethe in der römischen Campagna zeigt, verdankt der hessische Maler seinen Beinamen ‚Goethe-Tischbein‘ (Abb. 1). Diese Bekanntschaft ist für die Rezeption und Erforschung Tischbeins jedoch zum Verhängnis geworden, lenkte sie doch seit jeher den Blick auf den Künstler sowie die wissenschaftliche Beschäfti­ gung mit seinen künstlerischen wie literarischen Werken. In dieser Publikation wird es um Tischbein und Reisen gehen, aber weder um Goethe noch um Italien, sondern um die Niederlande. Sie möchte zeigen, wie erkenntnisreich es sein kann, Goethe einmal aus der Tischbein- Forschung auszuklammern oder gar hinauszuwerfen, dabei neue Blickwinkel zu entdecken und ungeahnte Entdeckungen zu machen. Lässt man sich auf dieses Wagnis ein, so wird schnell klar, dass Tischbein ein scharfer Beobachter, ein versierter Kenner der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts und zugleich ein hervorragender Geschichtenerzähler ist. So könnte alles mit den Worten beginnen: Es war einmal … ein junger deutscher Maler, der, fasziniert von der niederländischen Kunst, zu einer Reise in die Niederlande aufbrach. Tischbein 12 Einleitung selbst hat dies folgendermaßen formuliert: „Ich hatte ein unwiedersteliges Verlangen Holland zu sehen. Das land wo die grosen Mahler gelebt haben, und zum theil noch ihre bewunderswürtige Wercke sind.“1 Dieses ­Zitat stammt aus Tischbeins Lebenserinnerungen. In ihnen schildert er detailreich seine niederländische Reise und dokumentiert seine besondere Wertschätzung der niederländischen Kunst. Dies bietet den Anlass für eine Auseinandersetzung­ mit beispielhaften Rezeptionsgeschichten der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ in Deutschland in der Zeit um 1800. Der Begriff ‚Goldenes Zeitalter‘ war jüngst in aller Munde, ausgelöst von einer Stellungnahme des Amsterdam Museum zu dessen problematischer inflationärer Verwendung, verbunden mit einem Plädoyer für eine kritische Reflexion der Begriffsverwendung.2 Kritisiert werden bspw. die Ausblendung der negativen Begleiterscheinungen des enormen wirtschaftlichen Aufschwun­ ges sowie die implizierte Exklusivität und damit einhergehende Ausgrenzung, sodass der Begriff nicht repräsentativ für die Zeit stehen könne. Auch wenn diese Kritik berechtigt ist, so kann gleichzeitig nicht geleugnet werden, dass das 17. Jahrhundert in den Niederlanden für die bildenden Künste – insbe­ sondere die Malerei – ein wahrhaft goldenes Zeitalter war. Die außergewöhn­ lichen künstlerischen Leistungen zusammen mit der beeindruckenden Aus­ differenzierung der Gattungen gilt es in ihrer Einzigartigkeit zu würdigen. In diesem Sinne wird die Bezeichnung Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ Verwen­ dung finden – wie bereits von so formuliert. Wie aktuell Tischbeins Überlegungen sind, zeigt ein Aufruf von COD­ ART, dem internationalen Netzwerk der Kuratoren niederländischer Kunst, einen sogenannten ‚CODART-Kanon‘ aufzustellen.3 Dieser soll sich gleicher­ maßen der holländischen wie der flämischen Kunst widmen, 100 Meisterwerke umfassen und einen möglichst adäquaten Überblick über die niederländische Kunstproduktion der frühen Neuzeit geben. Trotz der Definition verschiede­ ner Kriterien ist man sich durchaus bewusst, dass die Auswahl auch auf per­ sönlichen Präferenzen basiert und nur für einen singulären Moment­ in der (Kunst-)Geschichte repräsentativ sein kann. Ein ähnliches Unterfangen hat auch Tischbein vor über 200 Jahren unternommen, als er in seinen Lebens­ erinnerungen festhielt, wie seiner Meinung nach ein ideales Kabinett­ nieder­ ländischer Malerei – auch hier der holländischen wie der flämischen Kunst – aussehen und welche Künstler und Werke darin enthalten sein sollen. Somit ist Tischbeins individuelle Auseinandersetzung mit der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ aktueller denn je. Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘ 13

1.1 Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘

Alles beginnt mit Tischbein – mit Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829) und seiner Reise in die Niederlande in den Jahren 1772/1773. Im Zentrum der Spurensuche steht die Rezeption der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im deut­ schen Raum. Dies wird hier verkürzt als deutsche ‚Niederländer-Rezeption‘ bezeichnet. Dabei geht es insbesondere um die Identifikation und Erforschung von internationalen Netzwerken und Akteuren sowie den Wegen und Prozes­ sen dieser ‚Niederländer-Rezeption‘. Wie das Forschungsvorhaben konkret aussieht und im Kontext welcher Begriffe, Methoden und Forschungen es zu verorten ist, wird zunächst einleitend dargelegt.

Forschungsvorhaben

Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, am Beispiel von Johann Heinrich Wil­ helm Tischbein die Wege der ‚Niederländer-Rezeption‘ in Deutschland exem­ plarisch zu untersuchen. Exemplarisch heißt, dass Tischbein der Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung ist und über ihn ein neuer Blick auf Aspekte wie Bildwissen, Verbreitung und Rezeption der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts gewonnen und dabei idealtypische Strukturen erkannt wer­ den können. Die Relevanz der überlieferten Aussagen Tischbeins zur Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ gilt es durch deren Kontextualisierung unter Beweis zu stellen. Auf diese Weise kann gezeigt werden, dass Tischbein sich als ein bislang unterschätzter, aber verlässlicher Augenzeuge des Geschehens qualifi­ ziert. Sein profundes Wissen über die niederländische Kunst, den Kunstmarkt und die Sammelpraxis ergänzt den bisherigen Erkenntnisstand. Seine Schil­ derungen sollen daher als Rahmenerzählung dienen, um die Rezeption der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ im späten 18. Jahrhundert bzw. an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Deutschland nicht nur anschaulich und ­lebendig darzustellen, sondern ihr auch einen besonderen Eigenwert über die authentische Ich-Perspektive zu verleihen. Tischbein wird so zum Gewährs­ mann und zu einer unentdeckten Autorität der deutschen ‚Niederländer- Rezeption‘. Die Grundlage der quellenbasierten Spurensuche bilden die publizier­ ten Lebenserinnerungen Tischbeins sowie insbesondere Manuskripte und ­Archivalien aus dessen Nachlass, die nun erstmals aufgearbeitet werden. Die dort fixierten Beschreibungen von ischbeinsT Niederlande-Reise in den Jah­ ren 1772/1773 dienen jeweils als Ausgangspunkt der Beschäftigung mit einer 14 Einleitung

Facette der ‚Niederländer-Rezeption‘, zu deren Bewertung und Einordnung ergänzende Primärquellen des 18. und 19. Jahrhunderts sowie historische und aktuelle Forschungen zur niederländischen Kunst herangezogen werden. Durch die Erforschung unbekannter Quellen aus dem Künstlernachlass sowie die erstmalige Fokussierung auf die Person Tischbeins und sein Verhältnis zur niederländischen Kunst wird zugleich eine Lücke in der Tischbein-Forschung geschlossen. Die Niederlande-Reise kann als eine Art ‚Erweckungserlebnis‘ Tisch­ beins betrachtet werden. Sie fand bereits früh, im Anschluss an seine Lehr­ jahre, statt und nimmt in seinen Lebenserinnerungen den wichtigsten und, gemessen am Verhältnis des Textes zur dort verbrachten Lebenszeit, zugleich umfangreichsten Part ein. Tischbein zeigt sich hier als idealer Beobachter, der mit großer Empathie und mit einer beeindruckenden Expertise die niederlän­ dische Kunst sowie deren Kenner und Sammler unter die Lupe nimmt. Seine prägnanten Beschreibungen sind informationsreich und dicht sowie mit ­diversen Erinnerungsbildern angereichert, wodurch sie einen zusätzlichen Mehrwert erhalten. Trotz aller Bewunderung spiegelt sich zuweilen eine kriti­ sche Distanz in den Beurteilungen, die sich stets durch Überzeugungskraft und Nachvollziehbarkeit auszeichnen. Sie enthalten neue Aspekte, die zum transnationalen Wissenstransfer zwischen den Niederlanden und Deutsch­ land beitragen und sich aus heutiger Perspektive als äußerst relevant erwei­ sen, sodass Tischbein mit seinem innovativen Ansatz im Umgang mit der niederländischen Kunstproduktion seiner Zeit weit voraus war. Darin liegt schließlich die genuine Leistung Tischbeins und der besondere Erkenntniswert seiner einzigartigen Autographen sowie deren bislang ungehobenes Potential begründet. Die quellenkritische Aufarbeitung und Kontextualisierung leitet das Erkenntnisinteresse der Untersuchung und ermöglicht einen ganz spezifi­ schen Blick auf die ‚Niederländer-Rezeption‘, der einen beachtlichen Erkennt­ nisgewinn verspricht und den bisherigen Forschungsstand bereichert. Die Publikation gliedert sich – nach einer Einführung in das Thema sowie die Quellenlage (Kapitel 1) – in drei Hauptkapitel und greift dort an­ hand von quellenbasierten Beispielen aus den Lebenserinnerungen von Jo­ hann Heinrich Wilhelm Tischbein verschiedene Momente der ‚Niederländer- Rezeption‘ in der Zeit um 1800 auf. Bildwissen – Aneignung von Wissen über niederländische Künstler Zu Tischbeins besonderen Stärken gehört sein erstaunliches Bildgedächtnis. Anhand von Tischbeins Person und seiner Autographen wird Bildwissen in besonderer Weise im Unterschied zu seinen Zeitgenossen fassbar, weswegen es eingehend betrachtet wird. Hierzu dienen im zweiten Kapitel zwei charak­ teristische Begebenheiten aus den Lebenserinnerungen Tischbeins – die Schil­ Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘ 15 derung eines niederländischen Sammlers und einer Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde (Kapitel 2.1) sowie die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman, verbunden mit einem Gesellschaftsspiel (Kapitel 2.2). Diese Beispiele bilden den Ausgangspunkt, um sowohl die Aneignung von Wissen über niederländische Künstler in den Blick zu nehmen als auch die Weiterentwicklung und Weitergabe dieses Wissens. Es wird gezeigt, wie sich Tischbein in jungen Jahren zunächst am Urteil der Kenner und Sammler orien­tiert, dadurch seinen Blick sowie sein eigenes Urteilsvermögen schärft und auf diese Weise während seines Aufenthaltes in den Niederlanden eine beispielhafte Sehschule durchläuft. Darüber hinaus werden die Spuren von Kunstwerken und Sammlern verfolgt, um Rückschlüsse auf Art und Umfang niederländischer Sammlungen des 18. Jahrhunderts ziehen zu können. Verbreitung – Netzwerke der Kenner und Sammler niederländi- scher Kunst Die Verbreitung von Bildwissen geschieht über Netzwerke und an kaum einer Künstlerpersönlichkeit seines Zeitalters wird dies so sehr deut­ lich wie an Tischbein. Er ist ein hervorragender Netzwerker, der sich an allen seinen zahlreichen Lebensstationen stets durch den Austausch mit anderen definierte, was sich aus seiner Autobiographie herauslesen lässt und sich zu­ dem in seinem Nachlass in der Briefvielfalt spiegelt. Im Mittelpunkt des drit­ ten Kapitels stehen insbesondere jene Netzwerke, mittels derer die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ im späten 18. Jahrhundert von den Vereinigten Nieder­ landen in die Residenzen und Kabinette des Heiligen Römischen Reiches Ein­ gang fand. Als Ausgangspunkt dienen hierfür Tischbeins Beschreibung einer faszinierenden Sammlerpersönlichkeit und der Kunstbetrachtung unter Ken­ nern (Kapitel 3.1) sowie allgemeinere Aussagen über den Kunstmarkt und das Sammeln (Kapitel 3.2). Im Falle des Sammlers soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern dieser zu einem international wirksamen Impulsgeber der ‚Niederländer-Rezeption‘ wird. Darüber hinaus kann anhand einiger Charak­ teristika des Kunstmarktes stichprobenhaft aufgezeigt werden, auf welchen konkreten Wegen die Verbreitung der niederländischen Kunst erfolgt. Von Interesse sind hier nicht nur die komplexen Netzwerke und zahlreichen Ak­ teure wie Kunsthändler, Agenten und Sammler, sondern auch die negativen­ Seiten des Kunsthandels sowie besondere Moden des Kunstsammelns. Rezeption – Wertschätzung der niederländischen Malerei in Deutsch­land Wie bettet sich die Analyse mit Tischbein als katalytischem Unter­suchungspunkt ein in die Rahmenbedingungen des späten 18. bzw. frü­ hen 19. Jahrhunderts? Das vierte Kapitel widmet sich eingehender der Rezep­ tion der niederländischen Kunst im Rahmen eines Kulturvergleiches mit Italien (Kapitel 4.1) sowie von Sammlungskonzeptionen (Kapitel 4.2). Hierbei gilt es einerseits die von Tischbein referierten Voraussetzungen und Besonderheiten 16 Einleitung der Kunstproduktion in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts in einen in­ ternational-komparativen Kontext zu setzten, andererseits gilt es die Bewer­ tung der niederländischen Malerei zu analysieren und im zeitgenössischen Diskurs zu verorten. Darüber hinaus soll ein von Tischbein konzipiertes ideal­ typisches Kabinett niederländischer Malerei – sowohl der holländischen als auch der flämischen Kunst –, das als Resümee seiner in den Niederlanden ge­ sammelten Erfahrungen verstanden werden kann, exemplarisch rekonstruiert und mit real existierenden Kabinetten in Beziehung gesetzt werden.

Begriffe, Methoden und Forschungsstand

Für das in dieser Studie behandelte Thema gibt es nicht ‚die‘ kunsthistorische Untersuchungsmethode. Folglich werden einzelne Elemente verschiedener ­Methoden und Forschungsdisziplinen entlehnt und für den vorliegenden Un­ tersuchungsgegenstand nutzbar gemacht. Zu den zentralen Elementen zählt zuallererst die Rezeptionsgeschichte, deren Auseinandersetzung mit der Wahr­nehmung und Bewertung von Werken und Künstlern im Vordergrund steht, ergänzt durch Bezüge zur Kulturtransferforschung. Relevant sind dabei Faktoren wie Verflechtung, Netzwerkbildung und die Vermittlung zwischen verschiedenen Kulturräumen, hier zwischen Deutschland und den Nieder­ landen. Durch die Verbindung von Rezeptionsgeschichte und Kulturtransfer können die verschiedenen Rezeptionsprozesse und -wege gezielt in den Blick genommen werden. Rezeption und Rezeptionsgeschichte(n) Einer der zentralen Begriffe der Arbeit ist jener der ‚Rezeption‘. Unter Rezeption wird gemeinhin die Wahrnehmung, Deutung und Bewertung eines Werkes verstanden. In der kunsthistorischen Forschung ist allgemein zwischen Rezeptionsästhetik und Rezeptionsgeschichte zu unterscheiden. Der Begriff ‚Rezeptionsästhetik‘ wurde von Wolfgang Kemp geprägt und folgendermaßen umrissen: „Die kunsthisto­ rische Rezeptionsästhetik begreift das Kunstwerk als Ergebnis einer Interaktion von Werk und Betrachter. Sie ist speziell an den Mitteln interessiert, die dieses dialogische Verhältnis auslösen und beschäftigen.“4 Im Gegensatz dazu steht die ‚Rezeptionsgeschichte‘, der die vorliegende Arbeit verpflichtet ist. „Als Methode der Kunstwissenschaft fragt die Rezeptionsgeschichte nach dem Umgang und der Bewertung, die einzelnen Epochen, Kulturregionen, Künst­ lern, Kunstwerken und Artefakten außerhalb ihres unmittelbaren Entstehungs­ milieus zuteil werden. Der Rezeptionsgeschichte geht es folglich nicht um die Intentionen der jeweiligen Auftraggeber und Produzenten, sondern um die späterer, orts- oder mentalitätsfremder Rezipienten, deren Erwartungen, Ab­ sichten, Kenntnisse, Fehl- oder Vorurteile in den Mittelpunkt der Betrachtung Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘ 17 rücken.“5 Im Zentrum der Untersuchung steht die Rezeption der niederländi­ schen Kunst des 17. Jahrhunderts um 1800 im deutschen Raum, was verkürzt als ‚Niederländer-Rezeption‘ bezeichnet wird. Diese stützt sich auf Texte im Rahmen einer literarischen Verarbeitung wie bspw. in der frühen kunsthisto­ rischen Literatur, in Reiseberichten oder in Lebenserinnerungen. Zudem zeigt sie sich im Sammelverhalten deutscher Sammler sowie in Angebot und Nach­ frage auf dem internationalen Kunstmarkt. Durch die Analyse dieser Aspekte wird die rezeptionsgeschichtliche Stellung eines Künstlers und seines Œuvres deutlich. Dies reicht bis hin zur Rezeption in künstlerischen Medien wie bei den sogenannten ‚Hollandisten‘, die im Stile der Alten Meister arbeiteten. Im Falle der künstlerischen Rezeption gilt es zudem zwischen vorlagengetreuen Reproduktionen und schöpferischen Anverwandlungen zu unterscheiden. Bei­ de Verfahren können auf unterschiedliche Art und Weise die ‚Niederländer- Rezeption‘ beeinflussen. Die unterschiedlichenRezeptionsweisen werden an­ hand ausgewählter Beispiele analysiert. Alle diese verschiedenen beschriebe­ nen Facetten beinhaltet das Wortspiel ‚Rezeptionsgeschichte(n)‘. Kulturtransfer Mit der deutschen ‚Niederländer-Rezeption‘ geht ein Kulturtransfer zwischen den Niederlanden und Deutschland einher (vgl. Kapi­ tel 3). ‚Kulturtransfer‘ als Forschungsgegenstand gewinnt neuerdings (wieder) an Bedeutung, allerdings hat sich die Schwerpunktsetzung gegenüber frühe­ ren Konzepten etwas verändert: „Die Kulturtransferforschung hat das wissen­ schaftliche Interesse seit den 1980er-Jahren jenen Austauschprozessen zuge­ wendet, die zwischen Kulturräumen und kulturellen Systemen ablaufen. Bei diesen Austauschprozessen handelt es sich um Vorgänge der interkulturellen Übertragung und Vermittlung von Texten, Diskursen, Medien und kulturellen Praktiken, die durch je spezifische Muster der Selektion, Mediation und Rezep­ tion gesteuert werden.“6 Hierzu zählen bspw. Faktoren wie Verflechtung und Netz­werkbildung. Die Kulturtransferforschung geht auf die Analyse des deutsch- französischen Kulturtransfers von Michel Espagne und Michael Werner in den 1980er-Jahren zurück. Sie legten erstmals den Fokus auf die Vermittlung zwischen verschiedenen Kulturräumen, untersuchten diese anhand von Lite­ ratur und Gebrauchsgütern und gelangten zu folgender Erkenntnis: „Selbst­ verständlich wird ein interkultureller Transfer nicht nur von abstrakten Kon­ junkturen und geistigen Konstellationen bestimmt: er ist zuallererst das Werk realer Vermittlerpersönlichkeiten. Ihre jeweilige Rolle lässt sich ­sowohl sin­ gulär-monographisch wie auch gegebenenfalls von spezifischen Gruppenbil­ dungen her beschreiben. Bei einigen Vermittlern greifen individuelle Leis­ tung und soziale Integrationsfunktion ineinander.“7 An diese Überlegungen anknüpfend werden das Netzwerk der Kunstagenten und -sammler unter­ sucht sowie verschiedene Rezeptionsprozesse und -wege betrachtet. 18 Einleitung

Bildwissen Ein wichtiger Indikator für die ‚Niederländer-Rezeption‘ im Allgemeinen und Tischbeins Sachkompetenz im Besonderen ist das Bild­ wissen (vgl. Kapitel 2.1). Folgt man Horst Bredekamp, dann war der Aretiner Architekt, Maler und Biograf Giorgio Vasari der erste, der in seinen Künstler­ biographien (1550/1568) den Grundstein legte für eine ‚Bildwissenschaft‘.8 Seine Methode, „die vergleichende Bilderfassung, das vergleichende Sehen und Reflektieren der Formen, ist bis heute die Grundlage jeder bildanalyti­ schen Tätigkeit“.9 Neben biographischen Daten und anekdotischen Bemer­ kungen geht es Vasari bereits um Beschreibung, Einordnung und Vergleich. Vasari begann eine Methode zu entwickeln, derer sich später alle anderen bedienen sollten, die Bildwissen und Bildkompetenz zu erwerben und weiter­ zugeben bemüht waren und sind. Die Wissenschaft vom Bild hat sich seit den 1990er-Jahren im Zuge des ‚pictorial-turn‘ sowie des ‚iconic-turn‘ breit aufge­ fächert.10 Der Begriff des ‚Bildes‘ ist in der Folge mehrdeutig geworden. Die Bandbreite unterschiedlicher Ansätze und Erkenntnisinteressen spannt sich über Kunst-, Kultur-, Sozial- und Medienwissenschaft, wobei neuerdings auch Psychologie, Neuro- und Organisationswissenschaften Interesse am Gegen­ stand zeigen.11 Wollen wir uns dem Bildwissen im späten 18. Jahrhundert annähern, so erscheint eine Rückbindung an historische Quellen und Über­ legungen – wie bspw. Vasaris Viten oder auch Aby Warburgs „Idee einer Wis­ senschaft von den Bildern“ – sinnvoll.12 Wenn im Folgenden von ‚Bildwissen‘ die Rede ist, dann meint dies eine individuell angeeignete Bildkompetenz – eine Wahrnehmungskompetenz, mittels derer Wissen generiert und bildliches Denken ermöglicht wird – sowie insbesondere einen darauf aufbauenden und im (Bild-)Gedächtnis verwahrten Bilderschatz. Dieser spezifische Wissensvor­ rat kann zudem als Anschauungswissen, Erinnerungswissen und/oder abstra­ hierendes Wissen differenziert und als Voraussetzung für bzw. Bestandteil von Kennerschaft angesehen werden. Kennerschaft ‚Kennerschaft‘ ist – genauso wie ‚Bildwissen(schaft)‘ – ein schillernder, Kritik provozierender und kontrovers diskutierter Begriff: „Kennerschaft bedeutet vorrangig die Begabung, die Qualität eines Kunst­ werks wahrzunehmen und zu beurteilen, in zweiter Linie die Fähigkeit, Kunst­ werke historisch einzuordnen, und schließlich die Befähigung, Kopien von Originalen zu unterscheiden und Zuschreibungen vornehmen zu können. Dabei beruht Kennerschaft im Wesentlichen auf Erfahrung, d. h. langem und/ oder konzentriertem Umgang mit künstlerischen Arbeiten.“13 Kennerschaft hat nach David Freedberg zwei Schwachstellen. Zum einen wird der überlege­ ne Blick oft zum Fetisch erhoben und gerne als Mittel zum Zweck der sozialen Distinguierung eingesetzt. Zum anderen wird die Kennerschaft von Kunst­ experten nicht selten korrumpiert durch kunstfremde Überlegungen: „There Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘ 19 is no shortage of examples of the way in which financial pressure and induce­ ment influence the upward attribution of a work.“14 Eine Autorität in Kenner­ schaftsfragen war der deutsche Kunsthistoriker Max J. Friedländer, der sich seine Expertise durch ein langjähriges und intensives Studium der niederlän­ dischen Kunst angeignet hat, weshalb seine Publikation Von Kunst und Kenner- schaft vergleichend herangezogen wird.15 Was Tischbein und seine Zeitgenos­ sen im späten 18. Jahrhundert unter ‚Kennerschaft‘ verstanden, setzt sich mitunter von der heutigen Begriffsdefinition ab, weshalb es hier zu differen­ zieren gilt.16 Zu Tischbeins Zeit verband sich ein sehr pragmatischer Umgang mit den Begriffen ‚Kenner‘ und ‚Kennerschaft‘. Kennen bedeutete zuallererst, etwas gesehen und genau betrachtet zu haben, auf diese Weise und durch ­einen möglichst breit angelegten Vergleich sowie ein geschultes Auge zu einer gewissen Kenntnis der Sache zu gelangen. In diesem Sinne soll der Begriff ‚Kennerschaft‘ Verwendung finden und im Folgenden näher beleuchtet und eingeordnet werden (vgl. Kapitel 3.1). Geschmack Rezeption, Kulturtransfer und Kennerschaft können ge­ schmacksbildend wirken und zugleich ein Distinktionsbedürfnis bedienen. Zu keiner Zeit ist der ‚gute Geschmack‘ jedoch eine objektive Größe, sondern – mit Pierre Bourdieu gesprochen – vor allem inkorporiertes Kulturkapital. Verinnerlicht ist dieses Kapital durch Bildung, durch ständigen Umgang mit den Themen und Gegenständen. Wichtig ist dabei die persönlich investierte Zeit. „Daher besitzen von allen Unterscheidungen diejenigen das größte Pres­ tige, die am deutlichsten die Stellung in der Sozialstruktur symbolisieren, wie etwa Kleider, Sprache oder Akzent und vor allem die ‚Manieren‘, Geschmack und Bildung. Denn sie geben sich den Anschein, als handelte es sich um ­Wesenseigenschaften einer Person, ein aus dem Haben ableitbares Sein, eine Natur, die paradoxerweise zu Bildung, eine Bildung, die zu Natur, zu einer Begnadung und einer Gabe geworden seien.“17 Das verinnerlichte kulturelle Kapital – der Geschmack – offenbart sich in objektivierter Form bspw. durch Gemälde und andere Kunstwerke. Obwohl sie scheinbar angeboren ist, unter­ liegt die Fähigkeit, sich Kulturgüter anzueignen, der Voraussetzung grund­ legender Ungleichheit. Diese Aneignung ist nach Bourdieu exklusiv. Weil den Kulturgütern „die Funktion von (objektiviertem oder inkorporiertem) kulturel­ lem Kapital zukommt, sichern sie einen Gewinn an Distinktion – im Verhält­ nis zum Seltenheitsgrad der zu ihrer Aneignung notwendigen Instrumente – und einen Gewinn an Legitimität, den Gewinn überhaupt, der darin besteht, sich so, wie man ist, im Recht, im Rahmen der Norm zu fühlen“.18 In Klas­ sengesellschaften wirkt diese Distinktionsfunktion des kulturellen Kapitals als symbolisches Herrschaftsinstrument, in pluralistischen Gesellschaften dient sie der Markierung der ‚feinen Unterschiede‘.19 Empirische Studien von 20 Einleitung

Psychologen zeigen, dass auch der Kunstgeschmack sozial geprägt ist. So be­ stimmen bspw. die Meinungen von Kunstkennern, aktuelle Marktpreise oder die Macht der Gruppenkonformität, was gefällt, und prägen damit – damals wie heute – den Geschmack.20 Niederländer- und Rezeptions-Forschung Die ‚Niederländer-Rezep­ tion‘ im deutschen Raum des späten 18. Jahrhunderts, eben jener Zeit einer wiederauflebenden Wertschätzung dieser Kunst, wurde von der kunsthistori­ schen Forschung noch nicht hinreichend untersucht. Hierauf verweist bspw. Martina Sitt in ihrem Aufsatz Georg Forster und die Malerei der ‚aufgeklärten Niederländer‘ (2013).21 Die Studien zum Themenkomplex der Rezeption setzen meist erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts an und befassen sich größtenteils mit der zweiten Jahrhunderthälfte – korrespondierend mit den Anfängen der kunsthistorischen Auseinandersetzung mit der niederländischen Kunst. Bei­ spielhaft genannt seien die Niederländischen Briefe (1834) von Carl Schnaase oder die Annalen der niederländischen Malerei (1844) von Georg Rathgeber.22 Für das 18. Jahrhundert können insbesondere niederländische Autoren an­ geführt werden wie Arnold Houbraken mit De groote schouburgh (1718–1720) oder De levens-beschreyvingen der Nederlandse konst-schilders en konst-schilderes- sen (1729–1769) von Jacob Campo Weyerman.23 In Deutschland wird die The­ matik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vornehmlich im Rahmen von Reiseberichten wie jenen von Karl Heinrich von Heinecken (1768) oder von Johann Heinrich Merck (1784) behandelt.24 Eine seltene Ausnahme bil­ den die Betrachtungen über die Mahlerey (1762) von Christian Ludwig von Ha­ gedorn.25 Ähnlich überschaubar ist die Literatur, die sich explizit der ‚Nieder­ länder-Rezeption‘ widmet. Als ein vielzitierter, aber inzwischen überholter Klassiker kann die Publikation Ausbreitung und Nachwirkung der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts (1942) von gelten, die derzeit Aus­ gangspunkt des Forschungsprojektes Gerson Digital. Dutch and Flemish Painting in European Perspective 1500–1900 des Nederlands Instituut voor Kunstge­ schiedenis (RKD) ist.26 Bereits Gerson weist darauf hin, dass Tischbeins Auto­ biographie „voll von Hinweisen auf die bildende Kraft der holländischen Kunst ist“ und Tischbein „überhaupt ein offenes Auge für holländische Kunst und holländisches Leben hatte“.27 Unter dem Titel The Golden Age Reloaded. Die Faszination niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts erschien 2010 ein Ausstellungskatalog, herausgegeben von Martina Sitt, der die französische ‚Niederländer-Rezeption‘ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rah­ men einer Ausstellung in den Blick nahm. Hier wurde der Frage nachgegan­ gen, „was die Liebhaber der Malerei des Goldenen Zeitalters eigentlich in den von ihnen bevorzugten Werken zu sehen und zu entdecken glaubten und welche Eigenschaften sie an den Werken und den Künstlern besonders faszi­ Mit Tischbein auf den Spuren der ‚Niederländer-Rezeption‘ 21 nierten“.28 Diese Fragestellung wird in der vorliegenden Studie aufgegriffen, allerdings mit einem Blickwechsel von der französischen auf die deutsche Re­ zeption im späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert. Der Schwerpunkt der Un­ tersuchung liegt hierbei auf der Provinz Holland und der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘, aber auch der flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts wird Rech­ nung getragen. Zur sprachlichen Vereinfachung wird die Bezeichnung ‚nieder­ ländische Kunst‘ Verwendung finden. Kunstmarkt- und Provenienzforschung Für die Erforschung des nie­ derländischen Kunstmarktes sind insbesondere die Publikationen von Michael North anzuführen, wie Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der nieder- ländischen Malerei des 17. Jahrhunderts (2001), welche die Entstehung des Kunstmarktes in den Niederlanden untersucht, oder die Aufsatzsammlung Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert (2002), die den Sprung vom 17. ins 18. Jahrhundert vollzieht.29 Zu erwähnen sind ebenso die Arbeiten von Everhard Korthals Altes, allen voran De verovering van de internationale kunst- markt door de zeventiende-eeuwse schilderkunst. Enkele studies over de verspreiding van hollandse schilderijen in de eerste helft van de achttiende eeuw (2003).30 Eine detaillierte Übersicht zum deutschen Kunstmarkt im 18. Jahrhundert bietet das Verzeichnis der verkauften Gemälde im deutschsprachigen Raum vor 1800 (2002) von Thomas Ketelsen und Tilmann von Stockhausen.31 Wichtige Er­ kenntnisse über die ‚Niederländer-Rezeption‘ sowie den niederländisch-deut­ schen Kunstmarkt sind der Provenienzforschung zu verdanken, weshalb diese im Rahmen der Untersuchung eine zentrale Rolle spielt. Die zugrundeliegen­ den Quellen sind zum einen in Archivalien oder Publikationen überlieferte Inventare sowie Auktionskataloge des 18. Jahrhunderts. Hierzu zählen auch wertvolle Veröffentlichungen wie Catalogus of Naamlyst van Schilderyen met derzelver Pryzen. Zedert een lange reeks van Jaaren zoo in Holland als op andere Plaatzen in het openbaar verkogt. Benevens een Verzameling van Lysten van Ver- scheyden nog in wezen zynde Cabinetten (1752) von .32 Zum ande­ ren werden Werkverzeichnisse der behandelten Künstler sowie Ausstellungs- und Bestandskataloge von Museen für die Provenienzrecherche herangezo­ gen. Darüber hinaus spielen aktuelle Forschungsprojekte eine wichtige Rolle, auf deren jüngst publizierte Ergebnisse verwiesen werden kann.33 Die be­ schriebene literaturbasierte Forschung wird durch verschiedene Datenbank­ recherchen ergänzt.34 Quellen- und Tischbein-Forschung Von zentraler Bedeutung im Rah­ men des Forschungsprojektes ist die eigene Quellenforschung, die an dieser Stelle hervorgehoben werden soll. Deren Bestreben ist es – über eine rein posi­ tivistische Erhebung von Fakten hinausgehend –, ausgewählte Schriftquellen als historisches Korrektiv heranzuziehen.35 Zu den Quellentypen zählen neben 22 Einleitung den bereits erwähnten Auktionskatalogen und Inventaren Reiseberichte, Manuskripte, Briefe sowie verschiedene in Archivalien überlieferte Notizen. Diese gehen größtenteils auf den Tischbein-Nachlass im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg zurück und werden ergänzt durch den Nachlass von Carl Georg Wilhelm Schiller im Stadtarchiv Braunschweig sowie Archivalien aus dem Archiv der Gemäldegalerie Alte Meister der Mu­ seumslandschaft Hessen Kassel.36 Die Ergebnisse der Archiv- und Quellenfor­ schung werden kritisch reflektiert und entsprechend kontextualisiert. Das Erkenntnis leitende Interesse bei der Analyse des Materials liegt vor allem in der Positionierung Tischbeins mit Blick auf den Wissenshorizont der Zeit. Durch die Aufarbeitung einer der seltenen verfügbaren Quellen von Künstler­ hand kann zudem eine Leerstelle in der Tischbein-Forschung geschlossen werden. Deren Fokus lag bislang auf Tischbeins Zeit in Italien, verbunden mit einem Verweis auf dessen Kontakt zu Johann Wolfgang von Goethe, weshalb er als ‚Goethe-Tischbein‘ Eingang in die Forschung fand. Verwiesen werden kann hier beispielhaft auf die Publikationen Tischbein – Goethes Maler und Freund (1986), herausgegeben von Hermann Mildenberger, oder Das Werk des Goethe-Malers zwischen Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur (2001) sowie ver­ schiedene Aufsätze wie Der „Römische Tischbein“ Johann Heinrich Wilhelm (2005) von Marianne Heinz.37 Tischbeins Reise in die Niederlande 1772/1773 wird hier – wie in anderen Veröffentlichungen zum Leben und Werk Tischbeins – gerne unterschlagen, sodass deren genauere Betrachtung längst überfällig ist.

1.2 Das ‚Tischbein-Puzzle‘ – Notizen, Manuskripte und Veröffentlichungen der Lebenserinnerungen

Die überlieferten Notizen und Manuskripte zu Tischbeins Lebenserinnerungen sowie die postumen Veröffentlichungen präsentieren sich in ihrer Kleinteilig­ keit und Komplexität als eine Art Puzzel, das es Schritt für Schritt zusammen­ zusetzen gilt. Hierzu zählt zuallererst eine quellenkritische Aufarbeitung des Archivmaterials, gefolgt von einer kritischen Auseinandersetzung mit der Kunst der Erinnerung sowie der Herausarbeitung der besonderen Merkmale der Lebenserinnerungen Tischbeins.

Quellenkritische Aufarbeitung

Dieses Forschungsprojekt sah sich anfangs mit der Problematik konfrontiert, dass die Tischbein-Forschung bislang den von Carl Georg Wilhelm Schiller (1861), Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 23

2 Jacob Ludwig Römer und Carl Georg Wilhelm Schiller: Manuskriptbearbeitung der Lebens- erinnerungen von J. H. W. Tischbein durch Römer mit Korrekturen von Schiller, 1842/1843, ­Stadtarchiv Braunschweig

Lothar Brieger (1922) sowie Kuno Mittelstädt (1956) herausgegebenen Lebens­ erinnerungen Tischbeins unkritisch gefolgt war, ohne einen Blick in die über­ lieferten Archivalien zu werfen.38 Bei näherer Betrachtung der Quellen wurde deutlich, dass sich hinter der postum veröffentlichten Autobiographie eine komplizierte Editionsgeschichte verbirgt.39 Diese basiert auf verschiedenen vorausgegangenen Manuskriptversionen und Fragmenten sowie der Mitwir­ kung von zahlreichen Mitdenkern und Mitarbeitern und gemahnt zur Vor­ sicht bei der Einschätzung von deren Authentizität. So stand als erster Schritt ein Rekonstruktionsversuch der Editionsgeschichte an, der im Oldenburger Jahrbuch 2016 publiziert wurde.40 Ziel war es, durch die Rekonstruktion­ eine erste Referenzquelle bei der Beurteilung der Lebenserinnerungen sowie deren Entstehungshintergrund zu bieten und die Notwendigkeit einer detaillierten text- und quellenkritischen Untersuchung zu verdeutlichen. 24 Einleitung

Die komplexe Editionsgeschichte kann zur Vereinfachung in ver­ schiedene Phasen eingeteilt und verkürzt wie folgt dargestellt werden: Die erste Phase von 1810 bis 1814 bildet den Auftakt. Das früheste überlieferte und von Tischbein eigenhändig verfasste Manuskript der Lebenserinnerungen lässt sich anhand des Titelblattes auf das Jahr 1811 datieren.41 Die Korrespon­ denz Tischbeins bestätigt diese Datierung und lässt zudem darauf schließen, dass der 51 Seiten umfassende Text in den Wintermonaten 1810/1811 verfasst wurde.42 Es folgen Bearbeitungen von Tischbein selbst sowie von befreunde­ ten Zeitgenossen – bspw. von Graf Vollrath zu Solms-Rödelheim (1762–1818), der ein Gutachten dazu verfasst hat.43 Die zweite Phase von 1818 bis 1824 ist der Vertiefung durch weitere Manuskriptversionen sowie einem regen beglei­ tenden Briefwechsel gewidmet.44 Den vorläufigen Abschluss bildet ein Manu­ skript aus dem Jahr 1824, das als letzte von Tischbein autorisierte Fassung gelten kann, auch wenn er das Manuskript aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr eigenhändig verfassen konnte.45 Tischbein verstarb am 26. Juni 1829 im Alter von 78 Jahren, ohne die Niederschrift der Lebenserinnerungen beendet oder diese gar publiziert zu haben. In der dritten Phase von 1829 bis 1842 folgt die Weiterführung des Projektes nach Tischbeins Tod, veranlasst durch dessen Witwe. Hierzu zählt bspw. eine postume Manuskriptbearbeitung des Oldenburger Hofrates Carl Christian Ludwig Starklof (1789–1850).46 In jenen Jahren nimmt sich vor allem der mit Tischbein befreundete Jacob Lud­ wig Römer (1770–1855) der Lebenserinnerungen an. Römer überarbeitet das Manuskript nicht nur, sondern fügt weitere Notizen Tischbeins, erhaltene Briefe sowie bereits gedruckte Quellen hinzu.47 In der vierten Phase von 1842 bis 1843 erfolgt die Übergabe der verschiedenen Manuskripte an den späteren Herausgeber Carl Georg Wilhelm Schiller (1807–1874). Dieser nimmt rigorose Änderungen an dem bisherigen Manuskript vor (Abb. 2) mit der Absicht, den vermeintlich ‚wahren‘ Tischbein nach der Bearbeitung von Römer und seiner Vorgänger wieder herauszuholen – wobei seine eigenen Eingriffe in den Text vielmehr von diesem wegführen.48 Der Text liegt schließlich 1843 druckfertig vor und es beginnt eine jahrelange vergebliche Suche nach einem Verleger. Die letzte und fünfte Phase gilt der Vollendung der Lebenserinnerungen und deren Veröffentlichung. Gedrängt durch Tischbeins Nachfahren überarbeitet Schiller den Text erneut. Im Vorwort gibt er einen vagen Einblick in die Edi­ tionsgeschichte der Autobiographie Tischbeins und eine Rechtfertigung der späten Herausgabe derselben.49 Im Jahr 1861 – 50 Jahre nach Tischbeins ers­ tem Manuskript – erscheinen schließlich die Lebenserinnerungen unter dem Titel Aus meinem Leben. Von J. H. Wilhelm Tischbein in zwei Bänden mit insge­ samt 541 Seiten, herausgegeben von Schiller. Die Editionsgeschichte setzt sich im 20. Jahrhundert fort. Im Jahr 1922 veranlasst Lothar Brieger eine Neuauf­ Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 25

3 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Originalmanuskript der Lebenserinnerungen, ­Ausschnitt, 1811, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

lage inklusive eines neuen Vorwortes und erstmals ergänzt durch Abbildun­ gen sowie einige wenige Anmerkungen.50 Eine weitere Auflage der Autobio­ graphie erfolgt 1956 unter der Herausgeberschaft von Kuno Mittelstädt. Mit­ telstädt beruft sich auf Brieger und liefert im Wesentlichen einen Neudruck. Er ergänzt die Publikation um ein Nachwort sowie um 190 Anmerkungen, die auch in diesem Fall keineswegs kritisch ausfallen.51 Jüngst kommen weitere Nachdrucke der Edition von Mittelstädt hinzu, ohne jegliche ergänzende Kommentierungen.52 Das erste Manuskript Tischbeins von 1811 – das als ‚Originalmanu­ skript‘ bezeichnet werden kann, da es das ursprünglichste und frei von den Korrekturen anderer ist (Abb. 3) – gilt als authentischste Quelle.53 Vergleicht man dieses erste Manuskript mit der Publikation von 1861, so fallen immer wieder Lücken und Diskrepanzen auf. Diese sind jedoch nicht nur auf die Be­ schaffenheit der Archivalien zurückzuführen – einige der vermeintlich fehlen­ den Textstellen fanden sich in fragmentarischer Form auf losen Zetteln im Nach­ lass des Künstlers –, sondern auch auf den späteren Herausgeber der Lebens­ erinnerungen, Carl Georg Wilhelm Schiller. Die größten Diskrepanzen, die den Inhalt und die Erzählstruktur betreffen, sind also auf die postume Bear­ beitung der Vorlagen zurückzuführen. Das Kapitel über Tischbeins Aufenthalt 26 Einleitung in den Niederlanden hat die größten Veränderungen erfahren. Schiller spricht vom „Bedürfnis, einzelne Abtheilungen, denen es an Klarheit und Einheit mangelte, mit behutsamer Hand durch Umstellung des Materials umzu­ schmelzen, wie es z. B. mit dem Capitel über ‚Holland‘ […] geschah“.54 Nach einer text- und quellenkritischen Analyse des Niederlande-Kapitels anhand der überlieferten Manuskriptversionen kann von einer behutsamen Hand je­ doch kaum die Rede sein.55 Die Analyse hat gezeigt, dass starke Veränderun­ gen an dem Manuskript vorgenommen wurden, wodurch teils große inhalt­ liche Sprünge entstanden sind, die nicht der Logik und Argumentation des ursprünglichen Manuskriptes von 1811 entsprechen. Die Neuauflagen bzw. Neu­drucke von 1922 und 1956 folgen der Schiller’schen Version.56 Das relevante Quellenmaterial wurde bezüglich der Editionsgeschichte sowie mit Blick auf Tischbeins ‚Niederländer-Rezeption‘ gesichtet und ausge­ wertet.57 Für die Aufzeichnungen zu Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden und dem dazugehörigen Kapitel in den Lebenserinnerungen konnten bislang acht verschiedene Manuskriptversionen aus der Feder der zuvor genannten Personen sowie zahlreiche authentische Notizen Tischbeins identifiziert werden. Sie stellen die wichtigsten Originalquellen dar und bilden daher die Grundlage der Untersuchung. Zu diesem Zweck wurden sie in Teilen oder auch vollständig transkribiert. Eine Transkription Tischbein’scher Autographen stellt durchaus eine Herausforderung dar, weshalb an dieser Stelle auf einige Besonderheiten hin­ gewiesen werden muss. Die Archivalien wurden möglichst schriftgetreu tran­ skribiert, um die eigentümliche Schreibweise beizubehalten und den beson­ deren Charakter der Quellen adäquat wiederzugeben. Dennoch kann ein ­gewisses Fehlerpotential nicht vollständig ausgeschlossen werden. Dieses re­ sultiert aus dem Schriftbild und der eigenwilligen, teils nur schwer lesbaren Handschrift Tischbeins. So sind bspw. die Vokale „a“, „e“ und „o“ häufig kaum voneinander zu unterscheiden, Gleiches gilt für die Schreibweise von „k“ und „ck“ sowie „t“ und „d“. Es kommt vielfach zu Verkürzungen: Aus „tz“ wird „z“, auf Doppelkonsonanten wird meist verzichtet und ein „ch“ wird zu „h“ oder „g“ verkürzt. Umgekehrt wird ein „s“ gerne zu „ss“ verlängert. Der Groß- und Kleinschreibung wird ebenfalls keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, statt einer eindeutigen Unterscheidung ist diese vielmehr nur in Nuancen der Schriftgröße zu erahnen. Hinzu kommt, dass sich Tischbein nicht etwa konsequent an seine persönliche Schreibweise halten würde, son­ dern Wörter und Namen in verschiedenen orthographischen Variationen in Erscheinung treten. Auch die Interpunktion wird individuell gehandhabt. Auf den Hinweis „[sic!]“ wird daher bei der Transkription verzichtet. Wo eine Entzifferung von Wörtern nicht möglich war, ist dies durch „#“ gekennzeichnet. Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 27

Darüber hinaus sind Ergänzungen über den einzelnen Zeilen sowie am Seiten­ rand in eckigen Klammern bzw. mit dem Hinweis „[Einschub]“ gekennzeich­ net. Diese vermeintlichen Einschränkungen schmälern jedoch keineswegs den Erkenntnisgewinn der Quellen, sie stellen lediglich eine zusätzliche Hürde bei deren wissenschaftlicher Bearbeitung dar, weshalb die Autographen in der Forschung kaum rezipiert wurden.58 Aufgrund der herausragenden Bedeutung der frühesten erhaltenen Quelle der Lebenserinnerungen von Tischbeins Hand wird im Folgenden zu­ allererst aus dem sogenannten ‚Originalmanuskript‘ von 1811 zitiert, ferner aus jenem von 1824.59 Ein Auszug dieser beiden Manuskripte – das Kapitel über die Niederlande-Reise – befindet sich als Transkription im Anhang der Publikation. Zusätzliche Autographen, weitere Manuskriptversionen sowie die späteren Veröffentlichungen werden ergänzend und vergleichend heran­ gezogen. In der quellenkritischen Aufarbeitung dieses einzigartigen, reichen und bislang unbearbeiteten Materials liegt die genuine Forschungsleistung, auf der die weitergehende Betrachtung von Tischbeins eindrucksvollem über­ liefertem Schriftgut fußt.

Die Kunst der Erinnerung

Die besondere Beschaffenheit des Quellenmaterials bringt verschiedene Schwie­ rigkeiten mit sich. Hierzu zählen bspw. die verschiedenen Zeithorizonte, de­ nen das Material bzw. die Inhalte zuzuordnen sind: In den Jahren 1772/1773 fand die Niederlande-Reise Tischbeins statt und auf diese Zeit rekurrieren die Erinnerungen, welche von Tischbein zwischen 1811 und 1824 zu Papier ge­ bracht wurden, die darüber hinaus erst 1861 nach weitreichenden Überarbei­ tungen publiziert wurden. Somit ist die Verlässlichkeit von Tischbeins Anga­ ben mit Vorsicht zu betrachten und diese sind stets kritisch zu prüfen. Da Erinnerung Faktizität gerne verfälscht, sollte man im Falle der autobiographi­ schen Notizen statt von Wahrheit besser von Wahrhaftigkeit sprechen, aus der dann Authentizität entspringt.60 Manche Gedächtnisleistung ist faszinie­ rend, zum Beispiel, wenn der Künstler Gemälde bis ins Detail beschreiben kann, und dies Jahrzehnte nach deren Betrachtung. Wie noch zu zeigen sein wird, kann Tischbein hier ein enormes Bildwissen und ein unvergleichliches Bildgedächtnis attestiert werden. Bei der Verlässlichkeit ist anzumerken, dass Tischbein die Namen von Künstlern und Sammlern meist verkürzt und auf den Nachnamen reduziert wiedergibt, wobei er der Orthographie keine be­ sondere Beachtung schenkt. Hinzu kommt, dass eine Autobiographie – im Gegensatz zur Biographie, die einen kritischen Blick zumindest behauptet – kaum eine objektive Wiedergabe der Lebensgeschichte eines Menschen 28 Einleitung

­be­inhaltet, sondern stets – bewusst oder unbewusst – dem Hang zur Selbst­ darstellung, Stilisierung und Fiktionalisierung erliegt.61 Dementsprechend verklärt Tischbein bspw. eine Szene aus seiner Kindheit zum prognostischen Ereignis für seine Malerkarriere.62 In diesem Zusammenhang lohnt ein kurzer Exkurs in die kulturwis­ senschaftliche Erinnerungs- und Gedächtnisforschung. Hierzu sollen die zeit­ lich weit auseinander liegenden, aber aufeinander aufbauenden Theorien von Maurice Halbwachs und Aleida Assmann exemplarisch angeführt werden. Der umfangreiche und durchaus kontrovers geführte Diskurs um Erinnerung und Gedächtnis kann hier mit diesen beiden Positionen jedoch nur angeris­ sen werden.63 Die Überlegungen des französischen Soziologen Maurice Halbwachs (1877–1945), der ein Schüler Emile Durckheims war und dessen Hauptwerk Das kollektive Gedächtnis postum erschienen ist, waren wegweisend.64 Halb­ wachs hat als Erster den Begriff des ‚kollektiven Gedächtnisses‘ geprägt und das Gedächtnis mit seinen sozialen Bedingungen in Beziehung gesetzt. Damit hatte er in den Diskurs um die Erinnerungsfähigkeit eine neue Komponente eingeführt. Die Kernthese von Halbwachs lautet: „Es gibt kein mögliches Ge­ dächtnis außerhalb derjenigen Bezugsrahmen, deren sich die in der Gesell­ schaft lebenden Menschen bedienen, um ihre Erinnerungen zu fixieren und wiederzufinden.“65 Halbwachs ging davon aus, dass, damit Erinnerungsbilder überhaupt entstehen können, diese mit konkreten Formen „eines Ereignisses, einer Person, eines Ortes“ in Verbindung gebracht werden müssen.66 Raum, Zeit und Gruppe bilden demnach den sozialen Rahmen, das „materielle Milieu“, für Erinnerungsbilder.67 Und die aktuellen Umstände, in denen der sich Erin­ nernde steckt, steuern nach Halbwachs den Prozess der Erinnerung. Hierbei handelt es sich um einen Prozess der „Rekonstruktion der Vergangenheit“ in einem konkreten gesellschaftlichen Rahmen.68 Demnach funktioniert Erinne­ rung nie als einfaches Abrufen originalgetreu aufbewahrter Erinnerungsbil­ der, sondern es handelt sich immer um jeweilige Versionen der Bilder. Das Verfahren, das bei der (Re-)Organisation der Erinnerung zum Tragen kommt, kann als Rekonstruktivität bezeichnet werden. Dies erfolgt in kommunikati­ ver Interaktion mit der jeweiligen Umwelt. Somit gilt Halbwachs als der Ent­ decker der sozialen Dimension des Gedächtnisses, die mit dem individuellen Gedächtnis interagiert. Darauf aufbauend fügen Jan und Aleida Assmann eine dritte Dimen­ sion hinzu, die Kultur, die „nicht einfach Wissen wie jedes andere Wissen auch, sondern auf ein Selbstbild bezogen und insofern eine Form von Ge­ dächtnis“ ist.69 Sie haben die Beobachtungen von Halbwachs zum Konzept des ‚kulturellen Erinnerns‘ und des ‚kulturellen Gedächtnisses‘ weiterentwi­ Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 29 ckelt. Bezugnehmend auf die Forschungen der Kulturanthropologin Aleida Assmann zum kulturellen Gedächtnis sowie zur Erinnerungskultur lassen sich weitere interessante Rückschlüsse auf die Formen und Funktionsweisen von Erinnerung ziehen.70 Hierzu zählt auch das sogenannte ‚Bildgedächtnis‘ – eine spezifische Form des Wissensspeichers.71 Voraussetzungen für die Bilder­ innerung sowie die Konstitution eines Bildgedächtnisses ist die Einprägung von visuellen Eindrücken in das individuelle Gedächtnis. Dabei sind zwei Faktoren entscheidend: zum einen die wiederholte intensive Betrachtung und zum anderen die Verbindung der Erinnerung mit Emotionen. Die Wahr­ nehmung von Bildern kann durch Emotionen und Affekte verstärkt werden, was deren Erinnerungskraft intensiviert. Dadurch werden die Bilder – welcher Art sie auch sein mögen – im doppelten Sinne wirkmächtig.72 Auch Max J. Friedländer thematisiert in seiner Schrift Von Kunst und Kennerschaft das Bildgedächtnis und attestiert dem Kunstfreund „ein zuverläs­ siges Gedächtnis für visuelle Erlebnisse, und zwar nicht etwa, weil er emsig aus­wendig gelernt, vielmehr, weil er mit seelischer Anteilnahme, in Erregung, die das Wachs der Gedächtnistafel erweicht, schauend genossen hat.“73 Darü­ ber hinaus spricht er von einer „Schule des Auges“ sowie vom „zum Sehen geborene[n] Künstler“, was sich in Bezug auf Tischbein als besonders relevant erweist.74 Tischbein kann durch seine Ausbildung als Künstler, die er durch ein selbstmotiviertes intensives Studium anhand von Originalen ergänzt, ein be­ sonders geschultes und späterhin weitreichendes Bildgedächtnis zugesprochen werden. Wie er selbst in seinen Lebenserinnerungen schreibt, nutzte er jede Gelegenheit, wo Bilder zu sehen waren.75 In einem Brief an Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807) aus dem Jahr 1792 – also 20 Jahre nach der Niederlande-Reise – kommt er darauf zurück: „[D]urch das viele Sehen lernt man unterscheiden und gelangt zu einer gewissen Kenntnis der Sachen.“76 Sein wichtigstes Arbeits- und Erkenntnisinstrument ist dabei ein vergleichendes Sehen.77 Auf diese Weise konstituiert sich sein individuel­ les Künstler-Bildgedächtnis, das er seit seinen Lehrjahren kontinuierlich er­ weitert hat. Tischbein hört auch nie auf, seinen Blick zu schulen – gewisser­ maßen durchläuft und praktiziert er eine lebenslange ‚Schule des Sehens‘ par excellence, wobei seine Reise in die Niederlande eine frühe und nachweisbar folgenreiche Schule war.78 Im Kontext der Niederlande-Reise kann man auch von einer explizit niederländischen Sehschule sprechen.79 Die Autobiographie und insbesondere das Niederlande-Kapitel geben Tischbein wiederum die Möglichkeit, sein Bildwissen beispielhaft zu demons­ trieren und so gelingt es ihm, seine Leser damit zu beeindrucken, zu unterhal­ ten sowie zu bereichern. Indem Tischbein seine auf persönlichen und subjek­ 30 Einleitung tiven Erinnerungen basierenden Erkenntnisse retrospektiv zu Papier bringt – mit dem Ziel der Veröffentlichung und Weitergabe derselben –, überführt er diese gewissermaßen in das kollektive bzw. kulturelle Gedächtnis. Dabei ist allerdings nach Assmann folgender Umstand zu bedenken: „Es führt kein ­direkter Weg von individuellen Erfahrungen und Erinnerungen zu einem kol­ lektiven Gedächtnis. Dieses ist keine Ansammlung von Einzelerinnerungen, sondern eine rekonstruierte Geschichte, die den Rahmen absteckt für die ­eigenen Erinnerungen, sodass man sich mit selbst Erlebtem in ihr wieder­ erkennt oder sich dieser Geschichte zurechnen kann. Das kollektive Gedächt­ nis ist im doppelten Sinn repräsentativ: Es repräsentiert einen als zentral be­ werteten Ausschnitt der Vergangenheit und ist repräsentativ für Einzelschick­ sale.“80 Darüber hinaus ist Folgendes einschränkend zu bedenken: „Der Übergang vom lebendigen individuellen zum künstlichen kulturellen Ge­ dächtnis ist allerdings problematisch, weil er die Gefahr der Verzerrung, der Reduktion, der Instrumentalisierung von Erinnerung mit sich bringt.“81 Eine damit korrespondierende Warnung spricht auch Peter Burke aus, in Bezug auf die Überlieferung von Erinnerungen in Memoiren und anderen schriftlichen Aufzeichnungen: „Selbstverständlich muß sich der Historiker – wie so oft – sagen, daß solche Aufzeichnungen keine unschuldigen Erinnerungen enthal­ ten, sondern eher Überredungsversuche sind, die aufgeschrieben wurden, um das Gedächtnis anderer zu modellieren. Auch sollte der Historiker niemals die einsichtsvolle Warnung des Sinologen Stephen Owen unterschätzen: ‚Leicht vergessen wir während der Lektüre von Memoiren, daß wir nicht im Gedächt­ nis selbst lesen, sondern seine Verwandlung durch die Schrift rezipieren.‘“82 Auch unter dem Blickwinkel der Gedächtnisleistung und ihrer Wirk­ samkeit muss folglich die grundlegende Bedeutung einer quellenkritischen Aufarbeitung und Kontextualisierung des Materials betont und ihnen beson­ dere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die eingangs beschriebene Proble­ matik der verschiedenen Zeithorizonte birgt jedoch zugleich einen beträcht­ lichen Erkenntnisgewinn. Tischbeins aufschlussreiche Beobachtungen schei­ nen in einer Art ‚Zeitkapsel‘ verschlossen zu sein, die nun geborgen werden kann. Da seine Lebenserinnerungen nicht wie geplant veröffentlicht wurden, konnten sie zu seinen Lebzeiten keine Wirkung mehr entfalten. Dennoch wa­ ren sie im Jahr ihres Erscheinens von bestechender Aktualität. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Tischbein bei der Niederschrift seiner Erinnerungen und Betrachtungen in Bezug auf die ‚Niederländer-Rezeption‘ seiner Zeit weit voraus war. Erst jetzt, aus der historischen Distanz betrachtet, werden die nachzeitige Wirkung sowie sein innovativer Ansatz deutlich. Eine Zeitkapsel beinhaltet ferner ein aktives, gestaltendes Moment, indem derjenige, der die Zeitkapsel erstellt, darin zugleich vorgibt, wie die Nachwelt sich an ihn oder Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 31 an etwas erinnern soll – so gibt auch Tischbein in seinen Lebenserinnerungen vor, wie er erinnert werden möchte. Bei den Zeitkapseln handelt es sich um verborgene Schätze – es sind besondere Bedeutungsträger, die eine spezifische Erinnerungskraft besitzen, denen historische Erfahrungen eingeschrieben sind und denen eine geschichtliche Zeugenschaft zukommt.83 Dies erinnert an das von Krzysztof Pomian entwickelte ‚Semiophoren‘-Modell, das die Idee der Zeitkapsel aufgreift und an konkreten Dingen festmacht.84 In diesem Fall wären es die in Manuskriptform konservierten Erlebnisse und Erinnerungsbil­ der Tischbeins. So wie ein Objekt als Zeichenträger verstanden wird, das erst durch die Kontextualisierung Bedeutung (zurück)erhält, so können auch die Lebenserinnerungen Tischbeins durch eine entsprechende (Re-)Kontextuali­ sierung – hier im Kontext der Editionsgeschichte sowie der ‚Niederländer-­ Rezeption‘ – erst ihre volle Bedeutung entfalten und entsprechend gewürdigt werden. Bislang sind die Aufzeichnungen Tischbeins nicht in die Forschun­ gen zur ‚Niederländer-Rezeption‘ eingeflossen und haben damit auch nicht unser Bild von der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ beeinflusst. Hierin liegt das ungehobene Potential der Erinnerungen Tischbeins – sie gewähren uns einen ganz spezifischen Blick auf die ‚Niederländer-Rezeption‘, der unseren heu­ tigen Forschungsstand bereichert.

Besondere Merkmale der Lebenserinnerungen Tischbeins

Tischbein begann mit der Niederschrift seiner Lebenserinnerungen im Alter von 60 Jahren und es sind keine Autographen bekannt, die sich im Falle der Niederlande-Reise auf die Jahre 1772/1773 datieren ließen.85 Seine schrift­ lichen Einlassungen basieren also auf Erinnerungen und Eindrücken, die sich in das Gedächtnis des Künstlers eingeschrieben haben. Welchen Wert er be­ stimmten Stationen seines Lebens beimisst und/oder sich am besten daran erinnern kann, spiegelt sich in der Länge und dem Detailreichtum einzelner Kapitel im Vergleich zu anderen wider. Das wird bereits im ersten Manuskript von 1811 deutlich. Dieses beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Kind­ heit Tischbeins im Elternhaus im hessischen Haina. Seinen Lehr- und Wan­ derjahren in Kassel, Hamburg und Bremen widmet Tischbein eine, vierzehn und fünf Seiten. Hieran wird ersichtlich, welchen Stellenwert Tischbein sei­ nen Hamburger Lehrjahren beimaß, die er in zahlreichen Details beschreibt. Der Aufenthalt in den Niederlanden, der ungefähr von derselben Dauer war wie der vorausgegangene Aufenthalt in Bremen, prägte den jungen Künstler offensichtlich nachhaltig, was er auf den zehn Seiten dieses Kapitels eindrück­ lich wiedergibt. Die folgenden sechs Jahre in Kassel, Hannover und Berlin fallen mit zusammengenommen zehn Seiten dagegen vergleichsweise kurz 32 Einleitung aus. Das Manuskript endet mit dem Antritt eines Stipendiums der Kasseler Kunstakademie und der Abreise Richtung Italien.86 Wirft man vergleichend einen Blick auf die von Mittelstädt publizierten Lebenserinnerungen, so er­ gibt sich folgendes Bild: Die dreißig Prozent seiner Lebenszeit, die Tischbein im Ausland verbracht hat, nehmen fünfundsiebzig Prozent seiner schrift­ lichen Erinnerungen in Anspruch. Die Niederlande-Reise nimmt dabei anteil­ mäßig – Textmenge im Verhältnis zur dort verbrachten Lebenszeit – die erste Stelle ein. Folglich sticht das Kapitel über den Aufenthalt in den Niederlanden allein durch seinen Umfang sowie seinen Detailreichtum heraus – dies gilt sowohl für das erste Manuskript als auch für die letzte Veröffentlichung. Die Definition der Autobiographie als einer „Erzählung des eigenen Lebens oder eines größeren Teils daraus und der Geschichte der eigenen Per­ sönlichkeit“ trifft auf die Lebenserinnerungen Tischbeins eindeutig zu.87 Um sie als Memoiren einzuordnen, fehlt ihnen weitgehend das Interesse an einem historischen Kontext und auch die literarische Gewandtheit. Dementspre­ chend werden im Folgenden die Begriffe ‚Autobiographie‘ oder ‚Lebenserin­ nerungen‘ Verwendung finden. Die Erzählung Tischbeins beginnt mit den frühesten Kindheitserinnerungen in Haina und endet – je nach Manuskript­ version – frühestens mit der Abreise nach Italien 1779 und spätestens mit der endgültigen Rückkehr aus Italien nach Deutschland im Jahr 1799.88 Seine spä­ ten Lebensjahre im Dienst des Herzogs Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg (1755–1829) in Eutin von 1808 bis zu seinem Tod 1829 werden nicht mehr berücksichtigt. Tischbein schildert folglich die Genese seines Künstlerlebens, das mit dem Direktorenposten der Akademie in Neapel seinen Höhepunkt erreicht. Tischbein stellt sein Leben als Maler mit Höhen und Tiefen dar, wobei er die Tiefen mitunter kaschiert und sie häufig eher zwischen den Zeilen zum Vorschein kommen. Dies hat wiederholt Anlass zu verschiedenen Spekulatio­ nen gegeben. Spekulativ sind vor allem die angestellten Vermutungen bezüg­ lich der Motivation Tischbeins, seine Lebenserinnerungen zu Papier zu brin­ gen. Sie beziehen sich insbesondere auf die etwa zeitgleiche Entstehung der Memoiren von Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Als Indiz für die angebliche Inspiration durch den Dichterfreund wird gerne die Parallelität der Titelgebung Aus meinem Leben herangezogen.89 Allerdings konnte eine sol­ che Betitelung bei Tischbein in den Archivalien nicht nachgewiesen werden und auch das erste Manuskript von 1811 enthält keine derartige Anspielung.90 Gemessen am Umfang der wissenschaftlichen Bearbeitung und Akzentuie­ rung der Bekanntschaft von Tischbein und Goethe – durch die gemeinsam verbrachte Zeit in Italien – spielt diese in der Autobiographie Tischbeins nur eine sehr untergeordnete Rolle. Demzufolge ist eine explizite Orientierung an Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 33

4 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Selbstbildnis, um 1810, Hamburger Kunst­ halle

Goethes Memoiren fraglich und vermutlich den späteren Herausgebern zu verdanken. Mit der Niederschrift seiner Lebenserinnerungen befand sich Tischbein durchaus im Trend der Zeit, seit sich die Autobiographie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem verbreiteten literarischen Phä­ nomen entwickelt hatte.91 Die Motive, sich autobiographisch zu verewigen, können dabei sehr vielfältig sein: „Bekenntnis vor Gott (confessio), Belehrung, Rechtfertigung (apologia), Abrechnung, soziale Rehabilitation, Selbst­erkennt­ nis, Selbstvergewisserung, Selbstdeutung oder Selbsterhöhung“.92 Nach Sabine Groppe resultiert eine Autobiographie nicht selten „aus Defiziterfahrungen und aus der Hoffnung, in der Erinnerung zu fassen, was im Leben noch nicht oder nicht mehr zu halten ist: Seinsgewißheit und Identität“.93 Bedenkt man die Vita Tischbeins, so erscheint dieser Gedanke durchaus plausibel. Aus den Archivalien und seiner Korrespondenz geht hervor, dass Tischbein von seinen Freunden um das Verfassen seiner Lebenserinnerungen gebeten wurde.94 Die­ ser Bitte kommt er in der ersten Manuskriptversion mit der Formulierung nach: „Sie lieber freund verlangen ich soll Ihnen etwas von meiner Lebens Geschichte sagen?“95 (vgl. Abb. 3). Ein bemerkenswerter erster Satz, in dem er sich sehr zurücknimmt – aus Koketterie, Understatement oder Unsicherheit? Zur selben Zeit entstand in Eutin ein Selbstbildnis, in dem sich Tisch­ bein als gealterter und erfahrener Künstler präsentiert (Abb. 4).96 Er hält einen Zeichengriffel, einen ‚porte-crayon‘, in seiner rechten Hand, die zugleich als Bekenntnis seines Künstlerselbstverständnisses auf sein Herz weist. Dieses in 34 Einleitung

5 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Notizen zu Rottenhammer u. a., um 1810, ­Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

Selbstbildnissen häufig anzutreffende Attribut unterstreicht die Bedeutung der Zeichenkunst in der künstlerischen Praxis. Es erscheint signifikant, dass sich Tischbein nicht etwa mit Pinsel und Palette als Maler zeigt, sondern mit einem Künstlerattribut, das der Schreibfeder so ähnlich ist. Dementsprechend kann das Portrait (auch) als gemaltes Pendant der geschriebenen Selbstdar­ stellung betrachtet werden. Tischbein inszeniert sich hier als konzentrierter und aufmerksamer Beobachter, der aus der Leinwand heraus auf die Welt und sein eigenes Leben zurückblickt. Seine besondere Beobachtungsgabe spiegelt sich gleichermaßen in seinen Lebenserinnerungen, in denen er seine Erleb­ nisse und Eindrücke facettenreich in Worten skizziert und in prägnante Er­ zählungen und Gedankenbilder überführt. Die enge Verzahnung von Bild und Text in Tischbeins Schaffen wird immer wieder deutlich. Die Textgestaltung der Lebenserinnerungen zeigt ge­ wisse Ähnlichkeiten mit der künstlerischen Technik der Collage bzw. Mon­ tage.97 Dies gilt nicht nur für den Text selbst, sondern auch für den visuellen Eindruck, den die überlieferten Manuskripte und insbesondere die zahlrei­ chen Textfragmente machen.98 Dabei kann die Collagetechnik mitunter wört­ lich gefasst werden, da Tischbein nicht davor zurückschreckt, einzelne Auto­ graphen zu zerschneiden und neu aneinander zu kleben, das Papier in unter­ schiedlichen Richtungen zu beschreiben (Abb. 5) oder durch Zeichnungen zu ergänzen (Abb. 6).99 Damit korrespondiert die Einschätzung des Herausgebers von Tischbeins Briefwechsel Friedrich von Alten: „Wohl aber mochte er [Tischbein] fühlen, dass seine ungewandte Feder der Aufgabe nicht gewach­ sen war; klagte er doch selbst einmal, es werde ihm so schwer im Zusammen­ hang zu schreiben, weil es ihn immer treibe, statt zu schreiben zu zeichnen, und in der That sind die meisten seiner hinterlassenen Schriftstücke mit Das ‚Tischbein-Puzzle‘ 35

6 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Manuskript zur Lebensgeschichte, Baumgruppen, ­Skizzen, Ausschnitt, um 1810, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

Umrissen bedeckt.“100 Dass Tischbein eher in der Bildwelt als in der Textwelt zuhause ist, zeigt sich immer dann, wenn er Kunstwerke und Sammlungen beschreibt, was ihm sehr anschaulich gelingt. Zudem hält er Szenen der Kunstbetrachtung in flüchtigen Skizzen fest (Abb. 7). Hinzu kommt Tisch­ beins Wunsch, die Autobiographie durch Illustrationen zu ergänzen.101 Darüber hinaus kennzeichnet das Prinzip „je länger […] desto besser“ die Arbeitsweise Tischbeins. Dieses Zitat entstammt der Korrespondenz Tisch­ beins und lässt sich auf die Niederschrift der Lebenserinnerungen übertragen, da es ebenfalls umfangreiche publizistische Bemühungen betrifft. So schreibt Tischbein 1796 in Verbindung mit der Arbeit am Homer-Werk: „[I]ch sehe aber auch je länger, dass es liegen bleibt, desto besser wird es, indem ich be­ ständig daran arbeite und sammle und darüber nachdenke, so wird es immer reifer und vollkommener.“102 Diese Selbsteinschätzung charakterisiert tref­ fend die Beschaffenheit des gesamten Künstlernachlasses und gilt ebenso für die darin enthaltenen Manuskripte. Je länger Tischbein an seinen Lebenserin­ nerungen arbeitete, desto umfangreicher, aber zugleich fragmentarischer wur­ den die einzelnen Autographen.103 Insofern scheint die besondere Beschaffen­ heit der Autobiographie in ihrem fragmentarischen Charakter mit seinem bewegten Leben zu korrespondieren. Zudem weiß Tischbein wirkmächtige Narrative gezielt oder auch un­ bewusst einzusetzen, in jedem Fall mit prägender Regelmäßigkeit und beste­ chender Prägnanz, sodass bestimmte Passagen dem Leser der Lebenserin­ nerungen unvergesslich bleiben. Zur Bereicherung der Erzählung werden 36 Einleitung

7 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Zwei Kunstbetrachter, um 1815, Landes­ museum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

Charakterisierungen, Begebenheiten und Gespräche teils in Form von Anek­ doten eingeflochten, die sich im Falle des Niederlande-Kapitels entweder his­ torisch auf das 17. Jahrhundert oder zeitgenössisch auf Tischbeins dortigen Aufenthalt beziehen.104 Das Anekdotische ist gerne Teil geselliger Unterhal­ tungen und behält auch bei der literarischen Verarbeitung dank entsprechen­ der Formulierungen oder dem Einfügen von Anführungszeichen den Charakter der Mündlichkeit bei. Darüber hinaus sind Tischbeins Anekdoten sehr facetten­­ reich und beschäftigen die Einbildungskraft auf besondere Weise. Und sie sind zugleich anschauliches Quellenmaterial, das nebenbei interessante Fakten präsentiert.105 Durch die Wiedergabe bekannter Anekdoten sowie die Schaf­ fung neuer stellt sich Tischbein mit seinen Lebenserinnerungen in eine lange Tradition der Künstlerbiographik als einer besonderen Variante der (selbstdar­ stellerischen) Erinnerungskunst.106 Die charakteristischen Momentaufnahmen werden dadurch nicht nur Teil des individuellen, sondern auch des kollektiv- kulturellen Gedächtnisses – im Sinne der Überlieferung „des Merkens wür­ dige[r] Begebenheiten“.107 Darüber hinaus weisen die Lebenserinnerungen Tischbeins zahlreiche Ähnlichkeiten mit zeitgenössischen Reiseberichten auf.108 Dies verwundert kaum, wenn man bedenkt, dass Tischbein sich zeit seines Lebens auf Wander­ schaft befand und ihm kaum längere Aufenthalte an einem Ort gewährt wur­ den. Die einzigen Ausnahmen bilden der Aufenthalt in Neapel als Direktor der dortigen Kunstakademie (1787–1799) sowie seine späte Anstellung als Hofmaler im Dienst des Herzogs von Oldenburg in dessen Sommerresidenz in Eutin (1808–1829). Diese beiden Stationen sind jedoch nicht fester Bestand­ teil des Tischbein’schen Manuskriptes.109 Reiseberichte sind vielfach Teil von Tischbeins Begegnungen mit der niederländischen Kunst 37

Autobiographien: „Das Leben wird in der Autobiographie nicht als etwas schon Fertiges dargestellt, sondern als Prozeß; es ist nicht nur die Erzählung einer Reise, sondern auch die Reise selbst. Es muß in ihr ein Gefühl des Ent­ deckens dabei sein.“110 Der Charakter des Reiseberichtes und der Entdeckungs­ reise wird insbesondere am Beispiel des Niederlande-Kapitels Tischbeins deut­ lich. Die Integration von Anekdoten bei der Schilderung von erlebten oder erfahrenen Ereignissen ist auch im Reisebericht üblich.111 Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass sich die Gattung seit dem Ende des 18. Jahr­ hunderts „im Spannungsfeld zwischen Informationsvermittlung und Kunst- bzw. Unterhaltungsanspruch“ befindet.112 Es ist jedoch nicht davon auszuge­ hen, dass Tischbein mit publizierten Reiseberichten und Autobiographien durch eigene Lektüre vertraut war und sich bewusst daran orientiert hat.113 Dennoch bedient er all diese Anforderungen und erlaubt so einen vieldimen­ sionalen Blick auf sein Leben, seine Zeit und – was hier vor allem interessiert – die ‚Niederländer-Rezeption‘. So lässt sich nachvollziehen, wie die Situation beschaffen war, in welcher der niederländischen Kunst eine neue Wertschät­ zung zuteil wurde, die in Europa eine immer weitere Verbreitung fand.

1.3 Tischbeins Begegnungen mit der niederländischen Kunst

Aufgrund der weitverzweigten und unübersichtlichen Gestalt der Künstler­ familie Tischbein, die mitunter auch als ‚Künstlerdynastie‘ bezeichnet wird, bedarf es einer kurzen Erläuterung, welcher der Künstler aus drei Malergene­ rationen im Zentrum der vorliegenden Studie steht.114 Die kunsthistorische Forschung bezeichnet Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829) ge­ meinhin als ‚Goethe-Tischbein‘ und charakterisiert ihn neben seiner Bekannt­ schaft mit Goethe über die beiden wichtigsten Stationen seines Lebens als Akademiedirektor in Neapel und als Hofmaler der Herzogs von Oldenburg in Eutin (vgl. Abb. 4).115 Er ist der dritte Neffe von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722–1789), des aufgrund seiner Tätigkeit als Hofmaler und Akademie­ direktor in Kassel sogenannten ‚Kasseler Tischbein‘. Obwohl Johann Heinrich der drittgeborene Maler der ersten Generation ist, gilt er als der Stammvater der Malerfamilie.116 Sein älterer Bruder Johann Valentin (1715–1776) ist es, der sich als erster der Tischbeins in den Niederlanden aufhält – 1750/1751 in Maastricht und anschließend in Den Haag.117 Im Jahr 1750 wird Johann ­Valentins Sohn Johann Friedrich August (1750–1812) in Maastricht geboren, geht für seine Ausbildung nach Kassel und beginnt eine erfolgreiche Karriere 38 Einleitung in Deutschland. Besonders prägend ist seine Tätigkeit in Leipzig, weshalb er in der Forschung als ‚Leipziger Tischbein‘ bezeichnet wird. Zeit seines Lebens ist er viel auf Reisen und so sind für Johann Friedrich August die umfang­ reichsten Niederlande-Aufenthalte belegt – er hält sich 1781/1782, 1786 so­ wie 1788/1789 in Den Haag auf und 1791–1794 in Amsterdam.118 Johann Heinrich Wilhelm ist also keineswegs der erste Vertreter der Künstlerfamilie, der die Niederlande besucht. Er ist es jedoch, der seine Niederlande-Reise ­detailreich in seinen Lebenserinnerungen verarbeitet.119 Zudem beginnt er seine Lehr- und Wanderjahre im Ausland nicht wie damals üblich – wie bspw. Johann Heinrich Tischbein d. Ä. – in Frankreich oder Italien, sondern sein Weg führt ihn zunächst in die Niederlande. Die Frage, worauf das Interesse Tischbeins an der niederländischen Kunst, insbesondere jener des ‚Goldenen Zeitalters‘, zurückzuführen ist, lässt sich mit einem Blick in seine Autobiographie beantworten. Die früheste Be­ gegnung mit niederländischen Meistern könnte im Alter von 14 Jahren wäh­ rend seines Aufenthaltes in Kassel (1765/1766) erfolgt sein, sie ist jedoch in den Lebenserinnerungen nicht dokumentiert. Tischbein berichtet zwar, dass er sich im Hause seines Onkels Johann Heinrich Tischbein d. Ä. aufhält und erwähnt die Vorfreude auf die Menagerie des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel (1720–1785).120 Ob er diese sowie die umfangreiche Gemälde­ sammlung damals bereits besucht, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Fest steht, dass Tischbein spätestens während seiner Lehrjahre in Hamburg (1766–1771) in Berührung mit der niederländischen Kunst kommt. Der Aufenthalt in der Hansestadt ist für ihn von besonderer Bedeutung, wie er in seinen Lebenserinnerungen betont: „Hamburg ist ein Ord wo ein bestan­ tiger Verkehr und Wechsel der Gemalte ist. Von kauf und verkauf. Oft werdn auch welche dahin geschickt zu Aucionen davon zu halten. Auch sie selbst besassen in der Zeit viele [Einschub: aber] hatten vor her viel mer. in der Zeit als die Reformiertn aus Prabant wanderten, brachten die schäze von Gemalte mit, von den Grösten Niederlandischen Meisters. Die familigen welche wel­ che Kunstsinn und Kentnis hatten, starben dan aus, und die Gemalte bleiben da. aber wie die emalige Besizer gestorben war, war auch die liebe für die Ge­ malte tod. Die veranterung in der familige, machte das die Bilder als unnüze Mepeln auf den bohten gestelt worden. auch wol gar an Kleiderfallen [?] ver­ kauft. So sagte mir ein alder gemahlten händler, er in seiner jugen, oft bey dem Drotler die schönsten Bilder von Rembrand, Rubens und van Deick ge­ kauft habe. Familien Portrate kamen damals von den besten Mahler hir her. Die besten bilder sind dan nach und nach von H. verschwunden. zum theil durch gemahlden handler nach anden Stad und Länder verschickt. […] fast in jedem Hamburger Haus fand man gemahlte. Es mus eine algemeine liebhaberung Tischbeins Begegnungen mit der niederländischen Kunst 39 gewessen sein, gemahlte zu haben. das geben die vielen Bilder zu er­kenen, die man von allen farben siehet. geringe und gute, es zeicht das von allen Stän­ den bemitelte und unbemitelde welche hatten. Man sahe sie in den Zimern und auf den Thielen.“121 Insbesondere im Haus des Kunsthändlers Johann Dietrich Lilly (1705– 1792) erhält der junge Tischbein prägende Einflüsse für seine Niederländer- Begeisterung.122 Die Werke niederländischer sowie anderer Künstler darf er nach seinen eigenen Interessen aus dem Fundus von Lilly auswählen und kopieren.123 Über die vorhandenen Kunstschätze berichtet er: „Ich wehlte die Bilder auf dem Bohten erst zu sehen, die da in Grosen Stapels standen, und # merere jahren nicht um gekert wahren worden. ob da welche under waren die einige reinigung und aus besserung nöhtig hätten, um sie dan in die Zimer auf zustellen. Diesses worde mit freude mir gewehret. Was war das für ein herliger Genuss für mich. ich fand viele vortreflige Bilder da. Besonders Köpfe und Portrete von Grosen Meisters. welche nicht [Einschub: leicht] gut zu ver­ kaufen sind, und dan auf dem bohten geschmissen wurden. für mich war dies ein Glück diesse Meister werke in Händen und so nahe vor Augen zu ha­ ben.“124 Darüber hinaus notiert Tischbein: „In diessem Haus wo so viele Kunstschäze wahren, sass ich als ein junger Sperling in Saat. […] es waren da viele Zeihen Bücher, wo die ersten Regeln angewiessen werden. die stutierte ich. auch waren schöne Kupfer und orginal Handzeihnungen von den Grosen Meisters da.“125 Tischbein wird nicht nur mit der Sammlung Lillys vertraut, dieser macht ihn in Hamburg auch mit verschiedenen weiteren Kunsthändlern und Sammlern bekannt. So berichtet Tischbein in seinen Lebenserinnerungen hauptsächlich von niederländischen Künstlern und Werken, die er in ver­ schiedenen Hamburger Sammlungen betrachten und teils sogar kopieren kann.126 Er ergänzt sein Studium am Original durch die Anleitung zur Kunst­ betrachtung der Sammler und den Besuch von Gemäldeauktionen, die er als sehr belehrend beschreibt.127 Die Lehrjahre in Hamburg beschließt er mit dem Wunsch: „Ich hatte ein unwiedersteliges Verlangen Holland zu sehen. Das land wo die grosen Mahler gelebt haben, und zum theil noch ihre bewunders­ würtige Wercke sind.“128 Bevor Tischbein in die Niederlande reist, verweilt er zunächst noch einige Zeit in Bremen, um sich dort weiterzubilden und die Reise zu finanzie­ ren. Hier lernt er den Stadtkommandanten und Obristen Melchior Wilmans (1729–1807) kennen, der sich seiner annimmt und ihn nachdrücklich för­ dert.129 In Bremen widmet Tischbein sich der Portraitmalerei sowie dem ­Studium der Alten Meister und erinnert sich: „[I]ch sagte ja, ich habe nach Vondeick Rubens und Rembrand, Portrete studirt. und mich auch nach der 40 Einleitung

8 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Orientalisierender Kopf in der Art , Landesmuseum für Kunst und Kultur­ geschichte Oldenburg

Nathur geübt.“130 Außerdem fertigt er dort einige Radierungen nach Rem­ brandt Harmensz. van Rijn an.131 Zum Vergleich kann eine Federzeichnung Tischbeins in der Art Rembrandts angeführt werden (Abb. 8). Dies dokumen­ tiert exemplarisch Tischbeins fleißige und immer umfangreicher werdende Aneignung der niederländischen Kunst – noch bevor er sich aufmachte, sie an Ort und Stelle zu studieren. Tischbein bricht im Jahr 1772 von Bremen aus in Richtung Nieder­ lande auf. In seinen Lebenserinnerungen beschreibt er seinen Reisebeginn wie folgt: „[N]un worde die lust Engeland zu sehen über wiegender als die welche ich erstens vor Holland hatte. und ich nahm mir vor [Einschub: uber] Holland nach Engeland zu reisen. und wollte da nur die Merckwedigste ­Sachen und die vorzügligste Bilder besehen. Darauf richtete ich mich ein, nahm Adresse nach Amsterdam mit. Kande auch schon einige die da woh­ nen. und brachte einem ein Portrat mit, das ich von seiner Mutter gemacht hatte, die in Bremen wohnt. Um leichter zu reisen nahm ich nur einen Koffer mit Gleider mit mir. und gab meine übrige Sachen einem Schiffer über der wie er meinde schon vor mir zur See in Amsterdam zu sein. Es waren verschieden Kisten mit Bilder, Zeihnungen und Kupferstiche und andern Sachen.“132 Auf seiner Reise schildert Tischbein zunächst die Landschaft, die er mit der Post­ kutsche durchquert, die stürmische Überfahrt mit dem Schiff über die Zuider­ zee sowie die Ankunft im Amsterdamer Hafen. Sein Ansinnen macht er gleich nach dem Eintreffen deutlich: „Kaum hatte ich mich im Wirtshaus um geglei­ Tischbeins Begegnungen mit der niederländischen Kunst 41 det, so ging ich aus die Stadt zu besehen, wo man überall wohlhabenheit und fleis siehet. Man siehet der bewohner emsigkeit und ordnung, wie sie diessen wassrigen ord durch Mühe und Kunst zu einem angenehmen wohn ord um­ geschaffen haben. Erst gab ich meine adres briefe ab, dan sahe ich die Ge­ mahlde welche in offenligen Häus zu sehen sind, als auf dem Stadthaus, und der Anatomi. besuche Gemaldehändler und Liebhaber Kabinette die Samlun­ gen von Gemahlte haben. und die welche Nathuralien Samlungen haben. Diesses waren meine ersten bekandschaften. Bey diessem herum gehen arbei­ dete ich doch jeden tag, und hatte mir zum Gesez gemacht jeden tag so viel zu mahlen das wenigsten so viel oder mer werthe sey als das was ich anzuse­ ten. […] Ich hatte werdender Zeit viele Bekanndschaften gemacht, und malde Portrette und familien Bilder im kleinen. und auch andere Bilder von meiner eigen Erfindung, und auch welche um mich zu üben. Bey dem suchte ich keine Gelegenheit vorbey gehen zu lassen wo Gemahlte zu sehen waren.“133 Dieses Zitat umschreibt treffend Tischbeins Reisevorhaben. Auf weitere De­ tails wird im Rahmen der verschiedenen Kapitel der Studie eingegangen. Die Beschreibung der Niederlande-Reise lässt darauf schließen, dass Tischbein die meiste Zeit seines Aufenthaltes in Amsterdam verbringt. Darüber hinaus besucht er das Umland, bspw. das benachbarte Zaanstad bzw. Zaan­ dam. Hier interessiert ihn vor allem die niederländische Landschaft (Abb. 9). Zu seinen Stationen zählt ferner Den Haag: „Dan machte ich auch eine reise durch Holland, um die verschieden Städe zusehen. und die Bilder im Haag. Da sah ich den berühmt Ochsen von Potter. es ist werklig alles was man nathür­liges sehen kann.“134 Manche Textpassagen lassen sich jedoch nicht konkret auf diese oder jene niederländische Stadt beziehen und zuordnen. Tischbeins Auseinandersetzung mit der niederländischen Kunst endet jedoch nicht mit seinem Aufenthalt in den Niederlanden. Kaum zurück in Deutschland, im Spätsommer 1773, will Tischbein seinen Bruder Johann Heinrich Tischbein d. J. (1742–1808) zu einer gemeinsamen Niederlande-Reise bewegen.135 Er bleibt zunächst in Kassel und kopiert in der Gemäldegalerie der Landgrafen von Hessen-Kassel verschiedene Meisterwerke. Sein Interesse gilt auch hier in erster Linie der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts.136 Hieraus lässt sich schließen, dass die Kasseler Sammlung für Tischbein einen hohen Stellenwert besitzt, weshalb sie im Folgenden als wichtige Referenz­ sammlung dienen wird. In einer Auflistung der Meisterwerke der Kasseler Ge­ mäldegalerie, die Tischbein anfertigt, stehen die Niederländer an erster Stelle, in einem zweiten Teil fügt er die Italiener hinzu. Die einleitenden Formulie­ rungen der beiden Teile zeigen, dass die Reihenfolge und der Umfang nicht zufällig gewählt sind, sondern eine bewusste Gewichtung darstellen. Ist im ausführlicheren ersten Teil von „vortrefflichen Meisterwerken“ die Rede, so 42 Einleitung

9 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Niederländische Landschaft, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

wird der kürzere zweite Teil mit der Bemerkung eingeleitet: „Auch viele italie­ nische Bilder waren da.“137 Eine Verschiebung dieser impliziten Wertung tritt erst später ein, mit der Reise nach Berlin im Jahr 1777 und dem Besuch der Sammlung in Dresden, wo Tischbein konstatiert: „Hir sahe ich nun zum ers­ ten Mahl Gute itialienische Bilder, die mich in verwunderung sezten, beson­ ders die von Coreggio.“138 Auf weiteren Reisen steht die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ weiterhin im Zentrum seines Interesses.139 Während Tischbeins Aufenthalten in Italien (1779–1781 und 1782– 1799) gerät die niederländische Kunst selbstredend in den Hintergrund. Die italienische Kunst ist zu diesem Zeitpunkt neu und faszinierend für ihn, allem voran die Malerei des italienischen Barocks. Doch auch in den späteren Kapi­ teln der Lebenserinnerungen kommt er gelegentlich wieder auf die nieder­ ländische Kunst zu sprechen – bspw. im Zusammenhang mit den niederlän­ dischen ‚Italianisanten‘ oder bei der Schilderung seines Aufenthaltes in Mai­ land.140 Die wichtigste Quelle für Tischbeins ‚Niederländer-Rezeption‘ bilden jedoch vor allem die frühen Kapitel mit den Schilderungen der Aufenthalte in Hamburg, Bremen, Kassel und den Niederlanden. Diese Abschnitte, insbeson­ dere jener zu Tischbeins Reise in die Niederlande, sind daher die Grundlage der weiteren Analyse.141 Anmerkungen 43

1.4 Anmerkungen

Abkürzungen GAM Gemäldegalerie Alte Meister LMO Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg MHK Museumslandschaft Hessen Kassel SAB Stadtarchiv Braunschweig

1 LMO, PT 26, S. 16, vgl. Mittelstädt 1956, S. 70. 2 https://codart.nl/feature/curators-project/the-problem-of-the-golden-age/ (15.11.2019). 3 https://canon.codart.nl/about/ (15.11.2019). Nach einer Vorauswahl durch ein Auswahlgremium folgt die Abstimmung durch die CODART-Mitglieder und abschließend darf sich auch die Öffent­ lichkeit an der ‚Kanonbildung‘ beteiligen. 4 Pfisterer 2003, S. 314. Vgl. hierzu allgemein Kemp 1985 und beispielhaft Kemp 2003. 5 Pfisterer 2003, S. 317. Vgl. hierzu bspw. Heckmann 2003. 6 Musner 2005, S. 173. 7 Espagne/Werner 1985, S. 506. 8 Bredekamp 2006, S. 28f. 9 Kruse 2010, S. 94. 10 Zum ‚pictorial-turn‘ nach Thomas Mitchell vgl. Mitchell 1992. Zum ‚iconic-turn‘ nach Gottfried Boehm vgl. Boehm 1994. Vgl. hierzu ferner die ‚Bild-Anthropologie‘ nach Hans Belting mit der konstitutiven Trias Bild – Medium – Körper, Belting 2001. 11 Vgl. Sachs-Hombach 2006, Schulz 2005, Sachs-Hombach 2003. 12 Hensel 2011, S. 13. Zu Warburgs Wissenschaft von bzw. in Bildern vgl. Zumbusch 2004. 13 Pfisterer 2003, S. 169. 14 Freedberg 2006, S. 32. 15 Friedländer 1957, vgl. ferner Friedländer 1929, Friedländer 1919. 16 Vgl. Pfisterer 2003, S. 169, vgl. ferner Maes 2009, Zelle 2002. 17 Bourdieu 1970, S. 60. 18 Bourdieu 1982, S. 359. 19 Bourdieu 1982. 20 Vgl. Lauring 2016. 21 Sitt 2013, S. 179f. Einleitend heißt es: „Die Frage nach der Rezeption der niederländischen Malerei des Goldenen Zeitalters zum Ende des 18. Jahrhunderts wird hier vor dem Hintergrund von Georg Forsters zwischen 1791 und 1794 erschienenen Ansichten vom Niederrhein untersucht. Diese Periode gehört in den unterschiedlichen Phasen der Wiederentdeckung und Rezeption der niederländischen Malerei zu den kaum bearbeiteten Zeiträumen.“ Ebda. 22 Schnaase 1834, Rathgeber 1844. 23 Houbraken 1976, Weyerman 1729–1769. 24 Heinecken 1768/1769, Gräf 1911. 25 Hagedorn 1762. 26 Gerson 1983. Im Rahmen des Projektes ist insbesondere das Teilprojekt Gerson Digital: Germany (2016–2019) relevant. https://rkd.nl/nl/projecten-en-publicaties/projecten/136-gerson-digital-germany (11.01.2019). 27 Gerson 1983, S. 311f. 28 Kat. Luxembourg 2010, S. 14. 29 North 2001, North 2002, vgl. ferner North 2012, North 2006, North 2006a, North 2006b, North 2004, North 2003. 30 Korthals Altes 2003, vgl. ferner Korthals Altes 2006, Korthals Altes 2000. 31 Ketelsen/Stockhausen 2002, vgl. ferner Ketelsen 2001, Ketelsen 1998, Ketelsen 1997. 32 Hoet 1752. 33 Zu erwähnen sind hier bspw. der Ausstellungskatalog Die Meister-Sammlerin Karoline Luise von Baden sowie der Aufsatzband Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis – Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext. Kat. Karlsruhe 2015, Frank/Zimmermann 2015. 44 Einleitung

34 Zu nennen sind hier neben den Online-Datenbanken der Museen insbesondere die Datenbank des Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis (RKD) sowie der Getty Provenance Index. Abrufbar unter: https://rkd.nl/nl/ und https://getty.edu/research/tools/provenance/. 35 Zur Definition und Geschichte der kunsthistorischen Archiv- und Quellenforschung vgl. bspw. Pfis­ terer 2003, S. 15–18. 36 Ich danke Rainer Stamm, Michael Reinbold und Sebastian Dohe für die großzügige Unterstützung und die Bereitstellung der Tischbein-Archivalien aus dem Bestand des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Ferner gilt mein Dank den Mitarbeitern des Stadtarchives Braun­ schweig für die Einsicht in die Archivalien aus dem Nachlass von Carl Georg Wilhelm Schiller. Und nicht zuletzt möchte ich Justus Lange für den Einblick in die Sammlung und Geschichte der Gemälde­ galerie Alte Meister der Museumslandschaft Hessen Kassel während meines wissenschaftlichen ­Volontariates (2016–2018) danken, wovon die vorliegende Arbeit zusätzlich profitieren konnte. 37 Mildenberger 1986, Friedrich/Heinrich/Holm 2001, Heinz 2005. Insbesondere Hermann Mildenber­ ger hat Johann Heinrich Wilhelm Tischbein zahlreiche Aufsätze und Publikationen gewidmet und damit einen wesentlichen Beitrag zur Tischbein-Forschung geleistet. 38 Schiller 1861, Brieger 1922, Mittelstädt 1956. Das relevante Quellenmaterial, sowohl verschiedene Manuskripte zu den Lebenserinnerungen als auch fragmentarische Autographen, befindet sich zu einem Großteil im Tischbein-Nachlass im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Olden­ burg. Dieser umfasst 2.132 Inventarnummern, wobei eine Inventarnummer i. d. R. aus 1 bis 2 fol. besteht, einzelne große Konvolute können bis zu 177 fol. enthalten. Teil des Nachlasses sind außer­ dem Briefe und Zeichnungen. LMO, PT 1–PT 2.132. Darüber hinaus enthält der Nachlass des ersten Herausgebers Carl Georg Wilhelm Schiller im Stadtarchiv Braunschweig weiteres wertvolles Quellen­ material, das die verschiedenen Überarbeitungsstufen dokumentiert. Der Nachlass von Schiller ist nicht einzeln inventarisiert, weshalb er nur als Konvolut zitiert werden kann, ggf. mit erläuternden Anmer­ kungen versehen. SAB, H III 1 Nr. 22. Zu Carl Georg Wilhelm Schiller vgl. Kat. Braunschweig 2007. 39 Auf diese Problematik wies erstmals Martina Sitt hin. Für einen Vortrag in der Kurhessischen Gesell­ schaft in Kassel im Januar 2012 recherchierte sie zu den inhomogenen Partien des 1861 publizierten Textes der Lebenserinnerungen Tischbeins. Das führte im Ergebnis zum Wiederauffinden von Teilen der Editionsgeschichte in Braunschweig und der originalen Texte im Museumsarchiv von Olden­ burg. Ich danke Martina Sitt für die Hinweise darauf sowie für die Ermöglichung der Forschungsauf­ enthalte in Braunschweig, Oldenburg und Eutin. 40 Rehm 2016. Der Inhalt des Aufsatzes wird im Folgenden verkürzt wiedergegeben. 41 LMO, PT 26. 42 Vgl. Alten 1872, S. 209. 43 Vgl. SAB, H III 1 Nr. 22, Gutachten von Graf Vollrath zu Solms-Rödelheim. 44 In den zahlreichen Briefen geht es immer wieder um die Niederschrift der Autobiographie sowie deren Problematik. Tischbeins Freunde werden nicht müde, ihn zur Fortführung des Projektes zu ermuntern. Vgl. SAB, H III 1 Nr. 22, Briefabschriften angefertigt von Jacob Ludwig Römer. 45 LMO, PT 833. Dieses Manuskipt ist mit eigenhändigen Korrekturen und Ergänzungen Tischbeins versehen, weshalb es als autorisierte Fassung angesehen werden kann. 46 LMO, PT 838. 47 Vgl. SAB, H III 1 Nr. 22. 48 Vgl. SAB, H III 1 Nr. 22. 49 Schiller 1861, S. V–XL. 50 Brieger 1922. Die Anmerkungen enthalten knappe Hinweise zu den von Tischbein genannten Per­ sonen, Bemerkungen zu erwähnten Gemälden, mitunter angestellte Vermutungen des Heraus­ gebers, Briefzitate von, an und über Tischbein sowie zeitgenössische Anekdoten. Brieger begründet die Kürze damit, dass dieser Teil „im Interesse der allgemeinen Lesbarkeit des Buches so knapp wie möglich gehalten wurde“. Ebda., S. 8. 51 Mittelstädt 1956. Die Anmerkungen dienen vor allem der Identifikation der genannten Künstler und folgen größtenteils demselben Schema. Sie lauten bspw.: „Potter – Paulus Potter, 1625–1654; holländischer Tier- und Landschaftsmaler. Die Entwicklung des reinen Tierbildes ist Potters Ver­ dienst.“ Ebda., S. 388. 52 Seither hat es bspw. in der von Amazon vertriebenen und von CreateSpace Independent Publishing Platform verlegten Reihe Holzinger Edition einen Neudruck gegeben, der laut Impressum 2014 bereits in der dritten Auflage erschienen ist. Dort heißt es: „Vollständiger, durchgesehener Neusatz bearbeitet Anmerkungen 45

und eingerichtet von Michael Holzinger.“ Als Textgrundlage wird die Publikation von Kuno Mittel­ städt aus dem Jahr 1956 angeführt. Die postulierte Vollständigkeit bezieht sich allerdings nur auf den Text, die von Mittelstädt ergänzten Elemente wie Anmerkungen, Nachwort, Abbildungen mit Verzeichnis sowie ein Namensverzeichnis wurden nicht übernommen. Folglich handelt es sich um einen reduzierten Neudruck, ohne jegliche kritische Einordnung oder Erläuterung. Holzinger 2014. Vgl. Rehm 2016, S. 179. 53 LMO, PT 26. 54 Schiller 1861, S. XXXVII. 55 LMO, PT 26, S. 22–31, Schiller 1861, S. 91–122. 56 Schiller 1861, S. 91–122, Brieger 1922, S. 78–98, Mittelstädt 1956, S. 78–104. 57 LMO, Nachlass Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, PT. SAB, Nachlass Carl Georg Wilhelm Schiller, H III 1 Nr. 22. 58 Jedes geplante Vorwort der Lebenserinnerungen enthält einen entsprechenden Hinweis auf die or­ thographische Problematik. Zu nennen sind neben den drei Editionen von 1861, 1922 und 1956 bspw. das Vorwort von Carl Christian Ludwig Starklof oder das Gutachten des Grafen Vollrath zu Solms-Rödelheim. 59 LMO, PT 26. 60 Vgl. Groppe 1990, S. 21. 61 Vgl. Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007, S. 59. Auch im Rahmen der Künstlerbiographik ist mit­ unter eine „Tendenz zur überindividuellen Typisierung und Stilisierung“ zu beobachten. Vgl. Un­ seld/Zimmermann 2013, S. XIII. 62 Tischbein schreibt bspw. gleich auf der ersten Seite des Manuskriptes von 1811: „Seit der Zeit hatte ich auch einen Vorzug, wan wir Kinder bei unsern Gros Eldern waren. und sassen um den Grosen tisch von Schiefer. Jeder bekam eine Grifel zum zeihnen. und der tisch worde abgetheilt in fiehr ecke, jedes Kinde bekam sein Bezirk darin zu zeihnen. und ich den Grösten, den sie nandn mich den Mahler. und diessen größern theil theilten sie mir selber zu. war diesses nun alles in ordng, so sassen wir und zeihneten.“ LMO, PT 26, S. 1, vgl. Mittelstädt 1956, S. 22, 39. Zur Jugend des Künstlers sowie zur Entdeckung des Talentes im Rahmen von Künstlerbiographik und -anekdote vgl. Kris/Kurz 1995, S. 37–63, Krems 2003, S. 14–22. 63 Einen Überblick über verschiedene Diskurse und Theorien der kulturwissenschaftlichen Erinne­ rungs- und Gedächtnisforschung bieten Gudehus/Eichenberg/Welzer 2016, Oesterle 2005, Fleckner 1995. 64 Halbwachs 1991, vgl. Halbwachs 1985. 65 Halbwachs 1985, S. 121. 66 Halbwachs 1991, S. 157. 67 Halbwachs 1991, S. 142. 68 Halbwachs 1985, S. 57. 69 Assmann 2005, S. 78. 70 Besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext folgende Veröffentlichungen von Aleida Assmann: Assmann 2013, Assmann 2006, Assmann 1999, Assmann/Harth 1991. 71 Vgl. Assmann 2002. 72 Vgl. Assmann 1999, S. 251–254. 73 Friedländer 1956, S. 73, 96. 74 Friedländer 1957, S. 105, 14. 75 Tischbein notiert im Rahmen des Niederlande-Kapitels: „Bey dem suchte ich keine Gelegenheit vorbey gehen zu lassen wo Gemahlte zu sehen waren.“ LMO, PT 26, S. 23, vgl. Mittelstädt 1956, S. 80. 76 Alten 1872, S. 55. Brief von Tischbein an Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach, Neapel 18.12.1792. Der Kontakt zwischen Tischbein und der Herzogin basiert auf gegenseitigen Be­ suchen während der parallel in Italien verbrachten Zeit. Die Herzogin befand sich 1788–1790 auf einer Italien-Reise mit längeren Aufenthalten in Rom und Neapel. Tischbein wurde in dieser Zeit Direktor der Kunstakademie in Neapel. Gleichzeitig entstand u. a. das Bildnis der Herzogin in Pompeji, heute im Goethe-Nationalmuseum in Weimar. Zur Bedeutung der Herzogin Anna Amalia, ihrer Kunstförderung sowie ihres Musenhofes vgl. Berger 2001. 77 Zum Diskurs über das vergleichende Sehen vgl. Bader/Gaier/Wolf 2010. 78 Über seine persönliche Sehschule während seiner Lehrjahre in Hamburg schreibt Tischbein: „Be­ sonders aber seine vielen Bücher mit kupferstiche waren vor mich eine wahre Schule, und der nuzen 46 Einleitung

welchen ich davon hatte war groß, den es war keine Zeit in den Büchern zu lehsen, ab die kupferstiche durch zu sehen konde man in einem Abend viele. weren ich sie besahe, erzehlte er mir die Geschichte, von dem vorgestelten und ich erführ den inhalt des buches, und auch einen kurzn auszugs der begebenheiten. Es waren historische Bücher, romische, Bieblische, [Einschub: aus] alden Zeiden, Mittelalder, neuere gebebenheiten, Reisebeschreibung, [Einschub: Nahturgeschichte] von Indien, Relions gebräuche der verschieden Fölker, Fabeln u. d. g. Auch ich bekam eine anschauende über sich der ganzen Weld, und was sich [Einschub: zum theil] darauf zugetragen hatt.“ LMO, PT 26, S. 15. 79 Auf die Problematik, sich im späten 18. Jahrhundert überhaupt ein umfassendes Bildwissen von der niederländischen Kunst anzueignen, weist Martina Sitt hin. Bezogen auf Tischbeins Zeitgenossen Georg Forster und dessen Reisebericht schreibt sie: „Zur Zeit von Forsters Besuch in den Niederlan­ den war es keineswegs einfach, sich andernorts ein differenziertes Verständnis des Kunstschaffens niederländischer Maler des 17. Jahrhunderts anzueignen. Es war Forster kaum möglich, sich im Vorfeld seiner Reise das erforderliche Bildwissen zu erwerben.“ Und einige Seiten später heißt es in Bezug auf das Thema Bildgedächtnis: „Forster war hier ein großer Optimist, was das Bildgedächtnis anging: ‚Ein Blick hingegen, eine einzige Berührung durch die Sinnesorgane; und das Bild ist auf immer seiner Phantasie unauslöschlich eingeprägt.‘“ Sitt 2013, S. 180, 184. 80 Assmann 2013, S. 17. Für die Unterscheidung von individuellem und kollektivem Gedächtnis sowie kulturellem Gedächtnis vgl. Assmann 2013, S. 16–19, 24–27. 81 Assmann 1999, S. 15. 82 Burke 1991, S. 292. 83 Dies lässt sich mit Max J. Friedländer auf die Kunst übertragen: „Die Kunstwerke stehen uns vor Augen, gleichsam als konservierter ‚Geist der Zeiten‘.“ Friedländer 1957, S. 94. 84 Vgl. Pomian 1988. 85 Ein Reisetagebuch oder andere zeitgenössische Notizen von der Reise in die Niederlande in den Jahren 1772/1773 konnten bislang nicht nachgewiesen werden, wohingegen Notizen und Manu­ skripte aus der Zeit nach 1810 zahlreich im Tischbein-Nachlass vertreten sind. LMO, PT. 86 LMO, PT 26. 87 Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007, S. 57. Laut der dort referierten Definition unterscheiden sich die Begriffe ‚Autobiographie‘ und ‚Memoiren‘ vor allem durch ihren Kontext. „Während die A. [Auto­ biographie] die Genese des Individuums betont, hebt der Begriff ‚Memoiren‘ die Einordnung des beschriebenen Lebens in seine politischen und historischen Kontexte hervor; doch sind die Über­ gänge fließend.“ Ebda., S. 58. Zur Autobiographie vgl. jüngst Erben/Zervosen 2018. 88 Vgl. Rehm 2016. Das Manuskript von 1811 endet mit dem Jahr 1779, jenes von 1824 mit 1781, jenes von 1829–1834 mit 1799. LMO, PT 26, PT 833, PT 838. Dazwischen liegen Aufenthalte in Kassel, Hamburg, Bremen, Amsterdam, Hannover, Berlin, Rom, Zürich, Mailand etc. Die wichtigsten Sta­ tionen werden von Mittelstädt im Inhaltsverzeichnis genannt. Mittelstädt 1956. Hinzu kommen unzählige weitere Orte, die Tischbein auf seinen ausgedehnten Reisen besucht und in den Lebens­ erinnerungen festhält. 89 Goethe 1811–1814, vgl. Bolln 2008, S. 248f. 90 Vgl. LMO, PT, insbesondere PT 26. 91 Zu den wichtigsten Autobiographien der Zeit um 1800 zählen zum einen die empfindsamen und der inneren Entwicklung gewidmeten Confessions von Jean-Jacques Rousseau, zum anderen die histori­ sierende und als Bildungsgeschichte instrumentalisierte Autobiographie Dichtung und Wahrheit von Johann Wolfgang von Goethe. Zur Geschichte der Autobiographie vgl. Holdenried 2000, Wuthenow 1974, Misch 1969. Zum autobiographischen Schreiben im 18. und frühen 19. Jahrhundert vgl. Stüs­ sel 1993, Groppe 1990. 92 Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007, S. 58. 93 Groppe 1990, S. 1. Groppe kritisiert die Fokussierung der literaturwissenschaftlichen Forschung auf ein einziges allgemeingültiges Erzählmodell – die Autobiographie von Johann Wolfgang von Goethe – und versucht diesem weitere zeitgenössische Modelle zur Seite zu stellen. Sie warnt explizit vor einer Überschätzung der Bedeutung der Autobiographie Goethes sowie einer daraus resultierenden ein­ seitigen Gattungsrezeption. Zudem benennt Groppe die Problematik, dass „die autobiographisch schreibenden Nachkommen [...] als Plagiateure denunziert“ werden. Ein Phänomen, das auch bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Tischbein’schen Autobiographie zu beobachten ist, die nie ohne ein Abhängigkeitsverhältnis zu Goethe auskommt. Anmerkungen 47

94 Vgl. Schiller 1861, S. XXX. Vgl. hierzu ferner Brief von Georg Heinrich Ludwig Nicolovius an Tisch­ bein, 25.07.1818. SAB, H III 1 Nr. 22, Briefabschriften angefertigt von Jacob Ludwig Römer. 95 LMO, PT 26, S. 1. 96 Vgl. hierzu Kat. Kassel 2005, S. 222f. Vergleichend kann ein Selbstbildnis seines Onkels, des ‚Kasseler Tischbein‘, herangezogen werden, der sich gleichfalls im Alter von 60 Jahren portraitiert. Johann Heinrich Tischbein d. Ä.: Selbstbildnis im Alter, 1782, Öl auf Leinwand, 86,0 x 71,0 cm, MHK, GAM, GK 711. Ebda., S. 168f. 97 Zur Definition von Collage und Montage vgl. Hage 1981, S. 5–30. 98 Vgl. LMO, Nachlass von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, PT. 99 Zur Definitionvon Collage („von frz. coller = leimen, kleben“) vgl. Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007, S. 127. Im Nachlass Tischbeins finden sich dafür verschiedene Beispiele. LMO, PT 1277, PT 1680, PT 743. Vgl. hierzu ferner Mildenberger 2006. 100 Alten 1872, S. 272. 101 Einige überlieferte Briefabschriften dokumentieren, dass Tischbein die Lebenserinnerungen durch Abbildungen ergänzen wollte. So schrieb er: „An meiner Lebensgeschichte habe ich auch gearbeitet, und habe nun noch mein Portrait, als ich 6 Jahr alt war, das will ich dazu setzen, und das, als ich 20 Jahr alt war, und das als ich 60 war.“ Brief, 24.07.1814, vgl. ferner Brief, 03.01.1814. SAB, H III 1 Nr. 22, Briefabschriften angefertigt von Jacob Ludwig Römer. 102 Alten 1872, S. 65. Zum Homer-Werk vgl. Heyne/Tischbein 1801, Körner 2006. 103 Sind die ersten Kapitel, die Tischbeins Lehr- und Wanderjahre bis 1779 umfassen, noch weitest­ gehend als zusammenhängendes Manuskript überliefert, so existieren für die späteren Aufenthalte in Italien und der Schweiz von 1779 bis 1799 fast ausschließlich Fragmente in unzähligen Variatio­ nen. Tischbeins Le­bens­jahre nach seiner Rückkehr aus Italien 1799 werden in den Manuskripten bereits nicht mehr berücksichtigt. 104 Die Zeitzeugenschaft bzw. die Momentaufnahme sind das besondere Charakteristikum solcher ­Anekdoten und erlauben im besten Falle eine Verallgemeinerung und Kontextualisierung der Aus­ sage. Vgl. hierzu Unseld/Zimmermann 2013, S. X. 105 Hiermit ist keine faktische Richtigkeit gemeint, sondern vielmehr eine innere Wahrheit. Die Anek­ dote dient vor allem „als didaktische[s] Instrument zur Veranschaulichung der individuellen Persön­ lichkeit“, mithin der Typisierung. Sie kann dabei verschiedene Funktionen erfüllen: Unterhaltung, Erbauung, Belehrung, Kritik, wobei diese Funktionen sowie Formen und Inhalte historischen Wand­ lungen unterliegen. Unseld/Zimmermann 2013 S. IX–XI. 106 In diesem Zusammenhang ist die Studie Die Legende des Künstlers zu beachten. Kris/Kurz 1995. Hier ist sogar von der Anekdote „als ‚Urzelle‘ der Biographik“ die Rede. Ebda., S. 33. Zur Anekdote allge­ mein vgl. Krems 2003, Hilzinger 1997, Weber 1993. Trotz aller Hinweise auf die Problematik und Ambivalenz des Begriffs ‚Anekdote‘ definiert Hilzinger diese anhand von drei Merkmalen: „Die ­Anekdote erzählt eine wahre, noch unbekannte, merkwürdige Begebenheit.“ Hilzinger 1997, S. 17. 107 Hilzinger 1997, S. 233f. Das Überleben der Gattung Anekdote sichert ihr nicht zuletzt deren Verwendung im Kontext von Memoiren und Biographien dank ihrer charakterisierenden Funktion. Ein Indiz für die Verbreitung von Anekdoten im späten 18. Jahrhundert ist deren Vorkommen im Bereich ‚Miszellen‘ in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften, bspw. im Teutschen Merkur, wo insbeson­dere Künstleranekdo­ ten eine zentrale Rolle spielen. Vgl. Hilzinger 1997, S. 112–118. Dort finden sich u. a. Beiträge wieÜber den Werth der Anekdoten. Kayser 1784. Die Entwicklung reicht bis zur Herausgabe ganzer Anekdoten­ sammlungen wie bspw. Das große deutsche Anekdotenlexikon (1843/1844). Vgl. Weber 1993, S. 23–32. 108 Zu zeitgenössischen Reiseberichten vgl. bspw. Chales de Beaulieu 2000. 109 Die Aufzeichnungen zum Aufenthalt in Neapel sind nur in Fragmenten erhalten und nicht als zu­ sammenhängendes Manuskript, was die Frage zum geplanten Umfang der Autobiographie aufwirft. Zu Tischbeins Jahren in Eutin gibt es keinerlei Aufzeichnungen, die einen Bezug zu den Lebenserin­ nerungen erkennen lassen. Die entsprechenden Passagen in der Publikation von Schiller wurden aus Textfragmenten und Notizen zusammengestellt und von den späteren Herausgebern zum Teil wie­ der entfernt. Vgl. Mittelstädt 1956, Brieger 1922, Schiller 1861. 110 Pascal 1965, S. 213. 111 Bspw. in den Reiseberichten von Johann Gottfried Seume (1763–1810). Vgl. Hilzinger 1997, S. 104. 112 Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007, S. 640. Zu Reiseberichten allgemein vgl. Brenner 1990, Bren­ ner 1989, Maczak 1982. Zu Reiseberichten um 1800 vgl. Jäger 1992, Griep 1991, Krasnobaev/Robel/ Zeman 1987. Zu Niederlande-Reisen vgl. Chales de Beaulieu 2000. 48 Einleitung

113 Wie Tischbein in seinen Lebenserinnerungen berichtet, interessieren ihn hierbei vor allem die Ab­ bildungen bzw. die ergänzenden mündlichen Erläuterungen. Vgl. LMO, PT 26, S. 15. 114 Zur ersten Künstlergeneration zählen: Johann Valentin (1715–1768), Hofmaler in Laubach und Hildburghausen; Johann Anton (1720–1784), Maler in Hamburg; Johann Heinrich d. Ä. (1722– 1789), Hofmaler und Akademiedirektor in Kassel; Johann Jacob (1724–1791), Maler in Hamburg und Lübeck; Anton Wilhelm (1730–1804), Hofmaler in Hanau. Zur zweiten Künstlergeneration ge­ hören: Johann Heinrich d. J. (1742–1808), Galerieinspektor in Kassel; Johann Heinrich Wilhelm (1751–1829), Akademiedirektor in Neapel und Hofmaler in Eutin; Heinrich Jacob (1760–1804), Ma­ ler in Frankfurt/Main; Ludwig Philipp (1744–1806), Maler in Kassel und Architekt in St. Petersburg; Johann Friedrich August (1750–1812), Hofmaler in Arolsen und Akademiedirektor in Leipzig; Georg Heinrich (geb. 1756), Kupferstecher in Bremen; Wilhelmine Caroline Amalie (1757–1838), Miniatur­ malerin; Sophie Margarethe Antonie (1761–1826), Malerin; Magdalena Margaretha (1763–1836), Blumenmalerin; August Albrecht Christian (1768–1848), Maler und Lithograph in Rostock; Hein­ rich Wilhelm (1777–1856), Zeichenlehrer und Maler in Hanau. In der dritten Künstlergeneration sind zu nennen: Caroline (1783–1843), Zeichnerin; Carl Wilhelm (1797–1855), Universitäts-Zeichen­ lehrer in und Hofmaler in Brückeburg; Wilhelm Eduard (1794–1819), Zeichenlehrer; Marga­ rethe Christiane (geb. 1797), Malerin; Elenore Amalie Louise (geb. 1800), Malerin und Zeichnerin; August Anton (1805–1855), Maler in Triest; Paul Ludwig Philipp Wilhelm (1820–1874), Zeichenleh­ rer und Maler in Rostock. Hinzu kommen weitere Künstler, die der Tischbein-Familie entstammen, aber einen anderen Namen tragen, oder angeheiratet sind. Kat. Kassel 2005, S. 224f. Zur Familie Tischbein vgl. Heinz 2005a, Kemp 2005. 115 Zur Biographie von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein vgl. Kat. Weimar 2006, S. 103–106, Kat. Kassel 2005, S. 227f, Mildenberger 1986, S. 251–254, Mittelstädt 1956. 116 Zu Johann Heinrich Tischbein d. Ä. vgl. Rehm 2018a sowie die dort angegebene weiterführende ­Literatur. 117 Vgl. Rehm 2019, Kat. Kassel 2003, S. 333, Kat. Amsterdam 1987, S. 11, Staring 1978, S. 11–19, Stoll 1923, S. 11–30. 118 Vgl. Kat. Amsterdam 1987, Staring 1978. 119 Über die verschiedenen Niederlande-Aufenthalte von Johann Friedrich August Tischbein erfahren wir in den ebenfalls postum erschienen Lebenserinnerungen seiner Tochter Caroline (1783–1843), später Caroline Wilken. Stoll 1923. Zu Caroline Wilken vgl. Sitt 2016, S. 28f. Der erste deutsche Maler, der seine Niederlande-Reise und seinen Aufenthalt in Antwerpen im Jahr 1520 ausführlich in einem Reisetagebuch dokumentiert, ist Albrecht Dürer (1471–1528). Zu Dürers Niederlande-Reise vgl. Panofsky 1977, S. 264–322. 120 LMO, PT 26, S. 3, Mittelstädt 1956, S. 49f. Interessant ist hierzu folgende Bemerkung von Bahlmann: „So ist denn auch der Ton, in dem Wilhelm von seinem Onkel spricht, stets ein sehr kühler, meist hat es mit der bloßen Erwähnung sein Bewenden, was um so mehr absticht, als seine Aufzeichnun­ gen mit einer schönen Begeisterung und wahrer, herzerquickender Freude niedergeschrieben sind, die das Buch noch heute zu einer höchst anmutigen Lektüre machen.“ Bahlmann 1911, S. 8. Tisch­ bein bezieht sich hier auf die reale Menagerie des Landgrafen und nicht auf das berühmte Gemälde: Johann Melchior Roos: Die Menagerie des Landgrafen Carl, 1722–1728, Öl auf Leinwand, 340 x 665 cm, MHK, GAM, GK 1114. 121 LMO, PT 26, S. 17, vgl. Mittelstädt 1956, S. 69. 122 Der Kontakt zu Johann Dietrich Lilly kommt über eine Verwandtschaftsbeziehung zustande. Lilly ist der Schwiegervater von Tischbeins Onkel Johann Jacob Tischbein, in dessen Haus er seine Ausbil­ dung in Hamburg zunächst beginnt, bevor er in das Haus Lillys wechselt. 123 Tischbein berichtet über das Arrangement mit Lilly: „Und wen sie wollen so komen sie zu mir. und bleiben bey mir, da kön sie viel lernen, und mer als bey meinem Schwager. den ich habe viele der besten Bilder, die kom sie alle copirn. und dan habe ich viele Orginal Zeihnungen und Kupferstiche. Mein Haus ist voll und das stehet ihn zu dinst. und die Kunst verstehe ich auch, ich weis es auch zu sagen wie es sein soll. und ich habe just so jemand nöhtig wie sie sind, den ich habe viele Bilder aus zu bessern. sas ich Ihn auch lernen, und will ihn die wohe ein thaler taschn Geld geben. Komen sie mit mir ich besuche meinen Vetter auf dem gorde. ich ging mit, und er erzahlte es dan. Der fand es gut, und sagte, ich möchte das er auch zu weiln zu mir komt, und mir bilder aus bessert. Wer konde froher sein als ich. ich sahe den himel offen, in ein Haus zu komen wo so viele Kunst sachen in wahren.“ LMO, PT 26, S. 6, vgl. Mittelstädt 1956, S. 55. Anmerkungen 49

124 LMO, PT 26, S. 9, vgl. Mittelstädt 1956, S. 56f. Einen besonderen Eindruck bei Tischbein hinterlässt ein Gemälde von van Dyck: „[U]nder andern guten Gemahlden besass er auch ein Grosses Bild von v. Deick auf holz gemahlt ein familigen stück, darauf waren die Gros Eldern, Vater und Muter, und ihre Kinder. Ein vortreflig bild, worauf Köpfe von allen Alder, besonders waren die Kinder schön.“ Ebda. 125 LMO, PT 26, S. 9, vgl. Mittelstädt 1956, S. 56f. 126 Über die besuchten Sammlungen schreibt Tischbein bspw.: „So worde ich nicht allein mit denen Sachen bekand, die im Haus waren, sondern mit den Mersten ist Hamburg. Da er ein Gemahlte Händler war, kante er alle liebhaber und Samlungen. und brachte mich dahin sie zu sehen. So lernte ich viel in der Samlung des Stats Rath Stengelin, wo [Einschub: rin] ich ein Halb jahr durch mich auf hild zu Cupiren. Wouwerman, Berschem, und mehrere machte ich noch das die liebhaber sehr damit zufrieden wahren. und es solln welge noch für orginale verkauft sein worden.“ LMO, PT 26, S. 9, vgl. Mittelstädt 1956, S. 57, 62f, 66f. 127 Tischbein schreibt: „Ich versäumte nie in die Aucionen zu gehen, wo Gemahlte zum Verkauf wah­ ren. Die gewenlig einige tagen vorher zum besehen auf gestelt sind. Da trengte ich mich zu denen welche vor einem Bild standen um es zu beortheilen. ich belauschte ihre Meinungen, wo das vor­ zügligte gelobt und das schwache gedatelt wurde.“ LMO, PT 26, S. 16, vgl. Mittelstädt 1956, S. 67. 128 LMO, PT 26, S. 16, vgl. Mittelstädt 1956, S. 70. 129 Die Bedeutung Wilmans dokumentiert Tischbein in seinen Lebenserinnerungen ausführlich: „Mein schuz Engel machte mich mit einem Mann bekand das ein Glück für mich war. und einfluss auf mein ganzen leben macht. es war der Haubtmann Wilmanns, nach her Commanttand von der Stad. ein Mann von vortrefligem Karakter. er war ein Freund der Kunst, und zeihnete auch recht artig. Der besüchte mich often im Wirtshaus und besahe was ich machte. Nach dem er verschiedene mahle zu mir gekomen war, und mich genauer kante, sagte er zu mir, mein lieber junger mann, sehen sie mich als ihren wahren und aufrichtigen freund an. und befolgen sie einen Rath von mir. Das Geschäft und die schöne Kunst welche sie treiben erfordert eine andere Art zu leben als sie jezo thun. […] Er fing an Ehrgeiz bei mir rege zu machen, und mich und meine Kunst zu schäzen. […] ich mahlte den viele Portreten und auch einige familien bilder, und verdiende mir zimlig Geld, was mir mein lieber W. zu samlen lernde. […].“ LMO, PT 26, S. 20–22, PT 833, o. S. 130 LMO, PT 26, S. 18, vgl. Mittelstädt 1956, S. 72. 131 Zu seinen Radierungen notiert Tischbein: „Herrn S. Dunse bezeihte mir besonders viele hoffligkeiten und ich war ofte bey ihm, und sahe in seiner Geselschaft seine Orginal Zeihnungen wo von er eine schön Samlung hatte. Besonders von Rembrand, derer ich auch einige Radirt habe. und habe die Blätter nach jahren in Rembrandischen Kupfersich samlungen als seldene Orginale gefonden. Sel­ den sind sie auch den ich spielte mit den Platten, und nach dem einige abdrücke davon gemacht waren, worden die Platten verlohren. ich machte auch welche auf meiner erfindung in Rembrands manir. das Kenner irre darüber worden.“ LMO, PT 26, S. 19, vgl. Mittelstädt 1956, S. 74. 132 LMO, PT 26, S. 22, vgl. Mittelstädt 1956, S. 76f. Tischbein verschweigt dabei nicht die Problematik des Reisens und des Transportes: „Jeden tag ging ich auf die Borsse an den ord wo die angekomenen Schiffer stehen, und erkundigte mich immer vergebens nach meinem Schiffer dem ich in Bremen meine Küsten übergeben hatte. und er sagte mir, das er zug leich mit mir hofte in Amsterdam anzu­ komen aber er blieb aus. ich warde darüber sehr verlegen. Bis endlig horde ich das Schiff sei bey der Einfahrt des Dexels um geschlagen, und leck geworden. Nun muste ich mit in die geduld fassen. so lange zu warden bis das Schiff hergestelt sey von Dexell bis hirher fahren zu könen, nach 14 Wochen kam es endlig an, und als ich meine Küste öffnete, waren sie nass geworden und durch die lange Zeit vieles verfault. Und ich muste noch die Kosten des ausgebessertes Schiff die Waria bezahlen. Diesse verlängerte ausbleiben meiner Sachen, veruhrsachte über die Reise nach England anders zu denken als vor her.“ LMO, PT 26, S. 23, vgl. Mittelstädt 1956, S. 80. 133 LMO, PT 26, S. 23, vgl. Mittelstädt 1956, S. 80. 134 LMO, PT 26, S. 30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 83. 135 Vgl. Mittelstädt 1956, S. 105f. Im Manuskript von 1811 notiert Tischbein: „D 2 September 1773 habe ich mit meinem Bruder in Cassel angefangen zusamen zu arbeiden.“ LMO, PT 26, S. 32. 136 Dementsprechend erwähnt Tischbein die Gemälde „auf dem schloss welche in der landgraffen Zi­ mern hingen, und das Kabit genand worde. da gingen wir öfters hin um die Bilder zu sehen. das war eine ausserlehsene Samlung Bilder von Hollandischer Meister. merentheils kleine stücke lauter aus­ erlehsene Meister stücke. Landgraf Wilhelm als er Gowerner in Holland war, hatte er sie selbst da 50 Einleitung

gekauf, und er war ein groser Kenner.“ LMO, PT 26, S. 32, vgl. Mittelstädt 1956, S. 105f. Ferner schreibt er: „Aus der Galleri und auch aus dem Kabinet copirte ich verschiedene Bilder, den ganz vortrefligen Kopf von Rembrand mit dem Helm auf dem Kopf. Und Kopfe von v. Dey. und neben dem Portret mahlen, mahlde ich für den landgrafen die thiere aus der Menageri, worunder einige selden und schöne waren.“ Ebda., S. 35, vgl. Mittelstädt 1956, S. 107. 137 Mittelstädt 1956, S. 107. Im Manuskript von 1811 trägt die Auflistung die Überschrift: „Die Galleri war auch angefüld von vortrefligen Meister wercken“, mit einer langen Liste niederländischer und einer kurzen Liste italienischer Künstler und Werke. Der zweite Teil der Auflistung ist schlicht mit „Italienische Bilder“ überschrieben. LMO, PT 26, S. 33. 138 LMO, PT 26, S. 39, vgl. Mittelstädt 1956, S. 112. 139 So bspw. auf der Reise nach Italien und beim Besuch der Galerie in München bzw. Schleißheim: „Beide, van Dyck und Rubens, groß, und doch einer über den anderen! Rubens‘ feuriger, glühender Geist war aber wie die leuchtende Sonne, die alles erhellt und belebt. Mit warmem Blute schien der gemalte Mensch dazustehen.“ Mittelstädt 1956, S. 125. Wiederholt hebt Tischbein die Werke der Künstler Rubens, Rembrandt und van Dyck hervor. Ebda., S. 72, 107. Und ferner: „Hier sah ich auch einige Bilder von Teniers, die ich für Arbeiten des Veronese gehalten hätte; aber er hat zwischen die historischen Figuren, die man zuversichtlich für Veroneses Arbeit halten möchte, in seiner Manier einen holländischen Bauer hingestellt, um zu überzeugen, daß das Gemälde von ihm sei: es ist, als hätte er seinen Namen da hingeschrieben.“ Ebda., S. 125. 140 Zu den ‚Italianisanten‘ vgl. Mittelstädt 1956, S. 134, 143–145. Zu Tischbeins Aufenthalt in Mailand vgl. ebda., S. 207–230. 141 LMO, PT 26, S. 3–31 bzw. S. 22–31, vgl. Mittelstädt 1956, S. 48–104 bzw. S. 78–104. 2 Bildwissen – Aneignung von Wissen über niederländische Künstler

Anhand von zwei konkreten Episoden aus den Lebenserinnerungen Tischbeins soll exemplarisch gezeigt werden, wie sich Tischbein sein persönliches Bild­ wissen aneignet, es weiterentwickelt und kommuniziert. In den Niederlanden und insbesondere in Amsterdam besucht der junge Künstler zahlreiche Samm­ ler, an deren Urteil er sich zunächst orientiert und die ihm zu seinem immer umfassenderen Bildwissen über die niederländische Kunst des 17. Jahrhun­ derts verhelfen. Sehr anschaulich zeigt dies Tischbeins Vertrautheit mit der Sammlung eines von ihm so genannten ‚portugiesischen Juden‘, die sich aus Werken des Seemalers van de Velde zusammensetzt. Offen bleibt allerdings, ob es sich um Willem van de Velde d. Ä. oder Willem van de Velde d. J. han­ delt. Tischbein beschreibt in seinen Lebenserinnerungen verschiedene Bilder dieser Sammlung. Die nicht nur ausführliche, sondern auch frühe Erwähnung dieses Erlebnisses verdeutlicht die nachhaltige Prägung, die Tischbein durch derartige Begegnungen mit Kunstwerken und Sammlern erfährt. Wie intensiv seine Beschäftigung mit Malweisen und Manieren der niederländischen Künstler ist und wie dadurch sein Blick sowie sein Urteilsvermögen geschärft werden, zeigt als zweites Beispiel seine Beschreibung von Werken des Pferde­ malers Philips Wouwerman. 52 Bildwissen

2.1 Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde

Ausgehend von einer Amsterdamer Sammlung, deren Sammelschwerpunkt auf Seestücken von Willem van de Velde liegt, demonstriert Tischbein ein­ drücklich die Aneignung und Weitergabe von (Bild-)Wissen über niederlän­ dische Künstler. Er lernt die Spezifika der Marinemalerei am Beispiel van de Veldes kennen und gewährt einen facettenreichen Einblick in eine Spezial­ sammlung und deren Geschichte von der Mitte des 17. bis ins späte 18. Jahr­ hundert.

Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien

In seinen Lebenserinnerungen und speziell bei diesem ersten Beispiel gewährt Tischbein einen interessanten Einblick in die Geschichte und Beschaffenheit einer Sammlung, die Eigenheiten eines Sammlers sowie den Umgang mit Ge­ mälden. Um einen ersten Eindruck der Tischbein’schen Erzählweise zu geben, wird einleitend die entsprechende Textstelle in Gänze wiedergegeben, woran sich Analyse und Kontextualisierung derselben anschließen. Die Begegnung mit dem Sammler und dessen Sammlung beschreibt Tischbein wie folgt: „Bey einem Portogisischem juden, ein alder blindgewordener Mann, sahe ich eine Samlung See stücke alle vor der hand des W. Velde. sie machen ein ganzes Zimer voll aus. Als ich zu ihm geführt worde, und in das wohn ­zimer tratt, stand der alde blinde Mann auf, kam mir entgegen und gab mir die hand. Kaum bemerkte ich das er blind war, und er sagte zu mir, da sie ein liebhaber von Gemahlten sind, so solln sie bey uns wass seldenes sehen, etwas wares was sie nergens finden. Unsser Haus ist ein aldes Handels Haus das­viele schiffe bauen lies, und viele in allen weldtheilen herum schickte, unsere Ge­ schafte gingen glücklig, und es war eine Emsigkeit, das wen vorne das schiff noch aus geladen worde, so worde es hinten schon wieder mit neuen Guter befrachtet. das brachte liebe bei uns für schif bau hervor, mein Gros vatter und seine Brüder machten selbst Modelle zu schiff mit ihrer Hand, wo auch das geringste nicht an fehlt. auch ich habe solche kleine Schifgens gezimert, wo kein nagel anfehlt. Und er zeichte mir solche Modelle die er gezimert hat­ te. Diesse liebe für Schiffe machte unser familige die bekandschaft von mit dem vortrefligen Seemahler W. vander Velde, und er war ein Freund unser Hausses, und hatte freue Kasse, so viel Geld zu nehmen als er wolte, mit dem beding, meine vorfahren hatten die vorhand jedes Bild das er ferdig hatte von ihm zu kaufen, auf diesse art bekamen wir die besten stücke von diessem so geschikten Meister, der einzig ist und nicht seines gleichen hatt, in stille Seen Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 53 zu mahlen. Und als er starb kauften wir alle seine Handzeichnungen, so das wir den schaz was er in Zeichnungen nachlies, allein besizen. Dan führte er mich bey der Hand die trepe hin auf, da standen grose Küsten. die sagte er bewahren die hand Zeichnungen des v. Velde, es sind viele, und aus der Uhr­ sache werdet ihr auch selden Zeichnungen von ihm in Samlungen sehen, weil wir fast alle haben. Dan traten wir in das Zimer, wo die Gemahlte hingen, es war ganz voll lauder Seestücke von W. v. Velde. nun führte mich der alde Blin­ de von einem stück zum andern, und wiess mir mit dem finger drükend auf die schönsten stellen der Bilder, so genau den ort treffent als sehe er. Hir sehen sie ein Bild wie der Konig N. von England geflüchtet und in N. bey stillem wetter ankomt. Sehet den schonen abent, wie windstille, wie die seegeln und taue schlaff herunder hängen, und diesses Schiff welches entfernd liegt, und giebt freuden schüsse, sehet den rauch, wie er dich aus der kanone komt, und die andere kanone welche schon abgefeuert ist, davon ist der Rauch schon weg gewehet, und fliegt oben vor dem andern schiff vorbey und bedekt es so das man es wie durch einen dinen flohr siehet. Und hir auf diessem weit grö­ seren Bild sehet ihr als der Konig N. wieder nach England fehrt. der ord ist Schewelingen wo er abfährt. die viele menschen volk die auf den Hügeln ste­ hen sind die Neugirigen welche ihn wollen absegeln sehen. W. v. V. ging selbst in dem gefolge mit nach England. und diesses dritte Bild ist, als der Konig auf der Temse ankomt, und so viele Engelische schiffe komen ihm in gegen. und flachen alle, es ist ein gewimmel von schiffen und farzeige, die alle ihre freude bezeigen durch die aufgestecktn flachen. Dan war noch ein Bild das stelte ein haffen vor, wo die Schiffe still gedrangt neben ein ander liegen, eins machte ein schatten auf das andere, und zwischen die dunklen Schiffe schin die Sonne hinein und beleichtete einige, und reflektirte andere, und der Sonne Klanz im Wasser gab auch einen schein auf der schatten seite an eini­ gen. das machte eine Klarheit in dem dunkeln, das er was erfreuliges zu sehen für das Auge war. dan war auch eins wo ein flacher strand von Sant und Kies war, wo die heran rollenten wogen flach und dinn herauf liefen, und man sahe durch das wasser den sandigen bohten, u. d. g . mer. Dem blinden Greis waren bei der Eraubung seines gesichtes die Bilder und was darauf war so ge­ gen wertig, als sehe er noch, weil er sie von Kindheit auf gesehen hatte, und mit viele liebe imer betrachtet ohne das sie von der stelle gerükt waren wor­ den. Es machte dem guten alden grosses Vergnügen, das ich die Bilder mit so vieler Freude besahe.“142 Die zitierte Episode ist aus verschiedenen Gründen von besonderer Relevanz für Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden. Zunächst gehört sie zu den ausführlichsten und detailliertesten Beschreibungen innerhalb der Auto­ biographie. In der Fassung von Mittelstädt (1956) ist sie zudem die längste 54 Bildwissen zusammenhängende Passage des Niederlande-Kapitels. Inhaltlich umfasst sie nicht nur die Erzählung über einen Sammler und dessen Sammlung, sondern auch die Beschreibung von fünf Gemälden. Darüber hinaus nimmt die Text­ passage in den Veröffentlichungen von 1861, 1922 und 1956 eine prominente Stellung ein, indem sie als erstes konkretes Beispiel nach Tischbeins Ankunft in Amsterdam fungiert.143 Sie folgt direkt auf eine kurze einleitende Zusam­ menfassung der Reiseunternehmung und die Bemerkung: „Auch hatte ich während der Zeit viele Bekanntschaften gemacht und malte Porträts und ­Familienbilder im kleinen sowie andere Bilder von eigener Erfindung und ver­ schiedene zu meiner Übung. Bei diesem längeren Aufenthalte versäumte ich keine Gelegenheit, wo Gemälde zu sehen waren.“144 Diese Position der Text­ stelle stimmt allerdings nicht mit dem ersten Manuskript aus Tischbeins ­Feder von 1811 überein. Dort bildet sie den Höhepunkt einer knappen Schilderung von gesehenen Werken, wie bspw. im Rathaus, in der Anatomie und bei dem Vorsteher eines Männer- und Waisenhauses, und folgt auf die Erkenntnis: „Die Hollander haben Maler gehabt, die einige sachen gemahlt haben, worin ihnen keine andere Nation gleich gekomen ist. Backheuse in stürmische Meer, W. Vander felde in stillen See, Schalcken in nacht bey licht, Schneiers in wilde thiere, Hondekeder federfieh besonders Enden, Wenicks todes wild.“145 Derart kontextualisiert wird die Sammlung nicht nur zu einem nahezu beliebigen Beispiel für die Gelegenheiten, bei denen Tischbein Gemälde zu sehen be­ kommt. Stattdessen wird einer der zuvor genannten Künstler – Willem van de Velde – aufgegriffen, und zugleich wird ein typisches Abbild der Fachmalerei der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ gegeben – hier der Marinemalerei. In allen gesichteten Manuskriptüberarbeitungen von Carl Christian Lud­wig Starklof über Jacob Ludwig Römer bis hin zu Carl Georg Wilhelm Schiller blieb diese Episode erhalten, während andere Passagen des Nieder­ lande-Kapitels den für nötig befundenen Kürzungen teils zum Opfer fielen. Darüber hinaus fällt auf, dass innerhalb dieser längeren Textpassage aus­ nahmsweise kaum inhaltliche Veränderungen vorgenommen wurden.146 Ein­ gedenk der sonst teils extremen Eingriffe in den Tischbein’schen Originaltext bzw. Textentwurf ist dies erstaunlich und spiegelt den von allen Bearbeitern respektierten und bereits früh erkannten Wert sowie die Besonderheit dieser kleinen Erzählung wider.

2.1.1 Die Sammlung eines ‚portugiesischen Juden‘

Tischbein beschreibt in seinen Lebenserinnerungen ausführlich die Samm­ lung eines ‚portugiesischen Juden‘ aus einer erfolgreichen Handelsfamilie. Da Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 55 er den Namen des Sammlers nicht überliefert, erfolgt eine Annäherung über den Kontext Amsterdams. Amsterdam ist im 17. Jahrhundert nicht nur die niederländische Handelsmetropole, sondern auch das Zentrum der Marine­ malerei. Dank dieser fruchtbaren Verbindung gelingt es der Sammlerfamilie, eine Sammlung mit Seestücken aufzubauen, die über mehrere Generationen hinweg erhalten bleibt. Tischbein gehört zu den glücklichen Besuchern, die Zugang zu dieser Sammlung erhalten.

Der Sammler im Kontext Amsterdams

So genau Tischbeins Beschreibung seiner Erinnerungen stellenweise ist, so bruchstückhaft kann sie an anderer Stelle sein. Anstatt dem Leser seiner Auto­ biographie den Namen des von ihm bewunderten Sammlers zu nennen, be­ zeichnet er diesen nur vage als einen „Portogisischem juden“ und spricht von ihm als „ein alder blindgewordener Mann“.147 Allein die darauf folgende Dif­ ferenzierung, die er dem Sammler in den Mund legt, erlaubt eine weitere Ein­ ordnung der Person: „Unsser Haus ist ein aldes Handels Haus das viele schiffe bauen lies, und viele in allen weldtheilen herum schickte […].“148 Diese weni­ gen Hinweisen bilden die Grundlage der folgenden Spurensuche. Dass Tischbeins Gastgeber ein Mitglied eines alten Handelshauses ist, verwundert nicht. Seit der Unabhängigkeit von Spanien im Westfälischen Frieden von 1648 waren die sogenannten ‚Generalstaaten‘ – die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen – schnell zu einer prosperierenden See- und Handelsmacht in Europa herangewachsen. Dank überlegener Schiffstechnik und geschicktem, oft auch rücksichtslosem Geschäftsgebaren übernahmen sie die Führungsrolle auf den maritimen Handelsrouten der Welt. Und Ams­ terdam war das Tor zu dieser Welt. Daniel Defoe beschreibt dies folgender­ maßen: „Die Niederländer sind die Fuhrleute der Welt, die Vermittler im Han­ del, die Faktoren und Makler Europas; sie kaufen, um wieder zu verkaufen, sie führen ein, um auszuführen, und der größte Teil ihres riesigen Handels be­ steht darin, von allen Teilen der Welt versorgt zu werden, um die ganze Welt wieder zu versorgen.“149 In dieser vorteilhaften Situation wurde Amsterdam zum Warenhaus der Welt.150 Eine zentrale Rolle spielten dabei die ‚Vereenigde Oost-Indische Compagnie‘ (VOC) sowie die ‚West-Indische Compagnie‘ (WIC), hinzu kamen ferner der Ostsee- und der Mittelmeerhandel.151 Als Vor­ aussetzung für den ausgedehnten Seehandel hatte sich der Schiffbau zu einem wichtigen Gewerbe entwickelt und der technologische Vorsprung erhob die Niederländer zudem zur führenden Schiffbaunation.152 Mitte des 17. Jahrhun­ derts, auf dem Höhepunkt der niederländischen Seehandelsaktivitäten, ver­ fügte die Handelsflotte über 16.000 Schiffe – im Vergleich dazu besaßen alle 56 Bildwissen anderen Seefahrt-Nationen zusammen nur rund 4.000 Schiffe.153 Die Ver­ einigten Niederlande mit der dominierenden Seeprovinz Holland hatten Por­ tugal und Spanien als Seemacht den Rang abgelaufen und Amsterdam hatte Antwerpen als niederländische Handelsmetropole abgelöst.154 Das Handels­ haus des alten Sammlers, das „viele schiffe bauen lies“ und diese „in allen weldtheilen herum schickte“, wird daran regen Anteil gehabt haben. Darüber hinaus beeinflussten die genannten Entwicklungen das Kunst­ schaffen in den Niederlanden und fanden in der Malerei einen entsprechen­ den Niederschlag. Darauf weist bspw. ein ebenfalls passionierter Sammler von Marinestücken, der vor wenigen Jahren verstorbene Peter Wilhelm Ernst Tamm (1928–2016), hin: „Es ist doch interessant: Sobald eine Nation die See entdeckte und ihre Seemacht aufbaute, nahm auch die Zahl der Künstler zu, die sich die Szenerie der Meere und der Schiffe zum Thema setzten. Verblaßte die maritime Bedeutung eines Landes, ging die Seeherrschaft an ein anderes Volk über, so verlagerte sich entsprechend die Zahl der Künstler.“155 Auch in diesem Kontext erweist sich Amsterdam als führend – als Zentrum der Marine­ malerei in der Mitte des 17. Jahrhunderts.156 Zudem fanden die Entwicklun­ gen eine Entsprechung in der zeitgenössischen Literatur und Dichtkunst, wie bei Joost van den Vondels (1587–1679) Het Lof der Zee-vaert (1623), mit einem Lobgesang auf die internationale Handelsschifffahrt.157 Dieser internationale Erfolg der Niederländer hatte einen Wohlstands­ anstieg zur Folge, der wiederum den Konsum im eigenen Land förderte – zu den zur Verfügung stehenden Konsumoptionen zählte auch die Kunst.158 Gleichzeitig wirkten sich die Veränderungen auf die niederländische Gesell­ schaft aus, indem erstmals eine breitere Mittelschicht wuchs, die sich am Konsum beteiligen konnte. Durch den Handel veränderte sich auch die Struk­ tur der Oberschicht: Eine neue kaufkräftige Elite von Neureichen verdrängte das alte Patriziat aus seinen angestammten Positionen.159 Nach der Analyse von Daniel Jeen Roorda setzte sich die holländische Gesellschaft jener Zeit aus fünf Schichten zusammen: „1. das bürgerliche Patriziat aus Regenten, füh­ renden Kaufleuten und Großfabrikanten; 2. das breite Bürgertum aus wohl­ habenden Kaufleuten, Händlern und Akademikern; 3. den Mittelstand aus Händlern und ausgebildeten Handwerkern; 4. die Unterschicht aus Arbeitern und Personal; 5. den gauw, den Pöbel.“160 Tischbeins ‚portugiesischer Jude‘ und seine traditionsreiche Handelsfamilie wären nach diesem Modell zur zweiten Klasse zu zählen. In der Mitte des 17. Jahrhunderts war Amsterdam nach London und Paris mit rund 200.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Europas. Sie galt unter den Zeitgenossen, wie bspw. bei Joost van den Vondel, als ‚Hauptstadt Europas‘, was sich nicht nur auf ihren Rang, sondern auch auf die Internatio­ Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 57 nalität ihrer Bewohner beziehen lässt.161 Darüber hinaus resultierte die Posi­ tion Amsterdams im Welthandel weniger aus der geographischen Lage – der Hafen war für größere Schiffe mitunter schwer zu erreichen und lag nicht am offenen Meer –, sondern vielmehr aus dem dort konzentrierten Fachwissen und Kapital, woraus sich ein entscheidender Standortvorteil ergab.162 Diese zentrale Bedeutung sowie die Offenheit Amsterdams zogen wiederum viele Migranten aus ganz Europa an. Neben Kaufleuten befanden sich darunter zahlreiche Kriegs- und Glaubensflüchtlinge. Die Vereinigten Niederlande und insbesondere Amsterdam boten den Zuwanderern Freiheiten – ob nun in Glaubensfragen oder Äußerungsmöglichkeiten –, wie sie andernorts nicht möglich waren, und zogen durch das tolerante Klima ebenso Gelehrte und Wissenschaftler an.163 Eine wichtige Gruppe innerhalb der Migranten bildeten die sephardi­ schen Juden.164 Sie waren im 16. Jahrhundert aus Portugal und Spanien in die Niederlande geflüchtet und wurden ‚Sephardim‘ – ‚Sepharad‘ bezeichnet im Hebräischen die iberische Halbinsel – genannt.165 In Amsterdam wurden sie aufgrund ihrer umfangreichen Kenntnisse im Handel und ihrer internationa­ len Beziehungen freundlich aufgenommen.166 Die Sepharden hatten wesent­ lichen Anteil am Aufschwung der niederländischen Wirtschaft sowie allgemein am modernen Kapitalismus.167 Doch es gab auch Einschränkungen. Zwar war es den Juden erlaubt, das Bürgerrecht zu erkaufen, aber die bürgerlichen und im Zunftwesen organisierten Berufe blieben ihnen – trotz der vorherrschen­ den Toleranz – weitestgehend untersagt. Gleichzeitig entstanden neue Berufs­ zweige und unter den eingeschränkten Berufsmöglichkeiten befanden sich das Bankwesen sowie der Handel. So kam es, dass in Amsterdam in der zwei­ ten Hälfte des 17. Jahrhunderts etwa 80 % der Sepharden im Handel tätig waren, vor allem mit Süd- und Mittelamerika.168 Zu ihren bevorzugten Han­ delswaren zählten Zucker, Tabak, tropische Hölzer, Rohstoffe, Edelsteine und besonders Diamanten. Ende des 17. Jahrhunderts hielten die portugiesischen Juden in Amsterdam rund ein Viertel der Aktien der Ostindien-Kompanie und trugen wesentlich zur Entwicklung der Amsterdamer Börse bei.169 Auf diese Weise gelangten sie zu Wohlstand. Sie zeigten gerne ihren Erfolg und Reich­ tum – bspw. durch den Bau der großen Synagoge, die 1675 eingeweiht wur­ de.170 Die wohlhabenden Sepharden stellten allerdings eher eine Ausnahme innerhalb der Amsterdamer Judengemeinde dar. Sie wohnten bevorzugt an den Ende des 17. Jahrhunderts neu angelegten Grachten östlich der Amstel – welche bald als die ‚jüdischen Grachten‘ bezeichnet wurden –, während die weiter nördlich gelegene ‚Breestraat‘ (heute ‚Jodenbreestraat‘) der Mittelpunkt des Judenviertels war.171 Dazwischen lag die große portugiesische Synagoge. Laut Christoph Driessen zählte die sephardische bzw. portugiesische Gemeinde 58 Bildwissen am Ende des 18. Jahrhunderts, also zu Zeiten von Tischbeins Aufenthalt in Amsterdam, 2.800 Mitglieder.172 Da Tischbein den Sammler explizit als ‚por­ tugiesischen Juden‘ bezeichnet, lässt sich dieser den sephardischen Juden in Amsterdam zuordnen und durch die referierten Auszüge aus der Familien­ geschichte in dem zuvor beschriebenen Kontext verorten.

Die Sammlung und das Vorkaufsrecht

Interessant im Rahmen von Tischbeins Erzählung um den ‚portugiesischen Juden‘ und seine Sammlung ist die Schilderung, wie die Seestücke in den Be­ sitz des Sammlers gelangten: „Diesse liebe für Schiffe machte unser familige die bekandschaft von mit dem vortrefligen Seemahler W. vander Velde, und er war ein Freund unser Hausses, und hatte freue Kasse, so viel Geld zu neh­ men als er wolte, mit dem beding, meine vorfahren hatten die vorhand jedes Bild das er ferdig hatte von ihm zu kaufen, auf diesse art bekamen wir die besten stücke von diessem so geschikten Meister, der einzig ist und nicht sei­ nes gleichen hatt, in stille Seen zu mahlen.“173 Diese Art der Vereinbarung zwischen Künstlern und Sammlern war damals nicht unüblich und hatte ihr Vorbild unter anderem im merkantilen Sektor, was den Aspekt der Geldanlage sowie der Spekulation impliziert. Ein früheres Beispiel für diese Praxis ist das Vorkaufsrecht des Sammlers Pieter Spiering Silvercroon (1595–1652) auf die Werke von Gerard Dou (1613–1675). In Kunst und Kommerz in der niederlän­ dischen Malerei des 17. Jahrhunderts berichtet Michael North hierzu: „So erwar­ ben ‚Mäzene‘ bestimmter Künstler, noch bevor diese berühmt wurden, nahe­ zu deren gesamte künstlerische Produktion. Wenn sich beim Maler der Erfolg einstellte, war die Privatsammlung deutlich im Wert gestiegen. Der erste Sammler des Leidener ‚Feinmalers‘ Gerrit Dou war beispielsweise der schwedi­ sche Resident im Haag, Pieter Spiering, der seit 1637 Dou jedes Jahr 1.000 fl. zahlte und sich damit ein Vorkaufsrecht für die Gemälde des Künstlers sicher­ te, dann aber die erworbenen Bilder noch zusätzlich bezahlte. Spiering in­ vestierte sozusagen in einen kommenden Maler und trug dabei ein gewisses ‚unternehmerisches‘ Risiko.“174 Das von Tischbein bzw. dem Sammler be­ schriebene Arrangement mit van de Velde war ähnlicher Natur, nur dass der Maler nicht jährlich eine feste Summe erhielt, sondern bei dem Handelshaus Kredit hatte. Eine Möglichkeit, wie der Kontakt zwischen Künstler und Sammler zustande gekommen sein kann, bietet folgender Hinweis von Remmelt Daal­ der: „The Van de Velde family was in many ways connected to naval circles and the shipping industry. […] Other relatives worked for the admirality too, or married into seafaring families, providing more contacts and potential Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 59 buyers.“175 Ferner gibt Daalder zu bedenken: „Bisher ist die Rolle der Auftrag­ geber von Seebildern noch nicht wirklich erforscht worden. In den meisten Fällen bleibt es unklar, ob die Gemälde für den Markt oder auf Bestellung angefertigt wurden.“176 Einen weiteren vagen Anhaltspunkt liefert Michael S. Robinson; er identifiziert Pieter Blaeu (1637–1706) als den Agenten von Willem van de Velde d. Ä. in Amsterdam, der die entsprechenden Kontakte vermittelt haben dürfte, ohne weiterführende Informationen zu geben.177 Das vereinbarte Vorkaufsrecht zwischen Willem van de Velde und sei­ nem jüdischen Mäzen kann sich jedoch nur auf die Zeit vor der Übersiedlung des Künstlers nach England beziehen, denn im Winter 1672/1673 zogen Vater und Sohn van de Velde gemeinsam nach England, um dort in den Dienst von König Karl II. (1630–1685) zu treten, womit die Vereinbarung ihr Ende gefun­ den haben muss. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach See- und Flotten­ stücken nur so lange anhielt, wie die Niederlande die Vorherrschaft auf den Meeren für sich beanspruchen konnten. Mit ihrer Übersiedlung nach England und der wachsenden Rolle der englischen Flotte konnten die van de Veldes ihren Erfolg dort fortsetzen – ein strategisch kluger Schachzug der Künstler.178 Im Normalfall, wo kein Vorkaufsrecht vereinbart wurde, war es in der Sammelpraxis des 17. Jahrhunderts üblich, dass sich ein Sammler auf eine bestimmte Gattung oder sogar ein Sujet in seiner Sammeltätigkeit spezialisier­ te, nicht jedoch auf einen bestimmten Maler.179 Die Wahl der Themen folgte dabei häufig dem Wunsch, dass die Sujets der Lebenssituation des Sammlers entsprechen sollten.180 So verwundert es nicht, dass eine Familie, die im inter­ nationalen Seehandel tätig war, eine Vorliebe für Seestücke hatte. Der weitaus größere Teil der niederländischen Sammlungen war dagegen breiter aufge­ stellt. Doch auch hier gehörten Landschaften, wozu die Seestücke zu zählen sind, zu den beliebtesten Gattungen. Ein Vergleich von Amsterdamer Nach­ lässen aus der Zeit von 1620 bis 1689 dokumentiert deren zentrale Rolle. Die Landschaften nehmen in den Amsterdamer Sammlungen jener Jahre zwi­ schen 20 und 36 % der Gemälde ein.181 Sie gewannen immer mehr an Bedeu­ tung und verdrängten die zuvor in den Sammlungen dominierenden His­ torien. Eine weitere Differenzierung innerhalb der Gattung Landschaft ist mittels dieser Quellen jedoch kaum möglich, da meist nicht zwischen den ver­ schiedenen Untergattungen wie bspw. Seestücken unterschieden wird – der dort gebräuchliche Sammelbegriff ist ‚Landschaft‘. Dennoch steigt die Nen­ nung von Marinestücken. Dies spiegelt sich auch in den Preisen des Kunst­ marktes wider, wo Seestücke gegenüber anderen Landschaften wesentlich höhe­ re Preise erzielten. Dies ist auf das größere Format, die detailreichere und da­ mit zeitaufwändigere Darstellung zurückzuführen sowie auf die zunehmende Beliebtheit der Gattung.182 Die Seestücke lagen im Trend der Zeit, der sich mit 60 Bildwissen

Unterbrechungen bis ins 18. und 19. Jahrhundert fortsetzte und auch über die Landesgrenzen hinaus ging – bspw. gilt dies gleichermaßen für Hamburg.183 Das Interesse Tischbeins an der hier exemplarisch vorgestellten Samm­ lung lässt sich so zusammenfassen und begründen: Während seiner Lehrjahre in Hamburg (1766–1771) hat Tischbein erstmals niederländische Landschaften und Seestücke in Hamburger Sammlungen gesehen. Diese ersten Eindrücke werden durch seine Studienreise in die Niederlande erweitert und vertieft. Zum einen sieht Tischbein erstmals diese Landschaften und den berühmten weiten Himmel in natura. Er sieht mit dem kundigen Blick des Malers nun selbst das, was die niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts vor Augen hatten und was diese in idealtypischer Weise in ihren Gemälden festgehalten haben. Zum anderen besichtigt er vor Ort nicht nur einzelne Landschafts­ gemälde in verschiedenen Sammlungen, sondern im Falle der Sammlung des ‚portugiesischen Juden‘ hat sich Tischbein mit den Seestücken ein besonders typisches Genre des ‚Goldenen Zeitalters‘ zu betrachten ausgesucht. Der von Tischbein beschriebenen Sammlung kann noch größeres Ge­ wicht beigemessen werden, wenn man den zeitlichen Aspekt sowie die Kon­ tinuität berücksichtigt, was sich ebenfalls an zwei Punkten festmachen lässt. Erwähnt wurde bereits die fortdauernde Wertschätzung von Landschaften bei den Sammlern niederländischer Kunst und auch im Kunsthandel allgemein. Allerdings haben wir es im Falle von Tischbeins Gastgeber nicht nur mit ­einem einzelnen Sammler zu tun, sondern mit einer Sammlerfamilie, deren Wertschätzung der Sammlung so weit geht, dass diese über Generationen hin­ weg erhalten geblieben ist und nicht wie in vielen anderen Fällen von den folgenden Generationen zerschlagen und veräußert wurde.184 Zwischen dem Aufbau der Sammlung im 17. Jahrhundert und Tischbeins Besuch im 18. Jahr­ hundert liegen 100 bis 125 Jahre. Die entscheidenden Daten für den Aufbau der Sammlung sowie die Vereinbarung über das Vorkaufsrecht korrespondieren, wie beschrieben, mit den Amsterdamer Jahren von Willem van de Velde d. J. und sind daher zwischen 1652 und 1672 anzusetzen. Durch Tischbeins Be­ such der Sammlung ist deren Fortbestehen bis in die Jahre 1772/1773 doku­ mentiert. Die Existenz der Sammlung kann folglich für den genannten Zeit­ raum von über 100 Jahren angenommen werden. Ein weiterer Punkt betrifft die Kontinuität der Sammlungspräsentation: Dem Anschein nach sind die Gemälde und die Räumlichkeit, die zu deren Präsentation diente, ebenfalls über diesen Zeitraum hinweg in ihrer Hängung weitestgehend unverändert geblieben. Andernfalls wäre es nur schwer möglich, dass der alte, inzwischen blind gewordene Sammler – glaubt man Tischbeins Schilderung – die Gemäl­ de, ihren Ort, ihre Details so genau benennen konnte, als habe er sie (noch) sehen können. Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 61

Es gibt jedoch eine entscheidende Veränderung im Sammlungsbestand. Nach Tischbeins ergänzender Bemerkung sollen die Handzeichnungen van de Veldes nach seinem Tod ebenfalls in den Besitz des Sammlers gelangt sein. Tischbein lässt den Sammler erzählen: „Und als er starb kauften wir alle seine Handzeichnungen, so das wir den schaz was er in Zeichnungen nachlies, allein besizen.“185 Das Manuskript von 1811 enthält einen weiteren Hinweis, der in der publizierten Version der Lebenserinnerungen nicht mehr enthalten ist. Dort heißt es direkt im Anschluss weiter: „Dan führte er mich bey der Hand die trepe hin auf, da standen grose Küsten. die sagte er bewahren die hand Zeichnungen des v. Velde, es sind viele, und aus der Uhrsache werdet ihr auch selden Zeichnungen von ihm in Samlungen sehen, weil wir fast alle haben.“186 Willem van de Velde d. Ä. starb im Jahr 1693, sein Sohn Willem van de Velde d. J. im Jahr 1707. Es ist davon auszugehen, dass die Handzeichnungen nach 1707 in den Besitz des Sammlers gelangten. Allerdings bleibt unklar, auf wel­ chem Weg die Zeichnungen von London nach Amsterdam kamen. Die Darstellung Tischbeins korrespondiert auf verblüffende Weise mit einer Mitteilung von Remmelt Daalder, wonach sich möglicherweise bestätigt habe, dass nach dem Tod von Willem van de Velde d. J. dessen Sammlung zumindest in großen Teilen beisammen blieb. Dies lasse sich vermuten „by a rather odd story about the provenance of the large collection of drawings in Museum Boijmans Van Beuningen. A nineteenth-century source states that

‚at least ¾ or 7∕ 8‘ of the drawings belonging to Van de Velde the Younger were packed in a chest after his death.“ Und diese Kiste – von einer Kiste spricht auch Tischbein – sei im Besitz „of a ‚Jewish Gentleman‘ called Bueno da Costa, who died at the end of the eighteenth century.“187 Ist damit das Geheimnis der Identität des ‚portugiesischen Juden‘ gelüftet? Es sind zumindest starke Hinweise, dass sich hinter dieser Person der jüdische Sammler befinden könn­ te. Dieses Beispiel bekräftigt nicht nur, dass Tischbeins Erzählung einen wah­ ren Kern hat, sondern auch, welchen spezifischen Informationsgehalt seine Lebenserinnerungen besitzen, da sich durch sie Wissen erschließen lässt, das sonst nicht in dieser Art fassbar ist. Dies verdeutlicht die Einzigartigkeit sowie das Alleinstellungsmerkmal seiner Lebenserinnerungen.

Der Wettbewerb unter Sammlern

In dem eben erwähnten Zitat aus den Lebenserinnerungen Tischbeins steckt ein zentraler Aspekt des Kunstsammelns. Der Sammler bezeichnet das Konvo­ lut als einen Schatz, rühmt sich damit, diesen allein zu besitzen und freut sich, „weil wir fast alle [Zeichnungen] haben“.188 Die Exklusivität ist wichtig für die Bedeutung der Sammlung und natürlich gleichfalls der Person des 62 Bildwissen

Sammlers bei den Zeitgenossen – sowohl im 17. als auch im 18. Jahrhundert – und damit auch für Tischbein. Ähnlich äußert sich der bereits zitierte Sammler Peter Tamm: „Nichts gibt dem Menschen so sehr das Gefühl des Besonderen wie das Sammeln. Auf welchem Gebiet auch immer sich der einzelne betätigt, er löst sich aus der Masse, verschafft sich selbst ein Gefühl der Befriedigung und leistet dazu einen nützlichen Beitrag zur Geschichte der Menschheit.“189 Es gab durchaus einen Wettbewerb unter den Sammlern, die stets die besten und seltensten Stücke ihr Eigen nennen wollten. Unter den Marinemalern war Willem van de Velde d. J. einer der bekanntesten Maler. Laut Bob Haak hielt man im 17. Jahrhundert sogar ein Gemälde von ihm „automatisch für das beste“ dieser Gattung.190 Es erscheint nicht schwer nachvollziehbar, wel­ chen Wert demnach eine ganze Sammlung dieses geschätzten Meisters zur damaligen Zeit gehabt haben musste. Zum gesellschaftlichen Wettbewerb der Sammler um Sozialprestige gehört gleichfalls das Ritual, diese kostbaren Stücke ausgewählten Gästen zu zeigen oder die Sammlung an bestimmten Tagen exklusiv für einzelne Perso­ nen zu öffnen.191 Teil des Rituals ist eine entsprechende Begrüßung, die dem Besucher deutlich macht, welches Privileg ihm zuteil wird. Tischbein schil­ dert dies derart: „[D]a sie ein liebhaber von Gemahlten sind, so solln sie bey uns wass seldenes sehen, etwas wares was sie nergens finden.“192 Zum Proce­ dere der Distinktion gehört auch, dass die Vorführung des Schatzes im exklu­ siven Kreis von Kunstkennern zelebriert wird – was an einem weiteren Bei­ spiel Gegenstand von Kapitel 3.1 sein wird. Durch die prominente Platzierung und ausführliche Würdigung dieser einmaligen Sammlung in seinen Lebens­ erinnerungen erweist Tischbein dem Sammler postum noch seinen Respekt. Erstaunlich ist nur, dass er ihn nicht beim Namen nennt. Daran schließt sich eine weitere Frage an: Wie erhielt Tischbein – ein junger und noch unbekannter aus Deutschland stammender Maler – Zugang zu dieser Amsterdamer Sammlung? Und woher hatte er Kenntnis von dieser besonderen Sammlung? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Fragen zu beantworten. Zum einen sind die damals wichtigen ‚Adressbriefe‘ zu nennen, die Tischbein aus Deutschland mit in die Niederlande brachte und gleich nach seiner Ankunft als Erstes aufgab.193 Er schreibt: „Kaum hatte ich mich im Wirtshaus um gegleidet, so ging ich aus die Stadt zu besehen, […]. Erst gab ich meine adres briefe ab, dan sahe ich die Gemahlde welche in offenligen Häus zu sehen sind, als auf dem Stadthaus, und der Anatomi.“194 Tischbein beginnt seine Gemäldeerkundungen also zunächst an öffentlich zugänglichen Orten, während seine mitgebrachten Empfehlungsschreiben zugestellt werden. Die Voraussetzung hierfür ist, dass zuvor bereits ein Kontakt zwischen dem Samm­ ler und einer Person aus Tischbeins Bekanntenkreis in Deutschland bestand. Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 63

Anzunehmen ist dies für Tischbeins wichtigen Förderer und Mäzen in Bre­ men, Melchior Wilmans, der einer weitverzweigten Kaufmannsfamilie ange­ hörte und dadurch entsprechende Kontakte hatte.195 Leider ist nicht überlie­ fert, an wen diese kostbaren Schreiben adressiert waren. Denkbar wäre aber auch die persönliche Empfehlung seitens anderer Sammler, die Tischbein bei seinem Aufenthalt in den Niederlanden und in Amsterdam zuvor kennen­ gelernt hatte. Als Voraussetzung hierfür muss sich Tischbein als ein angeneh­ mer, interessanter wie interessierter Zeitgenosse erwiesen haben, sodass die Sammler ihn guten Gewissens weiterreichen konnten. Entscheidend dürfte für die Kunstliebhaber hierbei gewesen sein, dass Tischbein mit dem Wissen und Blick eines jungen Künstlers die Werke sowie die Sammlungen betrach­ ten und auf diese Weise die Gespräche bereichern konnte. Da es keine eindeu­ tigen Quellen gibt, muss es bei der Nennung der verschiedenen Möglichkei­ ten bleiben. Der Lohn für den Sammler im Gegenzug für seine Großzügigkeit und Bereitschaft dürfte unter anderem in der lobenden Anerkennung der Sammlung bestanden haben. Auch dürfte ihm geschmeichelt haben, mit an­ deren Kennern Umgang zu pflegen bzw. einem jungen Künstler auf dem Weg zur Kennerschaft behilflich zu sein. Entsprechend beschließt Tischbein die Erzählung aus der Sammlung mit den Worten: „Es machte dem guten alden grosses Vergnügen, das ich die Bilder mit so vieler Freude besahe.“196 Der Zugang Tischbeins zu den bekannten niederländischen Samm­ lungen dürfte jedenfalls nicht durch sprachliche Barrieren erschwert worden sein. Zum einen finden sich in Tischbeins Nachlass unter anderem niederlän­ dische Notizen und Redewendungen, die auf eine zumindest rudimentäre Be­ herrschung dieser Sprache schließen lassen (vgl. Abb. 6).197 Zum anderen war es aufgrund des hohen Anteils deutscher Immigranten nicht unüblich, dass in Amsterdam Deutsch gesprochen oder doch zumindest von den sprach­be­ gabten und international agierenden Niederländern verstanden wurde. Einer Studie von Erika Kuijpers zufolge waren die meisten Migranten in Amsterdam Deutsche. „Auf der Grundlage der Heiratsakten, in denen jeweils der Her­ kunftsort von Braut und Bräutigam festgehalten wurde, kann man schätzen, dass sich zwischen 1600 und 1800 etwa 300.000 bis 400.000 Deutsche allein in Amsterdam niederließen.“198 Es liegt daher die Annahme nahe, dass die Kommunikation kein allzu großes Problem dargestellt hat und Tischbein sich mit seinen Zeitgenossen verständigen konnte. Fest steht, dass die Konversa­ tion neben der Bildbetrachtung zentrales Element eines jeden Sammlungs­ besuches war, was Tischbein in seinen Lebenserinnerungen eindrücklich do­ kumentiert. 64 Bildwissen

2.1.2 Seestücke von Willem van de Velde

Wichtiger als die Person des Sammlers ist für Tischbein selbstverständlich des­ sen Kunst – eine „Samlung See stücke alle vor der hand des W. Velde“, der seine Aufmerksamkeit gilt.199 Welchen „W. Velde“ Tischbein meint – Willem van de Velde den Älteren (1611–1693) oder Willem van de Velde den Jünge­ ren (1633–1707) –, ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, sodass die Infor­ mationen aus der Feder Tischbeins mit der Forschungsliteratur zu Vater und Sohn Willem van de Velde zusätzlich abzugleichen sind.200 Tischbein beschreibt den Künstler van de Velde als „so geschikten Meister, der einzig ist und nicht seines gleichen hatt, in stille Seen zu mah­ len“.201 Bei diesen sogenannten ‚stillen Seen‘ handelt es sich um eine Variante des Seestücks, das wiederum der Gattung der Landschaftsmalerei angehört und die Spezialisierung der Künstler in den Niederlanden des 17. Jahrhun­ derts beispielhaft demonstriert.202 Als Pendant zur ‚stillen See‘ gilt das ‚stür­ mische Meer‘ und der wichtigste Vertreter hierfür ist Ludolf Bakhuizen (1630– 1708), den Tischbein gleichfalls in seinem Niederlande-Kapitel der Lebens­ erinnerungen thematisiert.203 Ferner handelt es sich bei den Werken von Vater und Sohn Willem van de Velde nicht nur um ‚Seestücke‘, sondern auch um ‚Marinemalerei‘, wobei die Begriffe häufig synonym verwendet werden.204 Zu ihrem Repertoire gehört das Meer gleichermaßen wie die Küste, ebenso Fluss­ mündungen und Hafenszenen, ferner Schiffe sowie der Schiffsbau oder der Fischfang, aber auch die ruhmreichen Seeschlachten und katastrophalen Schiffbrüche.205 In den Werken von Willem van de Velde d. Ä. und d. J. bestimmt nicht ausschließlich das Meer in Zusammenspiel mit fiktiven Wetter- und Lichtphänomenen den Bildgegenstand wie in den atmosphärischen Darstel­ lungen und Stimmungslandschaften einiger Zeitgenossen.206 Darüber hinaus schufen die van de Veldes teils regelrechte ‚Schiffsportraits‘. Dies war insbe­ sondere eine Spezialität von Willem van de Velde d. Ä. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählte die visuelle Dokumentation der Aktivitäten der niederländi­ schen Kriegsflotte, weshalb er sie begleitete und somit Zeuge zahlreicher See­ schlachten wurde, was durchaus nicht ungefährlich war.207 Seine Beobach­ tungen hielt er in zahlreichen Skizzen fest, woraus anschließend im Atelier die berühmten ‚Penschilderijen‘ oder auch ‚Grisaillemalereien‘ entstanden – Feder­zeichnungen auf Holz oder Leinwand (Abb. 10).208 Im Atelier van de Velde, welches Vater und Sohn gemeinsam ab 1652 in Amsterdam und ab 1673 in London führten, dienten diese Skizzen wiederum als Vorlage für die Ölgemälde von Willem van de Velde d. J.209 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der jüngere van de Velde nicht auch selbst Zeichnungen angefertigt hätte – Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 65

10 Willem van de Velde d. Ä.: Die Eroberung der Royal Prince während der viertägigen Schlacht 1666, 1672, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

vielmehr führte diese Arbeitsteilung dazu, dass eindeutige Zuschreibungen heute mitunter schwierig sein können. „Auf diese Art und Weise nutzen sie ihre jeweiligen Talente am besten. Während der Vater kaum die Begabung für Ölgemälde besaß, stattdessen aber meisterlich die Kunst beherrschte, einen individuellen Eindruck schnell und akkurat zeichnerisch umzusetzen, besaß der Sohn ein natürliches Talent, aus den verschiedenen Gruppen von Schiffen meisterliche Kunstwerke zu machen, indem er den Blickwinkel und den ­Moment der Ereignisse so auswählte, daß er den eindrucksvollen Effekt oder die harmonischste Komposition produzierte.“210 So urteilt David Cordingly. Westby Percival-Prescott geht in der Beurteilung von Willem van de Velde d. J. noch einen Schritt weiter: „Kein anderer Marinemaler des 17. Jahrhunderts beherrschte seine Materie in einer Art und Weise wie er. Desgleichen steht er allein mit seinem Talent, die verschiedenen Elemente wie Licht und Schatten, Bewegung und Stille, Form und Leere zu kontrastieren.“211 Genau diese Aspekte betont auch Tischbein bei den kurzen Beschreibungen der Gemälde von van de Velde, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. 66 Bildwissen

Ausgewählte Gemälde der Sammlung

Um eine Vorstellung zu bekommen, was Tischbein in der Sammlung seines portugiesischen Gastgebers an Seestücken zu sehen bekam, wird daher der Versuch unternommen, mit Hilfe von fünf kurzen Bildbeschreibungen aus der Feder Tischbeins sowie durch Vergleichsbeispiele einen Eindruck von der Sammlung zu vermitteln.212 Durch die bereits referierten übereinstimmenden Bewertungen sowie die begründete Annahme, dass es sich um eine Sammlung von Ölgemälden handelt, ist davon auszugehen, dass Tischbein die Werke von Willem van de Velde d. J. bespricht.213 Als erstes Gemälde lässt Tischbein den Sammler folgendes Bild be­ schreiben: „Hir sehen sie ein Bild wie der Konig N. von England geflüchtet und in N. bey stillem wetter ankomt. Sehet den schonen abent, wie windstille, wie die seegeln und taue schlaff herunder hängen, und diesses Schiff welches entfernd liegt, und giebt freuden schüsse, sehet den rauch, wie er dich aus der kanone komt, und die andere kanone welche schon abgefeuert ist, davon ist der Rauch schon weg gewehet, und fliegt oben vor dem andern schiff vor­ bey und bedekt es so das man es wie durch einen dinen flohr siehet.“214 Es konnte bislang kein Gemälde identifiziert werden, das exakt der Beschreibung Tischbeins entspricht, aber es gibt verschiedene Gemälde von Willem van de Velde d. J. mit übereinstimmenden Details, die dem geschilderten Eindruck entsprechen. Zum Vergleich soll ein Gemälde mit dem Titel Hafenmole mit Schiffen und einer ablegenden Jacht aus dem Jahr 1673 im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam herangezogen werden (Abb. 11).215 In diesem Gemälde werden die Freudenschüsse deutlich. Rechts von der Bildmitte ist eine ‚Staatenjacht‘ zu sehen, wo nach dem Schuss der Rauch aus der Kanone quillt und eine dicke Wolke bildet. Der Rauch schwebt vor einem weiter hin­ ten liegenden Schiff vorbei, sodass dieses wie durch einen Schleier zu sehen ist – genau wie in der Beschreibung Tischbeins. Zudem ist die Szene in abend­ liches Licht getaucht, was an dem von links einfallenden gelblichen Licht zu erkennen ist. Darüber hinaus herrscht, korrespondierend mit Tischbeins Be­ schreibung, Windstille. Die Segel der Schiffe hängen schlaff herunter, sofern sie überhaupt gesetzt sind, und das Wasser ist beinahe glatt, sodass sich die Schiffe darin spiegeln. „Der Maler hat seine Aufmerksamkeit vor allem auf die genaue Wiedergabe von Hell und Dunkel, der Spiegelung im Wasser und des Lichtes, das auf die kompliziert geformten Segelstücke fällt, gelenkt. […] Es handelt sich um ein wirkliches Meisterwerk von Willem van de Velde d. J., der sich mit dieser Arbeit zu den großen und unübertroffenen Meistern [des] sieb­ zehnten Jahrhunderts gesellt.“216 Allerdings kann der Hinweis Tischbeins ­bezüglich des Königs, der an der französischen Küste ankommen soll, nicht Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 67

11 Willem van de Velde d. J.: Hafenmole mit Schiffen und einer ablegenden Jacht, 1673, Museum Boijmans Van ­Beuningen Rotterdam

12 Willem van de Velde d. J.: Die Abfahrt von König Karl II. aus Scheveningen, um 1661, Wallace Collection London

bestätigt werden.217 Dargestellt ist vielmehr eine nicht identifizierbare Hafen­ mole nach dem Vorbild der Molen an der holländischen Küste. Tischbeins Rundgang durch die Gemäldesammlung geht wie folgt weiter: „Und hir auf diessem weit gröseren Bild sehet ihr als der Konig N. wie­ der nach England fehrt. der ord ist Schewelingen wo er abfährt. die viele men­ schen volk die auf den Hügeln stehen sind die Neugirigen welche ihn wollen absegeln sehen. W. v. V. ging selbst in dem gefolge mit nach England.“218 Auch bei diesem zweiten Seestück versieht Tischbein seine Gemäldebeschrei­ bung mit historischen Details. Die Abfahrt von Karl II. aus Scheveningen in Richtung England und damit das Ende seines Exils datiert im Mai des Jahres 1660 – kurz nachdem er am 8. Mai 1660 zum König von England proklamiert 68 Bildwissen worden war.219 Dieses konkrete Ereignis erleichtert die Recherche nach dem gesuchten Motiv. Die Wallace Collection London besitzt ein entsprechendes Gemälde: Die Abfahrt von König Karl II. aus Scheveningen, um 1661 (Abb. 12).220 Es zeigt eine Küstenszene mit der feierlichen Abfahrt des Königs inmitten ­einer Flotte. Allerdings werden in diesem Gemälde die von Tischbein erwähn­ ten Hügel nicht gezeigt, sondern die Wasserkante verläuft parallel zur Bild­ kante und zeigt damit eine Frontalansicht der Szenerie mit Ausblick auf das Meer sowie die zahlreichen Schiffe im Bildhintergrund. Zugleich handelt es sich bei dem Londoner Bild mit den Maßen 48,3 x 57,2 cm um ein Gemälde kleineren Formates.221 Es muss also weitere Versionen des Motivs und darun­ ter auch eine größere Version gegeben haben, sofern Tischbeins Gedächtnis hier nicht trügt und er zum Zwecke einer anschaulichen Beschreibung und Überleitung Details wie die Gemäldegröße intuitiv ergänzt hat. Tischbeins Zusatz, dass van de Velde selbst im Gefolge des Königs mit nach England ging, ist zu Teilen richtig. Für Willem van de Velde d. Ä. trifft ein erster längerer England-Aufenthalt für die Zeit zwischen 1660 und 1662 zu – möglicherweise im königlichen Gefolge.222 Doch erst im Jahr 1672 siedelt Willem van de Vel­ de d. Ä. endgültig nach England um, während Willem van de Velde d. J. einige Monate später im Winter 1672/1673 nachkommt und ebenfalls in den Dienst des Königs tritt.223 Das im dritten Bild vorgestellte Ereignis folgt direkt auf das vorherige und muss mit geringem zeitlichen Abstand entstanden sein. Wir haben es demnach mit einer Trilogie von Gemälden zur Geschichte des englischen ­Königs zu tun. „Und diesses dritte Bild ist, als der Konig auf der Temse an­ komt, und so viele Engelische schiffe komen ihm in gegen. und flachen alle, es ist ein gewimmel von schiffen und farzeige, die alle ihre freude bezeigen durch die aufgestecktn flachen.“224 Die Geschichtsschreibung notiert die An­ kunft von König Karl II. in London für den 29. Mai 1660.225 Bei diesem Motiv soll ein Gemälde eines Zeitgenossen von Willem van de Velde d. J. zur Veran­ schaulichung einer derartigen Willkommensszene dienen. Es handelt sich um Die Ankunft des englischen Königs Karl II. in Rotterdam, 24. Mai 1660 von Lieve Verschuier (1627/1634–1686) im Amsterdam (Abb. 13).226 The­ matisiert wird eine frühere Station der Reise, die den englischen König quer durch die Republik führte, was von verschiedenen Künstlern bildlich fest­ gehalten wurde.227 Zu sehen ist hier ein regelrechtes Gewimmel von Schiffen im Rotterdamer Hafen mit den dazugehörigen Salutschüssen, die durch Rauchwolken an verschiedenen Stellen ins Bild gesetzt sind. Das von Tisch­ bein beschriebene Gemälde dürfte dem Betrachter eine vergleichbare Szene geboten haben. Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 69

13 Lieve Verschuier: Die Ankunft des englischen Königs Karl II. in Rotterdam am 24. Mai 1660, um 1660, Rijksmuseum Amsterdam

Das vierte Gemälde beschreibt Tischbein mit den Worten: „Dan war noch ein Bild das stelte ein haffen vor, wo die Schiffe still gedrangt neben ein ander liegen, eins machte ein schatten auf das andere, und zwischen die dunklen Schiffe schin die Sonne hinein und beleichtete einige, und reflektirte andere, und der Sonne Klanz im Wasser gab auch einen schein auf der schat­ ten seite an einigen. das machte eine Klarheit in dem dunkeln, das er was er­ freuliges zu sehen für das Auge war.“228 Dieses Mal steht nicht eine Bildbe­ schreibung im Vordergrund, die sich im Wesentlichen auf die Benennung des dargestellten Motivs und Ereignisses bezieht. Stattdessen schildert Tischbein die Besonderheiten des Werkes, vor allem das Spiel von Licht und Schatten auf und zwischen den Schiffen. Ein weiteres Indiz, dass es sich um ein Werk von van de Velde d. J. handelt, dessen besonderes „Talent, die verschiedenen Elemente wie Licht und Schatten, Bewegung und Stille, Form und Leere zu kontrastieren“ in der Forschung immer wieder betont wird.229 Als Beispiel zur Veranschaulichung der Behandlung von Lichteffekten bei Willem van de Vel­ de d. J. kann das Gemälde Eine Staatenjacht und zahlreiche andere Schiffe, um 1660 entstanden, im Mauritshuis Den Haag herangezogen werden, das sich im 18. Jahrhundert im Besitz des Statthalters Prinz Wilhelm V. von Oranien- Nassau (1748–1806) befand (Abb. 14).230 Im Ausstellungskatalog Herren der Meere, Meister der Kunst wird das Gemälde folgendermaßen beschrieben: „Bei sonnigem Wetter und Windstille wird ein Blick auf zahlreiche Schiffe gebo­ ten. Die Jacht links von der Mitte ist auf dem Spiegel mit dem Wappen der 70 Bildwissen

14 Willem van de Velde d. J.: Eine Staatenjacht und zahlreiche andere Schiffe, um 1660, ­Mauritshuis Den Haag

Oranier verziert, wodurch sie als Staatenjacht erkannt werden kann. […] Trotz der komplizierten Komposition von Schiffen, Masten und Segeln ist in dem Gemälde ein perfektes Gleichgewicht aller Elemente erreicht worden. Dazu trägt in hohem Maße die Wahl von helleren und tieferen Farben bei.“231 Ein weiteres Werk, das explizit eine Hafenszene wie die von Tischbein beschrie­ bene zeigt – noch dazu eine der prominentesten Hafenszenen in der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ –, ist die Ansicht des Ij-Hafens in Amsterdam aus dem Jahr 1686 im Amsterdam Museum (Abb. 15).232 Für dieses Gemälde, das ver­ mutlich im Auftrag der Hafenkommission entstanden ist, kehrte Willem van de Velde d. J. für kurze Zeit von England nach Amsterdam zurück. Es zeigt einen regelrechten Wald aus Schiffsmasten mit Flaggen und Wimpeln – dahinter die Silhouette der Stadt, gekrönt von einem endlos erscheinenden Wolkenhimmel. Im Vordergrund ist prominent ‚De Gouden Leeuw‘ – das Schiff von Admiral Cornelis Tromp – zu sehen, kunstvoll beleuchtet von Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 71

15 Willem van de Velde d. J.: Ansicht des Ij-Hafens in Amsterdam, 1686, Amsterdam Museum

einem Sonnenstrahl, der die Wolken durchbricht. „Dieses Gemälde, sein größtes und kompliziertestes Werk, zeigt ihn noch im Alter von dreiundfünfzig Jahren auf dem Höhepunkt seines Schaffens.“233 Im späten 18. Jahrhundert konnte dieses berühmt gewordene Gemälde im Sitzungssaal der Oberkom­ missare für die Wallbefestigungen im Scheierstoren in Amsterdam – ganz rechts im Bild zu sehen – bewundert werden, wo es Tischbein im Original gesehen haben könnte. „[D]an war auch eins wo ein flacher strand von Sant und Kies war, wo die heran rollenten wogen flach und dinn herauf liefen, und man sahe durch das wasser den sandigen bohten, u. d. g. mer.“234 Diese kurze und letzte ­Beschreibung eines Gemäldes in der Sammlung des Portugiesen zeigt eine der für van de Velde d. J. typischen Szenen. Von diesen Strand- und Küsten­ ansichten gibt es unzählige Versionen, wobei die meisten in den frühen Schaffensjahren und um 1660 entstanden sind. So auch die Küstenszene in der Gemäldegalerie Alte Meister der Museumslandschaft Hessen Kassel, die sich spätestens seit 1749 im Besitz der Landgrafen von Hessen-Kassel befand (Abb. 16).235 Dargestellt ist eine Strandszene bei Ebbe, sodass die Sandbänke an verschiedenen Stellen zum Vorschein kommen und die Wellen flach her­ anrollen. Verschiedene holländische Fischerboote sind im Vordergrund ge­ strandet, während in der Ferne größere Schiffe zu erkennen sind. Die Hori­ zontlinie ist tief angesetzt, mit einem für die niederländische Landschafts­ malerei charakteristischen weiten Himmel.236 72 Bildwissen

16 Willem van de Velde d. J.: Küstenszene, 1653, Museums­ landschaft Hessen Kassel

Tischbeins Blick auf die Sammlung

Mit der Auswahl der beschriebenen Gemälde vermittelt Tischbein dem Leser seiner Lebenserinnerungen einen charakteristischen Eindruck einer Samm­ lung von Seestücken. Dieser Eindruck muss die Sammlung nicht zwangsläufig adäquat repräsentieren, sondern kann unter anderem literarischen Gesichts­ punkten folgen im Sinne eines fortlaufenden Erzählstranges. Tischbein setzt einen starken Fokus auf jene Marinestücke, die eine Episode aus dem Leben des englischen Königs Karl II. bis zum Jahr 1660 aufgreifen.237 Eingedenk der später auf diese Episode folgenden Seekriege zwischen England und den Nieder­ landen ist es erstaunlich, dass Tischbein ausgerechnet diese Bildmotive inner­ halb einer niederländischen Sammlung hervorhebt.238 Ebenso gut hätte er – sofern in der Sammlung vorhanden – Gemälde von Willem van de Velde d. J. auswählen können, die den Patriotismus der Niederländer sowie die stolzen Errungenschaften des Landes stärker thematisieren. Gleichfalls hätte Tisch­ bein weitere Gemälde vorstellen können, in denen die ‚stille See‘ nicht nur Kulisse für historische Ereignisse, sondern zentraler Bildgegenstand ist. Dies wäre folgerichtig, da Tischbein van de Velde insbesondere für diese Art der Darstellungen rühmt und ihn als „so geschikten Meister, der einzig ist und nicht seines gleichen hatt, in stille Seen zu mahlen“, beschreibt.239 Immerhin bildet diese Werkgruppe den Abschluss seines Rundganges durch die Samm­ lung. Darüber hinaus zeigt Tischbein van de Velde d. J. nur als Maler der ‚stillen See‘, obwohl es in dessen Œuvre auch zahlreiche Illustrationen ‚stürmischer See‘ gibt, wobei ihm bei diesen eine weniger glückliche Hand zugesprochen Eine Sammlung mit Seestücken von Willem van de Velde 73 wird.240 Analog hierzu steht die negative Beurteilung der Fähigkeiten seines Vaters Willem van de Velde d. Ä. in Bezug auf dessen Gemälde im Gegensatz zu den berühmten Zeichnungen und ‚Penschilderijen‘.241 Dessen ungeachtet ist deutlich zu erkennen, welche Wertschätzung Tischbein dem Maler Willem van de Velde d. J. entgegenbringt. Mit diesem Urteil steht er nicht alleine da – sowohl damals als auch heute fällt dessen Beurteilung ähnlich positiv aus. Etwas überschwänglich betont bspw. Jan Laurens Bol dessen allgemeine Be­ deutung: „Willem van de Velde der Jüngere ist in den Niederlanden und in England unbedingt der populärste Marinemaler des 17. Jahrhunderts. In die­ ser superlativischen Wertschätzung spielen zu einem nicht unerheblichen Teil außerhalb der Kunst liegende Faktoren eine Rolle. Der Gegenstand jener Werke, in denen er die Siege der holländischen Flotte über die Engländer und – nach 1672/1673 – das Umgekehrte darstellt, ruft an beiden Seiten der Nord­ see romantische Sentimente hervor und schmeichelt den Gefühlen der Vater­ landsliebe und des Nationalbewußtseins.“242 Wobei Tischbein die Schlachten und die Siege, die Willem van de Velde d. J. in verschiedenen Gemälden dar­ gestellt hat, gerade nicht erwähnt – sei es, weil diese nicht in der Sammlung vertreten waren oder weil ihm andere Facetten seines Werkes wichtiger er­ schienen. Resümierend kann festgehalten werden, dass die Provenienzrecherche bislang keine eindeutigen Hinweise auf die Sammlung des ‚portugiesischen Juden‘ liefern konnte. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass sich bei den zahlreichen in den Datenbanken verzeichneten Gemälden sowie im Œuvre-Katalog die Provenienzen nicht bis in die Zeit von Tischbeins Auf­ enthalt in den Niederlanden 1772/1773 und damit der Besichtigung der Sammlung oder gar bis zur Begründung der Sammlung im 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Die Mehrheit der Provenienzen der Gemälde von Willem van de Velde d. J. und d. Ä. geht allenfalls bis ins 19. Jahrhundert zu­ rück. Somit ist eine eindeutige Identifikation der beschriebenen Werke sowie eine Rekonstruktion der Sammlung zwar nicht möglich, aber der exemplari­ sche Vergleich mit ähnlichen Werken legt nahe, dass Tischbeins positive Ein­ schätzung des Sammlungsbestandes auch heutigen Qualitätskriterien nicht widerspricht. Es ist interessant, dass Tischbein einen Sammler ins Zentrum des Ge­ schehens rückt, der erblindet ist und dennoch die Werke seiner Sammlung bis hin zu Details beschreiben kann, wie Tischbein den Leser anhand der einzel­ nen Bildbeschreibungen glauben lässt. In den Lebenserinnerungen wird der Aspekt der Blindheit folgendermaßen beschrieben: „Als ich zu ihm geführt worde, und in das wohn zimer tratt, stand der alde blinde Mann auf, kam mir entgegen und gab mir die hand. Kaum bemerkte ich das er blind war […] Dan 74 Bildwissen traten wir in das Zimer, wo die Gemahlte hingen, es war ganz voll lauder See­ stücke von W. v. Velde. nun führte mich der alde Blinde von einem stück zum andern, und wiess mir mit dem finger drükend auf die schönsten stellen der Bilder, so genau den ort treffent als sehe er. […] Dem blinden Greis waren bei der Eraubung seines gesichtes die Bilder und was darauf war so gegen wertig, als sehe er noch, weil er sie von Kindheit auf gesehen hatte, und mit viele liebe imer betrachtet ohne das sie von der stelle gerükt waren worden.“243 Hier lässt sich eine beziehungsreiche Anspielung auf einen berühmten, ebenfalls er­ blindeten Akteur der niederländischen Kunstszene vermuten – den sogenann­ ten ‚Nederlandse Apelles‘.244 Die Rede ist von Gerard de Lairesse (1640–1711), der im Jahr 1690 erblindete, sodass er nicht mehr als Künstler tätig sein konnte. Stattdessen unterrichtete er fortan Kunsttheorie und verfasste mit Unterstüt­ zung seiner Söhne kunsttheoretische Schriften, die zu Standardwerken­ der niederländischen Kunstliteratur werden sollten.245 Strukturalistisch gesehen verschmelzen bei Tischbein innerhalb der Erzählung um den portugiesischen Sammler verschiedene Ebenen der Erinne­ rung und diverse zeitliche Bezugspunkte. Kurz gesagt: Tischbein erinnert sich, wie sich der Sammler erinnert, dessen Erinnerung sich wiederum zum Teil auf die Erinnerung seiner Vorfahren stützt. Konkret heißt dies: Bei der ersten Nie­ derschrift der Autobiographie in den Jahren 1810/1811 erinnert sich Tischbein an seinen Jahrzehnte zurückliegenden Besuch der besagten Sammlung in den Jahren 1772/1773. Diese Erinnerungen macht er an Bildern fest, die sich in sein Bildgedächtnis eingeprägt haben, und kontextualisiert diese durch den Sammler jener Kunstwerke. Der Sammler ist zum Zeitpunkt von Tischbeins Besuch aufgrund seines hohen Alters erblindet und kann deshalb die Kunst­ werke nur aus seiner Erinnerung beschreiben, womit auch er auf sein Bildge­ dächtnis zurückgreift. Seine persönlichen Erinnerungen, die aus der Zeit vor der Erblindung stammen – vermutlich aus der Mitte des 18. Jahrhunderts –, kontextualisiert er wiederum durch die Erinnerungen seiner Vorfahren, in­ dem er die Sammlungsgeschichte rekapituliert. Dieses Familiengedächtnis reicht bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts und die Sammlungsgründung zu­ rück. Mit dem von Tischbein gegebenen Beispiel des Familiengedächtnisses korrespondiert bspw. eine These von Aleida Assmann, die von einem „in der Regel drei Generationen verbindenden Gedächtnis der mündlich weitergege­ benen Erinnerung“ spricht.246 Die Werke sind Teil der Familiengeschichte, die unweigerlich mit Emotionen verbunden ist, was durch die implizierte Wert­ schätzung und den zum Ausdruck gebrachten Stolz deutlich wird. Außerdem hat der Sammler sie „von Kindheit auf gesehen […], und mit viele liebe imer betrachtet“, was eine wiederkehrende sowie nachhaltige Bildbetrachtung einschließt. Somit kommen beide Varianten, zum einen die Verbindung der Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 75

Erinnerung mit Emotionen und zum anderen die wiederholte intensive Be­ trachtung, bei den von Tischbein beschriebenen Erinnerungen des betagten Sammlers in Frage.247 Damit ist nicht gesagt, dass die von Tischbein referierten Erinnerungen sowie deren Staffelung tatsächlich exakt der Realität entsprechen müssen. Immerhin haben wir es mit großen zeitlichen Abständen zu tun und Tischbein legt die Erinnerungen dem Sammler in den Mund – er lässt diesen sich erinnern. Sollte Tischbein die Details falsch erinnert oder womöglich er­ funden haben, so hat er die Plausibilität und Gesetzmäßigkeiten von Erinne­ rungen (intuitiv) bedacht, weshalb sie dem Leser glaubhaft erscheinen und dieser gewillt ist, Tischbeins Ausführungen zu folgen. Tischbein lässt den Sammler im Rahmen der Erzählung ausführlich zu Wort kommen und ihn persönlich die Bilder seiner Sammlung auswählen, beschreiben sowie deren Besonderheiten hervorheben, womit dieser die Kon­ versation fast vollständig bestreitet und sein Bildwissen dem jungen Maler gegenüber kundtut. Dass der junge Künstler Tischbein, der sich anhand der Urteile der versierten Kunstliebhaber und Kunstkenner in den Niederlanden in seinem eigenen noch unvollkommenen Kunsturteil zu schulen gedenkt, ausgerechnet bei einem blinden Sammler das Sehen von niederländischen Seestücken erlernt, ist bemerkenswert. Ein ausgefallener und gelungener Auf­ takt des Niederlande-Kapitels. Der Blinde, der das richtige Sehen lehrt – der blinde Seher –, gehört zu einem verbreiteten und seit der Antike bekannten Topos. Der französische Philosoph Jacques Derrida resümiert dies mit den Worten: „Der Blinde kann ein Seher sein, mitunter ist er zum Visionär be­ stimmt.“248

2.2 Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman

Mit dem intensiven Studium am Original während seiner Reise in die Nieder­ lande lernt Tischbein die einzelnen Manieren und Eigenheiten verschiedener Künstler zu benennen und zu unterscheiden, wie er an dem folgenden Bei­ spiel demonstriert. Hiermit legt er Zeugnis ab über die bereits gesammelten Erfahrungen und sein erlangtes Bildwissen in Bezug auf die Kunst des ‚Golde­ nen Zeitalters‘. Dies bewahrt ihn jedoch nicht vor Irrtümern, wie im Fall eines kennerschaftlichen Gesellschaftsspiels, bei dem ihn ein Sammler in Amster­ dam auf die Probe stellt, woran Tischbein den späteren Leser teilhaben lässt. 76 Bildwissen

Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien

In seinen Lebenserinnerungen schildert Tischbein diese Begebenheit wie folgt: „Von diesser Art vortrefliger und ausgesuchter Bilder sahe ich bey H. Lubeling. da war ein schönes Bild von A. von Velde, eine Weide von Kuhen und Pferde und Schafen, das harige und wollige der thiere war mit dem sanften Pinsel diesses Meisters der ihm eigen war vortreflig dar gestelt. auch der wieder schein der Kühe in dem Spiegel des wassers war wie hin gezaubert. Ein Bild von Wauwermann in seiner ersten Manir. Bauren zu Pferd halten ein wetre­ nen wo der preis darin bestehet einen Hecht der an einem strik hangt, im under dem ausgespanden strik durch zu jagen, und den Hecht herunder zu reisen. weil diesser aber glatt ist, und schwer zu erhalten ist, so giebt es viel zu lachen dabey, weil mancher von dem Pfert fält. Die erste Manir des W. zu mahlen bestehet darin, das er mit diken körperligen farben mahlde. und die dik auf trug. und wie teig sie in einander verschmolz oder sie scharf hingesez stehen liess. Diesses giebt sein Bildern ein markiges ansehen, und sie scheinen wie bosiert. Die zweide Manir ist mit einem fliessenten Pinsel und leichten durchsichgen farben wie getuscht gemahlt. und es scheind alles in einander geflossen zusein. Diesses zweide Bild, war ein gefecht von Bauren und reider die Krieg im Korn auf ein ander machten. viele warn verstekt im gedreide und schossen daraus. und die reider sezten mit ihrn Pferden dahinein. Der Raug in dem Korn machte einen gute Efekt. H. L. sagte zu mir, ich sehe das sie die Meister der Bilder gut könen, und sie müssen ser viele gesehen haben, und genau achtung auf die Manieren gegeben haben. und desgleichen. und doch glaube ich das sie irren von wem das Bild dort oben [Einschub: glauben] ist, das wo der Dunkle ganz mit Eissen beharnischte Ritter auf einem [Einschub: weissen] Pferd siz und von der Sonne stark beleuchtet werd. ich sagte das stark zusamen gehaltene licht und die grossen schatten mit der Klarheit und die fast finger dik aufgetragn farbe zeigt das es niemand anderes gemacht hat als Rembrand. Er sagte wieder dafür hält es auch jeder. aber es ist von Wauwer­ mann ein ganz seldenes Bild. Die grosse ist schon was ungewehnliges da seine figurn kaum eine fingerlang grosse haben, und diesse wol eine fuss gross ist. und dan ganz in der Rembrandische Manir gearbeidet. Nun sahe ich es auch das W. ein Bild mahlen konde das schin als habe es Rembrand gemacht. aber R. konde kein Pferd mahlen wie W. es war ein Meister stück von vortrefliger zeichen, und ist was das schön Pferd was ich von ihm gesehen. und schien als habe er es ganz ferdig nach der Nathur gemahld. und weil ihm daran gelegen war alle # und tinten und schwache und starke schatten genau zu haben, so hatte er so oft farbe auf farbe gesez. und dadurch worde es der Rembrden Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 77 manir ähnlig. Er hatte noch viele vortreflige Bilder, und alle so wohl erhalten, als wen sie eben von den Händen der Mahler komen.“249 Vergleicht man das früheste eigenhändig verfasste Manuskript Tisch­ beins von 1811 mit der Publikation der Lebenserinnerungen von Schiller aus dem Jahr 1861, so fällt auf, dass bei dieser Sequenz kaum Änderungen am Text vorgenommen wurden.250 Lediglich eine Passage zu Tischbeins Selbsteinschät­ zung seiner Kenntnisse über die niederländische Kunst wurde leicht modifi­ ziert. Bei Schiller und damit auch bei Mittelstädt heißt es: „Als Herr Lubeling sah, daß ich die Meister der Bilder wie auch deren Manieren ziemlich genau kannte […].“251 Im Gegensatz dazu ist bei Tischbein (1811) zu lesen: „H. L. sagte zu mir, ich sehe das sie die Meister der Bilder gut könen, und sie müssen ser viele gesehen haben, und genau achtung auf die Manieren gegeben haben. und desgleichen.“252 In der Originalversion begründet Tischbein seine Ken­ nerschaft: Er habe viele Kunstwerke gesehen und gleichfalls auf die Manieren geachtet, weshalb er nun in der Lage sei, diese zu bestimmen und Werke Künstlern zuzuschreiben. In der sprachlich verkürzten Version von Schiller kommt dieser kausale Aspekt weniger deutlich zum Tragen, was jedoch im Kontext der Aneignung von Bildwissen von Bedeutung ist. Ebenso ist die Erzählung aus der Sammlung Lubbeling in der stark verkürzten postumen Manuskriptbearbeitung des Oldenburger Hofrates und Schriftstellers Carl Christian Ludwig Starklof erhalten geblieben.253 In Bezug auf die eben erwähnte Formulierung zu Tischbeins Bildwissen lautet diese analog: „Als H. Lubeling bemerkte, daß ich die Meister der Bilder und auch ihre Manieren schon ziemlich genau kannte […].“254 In dem 1842 datierten Manuskript von Jacob Ludwig Römer, der sogenannten ‚Reinschrift‘, scheint dagegen die Schilderung verändert worden zu sein.255 Die Nennung von Künstlern und Werken folgt zwar dem Vorbild, allerdings wurde auf das Rät­ selspiel gänzlich verzichtet. Stattdessen erfolgt eine Beschreibung des Gemäl­ des, die mit der Nennung des dargestellten Sujets des Reiters auf einem wei­ ßen Pferd endet. Das Gespräch zwischen Tischbein und Herrn Lubbeling wird in dieser Quelle nicht wiedergegeben. In der handschriftlichen Manuskript­ bearbeitung von Carl Georg Wilhelm Schiller, die nach 1842 entstanden ist und im Nachlass Schillers im Stadtarchiv Braunschweig verwahrt wird, findet sich nach Schillers Bearbeitung des Römer’schen Manuskriptes bereits der Wortlaut der Publikation von 1861 (s. o.) wieder.256 Hieran wird deutlich, dass die späteren Bearbeiter den Wert der ursprünglichen Formulierung von Tisch­ beins Hand, wo er die wichtigsten Kriterien von Kennerschaft benennt – viel Sehen, Vergleichen und die Manieren Studieren – nicht erkannt haben. 78 Bildwissen

2.2.1 Die Sammlung Lubbeling in Amsterdam

Mit der Sammlung Lubbeling in Amsterdam rückt Tischbein erneut einen Sammler und seine Kunstschätze ins Zentrum des Interesses. Er äußert sich zur Qualität der Sammlung, deren Zusammensetzung in einem historischen Katalog überliefert ist und Tischbeins Einschätzung bestätigt. Ausführlicher geht Tischbein auf den Maler Philips Wouwerman ein und beschreibt ver­ schiedene in der Sammlung Lubbeling entdeckte Gemälde und deren Beson­ derheiten.

Über den Sammler, seine Sammlung und ausgewählte Gemälde

Auch bei dieser Episode der Niederlande-Reise wählt Tischbein den Einstieg über einen Sammler und dessen Kunstschätze – wie bereits beim ‚portugiesi­ schen Juden‘. Tischbein erinnert sich: „Von diesser Art vortrefliger und ausge­ suchter Bilder sahe ich bey H. Lubeling.“257 Durch diese kurze Einführung er­ hält der Leser gleich zu Beginn eine erste Einschätzung der Qualität der Sammlung. Diese korrespondiert mit der abschließenden Würdigung und dem Kommentar: „Er hatte noch viele vortreflige Bilder, und alle so wohl er­ halten, als wen sie eben von den Händen der Mahler komen.“258 Zusammen bilden sie den Rahmen der Erzählung. Darüber hinaus benennt Tischbein den Namen des Sammlers mit „H. Lubeling“ bzw. „H. Lubbeling“.259 Er referiert hier offenkundig über die Sammlung von Johannes Lubbeling d. Ä. († 1772?) in Amsterdam. Über dessen Person ist leider kaum etwas überliefert, abgese­ hen von einzelnen Hinweisen von Reisenden, die seine Kunstsammlung be­ suchten.260 Jean-Henri Eberts (1726–1803) berichtet bspw. in einem Brief aus dem Jahr 1763, dass Lubbeling „an der Buyten-Kant bei der Admiralität“ resi­ diere, karikiert ihn und seine Familie als „trivial-absurde Maschinen“, lobt jedoch die Qualität der Sammlung.261 Dessen Sohn Johannes Lubbeling d. J. (1736–1816), der vor allem un­ ter dem Namen Joannis Lublink d. J. in Erscheinung tritt, ist durch ein Portrait von Johann Friedrich August Tischbein bekannt (Abb. 17), zusammen mit einem gleichformatigen Portrait seiner Ehefrau Cornelia Rijdenius (1746–1826).262 Tischbeins Cousin – der ‚Leipziger Tischbein‘ – zählt zu den wichtigsten Ver­ tretern der Künstlerfamilie Tischbein. Er reiste, wie eingangs erwähnt, wieder­ holt in die Niederlande. In den 1780er-Jahren hielt er sich mehrfach in Den Haag auf, gefolgt von einem längeren Aufenthalt in Amsterdam zwischen 1791 und 1794.263 In diesem Zeitraum entstanden die beiden Portraits des Ehepaars Lublink, das bereits seit dem 26. Mai 1771 verheiratet war. Joannis Lublink – ein Gelehrter in Geschichte, Dichtkunst und Sprachen – erlangte durch Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 79

17 Johann Friedrich August Tischbein: Joannis­ Lublink, 1790–1795, Rijksmuseum Amsterdam

­verschiedene Publikationen und Übersetzungen sowie Vorträge in der Amster­ damer Gesellschaft ‚Concordia et Libertate‘ (1748–1825) Bekanntheit.264 Dank einer von Gerard Hoet d. J. publizierten Auflistung aus dem Jahr 1752 unter dem Titel Catalogus van Schildereyen, In’t Cabinet van den Heer Jo- hannes Lubbeling, in Amsterdam ist die Zusammensetzung bzw. das Inventar der Sammlung Lubbeling um das Jahr 1752 überliefert.265 Es ist davon auszu­ gehen, dass es sich hierbei um die Sammlung von Johannes Lubbeling d. Ä. handelt, die später vermutlich in den Besitz des Sohnes überging. Die Anfer­ tigung sowie mitunter die Publikation derartiger Aufzählungen war eine seit dem 17. Jahrhundert tradierte Form der Sammlungs(re)präsentation. Die ­Kataloge spiegeln den Sammlerstolz und geben Kenntnis davon, wie viele Künstler und Werke eine Sammlung verzeichnen konnte und welche berühm­ ten Künstlernamen darin vertreten waren. Mit nur zwanzig Jahren Abstand zu Tischbeins Besuch bietet diese ausführliche Auflistung ein exzellentes Korrek­ tiv zur Bewertung seiner Lebenserinnerungen. Der Katalog von Hoet nennt für die Sammlung Lubbeling 63 Werke sowie 37 Maler – darunter tauchen ver­ schiedene mehrfach auf oder werden im künstlerischen Verbund genannt. Zu den aufgeführten Künstlern zählen (in der dortigen Schreibweise): G. Douw, F. van Mieris, Jan van Huysum, Philip Wouwerman, D. Teniers, G. ter Burg, 80 Bildwissen

18 Adriaen van de Velde: Rinder und Schafe am Wald- wasser, 1669, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

G. Metzu, P. P. Rubbens, N. Berchem, Adr. van de Velde, Sneyders, Jordaans, Adr. van Ostade, P. Neefs, Fluweele Breugel, J. van der Heyden, J. Steen, K. du Jardyn, M. de Hondekoeter, J. B. Weenix, D. Valkenburg, J. Lingelbag, Rachel Ruys, Willem van de Velde, L. Bakhuyzen, J. van Hugtenburg, J. Wynants, Ver­ booms, H. Zaftleeven, de Oude Griffier, Moucheron, W. van Mieris, C. Hol­ steyn, van Hek, Netscher, Fisscher, G. van Aalst.266 Vergleicht man die aus 63 Positionen bestehenden und äußerst knapp gehaltenen Katalogeinträge mit der Schilderung Tischbeins, so lassen sich einige Übereinstimmungen erken­ nen. In den Lebenserinnerungen thematisiert Tischbein 26 der 37 in der Sammlung Lubbeling genannten Künstler. Aus dieser Sammlung bespricht er jedoch nur zwei exemplarisch – kurz Adriaen van de Velde (1636–1672) und ausführlicher Philips Wouwerman (1619–1668). Tischbein erwähnt zunächst „ein schönes Bild von A. von Velde, eine Weide von Kuhen und Pferde und Schafen“.267 Hoet listet in der Sammlung Lubbeling „Een stuk met Koeyen en Schapen, door Adr. van de Velde“ auf.268 Auch wenn es sich hierbei um ein äußerst beliebtes Sujet im Œuvre von Ad­ riaen van de Velde handelt, so liegt dennoch die Vermutung nahe, dass eine Übereinstimmung besteht. Die weitere Beschreibung des Gemäldes lässt an­ hand der genannten Bilddetails einen Vergleich mit dem Gemälde Rinder und Schafe am Waldwasser (1669) in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe (Abb. 18) zu. Tischbein betont übereinstimmend: „[D]as harige und wollige der thiere war mit dem sanften Pinsel diesses Meisters der ihm eigen war vortreflig dar gestelt. auch der wieder schein der Kühe in dem Spiegel des wassers war wie Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 81 hin gezaubert.“269 Die verschiedenen über die Szenerie verteilten Tiere sind naturgetreu und lebendig wiedergegeben. Das von Tischbein zuletzt genannte Detail, „der wieder schein […] in dem Spiegel des wassers“, zeigt sich im Bild­ vordergrund. Zu van de Veldes bevorzugten Themen zählen Tiere oder Figu­ ren in einer Landschaft, wobei diese abwechselnd die Hauptrolle innerhalb der Darstellung einnehmen. Der Aspekt, den Tieren innerhalb einer Land­ schaft eine Hauptrolle zukommen zu lassen, dürfte Tischbein an Adriaen van de Velde besonders interessiert haben und setzt diesen mit dem folgenden von ihm in der Sammlung Lubbeling genannten Künstler, Philips Wouwer­ man, in einen Kontext. Als Nächstes bespricht Tischbein ein Werk von Wouwerman: „Bauren zu Pferd halten ein wetrenen“. Er scheint das dargestellte Brauchtum bestens zu kennen, wenn er im Folgenden das Wettrennen konkretisiert, „wo der preis darin bestehet einen Hecht der an einem strik hangt, im under dem ausge­ spanden strik durch zu jagen, und den Hecht herunder zu reisen. weil diesser aber glatt ist, und schwer zu erhalten ist, so giebt es viel zu lachen dabey, weil mancher von dem Pfert fält“.270 Damit gibt Tischbein den Bildgegenstand – das sogenannte ‚Heringsziehen‘ (niederländisch ‚haringtrekken‘) – recht prä­ zise wieder, was eine Identifikation des Gemäldes erleichtert. Im Katalog der Sammlung Lubbeling gibt es nach Hoet sieben Einträge zu Philips Wouwer­ man.271 Das auf dem Gemälde dargestellte ‚haringtrekken‘ wird nicht explizit erwähnt, dafür korrespondierende Bilddetails wie Figuren und Pferde. Tat­ sächlich ist ein Gemälde desselben Themas in einer Privatsammlung überlie­ fert (Abb. 19). Dieses Werk ist im Katalog der Ausstellung Philips Wouwerman (1619–1668). Von Pferden und anderen Leidenschaften, die 2009 in der Gemälde­ galerie Alte Meister der Museumslandschaft Hessen Kassel sowie anschließend im Mauritshuis in Den Haag zu sehen war, mit der Provenienzangabe „mögli­ cherweise Johannes Lubbeling, Amsterdam“ versehen.272 Darüber hinaus wird das Werk dort als einzige Motivbearbeitung sowie als eines der Höhepunkte in Wouwermans Œuvre bezeichnet.273 Dies ist eine weitere Bestätigung der Qua­ lität der Sammlung, die von Tischbein einleitend angedeutet wurde. Abschließend und zugleich als Höhepunkt des Besuches der Samm­ lung Lubbeling berichtet Tischbein dem Leser von einem besonderen Gesell­ schaftsspiel. Das dabei im Zentrum stehende Gemälde beschreibt Tischbein als „der Dunkle ganz mit Eissen beharnischte Ritter auf einem [Einschub: weissen] Pferd siz und von der Sonne stark beleuchtet werd“.274 Ein überein­ stimmendes Gemälde wird von Gerhard Hoet d. J. angeführt: „Een dito ver­ beeldende een Christelyke Ridder te Paard, door denzelven.“275 Hoet gibt hier den Bildtitel Christlicher Ritter wieder, unter dem heute zwei verwandte Ge­ mälde bekannt sind. Bei dem aus dem Jahr 1655 stammenden Christlichen 82 Bildwissen

19 Philips Wouwerman: Dorfansicht mit ‚Hering ziehenden‘ Bauern, um 1652/1653, ­Privatbesitz

Ritter (Abb. 20) handelt es sich um die früheste (erhaltene) Bearbeitung des Themas von Wouwerman, heute in Privatbesitz.276 Ein weiterer um 1662 da­ tierter Christlicher Ritter befindet sich in Genf.277 Darüber hinaus existiert ein vergleichbares Werk und Motiv unter dem Titel Ritter, Tod und Teufel (1662) in Boston.278 Die beiden zuletzt genannten Werke waren Pendants, sie gehörten zur berühmten Sammlung von Gerret Braamcamp (1699–1771) und wurden bei der Auktion der Sammlung im Jahr 1771 an den ebenfalls in Amsterdam ansässigen Sammler und Kunsthändler Pieter Fouquet (1729–1800) ver­ kauft.279 Somit können die beiden Werke zwar für das Jahr 1772 nicht in der Sammlung Lubbeling nachgewiesen werden, aber sie befanden sich gemäß der Quellenlage in Amsterdam. Dass Tischbein das Motiv des Ritters auf ­einem weißen Pferd von Philips Wouwerman tatsächlich gesehen hat, ist durch den Nachweis verschiedener überlieferter Versionen augenscheinlich – zudem ist es in der von ihm genannten Amsterdamer Sammlung belegt. Lediglich eine eindeutige Identifikation, welches der Gemälde mit dem gleichen Motiv er gesehen hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.280 Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 83

20 Philips Wouwerman: Christlicher Ritter, 1655, Privatbesitz

2.2.2 Die verschiedenen ‚Manieren‘ von Philips Wouwerman

Der Haarlemer Maler Philips Wouwerman (1619–1668) zählt zu den erfolg­ reichsten Künstlern des ‚Goldenen Zeitalters‘. Er hat ein umfangreiches Werk – rund 600 Gemälde meist kleinen Formates – hinterlassen.281 „Philips Wou­ werman gilt heute als der erfolgreichste holländische Pferdemaler des Golde­ nen Zeitalters. Seine Gemälde zeigen häufig Feldschlachten, Jagdpartien, Pferde­ ställe, Hufschmieden, Reitschulen und Feldlager. In all diesen Darstellungen spielen Pferde eine prominente Rolle, dennoch täte man dem Maler Unrecht, würde man ihn als ausschließlichen Pferdemaler bezeichnen.“282 So urteilt Fre­ derik J. Duparc in seinem 2009 publizierten Aufsatz über Leben und Werk des Künstlers. Zu den Besonderheiten im Werk Wouwermans zählt das Bestreben, die Tiere zu den Protagonisten der Bilder zu machen. Das Sujet des ‚Tierpor­ traits‘ geht auf den Künstler Paulus Potter (1625–1654) zurück und sollte mit dem berühmten Stier in Den Haag einen Höhepunkt erreichen (vgl. Abb. 84). Potter beeinflusste viele Zeitgenossen und trug zur Etablierung der sogenann­ ten ‚Tierlandschaften‘ bei, die als Sujet neben Philips Wouwerman auch von Adriaen van de Velde oder Aelbert Cuyp (1620–1691) aufgegriffen wurden.283 Bei den ‚Tierlandschaften‘ werden Tiere und Landschaften gleichrangig be­ handelt, während bei den ‚Tierportraits‘ die Landschaft lediglich als Kulisse fungiert. In beiden Fällen geht es den Künstlern um eine möglichst naturnahe Schilderung der Tiere, wofür die zahlreichen überlieferten Zeichnungen nach 84 Bildwissen der Natur sprechen, die als vorbereitende Studien für die im Atelier entstande­ nen Gemälde dienten. Eine hohe Wertschätzung brachte man Philips Wouwerman bereits zu Lebzeiten entgegen, wo seine Werke gute Preise erzielten.284 Doch insbesondere im darauf folgenden Jahrhundert wuchs das Interesse an seiner Kunst. Arnold Houbraken notiert bspw. zu Wouwerman, dass „seine Pinselkunst Jahre nach seinem Tod einen viel höheren Preis erzielte als zu seinen Lebzeiten“.285 Zu­ dem scheint es eine Ausdifferenzierung der Wertschätzung gegeben zu haben, denn im 18. Jahrhundert war besonders sein Spätwerk gefragt.286 Hierzu zäh­ len vor allem die Jagddarstellungen, die das Interesse in Adelskreisen weckten und den Vorstellungen des ‚joie de vivre‘ entsprachen.287 Besonderer Beliebt­ heit erfreuten sich die Werke Wouwermans im Frankreich des 18. Jahrhun­ derts. Sie waren ferner in den englischen, deutschen und russischen Samm­ lungen jener Zeit vertreten und verursachten einen regelrechten Wettstreit unter den Sammlern.288 Die gesteigerte Nachfrage nach Werken Wouwermans hatte jedoch auch eine negative Begleiterscheinung, was Kopien, Fälschun­ gen und Nachahmungen betrifft, die den Kunstmarkt überschwemmten und Wouwerman zu einem der am meisten kopierten und nachgeahmten nieder­ ländischen Maler werden ließen.289 Dies gilt analog auch für die Reproduk­ tionsgraphik, und so verbreitete eine regelrechte Flut an druckgraphischen Reproduktionen das Werk Wouwermans über die Landesgrenzen der Nieder­ lande hinaus und trug maßgeblich zu dessen internationaler Popularität bei. Die Reproduktionen waren insbesondere an jenen Orten und in jenen Län­ dern, wo es nur wenige Gemälde Wouwermans im Original zu sehen gab, ein wichtiges Anschauungsmaterial und Hilfsmittel, da man sich über dieses Me­ dium dennoch einen Eindruck von seinem künstlerischen Werk verschaffen konnte. Erstaunlich ist dabei, dass eine derart konstituierte Bildkenntnis im 18. Jahrhundert selten Kritik erntete, sondern durchaus als legitim betrachtet wurde.290 Im Kontext dieses bemerkenswerten Interesses an Wouwerman ver­ wundert es nicht, dass in den großen fürstlichen Sammlungen in Deutsch­ land Werke dieses geschätzten Meisters zu finden waren. Tischbein konnte diese folglich nicht nur in den Niederlanden umfangreich studieren, sondern auch späterhin in der Gemäldegalerie der Kasseler Landgrafen, wo er sich zwi­ schen 1773 und 1777 wiederholt aufhielt. Unter Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel fanden 26 Gemälde von Wouwerman ihren Weg in die Samm­ lung, weitere sollten folgen.291 Und auch die Kurfürsten von Sachsen erwar­ ben für die Dresdener Gemäldegalerie eine vergleichbare Anzahl. Tischbein hielt sich im Jahr 1777 „einige Wochen da auf und besuchte die Galeri taglig“, wie er in seinen Lebenserinnerungen berichtet.292 Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 85

Was thematisiert Tischbein mit den ‚Manieren‘ Wouwermans?

Dass es ihm Wouwerman besonders angetan hat, lässt sich folgern aus der Tatsache, dass Tischbein zwei verschiedene ‚Manieren‘ im Schaffen von Phi­ lips Wouwerman als exzeptionell hervorhebt und dabei ungewöhnlich weit ins Detail geht.293 Er benennt zum einen die beiden Manieren und führt zum anderen jeweils ein Bildbeispiel aus der Sammlung Lubbeling an. Da Tisch­ bein in verschiedenen Sammlungen Werke Wouwermans in Augenschein nehmen konnte, diente ihm dieses Bildwissen zusätzlich für einen Vergleich. Die erste Manier definiert Tischbein wie folgt: „Die erste Manir des W. zu mahlen bestehet darin, das er mit diken körperligen farben mahlde. und die dik auf trug. und wie teig sie in einander verschmolz oder sie scharf hin­ gesez stehen liess. Diesses giebt sein Bildern ein markiges ansehen, und sie scheinen wie bosiert.“294 Wir haben es hier folglich mit einer groben Malweise und einem entsprechenden Pinselduktus zu tun. Korrespondierend dazu wird in der Forschung immer wieder der grobe Pinselstrich hervorgehoben sowie eine dunkle Palette. Diese Kriterien dienen als Indiz bei der Einordnung und Datierung der Gemälde Wouwermans in dessen Frühwerk.295 Als Beispiel für diese frühe bzw. erste ‚Manier‘ Wouwermans führt Tischbein das bereits erwähnte Gemälde Dorfansicht mit ‚Hering ziehenden‘ Bauern (vgl. Abb. 19) an. Es handelt sich hierbei um die Darstellung eines be­ liebten Brauchtums, das Wouwerman in einer gelungenen Kombination von Genremotiv und Landschaftsszene wiedergibt.296 So sehr Tischbein von der Tradition des Heringsziehens und der humorvollen Darstellung derselben be­ eindruckt erscheint, geht es ihm weniger um inhaltliche als vielmehr um künstlerische Aspekte. Eigenheiten der Oberflächenbeschaffenheit, wie sie Tischbein mit den Worten „markig“ und „bosiert“ beschreibt, können nur am Original wahrgenommen werden.297 Dies ist ein Indiz dafür, dass Tischbein die Werke im Original genau studiert hat – mit dem kundigen Blick eines Malers – und nicht etwa anhand der zahlreichen Reproduktionsgraphiken. In Überblicksdarstellungen zu Philips Wouwerman wird das Frühwerk in den 1640er-Jahren verortet und eine Veränderung in seinem Schaffen Mitte der 1650er-Jahre angesetzt.298 Das Gemälde Dorfansicht mit ‚Hering ziehenden‘ Bauern wird dort um 1652/1653 datiert. Setzt man diese Einschätzung mit derjenigen Tischbeins in Beziehung, so würde das gezeigte Werk am Ende des Frühwerkes stehen und bereits den eigenen Stil des Meisters zeigen. In Abgrenzung dazu definiert Tischbein die zweite ‚Manier‘ Wouwer­ mans folgendermaßen: „Die zweide Manir ist mit einem fliessenten Pinsel und leichten durchsichgen farben wie getuscht gemahlt. und es scheind alles in einander geflossen zusein.“299 Hiermit korrespondiert eine Einschätzung von 86 Bildwissen

21 Philips Wouwerman: Kampf zwischen Europäern und Orientalen, um 1665, Museumslandschaft Hessen Kassel

Frederik J. Duparc bezüglich Wouwermans Schaffen in den 1750er-Jahren: „Nach 1655 werden die Kompositionen komplexer, der Stil eleganter, die Farben hel­ ler und transparenter und der Pinselstrich feiner.“300 Im Kontext von Wouwer­ mans Spätwerk ist in der kunsthistorischen Forschung wiederholt von einem silberartigen Ton oder einer typisch niederländischen Atmosphäre die Rede.301 Tischbein nennt als Beispiel für die zweite ‚Manier‘ „ein gefecht von Bauren und reider die Krieg im Korn auf ein ander machten. viele warn ­verstekt im gedreide und schossen daraus. und die reider sezten mit ihrn Pfer­ den dahinein. Der Raug in dem Korn machte einen gute Efekt“.302 Das Motiv des Gefechtes gehört zu den zentralen Themenkomplexen in Wouwermans Œuvre. Birgit Schumacher betont, dass sich Wouwerman hierbei auf einige besondere Aspekte des Kampfgeschehens spezialisiert hat, wie dies unter Schlachtenmalern üblich war. Wouwerman zeigt insbesondere das ‚Rencontre‘ – den Angriff und Zusammenstoß von schwer bewaffneten Reitern –, was in der Regel fiktiv gestaltet und nicht realen Geschehnissen zuzuordnen ist.303 Unter einer ähnlichen Bezeichnung ist ein Werk in der Sammlung Lubbeling bei Hoet verzeichnet: „Een stuk daarin een Resconter van verscheyde Ruy­ ters“.304 Dieses Werk konnte bislang nicht eindeutig identifiziert werden.305 Zum Vergleich sollen zwei Werke der Gemäldegalerie der Landgrafen von Hessen-Kassel herangezogen werden. Als thematischer Vergleich in Bezug auf das genannte Gefecht dient das um 1665 datierte Gemälde Kampf zwi- schen Europäern und Orientalen (Abb. 21).306 Analog zeigt es ein Reitergefecht und die besondere Behandlung der erwähnten Rauchwolken, die aufgrund Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 87

22 Philips Wouwerman: Die Heimkehr von der Falkenjagd, um 1660, Museumslandschaft Hessen Kassel

der schnellen Bewegung der Pferde auf dem Feld sowie des gegenseitigen ­Beschusses zustande kommen und meisterhaft dargestellt sind. Bei diesem Gemälde sowie bei einem weiteren um 1660 datierten Werk mit dem Titel Die Heimkehr von der Falkenjagd (Abb. 22) wird die Malweise der zweiten Ma­ nier deutlich. Insbesondere bei der Falkenjagd ist zu erkennen, was Tischbein als „mit einem fliessenten Pinsel und leichten durchsichtigen farben wie ge­ tuscht“ beschreibt. Der Farbauftrag ist derart dünn und lasierend, dass das Gewebe der Leinwand durchscheint und einzelne Fasern zu erkennen sind. In drei weiteren Kapiteln der Lebenserinnerungen – vor und nach dem zentralen Niederlande-Kapitel – kommt Tischbein ebenfalls auf den Künstler Philips Wouwerman zu sprechen.307 Im Rahmen der Beschreibung der Lehr­ jahre im Hause des Hamburger Kunsthändlers Johann Dietrich Lilly erzählt Tischbein: „So worde ich nicht allein mit denen Sachen bekand, die im Haus waren, sondern mit den Mersten ist Hamburg. Da er ein Gemahlte Händler war, kante er alle liebhaber und Samlungen. und brachte mich dahin sie zu 88 Bildwissen sehen. So lernte ich viel in der Samlung des Stats Rath Stengelin, wo [Ein­ schub: rin] ich ein Halb jahr durch mich auf hild zu Cupiren. Wouwerman, Berschem, und mehrere machte ich noch das die liebhaber sehr damit zufrie­ den wahren. und es solln welge noch für orginale verkauft sein worden.“308 Hier legt Tischbein Zeugnis davon ab, dass er bereits in jungen Jahren und noch vor der Reise in die Niederlande Werke von Wouwerman studiert und kopiert hat. Die Bemerkung, wonach diese als Originale verkauft worden sein sollen, ist jedoch mit einiger Skepsis zu bewerten und nicht belegt.309 Die Sammlung von Daniel Stenglin (1735–1801), die bereits von dessen Vater ­Philipp Heinrich Stenglin (1688–1759) angelegt worden war, zählte damals zu den bedeutendsten Hamburger Sammlungen.310 Ihre Zusammensetzung ist mit 158 Werken italienischer, niederländischer und deutscher Künstler dank eines 1763 publizierten Kataloges von Matthias Oesterreich (1716–1778) für die Zeit kurz vor Tischbeins Aufenthalt in Hamburg dokumentiert – darunter befinden sich drei Werke von Wouwerman.311 Diese werden von Oesterreich lobend erörtert, bspw. Eine Reiher-Beitze: „Kunst und Fleiß herrschen vereint in diesem reizenden Gemählde, das nur der schmeichelnde Pinsel eines Wou­ wermanns, so natürlich und so vollkommen darstellen konnte; weil er in die­ ser Art Vorstellungen eine Geschicklichkeit besaß, die ihn für alle Fehlstriche sorgfältig bewahrete.“312 Über den Künstler heißt es ferner: „Philipp Wouwer­ mann hat durch seine Werke seinen Ruhm so unwankelbahr gemacht, daß, weder die Zeit, noch die Kritik ihn jemahls erschüttern kann. Seine Verdienste und Lebensumstände sind vom Houbraken, Weyermann, D’argenville und Descamps genugsam bekannt gemacht. In den schönsten und berühmtesten Sammlungen von Europa, findet man seine Gemählde, die wahre Zierden der­ selben sind; und die man mit großen Summen bezahlet.“313 Mit dem Besitz sowie der rühmenden Besprechung der Werke Philips Wouwermans scheint die ganze Sammlung zugleich nobilitiert zu werden. In Zusammenhang mit dem Besuch der Kasseler Gemäldegalerie in den Jahren nach der Niederlande-Reise – zwischen 1773 und 1777 – geht Tischbein erneut auf Wouwerman ein: „Ein Bild von Wauwerman, eine Blin­ derung, es brend eine Stad und Kirche, die Pfaffen werden heraus geführt und mis handelt, ein Soltad hatt eine Pfaffe bey den ohren und führt ihn zu dem befehlhabendn oficir. und viele figure, wo man alle greuel einer blinterung siehet. eine frau liegt über dem leihnam ihres Gatten und ein Soldat blaut ihr den rücken. es ist aus seiner ersten Manir, und ist das volkomenste was ich gesehen. es ist zum erstaunen was der Mensch kann. die Gesichter sind nicht viel grosser als eine grose Erbse, und sahe man hindruch ein vergroserungs Glass. so glaubte man einen Kopf von Rubens zu sehen, mit eben so seinem feuer und Geist.“314 Im Verzeichnis der landgräflichen Gemäldesammlung Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 89 von Simon Causid aus dem Jahr 1783 wird ein Gemälde von Philips Wouwer­ man aufgeführt, das mit Tischbeins Beschreibung korrespondiert: „Der Kir­ chenraub, als eine Schilderung alles den Krieg begleitenden Ungemachs.“315 Das heute unter den historischen Gemäldeverlusten gelistete Werk ist erst­ mals im Gemäldeinventar von 1749ff unter der Nummer 571 als „Wouwer­ mann (Philip) Kerkroof“ verzeichnet.316 Es gelangte im Jahr 1750 im Zuge des Ankaufs der erlesenen Sammlung von Valerius Röver zusammen mit sechs weiteren Gemälden Wouwermans aus Delft in die Kasseler Sammlung.317

Zum Vergleich: Die Beurteilung Wouwermans vom 17. bis zum 19. Jahrhundert

Wirft man einen Blick auf die Beurteilung von Philips Wouwerman in der frü­ hen kunsthistorischen Literatur vom 17. bis ins 19. Jahrhundert, so ergibt sich ein vielschichtiges Bild, das schlaglichtartig dargestellt werden soll, um Tisch­ bein in einem entsprechenden Kontext verorten zu können. Dabei werden insbesondere Vertreter und Positionen des deutschen und niederländischen Diskurses Berücksichtigung finden. Für das 17. Jahrhundert soll stellvertretend Cornelis de Bie zu Wort kommen. Die zitierten Autoren des 18. Jahrhunderts sind Arnold Houbraken, Jacob Campo Weyerman, Christian Ludwig von Hage­ dorn und Antoine Joseph Dézallier d’Argenville. Und für das 19. Jahrhundert soll Georg Kaspar Nagler exemplarisch herangezogen werden. Den Anfang macht Cornelis de Bie (1627–1711/1716) mit Het Gulden Cabinet vande edle vry Schilder-Const (1662), der noch zu Lebzeiten des Künst­ lers über diesen schreibt: „[D]e edle Const die Philippus Wouwerman Schilder van Haerlem daeghelijckr voor den dach brenght ende tot groot vermaeck van alle Const-kenders ist uytwerckende in peerdekens refresseringhe oft pep­ steringhe van Soldaten / baralich en sulckdanighe wercken / soo aenghenaem net en naer het leven datter inden Natuer gheen meerder volmaecktheyt in’t leven en tan bethoorit oft bewesen worde / oft t’is daer in door d’ eelheyt van sijn Pinceel al te sien.“318 Vergleicht man diese Aussage mit derjenigen Tisch­ beins, so hebt de Bie gleichfalls die glatte Malweise hervor, wie sie in Wouwer­ mans Spätwerk bzw. in dessen zweiter Manier zu finden ist. Darüber hinaus betont de Bie das Interesse und Vergnügen der Kunstkenner, was sich in der postum erscheinenden Kunstliteratur fortsetzen sollte. Der Kunstschriftsteller Arnold Houbraken (1660–1719) leitet seinen Beitrag über Wouwerman in De groote schouburgh (1718–1720), nach einem Hinweis auf die Abstammung, über das Glück und den Erfolg des Künstlers, ein.319 Er vermerkt, dass dessen Werke bereits zu Lebzeiten nach Wert ent­ lohnt wurden, was keinesfalls die Regel sei, und dass die Preise nach dessen 90 Bildwissen

Tod weiter gestiegen sind. Was Wouwermans Malweise anbelangt, so bezeich­ net Houbraken diese als „smeltende, vet, en toetsende“.320 Folgt man Tisch­ beins Charakterisierung, so wäre diese Beschreibung vor allem den frühen Werken zuzuordnen. In De levens-beschreyvingen der Nederlandse konst-schilders en konst-schil- deressen (1729–1769)321 von Jacob Campo Weyerman (1677–1747) wird Phi­ lips Wouwerman als der „blinkende Diamant aan de kroon van de adelijke Schilderkonst“ vorgestellt.322 Weyerman bespricht im Folgenden die Vielzahl der behandelten Themen sowie deren Ausführung, wo kein Werk dem an­ deren gleiche, weshalb er konstatiert: „Die Man moet een byzonderen Geest hebben gehad […].“323 Wie zuvor bereits bei Houbraken und de Bie wird er­ neut die Natürlichkeit der Darstellung betont. Was das allgemeine Interesse an Wouwerman anbelangt, so wird auf die weitreichende Verbreitung seiner Kunst über die Grenzen der Niederlande hinaus hingewiesen. Außerdem ist von den verschiedenen Geschichten rund um den Maler die Rede, die von „Beter­ weeters“ verbreitet worden waren – eine deutliche Kritik an der frühen Kunst­ geschichtsschreibung, die vor allem auf Künstlerviten und -anekdoten basiert. Christian Ludwig von Hagedorn (1712–1780) äußert in seinen Betrach­ tungen über die Mahlerey (1762) ein schlichtes Lob für Wouwerman: „[E]r ge­ fällt überall“.324 Diese Aussage bezieht sich auf die Vielfalt der von ihm behan­ delten Sujets, was aber auch allgemein auf das Sammelverhalten im späten 18. Jahrhundert übertragen werden kann. Gleichermaßen lässt sie sich in Be­ zug zu Tischbeins Loblied auf Wouwerman setzten. Durch die Thematisierung des Künstlers im Kontext verschiedener Sammlungen – in Amsterdam, Ham­ burg und Kassel – spiegelt von Hagedorn zugleich die Verbreitung und Popu­ larität der Werke Wouwermans wider. „Bey Philipp Wouwermann findet der Kenner alles, was er nur verlan­ gen kann, einen zarten Pinsel, eine richtige Zeichnung, angenehme Zusam­ mensetzung, viel Geschmack im Kolorit und eine kräftige Manier, die dem Caracci nicht viel nachgiebt.“325 Mit dieser Charakterisierung leitet Antoine Joseph Dézallier d’Argenville (1680–1765) den Eintrag zu Wouwerman im Leben­ der berühmtesten Maler (1767) ein, und mit folgender Bemerkung endet er: „Die Bilder, welche Wouwerman in den letzten Zeiten gemacht, fallen et­ was ins graue und blaue. Man tadelt daran, daß er sie zu fein ausgearbeitet habe, und daß die Vordergründe beynahe wie Sammt aussehen. Die Stücke aus der besten Zeit, haben den Fehler nicht; kein Italiener würde sie besser zeichnen und kolorieren.“326 Vergleicht man diese beiden Einschätzungen mit denjenigen Tischbeins, so fällt auf, dass auch hier zwischen zwei verschie­ denen Manieren unterschieden wird. Die erste Manier wird, wie von Tisch­ bein, als kräftig beschrieben, während kontrastierend dazu die zweite Manier Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 91 im Spätwerk als zart und von feiner Ausarbeitung charakterisiert wird. Erwäh­ nenswert ist ferner, dass Dézallier d’Argenville ganz offen Houbrakens geringe Würdigung des Künstlers kritisiert, die diesem nicht gerecht werde, sowie die Verbreitung von Mutmaßungen und Geschichten, was sich an die Argumen­ tation von Weyerman anschließt.327 Die bisher angeführten Autoren und zitierten Quellen datieren alle­ samt vor Tischbeins Niederschrift der Lebenserinnerungen, ja sogar vor seiner Reise in die Niederlande. Ob Tischbein diese Schriften gekannt oder gelesen hat, kann nicht eindeutig gesagt werden, da er sich nicht explizit auf diese Autoren bezieht und davon auszugehen ist, dass sein Studium zu großen Tei­ len autodidaktisch erfolgt bzw. einem aktiven Dialog mit Kunstkennern und Sammlern entspringt. Dies ist erneut ein Beleg für die Einzigartigkeit des über­ lieferten Schriftgutes sowie für die Eigenständigkeit von Tischbeins Über­ legungen und somit für den besonderen Wert seiner Erkenntnisse, die nicht einfach aus dem damals üblichen Abschreiben von Meinungen aus der Reise- und Biographieliteratur bestehen. Die im Folgenden zitierte Quelle entstammt der Zeit zwischen Tisch­ beins Tod und der postumen Veröffentlichung der Autobiographie. Sie zeigt den Kontext auf, in welchem die Lebenserinnerungen erschienen sind. In Georg Kaspar Naglers (1801–1866) Künstler-Lexikon (1835–1852)328 heißt es in Band 25 zu Philips Wouwerman und den Charakteristika seiner Malweise: „Die Bilder aus seiner früheren Zeit machen sich durch einen braunen Ton kenntlich, und sie sind meistens trefflich impastiert. Sie zeugen auch von ei­ nem fleissigen Naturstudium. In der mittleren Periode waltet bei zartem Schmelz der Farbe meist ein goldener, an Kraft immer zunehmender Ton vor, und in Komposition, Haltung, Klarheit und Zartheit sind diese Bilder von grösster Schönheit. Besonders beliebt sind aber die Gemälde der dritten Epo­ che. Es herrschen darin grauliche und silberne Töne, besonders in Lüften und Fernen. Erstere sind glänzend und von merkwürdiger Transparenz, und die weichen Schatten der Vorgründe von grosser Klarheit.“329 Hier sind deutliche Parallelen zur Definition der Manieren bei Tischbein zu erkennen. In der Be­ schreibung einer ersten Manier stimmt die erwähnte Impastierung, der dicke Farbauftrag, überein. Naglers mittlere Periode ist bei Tischbein nicht explizit erwähnt, dafür stimmen die Kriterien der „dritten Epoche“ (bei Nagler) wie­ derum mit denen der „zweiten Manier“ (bei Tischbein) überein. Was Tisch­ bein als fließend, leicht und durchsichtig beschreibt, nennt Nagler glänzend, transparent und weich. Ferner bespricht Nagler die Sammelpraxis in Bezug auf Wouwerman mit den hohen Preisen auf dem Kunstmarkt und der Verbreitung der Werke in Galerien und Sammlungen, wobei er auch auf die Problematik der Kopien hinweist.330 92 Bildwissen

Wie schon Tischbein differenzierte, wird in der heutigen kunsthistori­ schen Forschung, die sich seit einigen Jahren wieder verstärkt für Philips Wouwerman interessiert, das Frühwerk vom Spätwerk durch eine Verände­ rung in Pinselduktus und Farbigkeit unterschieden.331 Eine wesentliche Ver­ änderung im Schaffen wird in den 1650er-Jahren vermerkt: „Seit Mitte der fünfziger Jahre entstanden komplexere Kompositionen in einem eleganten Stil und mit helleren Farbtönen, eine Malweise, die der Künstler bis zu seinem Tod beibehielt.“332 Auch wenn Tischbein die Veränderungen nicht datiert, so hat er diese doch durch vergleichendes Sehen von Werken des Künstlers in der Sammlung Lubbeling und darüber hinaus erkannt und benannt. Folgt man den Aussagen zur Wertschätzung Wouwermans auf dem Kunstmarkt, so kann festgehalten werden, dass Tischbein in den Sammlungen des 18. Jahr­ hunderts – in den Niederlanden sowie in Deutschland – insbesondere Gemäl­ de aus dem Spätwerk gesehen hat, weil diese zu jener Zeit besonders gefragt waren. Es bestand kein Interesse an einer Abbildung des gesamten Œuvres bzw. entsprechende Werke kamen gar nicht erst in den Handel. Eine umfas­ sende Repräsentation war lediglich in Bezug auf die thematische Vielfalt inte­ ressant, nicht hinsichtlich einer chronologischen Überschau und Werkgenese. Dass Tischbein darüber hinaus Kenntnis von Wouwermans Frühwerk besaß und dieses in seiner Beschreibung dem Spätwerk gegenüberstellen konnte, setzt voraus, dass Tischbein diese weniger gefragten Gemälde ebenfalls zu Ge­ sicht bekommen hat. Somit ist Tischbeins Blick auf Philips Wouwerman so­ wohl charakteristisch für dessen Werk als auch für die Zeit, in der er seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben hat – und seine Argumente und Be­ lege sind auch aus heutiger Sicht nachvollziehbar.

2.2.3 Kennerschaft als Gesellschaftsspiel

Die Kunst der Konversation und gemeinschaftlichen Auseinandersetzung ist wichtiger Bestandteil des Kunstsammelns. Gerne werden dabei Belehrung und Unterhaltung vereint. So bspw. im Rahmen eines Gesellschaftsspiels, bei dem es ein Werk zu beurteilen und zuzuschreiben gilt. Kennerschaft wird hier erprobt und zelebriert, wie Tischbein in einer Anekdote zu berichten weiß.333

Die Anekdote im Kontext

Ein weiterer interessanter Teil der Erzählung Tischbeins rund um die Samm­ lung Lubbeling und zugleich ihr Höhepunkt dreht sich um die Frage, wel­ chem Künstler ein bestimmtes Gemälde zuzuschreiben ist. Dies konnte im Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 93 späten 18. Jahrhundert Gegenstand eines amüsanten kennerschaftlichen Ge­ sellschaftsspiels sein. Der noch junge Tischbein berichtet, dass der Hausherr ihn – und vermutlich zahlreiche Besucher seiner Sammlung – auf die Probe stellte. Er schildert die Begebenheit in den Lebenserinnerungen in Form einer Anekdote, in der er sich selbst sowie den Sammler abwechselnd zu Wort kom­ men lässt.334 „H. L. sagte zu mir, ich sehe das sie die Meister der Bilder gut könen, und sie müssen ser viele gesehen haben, und genau achtung auf die Manieren gegeben haben. und desgleichen. und doch glaube ich das sie irren von wem das Bild dort oben [Einschub: glauben] ist, das wo der Dunkle ganz mit Eissen beharnischte Ritter auf einem [Einschub: weissen] Pferd siz und von der Sonne stark beleuchtet werd. ich sagte das stark zusamen gehaltene licht und die grossen schatten mit der Klarheit und die fast finger dik aufge­ tragn farbe zeigt das es niemand anderes gemacht hat als Rembrand. Er sagte wieder dafür hält es auch jeder. aber es ist von Wauwermann ein ganz selde­ nes Bild. Die grosse ist schon was ungewehnliges da seine figurn kaum eine fingerlang grosse haben, und diesse wol eine fuss gross ist. und dan ganz in der Rembrandische Manir gearbeidet. Nun sahe ich es auch das W. ein Bild mahlen konde das schin als habe es Rembrand gemacht. aber R. konde kein Pferd mahlen wie W. es war ein Meister stück von vortrefliger zeichen, und ist was das schön Pferd was ich von ihm gesehen. und schien als habe er es ganz ferdig nach der Nathur gemahld. und weil ihm daran gelegen war alle # und tinten und schwache und starke schatten genau zu haben, so hatte er so oft farbe auf farbe gesez. und dadurch worde es der Rembrden manir ähnlig.“335 Besagte Anekdote wird überdies im Œuvre-Katalog zu Philips Wouwerman von Birgit Schumacher zitiert und als „probably authentic“ bewertet.336 Was der Anekdote an Wahrheitsgehalt zuzusprechen und an Erkenntnissen zu ent­ nehmen ist, soll im Folgenden erörtert werden. Auf die Frage, wie Tischbein das besagte Gemälde zu Gesicht bekommt und wie der Sammler ihn darauf aufmerksam macht, gibt es in den verschie­ denen Manuskriptversionen der Lebenserinnerungen unterschiedliche Ant­ worten. Im Manuskript von 1811 heißt es „das Bild dort oben“, was den Ein­ druck vermittelt, dass das Gemälde sich nicht auf Augenhöhe befindet, son­ dern aus der Entfernung an der Wand zu betrachten ist, vielleicht in einem eng behängten Kabinett in oberster Reihe.337 In der Manuskriptbearbeitung von Starklof erfolgt die Präsentation des Gemäldes aktiv und unmittelbar, mit der Formulierung „brachte er ein Bild hervor“.338 Wäre dies der Fall, so wäre das Werk nicht Teil der Gemäldepräsentation innerhalb eines Kabinettes oder Teil der Raumausstattung. Der Sammler würde es zur gesteigerten Überraschung seiner Gäste für diese extra hervorholen, wodurch das Ratespiel eine zusätz­­ liche Inszenierung durch den Sammler erhielte. Hier war einer der Überarbeiter 94 Bildwissen

23 Albrecht Dürer: Ritter, Tod und Teufel, 1513, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

des Manuskriptes etwas übereifrig. In der Publikation von Schiller sowie von Mittelstädt wird dieses inszenatorische Moment wieder zurückgenommen, indem es schlicht lautet: „zeigte er mir ein Bild“, was beide zuvor genannten Optionen des aktiven sowie des passiven Zeigens offen hält.339 Dieses kleine unscheinbare Detail ist von Bedeutung in Bezug auf die Konzeption des ken­ nerschaftlichen Gesellschaftsspiels seitens des Sammlers sowie auf die Wahr­ nehmung und Beurteilung des Gemäldes durch Tischbein – je nachdem, wie genau er das Gemälde in Augenschein nehmen und damit Details erkennen oder vielmehr nur einen vagen Eindruck erhalten konnte. Tischbein referiert an dieser Stelle außerdem über die Anmutungsqualität des Gemäldes, die er als ‚Rembrandt’sche Manier‘ umschreibt, ohne näher auf die zugrundeliegen­ de Wahrnehmungssituation einzugehen, die ihm zu dieser Erkenntnis verhol­ fen hat. In Zusammenhang mit der Sammlung Lubbeling wurde bereits darauf verwiesen, dass sich das Sujet Christlicher Ritter gemäß des Kataloges von Gerard Hoet d. J. in der Sammlung nachweisen lässt und dass drei Variationen des Themas von Philips Wouwerman heute in privaten und öffentlichen Sammlungen überliefert sind. Es handelt sich hierbei um ein eher seltenes Motiv der niederländischen Kunst. Zentraler Gegenstand ist ein Pilger bzw. Ritter auf seinem Weg zu Gott, der allen Gefahren trotzt und sich nicht von diesem Weg abbringen lässt – ein Thema, das von Erasmus von Rotterdam Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 95

24 Philips Wouwerman: Christlicher Ritter, um 1662, Musée d’Art et d’His­ toire Genf (links)

25 Philips Wouwerman: Ritter, Tod und Teufel, 1662, Museum of Fine Arts Boston (rechts)

(1467–1536) beschrieben wurde und im Neuen Testament in den Briefen an die Epheser (6, 10–17) mit der ‚militia christiana‘ seine Entsprechung fin­ det.340 Eine der bekanntesten Darstellungen des Themas ist Albrecht Dürers (1471–1528) Meisterstich Ritter, Tod und Teufel von 1513 (Abb. 23).341 Wouwerman verbildlicht das Sujet mittels eines Ritters auf einem Schimmel vor einem dunklen Hintergrund, der alle Aufmerksamkeit auf das Pferd lenkt, sodass der Ritter eher eine Nebenrolle einzunehmen scheint. Dies wird in der früheren Version des Christlichen Ritters von 1655 besonders deut­ lich (vgl. Abb. 20). Das nahezu grellbeleuchtete weiße Pferd präsentiert sich stolz und selbstbewusst inmitten der lauernden Gefahren, während der Ritter in kunstvoll gestalteter Rüstung unbeeindruckt in die Ferne blickt, wobei ihm Schild und Lanze eher zur Dekoration denn zur Verteidigung dienen. Die wei­ teren Figuren, welche die verschiedenen Bedrohungen insbesondere durch Tod und Verderben verdeutlichen sollen, treten in den Hintergrund zurück. Dar­ gestellt sind links ein mit einem Speer bewaffnetes Skelett in Angriffshaltung (der Tod), ein diabolisches Drachenwesen, das mittig zu Füßen des Reiters lauert (der Teufel), sowie rechts eine Personifikation von Chronos in Gestalt eines alten auf einem kleinen Esel reitenden geflügelten Sensenmannes (die Zeit). Das obligatorische umgeworfene Stundenglas liegt am Boden zu Füßen 96 Bildwissen des Ritters, der dem Geschehen kaum Beachtung schenkt und gegenüber den Gefahren immun zu sein scheint. Er befindet sich bereits auf dem richtigen Weg – der Deutung nach auf dem Pfad zum wahren ewigen Leben.342 Wesentlich aktiver und präsenter ist im Gegensatz dazu der Christliche Ritter in Genf, um 1662 entstanden (Abb. 24). Der Ritter wird mit gezückten Waffen gezeigt, während die Angreifer bereits besiegt am Boden liegen. Der rote Umhang, den er über der Rüstung trägt, flattert durch die Bewegung formvollendet in der Luft, was ihm optische Präsenz verleiht. Der Schimmel galoppiert bildparallel nach links und präsentiert sich dem Betrachter vorteil­ haft. Obwohl der Ritter eine schwarz glänzende Rüstung trägt, hebt er sich durch den roten Umhang und das weiße Pferd, auf dem er reitet, von dem dunklen Hintergrund ab, wodurch er wie eine Erscheinung wirkt. Bei der the­ matisch abgewandelten Bostoner Version mit dem Titel Ritter, Tod und Teufel von 1662 ist der Ritter endgültig in Aktion zu sehen (Abb. 25). Er kämpft ge­ gen eine ganze Schar von Gefahren und dämonischen Wesen – darunter die sieben Todsünden – mit hoch erhobenem Schwert an.343 Dass Wouwerman innerhalb des Sujets des Christlichen Ritters den Fo­ kus stärker auf das Pferd als auf den Reiter setzt, verwundert im Kontext seines Schaffens kaum. „Es fehlt in seinen Bildern nie an Pferden, welche meister­ haft gezeichnet sind, sei es in Parade, oder in der Kühnheit der Bewegungen. Man muss aber eben mit der holländischen Rasse zufrieden sein, keine stolzen Araber in seinen Bildern suchen. Wouwerman malte nicht zunächst für Pfer­ dekenner, sondern für Kunstkenner, und diese sind mit dem romantischen Novellenmaler vollkommen zufrieden. Der Schimmel nimmt häufig den Mit­ telpunkt seiner Gemälde ein, und er dient für Wouwerman gleichsam als Wahrzeichen. Nur selten findet man ein Bild ohne diesen, und fast keines ohne Pferd.“344 So beschreibt Georg Kaspar Nagler das Verhältnis des Künst­ lers und seiner Kunst zu Pferden. Auch Antoine Joseph Dézallier d’Argenville stimmt in seinem Urteil darin überein und konstatiert: „Kein Maler hat bes­ sere Pferde als er gezeichnet.“345 Dass ein Schimmel gerne der Protagonist in seinen Gemälden ist, wird an zahlreichen Beispielen deutlich, die nahezu den Charakter von ‚Pferdeportraits‘ haben und sich durch Wouwermans gesamtes Schaffen ziehen. Dies gilt bspw. für das Werk Der Schimmel (um 1646) im Rijks­ museum Amsterdam (Abb. 26) oder das letzte Werk dieser Art, Der Schimmel in einem Stall (1668), das der Künstler in seinem letzten Lebensjahr schuf.346 Die Pferde werden als zentraler, teils sogar singulärer Bildgegenstand präsentiert. Sofern es weitere Figuren oder Tiere gibt, dienen diese vielmehr als Staffage.347 Der Schimmel wird meist ohne aufsitzenden Reiter, dafür mit einer roten Reitdecke oder Sattel dargestellt. Den Hintergrund bildet entweder ein heller Land­schaftsausschnitt oder ein dunkles Stallinterieur, wovor der Schimmel Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 97

26 Philips Wouwerman: Der Schimmel, um 1646, Rijksmuseum Amsterdam

besonders gut zur Geltung kommt. Dies gibt Wouwerman die Gelegenheit, sein Können beispielhaft zu demonstrieren und den Mythos um sein ver­ meint­liches Markenzeichen – den Schimmel – zu fördern.

Kriterien für die Zuschreibung an Wouwerman oder Rembrandt

Welche Kriterien nennt Tischbein, die ihn zunächst glauben ließen, das Ge­ mälde sei von Rembrandt Harmensz. van Rijn? Er nennt „das stark zusamen gehaltene licht“ gemeinsam mit den „grossen schatten“ als zentrale Merk­ male der Inszenierung des Gemäldes. Darüber hinaus betont er „die fast finger dik aufgetragn farbe“. Anhand dieser Kriterien schreibt er das Gemälde in­ tuitiv Rembrandt zu und definiert darüber zugleich die „Rembrandische Ma­ nir“.348 Damit gibt Tischbein dem Leser eine Hilfestellung, anhand welcher Kennzeichen seiner Meinung nach ein Rembrandt zu erkennen sei. Die ‚Rem­ brandt’sche Manier‘ wird von ihm an einer weiteren Stelle definiert – eben­ falls über einen anderen Künstler, den er mit Rembrandt vergleicht. Im zwei­ ten Beispiel ist dies Thomas Wijck (1616/1624–1677): „Ich habe ein paar Bil­ der von ihm gesehen, wo die Köpfe mit einer Kraft wie von Rembrandt waren, und mit einem feurigen und kräftigen Colorit und dabei sehr ausgeführt, aber mit einem markigten Pinsel hingesetzt, welcher zeigt, daß er gründliche Kennt­ niß von der Sache hatte. Er verstand Schatten und Luft, und hatte Kenntniß von der Perspective.“349 Die entscheidenden Kriterien der malerischen Mittel 98 Bildwissen sind analog das Kolorit sowie der Farbauftrag, ergänzt durch die Bildregie. Zu diesen Kriterien gelangt er – wie bereits an verschiedenen Beispielen gezeigt werden konnte – durch ein intensives Studium der Originale sowie ein ver­ gleichendes Sehen. Unterstützend kommen die Urteile der Kunstkenner und Sammler hinzu, von denen sich Tischbein leiten lässt und die er wissbegierig aufnimmt. Vergleicht man die auf Rembrandt bezogenen Kennzeichen bei Tisch­ bein mit der heutigen kunsthistorischen Überblicksliteratur zur niederländi­ schen Kunst, wo in Anbetracht der gebotenen Kürze ebenfalls nur einige mar­ kante Merkmale hervorgehoben werden, so fallen einige Übereinstimmungen mit den dort wiederholt referierten Kennzeichen auf. Hier wird zum Beispiel auf Rembrandts stetiges Experimentieren und Suchen, um „die besten Farb- und Lichteffekte zu erzielen“, verwiesen.350 Oder in Bezug auf berühmte Werke wie Die Nachtwache folgende Beobachtung festgehalten: „Rembrandts beson­ dere Behandlung des Lichts – der starke Wechsel von Licht und Schatten – wurde nicht nur bemängelt, sondern auch gelobt. Denn gerade die Licht­ akzente sind es, welche die Spannung im Gemälde erhöhen und für Rembrandt charakteristisch sind.“351 Dort wird ferner die Besonderheit der Malweise her­ vorgehoben, wozu ebenso „Farbklumpen und -brocken“ gehören.352 Diese ­Eigentümlichkeit führte dazu, dass die Werke Rembrandts über die Jahrhun­ derte hinweg unterschiedlich und widersprüchlich bewertet wurden, wobei dieselben Kriterien zur Kritik wie zur Wertschätzung dienen konnten. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts betont bspw. Franz Kugler (1848) die Meisterschaft Rembrandts mit den „Reizen des Helldunkels“, indem dieser „den Schatten in das Licht hineinspielen lässt“, was Kugler auch als das „Rem­ brandt’sche Helldunkel“ bezeichnet.353 Und ein Jahrhundert zuvor schreibt bspw. Antoine Joseph Dézallier d’Argenville (1767) im Rahmen des franzö­ sischen Diskurses über Rembrandt: „Seine Gemälde sind in der Nähe grob rockirt, rauh gemalt und unangenehm fürs Auge: sieht man sie aber in einiger Entfernung, so haben sie vielen Reiz und heben sich zum Erstaunen. […] Die Hintergründe in seinen Gemälden machte er gemeiniglich sehr schwarz, um die Fehler wider die Perspektive zu verbergen: deren Grundsätze und Regeln zu erlernen, er nie Lust bezeugte. […] Sein Pinsel ist fett, markig, und unge­ mein kräftig: das Licht brachte er mit der größten Kunst an; es thut daher eine bewundernswürdige Wirkung, die man nicht genug schätzen kann.“354 In die­ ser Beurteilung des Farbauftrages, der Lichtbehandlung sowie der Hintergründe finden sich Parallelen zu der Charakterisierung Rembrandts bei Tischbein. Darüber hinaus wird die unterschiedliche Wirkung der Gemälde aus der Nähe und der Ferne thematisiert, was die Frage nach der Präsentation des Gemäldes und dessen Wirkung auf den Betrachter stellt, wie sie zuvor angesprochen Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 99 wurde. Dézallier d’Argenville spricht von einer rauen Malweise, womit sich eine interessante Querverbindung herstellen lässt. erteilt den Malerlehrlingen in seinem Groot Schilderboek (1604) den Rat, zunächst mit einer feinen Malweise zu beginnen und später erst zu einer raueren Malweise überzugehen, was sich auf Rembrandts Schaffen übertragen lässt.355 Folgt man Tischbeins Ausführungen bezüglich der groben ersten und der feinen zweiten Manier, die er bei Philips Wouwerman zu erkennen glaubt, so hätte Wouwer­ man demnach nicht den Rat van Manders befolgt, sondern einen entgegen­ gesetzten Weg eingeschlagen, mit dem er gleichermaßen erfolgreich gewesen ist – was zu großen Teilen auf die damit einhergehende Marktorientierung seines Schaffens zurückzuführen ist. Blickt man des Weiteren auf die frühe kunsthistorische Literatur in den Niederlanden, so stößt man unweigerlich auf Arnold Houbrakens (1718) aus­ führliche, 19 Seiten umfassende Besprechung Rembrandts, die neben einem Resümee seiner Vita und seiner künstlerischen Leistungen mit zahl­reichen zweifelhaften Anekdoten ausgeschmückt ist.356 betont, dass diese Biographie voller Widersprüche stecke, die „mal voller Bewunde­ rung, dann wieder äußerst kritisch“ sei, jedoch durch die enorme Verbreitung das ‚Rembrandt-Bild‘ kommender Generationen, wenn nicht sogar für Jahr­ hunderte, entscheidend geprägt hat – hierzu zählt die Vorstellung „von Rem­ brandt als eigenwilliger, sich an keine Regeln haltender Künstler“.357 Diesen Aspekt greift Tischbein jedoch nicht auf, obwohl er selbst eine gewisse Nei­ gung zur Verbreitung bekannter sowie zur Etablierung neuer Anekdoten be­ sitzt, was in seinen Lebenserinnerungen an verschiedenen Stellen zum Tragen kommt. Gleiches gilt für die im Zeichen klassizistischer Kritik stehende Her­ abwürdigung der pastosen Malweise als „Klekserei“ bei Gerard de Lairesse (1707).358 Tischbein erkennt im Werk Rembrandts dieselben Merkmale, wie sie in den kunsthistorischen Schriften zu finden sind – bei ihm sind diese ­jedoch stets positiv konnotiert und zeugen von seiner Bewunderung für den großen und geschätzten niederländischen Meister. Was sind nun die Argumente, die für bzw. gegen eine Zuschreibung an Rembrandt oder Wouwerman sprechen? Neben den genannten Kriterien – die Licht- und Schattenwirkung sowie der Farbauftrag – scheint die Größe des Gemäldes für Rembrandt zu sprechen. Ein Argument, das Tischbein dem Sammler in den Mund legt und wovon er sich überzeugen lässt, da er Wou­ wermans Werke mit kleineren Formaten verbindet. Wirft man einen Blick in den Œuvre-Katalog Wouwermans von Schumacher und dort insbesondere auf die Pferdeportraits sowie das Sujet des Christlichen Ritters, so wird folgen­ der Umstand deutlich: Die Tierportraits haben meist nur eine Höhe zwischen 17 und 25 cm, diese geht auch bei den wenigen größeren Versionen nicht über 100 Bildwissen

27 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Der polnische Reiter, um 1655, Frick Collection New York

45 cm hinaus. Im Gegensatz dazu stehen die Darstellungen der Christlichen Ritter, die mit einer Höhe von 64 bis 75 cm weitaus größer sind und dadurch Tischbein leicht auf eine falsche Fährte locken konnten. Somit erscheint die Bezeichnung des von Tischbein und dem Sammler diskutierten Gemäldes als „ein ganz seldenes Bild“ zusammen mit der Betonung der ungewöhnlichen Größe desselben gerechtfertigt. Wouwerman hat ebenfalls mit größeren For­ maten gearbeitet, dies gilt jedoch für Sujets wie detailreiche Jagdszenen oder Feldschlachten. Das ausgedehntere Format bedingt sich hier durch die Anzahl der dargestellten Tiere und Figuren, die für sich genommen in vielen Fällen, im Vergleich mit jenen auf den kleineren Formaten, nur geringfügig in ihrer Größe variieren. Tischbeins Schlussfolgerung aus der Gemäldediskussion sowie der Fang­frage ist: „Nun sahe ich es auch das W. ein Bild mahlen konde das schin als habe es Rembrand gemacht. aber R. konde kein Pferd mahlen wie W.“359 Zwischen der vorausgegangenen Argumentation und dem abschließenden Statement fehlt ein Argumentationsschritt, insbesondere was den zweiten Teil anbelangt. Dass „W. ein Bild mahlen konde das schin als habe es Rembrand gemacht“, hat Tischbein dem Leser anhand der von ihm angeführten Kriterien verdeutlicht. Der Umkehrschluss, dass Rembrandt kein Pferd malen konnte wie Wouwerman, bleibt hingegen in der Begründung offen. Dies wird retro­ spektiv erst deutlich, wenn man bspw. einen Blick auf Rembrandts Gemälde Der polnische Reiter (um 1655), heute in der Frick Collection in New York, wirft (Abb. 27) und dieses mit Werken Wouwermans vergleicht. Es handelt sich Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 101 hierbei um ein Reiterbild, das in der Forschung kurzfristig ebenfalls als Christ- licher Ritter identifiziert, jedoch als solcher wieder verworfen worden ist und eine komplexe Deutungsgeschichte erfahren hat.360 Obwohl das Pferd von Rembrandt prominent präsentiert wird, kommt ihm innerhalb der Darstel­ lung nicht dieselbe Wertigkeit sowie Behandlung bei der Ausführung zu, wie dies bei Wouwerman der Fall wäre. Wie zur Rechtfertigung und Begründung seines Irrtums, den er frei­ mütig eingesteht, ergänzt Tischbein abschließend die Bemerkung: Es „schien als habe er es ganz ferdig nach der Nathur gemahld. und weil ihm daran gele­ gen war alle # und tinten und schwache und starke schatten genau zu haben, so hatte er so oft farbe auf farbe gesez. und dadurch worde es der Rembrden manir ähnlig.“361 Wouwermans Arbeitsweise ‚naer het leven‘ wird von Schu­ macher im Œuvre-Katalog sowohl allgemein als auch in Bezug auf das Sujet Christlicher Ritter thematisiert.362 Dass Wouwerman dabei der ‚Rembrandt’schen Manier‘ ähnlich werden konnte, soll ein weiteres mit Tischbein korrespondie­ rendes Zitat von Dézallier d’Argenville über Rembrandt verdeutlichen: „Er wuste den Hintergrund mit dem Contur zu verbinden, daß alles gut überein­ stimmte. Den Grund zu den Gemälden legte er mit sanften Farben, die mit der Natur übereinstimmten; darauf setzte er die frischen unverfälschten Tin­ ten als Lokalfarben, und malte so wenig hinein als möglich war: rundete die Figuren durch Massen von Licht und Schatten, und gab ihnen eine Kraft und ein frischen Ansehen, darüber man erstaunen mußte.“363 Somit kann festge­ halten werden, dass Tischbeins Fehleinschätzung nur logisch ist – Irren ist schließlich menschlich. Auch der Kenner kann und darf sich irren. Max J. Friedländer betont die Bedeutung der Intuition und des ersten Eindruckes vor dem Original: „Man soll sich den Mut zum subjektiven Urteil bewahren, ihn stählen, aber auch dieses Urteil mißtrauisch und kühlen Blutes prüfen, die Naivität als Freundin in Ehren halten, sich aber nicht von ihr beherrschen lassen. Der Vorgang der intuitiven Urteilsfindung kann seiner Natur nach nur unzurei­ chend geschildert werden. Mir wird ein Bild gezeigt. Ich werfe einen Blick darauf und erkläre es für ein Werk Memlings, ohne eine Prüfung des Formen­ bestandes vorgenommen zu haben. Diese innere Sicherheit ist nur dem Ge­ samteindruck abzugewinnen, niemals einer Analyse der sichtbaren Formen. Die gefühlsmäßige Entscheidung beruht auf Vergleichung, aber nicht sowohl auf Erinnerung an dieses oder jenes beglaubigte, signierte oder allgemein ­anerkannte Werk wie vielmehr auf unbewusster Vergleichung des zu bestim­ menden Bildes mit einem Idealbild in meiner Vorstellung. Auf die Gewinnung, Bewahrung, Verfeinerung und Auffrischung dieses Idealbildes kommt es an, und deshalb ist es ratsam, so viel Zeit wie irgend möglich auf die genießende 102 Bildwissen

Betrachtung der besten und der gesicherten Schöpfungen eines Meisters zu verwenden, wenig Zeit dagegen auf die Prüfung problematischer Dinge.“364 Friedländer vergleicht die Intuition mit einer „Magnetnadel, die den Weg weist, indem sie zittert und vibriert“.365 Er räumt dabei unumwunden ein, dass sich der Kenner getrost einmal irren und seine Meinung ändern dürfe – ja sogar ändern müsse, wenn er eines Besseren belehrt wird. Als er über seinen Irrtum aufgeklärt wird, fällt Tischbein ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Malern auf: das Pferd, das er Rembrandt eigentlich nicht zutrauen würde. Dass Philips Wouwerman in der Sichtweise Tischbeins den Vergleich mit dem von Tischbein hoch geschätzten Künstler Rembrandt nicht zu fürchten braucht – und bei diesem fiktiven Wettstreit um die Darstellung eines weißen Pferdes mitsamt Ritter sogar als ‚Sieger‘ hervor­ geht –, ist bemerkenswert. Er würdigt die Leistungen von Wouwerman aner­ kennend: „[E]s war ein Meister stück von vortrefliger zeichen, und ist was das schön Pferd was ich von ihm gesehen.“366 Ein derartiges Urteil, das mit einem Superlativ – das schönste Pferd – argumentiert und dem Werk als Meisterstück huldigt, erfordert sowohl eine umfangreiche Kenntnis des Œuvres als auch eine selbstbewusste Urteilsfähigkeit. Tischbein, der gänzlich in seinen Kunst­ betrachtungen aufgeht, verfällt gerne in den „kühnen Superlativ der Wer­ tung“, was einen authentischen Eindruck seiner Persönlichkeit und Denk­ weise wiedergibt.367 Weder retrospektiv in jungen Jahren noch im hohen Alter scheut er vor Urteilen zurück und bezieht mit seiner Meinung zu Kunst und Künstlern Stellung. Wie umfassend die Grundlage für diese und andere Ein­ schätzungen ist – das heißt in welcher Anzahl er Werke im Original sehen konnte und inwiefern diese möglicherweise zusätzlich durch druckgraphi­ sche Reproduktionen ergänzt wurden –, ist nicht dokumentiert und lässt sich daher nicht adäquat rekonstruieren. Die verbleibenden Leerstellen können dementsprechend nur mittels verschiedener Kontextualisierungen mit Inhalt gefüllt werden. Sie mit Leben zu füllen erscheint angesichts von Tischbeins Ausführungen überflüssig, da er stets ein lebendiges Bild seiner Erlebnisse und Erkenntnisse vermittelt. Dies wird an dem hier besprochenen Beispiel deut­ lich, das seine Wertschätzung eines Künstlers dadurch, dass er sich hat täu­ schen lassen, nicht etwa schmälert, sondern die gelungene Täuschung und die darauf folgende Erkenntnis vermögen seine Wertschätzung vielmehr zu steigern, was er pointiert zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig sichert sich Tisch­ bein mit dieser unterhaltsamen Anekdote – ein geschickter erzählerischer Kunstgriff – die Sympathie der Leser seiner Lebenserinnerungen. Aufschlussreich ist zudem ein Blick in den Kontext, in dem die Anek­ dote zu verorten ist. Das vom Sammler aufgegebene Rätsel fordert die Gäste heraus. Lubbeling inszeniert das kennerschaftliche Gesellschaftsspiel, um das Die Beurteilung des Pferdemalers Philips Wouwerman 103

28 Christiaan Andriessen: Dat is een Rembrand!!! Zo schoon heb ik er nog geene gezien, 1805, Stadsarchief Amsterdam

Wissen sowie die Urteilsfähigkeit seiner Besucher auf die Probe zu stellen. Seit jeher ist es ein beliebter Scherz unter Sammlern und Kennern gewesen, Zeit­ genossen mit maliziös ausgewählten Werken hinters Licht zu führen, denn der ‚Unterhaltungswert‘ von Sammlungen und Kunstwerken ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Gesellschaftslebens in gehobenen Kreisen. So verwundert ein Ausspruch wie der von Tischbein zitierte – „doch glaube ich das sie irren von wem das Bild dort oben ist“ bzw. „‚Ich glaube nicht‘, sagte er, ‚daß Sie erraten, von wem dies Bild gemalt ist‘“ – im Zusammenhang eines Sammlungsgespräches nicht.368 Darüber hinaus ist die Sammlung ein Ort des Diskurses und der Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt.369 Die Konversation steht nach dem Sammeln, also dem Erwerb der Kunstwerke, meist im Zent­ rum des darauf aufbauenden Sammelinteresses. Zum einen befriedigt der Aus­ tausch über die Werke der eigenen Sammlung die Eitelkeit des Sammlers, der sich gerne für seinen Kunstbesitz sowie seinen Kunstsachverstand rühmen lässt und nach sozialer Anerkennung strebt. Zum anderen wird im gemein­ samen Diskurs, bis hin zu kunsttheoretischen Diskussionen, Wissen ausge­ tauscht und angeeignet, sodass eine symbiotische Beziehung des gegenseitigen 104 Bildwissen

­Gebens und Nehmens besteht. Der versierte Sammler schätzt die Konversa­ tion, behält jedoch gerne durch einen unvermeidlichen Wissensvorsprung die Oberhand gegenüber seinen Gesprächspartnern – so auch der Sammler Johannes Lubbeling. Kennerschaft wird hier genüsslich zelebriert, will aber auch begründet sein. Als Voraussetzung und Rüstzeug für die Konversation über Kunst er­ teilte bereits Samuel van Hoogstraten (1627–1678) dem Kunstliebhaber den Rat: „[D]at de schilderkunst is bemint in alle hoven der werelt en van haar wel te kunnen spreken verplicht dikwils Vorsten en Princen ons te horen […] da­ erom rade ik dat men hare gronden in ‘t gros lere verstaen, haer grootste Meesters kennen, en desselfs handelingen onderscheyden. Ook in wat Lan­ den, Steden en Paleysen de beste werken te zien zijn. Hier toe zijn Vermander, Dureer, en Junius dienstig genoegh om geen stoffe gebrekt te hebben.“370 Auf diese Weise wurde das Gespräch zur bevorzugten Rezeptionshaltung in Kunst­ sammlungen, sodass sich eine eigene sammlungsbezogene Gesprächskultur etablieren konnte. Zu denken wäre hierbei an Szenen, wie sie Christiaan An­ driessen (1775–1846) festgehalten und mit dem Kommentar „Dat is een Rem­ brand!!! Zo schoon heb ik er nog geene gezien“ versehen hat (Abb. 28).371 Tischbeins Anekdote aus dem Hause des Sammlers Lubbeling zeigt, dass das Gesellschaftsspiel ‚Bilderquiz‘ als eine frühe Form der Übung in Stilkritik auf­ gefasst werden kann: Augenschulung durch Anschauung, Unterscheidungs­ merkmale entdecken durch Vergleiche, Identifizierung von Manieren, Benen­ nung von Kriterien wie Bildaufbau, Lichteffekt oder Pinselduktus. Hier werden Begrifflichkeiten entwickelt und erprobt, denn nicht zuletzt musste sich Ken­ nerschaft in sprachlicher Prägnanz beweisen.

Fazit Tischbeins spezifisches Wissen über die niederländischen Maler und ihre Werke, das sich an den beschriebenen Beispielen festmachen lässt, kann über die verschiedenen Manuskriptversionen der Lebenserinnerungen bis zur ersten Niederschrift im Manuskript von 1811 zurückverfolgt werden. Tisch­ bein vermittelt dem Leser Kenntnis von konkreten Sammlungen, ihrer jewei­ ligen Zusammensetzung und Hängung, dem Umgang mit Werken sowie mit­ unter den Wegen, wie diese in die Sammlungen gelangten. Damit gibt er nicht nur eine einprägsame Schilderung seiner Zeit, sondern ermöglicht auch Rückschlüsse auf traditionsreiche niederländische Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts. Es zeigt sich dabei, wie er Bildwissen und Bildkompetenz aus konkreten Bildvergleichen und dem Verweis auf Verwandtschaften von Werken, Künstlern und Sammlungen gewinnt. Einzelne Passagen nehmen nahe­zu den Charakter einer Anleitung zum Erwerb von Kennerschaft an. Der Leser wird hier Zeuge der Entwicklung von Tischbeins persönlicher Seh­schule, Anmerkungen 105 gewonnen aus dem niederländischen Anschauungsmaterial in der Gesellschaft von Liebhabern und Kennern. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Tischbein alle Voraussetzungen erfüllt, um als Kenner der Kunst des ‚Golde­ nen Zeitalters‘ zu gelten. Seine Kennerschaft hat er sich solide erarbeitet, sein Bildwissen ist enorm und fest eingebettet in einen umfangreichen, auch emo­ tional angereicherten biographischen Kontext. Soweit es nachprüfbar ist, er­ innert er sich erstaunlich genau an das Gesehene und weiß dieses durch anek­ dotische Erzählungen aus dem Kontext des Gesehenen geschickt in seinen Lebenserinnerungen zu platzieren.

2.3 Anmerkungen

Abkürzungen GAM Gemäldegalerie Alte Meister LMO Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg MHK Museumslandschaft Hessen Kassel SAB Stadtarchiv Braunschweig

142 LMO, PT 26, S. 24f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 80–82. 143 Mittelstädt 1956, S. 80–82, Brieger 1922, S. 80–81, Schiller 1861, S. 96–98. 144 Mittelstädt 1956, S. 80. 145 LMO, PT 26, S. 24. 146 Vgl. Rehm 2016. Für das Manuskript von Starklof siehe LMO, PT 838, S. 19–20. Für die Manuskripte von Römer und Schiller siehe SAB, H III 1 Nr. 22, Manuskript Römer (1842), S. 37, Manuskript Römer und Schiller, S. 56f. 147 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 80f. 148 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 149 Defoe 1728, S. 192, zitiert nach North 2001, S. 19. 150 Zum Thema Welthandelszentrum Amsterdam vgl. Ufer 2008. Zur Geschichte Amsterdams vgl. bspw. Driessen 2010. Hier wird auch der Aspekt des ‚Stapelmarktes‘ besprochen. Ebda., S. 34. 151 VOC: Die mit zahlreichen Privilegien ausgestattete Handelsgesellschaft wurde 1602 in Amsterdam gegründet, sie wurde von den sogenannten ‚Heren XVII‘ geleitet und war die erste Aktiengesellschaft in der Geschichte. Im Zentrum der Aktivitäten stand der Gewürzhandel. Zur Geschichte der VOC vgl. bspw. Nagel 2007, Gaastra 2003. WIC: Die 1621 gegründete WIC vereinte dagegen den Handel mit Westindien und Afrika. Zur Geschichte der WIC vgl. bspw. Heijer 1994. Die Forschungen zur VOC sind weitaus umfangreicher als zur WIC. 152 Vgl. North 2008, S. 47. Die Niederländer entwickelten einen neuen erfolgreichen Schiffstyp (die fluyt), der durch Standardisierung kostengünstig produziert werden konnte. Darüber hinaus hatten die niederländischen Schiffe den Ruf, „sauberer, billiger und sicherer“ zu sein. Ebda. 153 Vgl. Berckenhagen 1983, S. 251f. 154 Vgl. North 1980. 155 Tamm 1980, S. 5. Die Sammlung von Tamm zählt zu den größten privaten Sammlungen zur Schiff­ fahrtsgeschichte und ist heute Teil des Internationalen Maritimen Museums Hamburg, diesem ging im Jahr 2002 die Gründung der Peter Tamm Sen. Stiftung voraus. 156 Vgl. Kat. Amsterdam 2000, S. 231. 157 Vgl. Giltaij 1996, S. 11. 158 Vgl. Ufer 2008, S. 111–140. 159 Vgl. Ufer 2008, S. 69–110. 106 Bildwissen

160 Roorda 1961, S. 39–58, zitiert nach North 2001, S. 46f. 161 Driessen 2010, S. 31. 162 Driessen 2010, S. 35. 163 „In der Union von Utrecht hielt die Republik der Vereinigten Niederlande 1597 fest, dass niemand aus Gründen des religiösen Glaubens verfolgt werden durfte.“ Stoutenbeek/Vigeveno 2007, S. 19. 164 Vgl. hierzu Bossong 2008, Stoutenbeek/Vigeveno 2007, Swetschinski 2004. 165 Driessen 2010, S. 69. Im Jahr 1548 begann die Inquisition in Portugal und löste einen regelrechten Flüchtlingsstrom aus. Vgl. Stoutenbeek/Vigeveno 2007, S. 18. 166 Bossong 2008, S. 73. 167 Vgl. Sombart 1911. 168 Swetschinski 2004, S. 102f, Tabelle 3.1. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Kapitel Com- merce, Networks, and other Relations. The inner Workings of Portugese Jewish Entrepreneurship interessant. Ebda., S. 102–164. 169 Joseph Penso de la Vega (1650–1692), der Teil der sephardischen Gemeinde Amsterdams war, schrieb im Jahr 1688 ein Werk über die Amsterdamer Börse mit dem Titel Confusión de Confusiones. Dialogos curiosos entre un filósofo agudo, un mercader discreto y un accionista erudito describiendo el negocio de las acciones, su origen, su etimología, su realidad, su juego y su enredo. Das Werk erschien 2010 in einer Neuauflage unter dem TitelDie Verwirrung der Verwirrungen. Börsenpsychologie – Börsenspekulation. Vega 2010. 170 Vgl. Bossong 2008, S. 73–80, Stoutenbeek/Vigeveno 2007, S. 18–26. Die Synagoge wird noch heute von der sephardischen Gemeinde genutzt. 171 Stoutenbeek/Vigeveno 2007, S. 90–123. 172 Driessen 2010, S. 71. 173 LMO, PT 26, S. 24f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 174 North 2001, S. 120. Vgl. ferner Gaskell 1982. 175 https://codart.nl/images/Daalder,%20Van%20de%20Velde%20&%20Son,%20summary.pdf (11.01.2019). 176 Daalder 1996, S. 39f. Daalder weist bspw. auf folgenden Zusammenhang hin: „Die Söhne des Admi­ rals Maerten Harpertsz. Tromp (1598–1653) waren gute Kunden des Ateliers Van de Velde. Harpert ließ Willem van de Velde d. Ä. sogar drei Federkunststücke anfertigen, die die Heldentaten seines Vaters darstellten, zu denen u. a. ‚Die Seeschlacht bei Ter Heinde am 10. August 1653‘ zählt. Sein älterer Bruder Cornelis, selbst ein bedeutender Flottenvogt, gab den Auftrag für ein Federkunststück, das ein Ereignis aus dem Beginn seiner Karriere, nämlich die Seeschlacht bei Livorno im Jahr 1653, darstellt.“ Daalder 1996, S. 39. 177 Robinson 1990, S. XV. Robinson resümiert in Bezug auf die Quellenlage: „In tracing the life and work of Van de Velde the Elder and of the Younger, it is strange how few times the Younger is men­ tioned.“ Ebda., S. XV. Ferner ergänzt er: „It is disappointing that no account books of the Van de Velde studio have come to light.“ Ebda. S. XXI. 178 Vgl. Haak 1984, S. 151. 179 Vgl. North 2001, S. 121. Eine besondere Rolle nehmen hier nach Alan Chong Landschaftsgemälde ein: „Landscapes had a wide distribution among middle-class collections in part because they were affordable. Some […] collected them almost exclusively.“ Chong 1987, S. 112. Und auch hier gibt es eine weitere Differenzierung: „[T]he wealthy serious collector, the dealer, the burgher each collected different sorts of landscapes.“ Ebda., S. 113. 180 Ein möglicher Erklärungsversuch lautet: „Der bürgerliche Käufer bevorzugte Gattungen und The­ men, die er verstehen und bezahlen konnte.“ Kat. Hamburg 2017, S. 25. Mit Alan Chong ließe sich dies um folgenden Aspekt ergänzen: „The wealthy could afford to commission landscapes of perso­ nal significance.“ Chong 1987, S. 110. 181 North 2001, S. 103, Tabelle 2, nach Montias 1991, Tabelle 3. 182 Vgl. North 2001, S. 98–102. Einer dem Kapitel Auftraggeber und Kunstmarkt beigefügten Tabelle zum Thema „Bilderpreise und Gattungen 1600–1700“ zufolge schwanken die Durchschnittspreise für Landschaften zwischen 21,77 Fl. und 43,99 Fl. Ebda., S. 95. Tabelle zusammengestellt nach Chong 1987, S. 116. 183 Vgl. Reuther 2010, S. 149. Die Situation ist auch Tischbein bekannt, der sich nicht nur in seinen Lehrjahren, sondern auch später wiederholt in der Hansestadt aufhält. 184 Bspw. in Nachlassauktionen, vgl. North 2001, S. 87, 100. Anmerkungen 107

185 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 186 LMO, PT 26, S. 25. 187 Daalder 2016, S. 21f. 188 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 189 Tamm 1980, S. 5. 190 Haak 1984, S. 477. Dort heißt es: „Der heutige Geschmack mag die Arbeiten Simon de Vliegers und Jan van de Cappelles vorziehen, doch im 17. Jahrhundert hielt man ein Gemälde von Willem van de Velde automatisch für das beste.“ Ebda. 191 Interessanterweise hat Tischbein diese Thematik ein weiteres Mal literarisch verarbeitet, und zwar in der sogenannten Eselsgeschichte, die den Untertitel Der Schwachmatikus und seine vier Brüder der San- guinikus, Cholerikus, Melancholikus und Phlegmatikus, nebst zwölf Vorstellungen vom Esel trägt. Reindl- Scheffer 1987. Das Manuskript befindet sich im Nachlass Tischbeins im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Es handelt sich hierbei um ein damals unveröffentlichtes Manu­ skript für einen Roman, das zwischen 1800 und 1812 in Zusammenarbeit mit Henriette Hermes entstanden ist. Im Vorwort der postumen Edition von 1987 ist zu lesen, dass es „der erste deutsche Maler-Roman eines Malers“ sei. Reindl-Scheffer 1987, S. 5. 192 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 193 Zur Bedeutung von Empfehlungsschreiben vgl. bspw. Jost 2012, Jost/Fulda 2012. 194 LMO, PT 26, S. 23, vgl. Mittelstädt 1956, S. 80. 195 Wie eng und wegbereitend der Kontakt zwischen Tischbein und Wilmans war, verdeutlichen Tisch­ beins Lebenserinnerungen sowie im Nachlass überlieferte Briefe von Wilmans an Tischbein. LMO, PT 26, S. 20–22, PT 833, o. S., PT 287–PT 291. 196 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82. 197 Vgl. LMO, PT. Darin befinden sich jedoch keine Notizen, die sich eindeutig auf die Jahre 1772/1773 datieren lassen, sodass davon auszugehen ist, dass Tischbein die Phrasen zu einem späteren Zeit­ punkt erinnert und niedergeschrieben hat. 198 Kuijpers 2005, zitiert nach Driessen 2010, S. 65. 199 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 200 Auch in der Forschungsliteratur wird mitunter nicht zwischen Vater und Sohn unterschieden, son­ dern es ist allgemein von ‚Willem van de Velde‘ die Rede. Vgl. bspw. Reuther 2010, S. 149. 201 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 202 Vgl. hierzu bspw. Büttner 2006, S. 183, Giltaij 1996. 203 „In andern Samlungen habe ich auch vortreflige Seestücke gesehen, von Backheusen, der war auch ein See mahler aber ganz anders als v. de Velde der nur stille sehen mahlte. Backheusen wehlde Stürmige Sehen zu sein gegenstand, wo die welle hoch und wild über einander schlagen. aber in diesser ard ist er auch einzig und hatt seines gleichen nicht. Die wellen sind vortreflig gezeichnet, man siehet den gang und die uhrsache, und die klarheit des Wassers hatt er so nach geahmt, das man glauben solte es were wasser und habe keine Korpur, man köne was hinein werfen, das versin­ ken worde. und durch einige wellen siehet man die Sonne und den tag scheinen. und die schiffe hatt er mit einer bewunderns wurdigen gehschikligkeit gemahlt. und dabey auch nicht das geringste vergessen was zu einem Schiff gehort. auch verstand er wie die schiffe gehen und stehen müssen, je nach dem der wind gehet. Er war ganz mit der schiff fart bekand und unterrichtet. seine arbeiden zu sehen machte mir viel vergnügen und mit bewunderung betrachtete ich sie und erstaunde das der Mann das flüssige Element so tauschent nach machen könde. seine Bilder waren schuld das ich die lust bekam die welen bey sturmwind in der nathur zusehen.“ LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82f. Darüber hinaus übernimmt Ludolf Bakhuizen im Anschluss an Willem van de Velde d. J. nach der Übersiedlung nach England dessen Rolle als bevorzugter Marinemaler Amsterdams. Vgl. Bol 1973, S. 230, Haak 1984, S. 480f. 204 Zu Willem van de Velde d. J. und d. Ä. sowie der Marinemalerei im Allgemeinen vgl. Kat. Hamburg 2010, Habersatter 2005, Kat. Berlin/Rotterdam 1996, Daalder 1996, Slive 1995, S. 213–224, Vigau-Wilberg 1993, Keyes 1990, Robinson 1990, Haak 1984, S. 148–151, 477–481, Kaufmann 1981, Bracker/North/ Tamm 1980, Bracker 1980, Gaunt 1976, Bol 1973. Die größte Sammlung an Werken aus dem Atelier der van de Veldes befindet sich im National Maritime Museum in Greenwich. Die wichtigsten Aus­ stellungen der vergangenen Jahre mit einem Überblick über die Marinemalerei fanden 2010 in Hamburg sowie 1996 in Rotterdam und Berlin statt. Vgl. Kat. Hamburg 2010, Kat. Berlin/Rotterdam 1996. 205 Vgl. Bracker 1980, S. 7. 108 Bildwissen

206 Vgl. Vigau-Wilberg 1993. Bspw. für Marinemaler wie Simon de Vlieger (1601–1653) waren Wasser, Himmel und Wolken die wichtigsten Bildelemente, sodass er in seinen Werken vor allem atmosphä­ rische Naturstimmungen einfing, die Bob Haak zu den Höhepunkten der niederländischen Malerei zählt. Haak 1984, S. 308f. Willem van de Velde d. J. war ein Schüler von Simon de Vlieger und von ihm stark beeinflusst, insbesondere was Farbigkeit und Komposition der frühen Werke anbelangt. Ebda., S. 477. 207 Vgl. Cordingly 1981, S. 10. Von 1652 bis 1654, von 1665 bis 1667 und von 1672 bis 1674 führten die Engländer und die Niederländer Krieg gegeneinander, wobei die niederländische Flotte bedeu­ tende Siege errang. Vgl. Kat. Amsterdam 2000, S. 231. 208 Zu den ‚Penschilderijen‘ vgl. Lammertse 2010. „Diese sind bis heute kaum bekannt, obwohl sie doch einst zu den gefragten Kunstwerken ihrer Zeit zählten. Besonders mit Motiven aus dem Bereich der Seefahrt entwickelten sich gerade die ‚Penschilderijen‘ zu einer eigenen Gattung, während es kaum Federzeichnungsgemälde gibt, die andere Themen vorstellen.“ Ebda., S. 140. Korrespondierend zu sei­ ner Spezialisierung unterzeichnete Willem van de Velde d. Ä. mit dem Hinweis „Scheepsteickenaer“, also Schiffszeichner. Ebda., S. 234. 209 Für eine historische Übersicht sowie wichtige biographische Eckdaten vgl. Kaufmann 1981, S. 8. Zum Atelier und Familienunternehmen van de Velde vgl. die Forschungen von Remmelt Daalder, Scheepvaartmuseum Amsterdam, insbesondere Daalder 2016. 210 Cordingly 1981, S. 16. 211 Percival-Prescott 1981, S. 19. 212 Zentrales Arbeitsinstrument sind hierbei die Bild- und Recherchedatenbanken des Nederlands Insti­ tuut vor Kunstgeschiedenis (RKD) sowie die Getty Provenance Index Databases, ergänzt durch den 1990 publizierten Œuvre-Katalog zu Vater und Sohn van de Velde von Michael S. Robinson. Robin­ son 1990. 213 Hätte Tischbein die ‚Penschilderijen‘ von Willem van de Velde d. Ä. vor Augen gehabt, wäre ihm als Künstler die ungewöhnliche Technik mit Sicherheit eine Anmerkung wert gewesen, wie es bei ande­ ren Schilderungen in den Lebenserinnerungen der Fall ist. 214 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81f. 215 Zu diesem Werk vgl. Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 346f, Nr. 79, Robinson 1990, Bd. 1, S. 503, Nr. 8. Ungeklärt ist zudem die Provenienz des Bildes, die u. a. einen nicht bestätigten Hinweis auf die Sammlung von Gerret Braamcamp (1699–1771) im Amsterdam des 18. Jahrhunderts enthält (vgl. Kapitel 3.2). Vgl. Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 346. 216 Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 346. 217 Eine Flucht des späteren Königs Karl II. von England über die Scilly-Inseln und Jersey nach Frank­ reich ist für das Jahr 1646 belegt, als Kronprinz Karl zu seiner Mutter ins französische Exil reiste. Zur Geschichte des englischen Königs Karl II. vgl. Wende 2008. Willem van de Velde d. J. kann dieses Ereignis nur retrospektiv dargestellt haben, es sei denn, es handelt sich hier um ein Gemälde von Willem van de Velde d. Ä. 218 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82. 219 Vgl. Wende 2008. Laut Robinson wohnte Willem van de Velde d. Ä. dem Ereignis in Scheveningen bei und folgte möglicherweise der Flotte nach England. Robinson, S. XII. 220 Zu diesem Werk vgl. Ingamells 1992, S. 392–394. In der Scottish National Gallery Edinburgh befin­ det sich eine entsprechende Skizze. Willem van de Velde d. J.: Die Abfahrt von Karl II. aus Schevenin- gen, 1660, Kreide auf Papier, 119 x 357 mm, Scottish National Gallery Edinburgh. Darüber hinaus haben auch andere Künstler dieses Ereignis in ihren Werken verewigt. Cornelis Beelt: Die Abfahrt von König Karl II. aus Scheveningen am 23. Mai 1660, nach 1660, Öl auf Leinwand, 83,8 x 112 cm, Privat­ sammlung. Dieses Gemälde war zuvor Willem Schellinks zugeschrieben. 221 Die Provenienz des Gemäldes lässt sich bis in das Jahr 1775 zurückverfolgen, „probably Johanna Ghijs sale, Souterwoude, 19 April 1775“. https://wallacelive.wallacecollection.org:443/eMP/eMuseum Plus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=65128&viewType=detailView (11.01.2019). 222 Vgl. Kaufmann 1981, S. 8, 13. Laut Robinson folgte Willem van de Velde d. Ä. im Mai 1660 der englischen Flotte von Scheveningen aus und war bei deren Ankunft in Dover präsent. Nach einer kur­ zen Rückkehr in die Niederlande muss er Amsterdam erneut Richtung England verlassen haben, bevor am 12. August 1660 die Jacht Mary in See stach. Im Februar 1662 war er zurück in Amsterdam. Robin­ son 1990, Bd. 1, S. XII. Die Jacht Mary wurde von der VOC gebaut und im Jahr 1660 im Namen der Anmerkungen 109

Ver­einigten Provinzen von der Stadt Amsterdam König Karl II. von England als Geschenk anlässlich der Wiederherstellung der Monarchie und zur Festigung der diplomatischen Beziehungen zusammen mit weiteren Geschenken übergeben. Zur Geschichte der Jacht Mary vgl. Tanner 2008, Fraser 2002. 223 Vgl. Lier 1895. 224 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82. 225 Vgl. Wende 2008. 226 Provenienz laut RKD: P. C. Huybrechts Den Haag/Amsterdam (Auktion 28.02.1803), siehe hierzu auch Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 362. Für weitere Informationen sowie eine Identifikation der dargestellten Schiffe vgl. Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 362–364, Nr. 84. 227 Der Hintergrund ist folgender: „Im Jahr 1660 erkannte man die Herrschaft der Stuarts wieder an und Karl II., der sich zu jenem Zeitpunkt in einem Schloß in Breda befand, wurde zum König ausgerufen. Am 24. Mai 1660 verließ er mit einer Flotte Breda und reiste über Dordrecht, Rotterdam, Overschie und Delft nach Den Haag. Am 2. Juni begab sich die Gesellschaft in Scheveningen an Bord des Schif­ fes, das sie nach London bringen sollte.“ Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 362. Dieses Motiv wurde laut Remmelt Daalder auch von Willem van de Velde d. Ä. und Cornelis Beelt dargestellt, deren Werke sich ebenfalls im Rijksmuseum Amsterdam befinden (SK-A-1385, SK-A-2692). Daalder 1996, S. 43, vgl. Bol 1973, S. 274. 228 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82. 229 Percival-Prescott 1981, S. 19. 230 Für weitere Informationen vgl. Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 337–339, Nr. 76. 231 Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 337. Bol identifiziert das Gemälde als eine „Episode der Reise Karls II., König von England, während der Fahrt von Moerdijk nach Delft am 24. und 25. Mai 1660“ und beruft sich dabei auf vorausgehende Autoren wie Hofstede de Groot, was Robinson wiederum ent­ schieden ablehnt. Bol 1973, S. 235, Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 338. Als Besonderheiten des Ge­ mäldes hebt Bol ferner hervor: „Eine Vielheit von Farben: Goldgelb mit Rot am Spiegel der Jacht, Farbigkeit von Flaggen und Wimpeln; Rot, Goldgelb, Olivengrün und Zitronengelb in der Kleidung, dies alles wußte der Maler zu einer ruhigen, harmonischen Einheit zu gestalten. Bei der – hier erfor­ derlichen – Aufmerksamkeit für tausenderlei Details hat er das große Ganze im Auge behalten. So entstand ein glanzvolles und durchgebildetes dokumentarisches Gemälde, das – im Zeitalter Napo­ leons – mit einem Gegenstück, ‚Schiffe auf der Reede‘, und unter anderem der ‚Stier‘ von Potter nach Paris weggeführt wurde.“ Bol 1973, S. 235f. 232 Zu diesem Werk vgl. Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 350–54, Nr. 81, Robinson 1990, Bd. 1, S. 299– 301, Nr. 264, Bol 1973, S. 240f. 233 Haak 1984, S. 479. Haak ergänzt dazu: „Dieses hohe Niveau konnte er nicht halten, und in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten (er starb 1707) gerieten viele seiner Arbeiten zur Routine, und seine Palette wurde greller und weniger ausgewogen.“ Ebda. 234 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82. 235 Zu diesem Werk vgl. Kat. Berlin/Rotterdam 1996, S. 334–336, Nr. 75, Robinson 1990, Bd. 1, S. 414, Nr. 374, Haak 1984, S. 477f, Abb. 1057. Michael S. Robinson datiert das Gemälde um 1655, womit es zu van de Veldes Frühwerk zählt. 236 Bob Haak betont, dass die Kompositionen zwar auf de Vlieger – also auf van de Veldes Lehrmeister – verweisen, aber bereits seine Eigenständigkeit zeigen, indem sie hellere Farben einführen. Haak 1984, S. 477f. 237 Die Recherchen zu den thematisierten Gemälden haben gezeigt, dass die Werke vorwiegend der Zeit um 1660 entstammen müssen. Damit korrespondiert die in der Forschung wiederholt geäußerte Bedeutung dieser Schaffenszeit von Willem van de Velde d. J. Vgl. Bol 1973, S. 234. 238 Gleichzeitig erwähnt Tischbein zwar die Übersiedlung des Künstlers nach England, verschweigt aber den damit zusammenhängenden ‚Seitenwechsel‘. Als Erklärung hierfür kann angeführt werden, dass sich die Sammlung und damit auch Tischbeins Schilderungen explizit auf die Zeit vor van de Veldes Übersiedung 1672/1673 nach England beziehen, womit das bereits thematisierte Vorkaufsrecht des Sammlers sein Ende gefunden hat. Somit implizieren die Gemälde der Sammlung keineswegs eine Verherrlichung des Gegners, sondern schildern wichtige historische Ereignisse aus der Sicht der Niederländer. Der damals noch junge Kronprinz Karl war der Schwager von Wilhelm II. von Oranien, der mit Karls Schwester Maria verheiratet war. Nach der Thronbesteigung Karls II. setzten die Nieder­ länder große Hoffnungen in die diplomatischen Beziehungen zu England. Zu den historischen Hin­ tergründen vgl. Wende 2008. 110 Bildwissen

239 LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81. 240 Vgl. Lier 1895. 241 Dézallier d’Argenville schreibt bspw. über Willem van de Velde d. J.: „Er war zu Amsterdam im Jahr 1633 geboren und übertraf seinen Vater, den älteren Wilhelm, weit: er lernte von ihm das Marinen­ malen, war aber in der Vorstellung desselben viel glücklicher.“ Dézallier d’Argenville 1767, S. 280. 242 Bol 1973, S. 243. 243 LMO, PT 26, S. 24f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81f. 244 Kelch 2006, S. 203. 245 Die bekannteste Schrift von Gerard de Lairesse ist Het groot schilderboek, die 1707 erschien und bald in verschiedene Sprachen übersetzt wurde. 1728 erschien die Schrift erstmals auf Deutsch und 1784 in 12 Bänden in Nürnberg. Lairesse 1784. 246 Assmann 1999, S. 13. 247 Vgl. Assmann 1999, S. 251–254. 248 Derrida 1997, S. 10. Zu denken wäre an den blinden Propheten Teiresias, der als Prototyp des blin­ den Sehers bezeichnet werden kann, aber auch an Ödipus oder Demokrit, die sich selbst geblendet haben. 249 LMO, PT 26, S. 29f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87f. 250 Es handelt sich in der Regel um die üblichen orthographischen und grammatikalischen Korrekturen. 251 Mittelstädt 1956, S. 87, Schiller 1861, S. 103. 252 LMO, PT 26, S. 29. 253 LMO, PT 838, S. 24–26. 254 LMO, PT 838, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87, Schiller 1861, S. 103. 255 SAB, H III 1 Nr. 22, Manuskript Römer (1842), S. 42. 256 SAB, H III 1 Nr. 22, Manuskript Schiller, Beilage zu S. 59, e. 257 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87. 258 LMO, PT 26, S. 30. Dieser Satz ist in der späteren Publikation nicht enthalten. Vgl. Mittelstädt 1956, S. 88. 259 LMO, PT 26, S. 29, PT 833, o. S. 260 Das Stadsarchief Amsterdam führt in den Begraafregisters voor 1811 unter dem Namen Lubbeling ledig­ lich einen Gerrit Lubbeling († 19.03.1769), einen Hendrik Lubbeling († 07.10.1772) sowie einen Jan Lubbeling († 23.04.1772). Möglicherweise handelt es sich bei Johannes und Jan um dieselbe Person, da die Namen gerne synonym verwendet wurden. https://archief.amsterdam/indexen/begraafregis­ ters_1553-1811/zoek/index.nl.html (11.01.2019). In den Transportakten voor 1811 taucht ein Johan­ nes Lublink zwischen 1745 und 1756 mehrfach auf sowie für 1794 ein Johannes Lublink d. J. https:// archief.amsterdam/indexen/transportakten_1563-1811/zoek/index.nl.html (11.01.2019). 261 „Unter den Kabinetten in Amsterdam, die Eberts sehr gefielen, ist das von Lublinck – an der Buyten- Kant bei der Admiralität – bemerkenswert: Es gibt dort zwei prächtige Gemälde von Gerard Dou, Ge­ mälde von Weenix, Hondecoeter, van de Velde, Berchem und zwei einzigartige Wouwermans. Leider sind die Besitzer trivial-absurde Maschinen. Charakterisierung der Kabinette von Lublinck, Braamcamp, Bisschop und Fagel in Den Haag.“ Brief von Jean-Henri Eberts an Markgräfin Karoline Luise von Baden, Paris 20.10.1763. https://karoline-luise.la-bw.de/suchergebnis.php?id_deskr= 2138 (17.12.2018). 262 Johann Friedrich August Tischbein: Cornelia Rijdenius, Ehefrau von Joannis Lublink, 1790–1795, Öl auf Leinwand, 101,0 x 72,0 cm, Johann Friedrich August Tischbein: Joannis Lublink, 1790–1795, Öl auf Leinwand, 101,0 x 72,0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, SK-A-2828, SK-A-2827. Vgl. Rehm 2019, S. 106f. Das Portrait Tischbeins von Lublink wurde zudem von Reinier Vinkeles graphisch reprodu­ ziert. Vgl. https://archief.amsterdam/archief/10094 (07.12.2018). 263 Zu Johann Friedrich August Tischbein und seiner Zeit in den Niederlanden vgl. Kat. Kassel 2005, Kat. Amsterdam 1987, Staring 1978. 264 Zu den publizierten Vorträgen siehe Lublink 1788, Lublink 1783. Lublink hat bspw. den Reisebericht Reisen in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sizilien in den Jahren 1791 und 1792 (1794) des Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg (1750–1890) ins Niederländische übersetzt (1798/1799). Die Überset­ zung wurde zudem besprochen in den Algemeene Vaderlandsche letter-oefeningen, Bd. 1, 1800, S. 74–81. Außerdem erschien 1803 eine Briefedition von Lublink. Allart 1803. 265 Hoet 1752, Bd. 2, S. 517–522. 266 Hoet 1752, Bd. 2, S. 517–522. Die Auflistung schließt mit der Bemerkung:„Alle deeze bovenstaande stukken, zyn van de Meesters in haar allerbeste tyd Geschilderd en overheerlyk Geconditioneerd met haar Goude Lysten.“ Ebda., S. 522. Anmerkungen 111

267 LMO, PT 26, S. 29. In den publizierten Lebenserinnerungen heißt es: „Da war ein van de Velde, ‚Eine Weide von Kühen, Pferden und Schafen‘.“ Mittelstädt 1956, S. 87. Dabei hatte Tischbein den Künst­ lernamen im Manuskript von 1811 bereits mit „A. von Velde“ konkreter angegeben. 268 Hoet 1752, Bd. 2, S. 518. 269 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87. 270 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87. 271 Hoet 1752, Bd. 2, S. 517–522. „Een stuk daar ze van de Jagt koomen, vol beelden en Paarden, door Philip Wouwerman, h. 3 v. 7 d., br. 3 v.“, ebda., S. 517f. „Een dito verbeeldende een Christelyke Ridder te Paard, door denzelven, h. 2 v. 10 en een half d., br. 3 v. 3 d.“, ebda., S. 518. „Een stuk daar de Heer te Paard sittende door Struykrovers geattaqueerd word, door J. Wynants, gestoffeert door Philip Wouwerman, h. 3 v. 7 d., br. 3 v. 2 en een half d.“, ebda., S. 520f. „Een dito met beelden en Paarden, door denzelven, gestoffeert door denzelven, h. 3 v. 5 d., br. 2 v. 7 en een hald d.“, ebda., S. 521. „Een dito met Beesten en Schaapen zo capitaal en schoon als van deeze twee Meesters bekend is, door denzelven, gestoffeert door Adr. van de Velde, h. 3 v. 7 d., br. 2 v. 7 d.“, ebda., S. 521. „Een dito door denzelven, capitaal gestoffeert door J. Lingelbag, h. 4 v. 9 d., br. 4 v.“, ebda., S. 521. „Een stuk daar in een Resconter van verscheyde Ruyters, door Moucheron, gestoffeert door Philip Wou­ werman, h. 3 v. 1 d., br. 2 v. 5 d.“, ebda., S. 521. Hofstede de Groot stellt lediglich bei drei Werken eine Verbindung von Wouwerman und Lubbeling her. Hofstede de Groot 1976, Bd. 2, Nr. 25c, 708b, 1030. Dies sind A Christian Knight on Horseback (25c), Returning from the Chase (708b) und Riding at the Herring (1030). 272 Kat. Kassel 2009, S. 92f, Kat. Nr. 13. Auf den Hinweis „möglicherweise Johannes Lubbeling, Amster­ dam“ folgt die Ergänzung, dass das Werk nicht bei Hoet 1752 aufgeführt sei. Ebda., S. 171. Auch im Catalogue Raisonné zu Philips Wouwerman von Schumacher wird bei diesem Werk auf die Samm­ lung Lubbeling verwiesen, sogar im Index. Die Provenienzangabe bei Schumacher lautet: „Mr Lub­ beling (according to Blanc); P.-L- Randon de Boisset (1710–1776), Paris (Sale Oaris, 3 February 1777, lot 87 – purchased there by Doujeux) […].“ Schumacher 2006, S. 384, A 550. Interessanterweise wird im Kontext der Sammlung Lubbeling ausschließlich auf dieses eine Werk verwiesen, entweder man­ gels Kenntnis von Hoet 1752 sowie der dort aufgeführten sieben Werke von Wouwerman oder man­ gels der Möglichkeit der Identifikation und Zuordnung derselben bzw. durch veränderte Zuschrei­ bungen. 273 Als Motivvariationen (bei denen der Hering durch eine Katze oder eine Art Kiste ersetzt ist) können folgende Gemälde angeführt werden: Philips Wouwerman: Riding at the Cat, Öl auf Leinwand, 68,0 x 97,5 cm, Instituut Collectie Nederland Amsterdam/Rijswijk. Schumacher 2006, Kat. Nr. A534. Philips Wouwerman: A Riding Game, Öl auf Leinwand, 51,0 x 64,0 cm, Verbleib unbekannt. Schuma­ cher 2006, Kat. Nr. A548. 274 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1957, S. 87. 275 Hoet 1752, Bd. 2, S. 518. 276 Vgl. Duparc 1993, S. 275f, Duparc 2009, S. 33f. Die Provenienzangabe bei Schumacher lautet: „Sale Amsterdam, 4 June 1727, lot 14 or 15; Comte de Sellon d’Allaman, Geneva 1795; […].“ Schumacher 2006, S. 392, Nr. A570. 277 Vgl. Duparc 2009, S. 37. Die Provenienzangabe bei Schumacher lautet: „Sale Amsterdam, 4 June 1727, lot 15; Gerrit Braamcamp (1699–1771), Amsterdam (Sale Van der Schley, Amsterdam, 31 July 1771, lot 277 – puchased there by Pieter Fouquet with pendant for fl 760); Jacob-David Duval (1768– 1844), St Petersburg/Geneva; Guillaume Favre-Bertrand (1770–1851), Geneva; […].“ Als Pendant wird „A Knight Defeating Time, Death and Monster (cat.no.A552)“ angegeben. Schumacher 2006, S. 387, A557. 278 Vgl. Kat. Kassel 2009, Nr. 28. Die Provenienzangabe bei Schumacher lautet: „Sale Amsterdam, 4 June 1727, lot 15; Gerrit Braamcamp (1699–1771), Amsterdam (Sale Van der Schley, Amsterdam, 31 July 1771, lot 277 – puchased there by Pieter Fouquet with pendant for fl 760); Second collection Fran­ cois Tronchin des Délices (1704–1798), Bessinge nr Genefa (Sale Paris 23–24 March 1801, lot 219 – bought back by the family); [...].“ Als Pendant wird „Christian Knight (cat.no.A557)“ angegeben. Schumacher 2006, S. 385, A552. 279 Schumacher 2006, S. 387. Für die Sammlung Braamcamp existiert ein umfangreicher Katalog aus dem Jahr 1771 mit 922 Einträgen, davon 318 Gemälde, 282 Zeichnungen, 240 Drucke sowie 82 weitere Kunstwerke. Kat. Amsterdam 1771b. Darin sind allein 17 Werke von Wouwerman verzeich­ net. Ebda., S. 24–26, Nr. 273–289. Zur Sammlung Braamcamp vgl. ferner Bille 1961. Zu den Werken 112 Bildwissen

Wouwermans in der Sammlung Braamcamp, insbesondere dem Gemälde Ritter, Tod und Teufel, vgl. Bille 1961, S. 66f. Auch für die Sammlung von Pieter Fouquet, die am 13./14. April 1801 im Auk­ tionshaus von Philippus van der Schley im Amsterdam veräußert wurde, gibt es einen entsprechen­ den Katalog, Kat. Amsterdam 1801. 280 Birgit Schumacher erwähnt in ihrem 2006 publizierten Catalogue Raisonné zu Philips Wouwerman bei den Provenienzen der genannten Werke mit entsprechendem Sujet leider nicht die Sammlung Lubbeling. Schumacher 2006, S. 385, 387, 392. 281 Zu Philips Wouwerman vgl. Kat. Kassel 2009, Duparc 2009, Bürger 2009, Schumacher 2007, Schu­ macher 2006, Duparc 1993, Hofstede de Groot 1976, S. 249–681. Vgl. ferner die Rezensionen zu Kat. Kassel 2009 und Schumacher 2006, Pijl 2010, Pijl 2007. Zur Darstellung von Pferden in der Kunst allgemein vgl. Schumacher 1994. 282 Duparc 2009, S. 16, vgl. Duparc 1993, S. 257. Zu den Charakteristika von Wouwermans Pferde­ darstellungen vgl. ferner Schumacher 1994, S. 133–135. 283 Vgl. Haak 1984, S. 147. 284 Vgl. Haak 1984, S. 165. 285 Houbraken 1718–1721, Bd. 2, S. 71. 286 Vgl. Kat. Kassel 2009, S. 7. Ketelsen und von Stockhausen listen in ihrem Verzeichnis der verkauften Gemälde im deutschsprachigen Raum vor 1800 zahlreiche Werke Wouwermans unter verschiedenen Rubriken: „Wouwerman“ 34 Werke, „Wouwerman (Geschmack von)“ 10 Werke, „Wouwerman (Kopie nach)“ 43 Werke, „Wouwerman (Manier)“ 13 Werke, „Wouwerman P.“ 55 Werke und „Wouwerman Philips“ 90 Werke. Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 1856–1867. 287 Vgl. Schumacher 2006, S. 91–104, insbesondere das Kapitel A Fashion Painter and the World of His Time. 288 Vgl. Haak 1984, S. 266, 387. 289 Vgl. Bürger 2009, S. 47. Hierzu vgl. ferner die Publikation von Horst Gerson zur Nachwirkung der holländischen Malerei. Im Künstlerindex werden zu Philips Wouwerman 74 Einträge verzeichnet. Gerson 1983. Zum Thema Kopie allgemein vgl. Voermann 2012. 290 Zu druckgraphischen Reproduktionen nach Wouwerman vgl. Wuestman 2009. Nach Wuestman sind bis 1800 „schätzungsweise etwa dreihundert druckgraphische Arbeiten nach seinen Gemälden erschienen“, woraus zu folgern sei, dass „sich viele Zehntausende Exemplare im Umlauf befunden haben“. Ebda., S. 54. 291 Kat. Kassel 2009, S. 7, Duparc 2009, S. 19. Im Verzeichnis der Hochfürstlich-Heßischen Gemählde-Samm- lung in Cassel von Simon Causid aus dem Jahr 1783 werden im Register zu Wouwerman jedoch nur 24 Gemälde verzeichnet. Causid 1783, S. 258. Heute sind in der Kasseler Gemäldegalerie noch 20 Werke Wouwermans erhalten. Vgl. Kat. Kassel 2004, S. 70f. 292 LMO, PT 26, S. 32, vgl. Mittelstädt 1956, S. 113. Welche Werke er dort täglich studiert, ist – bis auf die Erwähnung von Bildern Correggios – in der Autobiographie nicht überliefert. Die Galerie in Dresden muss aber einen derart bleibenden Eindruck bei Tischbein hinterlassen haben, dass er sei­ nen Bruder nach dem gemeinsamen Aufenthalt in Berlin dorthin schickt. Ebda., S. 41, vgl. Mittel­ städt 1956, S. 116. 293 Manier (frz. manière = Art und Weise) wird im Kontext von Kunst und Literatur definiert als: „M. [hat] drei unterschiedlich wertende Bedeutungen: a) neutral als Synonym für ‚Stil‘, für die einem Künstler oder einer Epoche eigentümliche Darstellungsweise (vgl. E. T. A. Hoffmann: ‚Fantasiestücke in Callots M.‘); b) positiv als Ausdruck des original Schöpferischen; so ordnete J. W. Goethe (‚Einfa­ che Nachahmung der Natur, M., Stil‘, 1789) M. als ‚ein Mittel zwischen einfacher Nachahmung und dem Stil‘ ein; c) negativ als gekünstelte, epigonale, äußerliche, übertriebene, oft auch routinierte Nachahmung eines Stils (etwa bei J. J. Winckelmann).“ Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007, S. 470f. 294 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1957, S. 87. 295 Duparc 2009, S. 23f, S. 188, Anmerkung 52. Zum Frühwerk vgl. Kat. Kassel 2009, Kat. Nr. 1. 296 Kat. Kassel 2009, S. 92f. 297 Ein Abgleich am Original ist heute nicht ohne Weiteres möglich, da sich das angeführte Werk im Privatbesitz befindet. 298 Duparc 1993. Duparc differenziert hier das Schaffen Wouwermans in folgende Perioden und Unter­ kapitel: 1639–1645 früheste Werke, 1644–1651 eigener Stil, 1652–1654 größere Vielseitigkeit, 1655– 1659 eleganterer Stil, 1660–1668 letzte Jahre. Vgl. hierzu ferner Duparc 2009. 299 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1957, S. 87. Anmerkungen 113

300 Duparc 2009, S. 33. 301 Vgl. Schumacher 2007, S. 19. 302 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1957, S. 87. 303 Schumacher 2006, S. 127. 304 Hoet 1752, S. 521. 305 Von den bei Schumacher 2006 angeführten Provenienzen der Werke entsprechenden Themas ver­ weist keine auf die Sammlung Lubbeling. In jenen Fällen, wo die Provenienzen bis ins Ende des 18. Jahrhunderts zurückzudatieren sind, verweisen diese auf andere Sammlungen oder Auktionen, die daher auszuschließen sind. Somit bleibt Raum für Spekulationen und eine eindeutige Zuord­ nung ist nicht möglich. 306 Heute befinden sich in Kassel zwei Gemälde mit Gefechten, dasselbe Motiv ist in Dresden sechsfach vertreten. Vgl. Schumacher 2006, Nr. A226–A260. 307 LMO, PT 26, S. 9, 29f, 32, vgl. Mittelstädt 1956, S. 16, 57, 105–107. Im Kapitel Knabenjahre im Eltern- haus der publizierten Lebenserinnerungen erwähnt Tischbein lediglich das Interesse seines Onkels Johann Jacob Tischbein an Wouwerman mit der Bemerkung, dass dieser die Manier Wouwermans „geschickt nachahmte“. Das entsprechende Zitat lautet: „Johann Jakob, früher in Hamburg, nach­ her Maler in Lübeck, studierte zu Kassel auf der Galerie, und seine Lieblingsneigung waren Land­ schaften mit Staffage; besonders gefielen ihm Wouwerman und Berghem, deren Manier er auch ge­ schickt nachahmte. Er hatte einen sanften und schmelzenden Pinsel, zeichnete sehr nett und richtig Pferde und Kühe ins kleine. Es war eine Freude, ihn bei der Arbeit zu sehen.“ Mittelstädt 1956, S. 16. 308 LMO, PT 26, S. 9, vgl. Mittelstädt 1956, S. 57. 309 Auch Schumacher greift den Aspekt des Kopierens nach Wouwerman in Deutschland im späten 18. Jahrhundert auf: „We do know of two instances in which painters were allowed to copy pictures by Wouwerman: Kobell in Trier in 1787 and Johann Heinrich Tischbein in the Stengelin collection in Hamburg in 1766.“ Schumacher 2006, S. 160. Schumacher geht an dieser Stelle nicht weiter auf die Sammlung oder die dort kopierten Werke ein. Dem Verweis auf das Jahr 1766 ist zu widerspre­ chen, da Tischbein sich zwar ab 1766 in Hamburg aufhält, jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keinen weiterführenden Kontakt zu seinem Vetter Lilly hat, der ihn erst später in die Hamburger Sammler­ szene einführt. 310 Vgl. Ketelsen 2001, S. 22–25. Vgl. ferner den Katalog der Nachlass-Auktion, Noodt 1822. 311 Oesterreich 1763, S. 49. Laut des Verzeichnisses von Oesterreich waren 1763 drei Werke von Philips Wouwerman vertreten (Eine Reiher-Beitze, No. XLII., Ein Ufer No. XLIII., Eine Schmiede, No. XLIV.) sowie ein Werk von Pieter Wouwerman (Eine Landschaft, No. XLV). Ebda. Eine Uferszene Wouwermans ist mit der Provenienzangabe Stenglin in Amersfoort und ergänzend dazu eine Adaption des Motives von Tischbein im Kunsthandel nachweisbar. Philips Wouwerman: Strandansicht mit Fischverkauf vor einer Strandhütte bei einem Kran, undatiert, Öl auf Holz, 36,6 x 51,0 cm, Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed Amersfoort/Rijsmwijk, NK 2504. https://rkd.nl/explore/images/105233 (11.01.2019). Johann Heinrich Wilhelm Tischbein nach Philips Wouwerman: Strandansicht mit Fischverkauf vor einer Strand­hütte bei einem Kran, 1766, Gouache auf Papier, 370 x 530 mm, Dorotheum Wien, 24.04.2013, Nr. 175. https://rkd.nl/explore/images/289971 (11.01.2019). Übereinstimmend lautet die Beschrei­ bung des Gemäldes von Wouwerman bei Oesterreich: „Das Ufer ist von einigen Fischern, die sich ihrer Art nach beschäftigen, belebt. Eine Strohhütte, ein braun beladenes Pferd und ein Schimmel, machen die Staffirung dieses schönen Bildes aus.“ Ebda., S. 49. 312 Oesterreich 1763, S. 49. 313 Oesterreich 1763, S. 49f. 314 LMO, PT 26, S. 32, vgl. Mittelstädt 1956, S. 106f. 315 Causid 1783, S. 201, Nr. 39. 316 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 317 Zur Sammlung Röver vgl. Moes 1913. Zum Ankauf der Sammlung Röver für Kassel vgl. Rehm 2018. 318 Bie 1662, S. 281. 319 Houbraken 1976, S. 69–76. 320 Houbraken 1976, S. 72. 321 Weyerman 1729–1769, Bd. 2, S. 157–163. 322 Weyerman 1729–1769, Bd. 2, S. 157. 323 Weyerman 1729–1769, Bd. 2, S. 158. 324 Hagedorn 1762, Bd. 1, S. 364. 114 Bildwissen

325 Dézallier d’Argenville 1767, Bd. 3, S. 206. 326 Dézallier d’Argenville 1767, Bd. 3, S. 211. 327 Georg Kaspar Nagler sowie Gustav Friedrich Waagen erwähnen, dass d’Argenville selbst ein Werk von Wouwerman mit dem Titel La ferme au colombier besessen haben soll. Nagler 1924, Bd. 25, S. 57, Waagen 1838, S. 94f. 328 Nagler 1924, Bd. 25, S. 54–68. 329 Nagler 1924, Bd. 25, S. 55. 330 Nagler 1924, Bd. 25, S. 55f. Zu den Kopien nach Wouwerman vgl. Bürger 2009. Darüber hinaus thematisiert Nagler die druckgraphischen Reproduktionen nach Wouwerman, vgl. Wuestman 2009. 331 Vgl. Duparc 2009. Nach Duparc ist dies jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da nur we­ nige Werke datiert sind. Ebda., S. 21. 332 Kat. Kassel 2009, S. 7. 333 Einige Inhalte dieses Kapitels wurden im Rahmen der Tagung Collectors of Netherlandish Art in Central Europe 1600–1900, ausgerichtet vom Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis (RKD) und dem Arbeitskreis Niederländische Kunst- und Kulturgeschichte e. V. (ANKK) 18.–20.10.2018 in Den Haag, in einem Kurzvortrag mit dem Titel Connoisseurship as a parlour game – an andecdote by J. H. W. Tisch- bein vorgestellt. Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge ist geplant. 334 Zur Anekdote allgemein vgl. Krems 2003, Hilzinger 1997, Weber 1993. Trotz aller Hinweise auf die Problematik und Ambivalenz des Begriffs ‚Anekdote‘ definiert Hilzinger diese anhand von drei Merkmalen: „[D]ie Anekdote erzählt eine wahre, noch unbekannte, merkwürdige Begebenheit […].“ Hilzinger 1997, S. 17. 335 LMO, PT 26, S. 29f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87f. 336 Schumacher 2006, S. 160. Dort heißt es: „It is to the same Tischbein that we owe a bon mot which is probably authentic. In connection with a work with ‚dark, harnessed horseman on a grey‘ in the Lubeling collection in Amsterdam, which Tischbein initially took for a Rembrandt, he observed […].“ Ebda. 337 LMO, PT 26, S. 29. 338 LMO, PT 838, S. 25. Bei Starklof (nach 1829) heißt es: „Als H. Lubeling bemerkte, daß ich die Meister der Bilder und auch ihre Manieren schon ziemlich genau kannte, brachte er ein Bild hervor, einen dunklen ganz mit Eisen geharnischten Ritter […].“ Ebda. 339 Mittelstädt 1956, S. 87. Bei Schiller, Brieger und Mittelstädt heißt es: „Als Herr Lubeling sah, daß ich die Meister der Bilder wie auch deren Manieren ziemlich genau kannte, zeigte er mir ein Bild, auf welchem ein dunkler, ganz mit Eisen beharnischter Ritter auf einem weißen Pferde saß und stark von der Sonne beleuchtet war.“ Ebda. 340 Vgl. Duparc 2009, S. 33, Schumacher 2006, S. 120–125, Duparc 1993, S. 275–280. 341 Vgl. Schumacher 1994, S. 62f. 342 Vgl. Schumacher 2006, S. 122. 343 Vgl. Schumacher 2006, S. 123f. 344 Nagler 1924, Bd. 25, S. 54. 345 Dézallier d’Argenville 1767, S. 208. 346 Philips Wouwerman: Der Schimmel in einem Stall, 1668, Öl auf Holz, 31,0 x 36,0 cm, Privatbesitz. 347 Philips Wouwerman: Die Wasserstelle, um 1646, Öl auf Holz, 17,0 x 20,5 cm, Privatbesitz. Vgl. Schu­ macher 2006, A342. 348 LMO, PT 26, S. 29. 349 LMO, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 93. 350 Haak 1984, S. 265. Ernst van de Wetering hat zum Thema „Rembrandt als suchender Künstler“ ­eigens einen Aufsatz verfasst. Wetering 2006a. 351 Kat. Amsterdam 2000, S. 106. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Die Nachtwache, 1642, Öl auf Lein­ wand, 363 x 437 cm, Rijksmuseum Amsterdam. In Bezug auf die Nachtwache notiert Tischbein in seinen Lebenserinnerungen lediglich deren Existenz und dass er sie gesehen hat, ohne im Detail darauf einzugehen: „Es ist noch auch noch ein groses Bild von Rembrand da, das eine Burger nacht­ wache vor stelt, mit vielen figuren, auch vortreflig gemahlt, […].“ LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 89. Innerhalb des Niederlande-Kapitels kommt Tischbein an verschiedenen Stellen auf Rem­ brandt zu sprechen. LMO, PT 26, S. 24, 28–30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87, 88, 89, 93, 99. 352 Kat. Amsterdam 2000, S. 207. 353 Kugler 1848, S. 857f. Anmerkungen 115

354 Dézallier d’Argenville 1767, S. 146–157. 355 Vgl. hierzu Kelch 2006, S. 204, Mander 1604, S. 174–177. 356 Vgl. Wetering 2006. 357 Wetering 2006a, S. 73f, vgl. hierzu ferner Kelch 2006, S. 220. 358 Kelch 2006, S. 204. 359 LMO, PT 26, S. 30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 88. 360 Für die Forschung zu diesem Werk Rembrandts vgl. Broos 1974, Held 1944. Held hatte seinerzeit das Gemälde als Darstellung der ‚miles christianus‘ identifiziert, also als einenChristlichen Ritter, wofür er kritisiert wurde. Broos 1974, S. 193. Als weiteres Beispiel für eine Pferdedarstellung Rembrandts kann folgendes Gemälde angeführt werden: Rembrandt Harmensz. van Rijn: Frederick Rihel zu Pferde, 1663, Öl auf Leinwand, 294,5 x 241,0 cm, National Gallery London, NG 6300. 361 LMO, PT 26, S. 30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 88. 362 Schumacher 2006, S. 125. 363 Dézallier d’Argenville 1767, S. 150. 364 Friedländer 1957, S. 114, 113–118. 365 Friedländer 1957, S. 116. Ferner notiert Friedländer: „Der erste Eindruck ist tiefer als alle späteren, von anderer Art und von entscheidender Bedeutung. Die erste Begegnung mit einem Kunstwerk prägt sich ein, schon weil sie mit Erregung verbunden ist. Das Neue, Fremde, Unerwartete, Andere erhöht die Aufnahmefähigkeit des Auges.“ Ebda., S. 117. 366 LMO, PT 26, S. 30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87f. 367 Friedländer 1957, S. 89. 368 LMO, PT 26, S. 29, Mittelstädt 1956, S. 87. 369 An dieser Stelle sei als kleiner Exkurs auf den Diskurs der Metamalerei verwiesen, insbesondere die Reflexion von Kunst durch Kunst, wie bspw. in den gemalten Kunstkammern und Gemäldegalerien in den südlichen Niederlanden des 17. Jahrhunderts. In diesen Werken werden häufig in ein Ge­ spräch über Kunst vertiefte Gelehrte und Kunstliebhaber gezeigt, die das vorbildliche Verhalten in einer Sammlung spiegeln, jedoch keinen dokumentarischen Anspruch erheben, sondern vielmehr dem bildlichen Diskurs über Kunst dienen. Zu den bekanntesten Künstlern dieses Sujets zählen Frans Francken d. J., Willem van Haecht und David Teniers d. J. Vgl. hierzu Wettengl 2002, Stoi­chita 1998. 370 Hoogstraten 1657, S. 26. 371 Die Zeichnung von Christiaan Andriessen ist auf den 24. Mai 1805 datiert und stammt aus dem Tage­ buch von Andriessen. Zu sehen ist das Portrait von Agatha Bas (1611–1658) und angeschnitten jenes von Nicolaas van Bambeeck (1596–1661), beide von Rembrandt gemalt. Der damalige Besitzer, der das Gemälde präsentiert, ist vermutlich Louis Bernard Cocklers (1741–1817), der Christian Andriessen zur gemeinsamen Kunstbetrachtung in seine Sammlung eingeladen hat. Vgl. https://archief.amster­ dam/archief/10097/010097000054 (07.12.2018). Rembrandt Harmensz. van Rijn: Portrait der Agatha Bas, 1641, Öl auf Leinwand, 105,4 x 83,9 cm, The Royal Collection London, RCIN 405352. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Portrait von Nicolaas van Bambeeck, 1641, Öl auf Leinwand, 111,5 x 90,5 cm, Koninklijke Musea voor Schone Kunsten Brüssel, 155. 3 Verbreitung – Netzwerke der Kenner und Sammler niederländischer Kunst

Die Verbreitung des Wissens über die niederländische Kunst erfolgt auf verschie­ denen Wegen. Die entscheidende Grundlage dafür ist ein komplexes Netz­werk, zu dessen wichtigsten Akteuren und Knotenpunkten Künstler und Händler, Kenner und Sammler sowie Agenten und Berater gehören. Wie wir uns die Be­ schaffenheit dieses Netzwerkes bspw. im Amsterdam des späten 18. Jahrhun­ derts vorstellen können, verdeutlicht Tischbeins Schilderung seiner Besuche im Hause des Sammlers Goll. Hier erhält der junge deutsche Künstler Einblick in den exklusiven Kreis der niederländischen Sammler und ihrer internatio­ nalen Gäste sowie in spezifische Formen und Rituale der gemeinsamen Kunst­ betrachtung. Damit zusammenhängende Charakteristika des Kunstmarktes und insbesondere des Sammelns, die Tischbein während seines Aufenthaltes in den Niederlanden beobachten kann, hält er ebenfalls in seinen Lebens­ erinnerungen fest. Er erwähnt für ihn bedeutungsvolle Begebenheiten der An­ kaufspraxis bei Auktionen und beschreibt unter anderem Moden des Kunst­ marktes, die sich wiederum auf das Sammelverhalten auswirken. Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 117

3.1 Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll

Das folgende Kapitel greift am Beispiel der Sammlung Goll in Amsterdam die Frage auf, wie Kunstsammlungen schillernder Sammlerpersönlichkeiten durch Anregung lokaler und überregionaler Netzwerke zur Generierung von Wissen über die Kunsterzeugnisse einer Epoche sowie deren Verbreitung beitragen. Im Zentrum steht beispielhaft ein einzigartiges Netzwerk im Amsterdam des späten 18. Jahrhunderts als wichtige Station für internationale Reisende. Die von dort ausgehenden Impulse auf die Rezeption der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ gilt es darzulegen, denn der Anlass für die Zusammenkünfte ist die gemeinsame Kunstbetrachtung, sodass diese zu einem wichtigen Impulsgeber wird.372

Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien

Die Episode der Niederlande-Reise Tischbeins, die den Ausgangspunkt der Un­ tersuchung bezüglich des Netzwerkes der Kunstliebhaber im Amsterdam der 1770er-Jahre bildet, wird in der Publikation der Lebenserinnerungen von 1956 wie folgt wiedergegeben: „Sehr oft besuchte ich den Herrn van Gool, der eine außerordentlich schöne Sammlung von Originalhandzeichnungen besaß und selbst Landschaften zeichnete. So hatte er verschiedene Gegenden auf seiner Reise nach Wien aufgenommen, die ich auch bei ihm sah und zugleich die große herrliche Sammlung der Ridinger’schen Handzeichnungen, welche er in Augsburg gekauft hatte. Sie waren leicht mit der Feder, mit schwarzer Kreide und Tusche und bunten Wasserfarben gezeichnet. Mit Vergnügen denke ich an die lehrreichen Abendunterhaltungen, wenn er Gesellschaft von Kunst­ freunden bei sich hatte und seine schönen Bilder um die Tafel herumgab, wo die Zeichnungen eines Ostade, Potter, Vischer und anderer Meister von Hand zu Hand gingen und im Gespräche beurteilt wurden. Hier sah ich auch die berühmte grüne ‚Papageienfeder‘ von Albrecht Dürer.“373 Es stellt sich die Frage, von welchem Amsterdamer Sammler Tischbein hier berichtet und welche Person sich hinter dem Namen „van Gool“ ver­ birgt. Blickt man zurück in die Editionsgeschichte der Lebenserinnerungen, so ergibt sich folgendes Bild: Kuno Mittelstädt verzichtete 1956 in dem von ihm angelegten Fußnotenapparat auf eine Identifizierung der Person des Samm­ lers. In dem abschließenden Namensverzeichnis findet sich jedoch der Ein­ trag: „Gool, Johann van, Maler und Sammler“.374 Zuvor war die Textstelle von Lothar Brieger 1922 durch eine Anmerkung mit derselben Zuordnung ergänzt worden: „Johann van Gool, ein Schüler des Simon van der Does, Tier- und 118 Verbreitung

Landschaftsmaler. Weniger interessant durch seine eigenen Arbeiten als durch seine Sammlungen (z. T. in die öffentlichen Galerien Hollands gelangt) und durch seine zirka 1750 erschienenen Lebensbeschreibungen niederländischer Maler, die Houbraken fortsetzen.“375 Geht man noch weiter in der Editions­ geschichte zurück, bis zu den Manuskriptbearbeitungen von Jacob Ludwig Römer und Carl Georg Wilhelm Schiller, so wird eine Korrektur in der Schreib­ weise des Namens sichtbar. In einer Manuskriptversion im Nachlass Schillers ist zu lesen: „Sehr oft besuchte ich den Herrn von Goll […]“, mit einer Korrek­ tur in roter Tinte und der Änderung des Namens in „von Gool“. 376 Hier wurde aus einem Herrn „von Goll“ kurzerhand ein Herr „von Gool“, der mit der berühmten Figur der niederländischen Kunstgeschichte vordergründig zu korrespondieren schien. Vergleicht man die entsprechende Textstelle mit den überlieferten Manuskripten Tischbeins aus den Jahren 1824 und 1811, so fin­ det sich dort die Benennung als Herr „van Goll“ bzw. „v. Goll“.377 Mit der vermeintlichen Korrektur der Schreibweise des Namens durch Schiller – so unscheinbar diese zunächst erscheinen mag – wurde eine fortwährende Fehl­ interpretation der Person des Sammlers eingeleitet. Entgegen aller Klagen über Tischbeins orthographische Ungenauigkeiten, insbesondere bei Eigennamen, war er an dieser Stelle präziser als die späteren Bearbeiter seiner Lebenserin­ nerungen – ein Umstand, der häufig keine Beachtung findet.378 Inwiefern sich die Person des Sammlers unter den neuen Prämissen rekonstruieren und iden­ tifizieren lässt, wird noch zu zeigen sein. Weitere Veränderungen des Tischbein’schen Manuskriptes durch die späteren Herausgeber betreffen bspw. das Procedere und die Dauer des ge­ schilderten Sammlungsbesuches. Ursprünglich war in den Manuskripten von 1811 und 1824 von einer Gesellschaft die Rede, bei der die Betrachtung der Zeichnungen aus der Sammlung des Hausherrn von nachmittäglichem Kaffee und Tee sowie von einem gemeinschaftlichen Abendessen gerahmt wurden. In den postumen Manuskriptbearbeitungen und der späteren Publikation wur­den die Sammlungsbesuche auf reine „Abendunterhaltungen“ reduziert.379 Während hier gekürzt wurde, wurden an anderen Stellen der Erzählung De­ tails ergänzt, die so nicht in den frühen Manuskripten zu finden sind. Dies betrifft die Erwähnung der „Sammlung der Ridinger’schen Handzeichnungen“, die Tischbein – laut der gesichteten eigenhändigen Manuskripte, Fragmente und Notizen – nicht mit dem Sammlungsbesuch in Zusammenhang brachte, sodass sich hier keine eindeutige Verbindung herstellen lässt. Selbst in der Manuskriptbearbeitung von Römer und Schiller taucht diese Ergänzung noch nicht auf, erst in der Publikation von 1861.380 Ferner sind in der publizierten Version Interventionen zu finden, die schlichtweg als gedankenlose Fehlinterpretationen zu bezeichnen und den Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 119 vorgenommenen Kürzungen zuzuschreiben sind. Andernfalls ist nicht zu er­ klären, wie aus einem knappen Resümee von gesehenen Künstlern und Wer­ ken – „von A. Ostade außerordentlich schöne Zeichnungen in Wasserfarben; [Einschub: wo das helldunkle in dem # sehr gut dargestellt war, –] auch Potter’s Portrait von Fischer in schwarzer Kreide gezeichnet“ – eine inkorrekte Auf­ zählung von Künstlernamen werden konnte – „Zeichnungen eines Ostade, Potter, Vischer“.381 Tischbein erwähnt nicht etwa „Zeichnungen eines […] Vischer“, sondern „Potter’s Portrait von Fischer“. Auf welchen „Ostade“ sich Tischbein bezieht, wird durch die reine Nennung des Nachnamens ebenfalls verunklart, obwohl er hier eindeutig differenziert: Gemeint ist nicht Isaac van Ostade (1621–1649), sondern offenkundig Adriaen van Ostade (1610–1658). Darüber hinaus nennt Tischbein die Besonderheiten der Technik – Wasser­ farbe bzw. schwarze Kreide. Dieses Detail war für Tischbein als Künstler von Bedeutung und diente der zusätzlichen Differenzierung, andernfalls hätte er es nicht erwähnt. Eine Aufzählung von verschiedenen Techniken findet sich in der Publikation lediglich im Anschluss an die „Ridinger’schen Handzeich­ nungen“, welche nicht im handschriftlichen Manuskript vorkommen. Und schließlich wird die zentrale lobende Anerkennung, dass in der Sammlung „Arbeiten von beinahe allen großen Meistern“ zu sehen waren, durch die herab­ stufende Reduzierung auf die Formulierung „und anderer Meister“ ersetzt, was die für Tischbein offenbar wichtige Aussage über die Qualität der Samm­ lung negiert und relativiert. Die referierten Unterschiede zwischen Publikation und Manuskript beziehen sich sowohl auf das erste handschriftliche Manu­ skript Tischbeins von 1811 als auch auf die darauf aufbauende leicht über­ arbeitete Manuskriptversion von 1824. Diese letztgenannte Version hat Tisch­ bein aufgrund seines hohen Alters zwar nicht mehr selbst niedergeschrieben, aber mit eigenhändigen Anmerkungen und Korrekturen versehen, weshalb sie als von Tischbein autorisierte Fassung gelten kann.382 Dieses Beispiel ­demonstriert, wie eine richtige Lesart inhaltliche Verschiebungen bedeutet. Durch diese postumen Eingriffe in die Tischbein’schen Manuskripte haben der Inhalt sowie der Gang der Erzählung signifikante Änderungen er­ fahren, weshalb die Textpassage aus dem Manuskript von 1824 vollständig wiedergegeben werden soll: „Sehr oft besuchte ich den Herrn van Goll dem eine außerordentlich schöne Sammlung von Original Handzeichnungen be­ saß, und auch selbst sehr gut Landschaften zeichnete. [Einschub: Er hatte verschiedene Gegenden, von seiner Reise nach Wien, und wieder zurück, ge­ zeichnet, die ich auch dort sahe.] Ich war bey ihm, so oft ich nur konnte, um diese schätzbaren Sachen zu sehen. Er gab alle Dingstag Gesellschaft, wozu seine Freunde und die Liebhaber für immer eingeladen waren. Nach dem Kaf­ fee oder Thee rükten die Bedienten Tische an einender welche mit einem 120 Verbreitung grünen Tuch bedekt wurden, dann holte Herr van Goll einen Portefeuille mit Zeichnungen, setzte sich unten an den Tisch, und die Gesellschaft an beiden Seiten herum – er nahm darauf eine Zeichnung aus der Mappe und gab sie seinem Nachbar, der sie nach Gefallen besah, weiter gab und dann eine andere erhielt, welche dann ebenfalls weiterging – und so gingen die Zeichnungen von Hand zu Hand, wurden besehen und allgemein beurtheilt. Die Ansicht dieser schönen Sachen, gewährte mir ein großes Vergnügen. Hier sah ich von A. Ostade außerordentlich schöne Zeichnungen in Wasserfarben; [Einschub: wo das helldunkle in dem # sehr gut dargestellt war, –] auch Potter’s Portrait von Fischer in schwarzer Kreide gezeichnet und Arbeiten von beinahe allen großen Meistern. [Einschub: Er besaß auch eine grüne Papageienfeder von Albercht Dürer, und sehr natürlich gemacht war. Man wüßte, daß sie von Hand zu Hand von Kaiser Maximilian nach dem Herrn van Goll gekommen war.] Auf diese schöne und lehrreiche Unterhaltung, folgte dann ein heiteres freundschaftliches Abendessen. Dieser angenehmen Gesellschaft erinnere ich mich noch immer mit Freude, und wünschte die schönen Sachen noch ein­ mal sehen zu können.“383

3.1.1 Der Sammler Johann Goll van Frankenstein d. Ä.

Bezugnehmend auf die Quellenbasis und die Unterschiede in den verschie­ denen Manuskriptversionen lässt sich also nachweisen, dass sich im Rahmen der Editionsgeschichte eine Verschiebung der Schreibweise des Namens des hier behandelten Sammlers von „van Goll“ zu „van Gool“ ergeben hat. Dies hat Lothar Brieger und Kuno Mittelstädt, wie oben bereits erwähnt, zu der An­ nahme verleitet, „Herr van Gool“ sei der niederländische Künstler und Kunst­ schriftsteller Jan van Gool. Dass es sich hierbei um eine falsche Zuweisung handelt, bestätigt die schlichte Tatsache, dass Jan van Gool (1685–1763) zum Zeitpunkt von Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden 1772/1773 bereits seit zehn Jahren tot war. Unter Anwendung des Ausschlussverfahrens kann zumindest rasch gesagt werden, wer sich nicht hinter dem Sammler verbirgt. Doch von welchem Sammler – verbunden mit zahlreichen Details zu den Samm­ lungsbesuchen – spricht Tischbein stattdessen mit solcher Begeisterung? Begibt man sich auf die Suche nach den weithin bekannten Sammlern im Amsterdam des späten 18. Jahrhunderts, so stößt man auf den Sammler­ namen ‚Goll van Frankenstein‘. In knappen Auflistungen der wichtigsten hol­ ländischen Sammler jener Zeit wird dieser mitunter in einer Reihe illustrer Gleichgesinnter genannt – „the main art collectors in Holland at the time, such as Gerret Braamcamp, Jan Gildemeester Jansz., Johan Goll van Franken­ Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 121

29 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Das Mahl zu Emmaus, um 1640/1641, ­Fitzwilliam Museum Cambridge

stein, Johan Aegidiusz. van der Marck, Pieter Leendert de Neufville, and Jero­ nimus Tonneman from Amsterdam“.384 Doch auch hier ist Vorsicht vor zu schnellen Zuschreibungen geboten, da zwischen Vater und Sohn Goll van Frankenstein nicht immer unterschieden wird. Bei dem von Tischbein refe­ rierten Sammler handelt es sich – so die im Folgenden zu belegende These – um Johann (Edler) Goll van Frankenstein d. Ä. (1722–1785). Zum Zeitpunkt von Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden ist Goll ein Mann von 50 Jahren, dem noch über ein Jahrzehnt seiner Lebenszeit verbleibt, sodass die Lebensdaten eine Begegnung von Tischbein und Goll gestatten. Darüber hin­ aus korrespondiert der zeitgleiche Aufenthalt in Amsterdam, dem damaligen Wohnort des Sammlers.385 In der Datenbank des RKD wird Johann Goll van Frankenstein d. Ä. mit den Schlagworten ‚Zeichnungssammler‘ und ‚Amateurzeichner‘ sowie ‚Bankier‘ und ‚Unternehmer‘ charakterisiert.386 In knappen Zügen lässt sich sein Werdegang wie folgt beschreiben: Er entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und wurde 1722 in Frankfurt am Main geboren. Spätestens ab 1747 war er in Amsterdam nachweisbar und ab 1750 Teil des Bankhauses Verbrugge – später Verbrugge & Goll und ab 1777 Goll & Co. Im Jahr 1766 wurde Johann Goll schließlich der Titel als Baron zuerkannt mit dem Namenszusatz ‚van Frankenstein‘. Erst ab diesem Zeitpunkt trägt er den Namen Johann Edler Goll van Frankenstein, der jedoch gemeinhin auf ‚Goll‘ verkürzt wird. Als er­ folgreicher Kaufmann mit Adelstitel wohnte er mit seiner Familie in begehrter Lage in einem Haus an der Herengracht und besaß zudem das Landgut Vel­ serbeek. In Amsterdam zeigte sich bald sein Interesse für Kunst und seine 122 Verbreitung

Sammelleidenschaft wurde geweckt, sodass er ab 1754 als Käufer von Kunst, insbesondere von Zeichnungen in Erscheinung trat.387 Die Identifikation der Person als Zeichnungssammler korrespondiert mit der Schilderung Tischbeins, der die „außerordentlich schöne Sammlung von Originalhandzeichnungen“ betont. Interessant ist hier die Verwendung der Bezeichnung ‚Originalhandzeichnungen‘, die sich in allen Manuskript­ versionen wiederfindet, was in Abgrenzung zu weiteren graphischen Werken eine Rolle spielt und das Original von der Reproduktion oder Kopie abgrenzt. Einzelne Zeichnungen der Sammlung Goll können mittels Provenienzrecher­ che dem Sammlungsbestand zugewiesen werden. Dies gilt bspw. für eine lavierte Federzeichnung von Rembrandt Harmensz. van Rijn mit der Darstel­ lung Das Mahl zu Emmaus (Abb. 29), die sich heute im Fitzwilliam Museum Cambridge befindet und zu Tischbeins Lebzeiten durch Cornelis Ploos van Amstel (1726–1798) graphisch reproduziert worden war.388 Étienne-Maurice Falconet (1716–1791) berichtete explizit von dieser Zeichnung in der Samm­ lung Goll, die er in den Jahren 1779/1780 besucht hatte, und auch im Katalog der Sammlung, die 1833 zur Versteigerung kam, wird sie erwähnt: „De verd­ wijnung van Jezus bij de Emmausgangers aan tafel. Meesterlijk en allergees­ tigst uitgedrukt, vol karakter, met de pen en bruine inkt, door Rembrandt.“389 Die Ergänzung, dass der von Tischbein thematisierte Sammler nicht nur Zeichnungen besaß, sondern auch selbst zeichnete, lässt sich ebenfalls an­ hand verschiedener Quellen bestätigen.390 Jan Knoef nennt Landschaften das Metier von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. und verweist darauf, dass die­ ser auf diesem Gebiet für einen Dilettanten eine bemerkenswerte Fertigkeit erreicht hat.391 Allein die Datenbank des RKD verzeichnet sieben eigenhändige und teils signierte Zeichnungen, wovon sich heute drei im Rijksprentenkabinet Amsterdam befinden, eine im Stadsarchief Amsterdam, eine in der Scottish National Gallery Edinburgh sowie eine weitere in der Albertina Wien.392 Eine der Zeichnungen zeigt eine Szene in Amsterdam und ist mit dem Titel Die Herengracht in Amsterdam bei der Warmoesgracht versehen (Abb. 30). Hierbei handelt es sich um eine Ansicht, die um 1760 unmittelbar vor der eigenen Tür des Amateurzeichners entstanden ist und von der verschiedene Versionen existieren. Das Wohnhaus der Goll van Frankensteins befand sich in der Herengracht, zwischen der Warmoesgracht und der Leliegracht.393 Eine Besonderheit der Zeichnung besteht darin, dass man durch den zentralen mehrteiligen Brückenbogen in der Ferne zwei weitere Brücken erkennen kann. Diese Staffelung wird durch die Baumreihen entlang der Gracht wiederholt und durch verschiedene Staffagefiguren ergänzt, welche die Szenerie beleben. Das eigene Haus ist jedoch nicht Gegenstand der Zeichnung. Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 123

30 Johann Goll van Frankenstein d. Ä.: Die Herengracht in Amsterdam bei der Warmoesgracht, um 1760, Stadsarchief Amsterdam

Das Sujet weiterer Zeichnungen stimmt gleichfalls mit dem Bericht Tischbeins überein. So lassen sich drei Darstellungen thematisch und topo­ graphisch einer Reise durch Deutschland zuordnen. Von dieser Reise sowie den dort angefertigten Zeichnungen ist verschiedentlich die Rede. Es heißt, dass sowohl zu Golls Lebzeiten als auch danach diese Werke von den Liebhabern­ bewundert und geschätzt wurden.394 In diesem Zusammenhang gibt es einen Hinweis auf den Amsterdamer Künstler und Kunsthändler Hendrick de Leth (1703–1766), der Reproduktionen von Rheinansichten nach Zeichnungen 124 Verbreitung

31 Adriaan de Lelie: Der Zeichensaal von Felix ­Meritis zu Amsterdam, 1801, Rijksmuseum Amsterdam

von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. angefertigt haben soll, was das Inter­ esse daran bestätigt.395

Die Sammlung Goll in Amsterdam

Bei den Goll van Frankensteins handelt es sich wie so häufig in den Niederlan­ den im späten 18. Jahrhundert um eine Sammlerfamilie, die den Sammlungs­ bestand über mehrere Generationen hinweg aufgebaut und aufrechterhalten, ja sogar aktiv erweitert hat. Die von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. in den 1750er-Jahren begründete Sammlung wurde nach dessen Tod von seinem Sohn Johan Goll van Frankenstein d. J. (1756–1821) weitergeführt, der sie wiederum an seinen Sohn Pieter Hendrick Goll van Frankenstein (1787–1832) vererbte. Einen Überblick über die Sammlerfamilie sowie deren Aktivitäten – von den ersten Ankäufen bis hin zur Auflösung der Sammlung – gibt der ehe­ malige RKD-Mitarbeiter Jan Knoef in seinem Aufsatz De verzamelaars Goll van Frankenstein.396 Goll van Frankenstein d. J. trat in die Fußstapfen des Vaters, sowohl als Bankier als auch als Sammler. In diesem Sinne setzte er die Abendgesell­ schaften mit der gemeinsamen Kunstbetrachtung fort. Weiterhin fanden die Sammlungsbesuche ihren Niederschlag in Reiseberichten – jedoch weniger häufig, als dies in den Jahren von 1765 bis 1785 der Fall war, als ein Besuch der Sammlung Goll zu den Höhepunkten für zahlreiche Reisende in Amster­ dam gehörte.397 Darüber hinaus war Goll van Frankenstein d. J. ab 1775 Mit­ glied der Amsterdamer Zeichenakademie (als Schüler seines Vaters) sowie ab 1788 Mitglied von ‚Felix Meritis‘, einer 1777 gegründeten philanthropischen Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 125

Gesellschaft in Amsterdam.398 In dieser letztgenannten Funktion ist er Teil des Gruppenportraits Der Zeichensaal von Felix Meritis zu Amsterdam (1801) von Adriaan de Lelie (1755–1820) im Rijksmuseum Amsterdam (Abb. 31). Mit dem Fortschreiten der Sammlungsgeschichte wird die Quellenlage zunehmend unübersichtlicher und erschwert weiterführende Rückschlüsse – mit einer entscheidenden Ausnahme. Mit dem Tod des Enkels Pieter Hendrick Goll van Frankenstein scheint die Sammlung ihr Ende gefunden zu haben, da diese in einer großen Nachlassauktion im Jahr 1833 – am 1. Juli 1833 im Auk­ tionshaus Jeronimo de Vries in Amsterdam – veräußert wurde.399 Die zur Ver­ steigerung gegebenen Zeichnungen befanden sich in zahlreichen Kunstbüchern, die von A bis Z sowie von AA bis WW geordnet waren. Aus dieser Ordnung ergibt sich ein Umfang von 49 Bänden. Die aufgeführten 1.793 Katalognum­ mern umfassen etwa 2.250 Zeichnungen. Laut Jan Knoef erbrachte die Ver­ steigerung dieses umfangreichen Bestandes an Zeichnungen 69.638,50 Gul­ den.400 Heute entspräche dies einem Wert von über 700.000 Euro.401 Der bereits erwähnte Künstler und Kunsthändler Hendrick de Leth war neben der Anfertigung von Reproduktionen auch in anderer Funktion für Goll tätig und vermittelte diesem Kunstwerke. Er war in die Auktion der Sammlung von Abraham de Broyel in Amsterdam im Jahr 1759 involviert, auf der 700 Katalognummern zur Versteigerung kamen, darunter Zeichnungen von allen großen niederländischen Meistern.402 Johann Goll van Frankenstein d. Ä. er­ warb auf dieser Auktion 48 Zeichnungen. Damit war der Bestand der Sammlung Hans-Ulrich Beck zufolge bereits im Jahr 1759 auf über 1.000 Zeichnungen angewachsen.403 Zu erwähnen ist ferner der Ankauf der berühmten Samm­ lung von Handzeichnungen des Delfter Notars Valerius Röver (1686–1739).404 Die Zeichnungssammlung mit rund 2.200 Objekten wurde von der Witwe Rövers, Cornelia van der Dussen (1689–1762), im Jahr 1761 für 20.500 Gul­ den – heute rund 215.000 Euro – an de Leth verkauft, der diese weiter veräu­ ßerte. Goll van Frankenstein d. Ä. erwarb rund die Hälfte, also etwa 1.000 Zeichnungen, des ehemaligen Röver-Bestandes für seine eigene Sammlung.405 Eine Zeichnung, die sich in der Sammlung Goll befand und deren Provenienz sich über de Leth bis auf die Sammlung Röver zurückverfolgen lässt, ist Das goldene Zeitalter von Gerard de Lairesse (1640–1711), heute im Besitz der Ham­ burger Kunsthalle (Abb. 32).406 Dargestellt ist die vermeintlich glückselige Epoche des ‚Goldenen Zeitalters‘ mit mythologischen Figuren und einer An­ spielung auf die Saturnalien. Saturn thront über der fröhlichen Szene des Überflusses, mit verschiedenen Versinnbildlichungen der Fruchtbarkeit.407 Des Weiteren kann eine der wenigen gesicherten Zeichnungen von Lucas van Ley­ den (1494–1533) angeführt werden. Der Sündenfall entstand um 1528 und war zuvor ebenfalls Bestandteil der Sammlung Röver, bevor Röver die Zeichnung 126 Verbreitung

32 Gerard de Lairesse: Das goldene Zeitalter, um 1665–1667, Hamburger Kunsthalle

im Jahr 1736 zunächst an einen unbekannten Sammler verkaufte, der sie zu einem späteren Zeitpunkt an Goll van Frankenstein d. Ä. weiterverkauft haben muss. Nach dessen Tod ging sie in den Besitz von Goll van Frankenstein d. J. über, der sie jedoch selbst wieder veräußert hat. Auch die Veräußerung und der Weiterverkauf von Kunstwerken ist Teil der Sammelpraxis und spiegelt die teils starken Veränderungen von Sammlungsbeständen. Die zeitweilige Zuge­ hörigkeit zur Sammlung Goll ist auf der Rückseite der Zeichnung dokumen­ tiert, dort steht unten links mit roter Feder „von der Hand Goll van Franken­ steins: ‚N. 2737.‘“ geschrieben.408 Die Zugehörigkeit zahlreicher Zeichnungen zu Sammlungen wie der Sammlung Röver oder der Sammlung Goll lässt sich folglich neben Inventar­ listen und Auktionskatalogen durch die teils auf den Rückseiten angebrach­ ten Zahlen, Monogramme und Stempel nachweisen. Zusammen mit den identifizierten Sammlerzeichen bilden diese Angaben einen wertvollen Bei­ trag für die Sammlungsgeschichte.409 Hans-Ulrich Beck konnte für die Samm­ lung Goll 4.200 Inventarnummern nachweisen. Er schließt sich jedoch den Schätzungen an, wonach der Sammlung 5.000 bis 6.000 Zeichnungen zuzu­ rechnen sind – als „Gesamtzahl der sich jemals in Goll’schem Besitz befunde­ nen Blätter“.410 Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 127

John Smith führt in seiner vielbeachteten Publikation A Catalogue Rai- sonné of the Works of the Most Eminent Dutch, Flemish, and French Painters, die zwischen 1829 und 1842 in neun Bänden erschienen ist, die Sammlung Goll mehrfach im Rahmen der Werkprovenienzen an, wobei er sich fast ausschließ­ lich auf die Auktion von 1833 bezieht.411 Zu den Künstlernamen, die bei Smith mit der Sammlung in Verbindung gebracht werden, gehören bspw. (in der dortigen Schreibweise): Nicholas Berghem, Paul Potter, Adrian vander Velde, Karel du Jardin, Albert Cuyp, John vander Heyden, Minderhout Hob­ bema, Jacob Ruysdael, John Hackaert, William vander Velde, Adam Pynaker, John Wynants, John van Huysum, Ludolph Backhuyzen, Adrian van Ostade, Gabriel Metsu, Francis Mieris, Jan Steen, Eglon vander Neer, Anthonis van Dyck, Gerard Terburg, Philip Wouwermans, Godfrey Schalken, Nicholaes Maes, Gerard Dow, Peter de Hooge, William Mieris und Rembrandt van Rhyn. Die Zahl der Arbeiten dieser Künstler, die in der Goll’schen Sammlung ver­ treten waren, reicht von einer singulären Arbeit bis hin zu zehn Werken bspw. von Rembrandt. Allerdings kann aus heutiger Sicht nicht ohne Weiteres nachvollzo­ gen werden, zu welchem Zeitpunkt und unter wessen Regie diese Werke für die Sammlung angekauft worden waren, trotz der inzwischen identifizierten Sammlerzeichen.412 Lassen sich die Provenienzen einzelner Werke bis auf die Sammlung Goll zurückverfolgen, so beziehen sich die Angaben in der Regel auf den Auktionskatalog von 1833. Ein Inventarverzeichnis, das eventuell Rück­ schlüsse auf Zeitpunkt und Herkunft der Erwerbungen ermöglichen könnte, ist nicht erhalten.413 Der Versuch, den Sammlungsbestand für die Jahre 1772/1773 zu rekonstruieren, würde hier zu weit führen, da an dieser Stelle – analog zu Tischbeins Ausführungen – ein anderes Ziel verfolgt werden soll. Tischbein legt bei dieser Episode seiner Lebenserinnerungen den Schwerpunkt weniger auf einzelne Werke der Sammlung, als dies andernorts mit detaillier­ ten Werkbeschreibungen der Fall ist. Er erwähnt lediglich einzelne Künstler wie Paulus Potter und Adriaen van Ostade, denen er die bewundernde Bemer­ kung „Arbeiten von beinahe allen großen Meistern“ hinterher schickt.414 Viel­ mehr gilt sein Interesse in erster Linie den Umständen und Rahmenbedin­ gungen der Besuche im Hause des Sammlers, auf die er in seinen Manuskrip­ ten explizit eingeht und die nun Gegenstand der weiteren Überlegungen sind.

Internationale Besucher der Sammlung

Tischbein war keinesfalls der einzige Besucher der Sammlung Goll aus dem Ausland. Zahlreiche weitere Zeitgenossen weilten in der berühmten Samm­ lung in Amsterdam während ihrer Reisen durch die Niederlande – einige von 128 Verbreitung ihnen sogar zeitgleich mit Tischbein in den Jahren 1772/1773. In diesem Zu­ sammenhang ist von der wiederholt geäußerten Großzügigkeit die Rede, mit der Goll van Frankenstein d. Ä. sein Haus für Künstler und Kunstfreunde öff­ nete, damit diese seine Sammlung bestaunen konnten.415 Dokumentiert sind diese Sammlungsbesuche in Form von Briefen, Reisetagebüchern und auto­ biographischen Notizen. Exemplarisch angeführt werden sollen ein engli­ scher, ein schwedischer sowie ein deutscher Reisender – Joseph Banks, Jacob Jonas Björnståhl und Moritz August von Thümmel. Mit diesem kleinen Exkurs­ sollen Tischbeins Aussagen über die Sammlung Goll kontextualisiert und um weitere Aspekte ergänzt werden. So kann ein Eindruck davon vermittelt wer­ den, wie Außenstehende Zugang zum Netzwerk der Sammler und deren­ be­ rühmten Sammlungen erhielten und auf diese Weise selbst Teil eines Netz­ werkes wurden. Dies gilt für den englischen Naturforscher Joseph Banks (1742–1820), der mit Kapitän Cook die Welt bereist hatte. Im Frühjahr 1773 besuchte er während einer sechswöchigen Tour durch die Niederlande Amsterdam.416 Banks hatte – wie Tischbein, der zeitgleich dort weilte – Adressbriefe im Ge­ päck, die ihm Kenntnis von der Sammlung Goll gaben und ihm einen Zugang gewährten.417 „Carrying a letter from professor Allamand, he went to Johan Goll van Frankenstein (1722–1785), banker to the Empress, who lived on the Keizersgracht near the Wolvenstraat, and asked him to arrange visits to inter­ esting collections. Goll, who owned an important cabinet of drawings and also provided the astronomer Lalande with contacts, promised Banks he would do his best.“418 Anhand dieser kurzen Zusammenfassung von Kees van Strien werden einige zentrale Aspekte deutlich. Banks ist im Besitz eines Emp­ fehlungsschreibens von einem Professor Allamand – gemeint ist der Leidener Naturwissenschaftler Jean-Nicolas-Sébastien Allamand (1713–1787) –, der den Kontakt zu Johann Goll van Frankenstein d. Ä. vermittelt, denn ohne Emp­ fehlung wäre Banks der Zugang vermutlich verwehrt geblieben. Er nutzt die­ sen Erstkontakt, um sich von Goll wiederum anderen Sammlern empfehlen zu lassen und weitere Besuche zu arrangieren. Van Strien lokalisiert die Samm­ lung Goll fälschlicherweise in der Keizersgracht – dies bezeichnet jedoch das Haus von Goll van Frankenstein d. J., der im Jahr 1793 eine Immobile mit dieser Adresse erwarb. Das Haus der Goll van Frankenstein befand sich ab 1765 in der Herengracht, wo Banks dementsprechend 1773 zu Gast war.419 Banks besuchte ein weiteres Mal die Sammlung Goll, was er in seinem Reisetagebuch am 28. Februar 1773 – im Anschluss an einen Ausflug nach Zaandam – festhielt: „At 6 we arrived at Amsterdam again and waited by ap­ pointment upon Mr Gol, to see some of his much famed collection of draw­ ings. About 20 people, above half ladies, were at his house. Some played cards, Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 129 while others who sat at a long table looked at drawings which were handed from one to another. Upon the whole I cannot say that the collection in any degree answered my expectation.“420 Van Strien zieht daraus die Schlussfolge­ rung: „Banks, not a connoisseur, was disappointed.“421 Für Banks standen ganz klar die Naturaliensammlungen im Zentrum seines Besichtigungsinteresses, darüber hinaus suchte er den Kontakt zu holländischen Sammlern und Ge­ lehrten – so besuchte er bspw. die naturgeschichtliche Sammlung von Willem van der Meulen (1714–1808).422 Insofern liegt nahe, dass man auf Banks’ Ur­ teil bezüglich der Kunstsammlung nicht allzu viel geben muss, denn er sprach den bekannten Sammler vor allem seiner Kontakte wegen an. Selbst für einen Naturwissenschaftler schien an Goll kein Weg vorbei zu führen, immerhin suchte er Goll als erste Person in Amsterdam auf (wobei Banks bei seinem ersten Besuch nicht einmal bis zum Abendessen in der Gesellschaft blieb). Die Internationalität der Besucher in der Sammlung Goll belegt auch der schwedische Forschungsreisende Jacob Jonas Björnståhl (1731–1779), der nach Joseph Banks in den Jahren 1774/1775 in den Niederlanden weilte. Über den Besuch der Kunstsammlungen in Amsterdam schreibt Björnståhl: „Hier­ auf besahen wir bey Herrn Goll dessen großen und schönen Vorrath von Ori­ ginalzeichnungen. Sie steigen zu der Anzahl von fünf- bis sechstausend. Er zeigt dies Kabinet alle Dinstage des Abends einem jeden, der Lust hat es zu sehen; zugleich läßt er denen, welche sich dazu einfinden, Erfrischungen aus­ theilen, und behält die meisten von ihnen sogar zum Abendessen bey sich: dies ist schon seit mehreren Jahren seine Gewohnheit gewesen.“423 Als einer der wenigen Besucher thematisiert der Schwede den Umfang der Sammlung. Auf die Tradition, dass die Gesellschaften jeden Dienstag stattfanden und auf die gemeinsame Kunstbetrachtung ein Abendessen folgte, verweisen neben Tischbein und Björståhl auch der für seine Reiseberichte bekannte Schriftstel­ ler Heinrich Sander (1754–1782): „Um auch andere an diesen grossen Schät­ zen Theil nehmen zu lassen, ist alle Dienstage Abends Gesellschaft bei ihm.“424 Ein weiterer Besucher der Sammlung Goll in Amsterdam war der deut­ sche Schriftsteller Moritz August von Thümmel (1738–1817), der mit seinem zehnbändigen Roman Reise in die mittäglichen Provinzen Frankreichs (1791– 1805) Berühmtheit erlangt hatte. Seine Lebensbeschreibung wurde postum von Johann Ernst von Gruner im Jahr 1819 herausgegeben und basiert auf den hinterlassenen Briefen und Notizen von Thümmels.425 Darunter befinden sich Aufzeichnungen von einer Niederlande-Reise im Sommer 1772. Moritz August von Thümmel hielt sich somit im selben Jahr, wenn nicht sogar zeitgleich mit Tischbein, in Amsterdam auf.426 Am 6. Juni 1772 berichtet von Thümmel zu­ nächst von der Reise in die Niederlande: „In Bonn besuchte uns der Hollän­ dische Gesandte Graf Wartensleben, an welchen die Frau von Wangenheim 130 Verbreitung empfohlen war, auf dem Schiff, und gab uns die besten Addressen nach Hol­ land […].“427 Dies ist ein erneuter Beleg für die zentrale Bedeutung der Weiter­ empfehlung von Reisenden sowie die Unerlässlichkeit eines weitverzweigten (Kontakt-)Netzwerkes. Aus Amsterdam schreibt von Thümmel einige Wochen später am 12. Juli 1772: „Ich bin noch immer in Holland und gefalle mir itzo hier um ein grosses besser als die erstere Zeit. Unsere Bekanntschaften haben sich erweitert, dass wenig grosse Häuser sind, die uns nicht Höf­lichkeiten erzei­ gen und uns den hiesigen Aufenthalt angenehm zu machen suchen. Wir wis­ sen gemeiniglich auf acht Tage voraus, womit wir uns täglich die Zeit vertrei­ ben werden, und müssen immer die Hälfte von den Einladungen ausschla­ gen, die wir zu einer Menge von Parties de Plaisier er­halten – Ich begreife nicht, wie die Holländer zu der üblen Reputation gekommen sind, dass sie kalt gegen Fremde und mürrisch in ihren Vergnügungen wären. ­Wenigstens sollten die Deutschen ihnen diesen Vorwurf nicht machen.“428 Nach dieser Einschätzung zu urteilen, wurden die Reisenden freundlich von der Amster­ damer Gesellschaft aufgenommen und regelrecht herumgereicht, sodass sie täglich an Gesellschaften teilnahmen, woraus sich immer wieder neue Be­ kanntschaften und Einladungen ergaben. Die hervorstechende Höflichkeit und Gastfreundschaft der Niederländer spiegelt sich gleichfalls in Tischbeins Schilderungen seiner Niederlande-Reise – zwei wichtige Voraussetzungen­ für das Entstehen und Funktionieren eines internationalen Netzwerkes, das sich günstig auf die ‚Niederländer-Rezeption‘ auswirkte. In dem eben zitierten Brief von Thümmels heißt es dazu weiter: „Ein gewisser Kaufmann Goll von Frankenstein hat uns das Vergnügen gemacht, uns schon verschiedenemale zu sich zu bitten, und mit uns sein ganz ausser­ ordentlich schönes Cabinet von Dessins durchzugehen, und uns allemal mit den vornehmsten Fremden, die ankommen, zum Abendessen zu behalten. Er setzt dazu alle Wochen zwei Tage, und wir werden solches benutzen, so lange wir hier sind.“429 Folglich war auch von Thümmel mehrfach zu Besuch in der Sammlung Goll, was er durch die gemeinsame Kunstbetrachtung als großes Vergnügen in Erinnerung behält. Er betont explizit dessen „ausserordentlich schönes Cabinet“ – Tischbein verwendet an dieser Stelle dasselbe Vokabular –, ohne jedoch weiter darauf einzugehen oder die Art der Kunstbetrachtung mit Einzelheiten zu versehen.430 Begleitet und vollendet wird der Sammlungs­ besuch stets von einem gemeinschaftlichen Abendessen. Laut von Thümmel bittet der Sammler bei diesen wöchentlich stattfindenden Gesellschaften die „vornehmsten Fremden“ zu sich und macht diese zugleich untereinander be­ kannt. Umgekehrt lassen sich die geladenen Gäste und Reisenden nicht lange bitten und (be)nutzen diese ihnen gebotenen Möglichkeiten. Von Bedeutung ist dabei auch die Regelmäßigkeit und Wiederholung der Besuche. Tischbein Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 131 erzählt, dass er den Sammler „sehr oft besuchte“, sogar „so oft [er] nur konn­ te“, während von Thümmel die Formulierungen „verschiedenemale“ und „so lange wir hier sind“ verwendet. Die verschiedenen zitierten Beispiele zeigen die Internationalität der Besucher in einer niederländischen Sammlung. Egal ob Künstler, Schriftstel­ ler, Forschungsreisender oder Naturwissenschaftler – sie alle werden Teil eines weitverzweigten Netzwerkes, in dessen Zentrum eine schillernde Sammler­ persönlichkeit und deren Kunstsammlung stehen. Auf diese Weise fungiert ein Sammler wie Goll als zentraler Knotenpunkt innerhalb dieser spezifischen Amsterdamer Kontaktbörse und seine Sammlung wird zum international wirksamen Impulsgeber für die europäische ‚Niederländer-Rezeption‘ im späten 18. Jahrhundert.

3.1.2 Über das Sammeln von Graphik

Das Sammeln von Graphik und insbesondere von Handzeichnungen kann auf eine lange Tradition zurückblicken, seit sich die Zeichnung zum eigen­ ständigen Kunstwerk entwickelt und eine erstaunliche Vielfalt an Formen und Funktionen erreicht hatte.431 So sind neben den autonomen Handzeich­ nungen, die teils sogar signiert sind, zur Gattung der Zeichnungen ebenso Ideenskizzen, Studienblätter und Nachzeichnungen zu zählen. Hinzu kom­ men die Entwurfszeichnungen für Gemälde, aber auch für Tapisserien und kunstgewerbliche Produkte. Eine besondere Rolle nehmen ferner die Vorlagen für druckgraphische Werke und Reproduktionen ein, die Stechervorlagen.432 Darüber hinaus sind die diversen künstlerischen Ausdrucksformen im Bereich der Druckgraphik – seien es Holzschnitte, Kupferstiche oder Radierungen – zu erwähnen.433 Im Falle der Reproduktionsgraphiken kam es mitunter zu einer bedeutsamen Verquickung von Zeichnung und Reproduktion, im Sinne einer Wertsteigerung.434 Das 18. Jahrhundert, in dem die graphischen Künste einen erheblichen Aufschwung – als autonomes Kunstwerk sowie als Sammelobjekt – erfahren haben, ist mitunter als ‚Epoche der Zeichnung‘ bezeichnet worden. Die ge­ steigerte Wertschätzung zeigt sich gleichfalls anhand von kunsttheoretischen Schriften. Aber auch der Rezipientenkreis hat sich erheblich erweitert. Nicht mehr nur von Künstlerwerkstätten bewahrt und von einzelnen Liebhabern geschätzt, werden Zeichnungen nun vermehrt vom Bürgertum gesammelt, was einen regelrechten Boom der Zeichenkunst auf dem Kunstmarkt bewirkt. Durch die veränderte Sammelpraxis entsteht also ein von starker Nachfrage animierter Markt.435 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommen 132 Verbreitung schließlich weit über 100 Zeichnungssammlungen – mit teils über 1.000 Blatt pro Sammlung – in Amsterdam zur Auktion.436

Die Zeichenkunst im 18. Jahrhundert und der Dilettantismus

Ein zentraler Aspekt in diesem Kontext ist der künstlerische Dilettantismus im 18. Jahrhundert, der in der Gesellschaft, insbesondere im gebildeten Bürger­ tum, weite Verbreitung findet.437 Der Begriff des ‚Dilettantismus‘ ist von Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und Friedrich Schiller (1759–1805) geprägt und durch die Schrift Über den Dilettantismus (1799) verbreitet worden.438 Zur Anwendung kommt er in verschiedenen Bereichen der Kunst – als ‚praktische Liebhaberei‘ – und steht in Beziehung zum Zeitgeschmack. Einen besonderen Nutzen sehen Goethe und Schiller darin, dass man mit dem dilettantischen Zeichnen besser sehen lerne, indem man das Gesehene leichter und treffen­ der differenzieren könne.439 Der Aspekt des Sehenlernens durch den Akt des Zeichnens ist auch für Tischbein von zentraler Bedeutung, weshalb er an dieser Stelle Erwähnung finden soll, ohne auf die komplexe Dilettantismus-­Debatte weiter eingehen zu können.440 Tischbein nutzt die verschiedenen Sammlungs­ besuche seit seinen Lehrjahren in Hamburg, um dort zu zeichnen und sein Können und Wissen auf diese Weise zu vertiefen. Damit folgt er dem über viele Künstlergenerationen hinweg tradierten Motto ‚nulla dies sine linea‘, das nicht nur für angehende Künstler galt, sondern auch die Maxime bereits etablierter Meister war, die ihre Fertigkeiten stets zu vervollkommnen und zu erneuern suchten – ein Motto, das bis heute Bestand hat.441 Eine zentrale Rolle spielen zudem die Akademien, die der Zeichnung und dem Zeichenunterricht eine gesteigerte Bedeutung im Rahmen der Künst­ lerausbildung zumessen.442 Damit in Zusammenhang stehen ferner die neu­ gegründeten Zeichenschulen und Gesellschaften, die sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden sowie in ganz Europa vermehrt in Erscheinung treten. Erwähnt wurde bereits die philanthropische Gesellschaft ‚Felix Meri­ tis‘ in Amsterdam, die einen eigenen Zeichensaal besaß.443 An dieser Stelle gilt es auf eine weitere Differenzierung der gemeinhin synonym verwendeten Bezeichnungen ‚Dilettanten‘ und ‚Amateure‘ zu ver­ weisen, was eine mögliche Steigerung der Qualität sowie des Verständnisses der künstlerischen Praxis impliziert, wie dies von Charlotte Guichard be­ schrieben wurde: „Beispielhaft sei hier die künstlerische Auseinandersetzung mit den Werken Rembrandts betrachtet, die in diesen Zirkeln vielfach kopiert und nachgeahmt wurden. Das Kopieren einer Rembrandt-Radierung verriet ein hohes Maß an Gelehrsamkeit und Kennerschaft, nicht ohne Grund war Rembrandt der erste Künstler, dessen grafisches Werk in einem Œuvrekatalog Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 133 veröffentlicht wurde. Seine Radierungen bildeten die Grundlage eines Diskur­ ses über Stil, künstlerische Handschrift und die Einzigartigkeit des Kunst­ werks, das heißt über kennerschaftliche Schlüsselbegriffe im Zeitalter der Aufklärung. Durch ihre Auseinandersetzung mit Rembrandt erwiesen sich die ‚Amateure‘ und ‚Amateurinnen‘ als Experten. Sie nahmen auf entscheidende Weise an der Wiederentdeckung dieses Künstlers teil, der in den Akademien in Verruf stand, da seine Kunst als zu wenig klassisch und idealisierend galt.“444 Diese Charakterisierung geht von einer engen Verschränkung von künstleri­ scher Betätigung und kunsthistorischem Wissen in jener Zeit aus, die gemein­ sam der Aneignung von Kunstkennerschaft dienen und diese vertiefen sowie erweitern sollten, in Abgrenzung zur reinen Liebhaberei.445 Darüber hinaus zeigt sie auch, dass akademische (Aus-)Bildung dem Anspruch auf Kenner­ schaft nicht exklusiv gerecht wird. Zu den praktischen Liebhabern zählen unter anderem niederländische Sammler wie Johann Goll van Frankenstein d. Ä., der nicht nur Zeichnungen sammelte, sondern selbst – wie bereits beschrieben – als Amateurzeichner tätig war.446 Auch die deutsche Niederländer-Sammlerin Karoline Luise von Baden (1723–1783) favorisierte diesen zweifachen Zugang zur Kunst. Ihr Bestreben war es, durch eine derartige Aneignung der Alten Meister zu einer vertieften Kennerschaft – bspw. von künstlerischen Handschriften und Techniken – zu gelangen. Die Kunstübungen hatten eine klare Zielrichtung, worüber sie ­mitunter in ihren Briefen reflektiert.447 Interessant ist, dass Goll van Franken­ stein d. Ä. sowohl als Agent für die Markgräfin auf dem Amsterdamer Kunst­ markt tätig war als auch deren Zeichnungen sammelte, sie sogar zu eigenen Arbeiten ermutigte.448 Mit einem im Jahr 1772 datierenden Briefwechsel – also zur Zeit von Tischbeins Aufenthalt in Amsterdam – erhält Goll drei eigenhän­ dige Zeichnungen von Karoline Luise, die er in seinem Antwortschreiben überschwänglich lobt. Darunter befindet sich ein Bildnis ihres Sohnes Lud­ wig.449 Dies ist ein erneutes Beispiel für die Vielschichtigkeit und Funktions­ weise des Netzwerkes über Landesgrenzen hinweg. Die Thematik der Zeichnung als Sammelobjekt wird in einem Kom­ mentar von Heinrich Sander zur Sammlung Goll aufgegriffen. Über den Samm­ ler äußert er: „Der Besitzer ist ein reicher Kaufmann, der schon lange Zeich­ nungen von alten und neuen Meistern sammelt. […] Er hat sie in Portefeuil­ len; in jeder sticht besonders ein Meister hervor. Alle diese Folianten liegen in einem Schranke, und in dessen Mitte sind noch einige Schubladen voll aus­ erlesener Naturalien.“450 An dieser knappen Charakterisierung werden verschie­ dene Aspekte im Kontext des Sammelns von Zeichnungen deutlich. Über die Sammlung erfahren wir, dass sich diese nicht nur aus Alten Meistern, sondern auch aus zeitgenössischen Werken zusammensetzt. Es ist davon auszugehen, 134 Verbreitung dass die Zeichnungen des 18. Jahrhunderts jedoch nur eine untergeordnete Rol­ le im Vergleich zu den Altmeisterzeichnungen spielen, was mit dem Geschmack der Zeit zusammenhängt.451 Die Zeichnungen werden in Sammlungs­mappen – den sogenannten ‚Portefeuilles‘ – aufbewahrt, die eine vom Sammler vorge­ gebene Ordnung besitzen. Jede Mappe widmet sich insbesondere dem zeichne­ rischen Werk eines Künstlers und wird von weiteren Zeichnungen und Künst­ lern ergänzt. Die Einzelobjekte können dabei lose eingelegt oder auch auf Kar­ ton aufgezogen sein. Dass die Portefeuilles als ‚Folianten‘ bezeichnet werden, sagt etwas über deren imposante Größe aus. Zudem gibt Sander einen Einblick, in welcher Art die Folianten verwahrt werden. Sie befinden sich demnach in einem Schrank, der vermutlich explizit für diese Verwen­dung geschaffen wur­ de, sodass dieser die Folianten angemessen aufnehmen konnte. Ergänzt wer­ den die Portefeuilles durch in der Mitte des Schrankes befindliche Schubladen mit Naturalien – eine Reminiszenz an die Kunst- und Wunderkammern.452 Eine individuelle Präferenz des Sammlers – durchaus im Einklang mit einer Modeströmung der Zeit – wird von dem Sammlungsbesucher Heinrich Sander ergänzend angesprochen, wenn er berichtet: „Kupferstiche mag [Goll] nicht, weil das nämliche Blatt auch 100 andere haben können.“453 Für diese Bevorzugung der Zeichnung gegenüber der Druckgraphik findet man im 18. Jahrhundert auch Gegenbeispiele. Der Frankfurter Graphiksammler Johann Friedrich von Uffenbach (1687–1769) bspw. präferiert ganz klar die Druck­ graphik vor der Handzeichnung, was sich an der Zusammensetzung seiner Sammlung zeigt, in der etwa 1.000 Zeichnungen rund 10.000 Blatt Druck­ graphik gegenüberstehen. Eine interessante Querverbindung ist, dass Goll van Frankenstein d. Ä. aus dem Zeichnungsbestand von Uffenbachs später ein großes Konvolut mit 232 Zeichnungen ankaufen sollte.454 Analog zu sei­ ner Sammelpraxis thematisiert von Uffenbach in seinen Autographen die Zeichnung kaum, während er sich mit der Druckgraphik intensiv befasst, ja sogar Vorträge dazu hält. Interessant ist in diesem Zusammenhang ferner, dass von Uffenbach andere Zeichnungssammler voller Unverständnis und Spott in seinen Tagebüchern beschreibt, wenn diese die Besonderheit und Einmalig­ keit der von ihnen gesammelten Kunstwerke betonen.455 Gerade das Einmalige, das Unikat der Zeichnung spielt jedoch für Goll eine zentrale Rolle. Wie be­ reits im Falle des ‚portugiesischen Juden‘, der sich rühmte, bei den von Wil­ lem van de Velde hinterlassenen Handzeichnungen diesen Schatz alleine zu besitzen, zeigt sich hier der Besitzerstolz sowie die Prestigeträchtigkeit des Ex­ klusiven. Ähnlich äußert sich zu dieser Charakteristik des Sammelverhaltens Karl August Böttiger (1760–1835) in einem Brief an Tischbein: „Es ist unge­ fähr wie mit den Handzeichnungen grosser Meister, wo doch die Eitelkeit der Sammler oft noch mit in’s Spiel gezogen wird.“456 Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 135

Handzeichnungen vs. Reproduktionen

Im Kontext der Sammlung Goll bezeichnet Tischbein diese als „eine ausser­ ordentlige schöne samlung von orginal hand zeichnungen“.457 Die Bezeich­ nung der gesammelten Kunstwerke als ‚Originalhandzeichnungen‘ gewinnt ihre Relevanz erst im Vergleich mit graphisch reproduzierten Werken und den damit einhergehenden Bewertungskriterien. Über das Verhältnis von Hand­ zeichnungen und Stichen äußert sich Tischbein mitunter konkret. Zu einer Zeichnung von Albrecht Dürer notiert er: „Diese Zeichnung war überaus schön und mit dem gewöhnlichen Fleiße des Dürer ausgeführt, […] und ich überzeugte mich hier so recht, wieviel mehr Geist in der Zeichnung sei als in dem Kupferstiche, bei dessen mechanischer, langsamer Arbeit das Feuer so leicht erkaltet […].“458 Mit dieser Unterscheidung der Arbeitsweise gibt Tisch­ bein den Zeichnungen eindeutig den Vorzug gegenüber den graphischen Re­ produktionen. Der Zeichnung wird „mehr Geist“ zugeschrieben, da sie die künstlerische Idee und Inspiration unmittelbar festhält. Der Reproduktion fehlt seiner Meinung nach die Originalität, da sie das Original nur kopiert. Von Kopien hält Tischbein – außer für Übungszwecke als zentraler Bestandteil der Künstlerausbildung – grundsätzlich nicht allzu viel.459 So gibt er die Be­ gründung seiner Ablehnung, auf eine Anfrage ein Werk zu kopieren, mit den Worten wieder: „Das dürfe ich nicht, weil ich überzeugt sei, daß eine Kopie das Original nicht wiedergeben könne. Es sei damit wie mit der Übersetzung eines Buches aus einer fremden Sprache; die erste Kraft, der erste Geist, wo das Gefühl den Pinsel führe und mit Feuer das Bild hinstelle, könne nicht noch einmal wiederkommen.“460 Konkrete Äußerungen Tischbeins legen die Schlussfolgerung nahe, dass Tischbein Kopien und Reproduktionen weniger in ihrer Eigenschaft als Kunstwerke schätzte, sondern vielmehr als Vermittler von Wissen und Ein­ drücken im Sinne von Illustrationen, die zu einer besseren Kenntnis der Welt beitragen – gewissermaßen als Vorläufer der dokumentarischen Fotografie.461 Er schreibt bspw. retrospektiv über seine Jugend- und Lehrjahre: „[S]eine Kup­ ferstig samlung war zahlreig, und er besass viele der vorzugligste Blätter und es war für mich ser belehrent, weil er sie mit bemerkung mit mir durch sahe. Besonders aber seine vielen Bücher mit kupferstiche waren vor mich eine wahre Schule, und der nuzen welchen ich davon hatte war groß, den es war keine Zeit in den Büchern zu lehsen, ab die kupferstiche durch zu sehen konde man in einem Abend viele. weren ich sie besahe, erzehlte er mir die Geschich­ te, von dem vorgestelten und ich erführ den inhalt des buches, und auch ei­ nen kurzn auszugs der begebenheiten. Es waren historische Bücher, romische, Bieblische, [Einschub: aus] alden Zeiden, Mittelalder, neuere gegebenheiten, 136 Verbreitung

Reisebeschreibung, [Einschub: Nahturgeschichte] von Indien, Relions gebräu­ che der verschieden Fölker, Fabeln u. d. g. Auch ich bekam eine anschauende über sich der ganzen Weld, und was sich [Einschub: zum theil] darauf zugetra­ gen hatt.“462 Über die Rolle von Kupferstichen und Büchern hatte sich Tisch­ bein bereits zuvor geäußert, bspw. in einem Brief an seinen Bruder­ Johann Heinrich Tischbein d. J.: „Es ist wircklig eine freude eine Samlung Kupfer­ stiche zu haben. sie gehoren so zur Bildung als eine Bucher samlung.“463 Diese Einschätzung wird später im Rahmen des Niederlande-Kapitels der publi­ ­zier­ ten Lebenserinnerungen um die Bemerkung ergänzt: „Man kann sich auch durch Kupferstiche belehren, aber durch Bilder sieht man besser.“464 Tischbein präferiert demnach eindeutig die Malerei vor der Graphik und analog dazu das Original vor der Reproduktion. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er dem Medium Druckgraphik keinen künstlerischen Wert zuerkennen würde – Tischbein dif­ ferenziert hier gemäß seiner persönlichen Erfahrungswerte und Überzeugun­ gen. Dabei spielen seine praktischen Erfahrungen als Künstler eine wichtige Rolle, da sie seine Urteilsfähigkeit durch die Vertrautheit mit den druckgra­ phischen Techniken zusätzlich stützen. Vergleicht man Tischbeins Aussagen mit jenen seiner Zeitgenossen, so werden einige Gemeinsamkeiten deutlich, wobei es bei den zeittypischen ­sowie individuellen Definitionen von Begriffen wie ‚Originalität‘ zu differen­ zieren gilt. „Bey Gemälden, noch mehr aber bey Zeichnungen, kommt alles auf die Originalität an. Ich verstehe hier unter Originalität nicht, daß das Werk gerade von dem Meister sey, dem es zugeschrieben wird, sondern daß es ursprünglich so geistreich sey, um die Ehre eines berühmten Namens allen­ falls zu verdienen.“465 Derart äußert sich Goethe zu dem Thema. Folgt man den Ausführungen von Johannes Grave, so gab auch Goethe den Zeichnun­ gen den Vorrang gegenüber den Reproduktionen, wobei die Reproduktionen wiederum die Wahrnehmung des Originals schärfen sollten.466 Für Tischbein sowie für Goethe vermag allein die Radierung eine Art Zwischenstellung zwischen der Handzeichnung und der Druckgraphik einzunehmen, da sie von allen Drucktechniken den Aspekt der Unmittelbarkeit am stärksten zum Ausdruck bringt. Diese Einschätzung manifestiert sich in einem Brief von Goethe an Tischbein vom 5. Mai 1806: „Eigenhändige Radirungen vorzüglicher Künstler schätze ich sehr hoch, wie Sie es thun, und aus eben denselben Ur­ sachen.“467 Diese Sichtweise Goethes, die mit der Tischbeins übereinstimmt, ist wohlbegründet. Sie basiert auf der Vorstellung, dass die Handzeichnung am unmittelbarsten die Intention des Künstlers zum Ausdruck zu bringen vermag. Diese Sichtweise findet sich auch in kunsttheoretischen Schriften des 18. Jahrhunderts wie bspw. bei Jonathan Richardson oder Antoine Joseph Dézallier d’Argenville, bei dem es über Skizzen heißt: „Sie enthalten die ersten Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 137

33 Hendrick Avercamp: Drei Jungen mit Schlittschuhen und einer mit einem Schläger, um 1615, Klassik Stiftung Weimar

Gedanken eines Malers, den ersten Entwurf seiner feurigen Einbildungskraft, seinen Stil, seinen Geist und seine Art zu denken.“468 Damit kommt der Zeich­ nung eine besondere und nur ihr eigene Ausdrucksqualität zu. Derartige Beur­ teilungen, die weite Verbreitung fanden, spiegeln sich nicht nur in der zeitge­ nössischen Kunstliteratur, sondern finden ihren Nachhall ebenso im Sammel­ verhalten.469 Es kann folglich davon ausgegangen werden, dass ein Interesse an originalen Handzeichnungen oder auch qualitätvollen Drucken von der Mehrheit der Graphiksammler am Ende des 18. Jahrhunderts geteilt wurde. Diese konnten mit der jeweiligen Präferenz in der Kunstliteratur zudem eine Bestätigung finden, wenn sie sich nicht sogar davon leiten ließen. Eine zentrale Figur in diesem Zusammenhang und einer der Prota­ gonisten der niederländischen Kunstgeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist Cornelis Ploos van Amstel (1726–1798), der zugleich als Künstler, Sammler von Zeichnungen und Herausgeber von Drucken in Er­ scheinung trat und weit über Amsterdam und die Niederlande hinaus be­ kannt war.470 Paul Knolle betont ferner den erheblichen Anteil, den Ploos van Amstel am kulturellen und sozialen Leben seiner Zeit hatte. Als wichtigste Quelle nennt er den autobiographischen Nachlass von Ploos van Amstel, das sogenannte ‚Oldenburgse bundel‘. Dieses Konvolut befand sich um 1860 im Besitz von Friedrich von Alten – zugleich der Herausgeber eines Teils von Tischbeins Korrespondenz im Jahr 1872 – und gehört heute zum Bestand der Landesbibliothek Oldenburg.471 138 Verbreitung

Die Sammlung Ploos van Amstel umfasste neben Zeichnungen – etwa 7.200 Handzeichnungen – Druckgraphiken, Gemälde, Miniaturen, Skulptu­ ren, Münzen, wissenschaftliche Instrumente, Handschriften und Bücher.472 Das ambitionierte Sammelverhalten, das fast schon einer Sammelwut glich, diente laut Knolle in Zusammenhang mit der Kunstbetrachtung der Entspan­ nung und dem Vergnügen des Geistes, wodurch es gerechtfertigt werden soll­ te.473 Die Zeichnungssammlung widmete sich insbesondere der Zeichenkunst der Niederlande des 17. und 18. Jahrhunderts. Zu den Werken aus dem 17. Jahrhundert zählt bspw. eine Zeichnung von Hendrick Avercamp (1585– 1634) mit einer Studie der für ihn so typischen Eisläufer (Abb. 33).474 Es waren zudem italienische Zeichnungen vertreten, die allerdings nur einen geringen Anteil ausmachten. Die Zeichnungssammlung von Cornelis Ploos van Amstel wurde nach dessen Tod in einer namhaften Auktion in Amsterdam veräußert – am 3. März 1800 durch Philippus van der Schley – und zu den Käufern zähl­ te unter anderem Johan Goll van Frankenstein d. J.475 In seiner Funktion als passionierter Zeichnungssammler wurde Ploos van Amstel verschiedentlich selbst zum Gegenstand der Kunst – selbstverständlich auch im Medium der Zeichnung. Das Rijksmuseum in Amsterdam ist im Besitz einer aquarellierten Zeichnung (Abb. 34), die den Sammler neben einem Stuhl stehend zeigt, auf dem eine großformatige Mappe mit losen Blättern abgestützt ist, woraus der Portraitierte eine Zeichnung entnimmt. Sein Blick gilt jedoch nicht dem Kunstobjekt, sondern ist selbstbewusst und kritisch in die Ferne gerichtet.476 Cornelis Ploos van Amstel hatte in den 1760er-Jahren eine neue Drucktechnik zur Reproduktion von Zeichnungen in Farbe und in Schwarz- Weiß erfunden.477 Er experimentierte mit verschiedenen Verfahren – Kupfer­ stich, Mezzotinto, Holzschnitt sowie Farbdruckverfahren –, um eine mög­ lichst originalgetreue Nachbildung von Handzeichnungen zu erreichen und die Zeichnungsmanier zu imitieren. Für seine Experimente benutzte er die eigene Sammlung von Zeichnungen niederländischer Künstler des 17. Jahr­ hunderts. Die farbige Reproduktion von Werken des berühmten niederlän­ dischen Stilllebenmalers Jan van Huysum (1682–1749) wird noch Gegestand der Betrachtung sein (vgl. Kapitel 3.2.4, Abb. 67). Ergänzt wurden die soge­ nannten ‚prenttekeningen‘ durch 21 Berichte in der Zeitschrift Vaderlandsche Letteroefeningen zwischen 1765 und 1787, die gleichermaßen zur Information wie zur Reklame für Ploos van Amstels außergewöhnliche Reproduktionen, seine umfangreiche Sammlung sowie die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ all­ gemein dienten. Dabei ging es ihm darum, den potentiellen Sammlern und Käufern Stiche von guter Qualität in Form von Kopien nach niederländischen Zeichnungen anzubieten, um deren Kenntnis und Urteilsfähigkeit dadurch zu schulen und zu schärfen, sodass diese „geen kat in de zak zou kopen“.478 Dem­ Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 139

34 Cornelis Ploos van Amstel nach Jacobus Buys: Portrait von Cornelis Ploos van Amstel, nach 1756, Rijksmuseum Amsterdam

entsprechend wollte er die gesammelten Reproduktionen – das ‚prentwerk‘ – um eine Anleitung zur Kennerschaft ergänzen. Diese spezifische Entwicklung im Bereich der Druckgraphik stellt eine Besonderheit dar, war allerdings nicht singulär, sondern ging einher mit einem neu erwachten Interesse der Drucker und Herausgeber an der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘, was mit den Entwick­ lungen auf dem internationalen Kunstmarkt korrespondierte.479 Die Aktivitäten von Ploos van Amstel waren weithin bekannt und blieben auch in Deutschland nicht unbemerkt. Christoph Gottlieb von Murr (1733–1811) berichtet im Jahr 1779 in seinem Journal zur Kunstgeschichte und Literatur über Kunstwerke aus den Niederlanden: „Von den schönen, aber theuren Blättern, die Herr Cornelis Ploos van Amstel auf Zeichnungsart in Kupfer äzet, und mit Farben abdruckt, habe ich 24 vor mir liegen, die ich den Freunden der Kunst hier bekannt mache. Sie kosten über 100 Thaler. Sie sind schwer von den Originalzeichnungen zu unterscheiden. Das Titelblatt enthält die lateinische Zueignungsschrift an den Bürgermeister in Amsterdam, Herrn Jonas Wirsen. Zu jedem dieser Blätter wird auch eine genaue Beschreibung in 8. ausgegeben, unter dem Titel: Berichten wegen een Prentwerk, volgens die nieuwe Uitvinding van den Heere Cornelis Ploos van Amstel, zo als dezelve van tyd tot tyd, geplaats zyn in de vaderlandsche Letteroeffeningen. Alle sind auf ein großes Blatt besonders geklebet, mit Einlassungen.“480 Der Künstler Jan van Goyen ist hier mit drei Blättern am umfangreichsten vertreten. 140 Verbreitung

Es verwundert nicht, dass Tischbein Kenntnis von dieser schillernden Persönlichkeit in Amsterdam und deren künstlerischen Unternehmungen hat­te, sodass er diese in den Lebenserinnerungen derart charakterisiert: „Ploos von Amstel, welcher die Kunst erfand, Originalzeichnungen so täuschend nach­ zuahmen, daß sie kaum von dem Originale zu unterscheiden waren […].“481 Allerdings taucht diese Beurteilung in den Manuskripten von 1811 und 1824 nicht auf und ist auch durch Notizen bislang nicht nachweisbar – doch es ist unwahrscheinlich, dass dies eine Zutat der späteren Bearbeiter seiner Lebens­ erinnerungen ist. Tischbein erwähnt stattdessen ein Gemälde, das er bei Ploos van Amstel gesehen hat, das an dieser Stelle nicht weiter relevant ist, da die Zeichenkunst sowie deren Betrachtung im Zentrum stehen soll.482 Und nicht nur für Tischbein waren das Haus des Sammlers sowie seine bekannte Samm­ lung eine beliebte Anlaufstelle, sondern auch für andere Reisende.483 Zu den Besuchern bei Ploos van Amstel zählt ferner Karl Heinrich von Heinecken, der sich 1768 in Amsterdam aufhielt. In seinem Reisebericht äu­ ßert er sich voll des Lobes: „[…] vorzüglich Cornelim Ploos von Amstel […]. Dieser ist an sich selbst ein geschickter Zeichner, und schon als solcher be­ kannt. Allein seine neue Erfindung, auf eine ganz besondere Art die Zeich­ nungen in Kupfer zu bringen, welche alle vorige Arten weit übertrifft, hat ihm bey allen Liebhabern noch mehr Achtung erworben. Bisher sind 13 Stücke von ihm ans Licht gekommen, denen er eine kleine Beschreibung hinzufüget.“484 Während Tischbeins Interesse einem Gemälde gilt, liegt das von Heineckens auf den Druckgraphiken und jenes von Merck auf den Handzeichnungen. Johann Heinrich Merck äußert sich zu seiner Niederlande-Reise 1784: „Eben so ausgesucht und rein, aber ungleich reicher ist die Sammlung des Herrn Ploos van Amstel, der auch ein Mahler ist. Ein Mann von dem seltensten und tiefsten Gefühl, der schon grosze Künstler erweckt und erzogen hat. Er ist dem äußern Ansehn nach Pedante, aber der zuverlässigste Kunstrichter. Albrecht Dürersche Handzeichnungen hat er, die allein zu sehen, ist man schon für seine Reise belohnt.“485 Das Beispiel Cornelis Ploos van Amstel gibt erneut einen instruktiven Einblick in die Verbreitungswege der Niederländer-Renaissance sowie deren Rezeption im späten 18. Jahrhundert. Die verschiedenen genannten Akteure fungieren als Botschafter und damit als wichtige Knotenpunkte innerhalb der Netzwerke von Kennern und Sammlern und tragen somit maßgeblich zur Verbreitung von (Bild-)Wissen über die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘, aber auch der Kunstwerke selbst bei. Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 141

3.1.3 Kunstbetrachtung in Gesellschaft

Das Sammeln sowie das gemeinsame Betrachten von Kunst waren ein zentra­ ler Teil des gesellschaftlichen Lebens. Im Zeitalter der Aufklärung galt die Aus­ einandersetzung und Beschäftigung mit Kunst als vergnügliche Unterhaltung und adäquater Zeitvertreib, der gleichermaßen lehrreich wie gesellig war. ­Dieser ursprünglich adelige Lebensstil wurde vom aufstrebenden Bürgertum übernommen und kultiviert.486

Kunst und Konversation – jeden Dienstag zu Gast bei Golls

Für die Kunstbetrachtung in Gesellschaft gab es in der Sammlungskultur des 18. Jahrhunderts mitunter ein seit Jahren tradiertes Procedere. Dies ist ins­ besondere für die Sammlung Goll nachweisbar. Der Sammler lud, wie ver­ schiedentlich berichtet, jeden Dienstag zur gemeinsamen Kunstbetrachtung in sein Haus in der Herengracht ein. Wie bereits ausführlich zitiert, schreibt Tischbein: „Sehr oft besuchte ich den Herrn van Goll […]. Er gab alle Dingstag Gesellschaft, wozu seine Freunde und die Liebhaber für immer eingeladen waren.“487 Heinrich Sander erwähnt diesen Umstand ebenfalls, als er 1776 in Amsterdam weilte: „Um auch andere an diesen grossen Schätzen Theil neh­ men zu lassen, ist alle Dienstage Abends Gesellschaft bei ihm.“488 Ähnlich äußert sich Jacob Jonas Björnståhl, der die Sammlung 1775 besuchte, über den Sammler: „Er zeigt dies Kabinet alle Dinstage des Abends […]; zugleich läßt er denen, welche sich dazu einfinden, Erfrischungen austheilen, und be­ hält die meisten von ihnen sogar zum Abendessen bey sich: dies ist schon seit mehreren Jahren seine Gewohnheit gewesen.“489 Traditionen dieser Art tru­ gen zur Bekanntheit einer Sammlung bei, sodass sich immer wieder neue Rei­ sende einfanden und ihr Interesse an einem Besuch der Sammlung bekunde­ ten. Es ist zu vermuten, dass Sammler wie Johann Goll van Frankenstein d. Ä. die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit genossen und den Kunstinter­ essierten gerne einen Blick auf die von ihnen gesammelten Kunstschätze ge­ währten. Johan Goll van Frankenstein d. J., der in die Fußstapfen seines Vaters trat, setzte die Gesellschaften mit der gemeinsamen Kunstbetrachtung fort, was von Christiaan Andriessen in einer Zeichnung festgehalten wurde (Abb. 35). Zu sehen ist ein Kabinett, dessen Wände mit Gemälden dicht behangen sind, unterbrochen von einer Doppelflügeltüre sowie einem großen Schrank und bekrönt von einem hell strahlenden Kronleuchter. Im Zentrum der Zeich­ nung befindet sich ein großer Tisch, um den sich verschiedene Personen ver­ sammelt haben, die in die Betrachtung sowie die Diskussion von Kunstwerken­ 142 Verbreitung

35 Christiaan Andriessen: Kunstbeschouwing bij den heer Goll van de Jan Luikens, 1807, Amsterdam Museum

vertieft sind. Weitere Personen stehen etwas abseits und setzen den Gedan­ kenaustausch dort fort. Zeichnungen dieser Art können einen Eindruck da­ von vermitteln, wie man sich die Kunstbetrachtung in Gesellschaft um 1800 in Amsterdam – und nicht nur dort – vorstellen muss. Damit kein Zweifel bleibt, worum es sich beim Gegenstand der Zeichnung handelt, versichert die Bildunterschrift: „Kunstbeschouwing bij den heer Goll“. Dass auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der Sammlung Goll die Rede war, veranschau­ licht bspw. ein Reisebericht von Caspar Heinrich von Sierstorpff (1750–1842) aus dem Jahr 1804, in dem es heißt: „Der Herr Goll besitzt eine sehr beträcht­ liche Sammlung Handzeichnungen, größtenteils von Niederländischen Meis­ tern, die man wohl nirgend in so grosser Anzahl mit Auswahl und Kenntnis zusammen gebracht finden wird. Er hat sie von seinem Vater geerbt, der dar­ auf ungeheure Summen verwendet haben muss […].“490 Die Kunstsammlung als Ort der Konversation blickt auf eine reiche Geschichte zurück, in der sie verschiedene Wandlungen durchlaufen hat, was sowohl bildlich als auch literarisch verarbeitet worden ist.491 Tischbein the­ matisiert an verschiedenen Stellen seiner Lebenserinnerungen die Aneignung von Wissen, insbesondere von Bildwissen, im gemeinsamen Gespräch: „Steht Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 143 man nun da vor einem Kunstwerke, so sind oft sechs verschiedene Meinun­ gen darüber, und es werden dann alle seine Verdienste und Fehler herausge­ hoben. Auf diese Art erwirbt man sich Kenntnis; der eine weiß immer mehr als der andere, und man kann ja von jedem lernen, er mag richtig oder falsch sehen.“492 In diesem Beispiel kommt der Austausch auf Augenhöhe zum Tra­ gen, bei dem über die Kunstwerke sowie die Kunsturteile gemeinsam disku­ tiert und verhandelt wird. Tischbein präferiert hierbei kleinere Runden gegen­ über größeren Gesellschaften, wie er schreibt, da der Gedankenaustausch dort intensiver und produktiver sei. Dem gegenüber steht eine klar hierarchische Struktur der Konversation über Kunst, die in erster Linie der Belehrung eines Kunstinteressierten durch einen Kunstkenner gilt, was ersterer dankbar und wissbegierig aufnimmt. Szenen dieser Art schildert Tischbein vor allem im Zusammenhang mit seinen Lehrjahren, bspw. bei seinen Besuchen in einer nicht näher zu bestimmenden Sammlung Book in Hamburg: „[E]r besass viele der vorzugligste Blätter und es war für mich ser belehrent, weil er sie mit be­ merkung mit mir durch sahe […].“493 Das Ziel beider Konversationsformen – der auf Augenhöhe sowie der hierarchischen – ist klar: Es geht um die An­ eignung und Vermehrung von Bildwissen und eine möglichst umfassende Kennt­nis von Kunst.494 Für den Sammler und Kenner kann neben der Weitergabe von Wissen, wobei er seine eigene Kunstkenntnis unter Beweis stellen kann, auch eine weitere Form des Austausches von Interesse sein. Von noch größerer Bedeu­ tung als das Gespräch mit Gleichgesinnten ist der Kunstdiskurs zwischen Sammlern, Liebhabern und Künstlern.495 Aus diesem Grund ist der junge Tischbein für Sammler als Gesprächspartner besonders interessant, da er durch sein praktisches Wissen als Künstler, seine bereits gesammelten Erfah­ rungen sowie seine erstaunliche Wissbegierde die Gespräche mit den Samm­ lern und Kunstliebhabern bereichern kann, was ihm wiederum die Türen zu zahlreichen Sammlungen geöffnet haben dürfte. Ein weiterer Aspekt von ent­ scheidender Bedeutung und prägendem Charakter ist die Geselligkeit, die bei Sammlungsbesuchen und gemeinsamen Kunstbetrachtungen eine wichtige Rolle spielt. Wie bereits am Beispiel des Sammlers Goll – der gleichzeitig ein großzügiger Gastgeber war – berichtet, boten Kaffee und Tee sowie eine Abendgesellschaft den gesellschaftlichen Rahmen. Die zuvor angesprochenen Elemente der gemeinschaftlichen Kunst­ betrachtung und Konversation sind in verschiedenen Bildern festgehalten worden. Beispielhaft zu sehen ist eine solche Szene in einem Gemälde sowie einer Zeichnung (Abb. 36) von Adriaan de Lelie (1755–1820). Der Künstler gewährt einen Blick in die Galerie des bekannten Amsterdamer Kaufmanns, Mäzens und Sammlers Josephus Augustinus Brentano (1753–1821) in dessen 144 Verbreitung

36 Adriaan de Lelie: Die Kunstgalerie von J. A. Brentano zu Amsterdam, um 1800, ­Stadsarchief Amsterdam

Haus in der Herengracht. Zu den Anwesenden zählen neben dem Sammler und seiner Familie befreundete Künstler und Kunsthändler, die sich in klei­ nen Gruppen zusammengefunden haben und in Gespräche vertieft sind.496 Rechter Hand haben sich vier Personen vor einer Staffelei mit einem Gemälde versammelt, zu dessen Besprechung und Vergleich ein weiteres Objekt heran­ gezogen wird, das den Augen des Betrachters verborgen bleibt. Dass hier leb­ haft diskutiert wird, ist an der Mimik und Gestik, besonders an den Zeige­ gesten, zu erkennen. Zu den Protagonisten dieser Gruppe zählen Adriaan de Lelie selbst, der sitzend dargestellt ist, sowie die Künstler Jacques Kuyper (1761–1808), der mit Nachdruck auf das Gemälde weist, und Johannes Kamp­ huijsen (1760–1841) ganz rechts im Bild. Eine ähnliche Gesprächssituation ist in der Bildmitte dargestellt. Ein Gemälde kleineren Formates wird von dem Sammler höchstpersönlich präsentiert. Mit der Analyse des Bildes befasst wird Johannes Baptista Josephus Achtienhoven (1751–1801) gezeigt, der für Bren­ tano vielfach Kunstankäufe tätigte. Die kniende Rückenfigur enthüllt ein wei­ teres am Boden liegendes Gemälde, das erst noch Gegenstand der Beachtung Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 145 werden wird. Den linken Bildabschluss bildet eine kleine Gruppe, der Erfri­ schungen auf einem Tablett gereicht werden. Auch hier scheint Konversation betrieben zu werden, allerdings nicht unmittelbar anhand von Kunstwerken. Oberhalb dieser Gruppe, zu der zwei Kinder sowie ein Hund gehören, ist ein Mann zu sehen, der auf einem Stuhl stehend ein Gemälde von der Wand holt oder dieses gerade aufhängt. Überwacht wird die Szenerie von einer einzelnen sitzenden Figur im Bildhintergrund, dem späteren Testamentsvollstrecker Brentanos Paulus Antonius Nicolai (1767–1827). Die Schilderung Adriaan de Lelies gibt ein lebendiges Bild einer Kunstbetrachtung in Gesellschaft. Gleich­ zeitig wird eine private Sammlung – in diesem Fall eine Gemäldegalerie mit Werken italienischer Meister – in einem Sammlungsinterieur portraitiert.497 Es handelt sich hierbei um ein vielschichtiges Portrait – das des stolzen Samm­ lers, seiner ausgesuchten Sammlung, seiner vornehmen Gäste, die durch ­ihren Besuch den Sammler wie die Sammlung gleichermaßen ehren, sowie der Sam­ melkultur des späten 18. Jahrhunderts in Amsterdam.498 Die gezeigten Bei­ spiele von Andriessen und de Lelie illustrieren eindrücklich, wie wir uns die Verbindung von Kunst und Konversation in niederländischen Sammlungen vorstellen dürfen und erlauben zugleich eine Gegenüberstellung der Kunst­ betrachtung in Graphik- und Gemäldesammlungen.

Rituale der Kunstbetrachtung – von Hand zu Hand

‚Von Hand zu Hand‘ lautet das Grundprinzip des Rituals, bei dem der gemein­ same Kunstgenuss von Handzeichnungen im Rahmen einer Gesellschaft im späten 18. Jahrhundert zelebriert wird. Wie die Kunstbetrachtung in der Sammlung Goll ablief, wird in den Lebenserinnerungen Tischbeins, wie zuvor bereits zitiert, detailreich geschildert und hier nochmals in Erinnerung ge­ rufen: „Nach dem Kaffee oder Thee rükten die Bedienten Tische an einender welche mit einem grünen Tuch bedekt wurden, dann holte Herr van Goll ei­ nen Portefeuille mit Zeichnungen, setzte sich unten an den Tisch, und die Gesellschaft an beiden Seiten herum – er nahm darauf eine Zeichnung aus der Mappe und gab sie seinem Nachbar, der sie nach Gefallen besah, weiter gab und dann eine andere erhielt, welche dann ebenfalls weiterging – und so gin­ gen die Zeichnungen von Hand zu Hand, wurden besehen und allgemein beurtheilt. Die Ansicht dieser schönen Sachen, gewährte mir ein großes Ver­ gnügen.“499 Die Wahl, was Gegenstand der gemeinsamen Kunstbetrachtung und Beurteilung war, traf der Sammler. Zunächst durch die Auswahl der Porte­ feuilles, die unterschiedlich sortiert sein konnten, und anschließend durch die Weitergabe einer Auswahl einzelner Blätter sowie deren Reihenfolge. 146 Verbreitung

37 Allaert van Everdingen: Nachtlandschaft mit Männern bei einem Feuer, um 1665, Hamburger Kunsthalle

Hein­rich Sander, der die Sammlung Goll 1776 besuchte, notiert in seiner ­Reisebeschreibung zu den Handzeichnungen und deren Betrachtung: „[Goll] hat sie in Portefeuillen; in jeder sticht besonders ein Meister hervor. […] Man setzt sich an eine grosse Tafel und siehet eine Portefeuille durch. Die Stücke gehen aus einer Hand in die andre, und unten wieder in die Portefeuille zu­ rück. In der, die heute vorgezeigt wurde, brillirte Aldert von Everdingen, ein besonders in Landschaften, sehr glücklicher Maler.“500 Im Kontext der Frage nach dem Ritual erweckt die Schilderung Sanders den Eindruck, dass die Ge­ sellschaften durch die Wahl des Portefeuilles jeweils unter einem bestimmten Motto standen bzw. einem Künstler gewidmet waren. Sander erwähnt hier Allaert van Everdingen (1621–1675), den Tisch­ bein an anderer Stelle ebenfalls für seine Landschaften rühmt mit den Wor­ ten: „Auf Bildern von Everdingen sah ich die norwegischen Gebirge mit Tan­ nen bewachsen, und noch genauer in den Handzeichnungen mit Farben, so wie er sie in Norwegen selbst nach der Natur aufgenommen hatte.“501 Da Tischbein sich explizit auf kolorierte Handzeichnungen bezieht, ist es denk­ bar, dass er diese ebenfalls in der Sammlung Goll gesehen hat. Eine Zeichnung von Allaert van Everdingen, die sich seit 1754 im Besitz der Sammlung Goll nachweisen lässt – und somit theoretisch 1772 von Tischbein sowie 1776 von Sander begutachtet werden konnte – trägt den Titel Nachtlandschaft mit Män- nern bei einem Feuer (Abb. 37).502 Die Zeichnung befand sich ursprünglich in der Sammlung von Jeronimus Tonneman (1687–1750) und wurde auf deren Auktion 1754 von einem Agenten für Goll angekauft. Das Blatt gehört zu den frühesten Erwerbungen für die Sammlung Goll und trägt verso die Nummer 25. Die Zeichnung verblieb dort bis zur Auktion 1833, wo sie von Georg Ernst Harzen (1790–1863), einem Hamburger Sammler und Kunsthändler, erwor­ Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 147

38 Adriaan de Lelie: Kunstbetrachtung im Hause des Amsterdamer Sammlers J. A. Brentano, um 1810, Stadsarchief Amsterdam

ben wurde.503 Dieses Beispiel vermag zugleich die vielfältigen Querverbindun­ gen zu illustrieren. Durch das Herumgeben der Zeichnungen, wie es von den Sammlungs­ besuchern beschrieben wird, erhält die Kunstrezeption zudem eine Unmittel­ barkeit, wie sie heutzutage kaum noch vorstellbar ist. Welchen Schaden dabei die fragilen Objekte nahmen, bleibt fraglich, sofern sie nicht bereits auf Kar­ ton aufgezogen oder in Büchern gebunden waren, was ihnen zumindest eine gewisse Stabilität verlieh. Jeder Gast erhielt die Möglichkeit, sich selbst einen Eindruck von den Kunstwerken im Original zu verschaffen und seine Mei­ nung dazu zu äußern. Auf diese Weise kam die gesamte Gesellschaft ins Ge­ spräch, was sowohl unterhaltsam als auch lehrreich sein konnte. Auch andern­ orts thematisiert Tischbein den Gewinn durch das unmittelbare Betrachten von Originalen: „[F]ür mich war dies ein Glück diesse Meister werke in Hän­ den und so nahe vor Augen zu haben.“504 Die angesprochene Unmittelbarkeit der Kunstrezeption wird in einer kleinformatigen Zeichnung von Adriaan de Lelie deutlich (Abb. 38). Entsprechend der Beschreibung Tischbeins wird eine um einen Tisch versammelte Gesellschaft, bestehend aus zwölf Herren (sowie einer Dienstmagd), bei der gemeinsamen Kunstbetrachtung gezeigt. Es wird lebhaft diskutiert und geblättert, aber nebenbei auch geraucht und getrunken. 148 Verbreitung

Die Rezeptionssituation wird als aktives Miteinander dargestellt – Sehsinn, Hörsinn und Tastsinn, aber auch Geruch und Geschmack werden angespro­ chen, wobei die Hierarchie derselben deutlich differenziert wird. Im Zentrum des Interesses stehen die Drucke oder Zeichnungen, die in Alben oder als ­einzelne Blätter die Runde machen und intensiv begutachtet werden. Weitere Vergnügungen wie Tabak- und Weingenuss rahmen das dargestellte Gesche­ hen inhaltlich wie räumlich. Die Szene, die als ‚kunstbeschouwing‘ betitelt ist, stammt erneut aus dem Hause des Amsterdamer Sammlers Josephus Augus­ tinus Brentano, der rechts im Bild mit einer typischen holländischen Pfeife, einer ‚Goudse Pijp‘, am Kopf des Tisches sitzend dargestellt ist und die Gesell­ schaft entspannt beobachtet. Es ist bekannt, dass Brentano Kunstbetrachtun­ gen und Zusammenkünfte dieser Art regelmäßig organisiert hat, wie dies zahlreiche Sammler jener Zeit taten – allen voran die Sammlerfamilie Goll.505 Die Gewohnheit, die Zeichnungen in Gesellschaft von Hand zu Hand zu reichen und dabei in einen gemeinsamen Diskurs zu treten, lernt Tisch­ bein mit allen Facetten in Amsterdam in der Sammlung Goll kennen, was ihn nachhaltig prägen sollte. Denn in späteren Jahren, als Tischbein selbst im Besitz einer Sammlung von Handzeichnungen war, sollte er dieses Modell übernehmen und seine Zeitgenossen damit geistreich unterhalten. Bekannt ist dies zunächst aus Tischbeins Zeit als Akademiedirektor in Neapel, wo er sich von 1787 bis 1799 aufhielt. In den publizierten Lebenserinnerungen heißt es, dass er „einen beträchtlichen Vorrat“ an Zeichnungen besaß.506 Wie umfangreich dieser Vorrat auch gewesen sein mag, er teilte ihn gerne mit sei­ nen Zeitgenossen, die er zu sich einlud, um die Zeichnungen gemeinsam zu betrachten und zu beurteilen. Er übertrug dieses Modell zudem auf den Kunst­ unterricht – analog wurden hier die von den Studierenden der Akademie zur Übung angefertigten Zeichnungen gemeinsam begutachtet.507 Seine Entspre­ chung findet das Goll’sche Modell – das zweifellos von zahlreichen Sammlern derart praktiziert und nicht erst von Goll erfunden worden war – insbeson­ dere während Tischbeins Zeit in Eutin. Aus Eutin, wo Tischbein ab 1808 im Dienst des Herzogs von Oldenburg stand und in dessen Sommerresidenz lebte und arbeitete, schreibt er in einem Brief aus dem Jahr 1812: „Ich meines Theils suche, so viel ich kann, die Gesellschaft mit Zeichnungen auf eine geistige Art zu unterhalten. Gestern Abend war der Frau Maltzahn ihr Bruder, der Präsi­ dent, bei uns, Runde, die beiden F. Brocktorf und mehrere Damen, da haben wir einen schönen Abend auf eine geistige Art verbracht. Wir besahen Zeich­ nungen und Runde las die geschriebenen Sachen dazu. Konnten wir doch erst wieder so miteinander sein!“508 Ähnlich äußert sich Tischbein im selben Jahr in einem Brief an Herzog Peter Friedrich Ludwig, wenn er schreibt: „Es sind viele junge Damen hir die recht schön zeihnen. das Haus ist täglig voll die Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 149 arbeiden, und bilder besehen.“509 Tischbein nutzt diese Gelegenheiten, um Ein­ ladungen auszusprechen, bspw. an seinen Freund und Vertrauten, den herzog­ lichen Privatsekretär Ferdinand Rudolf von Zehender (1768–1831), mit dem er eine sehr rege Korrespondenz pflegte: „Sie müssten hier sein, um die Gesell­ schaft vollkommen angenehm und unterhaltend zu machen. Des Abends kommen die Freunde bei uns zusammen, ofter sind auch fremde Gelehrte dabei, und ich lege ihnen dann Zeichnungen vor, worüber gesprochen wird, und kommen oft witzige Einfälle hervor. Es sind auch verschiedene Oldenbur­ ger hier. Herr von Münnich lässt Sie vielmals grüssen. Der alte Dichter Voss war hier, den habe ich mit seiner Frau Gemahlin gezeichnet.“510 Hieran wird deutlich, wie sehr Tischbein mit dem ‚Eutiner Kreis‘ vertraut war und die an­ sonsten vorwiegend literarischen Diskurse um künstlerische Facetten bereicher­ te, wobei seine umfangreichen Kenntnisse vortrefflich zum Tragen kamen.511 Dieses Beispiel – das Ritual der Kunstbetrachtung von Hand zu Hand – verdeutlicht den nachhaltigen Einfluss der in jungen Jahren in den Nieder­ landen gesammelten Erfahrungen, die Tischbein zeit seines Lebens begleiten und leiten sollten. Zugleich dokumentiert es die Transferleistung von Betrach­ tungskultur von den Niederlanden nach Deutschland. Tischbeins Schilderun­ gen zeigen viel von Performanz und gewähren einen neuen Einblick in die lebendige Betrachtungskultur der Zeit um 1800. Somit ist sein Beitrag eine wesentliche Bereicherung des bisherigen Erkenntnisstandes.

3.1.4 Unter Kennern

Zu Lebzeiten Tischbeins verband sich ein sehr pragmatischer Umgang mit den Begriffen ‚Kenner‘ und ‚Kennerschaft‘. So bedeutete kennen zuallererst, etwas gesehen zu haben und auf diese Weise und durch einen möglichst breit angelegten Vergleich sowie ein geschultes Auge zu einer gewissen Kenntnis der Sache zu gelangen. In diesem Sinne findet der Begriff ‚Kennerschaft‘ im Rahmen der vorliegenden Studie Verwendung und soll im Folgenden weiter differenziert werden. Als Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit Kenner­ schaft dient erneut die Sammlung Goll in Amsterdam. Über die Qualität und Bedeutung der Sammlung Goll äußern sich bspw. Karl Heinrich von Heinecken und Johann Heinrich Merck, deren Ur­ teile exemplarisch herangezogen werden sollen. Ersterer bewertet die Samm­ lung wie folgt: „Von Handzeichnungen hingegen kann man wohl keine kostbarere und größere Collection in Holland finden, als bey dem Herrn Baron van Gool. Es sey nun, daß man die Sauberkeit seiner gesammelten Stücke, oder die Art und Weise, wie er solche in Ordnung gelegt, oder endlich 150 Verbreitung seine besondere Höflichkeit, womit er alle Fremde aufnimmt, in Betrachtung ziehet.“512 In dieser kurzen Charakterisierung ordnet von Heinecken die Sammlung in eine Rangfolge ein, wonach diese andere holländische Samm­ lungen in Bezug auf Kostbarkeit und Größe übertrifft. Er ergänzt seine Ein­ schätzung durch die Erwähnung des tadellosen Zustands der Stücke und die Ordnung, die der Sammler seiner Sammlung zugrundegelegt hat. Derartige Aussagen implizieren, dass von Heinecken ein Kenner der Materie ist und durch den Besuch zahlreicher Sammlungen zu einem entsprechenden Urteil gelangen kann. Allein in Amsterdam besuchte von Heinecken im Jahr 1768 achtzehn verschiedene Sammler, was ihm als Referenzquelle dient und Ver­ gleiche zulässt. Umso gewichtiger erscheint das Lob, dass man in Holland keine kostbarere und größere Sammlung von Zeichnungen finden könne als die Sammlung Goll.513 Auch Merck spricht aus seiner Position als Kenner und begründet ­seine Bewertung aus dem Vergleich in einem Brief vom 7. August 1784: „Von Kunstsachen habe ich in Amsterdam 3 Sammlungen von Handzeichnungen gesehen, deren Reichthum, Schönheit und Seltenheit allen menschlichen Glauben übersteigt. Die von dem Herrn Grafen von Goll ist die ansehnlichste, indessen ist sie nicht so rein wie die anderen. Es sind 200 Portefeuillen, wo­ von keins unter 1000 Reuter oder 1400 fl. schwer ist.“514 Im Folgenden führt Merck einzelne Künstler und Werke der Sammlung Goll an, um anschließend auf zwei weitere Sammlungen zu sprechen zu kommen – jene von Jacob de Vos (1735–1833) sowie von Cornelis Ploos van Amstel (1726–1798).515 Zur Gegenüberstellung nutzt Merck die Adjektive ansehnlich und rein: Während er die Sammlung Goll als „ansehnlichste, indessen […] nicht so rein“ be­ schreibt, nennt er die Sammlung de Vos „nicht so ansehnlich […], aber ganz rein“ – ohne dies weiter auszuführen. Ganz konkret äußert sich Merck hinge­ gen bezüglich des beeindruckenden Umfangs, den er mit „200 Portefeuillen“ beziffert. Darüber hinaus nennt er als Kenner Reichtum, Schönheit und Sel­ tenheit als zentrale Wesensmerkmale der Goll’schen Sammlung.

Kennerschaft im zeitgenössischen Diskurs

Was Tischbein und seine Zeitgenossen im späten 18. Jahrhundert bzw. an der Zeitenwende um 1800 unter dem Begriff ‚Kennerschaft‘ verstanden haben, setzt sich von der heutigen Begriffsdefinition ab, da die Ausdifferenzierung dieser Begrifflichkeit in Deutschland erst zu späteren Zeiten einsetzte.516 Im 18. Jahrhundert sollte damit zuallererst die Kunstkenntnis einer Person – ­eines Kenners – bezeichnet und gewürdigt werden.517 Der theoretische Dis­ kurs um Kennerschaft ist eng mit der Entstehung der Kunstkritik verbun­ Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 151 den.518 Den Auftakt bildet die Auseinandersetzung in Frankreich mit André Félibien (1619–1695), Roger de Piles (1635–1709), Étienne La Font de Saint- Yenne (1688–1771) und Denis Diderot (1713–1784).519 Für den zeitverzögert einsetzenden englischen Diskurs sind insbesondere Jonathan Richardson (1667–1745), aber auch William Hogarth (1697–1764) und Sir Joshua Rey­ nolds (1723–1792) zu nennen.520 Die Anfänge der Beschäftigung mit Kenner­ schaft in Deutschland prägen bspw. Johann Christoph Gottsched (1700–1766), in Zusammenhang mit verschiedenen Zeitschriftengründungen um 1750, und Christian Ludwig von Hagedorn (1712–1780).521 Bedeutung erlangte der Diskurs jedoch erst im 19. Jahrhundert mit Carl Friedrich von Rumohr (1785–1843), Gustav Friedrich Waagen (1794–1868) sowie Giovanni Morelli (1816–1891).522 Sie alle vereint die Etablierung der Kennerschaft mittels der Bestimmung von Kriterien als deren Charakteristika, die zugleich als Handlungsanweisungen für den Kenner – auch ‚Connoisseur‘ genannt – fungieren sollten. Der Kenner hatte sein Urteil auf folgenden Kriterien zu begründen: Der Beurteilung der Qualität eines Kunstwerkes, der Zuschreibung an einen Künstler, der Identi­ fikation der Nationalität bzw. Schule und schließlich der Unterscheidung von Original, Kopie und Fälschung.523 Diesen komplexen Diskurs detaillierter nachzuzeichnen würde im Kontext der Fragestellung zu weit führen, weshalb im Folgenden exemplarisch auf einige zeitgenössische Begriffsverwendungen eingegangen werden soll, um das Verständnis von ‚Kenner‘ und ‚Kenner­ schaft‘ zu Tischbeins Lebzeiten aufzuzeigen. Zu den wichtigsten deutschsprachigen Enzyklopädien des 18. Jahr­ hunderts zählt der ‚Zedler‘ – das Grosse vollständige Universal-Lexicon Aller Wis- senschafften und Künste (1732–1754, 64 Bände) von Johann Heinrich Zedler (1706–1751).524 Trotz eines Umfanges von knapp 284.000 Einträgen tauchen die Begriffe ‚Kenner‘ und ‚Kennerschaft‘ in Band 15 unter ‚K‘ nicht auf. An­ ders verhält es sich mit einer weiteren deutschen Enzyklopädie aus der Zeit der Aufklärung, die ihren Schwerpunkt explizit auf die Kunst legt, der Allge- meinen Theorie der Schönen Künste (1771–1774, 3 Bände) von Johann Georg Sulzer (1720–1779).525 Unter den rund 900 Einträgen findet sich unter ande­ rem ein ausführlicher Artikel zum ‚Kenner‘.526 Sulzer verortet den Kenner in den einleitenden Zeilen zwischen dem Künstler und dem Liebhaber, verbun­ den mit den jeweiligen Kennzeichen: „Kenner. (Schöne Künste) Diesen Na­ men verdienet in jedem Zweyg der schönen Künste, der, welcher die Werke der Kunst nach ihrem innerlichen Werth zu beurtheilen, und die verschiede­ nen Grade ihrer Vollkommenheit zu schätzen im Stand ist. Der Kenner steht zwischen dem Künstler und dem Liebhaber in der Mitte. […] Alle drey urthei­ len über die Kunstwerke, aber auf sehr verschiedene Weise. Der Künstler […] entscheidet, wie gut oder schlecht, wie glüklich oder unglüklich der Künstler 152 Verbreitung dargestellt hat, was er hat darstellen wollen, und in wie fern er die Regeln der Kunst beobachtet hat. Der Kenner beurtheilet auch das, was ausser der Kunst ist; […] er vergleicht das Werk; […] er entdeket das Gute und das Schlechte an demselben, und weiß überall die Gründe seines Urtheils anzuführen. Der Liebhaber beurtheilt das Werk blos nach den unüberlegten Eindrüken, die es auf ihn macht […]. Man ist ein Liebhaber, wenn man ein lebhaftes Gefühl für die Gegenstände hat, die die Kunst bearbeitet; ein Kenner, wenn zu diesem Gefühl ein durch lange Uebung und Erfahrung gereinigter Geschmak, und Einsicht in die Natur und das Wesen der Kunst hinzukommt; aber ein Künst­ ler wird man allein durch Uebung in der Kunst.“527 Damit benennt Sulzer beispielhaft die wesentlichen Merkmale von Kennern in Abgrenzung zu Lieb­ habern und Künstlern.528 Die Gegenüberstellung von Kunstliebhabern und Kunstkennern hat ihr Vorbild in der französischen Kunstkritik und basiert auf der Unterscheidung zwischen einem gefühlsbetonten subjektiven Urteil und einem objektiven Urteil anhand von Regeln.529 Zugleich stellt Sulzer eine Grundsatzfrage bezüglich der Urteilsfähigkeit – „in wiefern der Künstler, der Kenner und der Liebhaber von den Werken der Kunst urtheilen könne, und wer überhaupt, über den Werth eines Werks der Kunst der beste Richter sey“ – und verweist mit der Erwähnung von Cicero und Apelles auf die lange Tradi­ tion dieser Frage.530 Sulzer erstellt in seinem Artikel über den ‚Kenner‘ eine Art ‚Leitfaden‘ für das Labyrinth der Kunstkritik mit drei wesentlichen Punkten, die zur Ori­ entierung dienen sollten: „1. Den unmittelbaren Eindruck des Wohlgefallens oder Mißfallens […] 2. Die angenehme oder unangenehme Empfindung […] 3. Das Urtheil über die Art der Sache […].“531 Der Kenner verfügt dabei über einen spezifischen Sprachgebrauch und verwendet bestimmte Begriffe für sein Urteil.532 Sulzer lässt die für ihn damit in Zusammenhang stehende Problema­ tik nicht unerwähnt, wie bspw. eine in den zeitgenössischen Periodika etab­ lierte „unverständliche Kunstsprache“.533 Zudem kritisiert er ein unreflektier­ tes Nachsprechen – eher Nachplappern – von Urteilen vermeintlicher Kenner durch den ungeübten Laien.534 Ein wichtiger Aspekt und zugleich die zentrale Voraussetzung von Kennerschaft ist nach Sulzers Verständnis „ein durch lange Uebung und Erfahrung gereinigter Geschmack“. Der Geschmack des Kenners muss demnach „sicher und überlegt“ sein und verfeinert sich zunehmend. Dies erreicht der Kenner nur mittels Übung und Erfahrung. So erteilt Sulzer dem Leser den Rat: „Hat der Liebhaber einmal die Grundbegriffe über die Werke der Kunst; so übe er sich fleißig im Genuß dieser Werke. Dadurch wird sein Geschmak allmählig feiner, und er aus einem bloßen Liebhaber, zuletzt ein Kenner werden.“535 Der Schlüssel zum Kunstverständnis und damit zur Kennerschaft liegt folglich in einer unmittelbaren, kontinuierlichen und Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 153 intensiven Betrachtung von und Auseinandersetzung mit Kunstwerken, be­ gleitet von der Aneignung entsprechender Fachkenntnisse.536 Die auf diese Weise erworbene Kunsterfahrung lässt sich analog zu Sulzers Definition Tischbein zusprechen, der nicht nur Künstler ist, sondern sich durch seine Sehschule – wie er sie zeit seines Lebens und insbesondere während seiner Studienreise durch die Niederlande beispielhaft praktiziert – einen kennerschaftlichen Blick aneignet und früh zum Kenner avanciert. Hierzu­ zählt auch sein intensiver Austausch mit anderen Kennern, Liebhabern und Künstlern, wie er dies in verschiedenen Episoden seiner Lebenserinnerungen schildert, die seine kennerschaftlichen Ambitionen erkennen lassen. Darüber hinaus finden sich begriffliche Übereinstimmungen zwischen den Äußerun­ gen Tischbeins und denjenigen Sulzers, insbesondere im Kontext von Voll­ kommenheit (vollkommen vs. unvollkommen), in der gelungenen Darstel­ lung (glücklich vs. unglücklich) sowie im Erkennen und Zuordnen von Ma­ nieren. Dies wurde bereits am Beispiel der Manieren von Philips Wouwerman (Kapitel 2.2.2) behandelt.

Über echte und vermeintliche Kenner

Was Tischbein unter einem ‚echten Kenner‘ versteht, äußert er im Rahmen seines Resümees der Niederlande-Reise: „Siehet man ein solches Kabinet von einem Hollander [Einschub: gesamlet] der ein Echter Kenner ist, so ward man in erstaunen gesez, und man kann sich nichts angenehmeres vorstellen […].“537 Tischbein setzt hier den anspruchsvollen Sammler mit dem versierten Kenner gleich. Eine derartige Verknüpfung ist auch bei Johann Heinrich Merck in ei­ nem Artikel mit dem Titel Kunstsachen, der 1778 im Teutschen Merkur erschie­ nen ist, zu finden. Jedoch kann nicht von einer generellen Gleichsetzung die Rede sein, da nicht jeder Sammler automatisch zum Kenner wird und nicht jeder Kenner zwingend ein Sammler sein muss. Der sammelnde Kenner sam­ melt nicht um des Sammelns und Besitzens willen, sondern er nutzt seine Sammlung kontinuierlich als Anschauungsmaterial, wie ein visuelles Nach­ schlagewerk, um seine Kennerschaft zu prüfen und sein Urteilsvermögen zu schärfen.538 Dies wirkt sich wiederum auf die Sammeltätigkeit aus, was glei­ chermaßen für die deutschen Graphik- und Gemäldesammlungen gilt. Die Sammlungen des 18. Jahrhunderts – wie jene in Dresden von Karl Heinrich von Heinecken oder in Kassel von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel – waren der Etablierung von Kennerschaft verpflichtet und sollten als Ort des Studiums dienen.539 Auf diese Weise entstanden bedeutende und später zu­ nehmend der Öffentlichkeit zugängliche Sammlungen, anhand derer nicht nur die Sammler selbst, sondern auch die Liebhaber und Kenner der Kunst 154 Verbreitung ihren Blick schulen und ihre Kenntnisse vertiefen konnten. Zu ihnen zählen bspw. Tischbein und Christian Ludwig von Hagedorn, die beide sowohl mit den Kasseler als auch mit den Dresdener Sammlungen vertraut waren. „Hage­ dorn war ein hervorragender Kenner des Sammlergeschmacks seiner Zeit. In Wien, Dresden, Düsseldorf und Kassel hatte er die damals bedeutendsten Ge­ mäldegalerien besichtigen und studieren können […]. Schließlich wußte er ebenfalls über den Sammelgeschmack der Niederlande, Englands, Frankreichs und Italiens aus der Literatur, durch Briefkontakte und vom Hörensagen Be­ scheid.“540 Claudia Cremer nennt hier zunächst den unmittelbaren Erfah­ rungsschatz, den sich Hagedorn durch eigene Anschauung erworben hatte, und ergänzt dieses Erfahrungswissen um weitere Komponenten der Wissens­ vermittlung mit unterschiedlichen Graden der Relevanz und Verlässlichkeit, die Hagedorn als zusätzlicher Referenzrahmen dienten und ihm einen Über­ blick über den zeitgenössischen Sammelgeschmack im europäischen Vergleich vermittelten – Entsprechendes lässt sich auf Tischbeins Kennerschaft übertra­ gen. Nicht zuletzt äußert sich auch von Hagedorn in seinen Betrachtungen über die Mahlerey über den echten Kenner. Er setzt den Typus des ‚Kunstrichters‘ mit dem Kenner gleich, wenn er über den „Character der Kunstrichter, der ächten und unächten Kenner“ schreibt.541 Zu den Kriterien, die für Hagedorn einen echten Kenner ausmachen, zählen ein geschultes Auge, Unvoreinge­ nommenheit sowie kunsthistorische Kenntnisse.542 Ein zentraler Aspekt von Kennerschaft betrifft das Studium am Original und die darauf aufbauende Fähigkeit des Kenners, Werke zuschreiben sowie Originale von Kopien und Fälschungen unterscheiden zu können. Bezüglich der Bedeutung von Originalen im Rahmen der Kennerschaft schreibt Tisch­ bein in einem Brief an Karl August Böttiger (1760–1835) über den Altertums­ forscher Andrej Italinsky (1743–1827): „Er hat Alles aus der wahren Quelle. Neue antiquarische Schriften hat er nie gelesen. Das ist auch ein Fehler unse­ rer Antiquare; einer folgt immer dem anderen, ohne dass sie die Originale kennen. […] Glauben Sie mein lieber Freund, ich kenne die Kunstwelt jetzt ziemlich genau, und es sind wenig rechte Kenner der Kunst.“543 Tischbein verknüpft Kennerschaft hier explizit mit eigenständigen und unmittelbar am Original vollzogenen Erfahrungen, die nicht auf den Urteilen anderer basieren und unreflektiert übernommen werden. Auch Goethe äußert sich verschie­ dentlich zu der Problematik und ist sich der Grenzen der kennerschaftlichen Kompetenzen bewusst. Dies verdeutlich folgendes Briefzitat von Goethe: „Da­ mit Zeichnungen geschätzt werden, ist es nöthig daß es Augen gäbe, die Meis­ ter von Meister und Original von Copie streng zu unterscheiden wissen, und wie viele Liebhaber konnten sich denn in unseren Zeiten hierauf die erforder­ liche Übung geben.“544 Der Schlüssel zum Erfolg für einen Kunstkenner sind Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 155 erneut Übung und Erfahrung, wie dies zuvor bereits von Sulzer definiert wor­ den war. Dem echten Kenner komplementär gegenüber steht der vermeint­ liche oder auch falsche Kenner, der wiederum zur Bestätigung des echten ­Kenners beiträgt.545 Das derart entworfene Negativbild bietet eine zusätzliche Legitimation von Kennerschaft. Wie unterschiedlich der Umgang mit dem Medium Zeichnung sein kann und welche Bedeutung diesem beigemessen wird – woran sich zugleich der echte Kenner vom vermeintlichen Kenner unterscheiden lässt –, veran­ schaulicht eine Episode der publizierten Lebenserinnerungen, die Tischbein im Rahmen seines späteren Aufenthaltes in Mailand schildert: „Der fremde Herr gab sich für einen Kenner aus und hatte auch einige Kenntnis. Wenn nun eine Zeichnung kam, worauf kein Name stand, so sagte er ganz bestimmt, von wem sie sei; dann freute sich der Bibliothekar und meinte, es sei auch für den Nichtkenner gut, wenn der Name sogleich dazugeschrieben würde. Der Fremde ließ sich nicht lange bitten, seine Weisheit schriftlich von sich zu ge­ ben, und forderte Tinte. Da stand nun unglücklicherweise ein Tintenfaß mit einer Feder, die sehr grob schrieb, die nahm er und schrieb auf jede Zeichnung den Namen hin, welchen er für den rechten hielt. Nun kam ein Blatt von ­Albrecht Dürer, nach welchem der bekannte Kupferstich gemacht ist, wo Gott der Vater den Christus, seinen Sohn, tot auf dem Schoße liegen hat. Diese Zeichnung war überaus schön und mit dem gewöhnlichen Fleiße des Dürer ausgeführt, und sie war so groß wie das Blatt vom Buche, ohne Rand. Ich war soeben in meiner Freude über die bestimmten Formen, welche mit markigem Federzuge hingeschrieben waren, […] und ich überzeugte mich hier so recht, wieviel mehr Geist in der Zeichnung sei als in dem Kupferstiche, bei dessen mechanischer, langsamer Arbeit das Feuer so leicht erkaltet, als in diesem ­Augenblicke jener Kunstkenner so schnell, daß ich es nicht mehr verhindern konnte, mit der groben Feder mitten auf den Leib Christi schrieb: ‚Alberto Durero‘. Es wurde mir dabei zumute, als sähe ich einen Menschen dem Albrecht Dürer einen tödlichen Stich versetzen!“546 Tischbein, der dem künstlerischen Schaffen der Alten Meister – seien es Gemälde oder Zeichnungen – mit großer Ehrfurcht begegnet, ist schockiert über einen derart respektlosen Umgang mit Kunstwerken und kann die Arroganz des angeblichen Kenners nicht verste­ hen. Für ihn kommt dieses Verhalten einem Todesstoß gleich und er bedauert es, dass er nicht rechtzeitig einschreiten und die Zeichnung vor der Verunstal­ tung retten konnte. Das beschriebene Sujet der Zeichnung scheint die Bedeut­ samkeit der Szene zusätzlich zu steigern. Das Notieren der Künstlernamen auf oder neben den Zeichnungen war jedoch im 18. Jahrhundert mitunter gän­ gige Praxis und wurde meist von den Sammlern vorgenommen. Nachgewie­ sen werden kann dies bspw. für die bereits zitierte Sammlung von Johann 156 Verbreitung

Friedrich von Uffenbach. In den Versteigerungskatalogen der Sammlung Uffen­ bach wird explizit darauf hingewiesen, dass die Zuschreibungen vom Samm­ ler selbst angebracht worden waren.547 Interessant ist, dass Tischbein diesem erschreckenden Negativbeispiel komplementär eine beispielhafte, wenn nicht sogar übertrieben sorgfältige Szenerie als Idealbild gegenüberstellt: „Wie sorg­ fältig bewahren doch die Holländer dagegen ihre Bilder! Beim Besehen der Zeichnungen ziehen sie weiße Handschuhe an, und niemand darf indessen rauchen oder eine Prise dabei nehmen.“548 In dieser Gegenüberstellung wird nicht nur die Vorbildfunktion der Niederländer und ihres ­Umgangs mit Kunst hervorgehoben, sondern sogleich ein Kulturvergleich – Niederlande vs. Ita­ lien – impliziert. Leider erwähnt Tischbein nicht, wo er dies so erlebt hat. Den erhobenen Zeigefinger – verbunden mit einer Mahnung oder Auf­forderung an den echten Kenner – bringt Tischbein außerdem im Kontext des Sammelns und Bewahrens von Gemälden ins Spiel, was nicht weniger relevant erscheint. Und so heißt es bei Tischbein: „Der echte hollandische Kenner nimt nichts auser was vortreflig ist, und dan müssen die Bilder so sein, als wie sie von der Staffeley des mahlers komen. ein Bild das gewaschen ist nimt er gar nicht. und ein aus gebessert Bild siehet er als verdorben an, das keinen werth mer hatt. es soll so sein das es nur mit dem tonst der Zeit bedekt ist. welches sie so austruk de Dost legt der noch ob. Ein solches Bild zusehen von einem grosen Meister welches das glük gehabt hatt, immer gut verwarth geworden zusein, das ist eine freude für einen echten kener. Den die ange­ nehme Harmoni welche die Zeit gab nach dem der wissenschaftlige Künstler sie seinem Bild in den lezten Pinselstriche gab. und die Zeit schmelst nun mit ihrem hauch das zusamen. das ist ein Zauber, der entzükt. leicht ist der weg zu wischen. wen ein unkundiger mit Seiffe oder Lauge oder Spiritus darauf komt, so gehet nicht allein das schönste zahrte weg. sondern alle Lasur far­ ben, und es bleibt nichts übrig als das sckilet und ein gesunde verdorbenes Bild, das einen betriebt anzusehen. und es werd die Zeit komn das man kein so wohl erhaltenes Bild mehr siehet, weil so viele ungeschikte sich dait abgen sie zu vernichten.“549 Dies ist ein eindeutiges Plädoyer Tischbeins für den Wert der Kunst im Allgemeinen und jenen der niederländischen Kunst im Besonderen, den es für künftige Generationen zu bewahren gilt. Darüber hin­ aus demonstriert es das spezifische (Material-)Wissen des Künstlers. Über den Zustand von sowie den Umgang mit Gemälden äußert sich Tischbein bspw. auch in einem Brief an den Herzog von Oldenburg in Bezug auf die Dresdener Gemäldegalerie: „[A]ber auch hir fant ich leider die Bilder nicht mehr so schön wie sonst, an vielen hatt man gewaschen und die Lasur weg gewischt. Worin eigentlig der werth des Bildes bestehet. den es ist das letzte und beste was der Künstler in der begeisterung seinem Werck giebt. Man wollte nicht Kunstbetrachtung unter Kennern in der Sammlung Goll 157 das ich diesses sage, das die bilder gewaschen ware, aber ich bedeutete ihnen das ich diesses sagen müsse. und von nun an soll kein Bild in der Galerie mer gewaschen werden. Ein ald Bild mus ja nicht aussehen als ein neues.“550 Den Argumenten Tischbeins würde auch der Hamburger Kunsthändler Gerhard Morell zustimmen, der sich in seiner Korrespondenz mit potentiellen Käufern verschiedentlich über den Zustand von Gemälden äußert: „[…] in Fleiß, Schönheit, Composition Verstand Und guter Conservierung übertrifft, dieses Stück hat daß Glück gehabt nie in den Kunst Händen solcher Leute zu gera­ then die durch puzen reiben, corrigieren und retouchiren den Meister in dem Meister selbst unkenntlich machen […].“551 Aussagen dieser Art lassen erken­ nen, dass für Morell und Tischbein strenge Prinzipien galten, da jegliche Ver­ änderungen am Original dessen Wert und Wirkung verringerten. Den Aspekt des Zustandes greift bspw. auch der Kunstkenner Max J. Friedländer auf: „Der Zustand des Bildes ist von höchster Bedeutung. Wir müssen uns darüber klar sein, was von dem ursprünglichen Werk vorhanden ist, was etwa fehlt, durch Retuschen ersetzt oder verdeckt, was abgerieben, durch Zersetzung, Nachdunklung oder trübe Firnisschichten verändert ist. Von vornherein ist zu erwarten, daß kein altes Bild makellos erhalten uns vor Augen steht, so, wie es aus der Werkstatt des Meisters hervorgegangen ist.“552 Anders verhält es sich mit der Zeichenkunst: „Nichts ist dem strebsamen Bil­ derkenner wärmer zu empfehlen und ans Herz zu legen als eifriges Studium der Zeichnungen. Wer sich von den Gemälden eines Meisters zu den Zeich­ nungen wendet, dem scheint sich ein Vorhang zu heben, und er dringt in das innere Heiligtum. Aus mehr als einem Grund ist die Zeichnung dem Bild überlegen als Zeugnis, als Autogramm. […] Überdies leidet die Zeichnung fast nie unter Entstellung, nachträglicher Veränderung, Restaurierung oder Verfäl­ schung. Alles liegt offen zutage wie zur Zeit der Entstehung.“553

Fazit Über die Kunstbetrachtung unter Kennern lässt sich folgendes Resümee ziehen: Von den zahlreichen Reisenden, die wie Tischbein die Sammlung Goll in Amsterdam im Zuge einer Niederlande-Reise besuchten, geht kaum ein an­ derer Zeitgenosse derart auf verschiedene Details des Sammlungsbesuches ein. Dies ist von entscheidender Bedeutung und veranschaulicht den besonderen Erkenntniswert von Tischbeins Autographen. Dies betrifft gleicher­maßen seine Schilderungen und Erkenntnisse, die über die Sammlung Goll hinaus gehen, wie bspw. anhand des echten Kenners gezeigt werden konnte. Tischbein zeich­ net ein einzigartiges Bild der Sammlungskultur des späten 18. Jahrhunderts, zu deren zentralen Elementen neben dem Sammeln die Kunstbetrachtung sowie die Kennerschaft und – nicht zu unterschätzen – das gesellschaftliche Zere­ moniell mitsamt eines kosmopolitisch-offenen Hauses gehören. Die zitierten 158 Verbreitung

Beispiele zeigen zugleich, welche prominente Rolle die Sammlung Goll in je­ ner Zeit spielte. Die von dort ausgehenden Impulse spiegeln sich zwar nicht unmittelbar in Kunst und Wissenschaft, waren jedoch auf eine subtilere Art von weitreichender Bedeutung. Die kennerschaftlichen Kunstbetrachtungen im Hause Goll zogen internationale Reisende an und wurden zu einem wichtigen Impulsgeber für die erneut aufkeimende Wertschätzung der niederländischen Kunst, indem die Besucher ihre Erfahrungen und Beobachtungen in Briefen, Reiseberichten und Lebenserinnerungen verbreiteten, womit die Sammlung Goll eine internationale Strahlkraft erlangte und zu einem zentralen Knoten­ punkt im Netzwerk der europäischen ‚Niederländer-Rezeption‘ werden konnte.

3.2 Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns

Tischbein thematisiert in seinen Lebenserinnerungen und Autographen wie­ derholt Kunstauktionen, die er in verschiedenen Städten – unter anderem in Hamburg und insbesondere in Amsterdam – aufgesucht hat. Er zeigt sich fas­ ziniert von diesem Zweig der Kunstwelt und bereits in jungen Jahren nutzte er den Besuch von Versteigerungen und den damit verbundenen Verkaufsaus­ stellungen, um sich und seinen Blick zu schulen sowie sich an den Urteilen der Kenner zu orientieren. So schreibt er bspw. über seine Lehrjahre in Ham­ burg: „Ich versäumte nie in die Aucionen zu gehen, wo Gemahlte zum Ver­ kauf wahren. Die gewenlig einige tagen vorher zum besehen auf gestelt sind. Da trengte ich mich zu denen welche vor einem Bild standen um es zu beor­ theilen. ich belauschte ihre Meinungen, wo das vorzügligte gelobt und das schwache gedatelt wurde.“554 Tischbein hält darüber hinaus mannigfache Er­ kenntnisse zu den Besonderheiten des Auktionswesens und des Kunsthandels bereit. Diese sollen im Folgenden anhand verschiedener Beispiele in den größeren Kontext des Kunstmarktes und des Sammelns im späten 18. Jahr­ hundert gesetzt werden. Den Anfang machen namhafte Auktionen in Amster­ dam, rund um Tischbeins dortigen Aufenthalt, gefolgt vom Kunstagententum zwischen den Niederlanden und Deutschland mit exemplarisch angeführten Agenten und ihren Auftraggebern. Tischbein trägt aber auch den negativen Seiten des Kunsthandels Rechnung, indem er auf die damals verbreitete Kritik des internationalen Aufkaufs von Kunstschätzen eingeht. Dies mündet schließ­ lich in der Identifizierung besonderer Moden des Kunstmarktes und des Sam­ melverhaltens, wie der Orientierung an den Namen berühmter Künstler oder der Vorliebe für die deutschen ‚Hollandisten‘. Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 159

Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien

Unter den Erinnerungen Tischbeins findet sich eine Passage über Jan Maurits Quinkhard (1688–1772), in der er dessen Nachlassauktion anspricht: „Der Portrat mahler Quinkart war gestorben. ich sahe die aucion von seiner [Ein­ schub: samlug] orginal Bilder von alden Meister. den schönsten Metzscher den ich je sahe hatte er. Ein Herr im Kriegs gleidt spielde einer Dame auf der laude vor. das verliebte gesicht und den feurign blick womit er die Dame an­ sahe war auser ordentlig. und dem wohlgefale mit dem sie zuhörde, wie hin geschmulzen. / und ein gros bild von Hondekeder, ein Gros bild mit viele ­federfie, ein Pfau stand in der mitte und breidete seine Schweif aus. / Ein gros bild wo ein weisser Wolf dot lag, man konde die einzelne hare zehln. / Ein macketes Kind eine skize von van Deick, war sein ausgefürde bilder vorzu­ ziehn. diesse bilder sind mir noch mit Vergnügen in der erinnerung.“555 Diese Textstelle befindet sich nicht in den Originalmanuskripten Tischbeins von 1811 und 1824.556 Es existiert jedoch ein Fragment unter den Autographen des Tischbein-Nachlasses, welches demnach bei der postumen Überarbeitung der Lebenserinnerungen aufgenommen wurde.557 Die Zeilen gliedern sich in den publizierten Lebenserinnerungen – wie so häufig bei der späteren Über­ arbeitung – nicht vollständig in den Text ein. Sie stehen etwas unvermittelt zwischen einer Erinnerung Tischbeins an seine Bekanntschaft mit „dem be­ rühmten Kobell aus Rotterdam“ – gemeint ist Hendrik Kobell (1751–1779) –, die Tischbein anhand verschiedener Anekdoten schildert, und der Beschrei­ bung eines Werkes von Alexander Keirincx (1600–1652) mit der Betonung des schlechten Zustandes eines Gemäldes.558 Darüber hinaus thematisiert Tischbein die Praxis des Aufkaufes von Kunstschätzen durch internationale Kunsthändler und Sammler: „In Helen auf dem Gut des Grafen Schulenburg war eine ansehnlige Samlung gewehsen. die in Venedig gesamld ware als er Gowerner da war. die Venezianer hatte ihm auch Geschenke gemacht mit Bilder ihrer vorzügligsten Meister. Diesse Sam­ lung kaufte ein Englischer Gemalde Händler Grünwut, wen mir recht ist für 18 tausent thaler. und er sagte mir das ein Tician darunder sei, der allein müsse ihm beim verkauf so viel bringen als er für alle gegeben. er konde nicht genug das Lob und den Werth aussprechen über die vielen vortrefige [Einschub: ­italianische] Gemahlte die er hir gekauft. in Hannover hatte der H. v Grote eine schöne Samlung Bilder, die H. Grünwuth auch Kaufte für 8 tausend und 5 hundert thaler. er suchte 100 stücke aus. da runder war ein Bild von Rem­ brand das ihm den ganzen Kauf bezahlen müsse. Es stelde die heilige Drei Konige vor als sie das Christkind bestauden. und ist eines der schönste Meister stücke welche ich von diessem Künstler gesehen habe. eine reife composicion 160 Verbreitung die Morgenländische Könige mit ihrem Gefolge. ein lieblings Custum für Rembrand. H. Grünwuth kam nog einige mahl nach Deutschland, und mach­ te die Nachlasse in diesser Gegend die Kunst schäze weg zu führen, welche ihm willig für seine Goldene Gimane von den geschmacklossen vor gereicht wordn. Ich war mit ihm in Hildesheim, wo er für ein bild von Rubens das im Tohm hing 100 Luis:dr both. es worde ihm aber geweigert. Nach meiner zu­ rückkunft aber habe ich es da vergebens gesucht, es war weg. H. Wübels aus Amster­dam gereiz von diessen guten käufe des H. G. machte auch einige rei­ sen, durch diesse Gegent. und führte noch den rest schöne bilder für seine Ducaten weg.“559 Auch diese eindrückliche Schilderung, die als Fragment im Tischbein-Nachlass überliefert ist, soll Gegenstand einer näheren Betrachtung werden. Und schließlich geht Tischbein auf eine besondere Mode des Kunst­ marktes ein, die Orientierung der Sammler an den Namen berühmter Meister. Er schreibt hierzu im Manuskript von 1824 und auch bereits in jenem von 1811: „So sah ich einst eine Landschaft vom alten Hackert – es war ein inwen­ diges Dorf mit Bäumen und Gärten. Die Liebhaber standen um das Bild, und bewunderten es wegen seiner Natürlichkeit. Sie sagten: man glaubt darin ­herumgehen zu können – Die Bäume sind so natürlich als könnte man sie abhauen, und die Borke davon abschälen; und der alte Gartenzaun, davon könnte man Planke für Planke heraus ziehen – Und wie die sonne über das kurze mosigte Gras hinstreift, ist auch wie die Natur selbst. – Aber es ist doch nicht von Einem der berühmten Meister die man gerne in sein Cabinet nimmt. Und es wurde auch wohlfeil verkauft. Das macht die Mode. – Aber ein Blumenstück von van Huysum, mit einem Vogelnest, wo die Haare mit Schat­ ten und Licht gemalt sind, dafür bezahlt man Tausende, weil ein solches Bild zu einem Cabinet gehört.“560 Diese verschiedenen zitierten Aussagen Tischbeins zu den Charakte­ ristika des Kunstmarktes und des Sammelns sollen im Folgenden näher analy­ siert und kontextualisiert werden. Tischbein gilt hierbei erneut als aufmerk­ samer Beobachter und Gewährsmann bei der Spurensuche nach den Wegen der ‚Niederländer-Rezeption‘ im späten 18. Jahrhundert.

3.2.1 Auktionen in Amsterdam

In Amsterdam sind für die Zeit zwischen 1770 und 1850 über 100 private Kunstsammlungen bekannt, wobei die Mehrheit der Sammler bei ihren Sam­ melaktivitäten Gemälde vor anderen Kunstobjekten favorisierte. In jenem Zeit­ raum waren in den Sammlungen nur wenige Werke von Künstlern anderer Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 161

Länder vertreten. Es wurde größtenteils niederländische Kunst gesammelt, insbesondere jene des ‚Goldenen Zeitalters‘.561 Die Privatsammlungen wur­ den in der Regel nach dem Tod des Besitzers im Rahmen von großen Nach­ lassauktionen verkauft oder zumindest taxiert. Eine immer wichtigere Rolle nahmen dabei die Kunsthändler ein – sie bewerteten die Werke, erstellten die Auktionskataloge, organisierten die Verkaufsausstellungen und hielten die Versteigerungen ab. Damit hatten sie zugleich einen entscheidenden Einfluss auf den Sammlergeschmack und konnten diesen gegebenenfalls nach ihren Interessen lenken. Die Zahl der Auktionen nahm im Laufe des 18. Jahrhun­ derts kontinuierlich zu, sodass Amsterdam bis in die 1770er-Jahre das Zent­ rum des niederländischen Kunstmarktes – vor Den Haag und Rotterdam – war.562 Auf diese Weise gelangten berühmte niederländische Sammlungen mit ihren erlesenen Werken des 17. Jahrhunderts auf den Markt und erzielten höchste Preise. Auf den Auktionen kauften internationale Kunsthändler, Agenten und Sammler ein, welche die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ immer mehr in Europa verbreiteten.563 Es soll nun der Versuch unternommen werden, einen exemplarischen Einblick in das Amsterdamer Auktionswesen in den Jahren um 1772/1773 zu geben. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Versteigerung der Samm­ lung von Gerret Braamcamp am 31. Juli 1771, die von Tischbein erwähnte Auktion des Malers Jan Maurits Quinkhard am 15. März 1773 sowie jene von Dionys Muilman am 29. März 1773. Die beiden zuletzt genannten Auktionen fallen nicht nur in die Zeit von Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden, darüber hinaus handelt es sich bei allen dreien um signifikante und weithin bekannte Versteigerungen von Amsterdamer Sammlernachlässen.

Die Versteigerung der Gemälde-Sammlung von Gerret Braamcamp

Der Sammler Gerret Braamcamp (1699–1771) zählte Mitte des 18. Jahrhun­ derts zu den wichtigsten Kaufleuten und Sammlern in Amsterdam (Abb. 39), war allerdings zur Zeit von Tischbeins dortigem Aufenthalt bereits verstor­ ben.564 Doch Zeitgenossen Tischbeins wie Karl Heinrich von Heinecken lern­ ten den Sammler persönlich kennen, und so notiert dieser in seiner Reise­ beschreibung von 1769: „Das Cabinet des Herrn van Braamcamp ist nicht nur noch immer berühmt, sondern hat sich auch seit 14 Jahren sehr vermeh­ ret.“565 Für die überragende Bedeutung der Sammlung sowie der Samm­ler­ persönlichkeit spricht ferner, dass Jan van Gool den zweiten Band seiner Nieuwe­ Schouburg der Nederlantsche Kunstschilders en Schilderessen 1751 Gerret Braamcamp gewidmet hat: „Aen den kunstlievenden heere, den heer GERRET BRAAMCAMP, beroemt koopman, kenner en beminnaer der edele teken- en 162 Verbreitung

39 Reinier Vinkeles nach Jacob Xavery: Portrait von Gerret Braamcamp, 1766, ­Stadsarchief Amsterdam

schilderkunsten, en bezitter van een overherrlyk kabinet schildereyen, nevens eene keurige verzameling van tekeningen“.566 Aufgrund der weitreichenden Bekanntheit von Gerret Braamcamp, seiner Sammlung sowie deren Versteige­ rung am 31. Juli 1771 lohnt ein Blick hinter die Kulissen. Über 30 Jahre hinweg gelang es Braamcamp, eine bedeutende Samm­ lung mit Werken der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts aufzubauen. Die umfangreiche Gemäldesammlung wurde darüber hinaus durch Zeichnun­­ gen und Druckgraphiken ergänzt. Die Auktion im Jahr 1771 machte Furore, da sie zu den meistbesuchten Auktionen jener Zeit zu rechnen ist. Die vor­ ausgegangene Verkaufsausstellung erstreckte sich über drei Wochen, in denen angeblich 20.000 Interessierte die Ausstellung besucht haben sollen.567 Auch die involvierten Makler gehörten – analog zur Qualität der Sammlung – zu den wichtigsten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Kunstmarktgeschehens: Philippus van der Schley (1724–1817), Jan Jeronimusz. de Bosch (1737–1823), Cornelis Ploos van Amstel (1726–1798), Hendrik de Winter (1717–1790) und Jan Yver (1747–1814). Sie werden auf der Titelseite des 226 Seiten umfassen­ den Auktionskataloges als Referenzpersonen angegeben. Der Katalog trägt den lobpreisenden Titel Catalogus van het uitmuntend kabinet schildereyen, teke- ningen, prenten, beelden, enz. Door geheel Europa beroemd, en in veele Jaaren byeen- verzameld door den heere Gerret Braamcamp (Abb. 40).568 Auf die Titelseite folgt Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 163

40 Catalogus van het uitmuntend kabinet schildereyen, tekeningen, prenten, beelden, enz. Door geheel Europa beroemd, en in veele Jaaren byeenverzameld door den heere Gerret Braam- camp, Amsterdam 1771

eine organisatorische Bemerkung – „De Koopers zullen gehouden zyn, van ieder Gulden een stuiver opgeld te betaalen“ –, um auch die zu leistenden Abgaben kenntlich zu machen. Die Katalogeinträge sind wie damals üblich durchnummeriert und alphabetisch nach Künstlernamen sortiert. So beginnt der Katalog der „Schildereyen“ mit „Avercamp“ als „No. 1“ und endet mit „Zorg“ (Sorgh) als „No. 296“, ergänzt von einzelnen nachgetragenen Werken sowie unbekannten Meistern. Es folgen die „Tekeningen“ in Kunstbüchern von „Konstboek A“ mit 100 vorwiegend kolorierten Zeichnungen bis „Kunst­ boek C“. Insgesamt werden hier 282 Zeichnungen aufgeführt. Die Abteilung der „Prenten“ gliedert sich in neun Kunstbücher mit einem Umfang von 240 Werken, hier in thematischer Sortierung. Der letzte Teil mit der Kategorie „Beel­den enz.“ umfasst 82 Einträge. Zusammengenommen ergibt sich ein Sammlungsbestand von über 900 Objekten, die zur Versteigerung kamen. Was die in der Sammlung vertretenen Künstler anbelangt, so liest sich der Katalog wie ein ‚Who is Who‘ der niederländischen Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts, geht aber auch darüber hinaus. Die Künstler sind teils mit mehreren Werken vertreten. Hierbei stechen heraus: Rembrandt Harmensz. van Rijn mit sieben, Jan van Huysum und Adriaen van de Velde mit acht, Nicolaes Berchem mit neun, Gabriel Metsu mit zehn, Adriaen van Ostade und 164 Verbreitung

41 Gabriel Metsu: Besuch im Kinderzimmer, nach der Geburt von Sara Hinlopen, 1661, Metropolitan Museum New York

Jacob de Wit mit elf sowie Philips Wouwerman mit siebzehn Werken.569 Was die Gemälde von Gabriel Metsu betrifft, so kann auf deren gesteigerte Nach­ frage und Bedeutung im 18. Jahrhundert verwiesen und Metsu im Kunst­ marktgeschehen der Zeit im gehobenen Preissegment verortet werden. Braam­ camp zählte mit zehn Werken Metsus zu den eifrigsten Sammlern dieses Künstlers.570 Hierzu gehört das Werk Besuch im Kinderzimmer (1661), heute im Metropolitan Museum New York, das sich ab 1749 in der Sammlung Braam­ camp befand (Abb. 41). Interessant ist, dass zusätzlich zu dem zitierten Versteigerungskatalog eine nachfolgende 18-seitige Publikation überliefert ist, die sich den in der Versteigerung erzielten Preisen sowie den Käufern der Werke widmet: Pryzen der schildereyen, teekeningen, prenten, beelden, enz. Uitmakende het beroemd en uitmuntend Kabinet van wylen den heere Gerret Braamcamp; Benevens de namen der Heeren Koopers. Alles verkocht.571 Die von Johannes Smit in Amsterdam ver­ legte Publikation vermeldet den Erfolg der Unternehmung – alles verkauft – und listet in vier Spalten die Auktionsergebnisse mit Katalognummer, Künst­ ler, Käufer und Kaufpreis in Gulden. Zu den dort verzeichneten Käufern zählen bekannte niederländische Sammer, die selbst auf der Versteigerung mitboten, statt Mittelsmänner oder Kunsthändler einzubinden, wie Jan Jansz. Gildemees­ ter (1744–1799), Pieter Locquet († 1782), Johan van der Marck (1707–1772) oder Jan Maurits Quinkhard (1688–1772).572 Die Auktionatoren treten selbst Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 165

42 Musæum Braamcampianum, ­Amsterdam 1771

verschiedentlich als Käufer in Erscheinung, sodass sie eine einflussreiche Dop­ pelrolle einnehmen. Darüber hinaus sind die international agierenden Kunst­ händler und Sammler Jan Wubbels (um 1728–1791) und John Greenwood (1727–1792) unter den Käufern zu finden – zwei damals durchaus kritisch bewertete Figuren, wie Tischbein verrät.573 Die Publikation abschließend ­werden die erzielten Summen der Versteigerung vermerkt: „Schildereyen – f 252833:10 / Tekeningen – f 1896:10 / Prenten – f 1807:15 / Beelden & c. – f 5132:–“ mit einer Gesamtsumme von 261.668 Gulden. Die Preise für die einzelnen Gemälde, die insgesamt fast 253.000 Gulden einbrachten, liegen zwischen 25 und 5.000 Gulden. Rekordpreise erzielten ein Werk von Paulus Potter für 9.050 Gulden (Nr. 167) sowie ein Gemälde von Gerard Dou für 14.100 Gulden (Nr. 53). Umgerechnet wären dies rund 2.092.000 Euro für alle Gemälde, die einzeln zwischen 200 und 40.000 Euro einbrachten, mit einem Potter für 75.000 sowie einem Dou für 117.000 Euro.574 Eine weitere zeitgenössische Publikation zur Auktion der Sammlung Braamcamp bringt den Inhalt des Auktionskataloges mit der Käufer- und Preisliste unter dem Titel Musæum Braamcampianum zusammen (Abb. 42).575 166 Verbreitung

Hier werden auf 76 Seiten die Katalognummern mit Künstlernamen, Werk­ titeln, Werkmaßen, Käufer und Kaufpreis genannt. Die Einträge lauten bspw. „DOUW (Gerard) 53. De vermaarde Kraamkamer, h. 27, b. 32 d. P. met een halve Boog van boven. B. Tidemann Joh. Zoon. 14100:–“ oder „POTTER (Pau­ lus) 167. De beroemde groote Ossendrift, h. 52, b. 78 d. D. D. Boumeester. 9050:–“.576 Das Vorwort richtet sich an die Liebhaber der Malerei und rühmt den verstorbenen Sammler, der über so viele Jahre hinweg weder Kosten noch Mühen gescheut habe, um seine ausgezeichnete Sammlung auf diese Stufe der Vollkommenheit zu bringen, sodass weder betreffs Größe noch Vortrefflich­ keit der Stücke aller Arten irgendwo dergleichen gewesen sei, zumindest nicht in Amsterdam.577 Der Verfasser beklagt den Umstand, dass diese Sammlung zerschlagen werden musste, und verweist auf die zahlreichen internationalen Besucher der Sammlung Braamcamp.578 Die Bedeutung der Sammlung Braamcamp sowie deren Auktion spiegelt sich ferner in einer ausführlichen Besprechung von Cornelis Ploos van Amstel in den Vaderlandsche Letteroefeningen.579 Ein neunseitiger Bericht an die Liebhaber der Malerei, der im Vormonat der Auktion erschien und die Werke sowie den Katalog gleichermaßen anpries. Anders als der Katalog teilt Ploos van Ams­tel die Sammlung in Rubriken ein, denen er Künstler wie Werke zuordnet. Er benennt:­ I. 80 Historiengemälde von italienischen, französischen und nieder­ ­län­di­schen Meistern, II. 60 moderne Darstellungen von Gesellschaften, III. 30 Bauern­gesel­l­ schaften, IV. 7 Portraits, V. 68 Landschaften mit allerlei Staffage, VI. 17 rö­mi­sche Ansichten, VII. 8 Seestücke, VIII. 6 Tierstücke, IX. 13 Blumen- und Früchte­still­ leben.580 Die Auflistungen enthalten jeweils den Namen des Künstlers zusammen mit der Anzahl der vertretenen Werke in der jeweiligen Kategorie. So wird auf wenigen Seiten die heraus­ragende Qualität der Sammlung sichtbar, die sich dem­ nach eindeutig an Künstlernamen orientiert. Um darüber hinaus einen detail­ lierteren Einblick zu gewähren, greift Ploos van Amstel einige Werke heraus, die er ausführlicher beschreibt. Er betont, dass diese Werke durch die Sonder­ behandlung keinen Vorrang gegenüber den anderen Stücken des Kabinettes haben sollen, sondern lediglich die Kostbarkeit und Herrlichkeit der Samm­ lung unterstreichen sollen. Es folgen ein Werk von Tizian mit einer schlafen­ den Venus, eines der sechs von Rubens vertretenen Gemälde, ein Werk von Rembrandt, eines von Gerard de Lairesse, ein Interieur von Gerard Dou, eine Bauerngesellschaft von Adriaen van Ostade sowie ein Tierstück von Paulus Potter. Ploos van Amstel gibt abschließend sein Bedauern zum Ausdruck, seine Ausführungen in An­betracht der gebotenen Kürze nicht ausweiten zu können. Dennoch verweist er kurz auf einige Werke von van der Heyden, Bakhuizen und Willem van de Velde sowie auf Jan van Huysum. Alles Weitere überlässt er dem ausführlichen Auktionskatalog, den er dem Liebhaber wärmstens empfiehlt.581 Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 167

Die Auktion der Sammlung von Jan Maurits Quinkhard

Tischbein äußert sich in seinen Lebenserinnerungen konkret über die Nach­ lassauktion des Künstlers und Kunsthändlers Jan Maurits Quinkhard (1688– 1772), wie bereits zitiert.582 Quinkhard wird dort treffend als Portraitmaler charakterisiert. Der ursprünglich aus Deutschland stammende Künstler weilte ab 1710 in Amsterdam, um dort seine Kunststudien mit Ernst fortzusetzen, sodass er schließlich „een wakker Meester“ geworden ist, der zu den glück­ lichsten Künstlern der Zeit gezählt werden kann – wie Jan van Gool in De Nieu­ we Schouburg der Nederlantsche Kunstschilders en Schilderessen (1751) schreibt.583 Auch ein Jahrhundert später wird Quinkhard von Georg Kaspar Nagler in dessen Künstler-Lexikon (1835–1852) lobend erwähnt: „Er hatte da den Ruf eines vorzüglichen Bildnismalers, und er verdient auch unter den Künstlern seiner Zeit immer grosse Achtung. Er war ein guter Zeichner und ein treff­ licher Kolorist, und hatte auch im Technischen der Malerei ungewöhnliche Fertigkeit.“584 Quinkhard erhielt zahlreiche Aufträge, insbesondere für Por­ traits von gelehrten und berühmten Zeitgenossen, aber auch für Regenten­ stücke. Seine Gemälde wurden vielfach von Jacob Houbraken (1698–1780), Pieter Tanjé (1706–1761) oder Reinier Vinkeles (1741–1816) graphisch repro­ duziert, wodurch sie zusätzliche Bekanntheit erlangten.585 Für diese Zusam­ menarbeit können Portraits wie jenes des fast hundertjährigen Jacob van Hoorn (1734) von Houbraken nach Quinkhard oder ein von Tanjé repro­ duziertes Selbstbildnis von Quinkhard (1741) angeführt werden. Ersteres wird von Nagler „zu den Hauptblättern Houbrakens“ gezählt, zusammen mit dem Pendantstück – einem Portrait von Jacoba van Selstede, der vierten Ehefrau von Jacob van Hoorn.586 Bei Letzterem (Abb. 43) handelt es sich um ein ge­ genseitig inszeniertes Doppelportrait, das Quinkhard mit Palette und Pinsel zeigt. Er weist mit seiner rechten Hand auf die direkt hinter ihm befindliche Staffelei, auf der sich wiederum ein Portrait von Tanjé befindet. Die beiden Protagonisten, die sich in diesem Kupferstich beiderseits die Referenz erwei­ sen, blicken den Betrachter direkt an. Interessant ist, dass keine identische Gemäldevorlage bekannt ist, sondern auf der vermuteten Vorlage ein Gemälde der Ehefrau Quinkhards auf der Staffelei zu sehen ist.587 Im Rahmen der gra­ phischen Reproduktion kommt es hier zu einer besonderen Inszenierung der Zusammenarbeit von Quinkhard und Tanjé sowie der Verschränkung von Malerei und Graphik. Auffällig ist, dass, während die meisten zeitgenössischen und auch späteren Publikationen das Werk Quinkhards mit den ausgezeichneten Por­ traitstücken hervorheben, Tischbein aber, statt ebenfalls darauf einzugehen, seinen Blick auf die Auktion und die im Besitz Quinkhards befindlichen 168 Verbreitung

43 Pieter Tanjé nach Jan Maurits Quink­ hard: Portrait von Jan Maurits Quinkhard, 1741, Stadsarchief Amsterdam

Kunstwerke richtet, die er als „samlug orginal Bilder von alden Meister“ be­ schreibt.588 An diesem Beispiel wird deutlich, dass Tischbeins Interesse nur am Rande den zeitgenössischen niederländischen Künstlern gilt und er sich zu­ allererst für die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ begeistert.589 Dank der expliziten Erwähnung von Quinkhards Nachlassauktion lässt sich die Schilderung Tischbeins datieren, und zwar auf den 15. März 1773. Die Auktion fand unter der Leitung von Philippus van der Schley im Hause Quink­ hards an der Amsterdamer Prinsengracht bei der Utrechtsestraat statt. Der Titel des Auktionskataloges von 1773 gewährt einen ersten Einblick in die Zusammensetzung der Sammlung Quinkhard: Catalogus van een fraai kabinet schilderyen, teekeningen en prenten, door beroemde Italiaansche, Fransche, Engel- sche en Nederlandsche meesters. Gebonde en losse prentwerken, plyster-beelden, fyne verwen, en konstschilders gereedschappen. Alles nagelaaten, door wylen Jan Maurits Quinkhard, voornaam konst-schilder.590 Somit setzt sich der Sammlungsbestand nicht nur aus Gemälden zusammen, sondern wird durch Zeichnungen und Drucke ergänzt – ein damals durchaus charakteristisches Sammlungsprofil, wie es bspw. auch für die bereits thematisierte Sammlung Braamcamp zutrifft. Heraus sticht die angepriesene Internationalität der Sammlung mit italieni­ schen, französischen, englischen und niederländischen Meistern. Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 169

Tischbein hebt aus der Sammlung von Jan Maurits Quinkhard drei Künstler hervor bzw. erinnert sich derer: Gabriel Metsu (1629–1667), Melchi­ or de Hondecoeter (1636–1695) und Anthonis van Dyck (1599–1641).591 Er nennt mit Metsu und Hondecoeter je einen bedeutenden Vertreter der Genre­ malerei sowie des Tierstücks, während er bei van Dyck den Blick auf dessen Skizzen lenkt, die für ihn den Gemälden vorzuziehen sind, wobei er keine weitergehende Begründung für seine Einschätzung liefert. Die von Tischbein genannten Werke können leider nicht ohne Weiteres identifiziert werden – sei es mangels weiterführender Angaben, verlorener Werke, neuer Zuschrei­ bungen oder fehlender Provenienzangaben. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass sich Tischbein schlichtweg falsch erinnert haben kann. Er schließt die Schilderung mit der Bemerkung: „[D]iesse bilder sind mir noch mit Vergnü­ gen in der erinnerung.“592 Und dies über vierzig Jahre nach seinem Besuch der Nachlassauktion Quinkhards. So gab und gibt es bspw. in der Gemäldesamm­ lung der Landgrafen von Hessen-Kassel, die Tischbein bekannt und vertraut war, zwei Werke von Melchior de Hondecoeter, die Charakteristika der ohne­ hin sehr knappen Beschreibung Tischbeins zeigen. Tischbein spricht von „ein gros bild von Hondekeder, ein Gros bild mit viele federfie, ein Pfau stand in der mitte und breidete seine Schweif aus. / Ein gros bild wo ein weisser Wolf dot lag, man konde die einzelne hare zehln.“593 Das großformatige Vogel­ konzert von Hondecoeter, bereits vor 1749 durch Landgraf Wilhelm VIII. er­ worben, zeigt neben vielem Federvieh einen Pfau, der allerdings nicht seinen Schweif ausbreitet (Abb. 44). Dies gilt jedoch für den Pfau in dem Gemälde Eine Versammlung von Vögeln (Die Fabel vom Pfau und der Dohle) aus der Werk­ statt von Frans Snijders (Abb. 45). Das Gemälde wurde ebenfalls vor 1749 für die Kasseler Sammlung erworben und ist im historischen Inventar als „Snei­ der François. Ein groß Stück mit allerhand Feder-Viehe“ verzeichnet.594 Statt eines weißen Wolfes gibt es in Kassel wiederum einen Weißen Pfau, der 1751 in die Sammlung kam und bei dem jede einzelne Feder zu erkennen ist (Abb. 46).595 Tischbeins Erinnerungen überlagern sich hier mit großer Wahr­ scheinlichkeit, sie geben jedoch einen Einblick in seine Art des Erinnerns und zeigen damit, was für ihn bedeutend ist. Zu Quinkhards Tätigkeit als Kunsthändler finden sich ebenfalls Ein­ schätzungen aus dem frühen 19. Jahrhundert, wie in der auf Jan van Gools Publikation aufbauenden Geschiedenis der vaderlandsche schilderkunst (1817) von Roeland van Eynden und . Dort heißt es: „Han­ del in Schilderijen en Kunstwerken doende, kocht hij op zeer vele Verkoopin­ gen, met veel kennis en smaak, ja, somtijds stukken van de eerste klasse; zijne kunstdrift ging zoo ver, dat de begeerte om te bezitten, wat hij verlangde, met de daarbij komende ongerustheid, hem niet zelden in het flapen hinderlijk 170 Verbreitung

44 Melchior de Honde­ coeter: Das Vogelkonzert, Museumslandschaft Hessen Kassel

45 Frans Snijders (Werk­ statt): Eine Versammlung von Vögeln (Die Fabel vom Pfau und der Dohle), Museums­ landschaft Hessen Kassel

46 Melchior de Honde­ coeter: Der weiße Pfau, ­Museumslandschaft Hessen Kassel Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 171 was. Sommige stukken hield hij dan ook eenigen tijd voor zijne liefhebberij en studie, alvorens hij die verkocht.“596 Folglich galt Quinkhard nicht nur als talentierter Maler, sondern auch als versierter Kunsthändler, der auf zahlrei­ chen Auktionen seinen Gemäldebestand mit Kenntnis und Geschmack erwei­ terte. Dass sich darunter Werke der ersten Klasse befunden haben sollen, zeigt sein Geschick und lässt gleichfalls entsprechende finanzielle Ressourcen ver­ muten. Die Erwähnung, dass er Gemälde gemäß seiner Vorlieben mitunter zunächst in seine persönliche Sammlung integrierte sowie zu Studienzwecken nutzte und sie später weiterveräußerte, spiegelt den Charakter seines Sammel­ verhaltens.

Die Versteigerung der Graphik-Sammlung von Dionys Muilman

Ein weiterer bekannter Amsterdamer Sammler jener Zeit war Dionys Muilman (1702–1772), dessen umfangreiche Sammlung ebenfalls 1773 zur Versteige­ rung kam – mit 1.611 verzeichneten Katalognummern für Zeichnungen und 1.390 für Druckgraphiken.597 Das Vorgehen war von Muilman in seinem Tes­ tament festgelegt worden und sah vor, dass die komplette Sammlung öffent­ lich versteigert werden sollte, und zwar drei Monate nach Veröffentlichung eines Kataloges in französischer und niederländischer Sprache.598 Auf diese Weise konnten die Publikationen vorab versandt und ebenso von interna­ tionalen Kunsthändlern und Sammlern zur Kenntnis genommen werden. Der Katalog trägt den Titel Een uitmuntend kabinet gekleurde en ongekleurde tekenin- gen, door de voornaamste Nederlandsche, Italiaansche en Fransche meesters: bene- vens een keurlyke verzameling van de fraaiste prentkonst [...] alles, zints veele jaa- ren, met oordeel en moeite byëen verzameld en nagelaaten door wylen den Wel. Ed. Heer Dionis Muilman und umfasst 240 Seiten.599 Der Auktion voraus gingen stets die sogenannten ‚kijkdagen‘, die der Ausstellung und Begutachtung der zur Versteigerung angebotenen Werke dienten. Die Auktion fand schließlich am 29. März 1773 sowie an den darauf folgenden Tagen statt. Zu den in Er­ scheinung tretenden Auktionatoren zählten Cornelis Ploos van Amstel, Jan de Bosch, Hendrik de Winter, Jan Yver und andere. Wie bereits bei der Verstei­ gerung der Sammlung Braamcamp gab es auch in diesem Fall eine lobende Besprechung der Sammlung durch Ploos van Amstel in den Hedendaagsche Vaderlandsche Letter-Oefeningen. Cornelis Ploos van Amstel, den zugleich eine Freundschaft mit Muilman verband, schrieb dort: „Was er ooit eene Kunst­ verzameling uitmuntend, en in alle deelen dubbelwaardig der opmerking en verwondering van alle kundige liefhebbers, ’t is het Kabinet Tekeningen nage­ laten door den Heer Dionys Muilman, in wien de Kunst een groot Beminnaar en Voorstander verliest.“600 172 Verbreitung

Bereits zu Lebzeiten von Dionys Muilman war dessen Graphik-Samm­ lung weithin bekannt und zog internationale Besucher an – wenn auch nicht in dem Maße, wie es für die Sammlung Goll zu vermuten ist.601 Zeitgenossen wie Karl Heinrich von Heinecken zählten die Sammlung Muilman zu den Höhepunkten ihrer Niederlande-Reise. Heinecken war im Jahr 1769 dort zu Gast und nennt sie im Rahmen einer Aufzählung „merkwürdiger“ – das heißt des Merkens würdiger – Sammlungen: „Von denen, die in dieser Stadt beson­ dere Sammlungen von Kupferstichen besitzen, muß ich, außer dem Kupfer­ stecher Simon Fokke, noch den Hrn. Marcus nennen, bey dem ich verschiede­ nes schönes und merkwürdiges angetroffen habe. Die Sammlungen bey denen Hrn. Muylman, Busserus, Maarseven, Mettaye, Graaf, de Bosch und Ploos van Amstel sind nicht weniger merkwürdig.“602 Während Dionys Muilman sich auf Graphiken spezialisiert hatte, sammelten sein Bruder Daniel Roelof Muilman (1717–1801) und sein Neffe Hendrik Muilman (1743–1812) bevorzugt Gemälde.603 Die umfangreiche Ge­ mäldesammlung kam am 12. April 1813 in Amsterdam bei Philippus van der Schley zur Auktion, zusammen mit dem begleitenden Katalog, der diese do­ kumentiert: Het kabinet schilderijen, benevens eenige teekeningen en prenten, nage- laten door den weledelen heer Hendrik Muilman, in zijn Ed. leven Banderheer van Haamstede.604 Wie üblich war der Katalog alphabetisch nach Künstlernamen geordnet, was jedoch nicht dem Ablauf der Versteigerung entsprach. Vielmehr gab es einzelne Sektionen, die stets mit gering taxierten Werken begannen und mit hochpreisigen Künstlern und Werken endeten.605 Die nachgelasse­ nen Zeichnungen und Drucke stammten teils sogar aus der 40 Jahre zurück­ liegenden Auktion der Sammlung von Dionys Muilman. Allerdings wurde diesem bescheidenen Sammlungsteil im Kontext der Gemäldesammlung kein hoher Stellenwert zugesprochen.606 Die Sammlungen der Familie Muilman wurden von Cornelis van der Bas erforscht, der eine Besonderheit hervorhebt: „It was not until 50 years after Hendrik Muilman’s death that interest in realistic northern landscapes and genre became widespread.“607 Dabei machen die Landschaftsgemälde fast die Hälfte des Sammlungsbestandes aus und zeigen ein spezifisches Samm­ lungsprofil. Dementsprechend identifiziert van der Bas den Sammler Hendrik Muilman als „pioneer in his preference of a paticular kind of Dutch art“.608 Der Sammelschwerpunkt lag wie bei den meisten Sammlungen des 18. Jahrhunderts auf der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Dieser Umstand wird immer wieder von Reisenden erkannt und betont, so auch von der Schriftstellerin Johanna Henriette Schopenhauer (1766–1838) im Jahr 1803: „Amsterdam besitzt keine eigentliche Bildergalerie, aber in vielen reichen Privat­häusern findet man ansehnliche und höchst sehenswerte Kabinette, Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 173 welche dem Fremden mit großer Gefälligkeit gezeigt werden. Monate würden nicht ausreichen, um Alle gehörig zu sehen; wir begnügten uns, ein Paar der vorzüglichsten derselben zu besuchen, deren Eigenthümern wir ohnehin be­ kannt waren. […] Zwar bestehen sie fast durchaus nur aus Kunstwerken der Niederländischen Schule, aber wer sollte diese auch nicht gern hier, auf dem Boden sehn, auf welchem sie entstanden? Vorliebe für die eigne vaterländische­ Kunst herrscht hier allgemein. Man bekümmert sich um die übrigen Schulen wenig.“609 Diese Einschätzung hätte Tischbein mit Sicherheit geteilt, da seine Schilderungen eine ähnliche Schlussfolgerung zulassen. Dass es dort derart viel zu bestaunen gab, hängt unter anderem mit einer besonderen Form der Liebhaberei zusammen, die Johanna Henriette Schopenhauer zu erkennen meint: „Bei aller übrigen Oekonomie hat indessen keine Nation mehr wie diese, sogenante Liebhabereien, welche oft mit großen Kosten befriedigt wer­ den. Nirgends giebt es mehr Sammler von Seltenheiten aller Art. Sammlun­ gen von Gemälden, Kupferstichen, Handzeichnungen, Münzen, Conchylien und naturhistorischen Merkwürdigkeiten, sind die Liebhabereien der Reichen, während die übrigen sich mit Siegel-Abgüssen, Tabaks-Pfeifen, iapanischem Porzellan und allerlei Spielkram begnügen.“610 Ob Tischbein in Amsterdam Kontakte zur Bankiersfamilie Muilman unterhielt, ist nicht bekannt. Weder geht er explizit auf die Versteigerung der Graphik-Sammlung im Jahr 1773 ein, die nur zwei Wochen nach der Quink­ hard-Auktion in Amsterdam stattfand, noch auf einen Besuch der Gemälde- Sammlung der Muilmans. Es ist jedoch eine spätere Beziehung zwischen Tischbeins Cousin Johann Friedrich August Tischbein, der zwischen 1791 und 1794 in Amsterdam weilte, und den Muilmans bekannt. Hendrik Muilman wurde in dieser Zeit sogar zu einem Mäzen Tischbeins und gab bei ihm ver­ schiedene Portraits in Auftrag.611 Der Kontakt kam über August Wilhelm Schlegel (1767–1845) zustande, der zur selben Zeit als Hauslehrer im Hause Muilman beschäftigt war.612

Fazit Am Beispiel der Auktionen der Sammlungen Braamcamp, Quinkhard und Muilman in Amsterdam wird deutlich, dass nicht allein faszinierende Sammlerpersönlichkeiten mit erlesenen Kunstsammlungen Teil des Netzwer­ kes der ‚Niederländer-Rezeption‘ waren und einen aktiven sowie wichtigen Beitrag leisteten, sondern auch das Auktionswesen mit den entsprechenden Multiplikatoren und Verbreitungswegen. Einst in anderen Sammlungen be­ wunderte Kunstwerke konnten nun in den Versteigerungen für die eigene Sammlung erworben werden. Sammlungen wiederum, die zuvor nicht ohne Weiteres zugänglich waren, konnten im Rahmen der Verkaufsausstellungen in Teilen oder auch in Gänze besichtigt werden. Wem dies nicht möglich war, 174 Verbreitung der konnte sich dank der Begleitpublikationen zumindest einen Überblick über die Sammlung verschaffen, auch fern und unabhängig vom Auktionsort. Von weitreichender Relevanz sind insbesondere die begleitenden und obliga­ torischen Kataloge, die sowohl für die zeitgenössischen Kenner und Sammler als auch für die heutige Forschung einen wichtigen Beitrag zur Sammelkultur des 18. Jahrhunderts leisten. Zum einen dokumentieren sie die Zusammenset­ zung historischer Sammlungen. Zum anderen ist überliefert, dass Händler und Agenten den Sammlern regelmäßig Auktionskataloge, teils mit Kommen­ taren versehen, zusandten.613 Der ergänzende Briefwechsel zeigt die kenner­ schaftliche Auseinandersetzung mit den angebotenen Werken und spiegelt die Wünsche der Sammler sowie deren konkrete Anweisungen für die Agenten und Händler. Auch auf diese Weise fand die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘­ ihren Weg in deutsche Sammlungen. Welche entscheidende Vermittlerrolle dabei die Kunstagenten spielten, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

3.2.2 International tätige Kunstagenten und ihre Auftraggeber

Wie der Exkurs in das Amsterdamer Auktionswesen in den Jahren um 1772/ 1773 gezeigt hat, war Tischbein zu einer Zeit in Amsterdam, als einige der damals bekanntesten Sammlungen versteigert wurden. Daran anschließend sollen weitere Protagonisten des Kunstmarktgeschehens in den Blick genom­ men werden – die Kunstagenten und Kunstberater, die auf ihre Weise einen Beitrag zur Verbreitung der niederländischen Kunst geleistet haben. Unter den niederländischen Kunstagenten in Amsterdam, die im Rahmen der vor­ liegenden Studie bereits thematisiert wurden, können zunächst Cornelis Ploos van Amstel und Johann Goll van Frankenstein d. Ä. angeführt werden. Wäh­ rend Ploos van Amstel aktiv als Kunstagent in Erscheinung trat und in dieser Rolle sowohl als Auktionator in den Versteigerungskatalogen genannt ist als auch im Rahmen der Preislisten unter den Käufern zu finden ist – insbesonde­ re im Kontext der Versteigerung von Zeichnungssammlungen –, gibt es Zeit­ genossen wie Goll, die ihre Beratertätigkeit vielmehr einzelnen Personen an­ boten, mit denen sie eine Freundschaft verband oder die zu ihren langjährigen Vertrauten zählten. Besondere Beachtung sollen im Folgenden zwei Kunst­ agenten sowie zwei höfische Auftraggeber in Deutschland finden: Zum einen Gerhard Morell in Hamburg und Johann Ernst Gotzkowsky in Berlin, zum anderen Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel und Markgräfin Karoline Luise von Baden. Anhand dieser Beispiele sollen weitere Charakteristika des Kunstmarktes exemplarisch aufgezeigt und die Vielschichtigkeit der Netz­ werke des europäischen Kunsthandels verdeutlicht werden. Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 175

Die Kunstagenten Gerhard Morell und Johann Ernst Gotzkowsky

Eine wichtige Figur unter den international agierenden Kunstagenten des 18. Jahrhunderts mit einer Spezialisierung auf die niederländische Kunst – aber auch darüber hinaus – war Gerhard Morell (1710–1770). Michael North widmet ihm eine interessante und aufschlussreiche Studie, in der er den Ham­ burger Kunsthändler Morell im Kontext der Sammlungskultur des 18. Jahr­ hunderts im Ostseeraum verortet.614 Beim Blick auf das der Studie zugrunde­ liegende Quellenmaterial zeigen sich Analogien zu der hier vorliegenden Ar­ beit in Bezug auf dessen Vielfalt und Detailreichtum. Im Falle Morells besteht dieses aus zahlreichen Briefen, eigenen Aufzeichnungen, Notizen zu verschie­ denen internationalen Sammlungen, die er persönlich kannte und für die er tätig war, aber auch aus deutschen und niederländischen Sammlungs- und Auktionskatalogen sowie aus Ankaufsverzeichnissen und Werklisten.615 Morell beriet und belieferte zahlreiche Sammler sowie Fürstenhöfe und verkaufte hochwertige Gemälde aus niederländischen Auktionen und Samm­ lungen. So erstreckten sich seine Kontakte von Hamburg ausgehend nach Karlsruhe, Kassel, Schwerin, Kopenhagen und Warschau. Morell trug wesent­ lich zum Sammlungsaufbau in Kopenhagen bei und erwarb nach seiner Er­ nennung zum Galeriedirektor der dortigen königlichen Kunstsammlungen mehr als 200 Meisterwerke. Die besonderen Umstände, die ihm dies über­ haupt erst ermöglichen sollten, beschreibt North wie folgt: „Bevor aber ein Kunsthändler geschmacksbildend wirken und Einfluss auf die Sammlungs­ kultur nehmen konnte, musste er sich erst einmal als internationaler Kunst­ händler etabliert haben. Der Weg dahin war, wie die Korrespondenz Morells zeigt, durchaus mühevoll. Vor allem ging es darum, Reputation zu gewinnen und einen Kundenstamm aufzubauen. Hierzu musste ein Händler nicht nur die Sammlungen und Vorlieben potentieller Kunden kennen und erschlie­ ßen, sondern gleichzeitig über seinen Marktüberblick ein Angebot an Gemäl­ den verschiedener Preissegmente schaffen. Neben ausreichendem Kapital be­ nötigte Morell außerdem einen ‚Türöffner‘ in der Hofgesellschaft, der dafür sorgte, dass der Händler seine kulturellen Güter überhaupt offerieren durf­ te.“616 Hierbei konnte es unter Umständen zu Interessenskonflikten zwischen den Profitinteressen in der Rolle des Kunsthändlers und den Geschmacksprä­ ferenzen und Ansprüchen des Kenners kommen, wodurch die Kunstagenten und -berater mitunter eine schwierige Position bekleideten. Mit kennerschaftlichem Anspruch entwickelte Morell Wertkriterien, die der Einordnung von Werken in das Œuvre eines Künstlers sowie der Zu­ ordnung von Künstlern zu bestimmten Schulen dienen sollten und nahm damit eine kunsthistorische Einordnung vor.617 Dies hatte unter anderem zur 176 Verbreitung

Folge, dass Morell auch Neuzuschreibungen vornahm – was sich gleichzeitig auf die Preisgestaltung der Werke auswirken konnte –, welche laut North viel­ fach heute noch gültig sind. Darüber hinaus spielte die Provenienz der Werke eine wichtige Rolle und die Herkunft aus berühmten Sammlungen galt gewis­ sermaßen als Qualitätssiegel – vor allem im Kontext der niederländischen Kunst. Sie war somit Teil der Wertsteigerungsmaschinerie. Außerdem konnte ein Werk durch seine graphische Reproduktion und die Qualität derselben eine zusätzliche Steigerung des Wertes sowie der Bekanntheit erlangen. Morell kam nicht nur durch eine umfassende Kenntnis der niederländischen Samm­ lungen und des zeitgenössischen Kunstmarktes zu seinen Erkenntnissen, son­ dern auch durch die Auseinandersetzung mit den Schriften von Arnold Houb­ raken und Jean-Baptiste Descamps sowie dem dort tradierten Kanon.618 Auf diese Weise konnte er wohlüberlegte Empfehlungen aussprechen und diese adäquat begründen. Für diesen ausgewiesenen Kunstsachverstand wurde ihm seitens der Sammler und Käufer große Achtung entgegengebracht. So spielte er nicht nur perfekt die Rolle des versierten Kunstagenten, sondern trug ­wesentlich zur Verbreitung der Kunstkennerschaft bei. Johann Ernst Gotzkowsky (1710–1775) war Manufakturbesitzer, Diplo­ mat, Kunsthändler, Kunstberater und Gemäldesammler in Berlin.619 „Über sei­ne weitläufigen Beziehungen zu Händlern, Agenten, bedeutenden Sammlern und auswärtigen Gesandten erwarb er ab 1750 eine große Anzahl an Bildern aus Dresden und Paris, aus Florenz, Rom und Venedig sowie auf Auktionen in Den Haag und Amsterdam. […] Gotzkowskys Sammlung zählte zu den be­ deutendsten Kabinetten im friderizianischen Berlin und nahm dort einen heraus­ragenden Stellenwert ein. Daher erstaunt es nicht, daß Gotzkowsky von Friedrich II. beauftragt wurde, bedeutende Alte Meister für die Bildergalerie von Sanssouci und das Neue Palais anzukaufen.“620 Derart charakterisiert Nina Simone Schepkowski den Kunstberater und Gemäldesammler einleitend in ihrer Gotzkowsky gewidmeten Studie. Seine Betätigung als Kunstagent kann von ihr für die Jahre 1750 bis 1765 nachgewiesen und analysiert werden. Be­ zogen auf den niederländischen Kunstmarkt und die Versteigerungen in Ams­ terdam und Den Haag wird ersichtlich, dass Gotzkowsky auf den Auktionen die Werke nicht selbst erwarb, sondern dafür Mittelsmänner einsetzte, sodass selbst ein Kunstagent wiederum eigene Kunstagenten bzw. Zwischenhändler beanspruchen konnte.621 Wie er selbst schrieb, musste er „dieserhalb fast durch ganz Europa correspondiren“.622 Dies verdeutlicht erneut die weitrei­ chende Bedeutung des Agentennetzwerkes im 18. Jahrhundert. Der Fokus auf den niederländischen Kunstmarkt spiegelt sich gleichermaßen in Gotzkows­ kys Sammlungsprofil.623 Die Sammlung ist durch verschiedene Kataloge doku­ mentiert, die von Matthias Oesterreich (1716–1778) verfasst wurden. Oester­ Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 177 reich war ein bekannter und gefragter Autor von Sammlungsverzeichnissen und Verkaufskatalogen.624 Er war nicht nur Inspektor der Gemäldegalerie von Friedrich dem Großen (1712–1786) in Potsdam, sondern auch ein Vetter von Karl Heinrich von Heinecken, wodurch sich eine enge und ertragreiche Ver­ bindung zwischen Berlin und Dresden ergab. Gotzkowsky tätigte zahlreiche Ankäufe über von Heinecken in Dresden, der neben der Betreuung der kur­ fürstlichen Gemäldeankäufe für August III. (1696–1763) auch selbst einen ausgiebigen Bilderhandel betrieb.625 Was Gotzkowskys Kennerschaft anbelangt, so steht diese jener ­Morells konträr gegenüber. Während Morell sich umfassend mit der niederländischen Kunst auseinandersetzte, sich ein fundiertes Fachwissen aneignete und eigene Werkkriterien definierte, anhand derer er Gemälde einordnete und zuschrieb, ging es Gotzkowsky vorrangig um die Anmutungsqualität von Werken, also eher um dekorative Aspekte, sowie die Berühmtheit der Künstler, wobei er durchaus ein Gespür für Qualität besaß. Seine Sammlung kann zwar als wert­ voll betrachtet werden, deren Zusammenstellung folgte allerdings keinem stringenten Sammlungskonzept, sondern basiert vielmehr auf dem Zufalls­ prinzip – je nachdem, was ihm von seinen Vermittlern angeboten wurde, was diese favorisierten oder was verfügbar war. Gotzkowsky schwamm einfach mit dem Strom der Zeit.626 Seine Sammlung diente zu einem nicht unerheb­ lichen Grad der Repräsentation und der Selbststilisierung, wobei sie gleichzei­ tig zu einem Treffpunkt und damit einem zentralen Knotenpunkt seines Kon­ taktnetzwerkes avancierte – vergleichbar mit der geschilderten Situation im Hause Goll in Amsterdam. Darüber hinaus fungierte die Sammlung als Schau­ räumlichkeit für Gotzkowskys eigenen Kunsthandel und die Werke konnten nicht nur begutachtet, sondern auch erworben werden. Somit wurde die ‚Kunstvermittlung‘ auf verschiedenen Ebenen wirksam.627 Mit Gerhard Morell und Johann Ernst Gotzkowsky können exem­ plarisch zwei extreme Positionen im Agentenwesen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert angedeutet werden. Einerseits unterscheiden sich bei diesen beiden Protagonisten die Herangehensweise sowie das Verständnis von Ken­ nerschaft und den damit verbundenen Ansprüchen. Andererseits werden die­ selben konstitutiven Elemente deutlich: Ein weitgespanntes internationales Kontaktnetzwerk, eine entsprechende Reputation als Kunsthändler und nicht zuletzt die Bindung an einen Hof als Hauptauftraggeber für den Aufbau einer großen Sammlung. 178 Verbreitung

Die Auftraggeber Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel und Markgräfin Karoline Luise von Baden

Für das Sammeln von Alten Meistern zeichnet sich in Deutschland nach Tho­ mas Ketelsen und Tilmann von Stockhausen folgendes Bild ab: „Von Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1757 wurden an beinahe allen deutschen Fürstenhöfen und Residenzen nach französischem Vorbild neue Bildergalerien begründet. […] Vor allem aber ge­ ben die neu eingerichteten Galerien Auskunft über den riesigen Bestand an bereits vorhandenen Kunstwerken, die nur zu einem äußerst geringen Teil auf dem Kunstmarkt in Deutschland erworben worden waren. Der Ankauf von Gemälden auf dem heimischen Markt zählte zu den seltenen Ausnahmen. So […] fehlte es im Unterschied zu den Märkten in Holland, Frankreich oder Italien überhaupt an ansprechenden privaten Sammlungen, deren Verkauf oder Verauktionierung auch nur eine annähernd ausreichende Zahl von Ge­ mälden für den damaligen Bedarf hätte bereitstellen können. […] Zu diesem Zweck war man an den deutschen Fürstenhöfen auf ein weit verzweigtes Netz von Gesandten, Agenten und Künstlern angewiesen, mit deren Hilfe der aus­ wärtige Markt in den Kunstmetropolen Amsterdam, Den Haag, Paris, London, Venedig oder Rom für die eigenen Zwecke sondiert werden konnte.“628 Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel (1682–1760) begründete Mitte des 18. Jahrhunderts eine beeindruckende Sammlung niederländischer Malerei, die den Grundstock der heutigen Gemäldegalerie Alte Meister der Museumslandschaft Hessen Kassel bildet.629 Durch seine Zeit als Gouverneur in Breda und Maastricht war Wilhelm (Abb. 47) mit der niederländischen Kunst bestens vertraut und begann bereits in jungen Jahren mit seiner Sam­ meltätigkeit.630 Der früheste Beleg für Wilhelms Sammelleidenschaft findet sich für das Jahr 1716 bei Jan van Gool, der über den Aufbau eines kleinen Kabinettes niederländischer Malerei berichtet.631 Die Idee einer universalen Gemäldesammlung – nicht nur der niederländischen, sondern auch der ita­ lienischen und französischen Kunst – verfolgte Wilhelm gemäß der Quellen­ lage ab 1722 mit entsprechenden Gemäldeerwerbungen, wobei die niederlän­ dische Kunst weiterhin an erster Stelle stand. Als Wilhelm im Jahr 1730 Statt­ halter seines Bruders Friedrich I. in der Landgrafschaft Hessen-Kassel wurde, weitete er seine Sammeltätigkeit aus, die schließlich in den Jahren zwischen 1748 und 1752 ihren Höhepunkt erreichen sollte. So fanden Hunderte von Gemälden ihren Weg nach Kassel.632 Ein 1749 begonnenes handschriftliches Inventar gibt Auskunft über die Sammelaktivitäten und bei Wilhelms Tod im Jahr 1760 waren beachtliche 869 Gemälde darin verzeichnet.633 Die Gemälde­ Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 179

47 Anton Wilhelm Tischbein: Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, um 1655– 1660, Museumslandschaft Hessen Kassel

sammlung erreichte jedoch nicht nur einen enormen Umfang, sondern auch – und noch viel wichtiger – ein beeindruckendes Niveau. Tischbein erinnert sich an „Gemahlte auf dem schloss welche in der landgraffen Zimern hingen, und das Kabit genand worde. da gingen wir öfters hin um die Bilder zu sehen. das war eine ausserlehsene Samlung Bilder von Hollandischer Meister. merentheils kleine stücke lauter auserlehsene Meister stücke. Landgraf Wilhelm als er Gowerner in Holland war, hatte er sie selbst da gekauf, und er war ein groser Kenner. da mals kon man noch leicht in Holland Bilder kaufen, und man erhilt sie von der Wandt, wo sie der Mahler selbst hin gehängt hatte, ganz wohl erhalten und ohne die geringste Beschediung.“634 Auch wenn diese Schilderung etwas überspitzt sein mag und der Sprung von den Künstlern des 17. Jahrhunderts zur Sammeltätigkeit des 18. Jahrhunderts zu bedenken ist, bringt sie doch die Veränderungen auf dem Kunstmarkt im Laufe des 18. Jahrhunderts – bezüglich des Zustands der Gemälde sowie der Zugänglichkeit in den Niederlanden – zum Ausdruck. Um eine bedeutende Sammlung zusammenzutragen, bediente sich Wilhelm VIII. eines weitverzweigten Agentennetzwerkes. Zu seinen internatio­ nal agierenden Kunstberatern gehörten bspw. Willem Lormier (1682–1758), Philip van Dijk (1683–1753), Gerard Hoet d. J. (1698–1760) und Govert van Slingelandt (1694–1767) in Den Haag, Antonie Rutgers (1695–1778) in Ams­ terdam, Gerhard Morell (1710–1770) in Hamburg, Baron Heinrich Jacob von 180 Verbreitung

48 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Bildnis­ eines stehenden Herrn, 1639, ­Museumslandschaft Hessen Kassel

Häckel (1682–1760) in Frankfurt oder auch der Kasseler Hofmaler und Galerie­ leiter Johann Georg von Freese (1701–1775). Sie alle wetteiferten um die Gunst des Sammlers, waren jedoch in der Regel nicht exklusiv für diesen tätig. Dass die genannten Personen Aufnahme in das Netzwerk der Agenten und Berater eines kunstsinnigen Landgrafen fanden, ist vielfach auf persönliche Empfehlungen zurückzuführen. Dies ist bspw. der Fall bei der Verbindung zwischen Wilhelm VIII. und Gerhard Morell. Baron Heinrich Jacob von Häckel – selbst Sammler und ein versierter Kunstkenner – beriet den Landgrafen bei seinen Kunsterwerbungen und versorgte ihn darüber hinaus mit vielversprechenden Kontakten.635 So empfahl er dem Kasseler Hof den Kunsthändler Morell mit den Worten: „Ms Morell ist noch einer von den besten operateurs so ich kenne.“636 Diese Empfehlung führte bald zu konkreten Erwerbungen, sodass Rembrandts Bild- nis eines stehenden Herrn – vermutlich des Amsterdamer Bürgermeisters Andries de Graeff – im März 1752 von Wilhelm über Morell für die Kasseler Gemälde­ galerie angekauft wurde (Abb. 48).637 Darauf bezugnehmend schrieb Baron von Häckel bereits am 29. Januar 1752: „[D]as Ms. Morel einen schönen Rembrandt Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 181

49 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Saskia van Uylenburgh im Profil in reichem Gewand, 1642, Museumslandschaft Hessen Kassel

geschickt freut mich sehr, mann muß doch diesen Menschen zum ruhm nach tragen das alles, so Ew. Hoch fürstl. Durchl von Ihm bekommen recht puyk [niederländisch: ausgezeichnet] gut ist, und der Preis Raisonnable.“638 Ein er­ staunliches Lob für den Kunstagenten Morell. Wie man sich den Kontakt zwischen Wilhelm VIII. und seinen Kunst­ agenten und Beratern vorstellen darf, beschreibt Erich Herzog am Beispiel der Korrespondenzen mit Antonie Rutgers in den Jahren 1737/1738: „Aus diesen ersieht man, wie der hessische Fürst durch einen im Kunstleben stehenden Mann über die Ereignisse des holländischen Kunstmarktes auf dem laufenden gehalten und bei seinen Ankäufen beraten wurde. […] Rutgers [gab] davon Nachricht und beeilte sich, die beiden Kataloge sogleich nach ihrem Erschei­ nen, mit seinen Bemerkungen versehen, an Wilhelm VIII. abzusenden. Aus den weiteren Briefen ersieht man, daß dieser dann die Kataloge mit Angabe seiner Wünsche zurückzusenden pflegte, seine Berater die betreffenden Bilder prüf­ ten und darüber berichteten; dann erst erfolgte der Auftrag oder die etwaige anderweitige Entscheidung. Weiter übermitteln die Briefe die interessante Tatsache, daß das Bestreben Wilhelms darauf gerichtet war, möglichst solche Werke zu gewinnen, die als ‚Gegenbilder‘, wie man damals sagte, zu Stücken, die sich bereits in seinem Besitz befanden, verwertet werden konnten.“639 Auch die niederländischen Kunstagenten standen in direkter Verbin­ dung zueinander. Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Angebote 182 Verbreitung von Gerard Hoet d. J. für Kassel meist von Govert van Slingelandt begutachtet wurden.640 Während Hoet aktiv Ankäufe vermittelte, war van Slingelandt vor allem als Gutachter für Wilhelm VIII. tätig, denn er galt als einer der ver­ siertesten Kunstkenner seiner Zeit. Dies spiegelt sich auch in seiner eigenen erlesenen Sammlung von nur 40 Werken, die heute den Kernbestand der Sammlung des Mauritshuis in Den Haag darstellt. Von Bedeutung für die Kasseler Sammlung ist in diesem Kontext der spektakuläre Ankauf des Kabi­ nettes des Delfter Sammlers Valerius Röver (1686–1739), welches Wilhelm aus seiner Zeit als Gouverneur in den Niederlanden persönlich kannte, mit 64 hochkarätigen Werken im Jahr 1750.641 Er erreichte es dank der Vermittlung von Gerard Hoet d. J., die Sammlung für die damals beachtliche Summe von 40.000 Gulden – heute rund 431.000 Euro – direkt von der Witwe Rövers zu erwerben.642 So gelang es ihm, anderen Interessenten zuvorzukommen, denn es herrschte teils ein erbitterter Wettstreit unter den Sammlern. Indem er das Kabinett fast vollständig erwarb, konnte zugleich verhindert werden, dass die­ ses bei einer späteren Nachlassauktion zerschlagen wurde. Der Ankauf des Röver’schen Kabinettes, das Mitte des 18. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Privatsammlungen der Niederlande zählte, bereicherte die Kasseler Sammlung um einige heute weltberühmte Gemälde.643 Die von Wilhelm VIII. brieflich geäußerte „unaussprechliche Genugtuung und Freude“ sind verständlich, da sich unter den 64 Gemälden acht Meisterwerke von Rembrandt Harmensz. van Rijn befanden.644 So gelangten bspw. das Portrait der Saskia van Uylenburgh im Profil in reichem Gewand (Abb. 49), das Bildnis eines federschneidenden Mannes, das Bildnis des Nicolaes Bruyningh sowie das Bildnis eines Greises mit goldener Kette nach Kassel.645 Es ist bemerkenswert, dass es Wilhelm VIII. glückte, über dreißig Gemälde Rembrandts – gemäß der Zuschreibungen des 18. Jahrhun­ derts – zu erwerben und damit eine der größten Rembrandt-Sammlungen Europas zusammenzutragen.646 Die Niederländer-Sammlerin Karoline Luise von Baden (1723–1783) pflegte beim Aufbau ihres erlesenen Gemäldekabinettes ebenfalls Beziehun­ gen zu zahlreichen Kunsthändlern, Agenten und Beratern (Abb. 50).647 Zu ihrem europaweiten Korrespondenznetzwerk zählten bspw. Johann Goll van Frankenstein d. Ä. (1722–1785), Gerret Braamcamp (1699–1771) und Pieter Fouquet (1729–1800) in Amsterdam, Gottlieb Heinrich Treuer (1696/1697– 1780) in Den Haag, Jean-Henri Eberts (1726–1803) und Johann Georg Wille (1715–1808) in Paris, Georg Wilhelm Fleischmann (1693–1776) in Straßburg, Johann Friedrich Reiffenstein (1719–1793) in Rom, oder auch Baron Heinrich Jacob von Häckel (1682–1760), Johann Benjamin Ehrenreich (1733–1806) und Christian Benjamin Rauschner (1725–1793) in Frankfurt – und viele mehr. Gerhard Morell soll ihr seine Dienste ebenfalls angeboten haben, worauf sie Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 183

50 Karoline Luise von Baden: Selbstbildnis, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

jedoch nicht einging.648 Die Markgräfin ließ sich von ihren Agenten mittels ausgedehnter Korrespondenzen umfassend über Künstler und Werke, aber auch bezüglich der aktuellen Kunstmarktsituation informieren, was aufschlussreich in ihrem Nachlass dokumentiert ist.649 Exemplarisch herausgegriffen werden soll zunächst die Verbindung zwischen der Markgräfin und dem Sammler Johann Goll van Frankenstein d. Ä., da sie von besonderer Art ist. Goll vermittelte wiederholt Verkäufe zwischen den Niederlanden und Deutschland über Pieter Fouquet. Dabei ging es nicht nur um Ankäufe für Karlsruhe, sondern auch um Verkäufe in Amsterdam. Karoline Luise beabsichtigte im Jahr 1766 zwanzig Gemälde ihrer Sammlung zu veräußern und sandte diese nach Amsterdam. Goll hatte vorab angeboten, die Markgräfin beim Verkauf der Werke zu unterstützen.650 Dies gelang nicht in allen Fällen, sodass die restlichen Werke später zur Versteigerung gegeben wurden, wo sie jedoch nicht die erhofften Preise erzielten – wobei es sich um schwächere Bilder gehandelt haben dürfte, die abgegeben wurden. Daraus ließe sich schlussfolgern, dass Goll zwar ein versierter Kenner und Sammler, jedoch als Gelegenheitskunsthändler weniger erfolgreich war. In der Korrespondenz mit Karoline Luise von Baden sowie mit ihrem Agenten Gottlieb Heinrich Treuer in Den Haag äußerte Goll sich hingegen verschiedentlich zur Kunst­ marktsituation und gab seine hilfreiche Einschätzung weiter. Diese nahm ­Karoline Luise von Baden gerne an.651 184 Verbreitung

51 Jan Davidsz. de Heem: Girlande von Blumen und Früchten, um 1660, Staat­ liche Kunsthalle Karlsruhe

Der eben erwähnte und in Amsterdam ansässige Sammler und Kunst­ händler Pieter Fouquet gehörte zu den zentralen Figuren des Kunstmarktge­ schehens jener Zeit.652 In dieser Funktion war er mehrfach in Kunstankäufe für Karlsruhe involviert. So wurde bspw. das Werk Junge mit Vogelkäfig im Fenster (vgl. Abb. 89) von Frans van Mieris d. Ä. 1765 in Amsterdam für 115 Gulden von Pieter Fouquet angekauft, vermittelt durch Gottlieb Heinrich Treuer und Johann Goll van Frankenstein d. Ä.653 Und bereits 1762 gelangte das Gemälde Girlande von Blumen und Früchten (Abb. 51) von Jan Davidsz. de Heem über Fouquet in die Sammlung.654 Pieter Fouquet war jedoch nicht nur für deut­ sche Sammler tätig, sondern hatte auch in den Niederlanden namhafte Auf­ traggeber.655 Für Fouquets Tätigkeit als Kunsthändler können zahlreiche Bei­ spiele angeführt werden und er tritt auf Auktionen immer wieder als Käufer in Erscheinung. Auf der Auktion der Sammlung von Willem Lormier im Jahr 1763 soll Fouquet bspw. für rund 20.000 Gulden eingekauft haben, wie Goll der Markgräfin in einem Brief berichtet.656 Eine zentrale Funktion nimmt Fou­ quet schließlich im Kontext der Sammlung von Jan Jansz. Gildemeester ein, da dieser einen Großteil seiner Sammlung über ihn erworben hat und Fouquet dessen wichtigster Kunstagent war.657 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch Karoline Luise von Baden diesen umtriebigen und versierten Kunsthändler für ihren Sammlungsaufbau akquirierte. Zwischengeschaltet ­waren jedoch stets weitere Berater. Mitunter setzte sich die Markgräfin über die Empfehlungen und Gut­ achten ihrer Berater hinweg. Wenn sie sich nicht allein auf die Begutachtung durch ihre Agenten verlassen wollte und die Möglichkeit bestand, sich die Werke zur Ansicht zukommen zu lassen, so machte sie davon Gebrauch. Dies Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 185

52 : Blumenstrauß, 1715, 53 Frans van Mieris d. Ä.: Bildnis eines Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ­jungen Mannes, um 1660, Staatliche Kunst­ halle Karlsruhe

konnte derart aussehen, dass die Markgräfin eine Gemäldeauswahl von Baron von Häckel gesandt bekam, sich davon zwei Stillleben – von Rachel Ruysch (Abb. 52) – aussuchte und sich mit einem Selbstbildnis (vgl. Abb. 50) für die Sendung bedankte, was vom Baron wiederum mit einem Portrait – von Frans van Mieris d. Ä. (Abb. 53) – erwidert wurde.658 Karoline Luise wählte stets sorgfältig und mit großer Kennerschaft die Werke für ihr Gemäldekabinett aus. Darüber hinaus gab sie ihren Kunstagenten konkrete Anweisungen. Bspw. ermahnte sie die Agenten, dass diese sich bei den Auktionen an ihre Preisvorstellungen halten und keinesfalls das von ihr gesetzte Gesamtlimit überschreiten sollten. Da sie sich intensiv mit den aktuellen Auktionsergeb­ nissen befasste, hatte sie einen guten Überblick über den Kunstmarkt und kannte durchaus die angemessenen Preise. Darüber hinaus wollte sie inkog­ nito agieren, da sie andernfalls Preissteigerungen befürchtete.659 Diese Strate­ gie zahlte sich aus: Zwischen 1761 und 1773 erwarb die Markgräfin insgesamt 57 Gemälde auf dem niederländischen Kunstmarkt – 34 bei Auktionen und 23 direkt bei Sammlern oder Händlern.660 Die Sammlung von Karoline Luise von Baden sollte schließlich rund 200 Werke umfassen, mit einem Schwerpunkt auf der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts sowie der französischen Kunst des 18. Jahrhunderts, wobei 186 Verbreitung ihr Interesse insbesondere der Genremalerei, den Stillleben und den Landschaf­ ten galt. Die Werke sind heute Teil der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Das Gemäldekabinett von Karoline Luise von Baden wurde im Rahmen eines weit gefassten Forschungsprojektes untersucht und unter verschiedenen Facet­ten beleuchtet, was interessante sowie neue Erkenntnisse über die Sammlung selbst und über den Kontext des Kunstsammelns im Zeitalter der Aufklärung ans Licht gebracht hat. Der Ausstellungskatalog Die Meister-Sammlerin Karoline Luise von Baden sowie insbesondere der Aufsatzband Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis – Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext legen davon Zeugnis ab.661 Holger Jacob-Friesen umreißt die Besonderheit der Sammlung dort treffend: „Karoline Luises ‚Mahlerei-Cabinet‘ ist durch ihren Geschmack bestimmt, nicht durch ein enzyklopädisch auf Vollständigkeit ab­ zielendes oder gar kunsthistorisches Konzept. Dieser Geschmack ist klar um­ rissen und selektiv, gelegentlich aber durchaus offen für abseits Liegendes.“662

Fazit Betrachtet man das Agentenwesen, so zeigt sich resümierend folgendes Bild: Die Kunsthändler, Agenten und Berater standen in einem Konkurrenz­ verhältnis zueinander und bedienten stets verschiedene Kunden gleichzeitig, während diese wiederum Kontakte zu verschiedenen Kunsthändlern und Agenten pflegten, um sich beim Aufbau sowie der Vervollständigung ihrer Sammlungen optimal beraten zu lassen und die gewünschten Werke zu erhal­ ten – wenn möglich zum günstigsten Preis, ohne Konkurrenzbieter. Der Auf­ bau eines Vertrauensverhältnisses war unerlässlich und der Kunstagent musste sich als vertrauenswürdiger Experte erweisen.663 Jeder Agent verfolgte seine eigenen Strategien und Vorgehensweisen, die mitunter in konkreter Abspra­ che mit den Auftraggebern erfolgen konnten. Die Agenten kannten die Markt­ mechanismen, sodass sie mit diesen spielen oder diese auch geschickt unter­ wandern konnten. Durch die gleichzeitige Vernetzung der Kunstagenten un­ tereinander entstand ein vielschichtiges Kontakt- und Informationsnetzwerk, das den Erfolg des Agentenwesens begründete.664 So war das Agentenwesen im 18. Jahrhundert ein zentraler Bestandteil eines europäischen Kulturtransfers.

3.2.3 Negative Seiten des Kunsthandels

Der Kunsthandel des 18. Jahrhunderts hatte allerdings auch seine Schatten­ seiten. Hierzu gehören bspw. das Auseinanderbrechen von niederländischen Kunstsammlungen sowie der massenhafte Verkauf von Gemälden des ‚Golde­ nen Zeitalters‘, die daraufhin über ganz Europa verteilt wurden. Dies wurde von einigen Zeitgenossen mit großer Sorge beobachtet. Ergänzend kommt die Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 187

54 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Die Heilige Familie mit dem Vorhang, 1646, Museums­ landschaft Hessen Kassel

Verbreitung der niederländischen Kunst durch zwielichtige Kunsthändler und unrühmliche Praktiken hinzu. Auch diese Aspekte sind Teil der ‚Nieder­ länder-Rezeption‘, die es zu berücksichtigen gilt.

Zwielichtige Kunsthändler und unrühmliche Praktiken

Der unter Zeitgenossen teils heftig geführte Diskurs um die Echtheit von Kunstwerken hängt unter anderem damit zusammen, dass es durchaus Kunst­ händler gab, die sich nicht nur mit dem Handel von authentischen Meister­ werken begnügten. Bekannt für dieses zweifelhafte Vorgehen ist Mitte des 18. Jahrhunderts der in Den Haag ansässige Kunsthändler und Sammler Wil­ lem Lormier (1682–1758).665 Lormier hat immer wieder Werke seiner Samm­ lung veräußert, die auf diese Weise bspw. in die Sammlungen von Johannes Lubbeling oder Pieter Leendert de Neufville in Amsterdam oder auch nach Deutschland in jene der Landgrafen von Hessen-Kassel gelangten – trotz der teils horrenden Preise.666 So erwarb Wilhelm VIII. von Lormier am 18. Juni 1752 Die Heilige Familie mit dem Vorhang (1646) von Rembrandt Harmensz. van Rijn (Abb. 54). Hierbei handelt es sich um ein Galeriestück mit einem gemalten 188 Verbreitung

55 Caspar Netscher: Ein Maskenscherz, 1668, Museumslandschaft Hessen Kassel

Vorhang, der den Betrachter täuschen soll, weshalb das kleinformatige Gemäl­de der Trompe-l’Œil-Malerei zuzurechnen ist und die antike Künstleranekdote­ über den berühmten Wettstreit zwischen Zeuxis und Parrhasios zitiert.667 Weitere sechs Werke gelangten durch Lormier in die Kasseler Sammlung, darunter das Gemälde Ein Maskenscherz (1668) von Caspar Netscher (Abb. 55), das der stolze neue Besitzer in einem Brief an seinen Sammlerfreund Baron von Häckel mit den Worten „so stark geschildert als ein Titian“ rühmt.668 Erwähnenswert ist, dass der Landgraf für das Gemälde von Netscher doppelt so viel zahlte wie für jenes von Rembrandt – nämlich 1.655 Gulden, umgerechnet rund 17.000 Euro.669 Die Bekanntheit der Sammlung Lormier spiegelt sich ferner in zahl­ reichen zeitgenössischen Kommentaren – so auch bei Jan van Gool, der die Sammlung Mitte des 18. Jahrhunderts als „het beroemste Kabinet […] dat in Hollant te vinden is“ bezeichnet.670 Die umfangreiche Kunstsammlung kam am 4. Juli 1763 in Den Haag im Hause der Witwe Lormier zur Auktion, zusam­ men mit dem Katalog: Een groot en uytmuntent cabinet schilderyen der voornaamste Italiaansche, Fransche, Engelsche, Hoogduytsche en Nederlandsche meesters; in lan- ge jaaren, met veel moeite en groote kosten by een verzameld, en nagelaten door wylen den Heere agent Willem Lormier.671 Der Titel des Versteigerungskataloges bezeichnet Willem Lormier nicht nur als (Kunst-)Agenten, sondern umreißt auch die Vielfalt der Sammlung, sowohl was die Internationalität der Künstler betrifft als auch die Bandbreite von Alten Meistern bis hin zu zeitgenössischen Künstlern. Den Schwerpunkt der Sammlung bildet jedoch – wie nicht anders zu erwarten – die niederländische Kunst. Die rund 400 Gemälde hatte Lor­ mier auf über 30 Versteigerungen in Holland und Flandern für rund 110.000 Gulden – umgerechnet etwa 1.185.000 Euro – erworben. Die Ankaufspraxis Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 189

Lormiers lässt sich gut nachvollziehen, da er penibel die Details zu Zeitpunkt, Provenienz und Preis der Erwerbungen notierte.672 Der Katalog der Sammlung Lormier wurde in einer Auflage von 600 Stück in zwei Sprachen – Niederlän­ disch und Französisch – gedruckt und zusammen mit werbewirksamen An­ kündigungen einem internationalen Interessentenkreis offeriert. Die Verstei­ gerung war ein großer Erfolg – sie zog eine internationale Klientel an und ­erzielte einige beachtliche Preisrekorde. Die Sammlung kam schließlich für insgesamt 137.213 Gulden – rund 1.376.000 Euro – unter den Hammer.673 Zu den Käufern der dort verauktionierten Werke zählten neben bekannten nie­ derländischen Sammlern unter anderem der Hamburger Kunsthändler Ger­ hard Morell oder die Sammlerin Karoline Luise von Baden. Lormier besaß jedoch nicht nur Originale, sondern auch Kopien und Fälschungen, außerdem retuschierte und überarbeitete Werke.674 Diese Prob­ lematik – der Kopien bzw. Fälschungen sowie der Restaurierungen – wurde unter Sammlern, Kunstagenten und Händlern immer wieder thematisiert und durchaus kontrovers diskutiert. Auf den Zustand von Gemälden, verbunden mit der damaligen Restaurierungspraxis, wurde bereits im Zusammenhang mit den echten und vermeintlichen Kennern hingewiesen, verbunden mit Tischbeins Stellungnahme zu dieser Thematik.675 Die Kunstagenten hatten eine Verantwortung gegenüber ihren Auftraggebern, da sie für die Qualität sowie die Authentizität der Werke bürgen mussten. Dementsprechend schrieb Gerhard Morell in einem Brief, dass er „solchs auf [s]eine Verantwortung neh­ men will, daß keine Copien oder retouchirte Sachen sondern wahrhafste und wohl conditionierte Sachen“ erworben werden.676 Die Identifikation eines Werkes als Original und die damit einhergehende Abgrenzung von Werken der Schule, Kopien, Adaptionen oder sogar Fälschungen war von zentraler Bedeutung.677 Verständlicherweise fürchteten sich die Sammler vielfach vor Kopien in ihren Sammlungen, da sie deren Wert schmälerten. Dementspre­ chend kennzeichnet die Frage nach der Authentizität von Werken den Brief­ wechsel zwischen Sammlern und ihren Agenten. Besonders gut überliefert ist dies im Kontext der Sammlung von Karoline Luise von Baden, die darin ihre Kennerschaft zum Ausdruck bringt.678 Jan van Gool kritisierte die Entwicklung des Kopierwesens bereits Mit­ te des 18. Jahrhunderts: „Auch gibt es schon genug Kopien in allen Ecken der Welt: ganz Deutschland ist vollgestopft mit unechten Stücken; denn so ein Erzbetrüger, von dem gesagt wird, dass er nun aus dem Leben geschieden ist, hat drei, vier Kopien von einem Stück anfertigen lassen und an mehrere Höfe, wo man nicht so genau hinschaute oder der Einäugige König war, verkauft; wohl auch an andere, wenn er nur die Gelegenheit fand, seine Schelmen­ stücke ausführen zu können.“679 190 Verbreitung

Bei dieser Thematik sind jedoch gleichfalls die Ausnahmen zu beden­ ken. Zum einen wurden Kopien nach großen Meistern mitunter bewusst er­ worben, bspw. aus finanziellen Gründen, als Erinnerung an veräußerte Werke oder zur Komplettierung von Sammlungsteilen – eine durchaus gängige Pra­ xis, die von Auftragskopien bis hin zu reinen Kopiensammlungen im 19. Jahr­ hundert reichen konnte.680 Zum anderen ist zu unterscheiden zwischen Kopien als zentralem Bestandteil der künstlerischen Ausbildung, wie dies bereits seit Jahrhunderten tradiert wurde, und Kopien als Fälschungen mitsamt Alterungs­ spuren oder Signaturen. Entscheidend für das Kunstsammeln war das auf der Kennerschaft des Sammlers oder Agenten sowie der Integrität des Kunsthänd­ lers basierende Wissen, dass es sich um eine Kopie handelt, die daraufhin be­ wusst als solche in eine Sammlung integriert werden konnte.

Der internationale Aufkauf von Kunstschätzen

Dass durch die zahlreichen Versteigerungen von Kunstwerken im Rahmen der Nachlassauktionen viele bedeutende niederländische Sammlungen des 18. Jahr­hunderts auf den Markt gelangten und auf diese Weise zerschlagen und über die Niederlande hinaus in andere Länder – insbesondere Deutsch­ land, Frankreich und England – zerstreut wurden, liegt auf der Hand. Über diesen Umstand, dass berühmte Sammlungen und Werke derart das Land ver­ ließen, äußerten sich bereits die Zeitgenossen kritisch. Der niederländische Sammler und Kunstagent Govert van Slingelandt thematisiert dies wiederholt in der Korrespondenz mit Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. Ende des Jahres 1749 berichtete er nach Kassel: „Sie dürfen sich, Monseigneur, keine Vorstellung von den Niederlanden machen, wie Euer Durchlaucht sie gekannt haben.“681 Er ergänzt, dass französische und englische Händler und Sammler viele Werke gekauft und in ihre Länder mit­ genommen haben und dass die Preise durch die hohe Nachfrage stark gestie­ gen seien. Darüber hinaus drückt van Slingelandt in einem späteren Brief sein Bedauern darüber aus, dass die Niederlande die berühmte Sammlung von ­Valerius Röver – von der bereits die Rede war – verloren haben, wobei van Slingelandt selbst in den Verkauf im Jahr 1750 involviert war. So schrieb er, noch bevor die Sammlung die Niederlande verlassen hatte, in einem Brief an den Käufer Wilhelm VIII.: „Ich halte das Kabinett des seligen Herrn Röver für das einzige in unserem Land, das noch der Aufmerksamkeit Ihrer Hoheit wert ist, und obwohl ich es nur mit Bedauern fortgehen sehe, glaube ich, daß Ihre Hoheit keinen bessern Ankauf tätigen kann, als auf diese Weise mit einem Mal eine große Menge außergewöhnlich guter Gemälde zu erwerben, darun­ ter mehrere mit erhabenem Geschmack.“682 Und kurze Zeit später kommt van Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 191

Slingelandt nochmals darauf zurück: „Es würde meinem offenherzigen und ehrlichen Charakter widerstreben, Ihnen zu verschweigen, mein Herr, daß ich mit einer gewissen Mißgunst diese Perle aus der Krone unserer Gemälde­ sammlungen fortziehen sehe, […] doch angesichts der Tatsache, daß wir die Kollektion nicht hier halten konnten, tröste ich mich mit dem Gedanken, daß wir sie an Sie haben liefern können. Das Kabinett wird übrigens nicht auf Reisen gehen, ohne daß ich mich nicht zuvor von Frau Rembrandt, den Her­ ren Dou, Rubens, Van Dijk und Potter verabschiedet habe.“683 Hier wird die Liebe der Niederländer zu ‚ihrer‘ Kunst, die Teil der nationalen Identität war und ist, mehr als deutlich. In der umfangreichen Korrespondenz bezüglich dieses wichtigen Ankaufes wurde zuvor seitens des Käufers wiederholt die Be­ fürchtung geäußert, dass ihm, dem Landgrafen, womöglich andere Interes­ senten zuvorkommen könnten.684 Eine grundsätzliche Befürchtung, die viele Sammler geteilt haben dürften, da es stets zahlungskräftige(re) Konkurrenten gab. In diesem für Kassel glücklich endenden Fall könnte man fast von einem ‚Coup‘ sprechen, der die Mechanismen des Kunstmarktes aushebelte und durch die Vermittlung zweier Kunstagenten – Govert van Slingelandt und Gerard Hoet d. J. – einen direkten Ankauf von den Erben am Markt vorbei ermöglichte. Gleichzeitig ist diese spektakuläre Erwerbung eines der wenigen Beispiele, bei denen eine Sammlung in Gänze veräußert und nicht wie sonst üblich auf der Nachlassauktion auseinandergerissen wurde.685 Auch weitere Zeitgenossen vertraten eine ähnliche Meinung wie van Slingelandt und taten diese teils vehement kund. Jan van Gool zählte zu den schärfsten Kritikern. Er beklagte die Auswüchse des niederländischen Kunst­ marktes und rügte die Kunsthändler dafür, „[…] dat de schildereyen tot zoda­ nige prys gestygert zyn, door’t verzenden naar buitenlandsche hoven, omdat het prinselyk geworden is schilderyen te koopen“.686 Da immer mehr auslän­ dische Käufer den niederländischen Kunstmarkt regelrecht stürmten, stiegen die Preise derart an, dass die Werke für die einheimischen Sammler kaum noch erschwinglich waren und dadurch keine neuen qualitätvollen Kabinette entstehen konnten. Jan van Gool sprach sich daher für den Erhalt der Samm­ lungen und Meisterwerke in den Niederlanden aus, da sie Zeugnisse der eige­ nen Kultur und Geschichte seien. Er geht sogar so weit und spöttelt, dass die Niederländer bald ins Ausland gehen müssten, um niederländische Kunst ­sehen zu können.687 Interessant wird die Kritik van Gools an der damals aktu­ ellen Kunstmarktsituation mit dem massenhaften Ausverkauf von Werken zu überteuerten Preisen insbesondere durch den davon ausgelösten Disput mit seinem Zeitgenossen Gerard Hoet d. J., der selbst Kunstschriftsteller und Kunsthändler war. Holger Jacob-Friesen beurteilt die Rolle Hoets hierbei fol­ gendermaßen: „In zwei Streitschriften konterte er van Gools Attacken auf den 192 Verbreitung

Kunsthandel. Hoet hatte ein positives Verhältnis zur kommerziellen Seite der Kunst und suchte den Markt nach Kräften zu stärken. Dies gelang ihm vor allem durch eine bedeutende zweibändige Publikation, die 1752 unter dem Titel Catalogus of Naamlyst van Schilderyen, met derzelver Pryzen, Zedert een lan- gen reeks van Jaaren zoo in Holland als op andere Plaatzen in het openbaar verkogt. Benevens een Verzameling van Lysten van Verscheyden nog in wezen zynde Cabinet- ten erschien. Dieses Werk ist eine Kompilation von gut 200 Auktionskatalogen mit den jeweils erzielten Preisen. Es wurde zu einem wichtigen Handbuch europäischer Sammler, die sich mit dessen Hilfe eine Vorstellung vom Markt­ wert der begehrten Bilder machen konnten.“688 Zur Praxis des Aufkaufs von Kunstschätzen durch internationale Kunst­ händler und Sammler äußert sich auch Tischbein in seinen Lebenserinnerun­ gen und Autographen, wie bereits zitiert: „[I]n Hannover hatte der H. v Grote eine schöne Samlung Bilder, die H. Grünwuth auch Kaufte für 8 tausend und 5 hundert thaler. er suchte 100 stücke aus. da runder war ein Bild von Rem­ brand das ihm den ganzen Kauf bezahlen müsse. […] H. Grünwuth kam nog einige mahl nach Deutschland, und machte die Nachlasse in diesser Gegend die Kunst schäze weg zu führen, welche ihm willig für seine Goldene Gimane von den geschmacklossen vor gereicht wordn. Ich war mit ihm in Hildes­ heim, wo er für ein bild von Rubens das im Tohm hing 100 Luis:dr both. es worde ihm aber geweigert. Nach meiner zurückkunft aber habe ich es da ver­ gebens gesucht, es war weg. H. Wübels aus Amsterdam gereiz von diessen guten käufe des H. G. machte auch einige reisen, durch diesse Gegent. und führte noch den rest schöne bilder für seine Ducaten weg.“689 Tischbeins Schilderung, die sich auf Vorgänge in Deutschland bezieht, zeigt, dass es sich um eine allgemeine Entwicklung und Beobachtung der Zeit handelt, die sich nicht auf ein Land begrenzen lässt. Er führt zwei Namen an, einen Herrn Grünwuth und einen Herrn Wübels, die im Zusammenhang mit der Verstei­ gerung der Sammlung Braamcamp bereits kurz erwähnt wurden und nun im Kontext des Kunstmarktgeschehens verortet werden sollen. Letzterer kann als der in Deutschland geborene und in Amsterdam lebende Maler und Sammler Jan Wubbels (um 1728–1791) identifiziert ­werden. Seine Aktivitäten auf dem deutschen Kunstmarkt werden bspw. von Thomas Ketelsen und Tilmann von Stockhausen in Zusammenhang mit der Sammlung von August Gottfried Schwalb (1741–1777) in Hamburg analy­ siert: „Dürr zufolge wurde sie 1782 für 6.000 Ducaten an den Maler und Kunsthändler Jan Wubbels in Amsterdam verkauft. Nach den Angaben von Friedrich Johann Lorenz Meyer hingegen soll die Sammlung 1780 an den Bankier Hope in Amsterdam für 33.000 Gulden verkauft worden sein. Der Besitzer sei mit der Sammlung nach England ausgewandert. Für die Annahme Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 193

Dürrs spricht, daß ein großer Teil der Sammlung am 10. August 1785 auf einer Auktion in Amsterdam zum Verkauf gelangte. Auf dieser Auktion hat der Kunsthändler Jan Wubbels vermutlich zahlreiche Bilder erstanden. Insgesamt lassen sich in dem 356 Lose umfassenden Versteigerungskatalog in Amster­ dam 197 Bilder aus der Sammlung Schwalb nachweisen, von denen zahlreiche ihre Zuschreibung veränderten. […] Gemälde der holländischen Schule bilde­ ten den umfangreichsten Teil der Sammlung, darunter vor allem Gemälde der ‚Italianisanten‘. […] Auffallend ist der relativ hohe Anteil der italienischen Gemälde, gefolgt von Werken der deutschen und flämischen Schule.“690 Die Sammlung Schwalb war damals allgemein bekannt. An sie erinnert sich bspw. Johann Georg Büsch (1728–1800): „Mein seliger Schwager, August Gottfried Schwalb, sammelte in den letzten eilf Jahren seines so früh geendig­ ten Lebens eine Gemäldesammlung, welche bald eine der ersten Merkwürdig­ keiten unserer Stadt ward, die jeder verständige Reisende besah. […] Einige Jahre nach seinem 1777 erfolgten Ableben verkaufte seine Witwe diese schö­ ne Sammlung für eine Summe, die außer dem Einkaufpreise aller Stücke noch einen beträchtlichen Theil von dessen Zinsen übrig ließ. Späterhin ist keine neue beträchtliche Gemäldesammlung, neben der schon alten Stenglischen, in Hamburg entstanden.“691 Tischbein erwähnt in seinen Lebenserinnerun­ gen zu den Lehrjahren in Hamburg ebenfalls den Sammler August Gottfried Schwalb: „Dan machte ich Bekandschaft mit H. Schwalbe, ein liebhaber der Kunst […].“692 Wie das Beispiel, das Ketelsen und von Stockhausen anführen, zeigt – welche die Sammlung Schwalb „zu den bedeutendsten und wohl auch bekanntesten Privatsammlungen in Deutschland“ zählen –, wurden niederlän­ dische Gemälde, die in deutsche Sammlungen gelangt waren, mitunter zu­ rück in die Niederlande verkauft, was für deren überragende Qualität spricht. Von dort aus wurden sie wiederum über den niederländischen Kunstmarkt erneut ins Ausland veräußert.693 Für den 10. August 1785 kann in Amsterdam im ‚Oudezyds Heeren Logement‘ eine Auktion nachgewiesen werden, zu­sam­ men mit einer 400 Katalognummern umfassenden Publikation: Catalogus van een kabinet met konstige en fraaije schildereyen, door veele Italiaansche, Fransche, Brabandsche en Nederlandsche meesters.694 Die Auktionatoren waren – wie nicht anders zu erwarten – Philippus van der Schley, Cornelis Ploos van Amstel, Hendrik de Winter, Jan Yver und Jan de Bosch. Mit dem erwähnten Bankier Hope ist vermutlich der niederländische Sammler Henry Hope (1735–1811) gemeint, ein Neffe der Amsterdamer Sammler Adrian Hope (1709–1781) und John Hope (1737–1784), der im Jahr 1794 nach London übersiedelte.695 Bei „H. Grünwuth“ handelt es sich um den Engländer John Greenwood (1727–1792), der zunächst „nach allen bekannten Namen zeichnete und ­radierte“, wie Horst Gerson in seiner Studie Ausbreitung und Nachwirkung der 194 Verbreitung

56 Jan Steen: Die Dorfschule, um 1668–1672, Scottish ­National Gallery Edinburgh

holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts schreibt, bevor er ab dem Jahr 1776 ausschließlich als Kunsthändler tätig war.696 Gerson bespricht ebenfalls mit knappen Worten die von Tischbein erwähnte Begebenheit: „Dasselbe gilt von dem Besitz des Herrn Heinrich Grote (1675–1753), dessen beste niederländi­ sche Bilder 1775 vom englischen Händler Greenwood erworben und im fol­ genden Jahr bei Christies in London versteigert wurden.“697 Das Vorgehen des Kunsthändlers Greenwood beim Ankauf der Sammlung Grote in Tischbeins Schilderung ist signifikant. Greenwood trifft nicht nur eine Auswahl von 100 Werken, sondern ein einzelnes Werk von Rembrandt Harmensz. van Rijn soll ihm zudem den gesamten Kauf rückwirkend durch dessen Weiterverkauf ­finanzieren.698 Laut Tischbein handelt es sich dabei um ein Gemälde mit der Anbetung der Heiligen drei Könige und zugleich um „eins der schönsten Meister­ stücke“, das er von Rembrandt gesehen habe. Tischbein, der Greenwood offen­ bar persönlich kannte, kritisiert dessen Geschäftsgebaren und den massiven Aufkauf von Kunstschätzen, der nicht nur für Deutschland gilt, sondern glei­ chermaßen für die Niederlande. Auch er selbst war in späteren Jahren vom zielstrebigen Kaufverhalten englischer Händler und Sammler betroffen, die ihm eigene Ankäufe vereiteln sollten.699 Tischbein weiß zu berichten: „H. Grün­ wuth kam nog einige mahl nach Deutschland, und machte die Nachlasse in diesser Gegend die Kunst schäze weg zu führen, welche ihm willig für seine Goldene Gimane von den geschmacklossen vor gereicht wordn.“700 Und wei­ ter heißt es in Bezug auf Jan Wubbels: „H. Wübels aus Amsterdam gereiz von diessen guten käufe des H. G. machte auch einige reisen, durch diesse Gegent. und führte noch den rest schöne bilder für seine Ducaten weg.“701 Eine Erwer­ Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 195 bung Greenwoods, die für den niederländischen Kunstmarkt nachgewiesen und zudem mit einer bekannten Sammlung in Verbindung gebracht werden kann, ist der Ankauf der Dorfschule von Jan Steen (Abb. 56) auf der Auktion der Sammlung von Gerret Braamcamp am 31. Juli 1771 in Amsterdam für 1.200 Gulden, die auf diese Weise ihren Weg nach England fand und sich heute in der Scottish National Gallery in Edinburgh befindet. Greenwood kaufte auf der Auktion Braamcamp insgesamt drei Werke für 2.870 Gulden und Wubbels fünf Werke für 1.698 Gulden, wie der Veröffentlichung der Auk­ tionsergebnisse von Johannes Smit zu entnehmen ist.702 Hier schließt sich erneut der Kreis der zentralen Personen und Knotenpunkte im Netzwerk der ‚Niederländer-Rezeption‘ und des internationalen Handels mit der Kunst der Alten Meister.

Der Kunstmarkt nach dem Siebenjährigen Krieg

Das Jahr 1763 gilt als ein wichtiger Wendepunkt im Kontext des europäischen Kunstmarktes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Kriegsausbruch im Jahr 1756 hatte die Sammeltätigkeit an den Höfen und in den größeren Städten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, aber auch in ganz Mitteleuropa erheblich eingeschränkt – sofern einige wenige Sammler nicht unmittelbar von den Kriegsgewinnen profitierten, wie dies für einige Kriegs­ gewinnler unter den Kaufleuten galt, die ihren Profit in eine opulente Lebens­ haltung reinvestierten, mit der sie demonstrativ ihren Wohlstand zur Schau stellten. Eine Einschränkung der Sammeltätigkeit galt bspw. für den bereits beschriebenen Sammlungsaufbau in Kassel, der vor Ausbruch des Siebenjäh­ rigen Krieges seine Hochphase erreicht hatte und nun fast vollständig einge­ stellt war.703 Darüber hinaus erfuhr die Finanzkraft im Allgemeinen in jenen Jah­ ren starke Veränderungen durch Wechselgeschäfte und Finanzspekulationen – mit Amsterdam und Hamburg als Zentren des Geldhandels. Die heraus­ ragende Rolle der Niederlande ist auf die dortigen hohen Geldanlagen zurück­ zuführen, sodass der Amsterdamer Kapitalmarkt weite Teile Europas mit Kre­ diten versorgen konnte. Doch auch in den Niederlanden verliefen die Geld­ geschäfte nicht ausschließlich positiv und führten im Jahr 1763 zu einem Börsenkrach, was weitreichende Folgen für die europäische Finanzwelt hat­ te.704 Die Ereignisse hatten natürlich ebenso ihre Auswirkungen auf das hei­ mische wie das internationale Kunstmarktgeschehen. Einige bekannte Samm­ ler, Händler und Kunstagenten bekamen dies deutlich zu spüren. Der Börsen­ krach hatte zur Folge, dass Jean-Henri Eberts, ein langjähriger Berater von Karoline Luise von Baden, seine eigene Sammlung veräußern musste.705 Und 196 Verbreitung

Johann Ernst Gotzkowsky verkaufte einen großen Teil seiner Sammlung an die russische Zarin Katharina II. (1729–1796).706 In Berlin gelangten in jener Zeit einige weitere bekannte Sammlungen aus ökonomischen Gründen auf den Markt.707 Anders gestaltete sich die Situation auf dem Hamburger Kunstmarkt, dem Zentrum des deutschen Kunsthandels, im späten 18. Jahrhundert. Nach Ketelsen und von Stockhausen hatten die Folgen des Siebenjährigen Krieges sowie der Börsenkrach von 1763 – trotz einer finanzpolitischen und ökono­ mischen Zäsur – keine allzu negativen Folgen auf das lokale Kunstmarkt­ geschehen. Eher im Gegenteil. Die bedeutenden Hamburger Sammlungen mussten nicht veräußert werden, sondern konnten vielmehr auf- und ausge­ baut werden, wie bspw. die Sammlungen Stenglin und Schwalb.708 In Anbe­ tracht der allgemeinen Krisensituation ist dies erstaunlich. Für die Zeit wäh­ rend des Siebenjährigen Krieges sind laut Ketelsen nur wenige Gemäldeauk­ tionen in Hamburg bekannt – das Auktionswesen nimmt dort sowie in Deutschland allgemein erst ab 1763 Fahrt auf.709 In den folgenden Jahren, vor allem ab 1770, stieg die Zahl der Auktionen an und erreichte im Jahr 1778 einen Höhepunkt, sodass Hamburg bis zur Besetzung durch die napoleoni­ schen Truppen 1806 das Zentrum des deutschen Kunstmarktes repräsentierte. Für den Zeitraum 1770 bis 1800 können für Hamburg 114 Auktionen mit 17.324 versteigerten Gemälden nachgewiesen werden.710 An erster Stelle ran­ gieren dort Werke der niederländischen Schule, gefolgt von deutschen Künst­ lern. „Die meisten holländischen Bilder wurden in Hamburg verkauft, insge­ samt 48,7 % aller holländischen Werke wurden hier im 18. Jahrhundert um­ gesetzt. Der größte Teil der holländischen Gemälde wurde nach 1770 in Hamburg verkauft, da sich in dieser Zeit der Kunstmarkt intensiv entwickelte und sich auch zahlreiche Kataloge aus dieser Zeit für Hamburg erhalten ­haben. Im Vergleich zum gesamten Markt im deutschsprachigen Raum läßt sich für Hamburg eine Präferenz für die holländische Malerei feststellen, die mit den engen Verbindungen Hamburgs zu den Niederlanden, aber auch mit den Geschmacksvorlieben Hamburger Sammler in Zusammenhang stehen könnte. Der Anteil holländischer Malerei auf den Hamburger Markt bezogen betrug 28,1 % und lag damit doch deutlich über dem Durchschnittswert von 20,6 %.“711 Demnach erreichte der Kunsthandel im Allgemeinen und der Handel mit niederländischer Kunst im Besonderen im späten 18. Jahrhundert bis dato unbekannte Ausmaße. Mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges hatte die kriegsbedingte Stagnation des Kunsthandels ein Ende gefunden und bewirkte einen neuen Aufschwung – man könnte auch von einem ‚Boom‘ sprechen – auf dem inter­ nationalen Kunstmarkt mit teils horrenden Preissteigerungen.712 Dies spiegelt Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 197 bspw. der Briefwechsel zwischen Kunstagenten und Sammlern in jenen Jah­ ren wider. In der Korrespondenz mit Karoline Luise von Baden und Gottlieb Heinrich Treuer berichtet Johann Goll van Frankenstein d. Ä. aus Amsterdam, dass er „während der 18 Jahre, die er Auktionen frequentiere, noch nie so hohe Preise erlebt“ habe.713 Auch aus Paris sind derartige Rückmeldungen von Jean-Henri Eberts an die Markgräfin bekannt: „Alles geht über die olken.“W 714 Dies führte seitens der Sammlerin zur Resignation, denn „sie könne ange­ sichts der hohen, ja verrückten Preise von neuen Käufen nicht einmal träu­ men“.715 Dies war eine der Kehrseiten des Aufschwunges auf dem Kunstmarkt und der neu entfachten Begeisterung für die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘.

Fazit Die Ausführungen verdeutlichen die enge Verzahnung von Finanz- und Kunstmarkt mit den entsprechenden positiven wie negativen Konsequenzen für das Sammelwesen im späten 18. Jahrhundert. Zu den negativen Seiten des Kunsthandels zählt mitunter ein fragwürdiges Verhalten von einzelnen zwie­ lichtigen Kunsthändlern, denen mehr an ihrem persönlichen Profit als an der geschmacksbildenden Verbreitung der niederländischen Kunstproduktion ge­ legen war. Die Preissteigerungen sind für verschiedene Interessensgruppen ein heikles Thema, da sie manches Vorhaben vereiteln können. Hinzu kommt das verstärkte Auseinanderbrechen von niederländischen Sammlungen im Zuge von Nachlassauktionen, gepaart mit einem zunehmenden Verkauf von Werken des ‚Goldenen Zeitalters‘ in die Nachbarländer – was teils einem re­ gelrechten Ausverkauf gleicht. In diesem Zusammenhang entstand jedoch ein immer stärkeres Bewusstsein für die eigene Geschichte, Kultur und Kunst, sodass diese Facette des Kunstmarktgeschehens nicht ausschließlich negativ zu beurteilen ist.

3.2.4 Moden des Kunstsammelns

Ausgangspunkt der Beschäftigung mit spezifischen Moden des Kunstsammelns ist ein Zitat von Tischbein zur Orientierung der Sammler an den Namen be­ rühmter Meister. Im Manuskript von 1824 und auch bereits in jenem von 1811 spricht er, wie einleitend angeführt, Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns an.716 Er erkennt eine klare Unterscheidung zwischen be­ rühmten Meistern und weniger gefragten Künstlern mit weitreichenden Fol­ gen: Nur die berühmten Meister werden von den Sammlern gerne in ihre Kabinette aufgenommen. Bei den weniger gefragten Künstlern erkennen die Sammler zwar durchaus deren künstlerische Leistungen an, aber dies reicht nicht aus, um sie zum Kauf zu bewegen und sie favorisieren trotz alledem die 198 Verbreitung bekannten Namen. Dabei schrecken die Sammler nicht vor horrenden An­ kaufssummen zurück. Tischbein verweist darauf, dass die Sammler für die Werke von Künstlern wie Jan van Huysum „Tausende“ bezahlen, praktisch ohne mit der Wimper zu zucken. Die Begründung, „weil ein solches Bild zu einem Cabinet gehört“, ist simpel und scheint keiner weiteren Erklärung zu bedürfen, sodass sie bei Tischbein den Charakter einer unumstößlichen Tat­ sache erhält. Dennoch versucht er diesen von ihm erkannten Umstand zu er­ läutern. Wörtlich heißt es 1824, „das macht die Mode“ und 1811 sogar poin­ tierter „die Macht der Mode“.717 Eine interessante wie kluge Feststellung, die Tischbein in seinen Lebenserinnerungen verarbeitet und die im Folgenden in einen größeren Kontext gesetzt und am Beispiel des Sammlers Jan Jansz. Gilde­ meester sowie des Künstlers Jan van Huysum näher erläutert werden soll.

Persönliche Vorlieben des Sammlers Jan Jansz. Gildemeester

Der in Lissabon geborene Kaufmann und spätere Generalkonsul von Portugal Jan Jansz. Gildemeester (1744–1799) weilte ab 1760 in Amsterdam, wo er sich als versierter Sammler hervortat und eine umfangreiche und qualitätvolle Sammlung von Zeichnungen, Drucken und Gemälden aufbaute.718 Das Haus der Familie Gildemeester befand sich zunächst ab 1766 in der Kaizersgracht (zwischen Leidsegracht und Leidsestraat). In jener Zeit begann Gildemeester mit seinen Sammelaktivitäten – zunächst Graphik, später auch Gemälde. Seit 1792 bewohnte die Familie ein Haus in der Herengracht Nr. 475, wo die in­ zwischen umfangreiche Sammlung in den repräsentativen Räumlichkeiten untergebracht war, sich gleichermaßen im ganzen Hause verteilte, bis in die Gesindekammern. Der Sammler war obendrein selbst als Amateurzeichner ­tätig (vgl. Abb. 64) – dies erinnert an Johann Goll van Frankenstein d. Ä. Wie bei Cornelis Johannes de Bruyn Kops zu lesen ist, ging es im Falle Gildemees­ ters „om een zeer persoonlijke interesse, een echte liefhebberij“, wobei er auch die Kunst seiner eigenen Zeit nicht außer Acht ließ und als Mäzen in Erscheinung trat.719 Besonders hervorzuheben ist hier die Verbindung zu dem erfolgreichen und gefragten Portraitmaler Adriaan de Lelie (1755–1820), der um 1785 nach Amsterdam kam. Einen Einblick in die Sammlung von Jan Jansz. Gildemeester gewährt ein Gemälde von Adriaan de Lelie aus der Zeit um 1794/1795 (Abb. 57). Es zeigt ein Interieur mit Besuchern in der berühmten Gemäldegalerie bei der Kunstbetrachtung und Konversation. Gildemeester selbst ist in der Bildmitte in ein Gespräch vertieft abgebildet, wie er mit der rechten Hand auf eine in der Raummitte aufgestellte Staffelei weist. Auch der Künstler de Lelie hat sich in dem Sammlungsportrait verewigt und ist in der knienden Figur am rechten Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 199

57 Adriaan de Lelie: Die Kunstgalerie von Jan Jansz. Gildemeester in seinem Haus an der Heren­ gracht in Amsterdam, 1794/1795, Rijksmuseum Amsterdam

Bildrand zu finden, die sich der Betrachtung eines auf einem Stuhl angelehn­ ten kleinen Gemäldes andächtig widmet. Darüber hinaus sind weitere be­ kannte Zeitgenossen dargestellt, wie der Kunsthändler Pieter Fouquet, über den Gildemeester einen Großteil seiner Sammlung erworben hatte. Er ist im Durchgang zu einem weiteren Raum des Gemäldekabinettes im Gespräch mit Cornelius Rudolphus Theodorus Krayenhoff in Militäruniform zu sehen. Lin­ ker Hand vor der Staffelei sind vermutlich der Sammler Bernardus Jeronimusz. de Bosch (in Schwarz gekleidet) zusammen mit der in Portugal geborenen Marianne Dohrman und ihrem Mann, dem Kaufmann Anthony Dull (beide sitzend), zu sehen. Mit ihnen verband Gildemeester eine enge Freundschaft und die beiden letztgenannten Herren waren ferner seine Testamentsvollstre­ cker. Sie widmen sich interessiert einem für den Betrachter nicht sichtbaren Gemälde auf der Staffelei. An den Wänden sind in dicht gedrängter Hängung bis unter die Decke Werke von Künstlern wie Rembrandt Harmensz. van Rijn, Peter Paul Rubens, Gerard ter Borch, Gerard Dou, Gabriel Metsu, Pieter de Hooch, David Teniers d. J., Adriaan van de Velde, Jacob Ochtervelt, Dirck van 200 Verbreitung

58 Willem van Haecht: Die Kunstkammer des Cornelis van der Geest in Antwerpen, 1628, ­Rubenshuis Antwerpen

Bergen, oder Jacob van Ruisdael zu sehen. Das Decken­ gemälde stammt von Jacob de Wit. Bruyn Kops konnte die dargestellten Ge­ mälde größtenteils identifizieren.720 Das Gemälde von Adriaan de Lelie wird aufgrund der hohen Qualität gerne als eines seiner Meisterwerke bezeichnet. Zudem gilt die Art der Präsentation mit einer Verschränkung von Gruppen­ portrait und Sammlungsportrait in einem häuslichen und zugleich repräsen­ tativen Interieur als eine Besonderheit in der niederländischen Kunst vor 1800.721 In der flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts ist das Motiv vor allem durch Werke von Willem van Haecht (1593–1637) oder David Teniers d. J. (1610–1690) bekannt – eine genuin flämische Spezialisierung in Form von Kunstkammer- und Galerie­bildern. Verwiesen werden kann bspw. auf Die Kunst­kammer des Cornelis van der Geest in Antwerpen (Abb. 58) von Willem van Haecht aus dem Jahr 1628. Das 18. Jahrhundert fand für diese Thematik eine eigene Bildsprache – insbesondere in der Graphik: „In der Kunst jener Zeit wimmelt es von Bildern, auf denen es wiederum von Bildern wimmelt. Überall erleben wir, wie Menschen Bilder sehen, Bilder kaufen, verkaufen, auf Bilder Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 201 verweisen oder vor Bildern sprechen.“722 Auch in der vorliegenden Studie gibt es hierfür zahlreiche Beispiele, die bereits Gegenstand waren oder noch sein werden (vgl. Abb. 7, 28, 31, 34, 35, 36, 38, 43, 57, 58, 62, 63). Die Sammlung wurde nach Gildemeesters Tod in zwei Auktionen ver­ äußert. Am 11. Juni 1800 und in den darauf folgenden Tagen fand zunächst die Versteigerung der Gemäldesammlung statt. Der zugehörigen Katalog trägt den Titel Catalogus van het kabinet van schilderyen nagelaaten door den kunstmin- naar Jan Gildemeester Jansz., Agent en Consul Generaal van Portugal by de Bataaf- sche Republiek. Und weiter heißt es: „Het welk verkocht zal worden op Woens­ dag den 11den Juny 1800, en volgende dagen, des voormiddags ten half 11 uuren precies, ten huize van C. S. Roos, in het Huis van Trip, te Amsterdam“.723 Die Publikation nennt nicht nur den Ort des Verkaufes, das ‚Trippenhuis‘ am Kloveniersburgwal in Amsterdam, sondern auch den Zeitpunkt der Auktion. Die Auktionatoren waren Philippus van der Schley, Jan Jeronimusz. de Bosch, Jan Yver, Roelof Meurs Pruyssenaar sowie der Hausherr Cornelis Sebille Roos. Bei ihnen war der Katalog in niederländischer und französischer Sprache zu erwerben.724 Den Katalog schmückt ein Titelkupfer mit einem Portrait von Jan Jansz. Gildemeester, eine Radierung von Reinier Vinkeles nach einem Entwurf von Adriaan de Lelie. Es handelt sich um ein ovales Portrait des Verstorbenen mit allegorischem Beiwerk. Drei Putti flankieren das Portrait und tragen die Insignien von Ruhm, Handel und Kunst.725 Der Vorbericht rühmt die Be­ kanntheit der Sammlung bei „landgenooten en vreemdelingen“ und verweist darauf, dass die meisten Werke durch den Kunsthändler Pieter Fouquet in die Sammlung gelangt waren. Der Katalog verzeichnet insgesamt 300 Werke – mit teils recht ausführlichen Beschreibungen –, die für eine Gesamtsumme von über 167.000 Gulden versteigert wurden. Die höchsten Preise erzielten ein Ge­ mälde von Gerard ter Borch mit 5.000, ein Werk Rembrandts mit 8.050 sowie ein Bild von Paulus Potter mit 10.450 Gulden.726 Umgerechnet wären dies 35.000 für den ter Borch, 57.000 für den Rembrandt und 74.000 für den Pot­ ter, bei einer Summe von insgesamt über 1.183.000 Euro.727 Die meisten Künstler sind mit ein bis maximal fünf Werken vertreten – darunter befinden sich die bekanntesten Künstler des ‚Goldenen Zeitalters‘. Auffällig im derart dokumentierten Sammlungsbestand sind Jan Steen und Adriaen van de Velde mit jeweils sechs Werken (Nr. 202–207, 238–243), Philips Wouwerman mit acht Werken (Nr. 265–272), Adriaen van Ostade mit neun Werken (Nr. 160–168) und der zeitgenössische Künstler Gerrit Zegelaar mit zehn Werken (Nr. 280–289). Eine Ausnahme bilden ferner elf Werke von David Teniers d. J. (Nr. 214–224) sowie weitere elf Werke von Jan van Huysum (Nr. 87–97). Diese Künstler schei­nen die Favoriten Gildemeesters gewesen zu sein. Das Sammlungsprofil zeigt eine Vorliebe für niederländische Maler vor allem des 17., aber auch des 202 Verbreitung

59 & 60 Catalogus van een uitmuntend kabinet gekleurde en ongekleurde teekeninen, benevens een keurlyke verzameling prent-kunst […] door wylen den heere Jan Gildemeester, Amsterdam 1800

18. Jahrhunderts mit Bauern- und Gesellschaftsstücken, Seestücken und Land­ schaften, Tierstücken sowie Blumen- und Früchtestillleben, die in großer Zahl vertreten waren und den Charakter der Sammlung spiegeln. Etwa ein Drittel der dreihundert Gemälde können mit bekannten Werken in internationalen Sammlungen identifiziert werden, zahlreiche davon in englischen Samm­ lungen.728 Die Auktion der Zeichnungen und Druckgraphiken erfolgte ab dem 24. November 1800, ebenfalls im ‚Trippenhuis‘. Catalogus van een uitmuntend kabinet gekleurde en ongekleurde teekeningen, benevens een keurlyke verzameling prent- kunst, beide door de beroemdste Italiäansche, Fransche, Nederlandsche en andere meesters. Fraaije teekeningen en prenten, in vergulde lysten met glasen. Als mede een extra capitaale mahagoniehouten Kunstkast. Zynde alles in veele jaaren met kunde byeen vergaderd en nagelaten, door wylen den heere Jan Gildemeester, Jansz. Agent en Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 203

Consul Generaal van Portugal by deze Republiek (Abb. 59) lautet der Titel der zweiten Publikation.729 Auch in diesem Falle enthält der Katalog konkrete An­ gaben zum Ablauf des Verkaufs: „Orde van Verkooping. Men zal op Maandag, den 24sten November, 1800 s’ morgens ten 11 uuren verkoopen, de PRENTEN EN TEEKENINGEN, IN LYSTEN MET GLASEN, en daarna de MAHOGNIEN­ HOUTEN KUNSTKAST. Des Namiddags ten half vyf uuren, zal men een begin maken met de Teekeningen, KUNSTBOEK, G. G. en de volgende Namiddagen op hetzelve uur vervolgt wirden, tot OMSLAG A. en wanneer de Teekeningen verkocht zyn, zal men de Prenten op gelyke wyze verkopen, te beginnen met OMSLAG No. 17. tot OMSLAG No. 1. incluis.“730 Gemäß des Kataloges um­ fasste die Zeichnungssammlung 32 ‚Kunstboeken‘ mit insgesamt 2.095 Zeich­ nungen, wobei in einem Kunstbuch zwischen 34 und 113 Zeichnungen ver­ sammelt waren. Den Auflistungen der einzelnen Zeichnungen innerhalb eines Kunstbuches geht stets eine kurze Beschreibung des Inhaltes voraus – bspw. „OMSLAG A. Met Capitaale Ordonnantien, door diversche beroemde Italia­ ansche Meesters“ oder „KONST-BOEK C. Inhoudende capitaale Gecouleurde en Ongecouleurde Teekeningen, bestaande in Historieele Ordonnantien, Zee­ gezichten, Landschappen, Vruchten, Bloemen, Vogels, Insecten en andere, alle door Nederlandsche Meesters“ (Abb. 60).731 Der Schwerpunkt liegt auch hier – analog zur Gemäldesammlung – bei den niederländischen Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Druckgraphiken umfassen 17 Umschläge un­ terschiedlichen Umfangs mit insgesamt 771 Nummern und tragen ebenso einen den Inhalt beschreibenden Titel.732 Es folgen acht gerahmte und ver­ glaste Zeichnungen sowie 22 gerahmte und verglaste Drucke. Den Abschluss des Kataloges bildet der ‚Kunstkast‘, ein reich verzierter Kunstkammerschrank aus Mahagoniholz. Es verwundert nicht, dass diese besondere Kunstsammlung gleicher­ maßen das Interesse internationaler Reisender auf sich zog, die in ihren Reise­ berichten die Sammlung Gildemeester erwähnen. Karl Heinrich von Heine­ cken nennt diese 1769 zusammen mit weiteren Amsterdamer Sammlungen, die seiner Meinung nach nicht minder Aufmerksamkeit verdienen als die­ jenige Braamcamps.733 Dies stellt eine wichtige Referenz dar, da Gildemeester einige seiner wichtigsten Ankäufe auf der berühmt gewordenen Auktion der Sammlung von Gerret Braamcamp im Jahr 1771 tätigte. In späteren Jahren sollten weitere Werke der ehemaligen Sammlung Braamcamp über Umwege ebenfalls in seinen Besitz gelangen. Das ‚Trippenhuis‘, wo die Sammlung Gildemeester im Jahr 1800 ver­ steigert wurde, war Mitte des 17. Jahrhunderts von den erfolgreichen Händ­ lern Hendrik Trip (1605–1684) und Louis Trip (1607–1666) durch den Archi­ tekten Justus Vingboons (1620–1698) am Kloveniersburgwal in Amsterdam 204 Verbreitung

61 Reinier Vinkeles: Giebelansicht­ vom ‚Trippen- huis‘, 1803, Stadsarchief Amsterdam

er­baut worden. Bevor das ‚Trippenhuis‘ im 18. Jahrhundert das Rijksmuseum beherbergen sollte, konnte es bereits auf eine Reihe berühmter Persönlich­ keiten und Sammlungen zurückblicken, die dort weilten. Zwischen 1750 und 1758 soll bspw. Gerret Braamcamp seine Sammlung dort untergebracht ha­ ben. Im späten 18. Jahrhundert gehörte das Haus, das hinter der repräsentati­ ven Fassade zwei Häuser verbarg, zu einem Teil dem Sammler Cornelis Sebille Roos. Dieser stiftete im Jahr 1798 eine Kunstgalerie, in der Kunstwerke ausge­ stellt und verkauft werden sollten.734 In der Zeit um 1800 wird das ‚Trippen­ huis‘ wiederholt als öffentlicher Auktionsort genannt und als solcher auch bildlich festgehalten. Reinier Vinkeles präsentiert in einer 1803 entstandenen Zeichnung dessen imposante Fassade (Abb. 61). Besonders interessant ist die Szene im Vordergrund (Abb. 62), die zeigt, wie Gemälde von einem Pferde­ schlitten abgeladen und begutachtet werden. Neben dem Eingang weist ein Plakat auf eine öffentliche Versteigerung hin. Als Händler werden dort die bereits bekannten Akteure Philippus van der Schley, Jan de Bosch, Jan Yver, Roelof Meurs Pruyssenaar und Cornelis Sebille Roos genannt. Wie häufig hier Auktionen stattfanden, ist durch die abgerissenen und übereinandergeklebten Auktionsplakate angedeutet. Darüber hinaus ist eine Zeichnung von Christiaan Adriessen überliefert, die sich explizit den vorausgehenden Ausstellungs- und Schautagen widmet (Abb. 63). Einen weiteren Blick ins Innere des ‚Trippen­ Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 205

62 Reinier Vinkeles: Giebelansicht vom ‚Trippenhuis‘, Ausschnitt, 1803, Stadsarchief Amsterdam­

huis‘ und den Ablauf einer Auktion gewährt Andriessen in einem Eintrag aus seinem gezeichneten Tagebuch mit der Notiz: „28 Nov. verkoping in trippen­ huis. / niemand meer al 6 en een ¼, niemand, niemand… toegeslagen.“735 Dank dieser verschiedenen Details werden die Zeichnungen zu wichtigen his­ torischen Dokumenten für das Auktionswesen in der Zeit um 1800 und ergän­ zen die publizierten Auktionskataloge beispielhaft.

Das Sammeln berühmter Meister wie Jan van Huysum

Im Folgenden soll ein Künstler aus der Sammlung Gildemeester herausgegrif­ fen werden. Der Amsterdamer Maler Jan van Huysum (1682–1749) – oder auch Jan van Huijsum – zählte zu den erfolgreichsten und gefragtesten Künstlern des 18. Jahrhunderts.736 Seine hochkarätigen Blumen- und Früchtestill­leben trugen das ‚Goldene Zeitalter‘ der niederländischen Kunst ins 18. Jahrhundert fort, sodass er trotz der zeitlichen Differenz gemeinhin dazugerechnet wird. Das Ende dieser Epoche wird in der kunsthistorischen Forschung mit dem Jahr 1672 in Verbindung gebracht, wobei häufig später tätige Künstler wie Gerard de Lairesse (1640–1711), Adriaen van der Werff (1659–1722) oder Jan van Huysum ebenfalls dazugerechnet werden und die Ausläufer des ‚Golde­ nen Zeitalters‘ im 18. Jahrhundert markieren.737 Auch in der Kunstliteratur des 18. Jahrhunderts bestand in dieser Frage keine Einigkeit – bspw. Jacob 206 Verbreitung

63 Christiaan Andriessen: Schautag vor einer Auktion im ‚Trippenhuis‘ in Amsterdam, Universiteitsbibliotheek ­Leiden

Campo Weyerman machte in seinen Levens-Beschrijvingen keinen Unterschied zwischen den Künstlern des 17. und des 18. Jahrhunderts.738 Nichtsdestotrotz kann van Huysum damals wie heute zu den Hauptmeistern der Gattung des Stilllebens gezählt werden. Claus Grimm verortet den Künstler derart im zeit­ genössischen Kunstgeschehen: „Jan van Huysum war der perfektionistische Nachfahre der großen Blumenmaler Hollands, insbesondere von de Heem, Mignon und van Aelst. Er erhielt seine Ausbildung bei seinem Vater, der selbst ein bedeutender Blumenmaler war. In der Bündelung seiner Blumen und Früchte folgt Huysum den dekorativen Tendenzen der französischen und flä­ mischen Zeitgenossen. Er war einer der höchstbezahlten Maler seiner Zeit, dessen Bilder an den europäischen Fürstenhöfen höchste Schätzung erfuhren. Seine Lupenmalerei in gewähltem Kolorit verleiht den Oberflächen einen sei­ digen Glanz. Da er seine Buketts aus mühevollen Einzelaufnahmen erarbei­ tete – er soll nicht nach Studien, sondern jedes Mal nach ‚lebendigen‘ Vorla­ gen gemalt haben –, zog sich die Fertigstellung seiner Bilder teilweise lange hin. […] Wo spätere Kritiker leere Pracht wahrnahmen, sah die Mehrzahl der Zeitgenossen eine überwältigende Kunstfertigkeit, die von fern wie von nah gleichermaßen beeindruckte.“739 Grimm spricht hier einen Aspekt an, auf den näher eingegangen werden soll – den Umstand, dass Jan van Huysum „einer der höchstbezahlten Maler seiner Zeit“ war. Hier gehen die internationale Würdigung und die Verortung der Werke im gehobenen Preissegment auf dem Kunstmarkt Hand in Hand. Dies spiegelt sich bereits in der zeitgenössischen Kunstliteratur des 18. Jahrhunderts wider. Jan van Gool widmete seinem zwei Jahre zuvor ver­ storbenen Zeitgenossen Jan van Huysum in De Nieuwe Schouburg der Neder- landsche Kunstschilders en Schilderessen einen ausführlichen Beitrag mit vielen Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 207 lobenden Worten. Dieser beginnt mit: „JOHANNES VAN HUYSUM in’t oog hebbe, is onder de Liefhebbers alzo bekent als de Zon op den vollen mid­ dag.“740 Weiter wird er als „Schilderhelt“ und als „een hoogvlieger in de Kunst“ bezeichnet. Van Gool erinnert sich des ersten Werkes, das er von van Huysum im Jahr 1716 bei einem Liebhaber gesehen hat: „Ik wil wel bekennen, dat ik met verbaestheit stont te kyken, vermits ik nooit weerga van dit Stuk had ge­ zien, zo in de behandeling van schilderen, als in de schikking der Bloemen.“741 Der Kunstschriftsteller verweist ferner auf die Anwesenheit von Werken van Huysums in den Kabinetten von Königen und Fürsten. In Amsterdam führt er die Sammlung Braamcamp mit „vier uitmuntende stukken“ an. Darüber hin­ aus thematisiert er die hohen Preise, die für van Huysums Werke in allen Ländern gezahlt werden, welche seinem Kenntnisstand nach jene von de Heem und Mignon übertreffen. Van Gool hatte selbst im Jahr 1741 ein Werk des Meisters erworben: „By die gelegenheit kocht ik een kapitale VAN HUY­ SUM, voor zeven hondert guldens, welk stuk by den jongen Heer van Heete­ ren te zien, en tans dat gelt wel dubbelt en meer waerdig is.“742 In van Gools Beschreibung folgen verschiedene Verse, die zu Ehren van Huysums gedichtet wurden, wie diese Zeilen: „Wilt gy een wonder zien, in’t handelen der pensee­ len? / Beschouw VAN HUISUMS Vrugt- en schoone Bloem-Taf’reelen, / Daer de Outheit zelfs voor zwigt, dar Nederlant mee praelt. / Geen, die hem over­ treft, of heeden by hem haelt.“743 Wirft man einen Blick auf die Provenienzen der Werke van Huysums, so erscheinen dort viele bekannte Sammlungen im In- und Ausland. Im Kon­ text der Sammlung von Jan Jansz. Gildemeester wurde bereits darauf verwie­ sen, dass der Auktionskatalog von 1800 elf Werke von Jan van Huysum ver­ zeichnet, worunter sich Blumenstücke, Früchtestillleben, aber auch Landschaf­ ten befinden.744 Bezeichnenderweise erwarb der Sammler bei dem frühesten bekannten Ankauf für seine Sammlung im Jahr 1768 in Amsterdam zwei Landschaften van Huysums.745 Darüber hinaus hat Gildemeester als Amateur­ zeichner Kopien nach Werken seines ‚meistgeliebten‘ Malers angefertigt.746 Hierzu zählt bspw. ein heute im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunst­ halle verwahrtes Blumenstillleben, das an ein Werk van Huysums aus seiner eigenen Sammlung erinnert (Abb. 64). Dies verdeutlicht exemplarisch die ­herausragende Bedeutung eines einzelnen Künstlers innerhalb einer umfang­ reichen Sammlung, denn auch ein umfassend interessierter Sammler konnte seine Lieblinge haben. Dass einer der Favoriten Gildemeesters gleichzeitig ­einer der gefragtesten und damit teuersten Künstler der Zeit war, mag sowohl den Stolz des Sammlers als auch die vorhandenen finanziellen Ressourcen beim Ausbau der Sammlung offenbaren. Darüber hinaus besaß Gildemeester ein Portrait von Jan van Huysum, das um 1720 von Arnold Boonen (1669–1729) 208 Verbreitung

64 Jan Jansz. Gildemeester nach Jan van Huysum: Blumenstillleben, Hamburger Kunsthalle

angefertigt worden war und sich vormals in der Sammlung Braamcamp be­ fand. Der Künstler ist hier mit gepuderter Perücke dargestellt, in der linken Hand Palette und Pinsel haltend sowie in der rechten Hand eine Zeichnung.747 Gildemeester erwarb auf der Braamcamp-Auktion drei Stillleben von van Huysum: Ein einzelnes Blumenstück für 3.800 und zwei Stücke mit Blu­ men und Früchten für je 4.100 Gulden. Er investierte insgesamt 12.000 Gul­ den – umgerechnet fast 100.000 Euro. Für die Zeit – die Auktion fand 1771 in Amsterdam statt – waren dies durchaus hohe Summen. Außerdem waren die Werke van Huysums in der Sammlung Braamcamp bereits berühmt, insbe­­ sondere das Blumenstück des vermeintlichen Pendantpaares.748 Hierbei han­ delt es sich um das Werk Stillleben mit Blumen in einer Terrakottavase vor einer Nische aus dem Jahr 1734 (Abb. 65). In einer mit Putten verzierten Terrakotta­ vase türmt sich ein Gebilde verschiedenartiger Blumen – von Hyazinthen, Tulpen und Narzissen über Pfingstrosen, Anemonen und Mohn bis hin zu Lilien und Orangenblüten. Gerahmt wird das Stillleben im Hintergrund von einer Nische sowie von einer Marmorplatte mit einem Vogelnest. Die perfek­ tionistische Wiedergabe und die virtuose Oberflächenbehandlung zeigen die Meisterschaft des Künstlers van Huysum. Das Werk wurde 1749 von Gerret Braamcamp für seine Sammlung erworben, 1771 auf dessen Nachlassauktion von Jan Jansz. Gildemeester angekauft und befand sich in dessen Besitz, bis Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 209

65 Jan van Huysum: Stillleben mit Blumen in einer Terrakottavase vor einer Nische, 1734, Sotheby’s London

die Sammlung 1800 ebenfalls versteigert wurde. Die detaillierte Provenienz­ geschichte des Gemäldes ist in der Datenbank des RKD erfasst und endet dort mit der letzten Versteigerung des Gemäldes 2003 bei Sotheby’s in London.749 Das zuerst genannte Blumenstück kann ebenfalls zugewiesen werden und scheint mit dem Blumenstillleben von 1724, heute in Los Angeles, identisch zu sein, welches Gildemeester selbst kopiert hat (vgl. Abb. 64).750 Zu den Gemälden, die ehemals zur Sammlung Braamcamp gehörten und erst in späteren Jahren auf Umwegen in den Besitz Gildemeesters gelang­ ten, gehört ein weiteres Blumenstillleben von Jan van Huysum aus der Zeit um 1736/1737.751 Dieses Gemälde ist mit jenem von 1734 eng verwandt und zeigt einen ähnlichen Bildaufbau mit einem Blumenarrangement in einer Terrakotta­ vase, flankiert von einem kleinen Vogelnest vor einer Nische. Der wesentliche Unterschied liegt neben dem oberen Bildabschluss in den Größenverhältnis­ sen, da die spätere Erwerbung um über ein Drittel größer ist und in der Höhe sogar einen halben Meter mehr misst – für ein Stillleben durchaus beachtliche Maße. Durch die Größe bedingt ist dieses Gemälde nicht wie die zuvor ge­ nannten auf Holz, sondern auf Leinwand gemalt. Auch die Markgräfin Karoline Luise von Baden zeigt ein besonderes Interesse an dem Künstler Jan van Huysum im Rahmen der Erwerbungen für ihr auserlesenes Malereikabinett. Im Jahr 1760 erwarb sie durch die Vermittlung 210 Verbreitung

66 Jan van Huysum: Blumenstrauß, 1714, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

von Jean-Henri Eberts in Paris ein frühes Blumenstillleben van Huysums von 1714, einen Blumenstrauß (Abb. 66), womit es ihr gelang, sich ein Meisterwerk des Künstlers zu sichern. Das Gemälde stammte aus der Sammlung des fran­ zösischen Portraitmalers Jacques-André-Joseph Aved (1702–1766). Max Till­ mann konnte einige Details des Ankaufsprozederes aus der Korrespondenz herausarbeiten und resümiert: „[…] nach langem Hin und Her erwarb die Markgräfin den van Huysum zum Preis von 5000 Livres – den höchsten Preis, den sie bis dahin für ein Gemälde ausgab […].“752 Darüber hinaus berichtet Eberts der Markgräfin, dass das Gemälde nach Meinung der Kenner eher das Doppelte wert sei.753 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass das Blumenstück von Jan van Huysum eine besondere Stellung innerhalb der Karlsruher Sammlung einnahm und zu einem der Hauptwerke gezählt wer­ den kann.754 Ferner ist folgender Ankauf eines Gemäldes von van Huysums bekannt: Eine Tonvase mit Blumen daneben Früchte aus der Zeit um 1724 wurde von einem der Kunstagenten der Markgräfin über einen Zwischenhändler am 4. Juli 1763 auf der Auktion der Sammlung von Willem Lormier in Den Haag angekauft. „Karoline Luise hatte Lormiers Sammlung auf ihrer Reise durch Holland im Juni 1763, nur wenige Wochen vor der Auktion, selbst gesehen, als sie sein Haus am Lutherse Burgwal in Den Haag besucht hatte. Bei der Versteigerung erwarb ihr Agent Treuer für Karoline Luise sechs Gemälde zu einem Gesamtpreis von 1206 holländischen Gulden (hfl.). Das teuerste war Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 211 ein Stillleben mit Blumen von Jan van Huysum, das für 525 hfl. versteigert ­wurde.“755 In beiden Fällen wird ein Werk von van Huysum als teuerstes Werk beschrieben – im letzteren als teuerstes Werk eines Ankaufes von mehreren Gemälden und im ersteren als bis dato teuerster Ankauf für die Sammlung. Die Markgräfin Karoline Luise von Baden hatte hier ihre ganzeigenen ­ Vorstel­ lungen. Ihr kam es vor allem auf die Qualität der Werke an, nicht auf eine möglichst große Sammlung mit großen Namen.756 Dieses hehre Sammlungs­ ziel war durchaus vereinbar mit dem Ankauf auch von Werken der gefragtes­ ten Künstler, sofern dies ihr Budget zuließ. In welchem Verhältnis die Künst­ ler zueinander standen und welche Stellung sie gemäß ihres Handelswertes in einer Sammlung einnahmen, wird verständlich, wenn man sie zu­einander in Beziehung setzt. So wurde bspw. bei der Taxierung und Inventarisierung der markgräflichen Sammlung durch den ehemaligen Hofmaler Joseph Melling (1724–1796) ein Jahr nach Karoline Luises Tod 1784 deutlich, „dass gewisse Werke, die wir heute für überaus kostbar halten, damals nicht sonderlich hoch im Kurs standen […]. Umgerechnet heißt das: 12,5 Rem­brandts für einen Lairesse, 40 Chardins für einen van Huysum!“757

Über die Macht der Mode und die ‚Namen-Käufer‘

Zu den Moden des Kunstmarktes notiert Max J. Friedländer in Von Kunst und Kennerschaft: „Jede Generation wählt ihre Lieblinge aus der Reihe der alten Meister, gemäß ihrer Sehweise und der eigenen Produktion, stets geneigt, der vorigen Generation dreist zu widersprechen. Das Auf-den-Thron-Setzen geht nicht ohne Lärm ab und nicht, ohne daß der Platz durch Entthronung frei gemacht wird. […] Drastisch belehrt werden wir über den Wandel des Ge­ schmacks, wenn wir die Bilderpreise, die auf Versteigerungen bezahlt worden sind, vergleichend betrachten.“758 Dies gilt auch für das späte 18. Jahrhundert. Dass in jener Zeit unter den Kennern und Sammlern ein großes Interesse an virtuos gemalten Werken und an Künstlern wie Jan van Huysum – und an­ deren – bestand, zeigt sich gleichermaßen in der zeitgenössischen Kunstlitera­ tur. So fragt Antoine Joseph Dézallier d’Argenville im Abrégé 1762 suggestiv: „Welche Preise erzielt nicht ein Bild von van Aelst mit toten Vögeln,­ ein Jan Fyt mit lebenden Tieren, ein van der Heyden mit Bauwerken, bei denen man alle Steine und Ziegel zählen kann, ein van Huysum mit Blumen, ganz zu schwei­ gen von Mieris, Gerard Dou, Netscher, Metsu etc.?“759 Hier wird mit großen Namen argumentiert, teils begleitet von den besonderen Kennzeichen der Wer­ ke, verbunden mit deren Bedeutung auf dem interna­tionalen Kunstmarkt. Die Sammler jener Zeit schwammen entweder mit diesem Strom und ließen sich davon leiten, oder sie wandten sich gezielt von dieser Sichtweise ab. Dieser 212 Verbreitung speziellen Mode des Kunstmarktes mit der Orientierung an den Namen nieder­ ländischer Meister – den ‚Namen-Käufern‘ mit ihrem „unersättlichen Namens­ hunger“, wie Friedländer ihn nennt – soll im Folgenden weiter nachgegangen werden.760 Zur Orientierung an großen Namen sowie der damit verbundenen Zahlung ungeheurer Summen für Werke dieser Künstler äußerten sich wieder­ holt Reisende in ihren Berichten aus den Niederlanden. In Bezug auf Jan van Huysum soll ein Zitat aus dem Reisebericht von Caspar Heinrich von Sierstorpff angeführt werden, das ein für die Zeit um 1800 treffendes Bild zeichnet und erneut die Sammlung Goll ins Spiel bringt: „Der Herr Goll besitzt eine sehr beträchtliche Sammlung Handzeichnungen, größtenteils von Niederländischen Meistern, die man wohl nirgend in so grosser Anzahl mit Auswahl und Kennt­ niss zusammen gebracht finden wird. Er hat sie von seinem Vater geerbt, der darauf ungeheure Summen verwendet haben muss, wie man nach zwey in Wasserfarben ausgemalten Blättern von van Huysum urtheilen kann, die er mit 7000 Fl. bezahlt hat. Ich möchte nach meinem Geschmack dafür nicht 300 Fl. geben; aber, wie ich schon oben bemerkt habe, der reiche Holländer sieht bey seinen Sammlungen mehr auf das Ding, was im Publico einmal einen­ grossen Namen nach den dafür gezahlten Ducaten erhalten hat, als auf eigentlichen Kunstwerth; und wenns nur als etwas seltenes berühmt ist, so mag es für ihn aus­ sehen, wie es will.“761 Hier bezieht von Sierstorpff eindeutig Stellung zu den für ihn unverständlichen Moden des Kunstmarktes und äußert sein Unver­ ständnis – gewisse Vorurteile gegenüber den niederländischen Sammlern mit eingeschlossen. Auch Johann Heinrich Merck erwähnte bereits in einem Brief vom 7. August 1784 mit knappen Worten Werke von Jan van Huysum in der Sammlung Goll: „Von Kunstsachen habe ich in Amsterdam 3 Sammlungen von Handzeichnungen gesehen, deren Reichthum, Schönheit und Seltenheit al­ len menschlichen Glauben übersteigt. Die von dem Herrn Grafen von Goll ist die ansehnlichste […]. Hierunter sind auch die 2 van Huysum für 5500 fl.“762 Auch wenn bei den beiden zitierten Berichten über die Sammlung Goll die angegebenen Summen variieren, so werden übereinstimmend zwei Zeichnungen von Jan van Huysum aus dem umfangreichen Sammlungsbe­ stand herausgehoben und thematisiert. Eine dieser aquarellierten Handzeich­ nungen, ein Blumenstillleben von 1739, kann für die Sammlung rekonstruiert werden und hat zudem eine interessante Provenienzgeschichte: Das Werk be­ fand sich ehemals in der Sammlung von Dionys Muilman und gelangte über dessen Nachlassauktion am 29. März 1773 an den Kunsthändler Pieter Fou­ quet, der es weiterverkaufte. Anschließend befand sich die Zeichnung über drei Generationen hinweg in der Sammlung Goll, bis zu deren Auflösung im Rahmen der Nachlassauktion im Jahr 1833, von wo aus sie nach England Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 213 gelangte.763 Darüber hinaus verzeichnet die Datenbank des RKD drei arka­ dische Landschaften von Jan van Huysum für die Sammlung Goll: Eine der Landschaftszeichnungen, eine Arkadische Landschaft mit der Rast auf der Flucht nach Ägypten von 1734, wurde bereits von dem Sammlungsgründer Johann Goll van Frankenstein d. Ä. angekauft. Eine Arkadische Landschaft bei Sturm wurde von seinem Enkel Pieter Hendrick Goll erworben. Die dritte Zeichnung, eine Arkadische Landschaft mit Sturm und Blitzen von 1721, stammte ehemals aus der Sammlung von Cornelis Ploos van Amstel und gelangte auf dessen Nachlassauktion in die Sammlung Goll.764 Die Auktion der umfangreichen Sammlung von Cornelis Poos van Amstel fand am 3. März 1800 in Amster­ dam statt und unter den Stücken, die den höchsten Gewinn einbrachten, war – wie nicht anders zu erwarten – ein Werk von Jan van Huysum.765 Ergänzend hinzu kommen die berühmten Reproduktionen von Cor­ nelis Ploos van Amstel, die bereits thematisiert wurden und zwei Werke von Jan van Huysum repräsentativ einschließen – ein Blumenstück sowie ein Fruchtstück.766 Bei den Pendantstücken handelt es sich um handkolorierte Radierungen von Cornelis Ploos van Amstel nach Werken von Jan van Huy­ sum, die ab dem Jahr 1777 verlegt wurden (Abb. 67). Die entsprechenden Originale van Huysums von 1735 befanden sich im Besitz von Ploos van Ams­ tel.767 Die implizierte Würdigung und gezielte Verbreitung der Werke van Huy­ sums durch deren Reproduktion mag die Mode der Orientierung an Künstler­ namen zusätzlich beflügelt haben und liefert zudem eine Rechtfertigung so­ wie Begründung des Namenskultes. Zu beachten ist jedoch, dass es sich im Falle der Sammlungen von Ploos van Amstel und Goll van Frankenstein um (kolorierte) Handzeichnungen handelt, während bei den zuvor erwähnten Sammlungen von Gildemeester oder der Markgräfin von Baden der Schwer­ punkt auf Gemälden lag. Welche Formen der Namenskult annehmen konnte, berichtet auch Jan van Gool. Erstaunt äußert er sich über den Verkauf von Zeichnungen von Jan van Huysum bereits kurz nach dessen Tod: „[W]enige weeken na zyne doot, op eene openbaere verkopinge te Amsterdam, voor vier van zyne Teke­ ningen, verbeeldende Lantschappen, gewassen en met de pen getekent, 1032 guldens betaelt ist; een prys, zu ongemeen hoog voor blote Tekeninge, dat alle Liefhebbers muesten bekennen, zulks nooit meer gezien te hebben.“768 Die Landschaftszeichnungen wurden folglich zu einem Preis veräußert, der für das Sammelobjekt Zeichnung derart hoch war, dass die Sammler eingestehen mussten, dergleichen noch nie erlebt zu haben. Aber auch unabhängig von van Huysum äußert sich Jan van Gool zu den Moden des Kunstmarktes. Ever­ hard Korthals Altes verweist darauf, „daß die Arbeiten mancher Maler plötz­ lich aus der Mode geraten konnten. Über den zeitweiligen Preisverfall der 214 Verbreitung

67 Cornelis Ploos van Amstel nach Jan van ­Huysum: Blumenstillleben in einer Vase auf einer Stein- platte, 1778, Rijksmuseum Amsterdam

Gemälde von Adriaen van der Werff, Rembrandt und anderen Malern schrieb [van Gool]: ‚Des weiteren muß es niemanden befremden, daß die launenhafte Kunstmode solch eine unstete Rolle mit des Mannes [van der Werffs] Kunst­ pinsel gespielt hat […]. Das gleiche Auf und Ab der Kunstpreise hat auch Rem­ brandts Kunst und das Werk von wohl zehn anderen Meistern meiner Zeit erfahren müssen: was nicht ihrer Kunst zuzuschreiben ist, die immer gleich geblieben ist, sondern einzig und allein von der wechselhaften Laune der Liebhaber und von dem unsicheren Fluß ihrer Vorlieben abhängt.‘“769 Die in der Übersetzung zitierte Textpassage enthält im Original zudem einen Hin­ weis auf Peter Paul Rubens und darauf, dass die Preise selbst bei den größten Künstlern unstet sein können.770 Besonders interessant ist hier die Bemerkung van Gools, dass die Werke immer gleich geblieben sind, wohingegen das In­ teresse daran ein wechselhaftes Schicksal kennzeichnet. Damit betont er die Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 215

Abhängigkeit der Künstler und ihrer Werke von den Moden des Kunstmark­ tes, die von den Launen und Vorlieben der Sammler bestimmt und davon abhängig waren. Die Macht der Mode mit einer Orientierung an den Namen berühm­ ter Künstler ließe sich weiter fortführen und impliziert fragwürdige Praktiken des Kunsthandels. Einige dieser Praktiken wurden bereits angesprochen. Hier­ zu zählt das Ausgeben von Kopien als Originale. Dies ging so weit, dass Signa­ turen von weniger gefragten Künstlern entfernt, ja sogar durch berühm­ ­te(re) Namen ersetzt wurden, um die wachsende Nachfrage der ‚Namen-Käufer‘ zu befriedigen.771 Für die beschriebenen Moden des Kunsthandels und des Sammel­ verhaltens kann ferner ein Gegenbeispiel angebracht werden, das Tischbein relativierend in seine Lebenserinnerungen aufnimmt, um zugleich die Aus­ nahmen kenntlich zu machen, die ihn besonders zu beeindrucken scheinen. In der publizierten Autobiographie ist zu lesen: „Nur einmal kam mir ein Kunstfreund auf einer Gemäldeauktion zu Amsterdam vor, der, nachdem die Bilder schon zu einem hohen Preise hinaufgetrieben waren, noch immer mehr bot, indem er sagte: ‚Wer kann das so wohlfeil fahrenlassen, es ist so geistig gemalt! Wenn man Liebhaberei haben will, muß man Mensch sein. De Beester hebben keene Liefhaberei.‘“772 Auch aus seiner Zeit in Hamburg be­ richtet Tischbein eine ähnliche Begebenheit, wobei er den Protagonisten als sympathischen „sonderlink“ karikiert. Ihm legt er folgende Worte in den Mund: „[I]ch kaufe nur das was mir gefält, nie ein Bild wegen dem Meister, auch nicht wegen der Kunst, sondern des inhalts und Geistes wegen, oder der schönheit wegen.“773 Demnach würde die Ausnahme die Regel bestätigen.

Die niederländische Mode und die deutschen ‚Hollandisten‘

Welche Rolle spielt schließlich die zeitgenössische Kunstproduktion in Deutsch­ land – insbesondere die niederländische Mode und die deutschen ‚Hollandis­ ten‘ – im Kontext des Sammelns niederländischer Kunst im 18. Jahrhundert? Hierzu formuliert Michael North folgende interessante These: „Es gab eine kleine Anzahl von Meisterwerken, die die Geschmacksstandards setzten; aber es war die lokale Kunstproduktion im niederländischen Stil, d. h. die Gemälde von Schütz, Junker oder Trautmann bzw. von Stuhr, Denner oder Tamm, die die Holländermode unter Frankfurter und Hamburger Sammlern verbreiteten.“774 Zu den Hamburger Künstlern zählen Franz Werner Tamm (1658–1724), Joa­ chim Luhn (1640–1717), Johann Georg Stuhr (1640–1721) und Balthasar Denner (1685–1749), die einer früheren Malergeneration an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert angehörten. Balthasar Denner war der erfolgreichste 216 Verbreitung

68 Balthasar Denner nach Abraham ­Bloemaert: Sitzender Mann, sich über einem Kohlenkübel die Hände wärmend, 1699, Hamburger Kunsthalle

Maler unter ihnen und fertigte in seinem Atelier Gemälde mit verschiedenen niederländischen Sujets. Überliefert sind zudem verschiedene Zeichnungen nach dem ‚Tekenboek‘ von Abraham Bloemaert (1566–1651), wie die Zeichnung Sitzender Mann, sich über einem Kohlenkübel die Hände wärmend (Abb. 68).775 Bekanntheit erlangte Denner vor allem durch seine Portraits.776 Er besaß zu­ dem eine der größeren Niederländer-Sammlungen in Hamburg, die dort am 31. Juli 1749 zur Versteigerung kam, begleitet von einem Auktionskatalog mit 116 verzeichneten Gemälden.777 Dass die niederländische Kunst derart promi­ nent in Denners Sammlung vertreten war, ist auf seine Kontakte in die Nieder­ lande sowie seine zeitweilige dortige Tätigkeit zurückzuführen. Obwohl die wichtigsten Maler des 17. Jahrhunderts darin zu finden waren, zeigt sich eine besondere Vorliebe für die Landschaftsmalerei – zu nennen sind hier sieben Gemälde von Jan van Goyen. Auch die deutsche Kunst des 17. und 18. Jahr­ hunderts war Teil der Sammlung.778 Auf der Auktion wurden zudem Gemälde von Denner selbst angeboten, „die überdurchschnittliche Preise erzielten und die Popularität des erfolgreichen Künstlers dokumentieren“.779 An anderer Stelle führt North für seine These des Einflusses der ‚Hol­ landisten‘ auf die allgemeine ‚Niederländer-Rezeption‘ in Deutschland ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe an: „Mein Vater hatte den Grundsatz, den er öfters und sogar leidenschaftlich aussprach, daß man die lebenden Meister beschäftigen und weniger auf die abgeschiedenen wenden solle, bei deren Schätzung sehr viel Vorurteil mit unterlaufe. Nach diesen Grundsätzen Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 217

69 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Drei Kartenspielende Soldaten, Klassik Stiftung Weimar

beschäftigte er mehrere Jahre hindurch die sämtlichen Frankfurter Künstler: den Maler Hirt, welcher Eichen- und Buchenwälder und andere sogenannte ländliche Gegenden sehr wohl mit Vieh zu staffieren wußte; desgleichen Traut­mann, der sich den Rembrandt zum Muster genommen und es in ein­ geschlossenen Lichtern und Widerscheinen, nicht weniger in effektvollen Feuersbrünsten weit gebracht hatte, so daß er einstens aufgefordert wurde, einen Pendant zu einem Rembrandtischen Bilde zu malen; ferner Schütz, der auf dem Wege des Sachtleben die Rheingegenden fleißig bearbeitete; nicht weniger Junckern, der Blumen- und Fruchtstücke, Stilleben und ruhig be­ schäftigte Personen nach dem Vorgang der Niederländer sehr reinlich aus­ führte.“780 Gemeint sind die Frankfurter Künstler Friedrich Wilhelm Hirt (1721–1772), Johann Georg Trautmann (1713–1769), Christian Georg Schütz d. Ä. (1718–1791), Justus Juncker (1703–1767) und Johann Conrad Seekatz (1719–1768).781 Den zitierten Zeilen von Goethe verdanken sie ihre Bezeich­ nung als ‚Goethe-Maler‘. North nennt hier ferner „Wilhelm Tischbein“, ohne dies näher zu erläutern.782 Tischbein hat zwar wiederholt nach Niederländern bzw. im niederlän­ dischen Stil gearbeitet, kann aber keinesfalls zu den Frankfurter ‚Goethe-­ Malern‘ bzw. ‚Hollandisten‘ gezählt werden. Über Tischbeins künstlerische Re­ zeption niederländischer Kunst schreibt bereits Horst Gerson: „Seine Bildnisse, 218 Verbreitung romantischen Landschaften und klassizistischen Kompositionen sind aber persönlich gestaltet und frei von Nachahmung alter Kunst. Man kann […] nur von einem gelegentlichen Durchschimmern von Rembrandts stürmischer Art sprechen, vor allem bei den Studienköpfen, die jedoch zum Teil direkte Kopien nach Rembrandt sind. Künstlerische Lichteffekte gebraucht er zuweilen wie die Frankfurter Rembrandtnachahmer (Trautmann), und auch ein Innenraum­ bild lässt an niederländische Vorbilder denken. Persönliche Schöpfungen und Kopien nach Holländern (u. a.) gehen nebeneinander her; auch im vorgerück­ ten Alter beschäftigt er sich noch mit Kopien und Nachahmungen­ holländi­ scher Werke. Er malte ein Geflügelbild in der Art Hondecoeters und Kopien nach Rembrandt, Wouwerman, Scheits u. a. Vielleicht würde die holländische Überlieferung in seinem Werk noch lebendiger zum Ausdruck kommen, wenn sie nicht durch einen Italienaufenthalt gestört worden wäre.“783 Doch hier verweist Gerson auf Tischbeins Verschränkung von niederländischen und ­italienischen Einflüssen: „Tischbein ist […] in Italien gewesen, wo er, wie er selbst sagt, die italienische Landschaft mit den Augen von Elsheimer, Berchem, Both und Poelenburg sieht.“784 Gerson geht in seiner Argumentation sogar so weit: „In Italien entstand auch das berühmte Bildnis von Goethe in der Cam­ pagna, ein Kunstwerk des Klassizismus, das man frei von allem Holländertum wähnt. Doch eine eingehende Betrachtung hat uns gelehrt, dass die Pose der halbliegenden Gestalt einem Berchemschen Hirtenknaben entlehnt ist!“785 Bei dieser niederländischen Facette in Tischbeins Schaf­fen handelt es sich vielmehr um Paraphrasen der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘, wie sie unter anderem in Tischbeins Eselsgeschichte zu finden sind.786 Beispielhaft ange­ führt werden kann die aquarellierte Zeichnung Drei kartenspielende Soldaten (Abb. 69) aus dem Bestand der Klassik Stiftung Weimar, die als Niederländer- Kopie bzw. Adaption gilt. Dennoch sieht man an ihr eindeutig den Blick des frühen 19. Jahrhunderts. Die Frankfurter Maler, die Mitte des 18. Jahrhunderts im Stile der nie­ derländischen Künstler des 17. Jahrhunderts arbeiteten, erhielten bspw. Auf­ träge von Johann Caspar Goethe oder Baron Heinrich Jacob von Häckel.787 Und ihre Werke wurden von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel ge­ sammelt, der sie besonders schätzte.788 Sein Sammlerfreund Baron von Häckel hatte ihn auf die Frankfurter Künstler aufmerksam gemacht und ihm ver­ schiedene Gemälde vermittelt. Einzelne Werke wurden gezielt als Pendants zu Werken des ‚Goldenen Zeitalters‘ erworben. Dies gilt für die Maingegend von Christian Georg Schütz d. Ä. (Abb. 70), die auf die Flusslandschaft von Herman Saftleven (Abb. 71) Bezug nimmt. Die Maingegend von Schütz ist vor 1750 entstanden und zeigt eine seiner frühen Ideallandschaften. Die Komposition greift die 100 Jahre früher entstandene Flusslandschaft von Saftleven auf und Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 219

70 Christian Georg Schütz d. Ä.: Maingegend, vor 1750, Museumslandschaft Hessen Kassel

71 Herman Saftleven: Flusslandschaft, 1650–1660, Museumslandschaft Hessen Kassel

gibt sie mit kleinen Veränderungen – es ist schließlich keine Kopie – spiegel­ bildlich wieder. Beide Werke wurden über Baron von Häckel erworben und können gemäß des Sammlungskataloges von Simon Causid als Bilderpaar nachgewiesen werden, als „Nebenbild des Vorhergehenden“.789 Zwischen 1783 und 1805 waren sie in der Kasseler Kunstakademie ausgestellt. Während „Schütz […] auf dem Wege des Sachtleben die Rheingegenden fleißig bear­ beitete“ – wie Goethe schreibt –, zählte Trautmann zu den wichtigsten Rem­ brandt-Nachahmern im 18. Jahrhundert in Deutschland: „Trautmann, der sich den Rembrandt zum Muster genommen und es in eingeschlossenen Lichtern und Widerscheinen, nicht weniger in effektvollen Feuersbrünsten weit gebracht hatte, so daß er einstens aufgefordert wurde, einen Pendant zu einem Rembrandtischen Bilde zu malen […].“790 Die Kasseler Gemäldegalerie 220 Verbreitung

72 Johann Georg Trautmann: Brustbild ­eines Mannes in orientalischem Kostüm, um 1759–1762, Museumslandschaft ­Hessen Kassel

­besitzt heute ein entsprechendes Werk, ein Brustbild eines Mannes in orientali- schem Kostüm (Abb. 72). Greisenköpfe, die an Gemälde von Rembrandt Har­ mensz. van Rijn erinnern, gehören zu Trautmanns favorisierten Sujets und sind in vielen Varianten überliefert. Als Vorbilder hierfür gelten Rembrandts berühmte ‚Tronien‘. Statt diese Vorbilder direkt zu kopieren, greift Trautmann verschiedene Gestaltungselemente wie Lichtführung und Farbauftrag auf, um die Rembrandt’sche Manier – wie sie auch von Tischbein charakterisiert wur­ de – zu imitieren.791 Damit traf er den Geschmack der deutschen Sammler des 18. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund gelangt Michael North zu der Schlussfolge­ rung: „Wichtiger als die Verbreitung niederländischer Gemälde war also die Verbreitung niederländischer Themen durch die Maler, die zum Geschmacks­ transfer beitrugen, oder die Kenner und Sammler, die nicht nur Gemälde aus den Niederlanden erwarben, sondern auch die Themen niederländischer Ma­ lerei an die lokale Malerschaft vermittelten.“792 Die Behauptung, dass die zeit­ genössischen Maler, die im Stil der Alten Meister gearbeitet haben, wichtiger gewesen sein sollen als die Malerei des ‚Goldenen Zeitalters‘ selbst, lässt sich nicht allgemein auf die Situation im späten 18. Jahrhundert übertragen. Dass jedoch Künstler wie die Frankfurter ‚Goethe-Maler‘ einen wichtigen Beitrag zum Geschmackstransfer und der Verbreitung der niederländischen Kunst des 17. Jahrunderts im 18. Jahrhundert in Deutschland geleistet haben, dem ist Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammelns 221 zuzustimmen. Durch die Rückbindung an die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ erhielt die zeitgenössische Kunstproduktion eine Bedeutungssteigerung – und vice versa.793 Hierzu zählen ebenso Reproduktionen nach niederländischen Kunstwerken. Auf diese Weise verbreiteten einheimische Maler die nieder­ ländische Mode in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, indem sie die niederländische Kunst mit ihren Motiven und ihrer Malweise adaptierten, weshalb sie als ‚Hollandisten‘ bezeichnet werden.794

Fazit Die Beschäftigung mit spezifischen Charakteristika des Kunstmarktes sowie des Sammelns basiert auf Tischbeins erkenntnisreichen Formulierungen der von ihm identifizierten Moden des Kunstmarktes und der damit zusammen­ hängenden Macht dieser Moden. Sie bestimmten, welche Künstler zu einem Zeitpunkt gefragt waren oder in Vergessenheit gerieten. Dies führte mitunter dazu, dass der Name eines niederländischen Meisters einen höheren ideellen und monetären Wert bekam als die Qualität des Werkes. Hier kam es zu einer folgenschweren Verschiebung, bei der Marktinteressen und Sammlerlaunen die Kennerschaft aus den Angeln hoben. Der Namenskult hatte zur Folge, dass die Werke dieser gefragten Meister für horrende Summen gehandelt wur­ den – wie das Beispiel Jan van Huysum gezeigt hat. Neben den Preisschwan­ kungen auf dem Kunstmarkt zählten ebenso Kopien und Fälschungen zu den negativen Facetten des Kunstmarktgeschehens und waren eine direkte Reak­ tion auf das umstrittene Agieren der ‚Namen-Käufer‘. Nur der echte Kenner vermochte sich diesen Auswüchsen des Kunstmarktes und der Macht der Moden entziehen, wobei auch integre und anspruchsvolle Sammler – wie ­Karoline Luise von Baden oder die Sammlerfamilie Goll – der Versuchung nicht gänzlich wiederstehen konnten. Anteil an den spezifischen Moden im Kontext des Sammelns niederländischer Kunst hatten nicht nur Kunsthänd­ ler, Agenten und Sammler, sondern auch zeitgenössische Künstler. Seien es Künstler wie Denner oder Tischbein, die zeitweilig in den Niederlanden arbei­ teten oder dort ihre Lehr- und Wanderjahre verbrachten, oder die deutschen ‚Hollandisten‘ wie Schütz oder Trautmann, die im Stile der niederländischen Künstler des 17. Jahrhunderts arbeiteten. Gemeinsam trugen sie zur Verbrei­ tung sowie zur Wertschätzung der niederländischen Kunst im 18. Jahrhun­ dert in Deutschland bei. 222 Verbreitung

3.3 Anmerkungen

Abkürzungen GAM Gemäldegalerie Alte Meister LMO Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg MHK Museumslandschaft Hessen Kassel SAB Stadtarchiv Braunschweig SKK Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

372 Einige Forschungsergebnisse zur Sammlung Goll wurden bei der Jahrestagung des Arbeitskreises Niederländische Kunst- und Kulturgeschichte e. V. (ANKK) 13.–15.10.2016 in Hamburg im Rahmen eines Vortrages mit dem Titel Jeden Dienstag zu Gast im Hause Goll – eine Sammlung als Impulsgeber für die europäische Niederländer-Rezeption im späten 18. Jahrhundert vorgestellt. 373 Mittelstädt 1956, S. 83f. 374 Mittelstädt 1956, S. 440. 375 Brieger 1933, S. 320, Anmerkung 12. 376 SAB, H III 1 Nr. 22, Manuskript Römer und Schiller, S. 58, 59. 377 LMO, PT 833, o. S., PT 26, S. 26. 378 Zur Kritik an Tischbeins Orthographie und dem Umgang mit Eigennamen vgl. Schiller 1861, ­ S. XXXIIf. 379 LMO, PT 26, S. 26, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 83. 380 SAB, H III 1 Nr. 22, Manuskript Römer und Schiller, S. 58, 59, Schiller 1861, S. 98f. 381 LMO, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 84. 382 LMO, PT 26, PT 833. Für nähere Informationen vgl. Rehm 2016. 383 LMO, PT 833, o. S. Zum Vergleich der Wortlaut des Manuskriptes von 1811: „Bey Der H v. Goll der eine ausserordentlige schöne samlung von orginal hand zeichnungen besiz, und auch selbst gut landschaften zeichnet, bey dem war ich so oft als ich es konde um diesse schezbarn sachen zu sehen. Er giebt alle Dinstag geschellschaft wo seine freunde und liebhaber eingeladen sind die zeichnungen zu besehen. nach dem Teh und Kaffee getrunken ist, reine die bedinde tische an einander und dekt sie mit einem grünen tug, dan holt der H. v. Gooll eine Portefeule mit zeichnungn und sez sich unden an den tisch und die geselschaft an beiden seiden herum, und er nimt eine zeichung aus dem bug, und giebt sie an seinen Nachbar rechter hand, der besiehet sie nach gefallen, und dan giebt er sie weider an seine Nachbar, dan erhält er eine andere, under der zeit er sie besiehet, hatt der Nach­ bar die erste auch besehen, und giebt sie weider. Dan bekomd er die zweide, und so gehen die zeich­ nungn von hand zu hand. und worden besehen und darüber gesprochen und beortheilt. Das war ein vergnügen für mich die schöne zeichungen zu sehen. Von A. Ostade habe ich auser ordentlig schöne sachen mit wasser farben gesehen, [Einschub: Potter] und [Einschub: Viser Portre] von fast allen grosen Meisters. sind sie alle durch gesehen, dan wirt Suppirt. Diesses Vergnügen wünschte ich mir noch ein mahl die Zeichnungn zu sehen.“ LMO, PT 26, S. 26. 384 Waiboer 2007, S. 13. Zur zeitlichen Einordnung der Personen: Gerret Braamcamp (1699–1771), Jan Jansz. Gildemeester (1744–1799), Johan van der Marck (1707–1772), Pieter Leendert de Neufville (1706–1759), Jeronimus Tonneman (1687–1750). 385 Es scheint eine kuriose Analogiebildung (oder möglicherweise Verwechslung) zwischen dem Samm­ ler Goll und dem ‚portugiesischen Juden‘ zu geben: Im Alter soll Goll van Frankenstein d. Ä. erblin­ det sein und sich dennoch weiterhin mit Künstlern und Kunstfreunden umgeben haben. Nachweis­ bar ist dies durch verschiedene Briefe aus dem Jahr 1779, in denen dieser Umstand thematisiert wird. Für Tischbeins Besuch der Sammlung 1772/1773 lässt sich eine Erblindung jedoch nicht belegen. Vgl. hierzu Bille 1969, S. 195. 386 „Kwalificaties: amateurtekenaar, tekeningenverzamelaar, adellijk persoon, bankier, ondernemer“. https://rkd.nl/nl/explore/artists/32505 (11.01.2019). 387 Knoef 1948, S. 268f, Beck 1981, S. 114. Zu diesen frühesten Erwerbungen zählt bspw. eine Zeichnung von Allaert van Everdingen (1621–1675) mit dem Titel Nachtlandschaft mit Männern bei einem Feuer, heute in der Hamburger Kunsthalle, die ein Agent auf der Auktion Tonneman in Amsterdam im Jahr 1754 für Goll van Frankenstein d. Ä. erworben hatte. Vgl. Kat. Hamburg 2011, Nr. 313. Anmerkungen 223

388 Die Zeichnung Rembrandts (1648/1649) ist zusammen mit dem Nachstich von Jacobus Buys als Radierung mit Aquatinta (1765) und der Reproduktion durch Cornelis Ploos van Amstel (1821) bei Gelder abgedruckt zu finden. Gelder 1979. 389 Gelder 1979, S. 2f. Bei der Versteigerung von 1833 wird die Zeichnung für 40 Fl. veräußert. Tischbein kann die Zeichnung jedoch nicht gesehen haben, da sie erst im Jahr 1775 von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. für die Sammlung erworben wurde. Ebda. 390 Ein weiterer bekannter Amsterdamer Sammler jener Zeit, der ebenfalls als Amateurzeichner in Er­ scheinung trat, ist Dionys Muilman (1702–1772). Vgl. Bas 2006, Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 107. Vgl. hierzu Kapitel 3.2.1. 391 Knoef 1948, S. 274. Vgl. ferner Polak/Peeters 1997. 392 Zeichnungen von Johann Edler Goll van Frankenstein d. Ä.: Oprijlaan van de buitenplaats Velserbeek in Velsen, Graphit auf Papier, 198 x 250 mm, Rijksprentenkabinet Amsterdam, RP-T-1962:69. Land­ schap met gezicht op Hoechst bij Frankfurt, Kreide auf Papier, 222 x 334 mm, Rijksprentenkabinet Ams­ terdam, RP-T-1962-71. Een zeilbootje op de Gaasp of Diemen, Kreide auf Papier, 159 x 218 mm, Rijks­ prentenkabinet Amsterdam, 00-1601. De Herengracht in Amsterdam bij de Warmoesgracht, um 1760, Graphit auf Papier, 291 x 269 mm, Stadsarchief Amsterdam. Elfeld aan de Rijn, Kreide auf Papier, 196 x 273 mm, Scottish National Gallery Edinburgh, D 1061. Rivierlandschap met zeilboten, Graphit auf Papier, Albertina Wien, 10852. Hinzu kommen vier Zeichnungen im Kunsthandel. https://rkd. nl/nl/explore/images#filters[kunstenaar]=Goll+van+Frankenstein%2C+Johann+Edler (09.01.2019). 393 Zunächst bewohnte die Familie von 1757 bis 1765 ein Mietshaus in der Herengracht Nr. 158. Im Jahr 1765 erwarb Goll van Frankenstein d. Ä. eine eigene Immobilie, die sich nur wenige Häuser weiter in der Herengracht Nr. 174 befand. Vgl. Bille 1969, S. 196, Gelder 1979, S. 2. 394 Vgl. Knoef 1948, S. 275. 395 Vgl. hierzu https://rkd.nl/nl/explore/artists/49635 (11.01.2019). 396 Knoef 1948. Als Grund für die Auflösung der Sammlung nennt Knoef den Umstand, dass die Kinder von Pieter Hendrick Goll van Frankenstein noch minderjährig waren. Ebda., S. 284. 397 Vgl. Knoef 1948, S. 280f. 398 Zur Geschichte von ‚Felix Meritis‘ vgl. Molen 2009, Gompes/Ligtelijn 2008. 399 Dank dieser Auktion ist der Bestand der Sammlung Goll dokumentiert. Laut der Datenbank des RKD wurden im Rahmen der Nachlassauktion verschiedene Kataloge erstellt, ein Katalog für Zeichnun­ gen, ein Katalog für Gemälde sowie eine Liste der Preise und Käufer. 400 Die zeitgleiche Versteigerung des weitaus kleineren Gemäldebestandes brachte dagegen 105.955 Gulden ein. Vgl. Knoef 1948, S. 284, vgl. ferner Beck 1981, S. 115. Dies entspräche heute einem Wert von über 1.000.000 Euro. Darüber hinaus wurden Werke auch bereits in den Jahren vor der Verstei­ gerung veräußert. Vgl. Beck 1984, S. 111. 401 Für die Umrechnung vgl. https://iisg.nl/hpw/calculate.php (26.11.2018). 402 Vgl. Beck 1984, S. 111. Neben Johann Goll van Frankenstein d. Ä. waren zahlreiche weitere bekannte Sammler wie bspw. Cornelis Ploos van Amstel unter den Käufern vertreten. 403 Beck 1984, S. 111. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt Beck durch die Identifikation der Sammlerzei­ chen und die rückseitige Nummerierung der Blätter durch den Sammler. 404 Bei Valerius Röver handelt es sich um denselben Sammler, dessen erlesenes Gemäldekabinett von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel angekauft wurde. Die Witwe Rövers verkaufte im Jahr 1750 die Gemäldesammlung, bestehend aus 64 Werken, nach Kassel. Vgl. Rehm 2018. Die Samm­ lung von Valerius Röver ist durch ein von ihm ab 1730 eigenhändig verfasstes Inventar dokumen­ tiert, das Angaben zu Titeln, Preisen, Herkunft der Erwerbungen oder auch deren Veräußerung enthält. Dieses Inventar befindet sich in der Universitätsbibliothek Amsterdam und wurde 1913 erstmals publiziert. Moes 1913. Hinzu kommt eine postume Abschrift mit einer Übersicht der in 8 Quarto- und 34 Foliobänden verwahrten Zeichnungen. Vgl. Beck 1981, S. 111. 405 Vgl. Beck 1981, S. 112–116. Der restliche Sammlungsbestand wurde versteigert. 406 Die Provenienz wird wie folgt angegeben: „Valerius Röver (1686–1739), Delft (bei L. 2987) (hand­ schriftliches Inventar, fol. 32, Portefeuille N. 11, Nr. 16: ‚Een Capitale Tekening van Dezelve [Lairesse] met roet gewassen, verbeeldende de goude eeuw of de bekende aetas aurea door Bloteling in print gebragt die hier bij legt‘); Cornelia Röver-van der Dussen (1689–1762); 1761 über Hendrik de Leth (1696–1766), Amsterdam verkauft an Johann Goll van Franckenstein I (1722–1785), Amsterdam (L. 2987); Johan Goll van Franckenstein II (1756–1821), Amsterdam (L. 2987); vielleicht Auktion Roe­ lofs, Amsterdam (de Vries, … Roos, 8. 3. 1824, Kunstboek L, Nr. 31: ‚Eene Allegorische Vorstelling, 224 Verbreitung

met de pen en br. inkt, door G. de Lairesse, benevens de Prent, door A. Bloteling.‘, f. 1,10 an Mens­ art); Carl Fredrik Christian Rhodin (1821–1886), Altona bei Hamburg (L. 2179); Washington von der Hellen (1834–1900), Hamburg, Nr. 86; Gustav von der Hellen (1879–1966), San Isidro/Argentinien (nicht bei Lugt); Schenkung von der Hellen 1962 an die Hamburger Kunsthalle.“ Kat. Hamburg 2011, Kat. Nr. 578. 407 Korrespondierend zu der Zeichnung existieren ein Gemälde sowie ein Reproduktionsstich. Die Zeichnung ist ein Beispiel für die berühmten Provenienzen zahlreicher Sammlungsstücke der Ham­ burger Kunsthalle (hier Röver und Goll), worauf Stefes in der Einleitung zum Bestandskatalog des Kupferstichkabinettes verweist. Kat. Hamburg 2011, S. 1. 408 Lucas van Leyden: Der Sündenfall, um 1528, Kreide auf Papier, 282 x 195 mm, Hamburger Kunst­ halle, Kupferstichkabinett, 22108. Kat. Hamburg 2011, Kat. Nr. 595. Die Provenienz wird wie folgt angegeben: „Johan van der Does, Heer van Bergesteyn (1621–1704), Utrecht und Den Haag; Valerius Röver (1686–1739), Delft (bei L. 2987), Portfolio 1, Nr. 6; verkauft 1736; Johann Goll van Francken­ stein I (1722–1785), Amsterdam (L. 2987); Johan Goll van Franckenstein II (1756–1821), Amsterdam (L. 2987); Georg Ernst Harzen (1790–1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:04, fol. 136: ‚Verfolg. Lucas D. v Leyden Die ersten Eltern unter dem Baum der Erkenntnis; Adam empfängt einen Apfel aus Evas Händen und die Schlange sieht zu. Bez. Lucas van Leien egen handt. Meisterlich ausgeführ­ te Kreidezeichnung, aus der letzten Periode des Meisters wo er seinen Formen mehr Fülle gegeben. 7.3.10.6 Saml. Goll. v. Fr.‘; NH Ad: 02: 01, S. 235); Legat Harzen 1863 an die ‚Städtische Gallerie‘ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle.“ Ebda. 409 Vgl. hierzu insbesondere Beck 1981. Die erwähnte Zeichnung von Gerard de Lairesse enthält laut Bestandskatalog analog dazu folgende Inschrift: „Verso unten links nummeriert von der Hand Goll van Frankensteins: ‚N. 2850‘ (Feder in Rot, L. 2987)“. Kat. Hamburg 2011, S. 338. 410 Beck 1981, S. 115. 411 Smith 1829–1842. 412 Beck äußert folgende Vermutung: „Die Zeichnungen mit den Inventarzahlen von N1 bis N3700 sollen (wahrscheinlich) die Erwerbungen von Johann Goll I darstellen; diejenigen ab N3700 sind die von Johan Goll II. Pieter Hendrick Goll III hat meiner Meinung nach die Nummerierung nicht mehr fortgesetzt; denn seine Erwerbungen […] haben keinerlei Nummerierung mehr.“ Beck 1981, S. 117. 413 Beck 1981, S. 118. 414 LMO, PT 833, o. S. 415 Knoef 1948, S. 276. Niemeijer weist bspw. auf diese gängige Praxis hin: „Het was algemeen gebruik dat buitenlandse reizigers met kunstzinnige belangstelling belet vroegen bij de belangrijkste collec­ tioneurs.“ Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 107. Zur Sammlung Goll notiert Nie­ meijer ferner: „Niet idereen was zo royaal als de zeer vermogende Goll van Franckenstein, die iedere Dinsdagavond voor belangstellenden in zijn collectie open huis hield, en zijn gasten dan op verver­ singen onthaalde, ja vaak zelfs te eten noodde. Zijn verzameling was daardoor bij buitenlanders bekender dan vele andere, die in het algemeen slechts op een speciale introductie toegankelijk wa­ ren.“ Ebda., S. 108. 416 Am 24. Februar 1773 kam Banks in Amsterdam an, wo er sich bis zum 3. März 1773 aufhielt. Vgl. Strien 2005, S. 103–108. 417 In den Manuskripten von 1811 und 1824 schreibt Tischbein vor seiner Abreise in die Niederlande: „Darauf richtete ich mich ein und verschaffte mir Addressen nach Amsterdam. – Einige Leute waren mir dort auch schon bekannt […].“ Nach der Ankunft in Amsterdam heißt es weiter: „Erst gab ich meine Addreß-Briefe ab; dann besah ich die Gemälde, welche in öffentlichen Häusern zu sehen waren, […] besuchte dann die Gemäldehändler, die Sammlungen der Kunst Liebhaber […].“ LMO, PT 833, o. S. Leider ist nicht überliefert, welche Adressen Tischbein in die Niederlande mitnehmen konnte. Zu Empfehlungsschreiben und deren Bedeutung im Kontext der Netzwerkbildung vgl. Jost 2012, Jost/Fulda 2012. 418 Strien 2005, S. 127. In seinem Reisetagebuch schreibt Joseph Banks: „At half past 12 we arrived at Amsterdam and immediately visited Mr Gol, to whom we brought letters from Mr Allamand. He re­ ceived us most civily and appointed Monday Friday as the first day we could see a collection.“ Strien 2005, S. 166. Laut der Tagebucheintragungen war dies die Sammlung van der Meulen, die Banks am Freitag, den 26. Februar 1773 besuchte. Ebda. 419 Vgl. Bille 1969, S. 196, Knoef 1948, S. 280. 420 Strien 2005, S. 171. Anmerkungen 225

421 Strien 2005, S. 106. 422 Tischbein interessiert sich ebenfalls für diesen Aspekt der Amsterdamer Sammlungskultur und be­ sucht neben den Kunstsammlungen auch Naturalienkabinette. Sowohl Tischbein als auch Banks erwähnen den „Blaauw Jan“, wo lebende exotische Tiere zu sehen waren. Strien 2005, S. 127, 106, LMO, PT 26, S. 30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 102. 423 Groskurd 1782, Bd. 5, S. 453. 424 Sander 1783/1784, Bd. 1, S. 566f. 425 Gruner 1819. Unter dem Titel Leben M. A. von Thümmels sind die Lebensbeschreibungen Teil der achtbändigen Ausgabe M. A. von Thümmels sämmtliche Werke, die von Johann Ernst von Gruner 1811 bis 1839 herausgegeben worden waren. Zum Leben und Wirken von Thümmels vgl. Heldmann 1964. 426 Gruner berichtet, dass die größeren Reisen von Thümmels ab 1772 stattfanden, in Gesellschaft sei­ nes jüngeren Bruders sowie einer Frau von Wagenheim. Gruner 1819, S. 107. Es handelt sich um die junge und reiche Witwe Friederike von Wagenheim aus Gotha, die kurze Zeit später Moritz August von Thümmels jüngeren Bruder Friedrich Christian (1745–1778) heiraten sollte. Die Reise in und durch die Niederlande führte die kleine Reisegesellschaft von Köln über Arnheim, Utrecht und Den Haag bis nach Amsterdam, mit weiteren Zwischenstationen. 427 Gruner 1819, S. 115f. Überliefert ist die Reise durch Briefe, die von Thümmel an den späteren Her­ zog Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1750–1806) schrieb. Vgl. Heldmann 1964, S. 347. Im selben Brief berichtet von Thümmel über den Aufenthalt in Den Haag: „Der Prinz hat nicht viel äusserliches, aber destomehr Politesse gegen Jedermann. Ihr gnädigster Oncle ist ein sehr leutseliger Herr und übertreibt fast die Höflichkeit gegen Fremde. irW hatten ihm kaum aufgewartet, so bekamen wir Visiten-Billets von ihm […].“ Ebda., S. 125. Das Procedere des Weitergebens von Adressen und Empfehlungen setzt sich fort, so berichtet von Thümmel in einem weiteren Brief: „Unsere Reise nach Frankreich haben wir noch einige Wochen verschoben. – Wir denken daselbst so gut zu seyn als in Holland, weil uns von den vornehmsten Häusern allhier die besten Empfehlungen versprochen sind.“ Ebda., S. 140. 428 Gruner 1819, S. 130. Stereotype Vorurteile gegenüber den Holländern finden sich in verschiedenen Publikationen der Zeit um 1800, bspw. in Johann Georg Heinrich Hassels Länder- und Völkerkunde aus dem Jahr 1809: „Amsterdam ist gegenwärtig der Sitz des Monarchen, der höchsten Staatsbehör­ den, der fremden Gesandten und überhaupt alles dessen, was Holland schönes hat; doch nimmt es in dieser Hinsicht unter den Hauptstädten Europens nur einen untergeordneten Rang ein; es hat keine Palläste, keine prächtigen Plätze, keine Kunstwerke, keine Werke des Geschmacks und des Luxus – es herrscht hier eine Einfachheit des Lebens und des Genusses, wie sie dem Geiste der Na­ tion angemessen ist.“ Hassel 1809, S. 134. 429 Gruner 1819, S. 137f. 430 In den Briefen, die von Thümmel während seines Aufenthaltes in den Niederlanden schrieb, geht er auf verschiedene Details ein, die typisch für die Reisebeschreibungen jener Zeit sind. Die Schilde­ rung seiner Abreise aus Amsterdam verdeutlicht den Fokus seiner Reise: „Nachdem ich fast alles ge­ sehen habe, was Holland merkwürdiges aufzuweisen hat, bin ich am 3ten dieses von Amsterdam über Herzogenbusch – Mastricht – Lüttich nach Spaa gegangen.“ Ebda., S. 142. Die Kunst lässt er dabei weitestgehend unbeachtet und widmet ihr keine weiteren Details. Allenfalls lässt er sich im Rahmen einer Schiffstour nach Texel zu der Äußerung verleiten: „[D]a lernte ich zum erstenmale die Gemählde des Vernet verstehen […].“ Gruner 1819, S. 132. 431 Zur Definition von Graphik vgl. bspw. Unverfehrt 2000, S. 30. 432 Vgl. Kat. Hamburg 2011. 433 Vgl. Brakensiek 2003. Brakensiek widmet sich in seiner Studie dem Sammeln von Druckgraphik in Deutschland in der Zeit zwischen 1565 und 1821 unter verschiedenen Gesichtspunkten. 434 Kat. Hamburg 2011, S. 3. Dies gilt nicht nur für Zeichnungen, sondern auch für Gemälde. Reproduk­ tionsstiche nach niederländischen Gemälden hatten mitunter einen erheblichen Einfluss auf das Sammelverhalten. Auch die daran anschließenden bebilderten Galeriewerke waren ein wichtiges Medium des Niederländer-Geschmacks und zeigten vorbildliche Sammlungsprofile. Vgl. illmannT 2015, S. 170f. Zu Galeriewerken vgl. Bähr 2009. Zum Thema Reproduktionsstiche vgl. Schweighofer 2009, Weissert 1999. 435 Vgl. Schwaighofer 2009, S. 48, Kat. Nürnberg 1983, S. 10. 436 Vgl. Wardle 1980, S. 311. 226 Verbreitung

437 Kat. Nürnberg 1983, S. 11. Zum einen wirkte der künstlerische Dilettantismus kompensatorisch in Bezug auf die spezifischen Anforderungen der Zeit, was bspw. in den amateurhaften Landschafts­ zeichnungen zum Ausdruck kommt. Zum anderen verband sich damit eine besondere Form der Geselligkeit, analog zum gemeinschaftlichen Diskurs über Kunst, Musik oder Literatur. Zur Ge­ schichte und Bedeutung des Zeichenunterrichts für Laien vgl. ferner Kemp 1979. Zum Thema Dilet­ tantismus und Kunstbetrachtung sowie den damit verbundenen Ambivalenzen vgl. Trautwein 1997, S. 81–88. 438 Über den sogenannten Dilettantismus oder die praktische Liebhaberey in den Künsten wurde erst postum veröffentlicht. Goethe 1833. 439 Grave 2006, S. 97. 440 Zum Dilettantismus vgl. Rosenbaum 2010, Blechschmidt/Heinz 2007, Vaget 1971. 441 Vgl. hierzu das Emblem von Daniel Rollenhagen (1583–1619) aus dem Nucleus Emblematum (1611). Das Motto wird aus einer Anekdote bei Plinius hergeleitet. 442 An den Kunstakademien schulten sich die angehenden Künstler an einem Formenschatz, der als vorbildlich erachtet wurde. Hierzu zählte zunächst das Zeichnen und Kopieren nach Alten Meistern, gefolgt vom Zeichnen nach lebenden Modellen. Vgl. Unverfehrt 2000, S. 198. 443 Zur Geschichte von Felix Meritis vgl. Gompes/Ligtelijn 2008. Ferner ist in diesem Kontext zu erwäh­ nen, dass eine Schule für Zeichenanfänger im Jahr 1773, also zu Zeiten von Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden, an die Amsterdamer Stadstekenacademie angegliedert wurde. Knolle 1984, S. 49. 444 Guichard 2015, S. 83f. Zu den Amateuren bzw. Kunstkennern, die nach Rembrandt radierten, gehö­ ren bspw. Karoline Luise von Baden oder Christian Ludwig von Hagedorn. Ebda., S. 85. Aber auch Tischbein fertigte Radierungen nach Rembrandt an, wie er in seinen Lebenserinnerungen schreibt, was einer immer umfangreicher werdenden Aneignung der niederländischen Kunst diente. Zu sei­ nen Radierungen notiert Tischbein: „Herrn S. Dunse bezeihte mir besonders viele hoffligkeiten und ich war ofte bey ihm, und sahe in seiner Geselschaft seine Orginal Zeihnungen wo von er eine schön Samlung hatte. Besonders von Rembrand, derer ich auch einige Radirt habe. und habe die Blätter nach jahren in Rembrandischen Kupfersich samlungen als seldene Orginale gefonden. Selden sind sie auch den ich spielte mit den Platten, und nach dem einige abdrücke davon gemacht waren, worden die Platten verlohren. ich machte auch welche auf meiner erfindung in Rembrands manir. das Kenner irre darüber worden.“ LMO, PT 26, S. 19, vgl. Mittelstädt 1956, S. 74. 445 Bei der Übertragung des Dilettantismus-Schemas bspw. auf das Sammelverhalten ist Vorsicht gebo­ ten. Einer berühmten Sammlung wie der Sammlung Goll sollte man nicht Willkür vorwerfen, womit der Dilettantismus unter anderem in Verbindung gebracht wird. Vgl. Grave 2006, S. 282. 446 Ein weiterer bekannter Amsterdamer Sammler jener Zeit, der ebenfalls als Amateurzeichner in Er­ scheinung trat, ist Dionys Muilman (1702–1772). Vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 107. Und ein deutscher Graphiksammler, der ebenfalls als Zeichner dilettierte, ist der Frankfurter Sammler Johann Friedrich von Uffenbach (1687–1769). Vgl. Unverfehrt 2000, S. 198. 447 Vgl. Weiler 2015, S. 123. Zu Karoline Luise von Baden vgl. Kat. Karlsruhe 2015, Frank/Zimmermann 2015. Karoline Luise von Baden besaß eine Gemäldesammlung mit ca. 200 Werken sowie eine Gra­ phiksammlung mit ca. 1.500 Blättern. Vgl. Jacob-Friesen 2015. 448 Kein anderer zeitgenössischer Sammler hat den Zeichnungen der Markgräfin so viel Aufmerksamkeit geschenkt und sie in seinem eigenen Kabinett gesammelt. So bittet er sie in seinen Briefen wieder­ holt um weitere Zeichnungen, wobei er eigene Schöpfungen gegenüber Kopien bevorzugte. Vgl. Weiler 2015, S. 124. Goll berichtet in einem Brief an Karoline Luise, dass im Sommer 1771 zahlreiche Besucher in seiner Sammlung zu Gast waren und eine von der Markgräfin angefertigte Zeichnung der Kleopatra besonders bewundert wurde. Brief von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. an Mark­ gräfin Karoline Luise von Baden, Amsterdam 11.10.1771. https://karoline-luise.la-bw.de/dokument. php?id=4489&ausgangspunkt=suche (17.12.2018). 449 Karoline Luise von Baden: Bildnis des Prinzen Ludwig, 1772, Rötel auf Papier, 110 x 90 mm, Haus Baden. Kat. Karlsruhe 2015, S. 144, Nr. 100. 450 Sander 1783/1784, S. 566. Heinrich Sander leitet die Beschreibung der Sammlung Goll in Amster­ dam mit den Worten ein: „Hrn. Baron Gould’s Sammlung von Handzeichungen“. Hier handelt es sich wie so häufig um eine Fehlinterpretation bei der Schreibweise des Namens. Bereits bei Knoef 1948 wird der von Sander referierte Sammler als Goll identifiziert. Ergänzende Recherchen konnten keinen Sammler namens „Gould“ in Amsterdam im späten 18. Jahrhundert nachweisen. Alle Indi­ zien deuten darauf hin, dass es sich hierbei um Johann Goll van Frankenstein d. Ä. handelt. Anmerkungen 227

451 Die Bevorzugung von und Spezialisierung auf die Kunst des 17. Jahrhunderts ist unter anderem auf den Umstand zurückzuführen, dass es zu keinem anderen Zeitpunkt eine derart reiche Kunstproduk­ tion im Bereich der Zeichenkunst gab. Dies wirkt sich auch auf die Zusammensetzung vieler Graphik­ sammlungen jener Zeit aus, die einen Schwerpunkt auf den Niederländern haben, ergänzt durch Flamen und Deutsche, wobei Italiener und Franzosen kaum vertreten sind. Dies trifft bspw. auch auf die Sammlung von Johann Friedrich von Uffenbach zu. Vgl. Unverfehrt 2000, S. 26, 138, 198. 452 Zu den ‚Portefeuilles‘ bzw. ‚Kunstboeken‘ resümiert Schatborn, dass im 17. Jahrhundert Zeichnun­ gen meist in Kunstbüchern gesammelt wurden. So hatten die Künstler selbst ihre Zeichnungen verwahrt und diese Praxis sollten die Sammler fortsetzen. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, ver­ bunden mit dem Aufschwung des Kunstmarktes und der Auflösung der großen bedeutenden Zeich­ nungssammlungen, werden die Konvolute kleiner und in den Auktionskatalogen werden die Zeich­ nungen zunehmend einzeln verzeichnet. Vgl. Schatborn 1981, S. 3. 453 Sander 1783/1784, S. 566. 454 Johann Friedrich von Uffenbach vermachte einen Teil seiner umfangreichen Sammlung an Graphi­ ken und Büchern testamentarisch der im 18. Jahrhundert neu gegründeten Georgia-Augusta-Univer­ sität Göttingen. Interessanterweise gingen 232 Zeichnungen, die in zwei Klebebänden gesammelt waren, nicht im Rahmen der Stiftung nach Göttingen, sondern wurden nach dem Tod der Witwe von Uffenbach im Jahr 1775 zur Versteigerung gegeben und von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. für 445 Fl. angekauft. Vgl. Unverfehrt 2000, S. 25–27. 455 Vgl. Unverfehrt 2000, S. 27. 456 Alten 1872, S. 81. Brief von Karl August Böttiger an Tischbein, Weimar 14.02.1801. 457 LMO, PT 26, S. 26, vgl. Mittelstädt 1956, S. 83. 458 Mittelstädt 1956, S. 221f, Kapitel Mailand. 459 Die Bedeutung von Kopien im Rahmen der künstlerischen Ausbildung betont Tischbein immer wieder in seinen Lebenserinnerungen und berichtet von seiner eigenen Kopiertätigkeit. Über die Lehrjahre in Hamburg bei seinem Onkel Johann Jacob Tischbein schreibt er: „[I]ch fing nach dem ich mir meine farben zurecht gemacht hatte eine landschaft an zu mahlen, die ich mir zu cupiren aus gesucht hatte. […] So mahlte ich den tätlig vort, und copierte von seine kleine Pferden stückgens […].“ Im Hause von Johann Dietrich Lilly in Hamburg erhält er die Aufforderung: „[M]achen sie sich nun ein Geschäft was ihnen am liebsten ist. sie könen sich Bilder zum Cupiern aus suchn oder auch zeihen, was ihn am liebsten ist.“ Und auch in Kassel kopiert Tischbein in der Sammlung der Land­ grafen: „Aus der Galleri und auch aus dem Kabinet copirte ich verschiedene Bilder, den ganz vor­ trefligen Kopf von Rembrand mit dem Helm auf dem Kopf. Und Kopfe von v. Dey.“ LMO, PT 26, S. 4, 9, 35, vgl. Mittelstädt 1956, S. 52, 56, 107. 460 Mittelstädt 1956, S. 247, Kapitel Zum zweiten Male in Rom. 461 In diesem Sinne zitiert Tischbein seinen Weggefährten Johann Caspar Lavater (1741–1801): „Lavater pflegte zu sagen, er lerne einen Menschen besser kennen, wenn er auch ein Porträt von ihm sähe. Die Kopie lehre im Original Sachen entdecken, welche er vorher nicht gekannt habe.“ Mittelstädt 1956, S. 383. Zu erwähnen ist hier Lavaters Hauptwerk Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe. Lavater 1775. Tischbein schuf in der Auseinandersetzung mit Lavater verschiedene physiognomische Studien wie bspw. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Ver- gleichende physiognomische Studien von Tier- und Menschenköpfen, 1790–1800, Aquarell und Feder auf Papier, 231 x 188 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 1938-33. Lavater und Tischbein teilen ein besonderes Interesse am Charakteristischen, was Tischbein sogar zu einem zentralen Kri­ terium bei der Beurteilung von Kunstwerken erklärt hat. In diesem Kontext ist auch Tischbeins ­Vasenwerk zu sehen, das 1791–1795 bzw. 1795–1803 unter dem Titel Collection of Engravings from Ancient Vases in Neapel erschienen ist. Das Vasenwerk basiert auf der berühmten Sammlung von Sir William Hamilton (1730–1803) und umfasst 240 Tafeln nach griechischen Vasen in Form von Um­ risszeichnungen. Tischbein fertigte hierfür die Zeichnungen an, welche anschließend zur Reproduk­ tion an einen Stecher gegeben wurden. Vgl. Kat. Kassel 2005, S. 140–144, Weissert 1999, S. 116–130. Als Besonderheit des Vasenwerkes werden Tischbeins originalgroße und detailgetreue Wiedergaben der Malereien hervorgehoben, denen in Kombination mit den Erläuterungen von Andrej Italinsky (1743–1827) ein wissenschaftliches Verdienst zukommt. Vgl. Leuschner 2007, Bd. 1, S. 594. ­Dennoch musste sich Tischbein von einigen seiner Zeitgenossen für seinen Umgang mit den Vorbil­ dern im Rahmen der graphischen Reproduktion derselben kritisieren lassen. Vgl. Sternke 2008, S. 208–225. 228 Verbreitung

462 LMO, PT 26, S. 15, vgl. Mittelstädt 1956, S. 66. Diese Äußerung Tischbeins impliziert, dass er sich in jungen Jahren mit dem theoretischen Diskurs nicht lange aufgehalten hat und dass seine Qualifika­ tion vor allem praktisch und nicht akademisch begründet ist. Eine wichtige Rolle spielt hier das ­eigene Studium, bei dem er den bildlichen Quellen gegenüber den literarischen Quellen eindeutig den Vorzug gibt. 463 Brief von Tischbein an Johann Heinrich Tischbein d. J., Hamburg 07.06.1807. MHK, Graphische Sammlung, GS 22906. Mit herzlichem Dank an Christiane Lukatis. Dass Tischbein ausgerechnet gegenüber seinem Bruder, der als Inspektor der Gemäldegalerie der Landgrafen von Hessen-Kassel tätig war, die Bedeutung der Druckgraphik betont, ist auch dahingehend relevant, dass Johann Heinrich Tischbein d. J. vornehmlich in diesem Metier reüssierte. 464 Mittelstädt 1956, S. 92. 465 Goethe zitiert nach Grave 2006, S. 232. Brief von Goethe an Johann Friedrich Rochlitz (1769–1842), 27.02.1815. 466 Vgl. Grave 2006, S. 237. 467 Grave 2006, S. 126. 468 Dézallier d’Argenville 1767, S. 2, vgl. Richardson 1728, Bd. 1, S. 121. 469 So wird in Graphikhandbüchern dem noch unkundigen Sammler der Rat erteilt, keine Kopien, son­ dern nur Originale zu kaufen und auch von Nachstichen abzusehen. Vgl. Grave 2006, S. 241. 470 Zu Ploos van Amstel vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980. 471 Knolle 1984, S. 43. Für die Schriften von Friedrich von Alten zu Tischbein und Ploos van Amstel siehe Alten 1872, Alten 1864. Zum ‚Oldenburgse bundel‘, das Ploos van Amstel selbst als „Register­ boek“ bezeichnet hat, siehe Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 301–304. 472 Ein von Niemeijer entdecktes handschriftliches Inventar zu einem Teil der Sammlung Ploos van Amstel zeigt folgende Einteilung der Sammlung: I. „Antieke gesneede Edele Gesteentens“, II. „Schilde­ reyen“, III. „Teekeningen“, IV. „Prenten en Prentwerken“, V. „Manuscripten“, VI. „Boeken en Schrif­ ten gedrukt en geschreven“. Innerhalb der einzelnen Kategorien sind verschiedene Unterkategorien zu finden. Niemeijer 1997, S. 55. Die Zeichnungen und Drucke sind leider nicht im ausführlichen Katalogteil des Inventars enthalten. Die Gemäldesammlung wird dort dagegen mit etwa 70 Bildern inklusive der Hängung im Haus Ploos van Amstels angegeben, was Niemeijer zu der Schlussfolge­ rung verleitet, dass das in seinen Ausmaßen bescheidene Haus zum Bersten mit Gemälden gefüllt gewesen sein muss. Ebda., S. 60f. Eine Randbemerkung: In der Einleitung bzw. Vorbemerkung zum Inventar ist von drei verschiedenen Sammlertypen die Rede – den Ästheten, den kulturhistorisch Interessierten und den Kunsthistorikern –, wobei sich Ploos van Amstel selbst zum letzten Typ zählt. Ebda., S. 56. Zur Sammlung von Ploos van Amstel vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 3–111. 473 Knolle 1984, S. 44. 474 Zu den Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert in der Sammlung Ploos van Amstel gehört bspw. eine kleine Serie mit zwölf aquarellierten Zeichnungen von Hendrik Meijer (1744–1793) mit Darstellun­ gen der zwölf Monate, die im Jahr 1772 – zeitgleich zu Tischbeins Aufenthalt in den Niederlanden – entstanden sind. Vgl. https://rkd.nl/explore/images/266408 (11.01.2019). 475 Vgl. den Ankauf zweier Zeichnungen von Allaert van Everdingen. Kat. Hamburg 2011, Nr. 318, 319. 476 Hierbei handelt es sich um eine von Cornelis Ploos van Amstel selbst angefertigte aquarellierte Zeichnung nach einem Gemälde von Jacobus Buys (1724–1801). Die singuläre Figur war ursprüng­ lich Teil eines Gruppenportraits der Familie Ploos van Amstel, wo sie den rechten Bildabschluss bil­ det. Das Familienbild von 1756 zeigt die Eltern von Cornelis Ploos van Amstel zusammen mit ihren drei Söhnen Adriaan, Jacob und Cornelis. Vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 7, 133. Eine weitere, aufwändiger gestaltete Zeichnung von 1760 aus der Hand von George van der Mijn (1723/1728–1763) gewährt zusätzlich einen Blick in das Kabinett von Cornelis Ploos van Ams­ tel und zeigt diesen in Gesellschaft von Gästen. George van der Mijn: Cornelis Ploos van Amstel mit Gästen in seinem Kunstkabinett, 1760, Aquarell und Feder auf Papier, 214 x 387 mm, Fondation Cus­ todia Paris. 477 Vgl. hierzu Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 112–131. Die Auflage der einzelnen ­Reproduktionen lag bei 350 Stück, wobei die Preise für die verschiedenen Drucke stark variierten. Ebda., S. 122–125. Der dort beigefügte Katalogteil verzeichnet 46 ‚hoofdprenten‘ und wird durch ‚bijprenten‘ ergänzt. Ebda., S. 255–291. Anmerkungen 229

478 Knolle 1984, S. 46. Die Zeitschrift Vaderlandsche Letteroefeningen erschien unter verschiedenen Titeln zwischen 1761 und 1876. Die Ausgaben ab 1776 sind abrufbar unter: https://dbnl.org/titels/tijd­ schriften/tijdschrift.php?id=_vad003vade01 (11.01.2019). 479 Vgl. Muller 2011, S. 300. 480 Murr 1775–1789, Bd. 7, S. 48–52. Die von Murr referierten Künstler sind in der dortigen Schreibweise: 1. Adrian van de Velde, 2. Savtleven, 3. Rembrand, 4. Rembrand, 5. Adrian van Ostade, 6. van Goyen, 7. van Campen, 8. Gerar Dow, 9. van Goyen, 10. van Goyen, 11. Ludolf Backhuizen, 12. G. Metsu, 13. Berghem, 14. Phil. Wouwerman, 15. Abraham Bloemaert, 16. Hendrick Golzius, 17. C. Vischer, 18. P. Saenredam, 19. Karel van Mander, 20. Govaert Flinck, 21. P. Coops, 22. Adrian Brouwer, 23. Adrian Ostade. 481 Mittelstädt 1956, S. 84. 482 Die entsprechende Textstelle lautet: „Bey H Blos von Amsel sah ich ein seldenes bild von Adrian Brour. das ganze steld ein Gefängnis vor, wo die Spanier Brour ein gesez hatten. Er siz an der staffeley und mahlt. Rubens [Einschub: ihn besuchend] siz neben ihm mit eine klein hundgen auf dem schoss, van Douk und Tiberbeck stehen hinter ihm. und B spricht mit zorn, und erzehlt an Rubens seine gefangen sezung. der lächelt mit einer ruhign miene, und an der thüre stehet ein Italiener der macht Musik und ein Knabe singt da zu, ihm die zeit zu vertreiben in seiner gefangenschaft. die Geschichte ist bekand. die spaniger fanden B zeichnet, und hilden ihn für eine spion und sezen ihn in ein gefang nis, wo ihn Rubens wieder aus befreid.“ LMO, PT 26, S. 26, vgl. Mittelstädt 1956, S. 84. In dem von Niemeijer zitierten Inventar der Sammlung Ploos van Amstel wird in der Kunstkammer des Hauses ein Gemälde von Adriaan Brouwer angeführt, jedoch ohne weitere Spezifizierung, sodass eine Übereinstimmung nicht nachweisbar ist. Niemeijer 1997, S. 60. Niemeijer vermutet, dass sich Ploos van Amstel im Laufe der Zeit von dem von Tischbein beschriebenen Werk getrennt hat. Lau­ rentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 109. 483 Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 103–111. 484 Heinecken 1768/1769, Bd. 2, S. 46. 485 Gräf 1911, S. 217. 486 Vgl. Fanslau 2010, S. 166. Die Kunstbetrachtung kann dabei verschiedene Funktionen erfüllen – einer­seits kann sie in Form des Selbststudiums die eigene Reflexionsfähigkeitschulen, andererseits kann sie als gemeinschaftliche Praktik gesellschaftsbildend wirken. Vgl. Kernbauer 2011, S. 70. 487 LMO, PT 833, o. S. 488 Sander 1783/1784, S. 566. 489 Groskurd 1782, S. 453. 490 Sierstorpff 1804, S. 582. 491 Verwiesen sei an dieser Stelle auf den Aufsatz von Barbara Welzel Galerien und Kunstkabinette als Orte des Gesprächs, der die interaktive Kunstrezeption in den niederländischen Kunstsammlungen des 17. Jahrhunderts thematisiert, die selbst im Rahmen der Galeriebilder zum Gegenstand der Kunst geworden ist. Welzel 1997. Zur gemalten Kunstkammer vgl. Ganz 2006, Wettengl 2002. Dem Ge­ spräch in den (später öffentlichen) deutschen Gemäldegalerien des 18. und 19. Jahrhunderts wid­ met sich eine Studie von Joachim Penzel. Penzel 2007. Penzel zeigt auf, wie die Sammlung zum Handlungsraum für die Aneignung von Kunst wird und welche Rolle Sprache und Konversation dabei spielen. Während im 18. Jahrhundert der „sprachliche Gedankenaustausch“ eine zentrale Rol­ le bei der Kunstbetrachtung spielt, wird dieser im 19. Jahrhundert von einer „Institutionalisierung des Schweigens“ abgelöst. Ebda., S. 256. An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als die Frage nach den Möglichkeiten der Kunstbetrachtung explizit aufgeworfen wurde, erschien in der Zeit­ schrift Athenäum ein von August Wilhelm Schlegel (1767–1845) verfasstes fiktives Kunstgespräch unter dem Titel Die Gemälde. Ein Gespräch. In Dresden 1798. Vgl. Trautwein 1997, S. 289–296. 492 Mittelstädt 1956, S. 151, Kapitel Erste Reise nach Italien. 493 LMO, PT 26, S. 15, vgl. Mittelstädt 1956, S. 66. 494 Dies rekurriert auf die Tradition des Sammelns und der Sammlung als Erkenntnisort, abgeleitet aus den Studierkammern der Humanisten. Vgl. Welzel 1997, S. 498. 495 Vgl. Wetering 2006, S. 78. 496 Zur Identifikation der dargestellten Personen vgl. Datenbank des RKD: https://rkd.nl/explore/images/ 164790 (11.01.2019). 497 Zur Sammlung Brentano vgl. Bionda 1986. Die Sammlung umfasste insgesamt 411 Gemälde, was aus dem Versteigerungskatalog von 1822 hervorgeht, womit der Umfang der Gemäldesammlung 230 Verbreitung

weit über dem Durchschnitt lag. Zudem war die Sammlung mit holländischen, flämischen, italie­ nischen und deutschen Meistern sehr breit aufgestellt. Hinzu kam eine Graphiksammlung mit 1.900 Drucken (v. a. Reproduktionsgraphik) und einigen wenigen Zeichnungen. Ebda. 498 Tischbein kann die Sammlung Brentano auf seiner Reise durch die Niederlande jedoch nicht ken­ nengelernt haben, da der Sammler zu diesem Zeitpunkt erst zwanzig Jahre alt war – wie Tischbein selbst. Dennoch ist die Sammlung Brentano ein wichtiger Bestandteil der Sammlungskultur um 1800. 499 LMO, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 83f. 500 Sander 1783/1784, S. 566f. Über die Künstler, die sich zusammen mit Allaert van Everdingen in dem Portefeuille befanden, schreibt Sander: „Die andern Meister waren: Glauber; van de Uyl, der oft statt seines Zugs eine Eule dazu setzte; Bischop oder Episcopius; – Breenberg, Rademaker, Hollar und Zaftleeven, dessen Stücke ich besondern lieben würde, und der Sammt-Breughel. Man sah noch viele andere seltene Stücke, und ass auch da zu Nacht.“ Ebda. 501 Mittelstädt 1956, S. 92. Dieser Hinweis kann nicht in den Manuskripten von 1811 und 1824 nach­ gewiesen werden. 502 Die Provenienz wird wie folgt angegeben: „Jeronimus Tonneman (1687–1750), Amsterdam; dessen Mutter, Maria Tonneman, geb. van Breusegom (?–1752); Auktion Tonneman, Amsterdam 1754 (Lugt, Ventes 845), an de Bosch (ƒ 170) für Johann Goll van Franckenstein I (1722–1785), Amster­ dam (L. 2987); Johan Goll van Franckenstein II (1756–1821), Amsterdam (L. 2987); Pieter Hendrik Goll van Franckenstein (1787–1832); auf der Auktion Goll van Franckenstein, Amsterdam 1833 (Lugt, Ventes 13362), erworben für ƒ 22 von Georg Ernst Harzen (1790–1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 20: [A. v Everdingen Fortsetzung.] Nachtstück. Ein niedergebranntes Haus, dessen verlöschende Glut von vielen Zuschauern umstanden die Gegend erleuchtet. Im Hintergrunde ge­ wahrt man eine gothische Kirche von einem Kranz von Bäumen umgeben an einem schiffbaren Flusse. Bez AVE Sehr vollendete, effectvolle Tuschzeichnung FF 7.9/4.10 Samml. Goll. v. Franken­ stein; NH Ad: 02: 01, S. 250); Legat Harzen 1863 an die ‚Städtische Gallerie‘ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle.“ Kat. Hamburg 2011, Nr. 313. 503 Kat. Hamburg 2011, Nr. 313. Ein wichtiges Vermächtnis, das den Grundstock der Hamburger Gra­ phiksammlung bildet, ist jenes von Georg Ernst Harzen, der mehrfach in Verbindung zur Sammlung Goll steht. Harzen besuchte zahlreiche Nachlassauktionen, auch jene der Sammlung Goll im Jahr 1833, auf der er 39 Werke der niederländischen Schule erwarb. Diese Werke sind im abschließenden Verzeichnis der ehemaligen Besitzer unter „Johan Goll van Frankenstein I“ aufgeführt. Kat. Ham­ burg 2011, S. 1. 504 LMO, PT 26, S. 9, vgl. Mittelstädt 1956, S. 56. Das Zitat bezieht sich auf Tischbeins Lehrjahre in Hamburg und seine Zeit im Hause des Kunsthändlers Johann Dietrich Lilly, wo er direkten Zugang zu den dort verwahrten Kunstwerken hatte. 505 Vgl. Bionda 1986, S. 141. 506 Mittelstädt 1956, S. 338, Kapitel Akademiedirektor in Neapel. 507 In den publizierten Lebenserinnerungen wird dies wie folgt beschrieben: „Die Besten von der Aka­ demie bildeten einen Verein unter sich, um sich im Komponieren zu üben. Sie kamen alle Sonntage bei mir zusammen, gaben sich ein Sujet auf, welches alle ausführten, und nach vierzehn Tagen brachten sie die Zeichnungen mit. Diese wurden ausgestellt und beurteilt, das Verdienstliche gelobt und die Fehler getadelt. Alles ging mit der größten Ordnung zu, die sie selbst untereinander ausge­ macht hatten. […] So wurde eine Zeichnung nach der andern aufgestellt und alles genau durchge­ gangen. Zuletzt stellte man sie zusammen in einer Reihe auf. Übrigens waren es lauter ausgewählte junge Leute von gutem Charakter und edlen Sitten. […] Das wechselseitige Gespräch war auch oft sehr unterrichtend, denn von allen Zweigen der Kunst wurde etwas abgehandelt, und es waren Per­ sonen zugegen, die in dem einen oder dem anderen Fache Kenntnis oder die eine und die andere Kunst besaßen und sich hier gegenseitig die Hände reichten. Es nahmen auch verschiedene Gelehr­ te daran teil, welche ihr Urteil aussprachen und denkwürdige und malerische Begebenheiten aus der Geschichte erzählten. Selbst Kunstliebhaber wurden zugelassen, die aber nicht reden durften, um die Ordnung nicht zu unterbrechen. Auch Anfänger von der Akademie wurden als Zuschauer ge­ wählt, damit sie sahen und hörten und daraus lernten. Brachten sie Versuche, die etwas verspra­ chen, so wurden sie mit eingeschlossen.“ Mittelstädt 1956, S. 338f. 508 Alten 1872, S. 199f. Brief von Tischbein an unbekannt, Eutin 10.02.1812. Die Rede ist von Hans Albrecht Freiherr von Maltzahn (1754–1825), Präsident der ‚Eutiner Literarischen Gesellschaft‘, und Anmerkungen 231

Christian Ludwig Runde (1773–1849), ebenfalls Mitglied. Zur ‚Eutiner Literarischen Gesellschaft‘ vgl. Prühs 2004, Obermeier 1983. 509 Dohe 2018, S. 54. Brief von Tischbein an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, Eutin 12.09.1812. Sebastian Dohe kommentiert hierzu, dass Tischbein sein Haus als Ort des künstlerischen Austausches und Unterrichtes präsentiert. 510 Alten 1872, S. 207. Brief von Tischbein an Ferdinand Rudolf von Zehender, undatiert. Tischbein bezieht sich hier auf Graf Friedrich Franz von Münnich (1788–1870) sowie den Dichter und Homer- Übersetzer Johann Heinrich Voß (1751–1826) mit seiner Gemahlin Marie Christine Ernestine. 511 Für weiterführende Informationen zum ‚Eutiner Kreis‘ vgl. Baudach 2003, Schubert-Riese 1975. 512 Heinecken 1768/1769, Bd. 2, S. 48. 513 In der Reisebeschreibung führt von Heinecken die besuchten Sammler wie folgt auf (in der dortigen Schreibweise): Braamcamp, van der Land, Lublink, Locquet, Fifeaux, Gildemesser, van Velde, Doek­ scher, Calkoen, de Bruyn, Muylman, Busserus, Maarseven, Mettaye, Graaf, de Bosch, Ploos van Ams­ tel, van Gool. Heinecken 1768/1769, Bd. 2, S. 47f. 514 Gräf 1911, S. 216. 515 Weiter heißt es: „Hier habe ich die Rembrands von einer Ausführung gesehen, als wenn sie in Mi­ niatur gemahlt wären. Nur Schade, daß unter den Italiänischen Meistern neben den schönsten Ori­ ginalen zuweilen ein Blatt liegt, das offenbar nach der Mahlerey gemacht ist. Eigenhändige ausge­ führte Rubensische Zeichnungen nach oder vor seinen fürtrefflichen Gemälden wie Miniatur ge­ zeichnet, eben solche Michel Angelo. Die Blätter, die mich am meisten entzükt haben, sind die Skizzen von Guido, Guercino und Caraccio. Hierunter sind auch die 2 van Huysum für 5500 fl., und den 3ten für 2500 fl. hat Plos, den 4ten für denselben Preiß der Mahler de Vos.“ Gräf 1911, S. 216. 516 Einen Überblick über die Geschichte der Kennerschaft gibt bspw. Carol Gibson-Wood. Gibson-Wood 1988. Zur Kennerschaft vgl. ferner Kernbauer 2011, Maes 2009, Schwaighofer 2009, Penzel 2007, Grave 2006, Zelle 2002, Dresdner 2001, Haberland 1991, Cremer 1989. 517 Vgl. Penzel 2007, S. 60. 518 Die Kunstkritik steht in enger Beziehung sowie zugleich im Widerspruch zur Kunsttheorie, bis im 19. Jahrhundert eine Differenzierung zwischen Kritik und Theorie erfolgt. Vgl. Dresdner 2001, S. 12. 519 Hier ist auf den berühmten Streit um den Vorrang der Linie oder der Farbe als künstlerisches Aus­ drucksmittel zu verweisen, der auch als Streit zwischen ‚Rubenisten‘ und ‚Poussinisten‘ bezeichnet wurde. Zum französischen Diskurs vgl. Kernbauer 2011, Kluge 2009, Dresdner 2001, vgl. ferner Maes 2009. 520 Vgl. Kernbauer 2011, Gibson-Wood 2000, Haberland 1991. 521 Vgl. Vogt 2010, Zelle 2002. 522 Vgl. Schwaighofer, S. 110–117. Verwiesen sei an dieser Stelle auch auf den später berühmt gewordenen deutschen Kunstkennerstreit zwischen Gustav Friedrich Waagen und Carl Friedrich von Rumohr. 523 Vgl. Schwaighofer 2009, S. 31. Diese Entwicklungen und die Etablierung der Kennerschaft waren entscheidend für die Entstehung der modernen Kunstgeschichte, auch wenn in der Wissenschaft die Objektivität der kennerschaftlichen Kriterien stets angezweifelt wurde. 524 Zedler 1732–1754. 525 Sulzer 1771–1774. 526 Sulzer 1771–1774, Bd. 2, S. 572–578. 527 Sulzer 1771–1774, Bd. 2, S. 572. 528 Im Rahmen des deutschen Diskurses thematisiert Christian Ludwig von Hagedorn neben dem Ken­ ner, dem Liebhaber und dem Künstler zwei weitere Akteure des Kunstgeschehens – den Sammer und den Kunstrichter, die jeweils spezifische Kompetenzen besitzen. Hagedorn 1762, Bd. 1, S. III–XVI, vgl. hierzu Zelle 2002, S. 230–238. Margrit Vogt weist in ihrer Studie jedoch relativierend darauf hin, dass die Bezeichnungen in Deutschland weniger scharf voneinander getrennt werden. Vogt 2010, S. 24. 529 Vgl. Kluge 2009. 530 Sulzer 1771–1774, Bd. 2, S. 574. Die von Sulzer besprochene Trias von Kennern, Künstlern und Lieb­ habern wird von Joachim Penzel auf die Publikumsgruppen bzw. -typen in den Gemäldegalerien des 18. Jahrhunderts übertragen, verbunden mit den jeweiligen Rezeptionsinteressen, um das Kunst­ publikum zu differenzieren. Penzel 2007, S. 52–56. Penzel gelangt zu der Schlussfolgerung, dass Sulzer damit idealtypische Publikumskategorien definiert hat, anhand derer die Besuchergruppen in jener Zeit differenziert wurden. Ebda., S. 56. 232 Verbreitung

531 Die vollständige Textpassage lautet wie folgt: „Aber es mangelt der Critik nicht an dem Leitfaden, vermittelst dessen man sicher aus diesem Labyrinth herauskommen kann. Man muß nur drey Sachen wol von einander unterscheiden. 1. Den unmittelbaren Eindruck des Wolgefallens oder Mißfallens, den wir ohne alle Bemühung oder Mitwürkung unsrer seits empfinden. 2. Die angenehme oder unangenehme Empfindung, die aus der gelungenen, oder mißlungenen Bemühung entsteht, die wir angewendet haben, eine deutliche Vorstellung von dem Gegenstand zu bekommen. 3. Das Urtheil über die Art der Sache, über ihre Vollkommenheit oder Unvollkommenheit, Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit.“ Sulzer 1771–1774, Bd. 2, S. 573. 532 Hierauf weist auch Max J. Friedländer hin und führt den Gedanken weiter: „Vorbedingung jeder wissenschaftlichen Bemühung ist eine das Erkenntnisgebiet deckende Terminologie, durch die der Gelehrte den Gelehrten seine Gründe, Folgerungen und Schlüsse eindeutig übermittelt.“ Friedlän­ der 1957, S. 96. 533 Zur Entstehung der deutschen Kunstkritik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Kontext von Periodika vgl. Vogt 2010. Vogt gibt zu bedenken, dass in den Periodika die Kunstbetrachtung schriftlich vermittelt wird, also ohne begleitendes Anschauungsmaterial. Ebda., S. 329. 534 Die Gegenüberstellung von Kennern und Laien war elementarer Bestandteil der Diskussionen um Kennerschaft und wurde von den Autoren jeweils unterschiedlich bewertet. Diese Kontrastierung entstammt der französischen Kunstkritik um Roger de Piles und ist ebenfalls im britischen Diskurs präsent wie bspw. bei Jonathan Richardson. Richardson geht jedoch davon aus, dass jeder die Fähig­ keit zur Kennerschaft besitzt und sich das entsprechende Rüstzeug dafür aneignen kann. Vgl. Schwaig­ hofer 2009, S. 30–40. 535 Sulzer 1771–1774, Bd. 2, S. 578. 536 Die Betonung einer langjährigen Erfahrung als Voraussetzung von Kennerschaft wird bspw. auch im Rahmen des französischen Diskurses von Roger de Piles formuliert. Vgl. Schwaighofer 2009, S. 33–35. 537 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1956, S. 101. 538 Merck 1778, vgl. ferner Grave 2006, S. 94, Cremer 1989, S. 137–156. 539 In diesem Sinne baute von Heinecken in Dresden eines der größten Graphikkabinette des 18. Jahr­ hunderts als Ort kennerschaftlichen Studiums auf. Und auch bei Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen- Kassel sollte die Graphiksammlung (unter anderem) der Kennerschaft in Bezug auf seine Gemälde­ sammlung dienen. Vgl. Grave 2006, S. 275, Brakensiek 2003, S. 328, 423f. 540 Cremer 1989, S. 104. 541 Hagedorn 1762, Bd. 1, S. 52. Zum Typus des Kunstrichters siehe ebda., S. 52–66. 542 Vgl. Cremer 1989, S. 438–440. Brief von Christian Ludwig von Hagedorn an Friedrich von Hagedorn, 16.09.1743. Vgl. hierzu ferner Zelle 2002, S. 236. 543 Alten 1872, S. 78f. Brief von Tischbein an Karl August Böttiger, undatiert, laut von Alten vermutlich um 1800. 544 Grave 2006, S. 231f. Briefentwurf von Goethe an Johann Gottlob Stimmel, 07.03.1814. 545 Zur Connoisseurkritik vgl. Kernbauer 2011, S. 166–185. 546 Mittelstädt 1956, S. 221f, Kapitel Mailand. 547 Vgl. Unverfehrt 2000, S. 26f. Die Auktionskataloge der Sammlung Uffenbach erschienen 1771 und 1775. 548 Mittelstädt 1956, S. 222, Kapitel Mailand. 549 LMO, PT 26, S. 29. Im Manuskript von 1824 sowie in der späteren Publikation wird die Schilderung um die Bemerkung ergänzt: „Ein Gegenstand über den man nicht genug eifern kann, da er uns Teutschen selbst das wenige Gute noch vertilgt, was man uns gelassen hat.“ Ebda., PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 101f. 550 Dohe 2018, S. 80. Brief von Tischbein an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, Eutin 22.08.1816. 551 North 2012, S. 40. 552 Friedländer 1957, S. 127, 178–182. Zum Firnis ergänzt Friedländer: „Die Firnisschicht, auch wenn sie dem Gemälde eine Wärme des Gesamttons gibt, die nicht in der Absicht des alten Meisters lag, kann nicht unter allen Umständen als Wertminderung betrachtet werden. Sie gibt dem Bilde einerseites Geschlossenheit und Ruhe, anderseits eine ‚malerische‘ Mürbigkeit, damit Eigenschaften, die min­ destens für unsere Augen, die Augen unserer Zeit, der Wirkung zuweilen zum Vorteil gereichen. Es gibt so etwas wie unbeabsichtigte Steigerung der malerischen Wirkung. Nicht alles, was die Jahrhun­ derte der Farbschicht angetan haben, ist von Übel, auch nicht die Sprungbildung, die fast immer Anmerkungen 233

eingetreten ist. Sie mildert und mindert in willkommener Art Härte, Glätte und Leere, abgesehen davon, daß Runzeln und Altersspuren nun einmal mit unserer Vorstellung von verehrungswürdiger Kunst der Vergangenheit untrennbar verbunden sind. Es gibt so etwas wie Patina, veredelnden Rost, auch auf Bildern. Man spricht davon, daß Farben und Töne mit den Jahren zusammenwachsen.“ Ebda., S. 128. 553 Friedländer 1957, S. 145. 554 LMO, PT 26, S. 16, vgl. Mittelstädt 1956, S. 67. 555 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 86. 556 LMO, PT 26, PT 833. 557 LMO, PT 1951/12. Es handelt sich um eine Fotokopie einer Archivalie, die im Findbuch als „Diverse Fragmente und Entwürfe zur Lebensgeschichte 35 fol.“ verzeichnet ist. LMO, PT, Findbuch. 558 Mittelstädt 1956, S. 85f. 559 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 110. 560 LMO, PT 833, o. S., vgl. PT 26, S. 28. In den publizierten Lebenserinnerungen ist der Wortlaut dieser Passage verändert wiedergegeben: „Wie unterhaltend ist dagegen eine holländische Bildersammlung schon der vielen erfreulichen Gegenstände wegen, die aus der Natur, aus dem geschäftigen Leben der Menschen und ihrem Treiben herausgehoben sind. Leider aber fühlen sich holländische Samm­ ler gewöhnlich nur von solchen Bildern angezogen, deren Meister eine vorzügliche Geschicklichkeit im Pinsel zeigen, während manches Bild, das ein empfängliches Gemüt wohl anspricht und den aus der Natur genommenen Gegenstand noch so wahr nachbildet, übersehen und wohlfeil verkauft wird. Das macht die Mode. So sah ich einst eine Landschaft vom alten Hackert, es war ‚Das Innere eines Dorfes mit Bäumen und Gärten‘. Die Liebhaber bewunderten es wegen seiner Natürlichkeit, man glaubte wirklich darin umhergehen zu können; die Bäume, als könnte man sie abhauen und ihre Borke abschälen, und der alte Gartenzaun, als ließe sich Planke für Planke herausziehen, und die Sonne, wie sie über das kurze moosige Gras hinstreifte! Und doch, weil das Bild von keinem der berühmten Meister war, die man gern in sein Kabinett nimmt, wurde es wohlfeil verkauft, dahinge­ gen ein Blumenstück von van Huysum mit einem Vogelnest, wo die Haare mit Schatten und Licht gemalt waren, mit Tausenden bezahlt wurde, weil so eins zu einem Kabinett gehörte.“ Mittelstädt 1956, S. 100f. 561 Eine Ausnahme bilden bspw. die Sammlungen von John Hope (1737–1784) oder Josephus Augusti­ nus Brentano (1753–1821). Dies hatte gleichzeitig zur Folge, dass sich die zeitgenössische Kunst in den Niederlanden nur schwer entfalten konnte. 562 Ab 1780 wurde die Bedeutung des Amsterdamer Kunstmarktes von jenem in Paris abgelöst und erst im 19. Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt nach London. Vgl. hierzu Bayer/Page 2015, Ja­ cob-Friesen 2015a, S. 148, North 2006, S. 2. Marten Jan Bok verweist ferner auf folgenden Umstand: „Amsterdam had throughout the 18th century served as one of the principal sources of paintings traded on both the Paris and the London art markets, to the extent that in the first decade of the 19th century a quarter of all paintings sold in London were Dutch, and 29 % in Paris. Characteristic for the Amsterdam art market was, that it traded almost exclusively locally produced paintings and that it was ultimately a one-way trade dominated by exports. This started probably already in the 17th century and continued throughout the 18th and 19th centuries, thanks to the exceptionally high production of paintings in the Dutch Republic before 1700.“ Bok 2002, S. 52. 563 Zur Kunstmarktsituation vgl. Fanslau 2010, North 2006b, Korthals Altes 2003, Ketelsen/Stockhausen 2002, Ketelsen 1998. 564 Zu Gerret Braamcamp und seiner Sammlung vgl. Bille 1961. 565 Heinecken 1768/1769, Bd. 2, S. 47. 566 Gool 1750/1751, Bd. 2, o. S. Der erste Band von van Gools Nieuwe Schouburg ist dagegen Johan van der Marck (1707–1772) gewidmet: „Aen den weledelen gestrengen heere, Mr. Johan van der Marck, Aegidius Zoon, raedt, vroedschap en tegenwoordig hooft-officierder stadt Leiden, enz. enz. enz. kenner en beminnaer der edele teken- en schilderkunsten, en bezitter van een uimuntent kabinet schildereyen, nevens een fraeje verzameling van tekeningen.“ Gool 1750/1751, Bd. 1, o. S. 567 https://nl.wikipedia.org/wiki/Gerrit_Braamcamp (11.01.2019). 568 Kat. Amsterdam 1771. 569 Die Datenbank des RKD verzeichnet bei 35 Werken eine Provenienz der Sammlung Braamcamp (11.01.2019). 234 Verbreitung

570 Waiboer verweist auf folgende namhafte Sammler, die im Besitz von Werken Metsus waren: Gerret Braamcamp, Jan Jansz. Gildemeester, Johann Goll van Frankenstein, Johan van der Marck, Pieter Leendert de Neufville, Jeronimus Tonneman. Für die Sammlung Braamcamp identifiziert er die Meisterwerke: Briefschreibender Mann (A-134), Brieflesende Frau (A-135) und Besuch im Kinderzimmer (A-95). Waiboer 2007, S. 13. 571 Kat. Amsterdam 1771a. 572 Das gegenteilige Vorgehen ist bspw. von dem Amsterdamer Sammler Hendrik Muilman bekannt, der nie selbst auf Auktionen kaufte, sondern seine Agenten damit beauftragte. Vgl. Bas 2006, S. 162. 573 Vgl. Kapitel 3.2.3. 574 Vgl. https://iisg.nl/hpw/calculate.php (28.11.2018). 575 Der vollständige Titel lautet: Musæum Braamcampianum, ofte korte beschryvinge van het uitmuntend cabinet schildereyen, teekeningen, prenten, beelden, enz. Nagelaten by wylen den heere Gerret Braamcamp. Het welk verkogt is in Amsterdam op den 31. July 1771 en volgende Dagen in’t Logement het wapen van Amsterdam. Beneevens de pryzen en naamen der respect. koopers, volgens nadere en nauwkeuriger Opgave. Tweede druk. vermeerderd, verbeeterd, met eene Voorreeden verrykt en van de ingesloopene Misstellingen ge- zuiverd. Kat. Amsterdam 1771b. 576 Kat. Amsterdam 1771b, S. 5, Nr. 53, S. 16, Nr. 167. 577 „Gerret Braamcamp, welke gedurende zoo veele Jaaren geene kosten nog moeyten gespaard heeft, om zyne uitmuntende verzameling van Schildereyen, Teekeningen, Prenten, Beelden en Beeldwer­ ken, tot dien trap an volmaaktheid te brengen, dat men nog in grootte nog voortreffelykheid van stukken van allerhande zoort nimmer deszelfs wederga in onze gewesten, ten minste niet binnen deeze Stad, gevonden heeft.“ Kat. Amsterdam 1771b, Vorwort. 578 Es folgt eine Erklärung dieses zweiten Druckes, da die Erstausgabe mit 1.000 Exemplaren nach kurzer Zeit bereits fast vollständig ausverkauft war, sodass der überarbeitete Nachdruck noch im selben Jahr erschien. 579 Ploos van Amstel 1771. 580 „I. In 80 Historische Stukken, zo gewyde als ongewyde Geschiedenissen en Zinnebeeldige Ordon­ nantien, door Italiaansche, Fransche en Nederlandsche Meesters […] II. In 60 Moderne Verbeeldin­ gen van Gezelschappen enz. […] III. In 30 Boeren Gezelschappen […] IV. In 7 Pourtraiten […] V. In 68 Landschappen met allerley stoffadien, Paarden, Ossen, Schaapen enz. […] VI. In 17 Romeinsche antique Gebouwen, Kerken, Stads Gezigten en moderne Gestigten […] VII. In 8 Zeegezigten […] VIII. In 6 Vogels en andere Beesten […] IX In 13 Bloemen en Vrugten […].“ Ploos van Amstel 1771. 581 Ploos van Amstel 1771. 582 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 86. 583 „Na dat hy de grontbeginselen der Kunste by zyne Vader vast genoeg gelegt had, begaf hy zich nar Amsterdam, om zyne Kunststudie met ernst voort te zetten; […] dat hy een wakker Meester is gewor­ den, zo wel in ’t schilderen van Kabinetstukjes, als Portretten […] onder de gelukkige Kunstenaers van dezen tyt kan getelt worden.“ Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 131–133. Zur Reputation deutscher Künstler in den Niederlanden im 18. Jahrhundert vgl. Knolle 2008. 584 Nagler 1924, Bd. 13, S. 399f. 585 Tanjé hat bspw. über 100 Abbildungen für Jan van Gools De Nieuwe Schouburg der Nederlantsche Kunst­schilders en Schilderessen angefertigt. 586 Nagler 1924, Bd. 13, S. 399. Jacob Houbraken nach Jan Maurits Quinkhard: Portrait von Jacob van Hoorn (1638–1738), 1734/1735, Kupferstich, 241 x 175 mm, Nederlands Instituut voor Kunstgeschie­ denis Den Haag. 587 Vgl. Rijdt 1988, S. 21, 18–23. 588 LMO, PT 1951/12. 589 Dabei wären die Gemälde Quinkhards in Amsterdam an vielen Orten zu sehen gewesen. Jan van Gool nennt in seiner weithin bekannten Publikation die öffentlich zugänglichen Orte, an denen Werke von Quinkhard in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu betrachten waren. Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 131–133. 590 Kat. Amsterdam 1773. 591 Allerdings wurde hier bei einem Künstlernamen eine Korrektur vorgenommen. In Tischbeins Auto­ graph findet sich die unschlüssige Bezeichnung „Metzscher“, was sich sowohl auf Gabriel Metsu (1629–1667) als auch auf Caspar Netscher (1635–1684) beziehen kann. LMO, PT 1951/12. 592 LMO, PT 1951/12. Anmerkungen 235

593 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 86. 594 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff, Nr. 307. 595 Zu den beiden Werken von Melchior de Hondecoeter vgl. Wepler 2014, S. 126f, 141f. Zu dem Gemäl­ de aus der Werkstatt von Frans Snijders vgl. Wepler 2014, S. 99f. 596 Eynden/Willigen 1816–1840, Bd. 2, S. 25, zu Quinkhard S. 23–26. 597 Vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 107. 598 Vgl. Bas 2006, S. 163. 599 Kat. Amsterdam 1773a. 600 Ploos van Amstel 1772. 601 Im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle finden sich einige Werke, deren Provenienzen bis zur Sammlung von Dionys Muilman zurückverfolgt werden können. Allaert van Everdingen: Holzarbeiter­ im Tannenwald, im Hintergrund eine Burg, 1650–1660, Feder, Pinsel und Kreide auf Papier, 141 x 181 mm. Hendrick Goltzius: Der Sündenfall, um 1600, Kreide, Tusche und Wasserfarbe auf Papier, 370 x 268 mm. Willem Romeyn: Hirtenjunge mit drei Schafen und einem Rind unter gotischen Ruinen, 1693, Kreide auf Papier, 307 x 201 mm. Willem Romeyn: Ruinenlandschaft mit einem Hirten- jungen, einem Esel und drei Ziegen, 1693, Kreide auf Papier, 293 x 198 mm. Anthonie Waterloo: Ein- gang zur Stadtglockengiesserei in Hamburg, 1658–1660, Graphit auf Papier, 92 x 144 mm. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 21900, 21975, 22436, 22437, 44474. Kat. Hamburg 2011, S. 211, 243f, 472f, 603f. 602 Heinecken 1768/1769, Bd. 2, S. 48. 603 Vgl. Bas 2006. 604 Kat. Amsterdam 1813. 605 Vgl. Bas 2006, S. 176. 606 Dazu heißt es bspw.: „De Verzameling Teekeningen, Prenten en Prentwerken was van wenig uitge­ breidheid.“ Eynden/Willigen 1816–1840, Bd. 2, S. 446. 607 Bas 2006, S. 157. 608 Bas 2006, S. 157. 609 Schopenhauer 1813–1817, Bd. 2, S. 29. Namentlich werden nur die Sammlungen „de Smet“ und „de Winter“ genannt, wovon erstere als diejenige von Pieter de Smeth van Alphen (1753–1809) und letztere als jene von Pieter van Winter (1745–1807) identifiziert werden können. Zu Amsterdam ebda., S. 14–45. 610 Schopenhauer 1813–1817, Bd. 2, S. 40. 611 Verwiesen sei an dieser Stelle auf folgende Portraits: Johann Friedrich August Tischbein: Portrait von Susanna Cornelia Muilmann (1771–1846), um 1793, Öl auf Leinwand, 67,5 x 53,0 cm, Privatbesitz. Johann Friedrich August Tischbein: Portrait von Gerrit Hooft (1772–1801), um 1793, Öl auf Leinwand, 67,5 x 53,0 cm, Privatbesitz. Rehm 2019, S. 109. 612 Bas 2006, S. 159f. 613 Vgl. hierzu bspw. North 2006, S. 8, North 2004, S. 22, North 2001, S. 132. Darüber hinaus konnten die Auktionskataloge selbst zu Sammelobjekten werden. 614 North 2012. 615 Vgl. North 2012, S. 99. 616 North 2012, S. 99f. Darüber hinaus ist bekannt, dass Morell für seine Dienste eine Kommission von 25 % erhielt. Ebda., S. 52. 617 North verweist hierbei auf ein von Morell erstelltes Verzeichnis von Erwerbungen für den Hof in Kopenhagen aus dem Jahr 1763. Dieses zeigt zugleich, welchen Beitrag Händler und Agenten bei der Entwicklung der Kunstkennerschaft leisteten. North 2012, S. 55, 66–72. 618 North 2012, S. 86, vgl. Houbraken 1880, Descamps 1753–1764. 619 Zu Johann Ernst Gotzkowsky vgl. Schepkowski 2009, Schepkowski 2007, Frank 2002. 620 Schepkowski 2009, S. 3. Über die beeindruckende Sammlung heißt es weiter: „Die im Laufe der Zeit zusammengetragene Sammlung mit nachweislich über 600 Gemälden umfaßte Werke des römi­ schen Barock, des venezianischen Seicento, niederländische Kabinettstücke und flämische Meister­ werke, Bilder von zeitgenössischen deutschen Malern als auch eine kleine Auswahl französischer Historiengemälde. […] Von überregionaler Bedeutung wurde Gotzkowskys Kunsthandel vor allem, als er im Winter 1763/1764 aufgrund finanzieller und diplomatischer Verwicklungen einen Großteil seiner Gemäldesammlung an die russische Zarin Katharina II. (1729–1796) verkaufte, die mit dieser Erwerbung den Grundstock der Eremitage von St. Petersburg legte.“ Ebda. 236 Verbreitung

621 Vgl. Schepkowski 2009, S. 207–229. 622 Schepkowski 2007, S. 24. 623 So stammen rund die Hälfte der Werke von niederländischen Künstlern, von insgesamt 632 Werken sind dies 109 flämische und 211 holländische Gemälde. Schepkowski 2009, S. 222–225. 624 Vgl. Frank 2002, S. 121–147. Für Gotzkowsky entstanden verschiedene Kataloge bzw. Verzeichnisse: 1757 mit 108 Werken, 1759 mit 182 Werken (davon 91 identisch), 1766 mit 230 Werken. 625 Vgl. Schepkowski 2007. 626 Vgl. Schepkowski 2009, S. 409. 627 Die Verkäufe gingen nicht nur an Friedrich den Großen, sondern auch an das aufstrebende Berliner Bürgertum. 628 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 23. 629 Zur Geschichte der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel vgl. Lange 2016, Schnackenburg 2000, Herzog 1969, vgl. ferner Korthals Altes 2003, S. 185–205. 630 Wilhelm hatte eine mitlitärische Laufbahn eingeschlagen, die ihn für lange Zeit in die Niederlande führte. In dieser Zeit erwarb er sich nicht nur großes Ansehen, sondern auch eine immer umfangrei­ chere Kenntnis der niederländischen Kunst. Dies bildet die Basis für seine persönliche Leidenschaft für die niederländische Malerei sowie seine Kennerschaft. Vgl. Lange 2016, S. 127f, Herzog 1969, S. 16, Both/Vogel 1964, S. 20f. 631 Darauf verweist Bernhard Schnackenburg, ohne konkreteren Quellennachweis. Schnackenburg 2000, S. 75. 632 Vgl. Kat. Kassel 2004, S. 8f. 633 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 634 LMO, PT 26, S. 32, vgl. Mittelstädt 1956, S. 106. 635 Baron Heinrich Jacob von Häckel baute selbst ab den 1730er-Jahren eine bedeutende wie umfangrei­ che Kunstsammlung auf, deren Auktionskatalog 523 Nummern umfassen sollte. Vgl. North 2006a, S. 293–296, North 2003, S. 128. 636 Brief von Baron Heinrich Jacob von Häckel an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, Frankfurt 22.06.1751. North 2012, S. 50. Zum kunstbezogenen Meinungsaustausch zwischen Häckel und Landgraf Wilhelm VIII. vgl. Lange 2011. 637 Vgl. North 2012, S. 50, Kat. Kassel 2006, S. 195–201. 638 Brief von Baron Heinrich Jacob von Häckel an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, Frankfurt 29.01.1752. North 2012, S. 50. 639 Herzog 1969, S. 18f. 640 Vgl. Golenia 2015, S. 300, Herzog 1969, S. 21f. Gerard Hoet d. J. erlangte insbesondere dank seiner Publikation Catalogus of naamlyst van schilderyen met derzelver pryzen Bekanntheit. Hoet 1752, vgl. Both/Vogel 1964, S. 134. 641 Zu Valerius Röver vgl. Beck 1981, Gelder 1980, Moes 1913. Von der Sammlung Röver war bereits die Rede in Zusammenhang mit Johann Goll van Frankenstein d. Ä., welcher die Zeichnungen Rövers für seine eigenen Sammlung erwarb. 642 Vgl. https://iisg.nl/hpw/calculate2.php (29.11.2018). 643 Vgl. Korthals Altes 2006, S. 36, Korthals Altes 2003, S. 157–161, 295–299. Zur Rekonstruktion des Ankaufes der Sammlung Röver vgl. Rehm 2018. 644 Kat. Kassel 2004, S. 10. Wilhelm VIII. schreibt über die Rembrandt-Erwerbungen aus dem Röver’schen Kabinett: „Meine Aquisition ist, wie Er versichert sein kann, ganz ungemein schön und übertrifft alle die gute Opinion, so davon gehabt. 8 Rembrandt sind darunter, und zwar von allerhand Sorten und den besten Manieren dieses Meisters, teils sind sie von der rauhen, dick aufgetragenen Malerei, an­ dere aber wieder nur so fiel, als ein Gerard Dou und Mieris kaum sein kann.“ Korthals Altes 2006, S. 29f. 645 MHK, GAM, GK 236, GK 234, GK 243, GK 233. 646 Zu den Rembrandt-Werken der Kasseler Sammlung vgl. Kat. Kassel 2006, Korthals Altes 2006, Weber 2006. 647 Vgl. Kat. Karlsruhe 2015, Frank/Zimmermann 2015. Eine Reise führte Karoline Luise 1763 selbst in die Niederlande, wo sie einige der bekanntesten Sammlungen besichtigen konnte. 648 Vgl. Korthals Altes 2015, S. 145. 649 Vgl. hierzu insbesondere https://karoline-luise.la-bw.de/dokumente.php (17.12.2018). 650 Vgl. Jacob-Friesen 2015, S. 218. Anmerkungen 237

651 Vgl. Jacob-Friesen 2015a, S. 153. Es gibt Belege dafür, dass verschiedene Berater sich gemeinsam bei Auktionen angebotene Gemälde ansahen, diese und die Preise diskutierten, um anschließend der Markgräfin Bericht zu erstatten. So besuchten Treuer, Goll und Braamcamp gemeinsam die Verkaufs­ ausstellung einer Auktion, die wenige Tage später am 18.08.1762 in Amsterdam stattfinden sollte, wovon Treuer nach Karlsruhe berichtete. Brief von Gottlieb Heinrich Treuer an Markgräfin Karoline Luise von Baden, Amsterdam 13.08.1762. https://karoline-luise.la-bw.de/dokument.php?id=4546& ausgangspunkt=suche (17.12.2018). 652 Pieter Fouquets eigene Sammlung wurde am 13./14.04.1801 im Auktionshaus von Philippus van der Schley in Amsterdam veräußert, begleitet von einem Auktionskatalog, der Auskunft über die Zusam­ mensetzung der Sammlung gibt. Kat. Amsterdam 1801. 653 Vgl. Kat. Karlsruhe 2015, S. 341, Malereikabinett 106. 654 Vgl. Kat. Karlsruhe 2015, S. 232f. 655 Eingangs wurde das Sujet Christlicher Ritter von Philips Wouwerman thematisiert, wovon sich zwei Versionen in der Sammlung von Gerret Braamcamp befanden und bei der Auktion der Sammlung im Jahr 1771 an Fouquet gingen. Zur Sammlung Braamcamp vgl. Bille 1961. Zu den Werken Wou­ wermans in der Sammlung Braamcamp vgl. ebda., S. 66f. Vgl. hierzu Kapitel 2.2.3. 656 Brief von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. an Markgräfin Karoline Luise von Baden, Amsterdam 15.07.1763. https://karoline-luise.la-bw.de/dokument.php?id=4425&ausgangspunkt=suche (17.12.2018). Den Auktionskatalog der Sammlung Lormier erhielt die Markgräfin, wie in einem Brief vorab ange­ kündigt, von Treuer. Brief von Johann Heinrich Treuer an Markgräfin Karoline Luise von Baden, Den Haag 10.06.1763. https://karoline-luise.la-bw.de/dokument.php?id=4568&ausgangspunkt=suche (17.12.2018). 657 Dementsprechend ist Fouquet Teil eines Sammlungsportraits von Adriaan de Lelie und wird im Auktionskatalog in seiner herausragenden Rolle eigens benannt. Kat. Amsterdam 1800. Vgl. hierzu Kapitel 3.2.4. 658 Vgl. North 2006, S. 12. Diese Transaktion fand im Jahr 1759 statt. Rachel Ruysch: Blumenstrauß, 1715, Öl auf Leinwand, 65,0 x 44,5 cm. Rachel Ruysch: Fruchtstillleben mit Hirschkäfer und Buchfin- kennest, 1717, Öl auf Leinwand, 65,2 x 54,5 cm. Frans van Mieris d. Ä.: Bildnis eines jungen Mannes, um 1660, Öl auf Eichenholz, 16,8 x 13,2 cm. SKK, 376, 377, 272. Kat. Karlsruhe 2015, S. 286, 357, Malereikabinett 5, 6, 140. 659 Vgl. Jacob-Friesen 2015a, S. 158. In der Korrespondenz der Markgräfin mit ihrem Agenten reuerT ist auch von einer Reise nach Amsterdam die Rede, die inkongnito erfolgen soll. Brief von Gottlieb Heinrich Treuer an Markgräfin Karoline Luise von Baden, Den Haag 18.05.1762. https://karoline- luise.la-bw.de/dokument.php?id=4539&ausgangspunkt=suche (17.12.2018). 660 Vgl. Korthals Altes 2015, S. 140. Weitere 60 Gemälde erhielt die Markgräfin über Jean-Henri Eberts und den französischen Kunstmarkt in Paris in den Jahren 1759 bis 1772. Zu Jean-Henri Eberts vgl. Frank 2015. 661 Kat. Karlsruhe 2015, Frank/Zimmermann 2015. 662 Jacob-Friesen 2015a, S. 157. 663 Dies schloss mitunter eine kritische bis negative Bewertung anderer Agenten und der von ihnen angebotenen Kunstwerke nicht aus, um die Position der Konkurrenz gegebenenfalls zu schwächen. 664 Zum Agentenwesen sowie dessen Veränderungen im 18. Jahrhundert vgl. Frank 2015a, vgl. ferner North 2012, S. 49, Frank 2015, S. 44. 665 Zu Willem Lormier vgl. Korthals Altes 2015, Korthals Altes 2003, S. 48–121, Korthals Altes 2000. 666 Zwischen 1748 und 1758 verkaufte Lormier 60 Gemälde mit einem Gewinn von 45.000 Gulden – umgerechnet rund 500.000 Euro. Korthals Altes 2015, S. 141. Vgl. https://iisg.nl/hpw/calculate2. php (29.11.2018). 667 Zur Deutung des Werkes vgl. Kemp 2003, vgl. ferner Causid 1783, Nr. 133. 668 Schnackenburg 2000, S. 82. Zu den Werken zählen ferner eine Ruinenlandschaft mit Petrus und Johan- nes sowie Die Bestrafung des Schulmeisters von Falerii von Bartholomeus Breenbergh oder Feierabend auf dem Lande von Adriaen van Ostade. MHK, GAM, GK 205, GK 206, GK 240, GK 276, GK 292. 669 Vgl. Schnackenburg 2000, S. 82. 670 Gool 1750/1751, Bd. 1, S. 239. 671 Kat. Den Haag 1763. 672 Vgl. Korthals Altes 2015, North 2012, S. 62. 673 Vgl. Korthals Altes 2015, S. 141. 238 Verbreitung

674 Vgl. North 2012, S. 51. 675 Vgl. Kapitel 3.1.4. 676 North 2012, S. 46. Auch hier gibt es wieder ein Gegenbeispiel bei Gotzkowsky, der nicht vor fragwür­ digen Ankaufsmethoden zurückschreckte und einen vermeintlichen Raffael geschmuggelt haben soll. Schepkowski 2009, S. 408. 677 Für eine weitergehende Differenzierung am Beispiel von Rembrandt mit den Kategorien „Ohnfehl­ bar Rembrand“, „Im Gusto von Rembrand“, „Aus der Schule von Rembrand“ und „So schön wie Rembrand“ kann die Hamburger Sammlung von Joachim Hinrich Thielcke angeführt werden. North 2012, S. 21. Zu den künstlerischen Praktiken von Fälschungen, Plagiaten und Kopien vgl. Münch 2014, vgl. ferner Friedländer 1956, S. 153–178. 678 Vgl. Weiler 2015a, S. 92. 679 Vries 1990, S. 235. 680 Zum Thema Kopien vgl. Voermann 2012. 681 Both/Vogel 1964, S. 138. Brief von Govert van Slingelandt an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen- Kassel, Den Haag 01.12.1749. 682 Korthals Altes 2006, S. 38. Brief von Govert van Slingelandt an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen- Kassel, Den Haag 04.08.1750. 683 Korthals Altes 2006, S. 38. Brief von Govert van Slingelandt an Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen- Kassel, Den Haag 23.08.1750. 684 Korthals Altes 2006, S. 38. 685 Zum Ankauf der Sammlung Röver vgl. Rehm 2018. 686 Jacob-Friesen 2015a, S. 148. Brief von Jan van Gool an einen unbekannten Freund, ohne Ort, ohne Jahr, vermutlich Den Haag 1752/1753. 687 Vgl. Korthals Altes 2000, S. 269, Schepkowski 2009, S. 211. 688 Jacob-Friesen 2015a, S. 148f, Hoet 1752. Zum Streit zwischen van Gool und Hoet vgl. Vries 1985. 689 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 110. 690 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 97f. 691 Büsch 1824, S. 343. 692 LMO, PT 26, S. 13f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 63. 693 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 32, vgl. hierzu auch North 2012, S. 99. 694 Kat. Amsterdam 1785. 695 Vgl. Niemeijer 1981. 696 Gerson 1983, S. 446. Zur Entwicklung auf dem englischen Kunstmarkt allgemein vgl. Bayer/Page 2015. Die Bedeutung Greenwoods betonen auch Bayer und Page: „Dealers like Vandergucht, Desa­ fans, Greenwood or Bryan were responsible for some of the biggest sales.“ Bayer/Page 2015, o. S. 697 Gerson 1983, S. 257. 698 Für ein derartiges Vorgehen führt Tischbein ein weiteres Beispiel an: „In Helen auf dem Gut des Grafen Schulenburg war eine ansehnlige Samlung gewehsen. die in Venedig gesamld ware als er Gowerner da war. die Venezianer hatte ihm auch Geschenke gemacht mit Bilder ihrer vorzügligsten Meister. Diesse Samlung kaufte ein Englischer Gemalde Händler Grünwut, wen mir recht ist für 18 tausent thaler. und er sagte mir das ein Tician darunder sei, der allein müsse ihm beim verkauf so viel bringen als er für alle gegeben. er konde nicht genug das Lob und den Werth aussprechen über die vielen vortrefige [Einschub: italianische] Gemahlte die er hir gekauft.“ LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 110f. 699 Als Tischbein ab 1808 im Dienst des Herzogs von Oldenburg stand, half er aktiv beim Aufbau der Gemäldegalerie, indem er selbst Werke für Oldenburg ankaufte und sich auf Auktionen umtat. So berichtet er bspw. von Gemälden, die er in Hamburg für den Herzog erwerben wollte, doch ihm kam ein englischer Sammler zuvor. Vgl. Dohe 2017, S. 15. 700 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 110. Tischbein notiert ferner: „H. Grünworth lies auch Copien nach Potter und dan 4 Glaunde Lorirs in Cassel von Strack machen. und bezahlte ser gut.“ Ebda. Hier ist vermutlich Ludwig Philipp Strack (1761–1836) gemeint. Bei den vier Werken von Claude Lorrain (1604–1682) handelt es sich um den berühmten Tageszeitenzyklus, der zu den histo­ rischen Gemäldeverlusten in Kassel zählt und sich heute in St. Petersburg befindet. Vgl. Kat. Kassel 2008, S. 255f. 701 LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 110. Anmerkungen 239

702 Kat. Amsterdam 1771a. Der Name Wubbels wird bei folgenden Katalognummern erwähnt: Nr. 3 Jan Asselijn 195 Fl., Nr. 36 Paul Bril 63 Fl., Nr. 50 Dirck van Delen 305 Fl., Nr. 117 Johannes Lingelbach 625 Fl., Nr. 138 d. J. 510 Fl. Und Greenwood ist für folgende Ankäufe verzeichnet: Nr. 48 Dirck van Delen 330 Fl., Nr. 121 Carlo Maratti 1.340 Fl., Nr. 211 Jan Steen 1.200 Fl. 703 Vgl. Golenia 2015, S. 298, Korthals Altes 2006, S. 40. Landgraf Wilhem VIII. sah sich darüber hinaus gezwungen ins Exil zu gehen, wohin er einen kleinen Teil seiner Sammlung mitnahm. Vgl. Kapitel 4.2.2. 704 Vgl. North 2008, S. 75. 705 Vgl. Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 30. 706 Vgl. Schepkowski 2009, S. 3. Die Erwerbung bildet einen wichtigen Bestandteil der Eremitage in St. Petersburg. 707 Dies sind die Sammlungen Gotzkowsky, Eimbke und Stein. Vgl. Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 30. 708 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 32. Zu den Hamburger Sammlungen kann ergänzt werden, dass diese nur selten über mehrere Generationen hinweg vererbt wurden und somit erhalten blieben. Zu den wenigen Ausnahmen zählt die Sammlung Stenglin. Vgl. Ketelsen 1997, S. 167. 709 Vgl. Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 21. Thomas Ketelsen und Tilmann von Stockhausen gelangen im Rahmen ihrer Untersuchungen, die in einem Verzeichnis der verkauften Gemälde im deutschsprachigen Raum vor 1800 münden, zu dem Ergebnis, „daß die nahezu 300 erfaßten Kataloge mit ihren mehr als 50.000 Einträgen ein annähernd genaues Bild, wenn auch nicht vom Umfang, so doch von der Bedeutung des Auktionswesen für den Kunsthandel und für das Sammelwesen in Deutschland im 18. Jahrhundert vermitteln.“ Ebda., S. 13. Gleichzeitig weisen sie auf die Grenzen der Unternehmung hin: „Die Untersuchung des Kunstmarkts selbst, der einzelnen Händler, Auktionatoren, Käufer etc. erfordert dabei jeweils eine genauere Analyse der lokalen Begebenheiten, zu unterschiedlich sind die Vorgänge in den Städten, zu sehr zeitlich versetzt die Entwicklungslinien, als daß sie sich zu einer geschlossenen und kohärenten ‚Geschichte‘ des Kunstmarkts und des Auktionswesens im beson­­ deren zusammenfassen ließen.“ Ebda., S. 14. 710 Vgl. Ketelsen 1998, S. 145–151. Für Hamburg können im 18. Jahrhundert folgende Auktionen nach­ gewiesen werden: bis 1750: 11, 1751–1760: 6, 1761–1770: 9, 1771–1780: 37, 1781–1790: 34, 1791– 1800: 43. Insgesamt 140 Auktionen. Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 21. Die Anzahl der auf den Ham­ burger Auktionen verkauften Gemälden gestaltet sich wie folgt: bis 1750: 520, 1751–1760: 0, 1761– 1770: 51, 1771–1780: 3.984, 1781–1790: 5.191, 1791–1800: 8.149. Insgesamt 17.895 Gemälde. Ebda. 711 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 22. Die Verteilung der verkauften Gemälde nach Schulen gliedert sich wie folgt: holländisch: 5.029, deutsch: 3.629, flämisch: 1.972, italienisch: 1.173, französisch: 542, britisch: 168, unbekannt: 4.125. Ebda. 712 Vgl. Tillmann 2015, S. 163f. 713 Jacob-Friesen 2015a, S. 153. 714 Jacob-Friesen 2015, S. 216. 715 Jacob-Friesen 2015, S. 217. 716 LMO, PT 833, o. S. 717 LMO, PT 26, S. 28, PT 833, o. S. 718 Zu Jan Jansz. Gildemeester vgl. Bruyn Kops 1965. 719 Bruyn Kops 1965. 720 Bruyn Kops 1965, S. 82f. 721 Vgl. Bruyn Kops 1965, S. 79, vgl. ferner Fanslau 2010. 722 Wullen 2012, S. 21. Zur Ikonographie des Kunstbetrachters vgl. Becker 2005. 723 Kat. Amsterdam 1800. 724 Der Druck eines zusätzlichen Kataloges in Französisch ist auch im Rahmen von deutschen Auktio­ nen bekannt. Damit sollten sowohl die deutschen Residenzen und Höfe als auch ausländische Sammler, Agenten und Händler angesprochen werden. Vgl. Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 17. 725 Reinier Vinkeles nach Adriaan de Lelie: Portrait von Jan Jansz. Gildemeester, 1800, Radierung, 255 x 183 mm, Stadsarchief Amsterdam. 726 Vgl. Bruyn Kops 1965, S. 111. 727 Vgl. https://iisg.nl/hpw/calculate2.php (30.11.2018). 728 Vgl. Bruyn Kops 1965, S. 92. 729 Kat. Amsterdam 1800a. 240 Verbreitung

730 Kat. Amsterdam 1800a, o. S. Das Konvolut der ‚Kunstboeken‘ gliedert sich wie folgt: A Nr. 1–113, B Nr. 1–84, C Nr. 1–78, D Nr. 1–65, E Nr. 1–56, F Nr. 1–70, G Nr. 1–51, H Nr. 1–67, I Nr. 1–74, K Nr. 1–60, L Nr. 1–57, M Nr. 1–61, N Nr. 1–64, O Nr. 1–62, P Nr. 1–58, Q Nr. 1–74, R Nr. 1–50, S Nr. 1–51, T Nr. 1–66, U Nr. 1–51, V Nr. 1–80, W Nr. 1–58, X Nr. 1–67, Y Nr. 1–69, Z Nr. 1–75, AA Nr. 1–63, BB Nr. 1–73, CC Nr. 1–78, DD Nr. 1–34, EE Nr. 1–62, FF Nr. 1–70, GG Nr. 1–54. 731 Kat. Amsterdam 1800a, S. 1, 44. 732 Kat. Amsterdam 1800a, S. 249–296. 733 Heinecken 1768/1769, Bd. 2, S. 47. Vgl. Kapitel 3.2.1. 734 Zum ‚Trippenhuis‘ vgl. Witkamp 1869, S. 151–167. 735 Christiaan Andriessen: Auktion im ‚Trippenhuis‘, 1806, Aquarell und Feder auf Papier, 180 x 257 mm, Stichting P. en N. de Boer Amsterdam. https://rkd.nl/explore/images/255223 (03.12.2019). 736 Zu Jan van Huysum vgl. Kat. Delft/Houston 2007. 737 Vgl. hierzu bspw. Haak 1984, S. 500. 738 Vgl. Korthals Altes 2006a, Weyerman 1729–1769. 739 Grimm 2010, S. 181. 740 Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 13. Zu Jan van Huysum S. 13–33. 741 Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 15. 742 Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 22. Van Gool bezieht sich hier auf den Den Haager Kunstsammler Adriaan Leonard van Heteren (1722–1800). 743 Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 24. 744 Unter Jan van Huysum sind folgende Werke mit weiterführenden Angaben verzeichnet: Nr. 87 Een Bloemstuk, Nr. 88 Een Fruitstuk, Nr. 89 Een Bloemstuk, Nr. 90 Een Bloem- en Fruitstuk, Nr. 91 Een klein Bloemstukje, Nr. 92 Een egiptisch Landschap, Nr. 93 Een arcadisch Landschap, Nr. 94 Een italiaansch Landschap, Nr. 95 Een dito, Nr. 96 Een offerhande aan Bacchus, Nr. 97 Een arcadisch Landschap. Kat. Amsterdam 1800, S. 42–47. 745 Vgl. Bruyn Kops 1965, S. 93. 746 Vgl. Bruyn Kops 1965, S. 96f. 747 Arnold Boonen: Portrait von Jan van Huysum, um 1720, Öl auf Leinwand, 99,2 x 84,0 cm, Rijks­ museum Amsterdam, SK-A-5008. Zu weiteren Portraits von Arnold Boonen, die Jan van Huysum zeigen, vgl. Kat. Delft/Houston 2007, S. 135–138. 748 Bruyn Kops 1965, S. 98. Zur Sammlung Braamcamp vgl. Bille 1961. Die Preise für die einzelnen Ge­ mälde auf der Versteigerung der Sammlung Braamcamp, die insgesamt fast 253.000 Fl. einbrachten, liegen zwischen 25 und 5.000 Fl. Rekordpreise erzielten ein Werk von Paulus Potter für 9.050 Fl. sowie ein Gemälde von Gerard Dou für 14.100 Fl. Kat. Amsterdam 1771a. 749 https://rkd.nl/explore/images/59654 (11.01.2019). 750 Jan van Huysum: Blumenstillleben, 1724, Öl auf Holz, 80,0 x 59,6 cm, County Museum of Art Los Angeles, M.91.164.2. Vgl. Grimm 2010, S. 180f, Abb. 124, 125, Kat. Delft/Houston 2007, S. 193–198. 751 Jan van Huysum: Blumenstillleben in einer Terrakottavase auf einem Marmorsockel in einer Nische, 1736/1737, Öl auf Leinwand, 133,5 x 91,5 cm, National Gallery London, NG 796. Vgl. Kat. Delft/ Houston 2007, S. 251–254. 752 Tillmann 2015, S. 174. 753 Tillmann 2015, S. 175. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu, die Konkurrenz durch andere Sammler, sodass die Agenten teils recht deutlich zum baldigen Ankauf raten. Vgl. Jacob-Friesen 2015, S. 215. 754 Vgl. Tillmann 2015, S. 175. Zum Gemälde von van Huysum vgl. Kat. Karlsruhe 2015, S. 234. 755 Korthals Altes 2015, S. 140. Ferner erwarb Karoline Luise für 280 Fl. ein Genrebild von Gerard Dou bzw. Carel de Moor, für 160 Fl. eine Wachstube von Pieter Codde, für 126 Fl. ein Stillleben von Wil­ lem van Aelst, für 105 Fl. eine Landschaft von Adriaen Oudendijck und für 10 Fl. ein Stillleben von Otto Marseus van Schrieck. Ebda. Jan van Huysum: Tonvase mit Blumen daneben Früchte, um 1724, Öl auf Eichenholz, 59,0 x 51,0 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 379. 756 Vgl. Jacob-Friesen 2015a, S. 158. Darüber hinaus zeigte sie einen scharfen Verstand bei der Auswahl der Werke sowie für die Fallen des Marktes. Die Praxis des Handels mit großen Namen, was Kopien und Fälschungen mit sich brachte, war ihr durchaus bewusst. 757 Jacob-Friesen 2015, S. 221. 758 Friedländer 1957, S. 104. 759 Dézallier d’Argenville 1762, S. 179, hier zitiert in der Übersetzung nach Jacob-Friesen 2015, S. 224. 760 Friedländer 1957, S. 144, 118–122, vgl. Floerke 1905, S. 100. Anmerkungen 241

761 Sierstorpff 1804, S. 582. Zu Sierstorpffs Aufenthalt in Amsterdam S. 566–588. 762 Gräf 1911, S. 216. 763 Jan van Huysum: Blumenstilleben in einer Terrakottavase auf einer Marmorbalustrade mit Enzian, Anemo- nen und Vogelnest, 1739, Aquarell auf Papier, 455 x 325 mm, Privatbesitz. https://rkd.nl/explore/ images/122628 (03.12.2019). 764 Zur Übersicht: Jan van Huysum: Arkadische Landschaft mit der Rast auf der Flucht nach Ägypten, 1734, Feder und Aquarell auf Papier, 287 x 397 mm, Sotheby’s New York, 28.01.2009, Nr. 138. https://rkd. nl/explore/images/196480. Jan van Huysum: Arkadische Landschaft bei Sturm, Feder auf Papier, 188 x 290 mm, Amsterdam Museum. https://rkd.nl/explore/images/118835. Jan van Huysum: Arka- dische Landschaft mit Sturm und Blitzen, 1721, Feder und Kreide auf Papier, 276 x 331 mm, Teylers Museum . https://rkd.nl/explore/images/118785 (11.01.2019). 765 Vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 311. Die Preisstruktur der Auktionsergebnisse wird dort wie folgt umrissen: „The collection of drawings as a whole fetched three and a half times as much as the prints and about six times as much as the paintings, sculptures, coins, medals, rarities and instruments put together. Individual prices varied from a few stuivers to over a thousand guil­ ders. The three drawings that fetched the most, apart from the various series, were a large water­ colour flower piece by Jan van Huysum, the famous Ferry and a landscape by Adriaan van de Velde.“ Ebda. 766 Vgl. Laurentius/Niemeijer/Ploos van Amstel 1980, S. 283f, Nr. 66 und 67. Vgl. Kapitel 3.1.2. 767 Jan van Huysum: Blumenstillleben in einer Terrakottavase auf einer Marmorplatte, vor der Vase ein Rosen- zweig, 1735, Aquarell auf Papier, 492 x 342 mm, Fitzwilliam Museum Cambridge, PD.78-1975. Kat. Delft/Houston 2007, S. 250, Nr. F32. Jan van Huysum: Früchtestillleben in einem runden Weidenkorb auf einer Steinplatte, 1735, Aquarell auf Papier, 492 x 340 mm, Fitzwilliam Museum Cambridge, PD.62-1975. Cornelis Ploos van Amstel nach Jan van Huysum: Früchtestillleben in einem runden Wei- denkorb auf einer Steinplatte, 1780, kolorierte Radierung auf Papier, 290 x 225 mm, Christie’s Amster­ dam, 10.11.1999, Nr. 429. https://rkd.nl/explore/images/32798 (11.01.2019). 768 Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 28. 769 Korthals Altes 2006, S. 29. 770 Gool 1750/1751, Bd. 2, S. 399. 771 Vgl. North 2001, S. 93f. Hier ließe sich folgender Hinweis ergänzen: „In the middle of the eighteenth century, Jacob Campo Weyerman complained that collectors fetishized ambitious attributions to wellknown artists over educating their own eyes.“ Adams 2017, S. 248. Vgl. Kapitel 3.2.3. 772 Mittelstädt 1956, S. 101. 773 LMO, PT 26, S. 14, vgl. Mittelstädt 1956, S. 65. 774 North 2006, S. 14. 775 Zu den Zeichnungen von Balthasar Denner nach Bloemaert im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle vgl. Kat. Hamburg 2007, S. 114f. Zum ‚Tekenboek‘ von Bloemaert vgl. Roethlisberger 1993. 776 Vgl. Spanke 2004, S. 174–180. 777 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 62. Zur Sammlung von Balthasar Denner ist folgende Verteilung der Gemäldegattungen bekannt: 45 % Landschaften, 22 % Portraits, 13 % Stillleben, 9 % Genre und Historien, 2 % Tiere. Die Herkunft der Gemälde gliedert sich wie folgt: 45 % niederländisch, 31 % deutsch, 8 % italienisch und übrige, 7 % flämisch, 1 % französisch. North 2003, S. 131, 133. 778 Vgl. North 2012, S. 18. 779 Ketelsen/Stockhausen 2002, S. 62. 780 Goethe zitiert nach North 2003, S. 125. Dieses Zitat stammt aus Goethes Autobiographie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Goethe 1811–1814, Bd. 1, S. 47. 781 Der Maler Justus Juncker war darüber hinaus Mitorganisator verschiedener Auktionen, bei denen Gemälde aus dem Ausland versteigert wurden. Vgl. North 2003, S. 136, 140. 782 North 2001, S. 131, North 2003, S. 140. 783 Gerson 1983, S. 312f. Gerson ergänzt hier relativierend: „Das ist aber ein müssiger Gedanke und zudem ein unhistorischer, denn die Italienreisen dieser Generation sind keine Zufälligkeit, sondern ein Ausdruck der neuen klassischen oder klassizistischen Gesinnung.“ Ebda., S. 213. Darüber hinaus ist Tischbein für Gerson sogar „der bedeutendste Maler aus der künstlerisch so begabten Familie“. Ebda., S. 311. 784 Gerson 1983, S. 312. 242 Verbreitung

785 Gerson 1983, S. 312. 786 Vgl. hierzu Mildenberger 2006, S. 35. Zur Eselsgeschichte vgl. Reindl-Scheffer 1987, hier insbesondere die Zeichnungen bzw. Abbildungen: Holländischer Raucher in der Art des Dirck Hals, S. 75, Abb. 28; Windmühle in holländischer Landschaft, S. 90, ohne Abb.-Nr.; Niederländische Landschaft, S. 120, Abb. 35; Die in Amsterdam verwitwete Frau des Vogelhändlers, S. 125, Abb. 36; Holländische Landschaft an einem Kanal, S. 131, Nr. 37. 787 Für die Förderung zeitgenössischer Künstler kann auf die Nachlassauktion der Sammlung Häckel und den Auktionskatalog verwiesen werden: Christian Georg Schütz d. Ä. 38 Werke, Justus Juncker 34 Werke, Johann Georg Trautmann 13 Werke, Johann Conrad Seekatz 8 Werke, Friedrich Wilhelm Hirt 8 Werke, Johann Heinrich Tischbein d. Ä. 8 Werke. Damit ergibt sich ein Anteil von 20 % zeit­ genössischer Kunst. Vgl. Lange 2011, S. 91. 788 Vgl. Kat. Kassel 2003, S. 9. 789 Causid 1783, S. 122, vgl. Lange/Kuss/Rehm 2017, S. 24f, Kat. Kassel 2003, S. 159f, Nr. 138. 790 Goethe zitiert nach North 2003, S. 125, Goethe 1811–1814, Bd. 1, S. 47. 791 Kat. Kassel 2003, S. 334, Nr. 309. Zur Rembrandt’schen Manier nach Tischbein vgl. Kapitel 2.2.3. 792 North 2001, S. 130. 793 Eine vergleichbare Entwicklung gab es auch in Frankreich. Vgl. Kat. Karlsruhe 2015, S. 242. 794 Etwas anders gestaltet sich die Situation in den Niederlanden zu jener Zeit. Die Vorlieben der Samm­ ler orientierten sich im 18. Jahrhundert zuallererst an der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘. Diese Entwicklung begann bereits im 17. Jahrhundert, setzte sich kontinuierlich fort und wurde von den Kunsthändlern und Agenten forciert. Everhard Korthals Altes widmet sich in seinem Aufsatz ‚Old‘ versus contemporary art der Rezeption und der Reputation der niederländischen Malerei des 18. Jahr­ hunderts. Er geht der Frage nach, warum die Sammler im 18. Jahrhundert in größerer Zahl Künstler des 17. Jahrhunderts kauften als Künstler des 18. Jahrhunderts – wobei es nie ein völliges Desinter­ esse an zeitgenössischer Kunst gab. Der Grund für diese Präferenz war seiner Meinung nach nicht so sehr eine Frage der Qualität, sondern eine Frage des Preises, da die Kunst des 18. Jahrhunderts oft recht kostspielig war. Dieser Umstand sollte sich jedoch ändern. Zum einen stiegen die Preise für die Kunst des 17. Jahrhunderts an, zum anderen nahm das Interesse an der zeitgenössischen Kunst im Laufe des 18. Jahrhunderts langsam zu. Insbesondere mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wuchs das Interesse an zeitgenössischen Künstlern und deren Werken und kennzeichnete die weitere Ent­ wicklung. Korthals Altes 2006a, vgl. ferner Hecht 2006, Fredericksen 1998. 4 Rezeption – Wertschätzung der niederländischen Malerei in Deutschland

Das Kapitel der Niederlande-Reise in Tischbeins Lebenserinnerungen doku­ mentiert ferner, wie er den reichen Erfahrungsschatz seiner Bildwelten in ­einen international-komparativen Kontext zu setzen versteht. Er vergleicht die Kunst der Niederlande mit der Kunst Italiens und beschreibt die jeweiligen Voraussetzungen und Charakteristika der Kunstproduktion. Dieser Diskurs bezieht wichtige zeitgenössische Positionen mit ein, die bspw. auf Johann Joachim Winckelmann zurückgehen oder eindeutige Weimarer Prägung tragen, wie im Falle von Johann Heinrich Meyers Geschichte der Kunst. Meyer und Tischbein verbindet zudem eine erstaunliche Schicksalsgemeinschaft – zur selben Zeit haben sie sich mit der niederländischen Kunst auseinander­gesetzt und gelangten dabei zu interessanten Erkenntnissen, die jedoch erst postum publiziert wurden und somit erst eine nachzeitige Wirkung entfalten konn­ ten. Aus diesem Grund bildet die Schrift Meyers eine wichtige Referenzquelle, sodass sie im Folgenden immer wieder vergleichend herangezogen wird.795 Tischbeins Fazit ist mehr als deutlich und fällt zugunsten der nieder­ ländischen Malerei aus. Dabei hebt er die zahlreichen Besonderheiten der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ in den Niederlanden hervor. Damit jedoch nicht genug. Tischbein resümiert seine Erfahrungen in einer Auflistung, wie ein idealtypisches niederländisches Kabinett seiner Meinung nach aussehen sollte, und betont den ‚Unterhaltungswert‘ einer solchen Sammlung. Tisch­ bein stellt im Rückblick seiner Lebenserinnerungen eine Art ‚Kanon‘ der nie­ derländischen Malerei des 17. Jahrhunderts auf und liefert zugleich eine Art ‚Anleitung‘ zum Kunstsammeln. Interessant sind insbesondere die Zusammen­ 244 Rezeption setzung einer solchen Sammlung sowie die Bewertung der jeweiligen Künstler – ebenso deren Nichtbeachtung. Damit zieht Tischbein eine Bilanz seiner in den Niederlanden gesammelten Erfahrungen. Das von Tischbein favorisierte Kabinett niederländischer Malerei soll dabei nicht nur reine Theorie bleiben, sondern es gilt, dieses durch den Vergleich mit real existierenden Kabinetten exemplarisch zu rekonstruieren und einzuordnen. Abschließend wird zudem die Rolle Tischbeins im zeitgenössischen Diskurs markiert und seine Bedeu­ tung als Gewährsmann für die ‚Niederländer-Rezeption‘ an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gewürdigt.

4.1 Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich

Im Rahmen des Niederlande-Kapitels betont Tischbein immer wieder die Ein­ zigartigkeit der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ sowie die hervorragenden Leis­ tungen der niederländischen Künstler. Um seine Argumentation zu stützen, stellt er die niederländische Kunst der italienischen Kunst gegenüber und er­ läutert zum einen die Voraussetzungen der jeweiligen Kunstproduktion, zum anderen die Besonderheiten der Malerei im internationalen Vergleich. Sein Urteil fällt eindeutig zugunsten der niederländischen Kunst aus, wodurch er sich zugleich von zeitgenössischen Autoren selbstbewusst distanziert.

4.1.1 Besonderheiten der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘

Tischbein äußert sich in seinen Manuskripten wiederholt zur Vortrefflichkeit der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘, was er mit konkreten Beispielen belegt. Wichtige Kriterien sind dabei Naturnachahmung, Bildgegenstand und Hu­ mor. Darüber hinaus versucht er eine Erklärung für die von ihm erkannten Besonderheiten zu geben und geht auf den Klima-Diskurs sowie den Zeitgeist ein. Die erstaunlichen Leistungen der Niederländer im 17. Jahrhundert er­ scheinen – ihm und auch anderen – wie ein holländisches Wunder.

Über die Vortrefflichkeit der niederländischen Kunst

In den publizierten Lebenserinnerungen Tischbeins beginnen die Ausführun­ gen mit einem Hinweis darauf, dass Wertschätzung wie Kritik gleichermaßen die niederländische Kunst begleiten. Damit wird die Polarität und das Span­ Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 245 nungsgefüge der Auseinandersetzung mit der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ aufgezeigt: „Man schätzt die holländischen Maler und ihre Werke, weil sie die Natur so treu nachahmten, und tadelt zugleich, daß sie ihre Kunst oft an ge­ ringe Sachen verschwendeten. Wer jedoch nur diese treue Nachahmung der Natur und den Fleiß rühmt, mit welchem sie ihre Bilder ausführten, und wem dies nur das einzige ist, das ihn anzieht, der hat ihre Werke nur oberflächlich betrachtet und den Geist und die Seelenwirkung unbeachtet gelassen.“796 Folglich stehen treue Naturnachahmung und alltagsweltliche Gegenstände in der niederländischen Kunst komplementär zueinander und werden beispiel­ los miteinander vereint.797 Wer aber nur auf die Nachahmung blicke und die verwandte Mühe bestaune, der übersehe „den Geist und die Seelenwirkung“ des Dargestellten. Dies erinnert an die Kritik an der Mode der ‚Namen-Käufer‘, denen der Name eines Künstlers wichtiger ist als die Qualität der Werke. Etwas anders lautet die Formulierung dieser Textpassage im Tisch­ bein’schen Manuskript von 1824. Dort heißt es: „Man schätzt die Werke der Holländischen Maler, weil sie die Natur so treu nachahmten und wegen des Fleißes mit welchem sie ihre Bilder ausführten. [Einschub: Wer aber einzig davon sich angezogen fühlt] der hat ihre Werke nur oberflächlich betrachtet, und hat den Geist und die Seelenwirkung unbeachtet übersehen. Ihre Bilder sind mit einer Ruhe der Seele und einer Fröhlichkeit des Geistes gemacht, daß sie den Anschauenden ermuntern; und doch wurden die Meisten in der Zeit des Krieg’s und Druk’s gemacht. Daraus läßt sich ersehen, wie viel Liebe sie zur Kunst hatten, denn Liebe und Ruhe der Seele allein kann so etwas voll­ endetes hervorbringen.“798 Hier geht Tischbein noch einen Schritt weiter. Er bringt den Aspekt des Humors und des Vergnügens mit ins Spiel, der zu den Kennzeichen der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ gehöre.799 Seelenruhe ist al­ lerdings eine erstaunliche Haltung angesichts der verheerenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Niederlanden und Spanien im Achtzig­ jährigen Krieg (1568–1648).800 Um seine These von den zentralen Eigenschaften „Ruhe der Seele“ und „Fröhlichkeit des Geistes“ in der niederländischen Kunst zu untermauern, führt Tischbein – sowohl in den Manuskripten von 1811 und 1824 als auch in der späteren Publikation – ein Beispiel an: „[W]as kann Karakteristiser sein als ein bild von Johan Steen. Das war ein Mann der die Menschen bis auf den Grund ihrer seele kande, und die verschiedenelig Karaktere und nationen in seinen vorstellungn deudlig voneinander underschied. und das was er damit sagen wolde da zu bedorfte es keine Auslegung, es sprach sich von selbst ver­ ständlig aus. […] Merere Bilder habe ich von ihm gesehen, die alle zeigen das er ein scharfer beobachter und Kener der Menschen war, jedes mahl habe ich sie mit vergnügen gesehen, und desto mer weil sie fast immer lustige gegenstände 246 Rezeption

73 Jan Steen: Das Fest des Bohnenkönigs, 1668, Museumslandschaft Hessen Kassel

sind die lachen erregen. Er sahe der Menschen getreibe von der lustign und komischen seide an.“801 Der besondere Humor von Jan Steen (1626–1679) ist in Werken wie Das Fest des Bohnenkönigs (Abb. 73) unverkennbar, wo er die verschiedenen Facetten eines weit verbreiteten Rituals des 17. Jahrhunderts am Dreikönigstag mit jenen des menschlichen Verhaltens im Rahmen einer verkehrten Welt inszeniert, verbunden mit allerlei komischen Figuren und amüsanten Anspielungen.802 Mit derartigen Referenzen räumt Tischbein der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ einen wichtigen Platz im Kunstgeschehen ein, da sie weit über die reine Maltechnik und Oberflächenbehandlung hinaus geht, auf welche er die Kunstproduktion der Niederländer keinesfalls redu­ ziert wissen möchte.803 Ähnlich äußert sich Johann Heinrich Meyer in seiner Geschichte der Kunst über Gerard ter Borch (1617–1681) und Gabriel Metsu (1629–1667): „Ihre Bilder reden für sich selbst, sind wahre Spiegel des Lebens, der Sitten ihrer Zeit und zuweilen, jedoch bei Metsu öfter als bei Terborch, mit solch kernhaftem Geist, solcher naiven Poesie erfunden, daß ein Zusammen­ treffen von Geistesgehalt und Vollkommenheit des Technischen stattfindet, worüber jeder, er mache auch noch so große Forderungen an das Kunstwerk, in Erstaunen gerät.“804 Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 247

Tischbein geht ferner auf die Kunstfertigkeit der Niederländer ein, dem eher Langweilig-Alltäglichen Seele einzuhauchen: „Man muß auch den Geschmack der Holländer bewundern, wie sie aus einer armseligen sterilen Gegend ein angenehmes Bild haben machen können, das Anmuth und Seele hat. Oft ist der Ort nichts als ein flaches Sandufer und ein Strich See und Him­ mel. Aber da haben sie eine Abwechslung von Licht und Schatten und Farben hineingebracht, daß es reizend anzuschauen ist. Sie wußten es aus zu schmü­ ken mit dem Schatten der Wolken, die über das Wasser laufen, und hie und da schweben, und dazu laßen sie durch die Wolken einen Sonnenstreif herun­ terschiessen, der einen Fleck der See beleuchtet, und auch auf den gelben Sand fällt, was einen auffallenden Effect macht. Und um die Ferne auf dem Wasser recht weit scheinend zu machen, so setzten sie Schiffe auf die ver­ schiedenen Flächen; einige nahe, andere im Mittelgrund und noch andere hinten, einige im Schatten, und andere ins Licht, wo ihre weissen Segel in der Beleuchtung glänzten – gaben den Segeln auch verschiedene Farben als graue, rothe, weisse, gelbe und auch geflekte; und so wurden aus diesen einfachen Gegenden angenehme Bilder.“805 Diese Textpassage findet sich im Manuskript von 1824, aber noch nicht in jenem von 1811. Die Schilderung Tischbeins – fast in der Art einer Bildbeschreibung – lässt einen unweigerlich an Werke von Willem van de Velde d. J. denken, wie bspw. die Küstenszene (vgl. Abb. 16) in der Kasseler Gemäldegalerie.806 Tischbein spricht von der niederländischen Landschaft als einer „sterilen Gegend“, die an sich wenig als Bildgegenstand hergebe, woraus die niederländischen Künstler jedoch dank einer gekonnten In­ szenierung von Licht und Schatten ein anmutiges und ansprechendes Motiv geschaffen haben.807 Auf diese Weise gelang es den Malern des 17. Jahrhun­ derts, der Gattung der Landschaftsmalerei eine derart prominente Stellung zu verschaffen, dass sie in den niederländischen Sammlungen die Historien­ malerei von ihrem Platz verdrängte und zum favorisierten Sujet der Nieder­ länder wurde.808 Hierfür findet sich in Tischbeins Lebenserinnerungen eine Fülle von Beispielen, die sich jedoch von der vorherigen Schilderung entfernen und stattdessen von malerischen Szenen am stillen Gewässer handeln: „Und was haben sie angenehme Wassergegenden mit Gebüsch und Bäumen an einem Dorfe gemacht, die einen zu ihrer Anmuth einladen! Wer steht nicht gerne still, und siehet ein ruhiges Oertchen, wo sich Enten in einem stillstehenden Wasser baden und in seinem Spiegel doppelt erscheinen! Solche vortreffliche Maler waren die Holländer.“ 809 So lautet die Formulierung im Manuskript von 1824 mit einem überschwänglichen Fazit Tischbeins. In den diversen Frag­ menten werden zudem einige Künstler, die repräsentativ für dieses Sujet stehen sollen, genannt: „Pulenburg der lieblige idillen dichter. Vertangen. 248 Rezeption

74 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Jakob segnet Ephraim und Manasse, 1656, Museums­ landschaft Hessen Kassel

Kulenburg.“810 Die angeführten Künstler sind Cornelis van Poelenburch (1594/1595–1667), Daniel Vertangen (um 1600–1681) und Abraham van Cuylenborch (1620–1658). Zu denken wäre ferner an Adriaen van de Velde mit Werken wie Rinder und Schafe am Waldwasser (vgl. Abb. 18). Weiterhin erzählt Tischbein Konkretes über die kargen Gegebenheiten der Arbeitsbedingungen der niederländischen Künstler: „Oft denke ich mit Verwunderung daran, wie und wo sie ihre Bilder gemahlt haben. da sie doch gewis nur kleine Zimer mit niedrigen fenstern hatten, wo sie ihr Model geho­ rig beleihten konden, und auch raum [Ergänzung am Seitenrand: und licht] brauchten um in der gehorigen entfernung vom Model zu arbeiten. und doch haben sie das schatten und licht so gut verstanden. und auch den Efekt. in Rembrand seine hintergründe ist eine Luft Perspektif die in das unendlige gehet.“811 Tischbein ist voller Bewunderung, dass die Künstler unter derarti­ gen Arbeitsbedingungen große künstlerische Leistungen erbringen konnten. Als Künstler weiß er dies besonders zu würdigen. Wie so häufig führt Tisch­ bein Rembrandt Harmensz. van Rijn als Beispiel an – in diesem Fall für die virtuose Behandlung von Licht und Schatten sowie der Perspektive.812 Verwie­ sen werden kann hier bspw. auf Werke wie Jakob segnet Ephraim und Manasse (Abb. 74) oder auch die kleine Winterlandschaft, in denen die Variationsbreite von Rembrandts Hintergründen exemplarisch deutlich wird.813 Einen vagen Einblick in eine Ateliersituation des 17. Jahrhunderts, wie Tischbein sie ver­ mutet, gewährt dagegen ein kleinformatiges Gemälde von Adriaen van Ostade (1610–1658) im Amsterdamer Rijksmuseum (Abb. 75). Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 249

75 Adriaen van Ostade: Maleratelier, um 1670–1675, Rijksmuseum Amsterdam

Über das Klima, den Zeitgeist und das holländische Wunder

Weiter heißt es in den Tischbein’schen Manuskripten von 1811 und 1824: „Es liegt also nicht im Clima; wie Einige meinen, die warme Sonne schaffe nur den feurigen Geist; nein, es liegt am Geist der Zeit! Damals war alles geistig belebt in Holland; seine Helden schlugen mit wenig Volk zahlreiche­ Feinde; seine Admiräle waren die Beherrscher der Meere […] und bei allen diesen krie­ gerischen Zeiten war der Geist in so hoher Kraft, daß Werke der Kunst geliefert wurden, die in Erstaunen setzen, von denen man jetzt erröthen muß; ja die Kunst war so ausgebreitet, daß Söhne von Tagelöhnern große Künstler wur­ den und aus allen Ständen wachten große Männer auf zu Helden und Staats­ männern, Künstlern und Kaufleuten. Was für große Unternehmungen haben sie damals ausgeführt, und was für weise Gesetze gegeben!“814 Tischbein kommt hier auf den „feurigen Geist“ zurück, den er am Beispiel von Rubens zuvor bereits thematisiert hatte, und versucht eine Er­klärung zu geben.815 Mit der ‚Klima-These‘ rekurriert Tischbein auf die Schriften von Jo­ hann Joachim Winckelmann (1717–1768).816 In dessen Geschichte der Kunst des Alterthums ist im Kapitel Vom Ursprunge der Kunst zu lesen: „E. Bildung der Schönheit unter einem wärmeren Himmel. § 11. Wer auch niemals diese 250 Rezeption

Länder gesehen hat, kann aus der zunehmenden Feinheit der Einwohner, je wärmer das Klima ist, von selbst auf die geistreiche Bildung derselben schlie­ ßen; die Neapolitaner sind feiner und schlauer noch, als die Römer, und die Sizi­lianer mehr als jene; die Griechen aber übertreffen selbst die Sizilianer. […] Endlich gilt hier, was Cicero sagt, daß die Köpfe desto feiner sind, je reiner und dünner die Luft ist: denn es scheinet sich mit den Menschen wie mit den Blumen zu verhalten, die, je trockener der Boden, und je wärmer der Himmel ist, desto stärkeren Geruch haben.“817 Oder einige Seiten später: „§ 16. Eben so sinnlich und begreiflich, als der Einfluß des Himmels in die Bildung ist, ist zum zweyten der Einfluß desselben in die Art zu denken, in welche die äuße­ ren Umstände, sonderlich die Erziehung, Verfassung und Regierung eines Vol­ kes, mitwirken. § 17. Die Art zu denken sowohl der Morgenländer und mit­ tägigen Völker, als der Griechen, offenbart sich auch in den Werken der Kunst. Bey jenen sind die figürlichen Ausdrücke so warm und feurig, als das Klima, welches sie bewohnen, und der Flug ihrer Gedanken übersteiget vielmals die Grenzen der Möglichkeit.“818 Winckelmann stellt hier eine folgenschwere und vielzitierte Verbindung zwischen der Kunstproduktion und den klimatischen Bedingungen her. Seiner Meinung nach bedingen die Herkunft, das dortige Klima sowie dessen Wirkung auf das menschliche Gemüt das künstlerische Schaffensvermögen der Menschen.819 Auch Johann Gottfried Herder (1744–1803) widmet sich im späten 18. Jahrhundert der Frage: „Was ist Klima und welche Wirkung hat’s auf die Bildung des Menschen an Körper und Seele?“820 Seine intensive Auseinander­ setzung mit der Klimafrage führt ihn zu der schlichten, aber wichtigen Er­ kenntnis, dass sie nicht so einfach zu beantworten sei, da sie von vielen ver­ schiedenen Faktoren abhänge, die in der bisherigen Auseinandersetzung nicht angemessen berücksichtigt wurden. „Endlich die Höhe oder Tiefe eines Erd­ strichs, die Beschaffenheit desselben und seiner Produkte, die Speisen und Getränke, die der Mensch genießt, die Lebensweise, der er folgt, die Arbeit, die er verrichtet, Kleidung, gewohnte Stellungen sogar, Vergnügen und Künste, nebst einem Heer anderer Umstände, die in ihrer lebendigen Verbindung viel wirken: alle sie gehören zum Gemälde des vielverändernden Klima.“821 Wir haben es hier folglich mit einem komplexen Zusammenspiel verschiedener und sich wandelnder Kräfte zu tun. Die angestrengten Überlegungen bringen Herder zu dem interessanten Schluss: „Das Klima zwingt nicht, sondern es neigt; es gibt die unmerkliche Disposition, die man bei eingewurzelten Völ­ kern im ganzen Gemälde der Sitten und Lebensweise zwar bemerken, aber sehr schwer, insonderheit abgetrennt, zeichnen kann. Vielleicht findet sich einmal ein eigner Reisender, der ohne Vorurteile und Übertreibungen für den Geist des Klima reist. Unsere Pflicht ist jetzt, viel mehr die lebendigen Kräfte zu Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 251 bemerken, für die jedes Klima geschaffen ist und die schon durch ihr Dasein es mannigfalt modifizieren und ändern.“822 In seinen Schlussbemerkungen verkürzt Herder dies zu der These, dass das Klima ein „Chaos von Ursachen“ und keine unveränderliche, feste Größe sei, verküpft mit der Aufforderung, die Klimatheorie neu zu denken.823 Tischbein widerspricht dem populären klimatheoretischen Ansatz nach Winckelmann im Falle der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ eindeutig – seiner Meinung nach könne das Klima nicht die einzige Voraussetzung für die Ent­ stehung großer Kunst sein. Näher dürfte ihm Herders Vorstellung einer aktiven Gestaltung der Kultur durch den Menschen statt einer passiven Formung durch das Klima gestanden haben. Tischbein selbst bringt den „Geist der Zeit“ als Erklärungsfaktor für die niederländischen Besonderheiten ins Spiel: „[N]ein, es liegt am Geist der Zeit! Damals war alles geistig belebt in Holland.“824 Doch was war der Geist der Zeit? Ein unbekannter Verfasser gibt darauf im Jahr 1814 – also zur Zeit von Tischbeins Niederschrift seiner Lebenserinnerungen – fol­ gende Antwort: „Der Geist der Zeit, von dem dermalen alle Zungen, vielleicht ohne sich einen richtigen Begriff davon gebildet zu haben, sprechen, ist aber wahrhaftig nichts in abstracto Bestehendes, sondern blos das Product der Volksbegriffe und der durch Erfahrung, Erziehung und Aufklärung gebildeten Volksstimmung.“825 Auch Friedrich Saacke schildert den in den Niederlanden vorherrschenden Zeitgeist in seinem Reisebericht von 1844: „Doch ein wun­ dersam Ding, der Zeitgeist! Wer definirt, wer begreift ihn? Er macht kühne Soldaten zu Kaisern, Kaiser zu Bettlern, mittelmäßige Reimschmiede zu Halb­ göttern.“826 Die Schilderung einer derart verkehrten Welt ist auch in Tisch­ beins Manuskript zu finden: „[D]amals malten Knaben, die kaum zu essen hatten, schon Meisterstücke, wie man von Einigen sagt, Leute ohne alle Erzie­ hung und Bildung, Torfträger, Schmiede, Müller, Bäcker, Schuster und Schnei­ der. Die Kunst liegt also im Menschen, und es kommt nur darauf an, daß sie gemakt wird.“827 Tischbein gibt hierfür konkrete Beispiele an: „Adriaen Brou­ wer war der Sohn eines Torfträgers, van der Werff, der später seiner Kunst wegen zum Ritter erhoben wurde, eines Schneiders Sohn; der Spritzenmeister van der Heyden, was hat der für schöne Bilder geliefert!“828 Verallgemeinernd lässt sich zum ‚Geist der Zeit‘ bzw. ‚Zeitgeist‘ fest­ halten: „Der zusammengesetzte Ausdruck Zeitgeist ist seit der Mitte des 18. Jhs. anstelle von Geist der Zeit gebräuchlich. Zuerst erscheint er bei Herder im ­Sinne von ‚Meinungen, in denen die Menschen in einem bestimmten Zeitab­ schnitt übereinstimmen‘, dann auch verschiedentlich beim frühen Goethe, z. B. dem Zeitgeist ein Opfer bringen. Um 1800 wird Zeitgeist auch gleichbedeu­ tend mit Nationalgeist, Volksgeist verwendet. Zu Beginn des 19. Jhs. ist der Ausdruck offensichtlich ziemlich häufig verwendet worden, so daß ihn Voss 252 Rezeption

1814 als vages Modewort kritisiert.“829 Dass der Begriff ‚Zeitgeist‘ eine gewisse Vagheit impliziert, kann nicht abgestritten werden, dennoch hatten die Leser – damals wie heute – eine ungefähre Vorstellung von seiner Bedeutung. Je­ denfalls scheint es nach Tischbein im ‚Goldenen Zeitalter‘ einen Zusammen­ hang zwischen dem Zeitgeist, der allgemeinen Verbreitung der Kunst und dem Hervortreten talentierter Künstler aus verschiedenen Gesellschaftsschichten gegeben zu haben. In diesem Sinne heißt es bei Tischbein: „[J]a die Kunst war so ausgebreitet, daß Söhne von Tagelöhnern große Künstler wurden und aus allen Ständen wachten große Männer auf zu Helden und Staatsmännern, Künstlern und Kaufleuten.“830 Und noch ein weiterer Aspekt kommt hinzu. Trotz oder gerade wegen des Krieges „war der Geist in so hoher Kraft, daß Werke der Kunst geliefert wurden, die in Erstaunen setzen, von denen man jetzt erröthen muß“.831 Die­ ses allgemeine Erstaunen beschäftigt Tischbein und so gibt er in seinen Lebens­ erinnerungen eine Anekdote wieder, die ihm zugetragen worden war: „Ein Keiser von der Türkey, welcher viel von den großen Thaten und Siegen der Holländer gehört hatte, verlangte, man solle ihm eine Land-Charte bringen, und auf derselben den Fleck Landes zeigen, wo dieses Volk wohnte, welches so viele wundernswürdige Thaten verrichtete. Man brachte ihm die Charte von Europa – also dieses ganze Stück bewohnt dieses Volk? fragte er. Nein antwortete man ihm, und zeigte darauf: dies Ländchen hier ist es. Wie! Rief er aus – Ein Pünktchen, welches ich mit dem Finger bedecke, und hier wohnen die Gebieter von Europa, und allen Meeren!“832 Auf diese Besonderheit – die mitunter als ‚holländisches Wunder‘ bezeichnet wurde – geht Johan Huizinga (1872–1945) in seiner vielzitierten Studie Holländische Kultur im 17. Jahrhun- dert ein. So stellt er die berechtigte Frage: „Wie ist es möglich gewesen, […] daß ein so kleines und ziemlich abgelegenes Gebiet, wie Holland im Europa des siebzehnten Jahrhunderts es war, als Staat, als Handelsmacht und als Quelle der Kultur so sehr im Vordergrund hat stehen können, wie die junge Republik es getan hat?“833 Dieses Phänomen scheint seit jeher von allgemeinem Inter­ esse gewesen zu sein und so ergänzt Bernd Roeck die von Huizinga gestellte Frage in seinem Nachwort mit dem Hinweis: „Das ‚holländische Wunder‘ hat­ te schon die Zeitgenossen beschäftigt; Huizingas Rede davon geht übrigens auf eine oft zitierte Formulierung des englischen Botschafters im Haag, Sir William Temple (1628–1699), zurück: Die Vereinigten Provinzen seien ‚die Furcht einiger, der Neid anderer und das Wunder aller ihrer Nachbarn‘.“834 Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 253

76 Peter Paul Rubens: Der Triumph des Siegers, um 1614, Museumsland­ schaft Hessen Kassel

4.1.2 Die Kunst des Nordens vs. die Kunst des Südens

Tischbein kontrastiert darüber hinaus die Kunst des Nordens mit der Kunst des Südens. Eine Gegenüberstellung von niederländischer und italienischer Kunstproduktion findet sich gleichfalls in derGeschichte der Kunst von Johann Heinrich Meyer. Dass Kunst sich verändert, weiterentwickelt und neue Wege sucht, ist für das 19. Jahrhundert eine wichtige Thematik. Für Tischbein hat die niederländische Kunst jedoch weitaus mehr erreicht als jene Italiens. In Anbetracht der Tatsache, dass er 20 Jahre seines Lebens in Italien verbracht hat und mit der italienischen Kunst bestens vertraut war, ist diese Einschät­ zung erstaunlich und spricht für sein autonomes Urteil. Darüber hinaus ist Tischbein mit seiner Wiederentdeckung von Künstlern wie Rembrandt oder seinen Zeitgenossen voraus.

Anekdoten über die Arbeitsweise der Künstler

Die Konfrontation der niederländischen mit der italienischen Kunst klingt bei Tischbein folgendermaßen: „Die Hollander hattn auch viele mahler, die Moralische [Einschub: und Sitten] Bilder machten. Einen feurigen Geist in der Erfindung und Ausarbeidung, kan man ihnen nicht absprechen. und man sie keiner Nation nach sezen, nein man kan keinen Italiener an feurigem Geist dem Rubens gleichstellen. und kein flüchtigere arbeiten dem Franz Hals. seine Portrate scheinen mit drey strichen gemacht zu sein. und doch glaubt man lebende Persohnen vor sich stehen zu sehen.“835 Den „feurigen Geist in der Erfindung und Ausarbeitung“ des Peter Paul Rubens (1577–1640) findet man pars pro toto in seinem Gemälde Der Triumph des Siegers (Abb. 76) – eine Al­ legorie auf die Auseinandersetzung zwischen den Sieben Vereinigten Provinzen 254 Rezeption

77 Frans Hals: Der Mann mit dem Schlapphut, um 1660, Museumslandschaft Hessen Kassel

und den Spanischen Niederlanden, zwischen Holland und Flandern, also zwischen Norden und Süden.836 In Tischbeins Charakterisierung sind Holland und Flandern zugleich durch zwei repräsentative Künstler – Frans Hals und Peter Paul Rubens – vertreten. Weiter heißt es im Manuskript von 1824, aber noch nicht in jenem von 1811: „Lanfranco und Luca fa presto würden sich haben eilen müssen, wen sie mit Jenen um die Wette gearbeitet hätten. L. Giordano­ malte zwar in einer Nacht ein Altarbild, es ist aber auch danach!“837 Wichtig ist hier Tischbeins Bemerkung, dass eine solche Virtuosität kein italienischer Künstler erreichen könne – und auch kein Künstler anderer Nationalität. Als herausragenden Repräsentanten der schnellen und zugleich bra­ vourösen Malweise niederländischer und insbesondere holländischer Künst­ ler führt Tischbein den Genre- und Portraitmaler Frans Hals (1582/1583–1666) an. Er benennt, wie bereits zitiert, dessen skizzenhafte Malweise, die ihn als Künstler besonders beeindruckt: „Seine Portraits scheinen mit drey Strichen gemacht zu seyn und doch glaubt man lebende Personen vor sich stehen zu sehen.“838 Zu denken wäre an den Peeckelhaering oder den Mann mit dem Schlapphut (Abb. 77) – zwei Werke, die sich in der Sammlung von Landgraf Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 255

Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel befunden haben und die charakteristische von Tischbein beschriebene Malweise von Frans Hals zeigen.839 Für dessen legendäres Maltempo wird an dieser Stelle im Manuskript von 1824 sowie in der postumen Publikation die wunderbare Anekdote von der Begegnung von Anthonis van Dyck mit Frans Hals angeführt: „Als van Dyck wieder aus Italien nach seinem Vaterland kam hörte er von dem schnellen Arbeiten des F. Hals. Er wollte ihn kennen lernen, um sich davon zu überzeugen und als er durch Harlem reiste, ging er zu ihm, und gab sich einen andern Nahmen: er sei ein reisender Cavalier und wünsche geschwinde sein Portrait zu haben; denn er müsse sogleich weiter reisen. F. Hals setzte sogleich eine Leinwand auf die Staffeley, und fing auf Begehren des fremden Cavaliers das Portrait an, der es so schnell als möglich verlangte, weil er keine Zeit habe. Nachdem Hals einige Zeit gearbeitet hatte, sagte er Mein Herr, Sie sind fertig, und stand auf. Der Cavalier sah das Portrait mit Verwunderung an und sagte: daß glaubte ich nicht, daß Ihr es in so kurzer Zeit machen konntet; nun habe ich doch noch einige Zeit übrig, und ich habe sonst auch malen können; ich will versuchen Euer Portrait zu machen. – Jener gab ihm Leinwand und Pallette, setzte sich auf Verlangen des fremden Cavaliers; dieser fing an zu malen, und nach eini­ ger Zeit sagte er; Mein Herr, Sie sind fertig. Hals stand auf, und sah das Por­ trait, umarmte den Fremden und sagte: Ihr seid Van Dyck oder der Teufel!“840 Tischbein ergänzt dies um die Bemerkung: „Als eine alte Sage habe ich diese Geschichte oft in Holland erzählen hören.“841 Diese Anekdote, die erneut mit der Gegenüberstellung von einem holländischen und einem flämischen Künst­ ler, von Nord und Süd, spielt, übernimmt Tischbein in leicht veränderter Form von Arnold Houbraken.842 Mit diesen niederländischen Virtuosen können nach Tischbein die italienischen Künstler nicht mithalten. Er lästert: Giovanni Lanfranco (1582– 1647) sei zu langsam und Luca Giordano (1632–1705) „malte zwar in einer Nacht ein Altarbild, es ist aber auch danach!“843 In der Sammlung der Kasseler Landgrafen kann man sich von Tischbeins Urteil ein Bild machen. Am Bei­ spiel der Malweise von Giordanos Werk Die Berufung der Heiligen Petrus und Andreas zum Apostelamt (Abb. 78) wird Tischbeins Argumentation sichtbar – auch wenn die referierte Arbeitszeit in den Bereich der Legendenbildung fällt.844 Auf dieses besondere Kennzeichen von Luca Giordano gehen jedoch auch andere zeitgenössische Autoren ein. Johann Heinrich Meyer schreibt in seiner Geschichte der Kunst: „Luca Giordano, wegen der außergewöhnlichen Schnelligkeit, womit er arbeitete, fa presto genannt […]. Giordano [war] zwar ein guter Kolorist, aber äußerst flüchtig in seiner Behandlung, auch besitzt weder er noch Baciccio die heitere Anmut in Erfindung und in Stellung der Farben, welche wir an des Cortona Werken zu lieben gefunden.“845 256 Rezeption

78 Luca Giordano: Die ­Berufung der Heiligen Petrus und Andreas zum Apostelamt, um 1685, Museumsland­ schaft Hessen Kassel

Künstleranekdoten, die ein lebendiges Bild von den Eigenarten der Künstler vermitteln, erfreuten sich größter Beliebtheit, weshalb sie Eingang in die Kunsthistoriographie, in Reiseberichte sowie in Lebenserinnerungen fan­ den. Von einer sprichwörtlich langsamen Arbeitsweise erzählt bspw. Meyer in einer Anekdote über den Maler Gerard Dou (1613–1675): „Sein Kolorit hat auch nicht weniger Kraft und Blüte, allein die Ausführung ist bei weitem flei­ ßiger, unübertrefflich, ja unglaublich sorgfältig. In Beziehung hierauf erzählt man, daß Dou einst an dem Besenstiel in der Hand einer Magd, welche kehrt, eine ganze Woche soll gearbeitet haben.“846

Charakteristika der Kunstentwicklung

Dass Kunst sich verändert, weiterentwickelt und neue Wege sucht, ist für das 19. Jahrhundert eine wichtige Thematik. Mit der Ansicht, dass dies eher zyk­ lisch und nicht in Form einer stetigen Höherentwicklung geschieht, steht Tischbein in seiner Zeit nicht allein: „Allein, wie es denn gehet – der mensch­ liche Geist blühet nur eine Weile in Ländern und zeiget sich groß. Dann sinkt er wieder und schläft ein. So große Maler sie damals in Menge hatten, so rar ist jetzo das Land an Künstlern. Man glaubt nicht mehr, daß es dieselben wären, es ist so vergangen und heruntergesunken, daß man nicht einmal mehr weiß, wie die Alten malten. Ihre feurigen klaren durchsichtigen Farben kennt man nicht mehr.“847 Mit der skizzierten Abfolge von Wachstum, Blüte und Verfall folgt Tischbein dem Winckelmann’schen Gedankengut, das von verschiede­ nen Autoren der Zeit aufgegriffen wurde. Johann Heinrich Meyer schreibt in Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 257 seiner Geschichte der Kunst im Kapitel über die italienische Kunst: „Dieses ist die Geschichte der neuern Kunst durch die kurze Zeit, da sie auf dem Gipfel sich befand und in den größten Meistern am herrlichsten blühte. Von nun an werden wir ihr Absteigen zu betrachten haben, werden sie bald auf Irrwegen antreffen und dann wieder Verbesserer des Geschmacks auftreten sehen.“848 In Winckelmanns Geschichte der Kunst des Altertums heißt es in der Vorrede einleitend: „Die Geschichte der Kunst soll den Ursprung, das Wachstum, die Veränderung und den Fall derselben, nebst dem verschiedene Stile der Völker, Zeiten und Künstler lehren, und dieses aus den übriggebliebenen Werken des Altertums, so viel wie möglich ist, beweisen.“849 Winckelmann entwirft hier ein organisches bzw. zyklisches Entwicklungsmodell der Kunst mit verschie­ denen Stilstufen – bestehend aus einem archaischen Stil, einem sublimen Stil, einem schönen Stil sowie einem Stil der Nachahmer. Die entwicklungsge­ schichtliche Darstellung fasst Regine Prange zusammen: „Dieses Schema wird auch auf die neuere Zeit übertragen. Das 15. Jahrhundert entspreche dem ­älteren Stil, Michelangelo und Raffael dem hohen, Guido Reni dem schönen, die Caracci dem Stil der Nachahmer. Die Stilstufen verdeutlichen durch die ihnen beigegebene naturgeschichtliche Metaphorik des Keimens, Blühens und Vergehens, dass die griechische Kunst des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts bzw. die Malerei des 16. Jahrhunderts Gipfelleistungen der Kunstgeschichte im Sinn einer ‚vollendeten Natur‘ seien.“850 Eine solche Gipfelleistung sieht Tischbein auch in der Kunstproduktion der Niederlande. Versucht man die Winckelmann’schen Stilstufen auf die niederländische Kunst – die flämische sowie die holländische Kunst – zu übertragen und den Künstlern zuzuordnen, die von Tischbein in seinen Lebenserinnerungen genannt werden, so ergibt sich folgendes Bild: Für den Beginn der Entwicklung und den älteren Stil kann stellvertretend die Malerfamilie Brueghel mit Jan Brueghel d. Ä. genannt werden. Der sublime und höhere Stil kann von den Großmeistern der nieder­ ländischen Kunst wie Peter Paul Rubens oder Rembrandt Harmensz. van Rijn – ersterer stellvertretend für Flandern und letzterer für Holland – repräsentiert werden. Beim schönen Stil ist an die Leidener ‚Feinmaler‘, bspw. an Gerard Dou oder Gabriel Metsu, zu denken – evtl. auch an die ‚Italianisanten‘. Für den Stil der Nachahmer und den Übergang des ‚Goldenen Zeitalters‘ in das 18. Jahrhundert können Adriaen van der Werff oder Jan van Huysum ange­ führt werden. Bei van der Werff oder van Huysum kann allerdings nicht von einem Niedergang die Rede sein, da sie äußerst erfolgreich waren, mit ihnen setzt jedoch eine Veränderung ein. Darüber hinaus lässt sich das Entwick­ lungsmodell auch auf einzelne Gattungen wie die Landschaftsmalerei über­ tragen, wofür entsprechend Jan Brueghel d. Ä., Cornelis van Poelenburch, Nicolaes Berchem und Karel Dujardin angeführt werden können. 258 Rezeption

Seine Überlegungen führen Tischbein zu dem ebenso erstaunlichen wie kritischen Ergebnis (Abb. 79): „Daß die Holländer so gut malten ist ein Wunder, – daß die Italiener aber nicht besser malten, als sie gemalt haben, ist auch ein Wunder, und gereicht ihnen zum Vorwurf; denn sie hatten Alles was dazu gehört, und die Holländer hatten nichts. Die griechischen Kunstwerke sollten die Italiener schon früher auf bessere Wege gebracht haben; denn sie haben diese in Menge, und wo sie nur hinsahen hatten sie diese vortrefflichen Modelle vor Augen. Und doch übersahen sie selbige!“851 In Anbetracht der Tatsache, dass Tischbein 20 Jahre seines Lebens in Italien verbracht hatte und mit der italienischen Kunst bestens vertraut war, ist eine derartige Einschät­ zung mehr als erstaunlich und spricht für eine durch vergleichende Anschau­ ung erworbene Autonomie des Urteils sowie eine selbstbewusste Distanz zu den Milieus, in denen er verkehrte.852 In seiner Kontrastierung von niederlän­ discher und italienischer Kunst offenbart sich einmal mehr Tischbeins eigen­ ständige Denkweise. Und eine schärfere Kritik an den italienischen Künstlern wäre aus seiner Feder kaum möglich gewesen. Dass Tischbein die Vorbild­ funktion griechischer Kunstwerke in Italien anführt, zeigt, wie sehr das Ge­ dankengut und die Schriften von Johann Joachim Winckelmann zum All­ gemeingut seiner Zeitgenossen geworden waren. In der Schrift Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst (1755) formulierte Winckelmann erstmals seine Theorie über die „edle Einfalt und stille Größe“ der antiken griechischen Kunst sowie deren Vorbildfunktion.853 Auch die Auftraggebersituation in Italien und den Niederlanden wird in diesem Kontext thematisiert. In Bezug auf Italien schreibt Tischbein: „[U]nd was für vorzüge hatten sie, das ihre werke zur Relion gehoren. ihre Bilder wor­ den in Tempel und Kirche aufgestelt. dem ganzen Vollk zur schau, die da vor nieder knieden und als ein heiligtum anbehteten. [Ergänzung an Seitenrand: das sollte ihren geist empflamt haben] Welch erhebung für den Künstler. sie worden gebehten um ihr werk und gut bezahlt. und man verschafte ihnen alle Gelegen heit, die zu ihrer Arbeid nöhtig waren. Was hatten hiergegen die armen Holländer? Wo nach sie sich hätten bilden konen. nichts als die Na­ thur. und was für auf munterung, nach dem ein so unbemittelter Mensch ein Bild ferdig hatte, er es herum tragen muste ehe er einen liebhaber fand, der ihm ein weniges dafür gab.“854 Im Gegensatz zu Italien nahm in den nörd­ lichen Niederlanden die Kirche als traditionell wichtiger Auftraggeber der Künst­ler nur noch eine untergeordnete Rolle ein. Nach den Bilderstürmen do­minierte eine schlichte Ausstattung der Kirchen, ohne Gemälde. Mit dem Mäzenatentum gingen auch die Auftragsarbeiten zurück, ohne je ganz zu ver­ schwinden. Dies ist nur einer der Faktoren, weshalb die niederländischen Künstler überwiegend für einen anonymen Kunstmarkt arbeiteten, auf dem Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 259

79 Johann Heinrich ­Wilhelm Tischbein (nicht eigenhändig): Manuskript der Lebenserinnerungen, ­Ausschnitt, 1824, Landes­ museum für Kunst und ­Kulturgeschichte Oldenburg

sie miteinander konkurrierten.855 Tischbeins Formulierung, dass ein Künstler seine Werke „herum tragen muste ehe er einen liebhaber fand, der ihm ein weniges dafür gab“, scheint ein wenig überspitzt zu sein, trifft jedoch im Kern die Situation auf dem niederländischen Kunstmarkt des 17. Jahrhunderts. Und noch ein weiteres Mal übt Tischbein deutliche Kritik an den ita­ lienischen Künstlern und der italienischen Kunstproduktion: „[D]ie Italiener haben Sachen gemahl, wo das Menschlige Gemüth vor zu rückschaudert. Kaum mag man es mit worden nenen, was einem auf dem Bild immer vor Augen stehet. und die sind in ihren Kirchen aufgehangt.“856 Und so weiter. Nach ausgiebiger Kritik an den Italienern und deren Kunstproduktion kommt Tischbein zu dem Ergebnis: „Es ist sehr angenehm mit aus wahl eine Samlung hollandischer Bilder zu haben, ein Kabinet vol davon zu haben ist sehr unter­ haltend. Den sie haben aus der nathur ser viele erfreulige gegenstande heraus gehoben. und auch aus dem Geschaftigen leben und treiben der Menschen.“857 Vor der Folie der Kritik erscheint diese lobende Wertschätzung und Anerken­ nung umso prägnanter. 260 Rezeption

80 Correggio: Die Heilige Nacht, um 1527– 1530, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Aber natürlich gibt es nicht nur negative Äußerungen dieser Art aus der Feder Tischbeins. Die positiven Äußerungen datieren allerdings erst einige Jahre nach der Niederlande-Reise. Das erste Mal, das Tischbein sich in den Lebenserinnerungen positiv zur italienischen Kunst äußert, erfolgt im Rah­ men der Schilderung einer Reise, die ihn im Jahr 1777 von Kassel aus nach Berlin führt. Er schreibt: „Meinen Weg nam ich über Gotha, wo ich verschie­ dene Gute alde Bilder sahe aus der Zeit des L. Cranack. Dan über Weimar nach Leipzig und Dresten. Hir sahe ich nun zum ersten Mahl Gute itialienische Bil­der, die mich in verwunderung sezten, besonders die von Coreggio. das Bild die Geburt Christi die sogenand Notte de Coreggio welches für das schönste Bild in der Welt gehalten wart, ist auch wohl war, den kein anderer Mahler hatt es ihm streitig gemacht. wen er es nicht selbst gethan hatt mit seiner eigenen Arbeid dem heiligen Georg. Die Geburt wo das licht vom Christkind allein komt, und das der es in die welt bringt ist ein schöner Gedanken. und da es in der mitte zusamen gehalten ist, so macht es ein volkomenes Ganzes. aber in dem Bild von S. georg sind eizelne theile die wol vor zu ziehet sind. als der Arm des Georgs ist mir so unübertreflig vorgekomen und hatt meine bewun­ terung so in erstaunen gesez, was [Einschub: nie] mir ein ander Kunstwerck gethan hatt, und so auf mich würckte wie diesser arm.“858 In der Dresdener Gemäldegalerie sieht Tischbein Die Heilige Nacht (Abb. 80) – La Notte – von Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 261

Correggio (1489–1534). Seine Beschreibung verweist auf Besonderheiten wie den Kunstgriff, das Gemälde ausschließlich durch das von der Figur des Jesus­ kindes ausstrahlende Licht zu beleuchten. Das Werk Correggios hatte damals bereits Berühmtheit erlangt und galt Mitte des 18. Jahrhunderts als bekann­ testes Werk der Dresdener Sammlung.859 In seinem Aufsatz Zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der königlich-kurfürstlichen Gemäldegalerie urteilt Matthias Dämmig: „Mit ihren Sammlungsschwerpunkten traf die Galerie den Zeitge­ schmack der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wobei die Gemälde Correg­ gios eine herausragende Stellung einnahmen. […] Neben Correggio fanden die Niederländer mit ihren Kabinettstücken oder die modernen Maler wie Anton Raphael Mengs oder Christian Wilhelm Ernst Dietrich die größte Auf­ merksamkeit ihrer Besucher.“860 Dämmig verweist ferner darauf, dass bspw. der Schriftsteller Johann Gottfried Seume (1763–1810) in Dresden sogar eine Dominanz der niederländischen Malerei erkannt hat und von der italieni­ schen Kunst eher enttäuscht war. So schreibt Seume: „Diesmal besuchte ich die Galerie und habe sie, ein halbes Dutzend der ersten klassischen Stücke abgerechnet, in den bessern italienischen Schulen bei weitem nicht so reich gefunden, als ich geglaubt hatte: desto reicher an Zahl und Gehalt ist sie aber an den Niederländern.“861

Niederlande vs. Italien in der Geschichte der Kunst von Johann Heinrich Meyer

Wo steht Tischbein mit seiner Ansicht im Diskurs der Zeit? Johann Heinrich Meyer (1760–1832) war Teil der sogenannten ‚Weimarischen Kunstfreunde‘, ein Freund und Ratgeber Goethes sowie der Mitherausgeber von Winckel­ manns Werken.862 Doch Meyer ist im Kontext dieser Untersuchung aus ande­ ren Gründen relevant, denn in den Jahren zwischen 1809 und 1815 verfasste er ein Manuskript zur Geschichte der Kunst.863 Im Vorwort der späteren Bearbei­ ter und Herausgeber derselben heißt es bezüglich der Unternehmung, die erst im Jahr 1974 ihr Ende finden sollte: „Unter den von Heinrich Meyer hinter­ lassenen Papieren, zumeist Kollektaneen seiner verschiedenen Studienreisen, kommt der Niederschrift einer Geschichte der Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart, d. h. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, besondere Bedeu­ tung zu. Zwar hatte Heinrich Meyer schon mehrfach kunsthistorische Arbei­ ten veröffentlicht und damit seine Auffassung dieses Gegenstands dargelegt, aber ein Abriß des gesamten Zeitraums der europäischen Kunst hätte in der damaligen Zeit noch zu den bahnbrechenden Leistungen gehört, wenn er ver­öffentlicht worden wäre.“864 Hier deuten sich Analogien zur Editionsge­ schichte der Lebenserinnerungen von Tischbein an, sodass beide Manuskripte 262 Rezeption gewissermaßen eine Schicksalsgemeinschaft der unveröffentlichten Gedanken und Erinnerungen verbindet. Aber nicht allein das. Das Manuskript zur Ge- schichte der Kunst enthält darüber hinaus ein Kapitel über die Entwicklung der Kunst im 17. und 18. Jahrhundert mit einem Unterkapitel zum Thema Deutsche und niederländische Kunst im 17. Jahrhundert.865 Somit verfassten sowohl Tisch­ bein als auch Meyer in der Zeit um 1811 ein Niederlande-Kapitel für ihre geplan­ ten, jedoch erst postum veröffentlichten Schriften. Die zeitgleiche Entstehung und Niederschrift der Überlegungen zur niederländischen Kunst macht die Schrift Meyers zu einer wichtigen Referenzquelle, weshalb im Folgenden ei­ nige Passagen daraus im Kontext des hier behandelten Gegenstandes Verwen­ dung finden. Vorausgeschickt sei folgende Bemerkung: Der Kanon der von Meyer im Rahmen des Niederlande-Kapitels referierten Künstler zeigt deutliche Ähn­ lichkeiten mit demjenigen Tischbeins. So begegnen dem Leser bspw. die Künst­ ler Rubens und Rembrandt, van Dyck und Hals, van Ostade und Brueghel, aber auch van Poelenburch, Potter, Wouwerman, Bakhuizen, Snijders, de Honde­­ coeter, Teniers, Brouwer, Steen, ter Borch, Metsu, Dou, van Mieris, van Slinge­ landt, Schalken, Neefs, de Heem, van Huysum, van der Werff und viele mehr in beiden Schriften. Meyer führt zudem immer wieder Bildersäle und Samm­ lungen insbesondere in Deutschland an, die ihm und sicherlich auch vielen seiner Leser persönlich bekannt waren, um seine Argumentation durch kon­ krete Beispiele zu untermauern. Besonders prominent ist dabei die Sammlung der Landgrafen von Hessen-Kassel vertreten, bspw. im Zusammenhang mit Rembrandt. Hier notiert Meyer: „Die höchsten Werke von Rembrand jedoch, welche dem Verfaßer dieser Nachrichten je vorgekommen waren, die Abneh­ mung vom Kreutz und das Bildniß einer jungen Frau, beyde ehemals zu Cas­ sel“ (vgl. Abb. 49).866 Die Bemerkung „ehemals zu Cassel“ bezieht sich auf den beklagenswerten Umstand der napoleonischen Konfiszierungen zum Zeit­ punkt der Niederschrift der Geschichte der Kunst.867 Meyer geht im Rahmen des Niederlande-Kapitels auf die verschiede­ nen Gattungen der niederländischen Kunstproduktion sowie deren Verortung ein. Über die Landschaftsmalerei schreibt er einleitend: „Um die Zeit, da Claude Lorrain, Nicolas Poussin, Gaspard Dughet und Salvatore Rosa die Landschafts­ malerei verherrlichten, wie weiterhin soll gemeldet werden, blühten ebenfalls einige Niederländer, welche man füglich unter die Heroen dieses Fachs mit­ rechnen darf.“868 Hier dient die französische Malerei als Referenzrahmen, wo­ bei der niederländischen Malerei zugleich ein ansehnlicher Platz zugestanden wird. Noch wichtiger in Bezug auf die genuinen Leistungen der niederländi­ schen Künstler scheint Meyer die Genremalerei zu sein: „Das von den Malern der Niederländischen Schule jedoch ganz eigentümlich und zu unsterblichem Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 263

Ruhme vollkommen bearbeitete Fach sind Szenen aus dem gewöhnlichen ­Leben des Bauern- und Bürgerstandes.“869 Dies korrespondiert mit Tischbeins Sichtweise, der zwar der Besprechung der Landschaftsmalerei viel Raum ge­ währt, sich jedoch insbesondere für die Werke der Genremalerei interessiert. Dagegen hat die niederländische Historienmalerei nach Meyer kaum eine Existenzberechtigung, „denn so wacker sich auch manche benommen haben, so empfiehlt sich doch die Niederländische Schule nicht vorzüglich von die­ ser Seite“.870 Beachtung findet diese Gattung nur, wenn sie sich am italie­ nischen Vorbild orientiert: „Eine geringe Zahl niederländischer Maler folgten weder dem Rubens noch dem Rembrandt, sondern suchten in einem reinern, den italienischen Meistern nachgeahmten Geschmack zu arbeiten.“871 Darü­ ber hinaus werden natürlich auch die Gattungen des Portraits sowie des Still­ lebens von Meyer thematisiert. Die Schrift Meyers enthält einige weitere interessante Passagen über die niederländische Kunst selbst sowie in Gegenüberstellung mit der italieni­ schen Kunst – wobei deren Gewichtung anders ausfällt als bei Tischbein. So schreibt Meyer nach einer ausführlichen Würdigung von Rubens: „Unter die gelehrten gründlichen Zeichner wird man zwar den Rubens nicht rechnen dürfen, seinen Formen fehlt die abgewogene reine Schönheit, welche die ­besten Italiener durch das Studium der Antiken sich angeeignet, nichtsdesto­ weniger weiß er den Figuren Charakter zu erteilen, und der Ausdruck ist ge­ wöhnlich sehr kräftig, abwechselnd und zweckmäßig.“872 Somit hält Rubens nach Meyer dem Vergleich mit den Italienern trotz seiner Virtuosität nicht uneingeschränkt stand. Und auf der folgenden Seite heißt es weiter: „Wir ge­ denken indes keineswegs mit denen zu streiten, die etwa behaupten möch­ ten, Tizian habe mehr Wahl, mehr Geschmack, eine höhergebildete Kunst besessen als Rubens; diesen Vorzug oder wenigstens einen Teil dessen, hat er seinem Zeitalter und seinem Vaterlande zu verdanken.“873 Dies erinnert an die zuvor zitierten Gedanken Winckelmanns. Und zwei Seiten später kommt Meyer erneut auf den Vergleich mit Tizian (1488/1490–1576) zurück: „An­ toon van Dyck, des Rubens vornehmster Schüler, 1599 geboren, welcher als Meister ebenfalls vornehmlich Bildnisse gemalt. Seine besten Werke dieser Art sind denjenigen des Tizian und Paolo Veronese beinahe gleich zu schätzen, so vollkommen ist das Kolorit, so belebt die Darstellung.“874 Das Wort „beinahe“ verrät, welchem Künstler er hier den Vorrang gibt, und so erklärt Meyer: „Mit Tizian verglichen hat [van Dyck] weniger Größe des Sinns, des Geschmacks und der Form, er versteht nicht so, die Natur mit Lust und Kraft zu belau­ schen, den Moment ihr abzufangen.“875 Sein Fazit lautet: „Wenn wir also dem Tizian, als Bildnismaler betrachtet, unsern Künstler einen Schritt müssen nachtreten lassen, wird er ungefähr mit Paolo Veronese, Tintoretto und 264 Rezeption

81 Peter Paul Rubens: 82 Anthonis van Dyck: 83 Tizian: Bildnis eines Bildnis des Nicolas de Res- Bildnis eines Spaniers, um Feldherrn, um 1550, paigne, vor 1620, Museums­ 1627–1631, Museumsland­ ­Museumslandschaft Hessen landschaft Hessen Kassel schaft Hessen Kassel Kassel

­Bassano auf einer Linie stehen.“876 Demzufolge kann man zu dem Schluss ­ge­langen, dass für Meyer die Kunst Italiens bei den angeführten Beispielen immer wieder jene der Niederlade übertrifft. Wollte man exemplarisch Werke für Meyers Kontrastierung von Rubens und van Dyck mit Tizian anführen, so wäre an verschiedene ganzfigurige Portraits wie dasBildnis des Nicolas de Res- paigne (Abb. 81), das Bildnis eines Spaniers (Abb. 82) und das Bildnis eines Feld- herrn (Abb. 83) zu denken.877 Und auch im Falle Rembrandts kommt Meyer nicht ohne eine Italien-Präferenz aus und notiert: „Dem Geschmack des ­Rubens gewissermaßen entgegenzusetzen sind die bewundernswürdige[n] Produkte des Paul [?] Rembrandt van Ryn. Dieser Mann hatte sich eine eigene Bahn in der Kunst gebrochen und ist auf derselben nie wieder erreicht, viel weniger überholt worden; wenn man ihn zu vergleichen sucht, so könnte solches am füglichsten mit den oben angeführten und in Italien einige De­ zennien früher aufgetretenen von uns sogenannten Naturalisten, dem Michel­ angelo da Caravaggio und Spagnoletto, geschehen. Denn auch Rembrandt bemühte sich weder um schöne Formen noch edle Charaktere, ja, er scheint sogar am Niedrignatürlichen oft Gefallen gefunden zu haben.“878 Meyer nutzt also immer wieder die italienische Kunst als Folie und Referenz zur Beurtei­ lung und Einordnung der niederländischen Kunst, wobei er den Eindruck vermittelt, dass die Künstler der Niederlande stets nicht vollständig mit der italienischen Kunstproduktion – zumindest der großen italienischen Meister – Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 265 mitzuhalten vermögen. Hier nimmt er folglich nicht dieselbe Position ein wie Tischbein. Von Bedeutung ist die Schlussbemerkung Meyers, mit der er die „Nach­ richten von den ruhmwürdigen Bemühungen der Niederländer um die Kunst“ beendet – nebenbei bemerkt eine der wenigen resümierenden Passagen am Ende eines Kapitels. „Vielleicht wurde noch mancher große Künstler übergan­ gen, aber es war auch die Absicht, bloß der allervortrefflichsten Meister in je­ dem Fach zu gedenken. […] Nur die aufs Allgemeine sich beziehende Anmer­ kung sei uns noch vergönnt, daß nämlich die Malereien der Niederländer, so beliebt sie sind, doch kaum so hoch geachtet werden, als ihr wahrer Gehalt es verdient; dieser, wenn wir ihn genau prüfen, deutet auf eine fast unbegreif­ liche Kultur und durch alle Stände verbreiteten Kunstsinn, sie gewähren uns den Rückblick in eine Zeit, welche die Welt kaum je herrlicher sah und die schwerlich irgendwo so glänzend wider erscheinen dürfte.“879 Hier entsteht wiederum der Eindruck, die niederländische Kunst werde allgemein unter­ schätzt und sie erhielte nicht die ihr zustehende Würdigung seitens der Zeit­ genossen Meyers, sodass hierfür erst wieder ein Bewusstsein geschaffen wer­ den müsse. Die Bemerkung erinnert zudem an Huizingas spätere These des ‚holländischen Wunders‘. Und weiter heißt es bei Meyer in der Streitfrage Niederlande gegen Italien: „Unsere Absicht ist es nicht, Lobreden zu halten, sonst könnte man den Niederländern zu Gunsten noch sagen, ihre Kunst scheine, mit der Kunst in Italien verglichen, sogar noch etwas Vorzugängli­ ches zu haben, weil sie durchaus eigentümlich ist, dahingegen die Italiener aus der Nachahmung der Antiken Vorteile zogen und also bei ihnen (das ­Kolorit der Venezianer abgerechnet) Überlieferung stattfand.“880 Dies ist ein bemerkenswertes Fazit des Niederlande-Kapitels – von Meyer vorsichtig im Konjunktiv formuliert, als traute er sich nicht, derart vehement für die nieder­ ländische Kunst Partei zu ergreifen, wie dies Tischbein in seinem Manuskript unzweifelhaft getan hat. Ob Tischbein mit dem zwischen 1809 und 1815 von Meyer verfassten Manuskript oder den darin verarbeiteten Gedanken vertraut war, kann nicht nachgewiesen werden. Es ist jedoch belegt, dass Meyer und Tischbein mitein­ ander bekannt waren – aus der Zeit in Italien im Umkreis Goethes – und in späteren Jahren miteinander korrespondierten. In der Briefedition von Fried­ rich von Alten (1872) findet sich im KapitelWeimar und Tischbein nur eine kurze Erwähnung Meyers: „Ein anderes Gedicht, dessen Verfasser gleichfalls Goethe, schickte Meyer: […] Alte Freundschaft zu erneuern, schrieb dies seinem Freund Tischbein. (Ohne Datum). H. Meyer.“881 Der Oldenburger Tischbein- Nachlass verzeichnet im Findbuch einen Brief vom 27. Juli 1822 von Meyer aus Weimar an Tischbein.882 Und in der Kasseler Graphischen Sammlung 266 Rezeption existiert ein vorausgehender Brief vom 7. Juli 1822 von Tischbein aus Eutin an Meyer, der mit „Ihr alter freund W. Tischbein“ unterzeichnet ist.883 Johann Wolfgang von Goethe muss mit dem noch unveröffentlichten Meyer’schen Manuskript zur Geschichte der Kunst vertraut gewesen sein, da er in einem Brief vom 17. Mai 1815 folgende Zeilen schreibt: „Seine eigene Kunstgeschichte, von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, ist auch schon vom Anfang bis zu Ende entworfen und in einzelnen Teilen meisterhaft aus­ geführt. Das Verdienst solcher Männer wie Rubens, Rembrandt p. hat noch niemand mit so viel Wahrheit und Energie ausgesprochen. Man glaubt, sich in einem Bildersaale ihrer Werke zu befinden: Licht- und Schattenwirkung und Farbengebung dieser trefflichen Künstler spricht uns aus den schwarzen Buchstaben an.“884 Schade, dass Goethe nicht dieselben Worte für Tischbeins Manuskript finden konnte, der ebenfalls voller Kenntnis und Enthusiasmus über die niederländische Kunst schrieb – ohne dabei den Anspruch einer Kunstgeschichtsschreibung zu erheben. Allerdings teilten beide Manuskripte – von Tischbein wie von Meyer – dasselbe Schicksal. Sie wurden zu Lebzeiten der Verfasser nicht mehr veröffentlich und konnten erst postum rezipiert wer­ den, als die klugen Gedanken, Einschätzungen und Bemerkungen längst an der ursprünglichen Brisanz der Aussagen und deren Bedeutung für die Gegen­ wart verloren hatten und ihnen andere Autoren und Schriften zuvorgekom­ men waren. Beide Schriften mit den herausragenden Kapiteln über die nieder­ ländische Kunst hätten es vermocht, einen wichtigen Beitrag zur ‚Nieder­ länder-Rezeption‘ in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu leisten, wenn sie denn veröffentlicht worden wären. Dank der teils schwie­ rigen und langwierigen Editionsgeschichte der Publikationen können diese erst heute zu den zeitgenössischen Entwicklungen und Publikationen in Beziehung gesetzt werden und offenbaren ihre eigentliche Bedeutung sowie den daraus ableitbaren Erkenntnisgewinn.

Die Anerkennung der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert gibt es sowohl in Deutschland als auch in Frankreich eine Debatte um die Bewertung sowie die Rezeption der niederländischen Kunst, die im Laufe des Jahrhunderts an Intensität zunehmen sollte.885 An dieser Stelle kann und soll dieser breitgefächerte und vielzitierte Diskurs nur in gro­ ben Zügen angedeutet werden. Für die Rezeption der niederländischen Kunst in Deutschland können für das 19. Jahrhundert Carl Schnaase mit seiner ­Publikation Niederländische Briefe (1834), Georg Rathgeber mit den Annalen der niederländischen Malerei (1844) sowie Franz Kugler mit dem Handbuch der Kunstproduktion in den Niederlanden und in Italien im Vergleich 267

Kunstgeschichte (1848) exemplarisch angeführt werden, die bereits verschie­ dentlich zitiert wurden.886 Zum Vergleich und um einen Ausblick zu geben, soll abschließend ein kurzer Blick auf den französischen Diskurs im 19. Jahrhundert geworfen wer­ den, denn dieser wurde in Deutschland aufmerksam beobachtet und spielte eine wichtige Rolle im Kontext der internationalen ‚Niederländer-Rezeption‘. Hier wäre bspw. an Théophile Gautier oder Eugène Delacroix zu denken und insbesondere an die Schriften Les Musées de la Hollande (1858–1860) von Théo­ phile Thoré-Bürger sowie Die Alten Meister (Les Maîtres d’autrefois) (1876) von Eugène Fromentin.887 In den Schriften ist wiederholt eine Kontrastierung der niederländischen und der italienischen Kunst zu finden – wie sie bei Tisch­ bein und Meyer bereits untersucht wurde. So bedient sich der Feuilletonist Théophile Gautier (1811–1872) bei der Thematisierung der Farbigkeit sowie der Wirkung von Licht und Schatten einer Gegenüberstellung von Rembrandt­ und Veronese, wobei Gautier der niederländischen Kunst in diesem Kultur­ vergleich eine höhere Stellung zukommen lässt als bislang üblich und die niederländische Kunst als ebenbürtig darstellt.888 Auch Eugène Delacroix (1798–1863) referiert die altbekannte Gegen­ überstellung der beiden Nationen und setzt Rembrandt Harmensz. van Rijn als wichtigste und repräsentativste Künstlerfigur der Niederlande für seine Ar­ gumentation ein.889 In einem Tagebucheintrag des Jahres 1847 heißt es: „Ich gebe es zu: die niederländische Schule hat ein gewisses Verdienst. Ich bin so großzügig wie jedermann, es anzuerkennen. Aber bewahren wir unser Unter­ scheidungsvermögen! Hüten wir uns Rem­brandt und die anderen ohne rich­ tigen Grund zu bewundern; wir dürfen sie nicht mit dem göttlichen Raffael und der italienischen Schule vergleichen, das wäre Blasphemie!“890 Dies ist ein mehr als deutliches Urteil, das keinen Widerspruch zu dulden scheint. Einige Jahre später kommt er in einem Brief auf die Thematik Rembrandt vs. Raffael zurück. Zunächst schreibt er, „vielleicht kommt man zu dem Schluss, dass Rembrandt ein viel größerer Maler ist als Raffael“, wobei er sogleich relativie­ rend ergänzt, dass „Rembrandt […] nicht ganz Raffaels Erhabenheit“ erreichen würde.891 Trotz oder gerade dank derartiger Aussagen ist Delacroix eine wich­ tige Figur im Kontext der ‚Niederländer-Rezeption‘, worauf Martina Sitt ver­ weist: „Delacroix fand hinreißende Worte für die Besonderheit dieser Malerei und war damit geradezu typisch für die aufkommende neue Rembrandt- Begeisterung unter den französischen Intellektuellen ab den 1830er-Jahren in Frankreich – die sich von der Verehrung des späten 18. Jahrhunderts signifi­ kant unterscheidet –, er war damit auch gut zwei Jahrzehnte der Rembrandt- Verehrung in Deutschland voraus.“892 268 Rezeption

84 Paulus Potter: Der Stier, 1647, Mauritshuis Den Haag

Viele niederländische Künstler wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts nach und nach wiederentdeckt. Allerdings wundert man sich heute mitunter darüber, wie spät diese Wiederentdeckung teils erfolgt war. Den Anfang macht Paulus Potter – Martina Sitt spricht in diesem Kontext vom ‚Potter-Phä­nomen‘ – mit einem wachsendenden Interesse auf dem Kunstmarkt nach der Ausstel­ lung des aus den Niederlanden entwendeten berühmten Stiers (Abb. 84) in Paris ab 1795, der 1815 als Nationalsymbol in sein Heimatland zurückgeholt wurde.893 Gleichermaßen wurde Rembrandt, dessen Kunst nie vollständig aus dem Blick verloren wurde, erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer ge­ heimnisvollen Künstlerfigur, der vermehrt Aufmerksamkeit galt. Die Künstler Jan Vermeer und Frans Hals feierten ihre Rückkehr in das allgemeine Interesse in den 1860er-Jahren.894 Damit zusammen hing jedoch eine stetige Auf- und Abbewegung, welche die Künstler erneut aus dem Blick geraten ließ, wobei hier zwischen dem Interesse der Sammler und jenem der Kritiker und Kunst­ historiker zu unterscheiden ist. Diese Entwicklung ist signifikant für die ver­ schiedenen Ebenen der ‚Niederländer-Rezeption‘ im 19. Jahrhundert. Die Bewertung der Malerei des ‚Goldenen Zeitalters‘ aus der Feder von Eugène Fromentin (1820–1876), der 100 Jahre nach Tischbein die Niederlande bereist (1875) und die dort gesammelten Eindrücke in der vielbeachteten Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 269

Pub­likation Die Alten Meister (1876) verarbeitet hat, ist charakteristisch für das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts: „Die holländische Malerei, das merkte man sehr rasch, konnte nur das Porträt von Holland sein, sein äußeres, treues, ge­ naues, vollständiges Bild ohne jede Beschönigung. Das Porträt der Menschen und der Orte, der bürgerlichen Sitten, der Plätze, der Strassen, des flachen Landes, des Meeres und des Himmels, das musste, auf seine einfachen Ele­ mente zurückgeführt, das Programm sein, das die holländische Schule auf­ stellte. Und das war es vom ersten Tag an bis zu ihrem Niedergang.“895

4.2 Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei

Wie hat nun ein ideales Kabinett niederländischer Malerei auszusehen? Als ‚Kabinett‘ werden gemeinhin kleine Räume bezeichnet, die mit Kunstwerken geschmückt sind. Sie sind gleichermaßen privat wie repräsentativ, denn sie dienen sowohl dem Studium der Kunst sowie dem Kunstgenuss als auch dem Empfang von Gästen, die an diesem Vergnügen teilhaben dürfen. Mit der Raumgröße korrespondiert die Größe der Kunstgegenstände – in der Regel sind dies Gemälde kleineren Formates, die daher auch ‚Kabinettbilder‘ ge­ nannt werden. Darüber hinaus ist das kleine Format für die niederländische Kunstproduktion charakteristisch. Auch die Kunstsammlung selbst, die in ­einem Kabinettraum untergebracht ist, kann als Kabinett bezeichnet werden. So ist im 18. Jahrhundert wiederholt vom berühmten Kabinett des Delfter Sammlers Valerius Röver die Rede. Und auch Landgraf Wilhelm VIII. von ­Hessen-Kassel besaß nicht alleine eine umfangreiche Gemäldegalerie in einem eigens dafür angelegten Galeriebau, sondern darüber hinaus ein mit ausge­ wählten Gemälden – seinen Lieblingswerken – bestücktes privates Kabinett.896 Vor diesem Hintergrund gilt es im Folgenden das fiktive Tischbein’sche Nieder­ länder-Kabinett versuchsweise zu rekonstruieren und zu realen Sammlungen des späten 18. Jahrhunderts in Beziehung zu setzen.

Ausgangspunkt Tischbein-Archivalien

„Zu einem Guten Kabinet gehort. Ein Kopf von Rembrand, eine ausgefuhrte Skize von Rubens, eins von Gerhart Dau, vom alden Miris, und F. Miris, zwey von Wowerman von seiner ersten Manir und eins von seiner lezten, Berg­ heim, A. Keip Ostade, Tenniers, Brauer, Metsu, Terburg, eine in wentige Kirche von P. Neef, stilleben mit fruchte von De Heem, Blume von Heusum, Ochsen von Potter, ein fühstück von A. v. Velde, eine stille See von W. Velde, eine 270 Rezeption

85 Johann Heinrich ­Wilhelm Tischbein: Original­manuskript der ­Lebenserinnerungen, ­Ausschnitt, 1811, Landes­museum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

stürmische see von Backheusen, Schlingeland Schalken, v. Dey ein Portret, Liebens, F Bregel, Hondekoter, v. der Werf, Pulenburg, Elsheimer, Rottenha­ mer, Schneiers, Both, Laiarese.“897 Derart lautet Tischbeins Beschreibung eines typischen Kabinettes niederländischer Kunst in seinen Lebenserinnerungen. Während im Manuskript von 1811 noch von „einem Guten Kabinet“ die Rede war, heißt es im Manuskript von 1824 bereits „zu einem guten Hol­ ländischen Cabinet gehört […]“. Ansonsten zeigen sich Unterschiede in den verschiedenen Manuskriptversionen lediglich hinsichtlich der Schreibweise der Künstlernamen, woraus sich jedoch keine anderen Zuschreibungen ableiten ließen. Einzig im Manuskript von 1811 (Abb. 85) gibt es zwei erwähnenswerte Veränderungen gegenüber der späteren Publikation. Bei Lievens ist noch nicht die Konkretisierung „ein Kopf von Lievens“ zu finden und bei Brueghel stand ursprünglich ein „F“ vor dem Namen, was später verschwand.898 Auch das Manuskript von 1824 verbleibt bei demselben Wortlaut – mit Ausnahme des Verzichtes auf Elsheimer.899 Aus diesem Vergleich wird deutlich, dass die Definition des Tischbein’schen Kabinettes bereits früh fixiert war und keine nennenswerten Änderungen erfuhr – weder von Tischbein selbst noch von seinen frühen biographischen Mitstreitern. Lediglich Carl Christian Ludwig Starklof unterlief bei der Überarbeitung ein Fehler, denn er verkürzte – vermut­ lich aus Unkenntnis – Tischbeins Formulierung „ein Viehstück von A. v. Velde, eine stille See von W. Velde“ zu „ein Viehstück von Wilhelm van der Velde“, was natürlich keinen Sinn macht, da Adriaen van de Velde der Tiermaler und Willem van de Velde d. J. der Seemaler ist.900 Die Übernahme des Tischbein’schen Wortlautes gilt auch für die Manuskriptbearbeitungen von Jacob Ludwig Rö­ mer und Carl Georg Wilhelm Schiller.901 Die das Kabinett abschließende Be­ merkung „und andere“ taucht hingegen erst in der Publikation auf und kann in den Autographen nicht nachgewiesen werden. Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 271

4.2.1 Tischbeins Vorstellung eines ‚guten Kabinettes‘

Wer sind die Künstler, die Tischbein für ein ‚gutes Kabinett‘ niederländischer Malerei als unerlässlich erachtet? Und mit welchen Werken könnten diese Künstler in einem Kabinett des späten 18. Jahrhunderts beispielhaft vertreten sein? Exemplarisch angeführte Werke für die genannten Künstler und Sujets sollen einen Eindruck von der Gestalt der von Tischbein intendierten idealen Sammlung vermitteln. Die wichtigsten zeitgenössischen Referenzsammlungen bilden dabei die niederländische Sammlung von Valerius Röver (1686–1739) sowie die beiden deutschen Sammlungen von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel (1682–1760) und Markgräfin Karoline Luise von Baden (1723– 1783). Diese Auswahl ist dadurch begründet, dass das Röver’sche Kabinett als eines der bedeutendsten Kabinette seiner Zeit galt und von Landgraf Wil­ helm VIII. im Jahr 1750 angekauft und damit in die Kasseler Sammlung inte­ griert wurde. Die Kasseler Sammlung erhält ihre Relevanz einerseits durch ihren Sammelschwerpunkt auf der niederländischen Kunst – sowohl der flämischen als auch der holländischen Malerei –, wie seitens des Sammlungsgründers in­ tendiert, der die Niederländer-Sammlung erst später um eine Italiener-Samm­ lung zu ergänzen gedachte. Andererseits ist sie von Bedeutung, da Tischbein sie mehrfach besucht hat, sodass er mit den Künstlern und Werken der Samm­ lung vertraut war. Nachzuweisen ist dies in Tischbeins Lebenserinnerungen sowie in verschiedenen Autographen.902 Die Sammlung von Mark­gräfin Karo­ line Luise wird zum Vergleich herangezogen, da sie als historisches Korrektiv dienen soll. Sie wurde jüngst umfangreich erforscht, sodass die dort gewonne­ nen Erkenntnisse hier in einem neuen Kontext verortet werden können.903 Der Schwerpunkt der Karlsruher Sammlung liegt, analog zur Kasseler Samm­ lung, auf der niederländischen Kunst, auch wenn sie nicht deren Umfang er­ reicht. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um ein zeitgenössisches, aber – soweit überliefert – Tischbein unbekanntes Beispiel, weshalb es sich zur ver­ gleichenden Kontextualisierung empfiehlt.904

Die Künstler des Kabinettes – eine exemplarische Rekonstruktion

Am Anfang von Tischbeins Kabinett steht einer der bekanntesten Künstler des ‚Goldenen Zeitalters‘: Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669). Tisch­ bein nennt den Künstler nicht allgemein, sodass verschiedene Werke des hol­ ländischen Künstlers – dessen Œuvre diverse Gattungen und Sujets umfasst – denkbar wären, sondern explizit „Ein Kopf von Rembrand“. Folglich strebt Tischbein kein großformatiges Historiengemälde für das Kabinett an, sondern eines der kleinen ‚Tronien‘, vielleicht sogar ein Selbstportrait Rembrandts. Zu 272 Rezeption

86 Rembrandt Harmensz. van Rijn: 87 Peter Paul Rubens (Kopie): Die Enthaup- Selbstportrait mit Barett und rotem Mantel, tung des Täufers Johannes, nach 1609, Staat­ um 1645, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe liche Kunsthalle Karlsruhe

denken wäre bspw. an das Brustbild eines Greises mit goldener Kette oder das Selbstportrait mit Barett und rotem Mantel (Abb. 86).905 Dass Rembrandt eine derart prominente Stellung in Tischbeins Kabinett einnimmt, verwundert kaum, denn er zählt zu den wenigen Künstlern, auf die Tischbein im Rahmen seiner Lebenserinnerungen immer wieder zu sprechen kommt. Er themati­ siert Rembrandt zuallererst in dem bereits analysierten kennerschaftlichen Gesellschaftsspiel in der Gegenüberstellung mit Philips Wouwerman.906 Darü­ ber hinaus erwähnt er kurz die Nachtwache, als „vortreflig gemahlt“, während er die Anatomie des Dr. Tulp als „ein vorzüglig Bild“ ausführlicher schildert.907 Ferner geht er auf einige Besonderheiten von Rembrandts Malweise ein, die er „mit einem feurigen und kräftigen Colorit“ und „mit einem markigten Pinsel hingesetzt“ umschreibt. Er bewundert dessen Behandlung von Licht, Schat­ ten und Perspektive sowie die Hintergründe, die er als „magisch“ beschreibt. Zudem meint er die Modelle Rembrandts in der „Judenstraße zu Amsterdam“ leibhaftig gesehen zu haben.908 Auf Rembrandt folgt der wohl bekannteste flämische Künstler des 17. Jahrhunderts: Peter Paul Rubens (1577–1640). Hier wünscht sich Tisch­ bein kein Gemälde, sondern „eine ausgefuhrte Skize von Rubens“.909 Was Tischbein bei diesem Künstler bewundert, ist ein „feurige[r] Geist in der Er­ findung und Ausarbeidung“.910 Beispielhaft angeführt werden kann hier die Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 273

88 Gerard Dou: Die Spitzenklöpplerin, 89 Frans van Mieris d. Ä.: Junge mit Vogel- 1663, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe käfig in einem Fenster, 1665, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Ölskizze Die Enthauptung des Täufers Johannes (Abb. 87), die von Karoline ­Luise von Baden 1762 als ein Werk von Rubens angekauft wurde, heute jedoch als Kopie nach Rubens gilt.911 Den dritten Platz des Kabinettes belegt der Leidener ‚Feinmaler‘ Gerard Dou (1613–1675), mit der Bemerkung „eins von Gerhart Dau“. Was Tischbein an den allseits beliebten Genrestücken zu schätzen weiß, lässt er offen und erwähnt den Künstler abgesehen von dieser kurzen Bemerkung nicht weiter. Laut Johann Heinrich Meyer zählt Dou „unter die ruhmvollsten Häupter der Niederländischen Schule“, sodass seine Platzierung gleich zu Be­ ginn der Kabinettliste nicht verwundert.912 Dou ist ein Schüler von Rem­brandt und darüber hinaus der Begründer der Leidener Schule der ‚Feinmaler‘. Die hohe Wertschätzung seiner Werke gilt bereits zu seinen Lebzeiten und setzt sich im 18. Jahrhundert fort. Bei Dou wäre an ein kleinformatiges Werk wie Die Spitzenklöpplerin (Abb. 88) für das Kabinett zu denken.913 Es folgen je ein Werk „vom alden Miris“ sowie von „F. Miris“ – ge­ meint sind Frans van Mieris d. Ä. (1635–1681) und Frans van Mieris d. J. (1689–1763). Mit diesen beiden Künstlern schlägt Tischbein die Brücke vom 17. zum 18. Jahrhundert. Frans van Mieris d. Ä. zählt wie Gerard Dou, dessen Schüler er ist, zu den Leidener ‚Feinmalern‘. Typisch für sein Œuvre sind Dar­ stellungen aus dem häuslichen und geselligen Leben wie Junge mit Vogelkäfig 274 Rezeption

90 Frans van Mieris d. J.: Der 91 Philips Wouwerman: Der Pferdestall am verfal­ ­Bäcker, 1721, Museumslandschaft lenen Haus, 1650–1660, Museumslandschaft Hessen Hessen Kassel Kassel

in einem Fenster (Abb. 89).914 Die Beliebtheit von Mieris spiegelt sich in Bemer­ kungen wie jener von Johann Heinrich Meyer: „[S]o ist doch kaum eine der größeren Sammlungen, welche nicht eines oder mehrere Stücke von ihm auf­ zuweisen hätte.“915 Frans van Mieris d. J. war sein Enkel, der der Tradition seines Großvaters folgte mit Werken wie Der Bäcker (Abb. 90).916 Auf Platz sechs des Tischbein’schen Kabinettes befindet sich der be­ kannte Pferdemaler Philips Wouwerman (1619–1668). Von diesem Künstler sollen sogar drei Werke in die Sammlung aufgenommen werden – „zwey von Wowerman von seiner ersten Manir und eins von seiner lezten“. Dieser Wunsch Tischbeins korrespondiert mit seiner ausführlichen Besprechung und Würdigung von Wouwerman im Rahmen des Niederlande-Kapitels.917 Dass Wouwerman in ein niederländisches Kabinett schlichtweg zu gehören scheint, bestätigen zeitgenössische Sammlungen wie jene von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, der insgesamt 25 Werke des Künstlers für seine Sammlung erwarb, wovon sechs Werke ursprünglich aus dem Kabinett von Valerius Rö­ ver in Delft stammen. Hierzu zählt das Gemälde Der Pferdestall am verfallenen Haus (Abb. 91).918 Als Nächstes nennt Tischbein „Bergheim“. Nicolaes Berchem (1621– 1683) ist zu den sogenannten ‚Italianisanten‘ zu zählen und wird von Tisch­ bein andernorts in einem entsprechenden Kontext erwähnt.919 Zu denken Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 275

92 Nicolaes Berchem: Furt im Gebirge, um 93 Aelbert Cuyp: Flusslandschaft mit mel- 1655–1660, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe kender Frau, um 1646, Staatliche Kunst­ halle Karlsruhe

wäre hier an ein Kabinettstück wie die Furt im Gebirge (Abb. 92), das sich zu­ sammen mit drei weiteren Werken Berchems im Kabinett von Karoline Luise von Baden befand.920 Berchem war zu jener Zeit einer der bekanntesten Künst­ ler des ‚Goldenen Zeitalters‘ und galt als einer der besten ‚Italianisanten‘ – nie­ derländische Landschafts- und Genremaler, die sich in Farbigkeit und Licht­ wirkung an Italien orientieren. Seine Landschaften mit vielfältiger Staffage waren bei den Sammlern äußerst beliebt. In der Künstlerliste folgt „A. Keip“, womit Aelbert Cuyp (1620–1691) gemeint ist. Auch er hat sich auf Landschaften mit verschiedenartiger Staffage wie bspw. bei der Flusslandschaft mit melkender Frau (Abb. 93) spezialisiert.921 An dieser Stelle nennt Tischbein einen eher unbekannten Vertreter der nie­ derländischen Landschaftsmalerei, der meist hinter seinen bekannteren Zeit­ genossen – Jan van Goyen oder Jacob van Ruisdael – zurücksteht.922 „Ostade“ bezieht sich auf den Haarlemer Genremaler Adriaen van Ostade (1610–1658). Bekannt ist er vor allem für seine kleinformatigen hu­ moristischen Genredarstellungen. Johann Heinrich Meyer schreibt über ihn in seiner Geschichte der Kunst, dass er „Gegenstände gemeiner Natur, Tabak­ raucher, Bauerngelage pp., mit unübertroffener Kunst dazustellen wußte“.923 Landgraf Wilhelm VIII. erwarb drei Werke von Ostade für sein Kabinett, wor­ unter sich das Fröhliche Landvolk (Abb. 94) befand.924 276 Rezeption

94 Adriaen van Ostade: Fröhliches Land- 95 David Teniers d. J.: Baderstube, um 1640, volk, 1648, Museumslandschaft Hessen Museumslandschaft Hessen Kassel Kassel

Den zehnten Platz belegt „Tenniers“ – David Teniers d. J. (1610–1690). Der flämische Genremaler, der sich insbesondere dem Bauerngenre verschrie­ ben hat, wird von Tischbein ohne weitere Spezifizierung in das Kabinett auf­ genommen. Er war umfangreich in der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. vertreten, der Mitte des 18. Jahrhunderts 22 Werke von Teniers erworben hatte.925 Darunter befindet sich dieBaderstube (Abb. 95), die eine für Teniers typische Genreszene in einem Innenraum zeigt. In derselben Kategorie – der Genre- und Bauernmalerei – ist mit „Brau­ er“ der Künstler Adriaen Brouwer (1605/1606–1638) zu verorten. Zu denken wäre an ein Genrestück wie Kartenspielende Bauern (Abb. 96). Ein Werk, das im Inventar der landgräflichen Sammlung in Kassel von 1749ff als Adriaen Brou­ wer eingetragen ist, heute jedoch als ein Werk von David Teniers d. J. gilt, der in der Tradition Brouwers arbeitete.926 Anschließend werden die Künstler „Metsu“ und „Terburg“ genannt, also die holländischen Genremaler Gabriel Metsu (1629–1667) und Gerard ter Borch (1617–1681). Im Gegensatz zu Brouwer malen sie vorwiegend ­Sittenbilder mit Interieurszenen aus dem bürgerlichen Leben. Unter den Wer­ ken Metsus meint Tischbein auf der Auktion der Sammlung von Jan Maurits Quinkhard „den schönsten Metsu“ gesehen zu haben.927 Auch der Kasseler Landgraf besaß vier Werke von Gabriel Metsu: Die Cisterspielerin (Abb. 97), Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 277

96 David Teniers d. J. (verworfene Zuschrei­ 97 Gabriel Metsu: Die Cisterspielerin, bung: Adriaen Brouwer): Kartenspielende Bauern, nach 1660, Museumslandschaft Hessen 1633, Museumslandschaft Hessen Kassel Kassel

Das Almosen, Die Wild- und Geflügelhändlerin sowie Das Austernfrühstück.928 Von ter Borch, auf den Tischbein nicht näher eingeht, kann korrespondierend dazu das Werk Die Lautenspielerin (Abb. 98) angeführt werden.929 Bei den nun folgenden Künstlern nennt Tischbein nicht nur den Namen des Künstlers, sondern auch das von ihm bevorzugte oder sie kenn­ zeichnende Sujet, mit dem der jeweilige Künstler im Kabinett vertreten sein soll. Den Anfang macht „eine in wentige Kirche von P. Neef“. Der flämische Künstler Pieter Neefs d. Ä. (1578–1656/1661) ist bekannt für seine Kirchen­ interieurs, wobei er vielfach mit seinem Sohn Pieter Neefs d. J. (1620–1675/1685) zusammenarbeitete und die Figurenstaffage gerne Frans Francken d. J. (1581– 1642) überließ. Auch dieser Künstler kann mit mehreren Werken wie Das In- nere der Antwerpener Kathedrale bei Tageslicht (Abb. 99) in einem Kabinett des 18. Jahrhunderts nachgewiesen werden.930 Es folgen „stilleben mit fruchte von De Heem“ sowie „Blume von Heu­sum“ – mit den berühmtesten Blumen- und Früchtemalern des 17. und 18. Jahrhunderts Jan Davidsz. de Heem (1606–1684) und Jan van Huysum (1682–1749).931 Dass de Heem in einem Kabinett niederländischer Meister nicht fehlen darf, das bestätigen auch die Sammlung des Landgrafen Wil­ helm VIII. mit einem Prunkstillleben (Abb. 100) sowie die Sammlung der Mark­ gräfin Karoline Luise mit einemFrühstücksstillleben mit Austern und Orange.932 278 Rezeption

98 Gerard ter Borch: Die Lauten- 99 Pieter Neefs d. Ä.: Das Innere der Antwerpener spielerin, nach 1660, Museumsland­ Kathedrale bei Tageslicht, nach 1630, Museumsland­ schaft Hessen Kassel schaft Hessen Kassel

Wie das Prunkstillleben von de Heem, so gelangte auch ein Blumenstillleben (Abb. 101) von van Huysum durch den Ankauf des Kabinettes von Valerius Röver in die Kasseler Sammlung.933 Dieser Ankauf wurde von Wilhelm VIII. in einem Brief an Baron von Häckel thematisiert in Zusammenhang mit Wer­ ken, die Gerhard Morell zur Ansicht mitgebracht hatte, darunter „den be­ kannten schönen van Huysum, welchen der Graf von Bückeburg gehabt“, der „Justament den (Compagnon) zu dem, was mit dem delffter Cabinet bekom­ men, abgiebt“, sodass er ihn erwerben müsse.934 Als Nächstes kommen zwei Künstler mit der Gattung der Tierstücke – „Ochsen von Potter“ sowie „ein fühstück von A. v. Velde“. Tischbein erinnert sich seiner Begegnung mit Werken von Paulus Potter (1625–1654) in den Niederlanden mit den Worten: „Dan machte ich auch eine reise durch Hol­ land, um die verschieden Städe zusehen. und die Bilder im Haag. Da sah ich den berühmt Ochsen von Potter. es ist werklig alles was man nathürliges ­sehen kann.“935 Tischbein bezieht sich hier auf den Stier aus dem Jahr 1647, heute im Mauritshuis in Den Haag (vgl. Abb. 84). Auch Gerhard Morell äußert sich zu Potter im Rahmen des Kopenhagener Kabinettes: „Potter starb jung 1654 im 29 Jahr, hat aber vor der kurtzen Zeit viel Arbeit nachgelassen die mit erstaunende Preise bezahlet werden, weil Er einer der ersten Vieh-Maler ist.“936 Das von Tischbein gewünscht Sujet zeigt bspw. das Werk Vier Kühe auf einer Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 279

100 Jan Davidsz. de Heem (Werkstatt): Prunk- 101 Jan van Huysum: Blumenstillleben stillleben, um 1650, Museumslandschaft Hessen in einer Terrakottavase auf einer Balust- Kassel rade vor einer Landschaft, 1726, Wallace Collection London

Weide (Abb. 102).937 Von Adriaen van de Velde (1636–1672), der in der Tradi­ tion von Paulus Potter steht, kann für ein Kabinett das Gemälde Reisende er- kundigen sich bei einem Landmann nach dem Weg (Abb. 103) angeführt wer­ den.938 Über ihn heißt es bei Johann Heinrich Meyer, er male „Landschaften, mit Vieh staffiert und beides in sehr großer Vollkommenheit“.939 Weiter geht es mit den beiden populärsten Vertretern des Seestücks. Und zwar nennt Tischbein für das Kabinett „eine stille See von W. Velde“ so­ wie „eine stürmische see von Backheusen“. Auf den Künstler Willem van de Velde d. J. (1633–1707) geht Tischbein in seinen Lebenserinnerungen aus­ führlich ein und beschreibt, wie gezeigt, eine umfangreiche Sammlung mit Werken van de Veldes.940 Für sein Œuvre repräsentativ wäre das Gemälde Stille­ See (Abb. 104).941 Ludolf Bakhuizen (1630–1708) war zeitgleich tätig, verla­ gerte seine Darstellungen jedoch auf bewegte bis teils dramatische Seestücke, wie Bewegte See mit Schiffen (Abb. 105).942 Tischbein würdigt andernorts diese Besonderheit Bakhuizens im Gegensatz zu van de Velde, worauf auch Gerhard Morell eingeht: „[…] das Ober-Haupt aller See-Mahler, nur streitet mit ihm in stillen Wasser Willem v. d. Velden.“943 Bei Johann Heinrich Meyer heißt es analog dazu über Bakhuizen, er habe „in Seestücken und Stürmen alle seine Vorgänger übertroffen und [sei] von keinem Nachfolger je wieder erreicht worden“.944 280 Rezeption

102 Paulus Potter: Vier Kühe auf einer Weide, 103 Adriaen van de Velde: Reisende erkun­ 1644, Museumslandschaft Hessen Kassel digen sich bei einem Landmann nach dem Weg, 1662, Museumslandschaft Hessen Kassel

Auf Platz 21 und 22 des Kabinettes folgen „Schlingeland“ und „Schal­ ken“ – Pieter Cornelisz. van Slingelandt (1640–1691) und Godefridus Schal­ ken (1643–1706). Mit diesen Künstlern greift Tischbein erneut Vertreter der Leidener ‚Feinmaler‘ auf, allerdings einer späteren Generation, die beide Schüler­ von Gerard Dou waren. Tischbein nennt van Slingelandt an anderer Stelle im Kontext der ‚Italianisanten‘, was sich stilistisch nicht bestätigen lässt. Für ­Pieter Cornelisz. van Slingelandt kann bspw. das Gemälde Nähende Mutter mit zwei Knaben an der Wiege (Abb. 106) genannt werden, das zusammen mit ­einem Gegenstück unter diesem Künstlernamen für die Sammlung von Karo­ line Luise von Baden angekauft wurde, heute jedoch Adriaen van Gaesbeeck (1621–1650) zugeschrieben wird.945 Als Besonderheit von Godefridus Schal­ ken nennt Tischbein andernorts dessen Gemälde „in nacht bey licht“, also ‚Nachtstücke‘, was einen konkreteren Anhaltspunkt für das Kabinettbild lie­ fert.946 Dementsprechend kann beispielhaft das Gemälde Die büßende Magda- lena, einen Totenkopf haltend (Abb. 107) angeführt werden.947 In diesem Sinne ist bei Meyer über Schalken zu lesen: „Derselbe war gewohnt, Figuren des ge­ meinen Lebens, von Lampen- oder Kerzenlicht beleuchtet, abzubilden, doch hat er sich unedler Gegenstände enthalten, ja oft in seine Darstellungen his­ torische Bedeutung gelegt. Er hat bei sehr fleißiger Ausführung eine ganz ­außerordentliche Wahrheit des von künstlichem oder Lampenlicht herrüh­ Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 281

104 Willem van de Velde d. J.: Stille See, 105 Ludolf Bakhuizen (?): Bewegte See mit 1653, Museumslandschaft Hessen Kassel Schiffen, um 1689, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

renden Scheins und Widerscheins zur Anschauung zu bringen gewußt und ist der allervorzüglichste Künstler in diesem Fach. Die Geschichte von den klu­ gen und törichten Jungfrauen, ehemals in der Galerie zu Kassel befindlich, wurde für eins seiner besten Werke gehalten.“948 Die Gattung des Portraits soll durch „v. Dey ein Portret“ sowie „Lie­ bens“ bzw. „ein Kopf von Liebens“ vertreten sein. Den Portraitmaler Anthonis van Dyck (1599–1641), der zum berühmten flämischen Dreigestirn – Rubens, van Dyck, Jordaens – gehört, thematisiert Tischbein mehrfach kurz im Rah­ men des Niederlande-Kapitels, wozu auch die Anekdote von der Begegnung van Dycks mit Frans Hals zählt, und nennt „mahlerische Portratte“.949 Tisch­ bein schreibt ferner, „eine Skizze von van Dyck […] war seinen ausgeführten Bildern vorzuziehen“, was gewisse Parallelen mit der Nennung von Rubens erkennen lässt, wo es heißt, „eine ausgeführte Skizze von Rubens“.950 Land­ graf Wilhelm VIII. gewährte van Dyck mit neun Werken einen prominenten Platz in seiner Sammlung.951 Die Skizzenhaftigkeit der Malweise von van Dyck zeigt sich in dem Bildnis einer Frau mit Rose (Abb. 108) aus der Zeit um 1617, welches für das Kabinett genannt werden soll. Auch Karoline Luise von Baden soll kurzzeitig ein Werk von van Dyck besessen, dieses jedoch wieder veräu­ ßert haben.952 Als Kabinettstück von Jan Lievens (1607–1674) wäre die Büste eines Mannes mit Kappe (Abb. 109) denkbar.953 282 Rezeption

106 Adriaen van Gaesbeeck (verworfene 107 Godefridus Schalken: Die büßende Zuschreibung: Pieter Cornelisz. van Slinge­ Magdalena, einen Totenkopf haltend, um landt): Nähende Mutter mit zwei Knaben an 1700, Museumslandschaft Hessen Kassel der Wiege, nach 1640, Staatliche Kunst­ halle Karlsruhe

Auch „F Bregel“ darf in einem niederländischen Kabinett nicht feh­ len. Aus der großen flämischen Künstlerfamilie Brueghel hat TischbeinJan Brueghel d. Ä. (1568–1625), auch ‚Fluwelen Brueghel‘ genannt, im Auge. Landgraf Wilhelm VIII. favorisierte gleichfalls eindeutig Jan Brueghel d. Ä. vor anderen Vertretern der Malerfamilie Brueghel mit Werken wie die Feldwache in einer Waldlichtung (Abb. 110).954 Mit „Hondekoter“ folgt erneut ein Tiermaler, nämlich Melchior de Hondecoeter (1636–1695). Dieser ist für seine Jagdstücke sowie die Darstel­ lung lebender Tiere bekannt, was Zeitgenossen Tischbeins wie Gerhard Morell betonen: „Niemand hat und wird ihm in Lebendigen Feder-Vieh-Mahlen übertreffen“.955 Beliebt waren ferner die von ihm dargestellten Kampfszenen, wie Der Krieg im Hühnerhof (Abb. 111).956 Auch ein Gemälde von „v. der Werf“ ist Teil des Kabinettes. Zu diesem Künstler bemerkt Tischbein, dass er „seiner Kunst wegen zum Ritter erhoben worden“, ohne weiter auf sein Schaffen einzugehen.957 Adriaen van der Werff (1659–1722) war an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert tätig und schuf un­ ter anderem Werke in Grisaille-Malerei wie die Allegorie der Liebe (Abb. 112).958 Johann Heinrich Meyer beurteilt sein Werk folgendermaßen: „Äußerster Fleiß und zarte Glätte in der Ausführung haben seinen Bildern außerordentlichen Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 283

108 Anthonis van Dyck: Bildnis einer 109 Jan Lievens (zugeschrieben): Büste Frau mit Rose, um 1617, Museumsland­ ­eines Mannes mit Kappe, um 1630, Museums- schaft Hessen Kassel landschaft Hessen Kassel

Beifall verschafft. In der Form haben seine Figuren viel Zierliches, und wenige Niederländer zeichneten reiner und drapierten mit besserm Geschmack.“959 Der Künstler „Pulenburg“ ist ebenfalls im Tischbein’schen Kabinett vertreten. Andernorts heißt es auf ihn bezugnehmend: „Wer sieht nicht gern ein ruhiges Örtchen, wo sich Enten in einem stillstehenden Wasser baden und in seinem Spiegel doppelt erscheinen! Man denke an Poelenburg, den lieblichen Idyllendichter“.960 Cornelis van Poelenburch (1594/1595–1667) ist insbesondere für seine italianisierenden Landschaften bekannt, die gerne mit mythologischer Staffage versehen sind, welche zudem als eigentliches ­Sujet dienen konnten, wie in Amor führt einen Kinderreigen an (Abb. 113).961 Ferner werden die deutschen Künstler „Elsheimer“ und „Rottenhamer“ – Adam Elsheimer (1578–1610) und Hans Rottenhammer d. Ä. (1564–1625) – genannt, die an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in Deutschland und Italien tätig waren und auch zusammen arbeiteten. Diese beiden Künstler ver­ wundern zunächst im Kontext eines niederländischen Kabinettes. Rotten­ hammer kann jedoch in der Sammlung von Valerius Röver nachgewiesen werden. Landgraf Wilhelm VIII. besaß verschiedene religiöse Darstellungen von Rottenhammer, wie das Gemälde Die Heilige Familie mit Johannes dem Täufer und blumenspendenden Engeln (Abb. 114), das aus der Sammlung Röver stammt.962 Von bzw. nach Elsheimer befand sich ein Werk in der Sammlung 284 Rezeption

110 Jan Brueghel d. Ä.: Feldwache in einer 111 Melchior de Hondecoeter: Der Krieg Waldlichtung, 1607, Museumslandschaft im Hühnerhof, um 1668, Staatliche Kunst­ Hessen Kassel halle Karlsruhe

von Karoline Luise von Baden, das heute Eglon van der Neer (1635/1636– 1703) zugeschrieben wird und Tobias und der Engel in einer Waldlandschaft (Abb. 115) zeigt.963 Den Abschluss des Kabinettes – Nummer 31 bis 33 – bilden die Künst­ ler „Schneiers, Both, Laiarese“. Frans Snijders (1579–1657), ein flämischer Maler, hatte sich auf Jagdstillleben sowie die Darstellung wilder Tiere speziali­ siert, sodass ihn Johann Heinrich Meyer „den vortrefflichsten Maler wilder Tiere im großen edlen Stil“ nennt.964 Zu denken wäre bspw. an Ein Küchenstück (Abb. 116), das allerdings nicht dem Kabinettformat entspricht.965 Jan Both (um 1618–1652) war ein holländischer Genre- und Landschaftsmaler und ge­ hörte zu den bereits erwähnten ‚Italianisanten‘. Es heißt über ihn bei Meyer, dass er „die lieblichsten stillen Gegenden durch milden Abendschein im höchsten Grade anmutig zu machen wußte“.966 In dieser Tradition schuf er Werke wie die Berglandschaft im Abendlicht (Abb. 117), das Teil der Sammlung von Karoline Luise von Baden war.967 Der letzte Künstler, den Tischbein in seinem Kabinett anführt, ist Gerard de Lairesse (1640–1711).968 Dieser war nicht nur als Künstler tätig, sondern erlangte auch als Kunsttheoretiker und Künstlerbiograph Bekanntheit.969 Lairesse favorisierte mythologische und alle­ gorische Motive wie das Bacchusfest oder den Tod des Germanicus (Abb. 118).970 Dementsprechend schreibt Meyer über Lairesse: „Seine figurenreichen anmu­ Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 285

112 Adriaen van der Werff: Zwei Putten, Junge 113 Cornelis van Poelenburch: Amor und Mädchen, mit Liebesfackeln (Allegorie der Lie­be), führt einen Kinderreigen an, nach 1620, um 1696, Museumslandschaft Hessen Kassel Museumslandschaft Hessen Kassel

tigen Kompositionen aus der Mythologie und Geschichte, auch wohl alle­ gorischen Inhalts, sind den Liebhabern durch viele von ihm eigenhändig ra­ dierte Blätter bekannt genug. Seinen Gemälden ist überdem noch der Reiz eines schönen Kolorits, fröhlicher Farben und einer leichten, meisterhaften Behandlung gegeben.“971

Über die Zusammensetzung des Kabinettes

Was lässt sich über den Hintergrund der von Tischbein der Aufnahme in ein Kabinett für würdig befundenen Künstler sagen? 24 Künstler stammen aus Holland, sieben Künstler aus Flandern und zwei Künstler aus Deutschland.972 Hier zeigt sich eine klare Dominanz der holländischen Maler, wobei flämische Maler ebenfalls Beachtung finden. Dies korrespondiert mit Tischbeins einlei­ tender Bemerkung, wo er das Kabinett von „einem Guten Kabinet“ (1811) zu „einem guten Holländischen Cabinet“ (1824) konkretisiert. Wir haben es also vorwiegend mit holländischen Künstlern zu tun, die zudem bevorzugt in hol­ ländischen Kabinetten zu finden waren. Eine signifikante Verteilung zeigt sich auch hinsichtlich der Lebensdaten bzw. der aktiven Schaffenszeit der Künst­ ler. Drei Künstler waren im 16. Jahrhundert bzw. an Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert tätig, 26 Künstler sind dem 17. Jahrhundert zuzuordnen, und 286 Rezeption

114 Hans Rottenhammer d. Ä.: Die Heilige 115 Eglon van der Neer (verworfene Zu­ Familie mit Johannes dem Täufer und blumen­ schreibung: nach Adam Elsheimer): Tobias spendenden Engeln, 1605, Museumsland­ und der Engel in einer Waldlandschaft, um 1690, schaft Hessen Kassel Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

vier Künstler arbeiteten im 18. Jahrhundert bzw. an Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert.973 Somit zeigt Tischbeins Kabinett ein typisches wie reprä­ sentatives Bild der niederländischen Kunst. Michael North widmet sich in einer seiner zahlreichen Studien zum Kunstmarktgeschehen explizit der Frage: „Which Paintings and Painters Set the Standards of Eighteenth-Century Art Collecting?“974 North analysiert hierfür die Auktionen in deutschen Städten im 18. Jahrhundert und kommt so zu einer Liste der zwölf gefragtesten Maler entsprechend der Anzahl an Gemälden in den verschiedenen Sammlungen. Zieht man diese Liste der ­beliebtesten und meistgesammelten niederländischen Künstler vergleichend heran, so können auch hier mehr Übereinstimmungen als Unterschiede ­konstatiert werden. Korrespondierend werden von Tischbein und North die Künstler Rubens, Rembrandt, Teniers d. J., Berchem, van Dyck, de Heem und Brouwer angeführt. Folgende Künstler sind jedoch nicht in Tischbeins idea­ lem Kabinett vertreten: Aert van der Neer, Cornelis de Heem, Caspar Netscher sowie Johann Melchior Roos und Johann Heinrich Roos. Betrachtet man die genannten Künstler näher in Bezug auf die im Kabinett vertretenen Gattungen und Sujets, so zeigt sich folgendes Bild: Tischbein scheint eine Vorliebe für die niederländische Genremalerei gehabt zu haben bzw. diese für ein niederländisches Kabinett als wichtigste Gattung Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 287

116 Frans Snijders (Werkstatt): Ein Küchen- 117 Jan Both: Berglandschaft im Abendlicht, stück, 1630–1640, Museumslandschaft 1640–1650, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ­Hessen Kassel

zu erachten, denn er führt zehn Künstler – von insgesamt 33 Künstlern des Kabinettes – mit dieser Spezialisierung an. Davon können vier Künstler der Leidener ‚Feinmalerei‘ zugeordnet werden: Gerard Dou, Frans van Mieris d. Ä., Pieter Cornelisz. van Slingelandt und Godefridus Schalken. Weitere Vertreter des Genres sind Frans van Mieris d. J., Gabriel Metsu und Gerard ter Borch.975 Darüber hinaus ist auch das Bauerngenre mit drei Künstlern vertreten: Adriaen van Ostade, David Teniers d. J. und Adriaen Brouwer. Den zweiten Schwer­ punkt des Kabinettes bildet die Landschaftsmalerei mit sieben Künstlern. Wo­ bei sich hier bei vier Künstlern eine Überschneidung mit den ‚Italianisanten‘ ergibt – mit Nicolaes Berchem, Aelbert Cuyp, Cornelis van Poelenburch und Jan Both. Ein Landschaftsmaler, der nicht dieser Spezialisierung folgt, ist Jan Brueghel d. Ä.976 Zudem werden für die Seestücke mit Willem van de Velde d. J. und Ludolf Bakhuizen zwei repräsentative Künstler genannt. Darüber hinaus ist das Tierstück vertreten, wofür fünf Maler – Philips Wouwerman, Paulus Potter, Adriaen van de Velde, Melchior de Hondecoeter und Frans Snijders – angeführt werden können. Weitere fünf Künstler sind im weitesten Sinne der Historienmalerei mit mythologischen und biblischen Szenen zuzuordnen. Dies sind Peter Paul Rubens, Adriaen van der Werff, Adam Elsheimer, Hans Rottenhammer d. Ä. und Gerard de Lairesse.977 Für die Portraitmalerei nennt Tischbein drei Maler: Rembrandt Harmensz. van Rijn, Anthonis van Dyck und 288 Rezeption

118 Gerard de Lairesse: Der Tod des ­Germanicus, nach 1670, Museumsland­ schaft Hessen Kassel

Jan Lievens.978 Die Gattung des Stilllebens ist mit zwei Künstlern ebenfalls vertreten, und zwar mit Jan Davidsz. de Heem und Jan van Huysum.979 Den Abschluss bildet das Architekturstück mit einem Interieur von Pieter Neefs d. Ä., um auch diese Besonderheit der niederländischen Kunst in das Kabinett mit aufzunehmen.980 Tischbein nennt die Künstler im Rahmen seiner Kabinettliste einzeln nacheinander und nimmt nur gelegentlich eine Gruppierung vor, sodass die Vertreter einer Gattung nicht zwangsweise nacheinander aufgeführt werden, sondern diese sich teils über die gesamte Liste erstrecken können. Bei dem jeweiligen Anteil der einzelnen Gattungen in Tischbeins idealem niederländi­ schen Kabinett ergibt sich folgende Verteilung: 30 % Genre, 21 % Landschaf­ ten, 15 % Tiere, 15 % Historien, 9 % Portraits, 6 % Stillleben und 4 % Andere. Wirft man zudem einen Blick auf die Bildgrößen der beispielhaft an­ geführten Werke, die nach möglichst repräsentativen Gesichtspunkten in Be­ zug auf das Œuvre des Künstlers sowie die Referenzsammlungen ausgewählt wurden, so fällt eine Dominanz kleinerer und mittlerer Bildformate auf. Mit einer Bildgröße von unter 50 cm können 16 Werke genannt werden und wei­ tere 16 Werke mit Maßen zwischen 50 und 100 cm. Dagegen weisen nur drei Werke eine Bildgröße über 100 cm auf, die ebenso gut durch kleinere Werke ausgetauscht werden könnten. Hier ist eine klare Kabinettstruktur erkennbar, denn dem privaten Sammeln entsprachen kleine Formate.981 Interessant ist außerdem, welchen Künstlern Tischbein in seiner Vor­ stellung eines idealen Kabinettes niederländischer Kunst keine Beachtung schenkt. Einige Künstler erwähnt Tischbein zwar in seinen Lebenserinnerun­ gen, ohne ihnen jedoch abschließend Eingang in den ‚Kanon‘ eines typischen niederländischen Kabinettes zu gewähren. Dies sind bspw. der flämische Land­ Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 289 schaftsmaler Paul Bril (1553/1554–1626), Karel Dujardin (1626–1678) mit ita­ lianisierenden Landschaften, der für seine nordischen Landschaften bekannte Allaert van Everdingen (1621–1675), der Haarlemer Portraitmaler Frans Hals (1582/1583–1666), der Amsterdamer Portraitmaler Bartholomeus van der Helst (1613–1670), (1637–1712) mit niederländischen Stadt­ ansichten, der Landschafts- und Schlachtenmaler Jan van (1647– 1733), der Landschaftsmaler Alexander Keirincx (1600–1652), Hendrik Kobell (1751–1779), ein Landschaftsmaler des 18. Jahrhunderts, der von Italien ge­ prägte Maler Pieter van Laer (1599–1642/1654), Johannes Lingelbach (1622– 1674) mit italianisierenden Szenen, der flämische Maler Adam Frans van der Meulen (1632–1690), der Antwerpener Landschaftsmaler Joos de Momper (1564–1635), Willem Romeyn (um 1624–um 1693) mit italianisierenden Ar­ chitekturen und Landschaften, die bekannte Blumenmalerin Rachel Ruysch (1664–1750), der Maler humorvoller Genreszenen Jan Steen (1626–1679), der Amsterdamer Maler Daniel Vertangen (um 1600–1681), der Genre- und Tier­ maler (1640/1641–1719) und Thomas Wijck (1616/1624–1677) mit italianisierenden Genrestücken. Auffällig ist, dass Tischbein zahlreiche Landschaftsmaler thematisiert, wobei insbesondere die ‚Italianisanten‘ eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. Gleichzeitig sind in Tischbeins Kabinettliste Künstler aufgeführt, die andernorts in seinen Lebenserinnerungen keine weitere Erwähnung finden. Dies gilt bspw. für Gerard Dou, Frans van Mieris, Aelbert Cuyp, David Te­ niers d. J., Gerard ter Borch, Pieter Neefs, Jan Davidsz. de Heem, Jan Lievens, Adam Elsheimer, Hans Rottenhammer oder Gerard de Lairesse. Diese Künst­ lernamen sollen offensichtlich für sich sprechen und scheinen keiner weite­ ren Spezifizierung zu bedürfen. Darüber hinaus gibt es weithin bekannte niederländische Künstler, die weder im Rahmen des idealen Kabinettes noch im Kapitel der Niederlande- Reise von Tischbein thematisiert werden.982 Dies wären bspw. die holländischen Künstler Jan van Goyen (1596–1656), Jacob van Ruisdael (1628/1629–1682) und (1632–1675).983 Oder flämische Künstler wie Jacob Jor­ daens (1593–1678). Dass Tischbein zwar die flämischen Künstler Rubens und van Dyck erwähnt, aber gleichzeitig Jordaens im Rahmen des Niederlande- Kapitels übergeht, verwundert aufgrund von dessen Bekanntheit. Tischbein konnte Werke von Jordaens durchaus auf seiner Reise durch Holland gesehen haben und auch in der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. befanden sich verschiedene Werke dieses Künstlers, wie noch zu zeigen ist.984 Zu Tischbeins Verteidigung ließe sich der entsprechende Passus über Jordaens in Johann Heinrich Meyers Manuskript zu seiner Geschichte der Kunst anführen, das zeit­ gleich zu Tischbeins erstem Manuskript entstanden ist. Bei Meyer, der keine 290 Rezeption allzu lobenden Worte für diesen Künstler findet – ganz in Gegensatz zu den anderen von ihm thematisierten niederländischen Künstlern –, heißt es: „Unter Rubens Schülern und Nachahmern, die geschichtliche Gegenstände behan­ delten stehen Jacob Jordaens, 1594 zu Antwerpen geboren, und der bereits mit Ruhm erwähnte van Dyck billig obenan. […] Jordaens hat weniger edlen, ja zu­ weilen gemeinen Geschmack in den Formen und in der Erfindung, aber viel Naives und Gemütliches im Ausdruck, sein Kolorit ist gut, jedoch fallen die Schattenfarben gewöhnlich zu sehr ins Rotbraune. Jordaens starb zu Antwer­ pen 1678.“985 Jedenfalls muss Tischbein, wenn vielleicht auch erst in späteren Jahren, an diesem flämischen Meister Gefallen gefunden haben, denn es sind bspw. Zeichnungen von Tischbein nach Werken von Jordaens bekannt.986

4.2.2 Tischbeins fiktives Kabinett im Vergleich mit realen Kabinetten des 18. Jahrhunderts

Liest man Tischbeins Künstlerliste, die der Definition eines idealen nieder­ ländischen Kabinettes gleichkommt, so entsteht der Eindruck, Tischbein gäbe dem Leser eine Art ‚Anleitung‘ zum Sammeln niederländischer Kunst an die Hand.987 Diese Liste fand Eingang in das Niederlande-Kapitel der Lebenserin­ nerungen Tischbeins vor einem Erfahrungshintergrund, der hier nochmals kurz zusammengefasst in Erinnerung gerufen wird: Zum einen basiert die Liste natürlich auf den Erlebnissen der Niederlande-Reise 1772/1773 mit den dort besuchten Sammlungen und Auktionen, einer intensiven Kunstbetrachtung, verbunden mit Gesprächen über die niederländische Kunst mit Kennern und Sammlern. Als Referenzrahmen dienen zusätzlich die bereits früh gesammelten Erfahrungen während der Lehrjahre in Hamburg im Hause des Kunsthändlers Johann Dietrich Lilly sowie der besuchten Hamburger Sammlungen und Kunst­ auktionen. Zum anderen gründet sie sich auf der Kenntnis bedeutender deut­ scher Niederländer-Sammlungen wie jener von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, die Tischbein zu Zeiten von dessen Nachfolger Landgraf Fried­ rich II. sowie während der Tätigkeit seines Bruders Johann Heinrich Tisch­ bein d. J. als Gemäldeinspektor der Kasseler Sammlungen kennen und schätzen lernt. Und zu guter Letzt fließt in dieses fiktive Sammlungskonzept Tischbeins gesamte Lebenserfahrung mit ein, da er zeit seines Lebens der niederländi­ schen Kunst mit Begeisterung und Wertschätzung begegnet. Vergleicht man die Zusammensetzung von Tischbeins idealem Nie­ derländer-Kabinett entsprechend der vertretenen Gattungen mit anderen Ka­ binetten des 18. Jahrhunderts in Hamburg oder Frankfurt, so fallen sowohl einige Übereinstimmungen als auch Unterschiede auf: Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 291

Das Kabinett von Balthasar Denner (1685–1749) in Hamburg zeigt im Jahr 1749 folgende Zusammensetzung: 45 % Landschaften, 22 % Portraits, 13 % Stillleben, 9 % Genre, 9 % Historien, 2 % Tiere.988 Der Schwerpunkt des Denner’schen Kabinettes liegt ganz klar auf der Landschaftsmalerei, die fast die Hälfte des Sammlungsbestandes ausmacht, während diese Gattung bei Tischbein erst an zweiter Stelle rangiert und nur ein Fünftel des Bestandes umfasst. Auch die Portraits sind bei Denner wesentlich prominenter vertreten, ebenso die Stillleben – beide Gattungen sind im Vergleich zu Tischbeins Kabi­ nett doppelt so zahlreich zu finden. Dagegen sind die Genrestücke sowie die Tierstücke bei Tischbein überproportional hoch anzusiedeln. Etwas anders prä­ sentiert sich die Hamburger Sammlung von Joachim Hinrich Thielcke (1718– 1781) im Jahr 1782 mit 27 % Landschaften, 24 % Portraits, 23 % Genre, 17 % Historien, 5 % Stillleben, 2 % Tiere, 2 % Andere. Auch hier rangiert die Land­ schaftsmalerei an erster Stelle, dicht gefolgt von der Portraitmalerei. Im Ge­ gensatz zur Denner’schen Sammlung nimmt die Genremalerei in der Samm­ lung Thielcke jedoch einen wichtigen Platz ein und umfasst nahezu ein Vier­ tel des Sammlungsbestandes.989 Die Dominanz der Landschaftsmalerei in den Kabinetten niederländischer Kunst ist aus den holländischen Sammlungen des 17. Jahrhunderts bekannt, wo die Landschaften im Laufe des Jahrhun­ derts langsam die zuvor dominierenden Historien abgelöst hatten. Für diese Entwicklung können die Delfter und Amsterdamer Inventare angeführt wer­ den, welche von John Michael Montias und Michael North analysiert wur­ den.990 In den Amsterdamer Sammlungen sank demnach die Historienmalerei von 47 % um 1620 auf 12 % um 1690 und die Landschaftsmalerei stieg im selben Zeitraum von 20 % auf 36 % an. Gleichzeitig gab es einen Zuwachs der Genremalerei von 4 % auf 12 %.991 Ähnlich verhält es sich im Vergleich des Tischbein’schen Kabinettes mit der Sammlung von Baron Heinrich Jacob von Häckel (1682–1760) in Frank­ furt. Hier sind die Gattungen wie folgt vertreten: 26 % Genre, 23 % Land­ schaften, 15 % Portraits, 14 % Historien, 9 % Tiere, 9 % Stillleben, 4 % An­ dere.992 In der Sammlung Häckel dominiert die Genremalerei den Sammlungs­ bestand korrespondierend zu Tischbein, gefolgt von der Landschafts­malerei auf dem zweiten Platz. Die Historienmalerei nimmt ebenfalls denselben Platz in der Gattungshierarchie ein, wobei Portraits und Tierstücke in der Rangfolge vertauscht sind – bei Tischbein dominieren die Tierstücke, bei ­Häckel die Por­ traits. Den Abschluss bildet in beiden Sammlungen die Gattung des Still­ lebens. Somit zeigt die Sammlung Häckel die engste Verwandtschaft im Samm­ lungsprofil mit Tischbeins idealem Niederländer-Kabinett.993 Die Sammlung galt als qualitativ wertvollste Sammlung Frankfurts in jener Zeit, sodass deren Versteigerung im Jahr 1764 durchaus eine kleine Sensation darstellte.994 292 Rezeption

Tischbeins eigene Gemäldesammlung und die Oldenburger Gemäldegalerie

Darüber hinaus kann Tischbeins eigene Gemäldesammlung vergleichend he­ rangezogen werden, die er im Jahr 1804 an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg (1755–1829) – seinen späteren Dienstherrn – verkaufen sollte und die sich in Teilen bis heute in der Gemäldegalerie des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg erhalten hat. Die Sammlung war von Tischbein in seinen Jahren als Direktor der Kunstakademie von Neapel zu­ sammengetragen worden. Bei seinem überstürzten Aufbruch im Jahr 1799 nach dem Einmarsch der französischen Truppen musste er sie bis auf wenige Werke in Italien zurücklassen. Nachdem er sich 1801 in Hamburg niedergelas­ sen hatte, gelang es ihm zwei Jahre später, die Sammlung nachzuholen und sie schließlich an den Herzog von Oldenburg zu verkaufen. Auf diese hatte bereits Karl August Böttiger im Jahr 1800 im Neuen Teutschen Merkur aufmerk­ sam gemacht. Eine Auflistung der eindrucksvollsten Gemälde der Sammlung beschließt Böttiger mit den Worten: „Mehrere von diesen Bildern gehören zu den berühmtesten und vortrefflichsten des Meisters, der sie gemalt hat.“995 Die Zusammensetzung der Tischbein’schen Sammlung wurde 1871 von Friedrich von Alten – zugleich der Herausgeber von Tischbeins Korres­ pondenz – publiziert: Beginnend mit italienischen Werken (Nr. 1–30), folgen zunächst die französische (Nr. 31–35) und anschließend die deutsche Schule (Nr. 36–46), um mit der umfangreichsten Gruppe, der niederländischen Schule (Nr. 47–85), zu schließen.996 Der Vergleich von Tischbeins eigener Sammlung, basierend auf dem Verzeichnis von Altens und den dort dokumentierten Zu­ schreibungen, mit dem von Tischbein formulierten idealen Kabinett offen­ bart, dass er diesem selbst nicht vollständig gerecht werden konnte und wollte. Einerseits waren Tischbeins finanzielle Ressourcen begrenzt, sodass ein derartiger Anspruch nicht zu verwirklichen gewesen wäre. Andererseits strebte Tischbein offensichtlich ein umfassenderes Sammlungsprofil an, das sich nicht allein auf die niederländische Kunst beschränken sollte. Dass sie zahlenmäßig dennoch den Schwerpunkt seiner eigenen Sammlung bildet, ist signifikant. Korrespondierend finden sich in beiden Auflistungen folgende Künstlernamen: Rembrandt, Rubens, Wouwerman, van Ostade, Teniers, Schal­ ken, van Dyck, Lievens, Brueghel, van Poelenburch sowie Rottenhammer, wo­ bei ihnen teils der Zusatz „à la“ beigegeben ist. Weitere Übereinstimmungen ließen sich anführen, wenn sein Wunsch bezüglich Künstler und Sujet – „eine stille See von W. Velde, eine stürmische see von Backheusen“ – durch einen anderen prominenten Vertreter der Gattung – hier des Seestücks wie Jan Por­ cellis – ersetzt würde. Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 293

119 Frans Snijders: Still­leben, 1614, Wallraf- Richartz-Museum Köln

Zu Tischbein als Sammler Alter Meister verfasste Jörg Deuter 2001 eine Publikation, worin er überblicksartig eine Auswahl von rund dreißig Künst­ lern und Werken präsentiert und das weite Spektrum von Tischbeins Sammel­ interesse betont, das von etwa 1500 bis 1800 reicht.997 Deuter hebt unter an­ derem Tischbeins zeituntypische Vorlieben für niederländische Künstler her­ vor, bspw. seine Vorliebe für Rembrandt. Diese zeigt sich auch in späteren Jahren, in denen Tischbein Herzog Peter Friedrich Ludwig weiterhin in Kunst­ angelegenheiten beriet und Kunstankäufe nach Oldenburg vermittelte. „So weitete sich sein Interesse auf die eben erst in der Wiederentdeckung befind­ lichen Alt-Niederländer aus. Joos van Cleves Madonna mit Kirschen erwarb er 1807 – als vermutetes Werk eines Cranach-Schülers – womit er in direkte ‚Kon­ kurrenz‘ zu den Wiederentdeckern dieser Epoche, den Brüdern Boisserée, tritt, die immerhin der dreißig Jahre jüngeren Romantiker-Generation angehö­ ren.“998 Hierüber gelangt Deuter zu dem Fazit: „Tischbein ist, am geschmack­ lichen Horizont seiner Zeit gemessen, ein bedeutender Sammler gewesen, nicht, weil er bedeutende Mittel zur Verfügung hatte, sondern, weil er diesen Horizont deutlich durchbrach und erweiterte.“999 Die Kunstankäufe Tischbeins für die Sammlung des Herzogs von ­Oldenburg – zugleich eine Fortführung seiner eigenen Sammeltätigkeit – sind zudem im gegenseitigen Briefwechsel dokumentiert. So kaufte Tischbein bspw. im Jahr 1823 ein Stillleben von Frans Snijders (Abb. 119) für Oldenburg an.1000 Über seine Erwerbung berichtet er dem Herzog begeistert: „Für Eure Durchlaucht habe ich auch ein Bild gekauft, den berühmten Schwan von Sneyers; neben dem Schwan liegt ein wunderschön gezeichneter und ge­ malter Adler. Obgleich er tod ist, so sieht man doch, daß er in seinen starken 294 Rezeption

120 Gerbrand van den Eeckhout: Der Engel im Haus des Tobias, um 1648–1650, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte ­Oldenburg

Krallen Jupiters schleudernten Donnerkeil trug. Daneben liegt ein Pfau, dem Juno die Argus-Augen in dem Schweif gesetzte, die zwischen Gold wie Saphir glänzen. Es sind 24 Vögel auf dem Bilde. Ich habe es für einen sehr geringen Preiß erhalten, es kostet nicht einmal 200 Rtl.“1001 Der Herzog reagiert ent­ sprechend und dankt Tischbein für die Erwerbung. Die Geschichte der Oldenburger Gemäldegalerie sowie die dazugehö­ rige Tischbein’sche Sammlung wurden jüngst in einem Forschungsprojekt am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg erforscht und um­ fassend publiziert, sodass hier auf die Ergebnisse verwiesen werden kann.1002 Sebastian Dohe charakterisiert die Sammlung Tischbeins folgendermaßen: „Einen wesentlichen Teil bildeten Werke italienischer Meister und spiegelten Tischbeins Biographie wider, insbesondere durch mehrere neapolitanische Gemälde, die er Salvator Rosa zuschrieb. Weder die Annahme, er habe einen Raffael besessen noch die Zuschreibung zweier Werke an Domenichino setzten sich durch und auch eine angebliche Handzeichnung von Michelangelo galt später als ‚wohl nicht ächt‘. Dagegen hatte er Werke von Guido Reni und Mat­ tia Petri sicher erkannt. Einige wenige französische Gemälde, unter anderem angeblich von Nicolas Poussin und mehrere deutsche, darunter zwei vermeint­ liche Werke Holbeins, zwei von Lucas Cranach und eines von C. W. E. Diet­ rich ergänzten den Bestand. Den größten Teil der Sammlung Tischbein bil­ deten 38 niederländische Gemälde. Darunter waren nicht nur Werke von be­ kannten Meistern wie Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck, Rembrandt oder Jan Victors, sondern auch Gemälde eher unpopulärer Schulen wie vier Werke in der Art des Manieristen Johannes Rottenhammer.“1003 Obwohl Tischbeins Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 295

Zuschreibungen der Werke teils zu korrigieren waren, offenbaren sie zugleich Tischbeins Sammelintentionen und spiegeln sein Bildwissen. Dies lässt sich am Beispiel der Ölskizze Der Engel im Haus des Tobias (Abb. 120) nachvollzie­ hen, das von Tischbein als ein Werk Rembrandts angekauft und mit dieser Zuschreibung an den Herzog von Oldenburg verkauft wurde, heute jedoch als ein Werk des Rembrandt-Schülers Gerbrand van den Eeckhout (1621–1674) gilt und vermutlich nach einer Vorlage des Lehrmeisters entstanden ist.1004 Auch wenn sich hier Tischbeins Zuschreibung nicht vollständig verifizieren lässt, so hat er die Ölskizze doch korrekt dem Rembrandt-Kreis zugeordnet.

Die Gemäldegalerie der Landgrafen von Hessen-Kassel

Die exemplarische Rekonstruktion von Tischbeins idealem Kabinett nieder­ ländischer Malerei hat gezeigt, wie zahlreich die angeführten Künstler in der von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel begründeten Gemäldegalerie im 18. Jahrhundert vertreten waren. Aufgrund der Bedeutung sowie der Grö­ ße der Kasseler Sammlung – das historische Gemäldeinventar von 1749ff ver­ zeichnet 869 Werke – verwundert dies allerdings nicht. Umgekehrt wäre zu ver­muten, dass Tischbein sich bei seiner Definition eines Niederländer-­ Kabinettes nicht nur von den Erfahrungen und Eindrücken seiner frühen Niederlande-Reise prägen ließ, sondern auch von der hervorragenden Kasse­ ler Gemäldegalerie. Neben ausgewählten Künstlern und Werken wurde zuvor bereits das Kontaktnetzwerk des hessischen Landgrafen hinsichtlich der wichtigsten Ak­ teure sowie deren Interaktion beschrieben.1005 Doch was lässt sich darüber hinaus über die Bedeutung der Kasseler Gemäldesammlung sagen? Und wie lässt sich das Sammelverhalten von Wilhelm VIII. einordnen? Hierzu gab es in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Überlegungen, deren Ergeb­ nisse exemplarisch angeführt werden sollen. Erich Herzog charakterisiert in seiner Publikation zur Kasseler Gemäl­ degalerie den Sammler und seine Sammelinteressen. Er verortet ihn unter den bekanntesten und erfolgreichsten Sammlern des 18. Jahrhunderts, der von ausgezeichneten Beratern in seinen Bemühungen unterstützt wurde. Hierbei betont er insbesondere die Zielstrebigkeit und Schnelligkeit des Sammlungs­ aufbaus. Herzog geht bei seiner Einordnung nicht nur auf den Kunstgeschmack der Zeit ein – mit Vorlieben für Künstler wie Philips Wouwerman, Godefridus Schalken, Caspar Netscher oder Adriaen van der Werff –, sondern benennt auch die Sammlungslücken – mit Künstlern wie Jan Vermeer, Pieter de Hooch oder Aelbert Cuyp.1006 296 Rezeption

Eine interessante Analogiebildung zum ‚Goldenen Zeitalter‘ der Nie­ derlande liefert Bernhard Schnackenburg, der das 18. Jahrhundert als „das goldene Jahrhundert Kassels“ bezeichnet. Dies begründet er mit der heraus­ ragenden Sammeltätigkeit dreier bedeutender Landgrafen – Carl, Wilhelm VIII. und Friedrich II. –, worin er diejenige Wilhelms einordnet. Er unterstreicht hier die Bedeutung der Werke in Bezug auf den Rang des Künstlers sowie die Qualität der Gemälde, wohingegen er den Bildgegenstand als zweitrangig be­ trachtet. Interessanterweise begründet Schnackenburg die Gemäldeauswahl und die Präferenz der niederländischen Kunst nicht vor dem Hintergrund be­ stimmter Geschmacksvorlieben des Sammlers, sondern betont die für Kassel äußerst günstigen Ankaufsbedingung durch die langjährigen und guten Kon­ takte Wilhelms in den Niederlanden sowie die enge Verbindung zum Haus Oranien-Nassau. Was die Geschmacksvorlieben anbelangt, vertritt Schnacken­ burg folglich eine etwas andere Position als zuvor Herzog.1007 Everhard Korthals Altes beschreibt wiederum das Kunstverständnis des Landgrafen und seine Sammelpraxis – analog zu Erich Herzog – über die zeit­ typischen Vorlieben Wilhelms, kombiniert mit einem Interesse für kleine For­ mate. Er nennt hierfür bspw. Kabinettstücke von Gerard ter Borch, Gerard Dou, Gabriel Metsu, Frans van Mieris, Caspar Netscher, Cornelis van Poelen­ burch, Godefridus Schalken oder Philips Wouwerman. Darüber hinaus the­ matisiert er die für jene Zeit ungewöhnlich hohe Anzahl an Werken Rem­ brandts in der Kasseler Sammlung. Wilhelm VIII. besaß 34 Rembrandt-­ Gemälde, die heute jedoch teils anderen Künstlern aus Rembrandts Umkreis zugeschrieben werden. Ein besonderes Interesse lag dabei auf den Portraits und Tronien, wobei auch Historien und Landschaften zu den Erwerbungen zählten, die zusammengenommen alle Schaffensphasen Rembrandts umfas­ sen und einen repräsentativen wie beeindruckenden Querschnitt des Œuvres zeigen. Sie zählen bis heute zu den Highlights der Gemäldegalerie.1008 Justus Lange hat sich erneut dem Geschmack von Landgraf Wilhelm VIII. gewidmet und dessen Vorlieben eingehender analysiert.1009 Bezogen auf das Gemäldeinventar von 1749ff mit 869 verzeichneten Werken kommt er zu folgendem Ergebnis hinsichtlich der Anzahl und des Verhältnisses der vertre­ tenen Maler: Die niederländischen Künstler bilden mit rund 500 Werken den überragenden Schwerpunkt der Sammlung. Die italienischen Künstler sind mit 180 Gemälden und die deutschen Künstler mit 121 Gemälden vertreten, ergänzt von 30 französischen, zwei spanischen sowie 40 nicht zugewiesenen Werken. Aber auch innerhalb der niederländischen Kunst zeigt sich – wie nicht anders zu erwarten – eine Präferenz für bestimmte Künstler. Die holländischen Maler werden mit 34 Gemälden von Rembrandt Harmensz. van Rijn und 25 Werken von Philips Wouwerman angeführt, gefolgt von 12 Gemälden von Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 297

Adriaen van der Werff, 10 von Godefridus Schalken, je 9 von Caspar Netscher, Cornelis van Poelenburch und Coenraet Roepel, 8 von Paulus Potter, je 6 von Bartholomeus Breenbergh und Adriaen van Ostade sowie 5 von Frans Hals. Ein Künstler-Ranking gibt es gleichermaßen für die flämische Malerei. Peter Paul Rubens ist mit 31 Gemälden vertreten, Anthonis van Dyck mit 21, David Teniers d. J. mit 18, Jan Brueghel d. Ä. mit 12 und Jacob Jordaens mit 10.1010 Zur Vervollständigung des Bildes muss schließlich auch auf den Be­ stand an italienischer Kunst in der Kasseler Sammlung hingewiesen werden, da dieser Wilhelms Kennerschaft in Bezug auf die niederländische Kunst nicht etwa zu mindern, sondern zu bestätigen vermag. Wilhelm VIII. urteilt selbst über seine Italiener-Sammlung: „Ich erhalte allmählich den nötigen Stoff zu einer Galerie von italienischen stücken, und Ich glaube, daß mir soviel nicht mehr daran fehlet, wann nur das Gebäude dazu auch da wäre.“1011 Dass der hessische Landgraf neben niederländischen Gemälden auch wiederholt Wer­ ke italienischer Künstler erworben hat, dokumentiert das landgräfliche Ge­ mäldeinventar, auch wenn die Konvolute kleiner ausfallen. Zu nennen wären hier 16 Gemälde unter dem Namen Bassano, 10 Werke von Guido Reni, je 8 von Raffael, Tizian, Caravaggio und Annibale Carracci, 2 von Leonardo da Vinci. Diese Zuschreibungen ließen sich jedoch in den meisten Fällen nicht aufrechterhalten – sie hielten der Stilkritik nicht stand –, und so gelten die Gemälde heute meist als Kopien oder Werke anderer Künstler. Dies zeigt, dass Wilhelm VIII. beim Ankauf italienischer Kunstwerke nicht dieselbe Expertise zugesprochen werden kann wie beim Erwerb niederländischer Gemälde und er sich häufiger irrte bzw. seine Ratgeber auf diesem Gebiet nicht versiert genug waren. Außerdem verdeutlicht es den hohen Bedarf an italienischen Werken auf dem Kunstmarkt des 18. Jahrhunderts, der vermehrt zu falschen Zuschreibun­ gen und Kopien verleitete bzw. den bewussten Ankauf von Kopien erforderlich machte, um eine repräsentative italienische Galerie errichten zu können. Mit diesen einschränkenden Bemerkungen korrespondiert auf verblüffende Weise, dass ein von Wilhelm VIII. geplantes eigenes Gebäude für eine Italiener-Samm­ lung – neben dem Galeriebau für die Niederländer-Sammlung – nie realisiert wurde. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges sollte dies verhindern.1012 Tischbein lernte den Sammlungsgründer Wilhelm VIII. nicht mehr ken­nen, als er 1765/1766 erstmals für kurze Zeit im Hause seines Onkels ­Johann Heinrich Tischbein d. Ä. in Kassel weilte, jedoch war ihm die Gemälde­ samm­lung des Landgrafen vertraut und er sollte sie insbesondere in späteren Jahren wiederholt besuchen.1013 Dies geschah unter der Regentschaft von Wilhelms Sohn und Nachfolger Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel.1014 Dass Johann Heinrich Tischbein d. J. – der ältere Bruder von Johann Heinrich Wilhelm Tisch­bein sowie der Neffe des Kasseler Hofmalers Johann Heinrich 298 Rezeption

Tischbein d. Ä. – das Amt des Galerieinspektors innehatte, dürfte zusätzlich von Vorteil gewesen sein. Wiederholt wies Tischbein seinen Bruder auf Kunstwerke hin und soll mitunter sogar Kunstankäufe nach Kassel vermittelt haben.1015 Friedrich II., der ab 1760 regierender Landgraf war, verlagerte die Sam­ meltätigkeit von Gemälden auf Antiken, sodass die Gemäldesammlung keine nennenswerten Zuwächse in jenen Jahren erhielt. Zu den Leistungen Fried­ richs II. zählen insbesondere die Gründung der ‚Académie de Peinture et de Sculpture‘ 1777 sowie des ‚Museum Fridericianum‘ 1779. Jedoch machte Friedrich II. die Gemäldesammlung ab 1775 öffentlich zugänglich, die seit 1752 in einem eigens von Wilhelm VIII. erbauten Galeriegebäude unterge­ bracht war.1016 Hiermit war eine entscheidende Wende eingeleitet. Die land­ gräfliche Sammlung war keine reine Privatsammlung mehr, mit eingeschränk­ ter Zugänglichkeit, sondern die Allgemeinheit konnte nun daran teilhaben.1017 Unter seiner Regentschaft erschien 1783 ein erster gedruckter Katalog als Verzeichniß­ der Hochfürstlich-Heßischen Gemählde-Sammlung in Cassel mit 803 Werken von Simon Causid.1018 Der Charakter der Kasseler Sammlung mit einem Sammelschwerpunkt auf der holländischen und flämischen Kunst wird hier deutlich – 506 niederländische, 96 italienische, 25 französische sowie deut­ sche Werke werden dort verzeichnet. Bei diesem Katalog handelt es sich um eine handliche und schlicht gestaltete Publikation, die den Galeriebesuch be­ gleiten sollte.1019 Das Vorwort widmet sich neben der obligatorischen Huldi­ gung des Landgrafen insbesondere der Galerie selbst, deren Funktion sowie deren Publikum, wobei ein pädagogischer Anspruch im Sinne der Aufklärung unverkennbar ist. Nach Causid sei die Sammlung „nicht nur eine Quelle des Vergnügens“, sondern habe auch einen Einfluss auf die „Bildung und Ausbrei­ tung des guten und schönen Geschmacks“ und entspreche einem „aufgeklärten Kunstgefühl“.1020 Der Katalog dient folglich als Leitfaden der Kunstaneignung und einer damit verbunden Schule des Sehens sowie des Geschmacks – so­ wohl für Künstler als auch für Kunstinteressierte. Der Katalog konnte von den Zeitgenossen beim Galerieinspektor erworben werden. Dies war ab 1775 Jo­ hann Heinrich Tischbein d. J.1021 Der Galerieinspektor hatte die Aufgabe, die Bestände zu pflegen sowie die Besucher durch die Gemäldesammlung zu führen, die in verschiedenen Gebäuden untergebracht war.1022 Die Kasseler Sammlung gewann immer mehr an Popularität, sodass sie auch viele Reisende anzog, die ihren Ruhm wiederum in Briefen und Reiseberichten verbreiteten.1023 Die überragende Qualität der Kasseler Sammlung spiegelt sich unter anderem in dem Umstand, dass von Dominique-Vivant Denon (1747–1825) 299 Werke für das Musée Napoléon im Louvre zu Beginn des Jahres 1807 als Beutegut nach Paris abtransportiert worden waren.1024 Rund die Hälfte der Werke wurde zunächst zusammen mit Kunstwerken aus anderen fürstlichen Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 299

Sammlungen gezeigt, wobei das Kasseler Konvolut den größten Gemäldeteil der gesamten Ausstellung stellte. Anschließend wurden rund 100 dieser er­ lesenen Werke in die Sammlung des ‚Musée Napoleon‘ aufgenommen. Dort sowie durch begleitende Publikationen und Reproduktionsgraphiken erreich­ ten die Kasseler Gemälde ein internationales Publikum sowie eine gesteigerte öffentliche Wahrnehmung.1025 Neben den Konfiszierungen durch Denon ­waren in Kassel zahlreiche weitere Verluste zu beklagen.1026 Der größte Teil des nach Paris entführten ursprünglichen Kasseler Bestandes wurde 1815 zurück­ gegeben. Dennoch gingen laut der Angaben des damaligen Galerieinspektors Ernst Friedrich Ferdinand Robert insgesamt 382 Werke unwiederbringlich ver­ loren – darunter einige Hauptwerke von Rembrandt Harmensz. van Rijn, Peter Paul Rubens, David Teniers d. J., Paulus Potter oder Claude Lorrain.1027 Zu­ gleich erhielten die Kasseler Werke sowie die Sammlung gewissermaßen eine Adelung durch die napoleonische Konfiszierung und die spätere Rückgabe. Sie wurden Teil einer nationalen Identitätsbildung. Dank der Raubzüge war ein neues Bewusstsein für das eigene kulturelle Erbe geschaffen worden.1028 Dementsprechend waren die ursprünglichen Besitzer der napoleonischen Kriegsbeute im Nachhinein nicht ausschließlich unglücklich über dieses Inter­ mezzo – abgesehen von den schmerzlichen dauerhaften Verlusten –, weil die­ ses ihren Sammlungen einen besonderen Qualitätsstempel verlieh. Da von den Konfiszierungen zahlreiche Werke der niederländischen Kunst betroffen waren, wirkte sich diese gesteigerte Aufmerksamkeit gleichzeitig positiv auf deren Rezeption in ganz Deutschland aus.

Wunschlisten, Lieblingswerke und das Vergnügen am Sammeln niederländischer Kunst

Das Kabinett von Karoline Luise von Baden war bereits wiederholt Thema der Ausführungen und zeigt verschiedene Gemeinsamkeiten mit Tischbeins ‚Nie­ derländer-Rezeption‘. Eine interessante Quelle aus dem Umfeld der Mark­ gräfin gewährt einen genaueren Einblick in ihre Präferenzen. Max Tillmann verweist in seinem Aufsatz Karoline Luise von Baden und die Niederländerbegeis- terung im Frankreich des 18. Jahrhunderts auf eine von der Markgräfin eigenhän­ dig verfasste Liste mit 31 Künstlernamen aus der Zeit um 1760, die er als eine ‚Wunschliste‘ für die Sammlung interpretiert. Es handelt sich hierbei um den Entwurf einer idealen Sammlungskonzeption. Darüber hinaus spiegelt die Auflistung die persönlichen Interessen, aber auch das Bildwissen sowie die Kennerschaft der Sammlerin.1029 Mit der Einordnung der Liste als einer idealen Sammlungskonzeption steht sie Tischbeins Auflistung eines guten Kabinettes sehr nahe. Auch der Umfang mit 31 bzw. 33 Künstlern ist fast identisch. 300 Rezeption

Die Liste von Karoline Luise von Baden besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil nennt folgende Künstler: Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck, Rembrandt, Caspar Netscher, Frans und Willem van Mieris, Adriaen van der Werff, Gerard Dou, Eglon van der Neer, Aert van der Neer, Gerard ter Borch, Adriaen van Ostade, David Teniers d. J., Adriaen Brouwer, Jan van Huysum, Jan Davidsz. de Heem, ##, Rachel Ruysch, Gabriel Metsu, Philips Wouwer­ man, Hamilton, Abraham Mignon, Nicolaes Berchem. Der zweite Teil umfasst die Künstler: Johann Heinrich Roos, Paulus Potter, Adriaan van de Velde, Cor­ nelis Saftleven, Hans Rottenhammer, Brueghel, Jan Weenix, Paul Bril.1030 Von den 31 dort genannten Malern finden sich 19 Maler auch auf Tischbeins Wunschliste – eine Übereinstimmung von zwei Dritteln der Künstler ist er­ staunlich.1031 Lediglich elf Künstler – Netscher, W. van Mieris, E. van der Neer, A. van der Neer, Ruysch, de Hamilton, Mignon, Roos, Saftleven, Weenix und Bril – stimmen nicht mit Tischbeins idealem Kabinett überein.1032 Zu den von Tischbein favorisierten Künstlern, an denen Karoline Luise laut ihrer Wunsch­ liste wiederum kein explizites Interesse hatte, zählen: Cuyp, Neefs, W. van de Velde, Bakhuizen, van Slingelandt, Schalken, Lievens, de Hondecoeter, van Poelenburch, Elsheimer, Snijders, Both und de Lairesse. Dies stimmt jedoch nicht mit ihrer späteren tatsächlichen Sammeltätigkeit überein, denn ihre Sammlung umfasste durchaus Werke von Schalken, van Slingelandt, de Hon­ decoeter, van Poelenburch oder Both.1033 Betrachtet man die Zusammensetzung der Sammlungskonzeption ge­ nauer, so ergibt sich folgendes Bild: „Abgesehen von drei deutschen Künstlern – Abraham Mignon, Johann Heinrich Roos und Hans Rottenhammer – wer­ den ausschließlich niederländische Meister genannt. Die Großmeister Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck und Rembrandt Harmensz. van Rijn stehen an der Spitze. Die folgenden Künstlernamen notierte Karoline Luise nach Bildgattungen und stilistischen Merkmalen geordnet. An zweiter Stelle steht die feinmalerische Schule mit Netscher, Frans und Willem van Mieris, Adriaen van der Werff und Gerard Dou, eng gefolgt von den thematisch nahestehen­ den Spezialisten für das gehobene Interieur mit Eglon Henrik van der Neer, Gerard ter Borch und Gabriel Metsu. Karoline Luise hatte Interesse an den Vertretern des Bauern-Genres, darunter Adriaen Brouwer, Adriaen van Ostade und David Teniers d. J. Als Repräsentanten des Stilllebens notierte sie sich Jan Davidsz. de Heem, Jan van Huysum, Rachel Ruysch und Abraham Mignon. Für die holländische Landschaftsmalerei nannte Karoline Luise Aert van der Neer und Cornelis Saftleven, wobei sie Paul Bril und vor allem Nicolaes Berchem als Spezialisten für die italianisierende Landschaft interessierten. Jan Weenix, Paulus Potter, Philips Wouwerman und Adriaen van de Velde stehen für das Tierbild oder Szenen mit Hirten, Reitern und Soldaten in Land­ Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 301

121 Unbekannt: Trans­ portliste von Landgraf Wil- helm VIII. von Hessen-Kassel, Teil 2, 1758, Museumsland­ schaft Hessen Kassel

schaft.“1034 Diese Zusammenfassung von Max Tillmann erinnert stark an die Zusammensetzung von Tischbeins niederländischem Kabinett, jedoch blei­ ben 8 Künstler ohne Zuordnung. Daraus ergäbe sich folgendes Sammlungs­ profil: 35 % Genre, je 13 % Landschaft, Stillleben und Tiere sowie 26 % Andere – sofern keine Künstler den Gattungen Historie und Portrait zugeordnet wer­ den. Damit läge der Anteil der Genremalerei im Wunschkabinett der Mark­ gräfin sogar noch ein wenig höher als in jenem von Tischbein. Vergleicht man die erstellte Wunschliste mit dem schließlich verwirk­ lichten Malereikabinett von Karoline Luise von Baden gemäß dem ‚Melling- Inventar‘, das 1784 nach dem Tod der Markgräfin erstellt wurde, sowie mit der Rekonstruktion ihres Malereikabinettes, so finden sich dort 24 der 31 302 Rezeption genannten Künstler wieder.1035 Während die Wunschliste 19 Übereinstim­ mun­gen mit Tischbeins idealem Kabinett aufwies, können für das tatsächlich realisierte Kabinett von Karoline Luise sogar 22 Übereinstimmungen angeführt werden.1036 Wie bereits im Kontext der Niederländer-Sammlerin Markgräfin Karo­ line Luise von Baden zitiert, so ist auch von Landgraf Wilhelm III. von Hes­ sen-Kassel eine Wunschliste überliefert, die in diesem Zusammenhang von Interesse ist und zum Vergleich herangezogen werden soll. Hierbei handelt es sich um eine zweiteilige Liste mit 41 Gemälden – den ‚Lieblingswerken‘ des Landgrafen –, die ihn im Jahr 1758 in sein Exil nach Rinteln begleiten sollten, als Kassel erneut im Siebenjährigen Krieg von französischen Truppen besetzt wurde (Abb. 121).1037 Diese Transportliste verrät viel über die Vorlieben des Landgrafen, auch wenn zu bedenken ist, dass für den Transport nur kleinfor­ matige Werke der Sammlung geeignet waren. Unter den 41 gelisteten Werken befanden sich 36 Gemälde von niederländischen Künstlern – darunter 30 hol­ ländische und 6 flämische Maler. Prominent vertreten war Philips Wouwerman mit neun Werken, gefolgt von Gerard Dou mit fünf Gemälden, je drei von Adriaen van Ostade und Adriaen van der Werff und je zwei von Adriaen Brou­ wer, Frans van Mieris, Rembrandt Harmensz. van Rijn, David Teniers d. J. und Pieter Cornelisz. van Slingelandt. Hinzu kommen ferner mit jeweils nur ei­ nem Werk Peter Paul Rubens, Pieter Brueghel d. Ä., Herman Saftleven, Gabriel Metsu, Jan van der Heyden und der eher unbekannte flämische Künstler Pie­ ter Gijsels (1621–1690).1038 Neben den zahlreichen niederländischen Malern waren nur vier italienische Künstler – Carracci, Maratti, Raffael und Tizian – sowie mit Elsheimer ein deutscher Künstler Teil des Exilkabinettes.1039 Zu den ausgewählten Werken zählt bspw. das berühmte Gemälde Pan und Syrinx von Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä., das um 1617 in ein­ drucksvoller Zusammenarbeit entstanden ist (Abb. 122). Leider befinden sich von dieser erlesenen Auswahl von 41 Gemälden heute nur noch 14 Werke in der Kasseler Gemäldegalerie.1040 Neben dem Gemälde von Rubens und Brueghel sind dies von Philips Wouwerman die Werke Der große Pferdestall, Vier Reiter beim Hufschmied, Bauer beim Entladen eines Pferdekarrens, Die Hirschjagd, Ge- fecht zwischen Fußsoldaten und Reitern und Kampf zwischen Europäern und Orien­ talen. Hinzu kommen Das Rheintal bei Erbach im Rheingau von Herman Saft­ leven, Bauern in einer Sommerlaube von Adriaen van Ostade, die Kartenspielen- den Bauern und das Gegenstück Zechende Bauern von David Teniers d. J., die damals Adriaen Brouwer zugeschrieben waren, ferner die Raffael-Kopie Die Heilige Familie mit dem Lamm und das heute Agostino Massucci zugeschriebe­ ne Gemälde Die heilige Familie mit dem kleinen Johannes dem Täufer.1041 Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 303

122 Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä.: Pan und Syrinx, um 1617, Museumsland­ schaft Hessen Kassel

Vergleicht man die Künstler dieser Liste mit jenen, die Tischbein für ein ideales Kabinett niederländischer Malerei anführt, so fallen einige Über­ einstimmungen auf. Lässt man die vier italienischen Künstler in Wilhelms Exilkabinett außen vor, so stimmen zwölf niederländische und ein deutscher Künstler mit Tischbeins niederländischem Wunschkabinett überein. Dies sind: Wouwerman, Dou, van Ostade, van der Werff, van Slingelandt, Brouwer, ­Teniers, van Mieris, Rembrandt, Rubens, Brueghel, Metsu sowie Elsheimer. Nur Saftleven, van der Heyden und Gijsels finden sich nicht im Tischbein’schen Kabinett wieder. Mit beiden Listen korrespondierend waren bereits Gabriel Metsu mit der Cisterspielerin (vgl. Abb. 97) und von Adriaen Brouwer bzw. David Teniers d. J. die Kartenspielenden Bauern (vgl. Abb. 96) Teil der exem­ plarischen Rekonstruktion. Auch Tischbein hat selbstverständlich seine ‚Lieblingskünstler‘ und ‚Lieblingswerke‘ in der Kasseler Sammlung und benennt diese im Manuskript seiner Lebenserinnerungen: „Hir war ein kleines Bild von Rubens Pan und Sirings, wo Pregel den hinder grunt gemahlt hatte. das Schilf mit den Blumen und das rohr war wunderns würdig schön gemahlt. Ein klein Bild von Rem­ brand. wie die drey Marien zum Grab Christi komen. und ein Engel siz auf den abgewelzten stein. das weisse gewandt mit der Klarheit und himlische 304 Rezeption licht was ihn um floss, war wie hin gezaubert, es war eine wunders würdige Maja und Efeckt in dem Bild. Ein Bild von Schlingeland, wo eine Mutter siz und nehet, und neben ihr stehet eine Wiege, wo das darin liegente Kind eben erwacht, und die Mutter ansiehet, gehert mit unter die besten Bilder diesses Kabinets. Ein Bild von Wauwerman, eine Blinderung, es brend eine Stad und Kirche, die Pfaffen werden heraus geführt und mis handelt, ein Soltad hatt eine Pfaffe bey den ohren und führt ihn zu dem befehlhabendn oficir. und viele figure, wo man alle greuel einer blinterung siehet. eine frau liegt über dem leihnam ihres Gatten und ein Soldat blaut ihr den rücken. es ist aus sei­ ner ersten Manir, und ist das volkomenste was ich gesehen. es ist zum erstau­ nen was der Mensch kann. die Gesichter sind nicht viel grosser als eine grose Erbse, und sahe man hindruch ein vergroserungs Glass. so glaubte man einen Kopf von Rubens zu sehen, mit eben so seinem feuer und Geist.“1042 Tischbein bespricht hier zunächst einige Werke ausführlicher. Zuallererst das Gemälde Pan und Syrinx (vgl. Abb. 122) von Rubens und Brueghel, das bereits Teil des Exilkabinettes von Wilhelm VIII. war. Das erwähnte Rembrandt-Gemälde Der auferstandene Christus erscheint Maria Magdalena befindet sich heute in der Royal Collection im Buckingham Palace in London.1043 Bei dem Bild von ­Slingelandt scheint es sich um ein Werk aus der Sammlung Röver zu handeln, das im landgräflichen Inventar als „Kindje in de iege“W sowie im Röver’schen Inventar als „een extra konstig cabinet stukje van Slingeland, verbeeldende een kindje in de wieg leggende te kijken na de moder, die daar bij zit te nai­ jen“ bezeichnet ist und zu den Gemäldeverlusten zählt. Gleiches gilt für den „Kerkroof“ von Wouwerman, der ebenfalls aus der Sammlung Röver stammt und sich nicht mehr in der Kasseler Sammlung befindet.1044 Es folgt eine Aufzählung von weiteren Kasseler Werken – zitiert aus den publizierten Lebenserinnerungen: „Die Galerie war außerdem noch an­ gefüllt mit vortrefflichen Meisterwerken, von Rubens: ‚Mars und Viktoria‘, ­‚David‘; von Rembrandt: ‚Jakob segnet seine Söhne‘, ‚Goliath wird gefangen‘, ‚Frauenporträt mit einem Kragen‘, zwei Landschaften; von Giordano: ‚Ein ­Familienstück‘, ‚Ein Satyr‘, ‚Jupiter als Kind, von der Ziege gesäugt‘; von Schal­ cken: ‚Ein Nachtstück‘; ein Wouwerman; von Potter Bilder in Lebensgröße: ‚Die pissende Kuh‘, ‚Die verkehrte Welt‘, ‚Eine Mühle‘, ‚Spielende Kinder‘; ein A. Cuyp; von Heemskerck: ‚Die Taufe Christi‘; von Rosa da Tivoli: Familien­ porträts; von Melchior Roos: ‚Die Menagerie‘; ein Lairesse; von Teniers: ‚Schüt­ zengesellschaft von Antwerpen‘ (400 Figuren).“1045 Mit dieser Auflistung ge­ sehener Werke dokumentiert Tischbein zugleich den ehemaligen Gemälde­ bestand mit verschiedenen Verlusten aus napoleonischer Zeit. Der Triumph des Siegers von Rubens (vgl. Abb. 76), der Mars und Victoria zeigt, gehört noch heute zu den Hauptwerken der Sammlung, wohingegen der im Inventar Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 305 verzeichnete „König David auf der Harpfe spielend nebst 5. Engel“, ebenfalls von Rubens, verloren ist.1046 Eindeutig identifiziert werden kann ferner das bedeutende Werk Jakob segnet Ephraim und Manasse von Rembrandt Har­ mensz. van Rijn (vgl. Abb. 74). Bei den Rembrandt’schen Landschaften kann auf die Winter­landschaft sowie die Flusslandschaft mit Windmühle verwiesen werden.1047 Mit „Giordano“ dürfte nicht etwa der italienische Künstler Luca Giordano gemeint sein, sondern aufgrund der genannten Sujets der flämische Künstler Jacob Jordaens mit den Gemälden Der Künstler mit der Familie seines Schwiegervaters Adam van Noort, Der Satyr beim Bauern und Die Kindheit des ­Jupiter.1048 Das Nachtstück von Schalken könnte auf Die büßende Magdalena, einen Totenkopf haltend (vgl. Abb. 107) hinweisen. Die Formulierung „ein Wou­werman“ verwundert hingegen angesichts der zahlreichen Gemälde ­dieses Künstlers in Kassel, wobei Tischbein zuvor bereits den Kirchenraub näher beschrieben hat. Die von Paulus Potter zitierten Werke gehören zu den Verlusten, können aber im Falle der Pihseden Koe, der Fabeln, die eine ­ver­kehrte Welt zeigen, sowie der Waatermool im Inventar nachgewiesen und zugleich der Sammlung Röver zugewiesen werden.1049 Die Taufe Christi, im Inventar von 1749ff als „Hemskerken Martin. Die Taufe Christi von Johannes in einer Landschaft“ verzeichnet, wird heute Jacob de Backer zugeschrie­ ben.1050 Die Menagerie des Landgrafen Carl, das im Format größte Werk der Kas­ seler Gemäldegalerie, dürfte Tischbein, der selbst Tiere der Menagerie gemalt hat, wie er schreibt, besonders in­teressiert haben.1051 Schließlich erwähnt er Die Schützengilde Oude Vietboog in Antwerpen, im Inventar als „Ein Aufzug der Schützen-Compagnie in Antwerpen“ bezeichnet, die sich heute in der Ere­ mitage in St. Petersburg befindet.1052 Im Originalmanuskript der Lebenserinnerungen von 1811 bricht der Fließtext nach der Beschreibung der Werke von Rubens, Slingelandt und Wouwerman ab und auf der folgenden Seite findet sich die zuvor nach Mittel­ städt zitierte Auflistung als einseitige Liste in zwei Spalten – eine mit nieder­ ländischen, eine mit italienischen Werken (Abb. 123). Dort ist zu lesen: „Die Galleri war auch angefüld von vortrefligen Meister wercke. / Rubens Mars und die Vitoria / R. Davit. / Rebrand. jacob segnet seine 40 / R. Goliat ward gefan­ gen. / R. Frauen Portratt mit ein Kragen / [Einschub: ein Kopf mit dem Helm.] / R. 2 Landschaften. / V. Deick Portate / Holbein sein familige / Jordans Fami­ lige / J. Satir. / J. Jubiter als kin Ziege / Schalcken. Nachtstük / Berghtim. 2 / Wauwerman 40 / Potter. Lebensgrosse / P pissete Kuh. / P. verkete welt. / P Müle / P. spielete kinde. / P. # karen. / A. Keip. / Hemskerck Taufe Christi / Roos da Tivoli familien Portrette / Melchior Roo. die Menageri / Lairesse. / sein Meister #. Barthold Flemael / D. Teniers. schizengeselschaft v. Antwepen 400 figurn.“1053 Das frühe Manuskript entspricht inhaltlich weitestgehend der 306 Rezeption

123 Johann Heinrich ­Wilhelm Tischbein: Original­manuskript der ­Lebenserinnerungen, Aus­ schnitt, 1811, Landes­ museum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

Publikation, jedoch offenbaren sich auch einige erwähnenswerte Abweichun­ gen. In der publizierten Auflistung fehlen bspw. Portraits von van Dyck, ein Familienbildnis von Holbein sowie der Künstler Nicolaes Berchem. Die Manu­ skript-Liste bestätigt zudem die zuvor geäußerte Vermutung, dass es sich um Jacob Jordaens handeln muss, dessen Name in den publizierten Lebenserin­ nerungen zu „Giordano“ verfälscht worden ist. Außerdem ist im Maunskript nicht nur von „ein[em] Wouwerman“ die Rede, sondern hinter dem Künstler­ namen befindet sich die Zahl 40, ebenso hinter Rembrandt. Auch wenn diese Zahlen etwas zu optimistisch ausfallen, so kennzeichnet Tischbein hier zwei der größten Konvolute innerhalb der Kasseler Sammlung. Vergleicht man nun wiederum die Künstler des Tischbein’schen idea­ len Niederländer-Kabinettes mit jenen der Gemäldeliste der Kasseler Samm­ lung, so stimmen acht bzw. zehn Künstler – Rembrandt, Rubens, Wouwer­ man, Cuyp, Teniers, Potter, Schalken, Brueghel, de Lairesse sowie van Dyck und Berchem – überein. Neu hinzu kommen Jacob Jordaens, Maarten van Heemskerck sowie der deutsche Künstler Johann Melchior Roos. Statt mit Ein ideales Kabinett niederländischer Malerei 307

Rembrandt, Rubens und Dou beginnt Tischbeins Beschreibung der Highlights der Kasseler Sammlung mit Rubens, van Slingelandt und Wouwerman bzw. mit Rubens, Rembrandt und Jordaens. Welche niederländischen Künstler von Tischbein besonders geschätzt werden, wird hier deutlich. Will man abschlie­ ßend auch noch das Röver’sche Kabinett, das seit 1750 Teil der Kasseler Samm­ lung war, mit dem Tischbein’schen Kabinett in Beziehung setzen, so finden sich auch hier zahlreiche Übereinstimmungen mit Künstlern wie Rembrandt, Rubens, Dou, van Mieris, Wouwerman, van Ostade, de Heem, van Huysum, Potter, van de Velde, van Slingelandt, Schalken, van Dyck, Lievens, Brueghel, van der Werff, Snyders und Lairesse. Mit diesem letzten Verweis schließt der – vielleicht etwas zu sehr strapazierte, aber für eine adäquate Einordnung wichtige – Vergleich von Sammlungen und Künstlerlisten, der einen weiteren wesentlichen Aspekt des Sammelns leicht vergessen lässt, jenen des ‚Unter­ haltungswertes‘ von Kunstsammlungen. Tischbein äußert sich verschiedentlich darüber, wie angenehm und unterhaltend ein niederländisches Kabinett sein kann. Im ersten Manuskript von 1811 schreibt er: „Es ist sehr angenehm mit aus wahl eine Samlung hol­ landischer Bilder zu haben, ein Kabinet vol davon zu haben ist sehr unterhal­ tend.“1054 Und im Manuskript von 1824 werden diese Überlegungen weiter ausgeführt: „Es ist sehr angenehm eine ausgewählte Sammlung Holländischer Bilder zu besitzen – Ein Cabinet davon ist sehr unterhaltend: denn sie haben aus der Natur sehr viele erfreuliche Gegenstände herausgehoben, und auch aus dem geschäftigen Leben und Treiben der Menschen. Es sind einige Maler gewesen, die man selten nennen hört; hingegen hört man die öfter nennen, welche eine vorzügliche Geschicklichkeit im Pinsel hatten, womit sie die Liebhaber anzogen.“1055 Daraus wird schließlich in der publizierten Version der Lebenserinnerungen: „Wie unterhaltend ist dagegen eine holländische Bilder­sammlung schon der vielen erfreulichen Gegenstände wegen, die aus der ­Natur, aus dem geschäftigen Leben der Menschen und ihrem Treiben ­herausgehoben sind.“1056 Mit den angesprochenen erfreulichen Bildgegen­ ständen betont Tischbein erneut die Bedeutung der Genremalerei, die auch im Rahmen seines idealen Kabinettes niederländischer Malerei, wie gezeigt, eine zentrale Rolle einnimmt. Dies erscheint insofern signifikant, als immer wieder gerne darauf verwiesen wird, dass die Niederländer mit der Genre­ malerei im Speziellen und der Malerei des ‚Goldenen Zeitalters‘ im Allgemei­ nen ein Portrait ihrer selbst sowie ihres Landes geschaffen haben.1057 Das zum Ausdruck gebrachte Interesse an der Unterhaltung, dem Angenehmen, dem Vergnügen und der Freude als signifikantem Bestandteil der Kunstbetrachtung ist bereits aus dem 17. Jahrhundert bekannt – unter dem Motto ‚docere et delectare‘ bzw. ‚tot lering en vermaak‘.1058 So wird auch in allen Tischbein’schen 308 Rezeption

Formulierungsvarianten der ‚Unterhaltungswert‘ einer Sammlung nieder­ ländischer Kunst übereinstimmend betont. Den Geist der Aufklärung, der zu­ gleich in einer ­solchen Formulierung steckt, hat keiner treffender ausgedrückt als Christoph Martin Wieland (1733–1813), der 20 Jahre ältere Zeitgenosse Tischbeins: „Ergetzen ist der Musen erste Pflicht, doch spielend geben sie den besten Unterricht.“1059

4.3 Anmerkungen

Abkürzungen GAM Gemäldegalerie Alte Meister LMO Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg MHK Museumslandschaft Hessen Kassel SAB Stadtarchiv Braunschweig SKK Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

795 Holtzhauer/Schlichting 1974. Der Schicksalsgemeinschaft sowie dem Verhältnis der Manuskripte von Tischbein und Meyer zueinander ist zudem ein eigenes Kapitel dieser Arbeit gewidmet. Vgl. Kapi­ tel 4.1.2. 796 Mittelstädt 1956, S. 95. In den Manuskripten von 1811 und 1824 weichen die Formulierungen hiervon ab. Die Publikation zeigt eine neue Zusammenstellung der Tischbein’schen Gedanken und gibt den Text in veränderter Form wieder. 797 Hiermit ist eine wichtige Besonderheit der niederländischen Malerei benannt, die bspw. auch als ‚Alleinstellungsmerkmal‘ bezeichnet wird. Die Rede ist vom holländischen Realismus, der sich für die alltäglichen Dinge interessiert, womit jedoch keine exakte Wiedergabe der Wirklichkeit ge­ meint ist. Vgl. Kat. Hamburg 2017, S. 37. 798 LMO, PT 833, o. S. Im Manuskript von 1811 heißt es an dieser Stelle: „Man schäz die holländische Mahler ihre werke, weil sie die nathur so treu nach ahmten, und ihren fleis mit dem sie ihre bilder ausführten, wem dieses nur das eizige ist das ihn anzieht, der hatt ihre werke nur überflächlig be­ trachtet. und hatt den Geist und die Seelen würkung unbeachtet über sehen.“ Ebda., PT 26, S. 26. Tischbein notiert ferner auf einer Archivalie: „[H]ollandische Mahler werke in zeit des Krieges und des druckes mit einer ruhe und fröhligkeit des geistes gemacht, wo einen das anschauen erheitert. mit ruhe der seele und munterkeit des geistes […].“ Ebda., PT 1277. 799 Zum Aspekt des Vergnügens in der niederländischen Kunst vgl. Kat. Hamburg 2004, Kat. Amster­ dam/Washington 1996, Etzlstorfer 1993, Alpers 1975. 800 Die Entwicklungen können derart skizziert werden: „1567 drang der Herzog von Alba mit einem spanischen Heer in die Niederlande ein. Ab 1568 brach ein achtzigjähriger Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden aus. Wilhelm von Oranien und seine Brüder versuchten, die Spanier aus den Niederlanden zu verdrängen. Erst seinem Sohn Moritz von Oranien gelang es 1598, die Spanier aus den Vereinigten Provinzen (den nördlichen Niederlanden) zu vertreiben. Die Eroberung der südli­ chen Niederlande misslang. Vor dem Abschluss des Westfälischen Friedens anerkannten – in einem Vertrag vom 30. Januar 1648 – Spanien und der Kaiser die Unabhängigkeit der Niederlande. Die südlichen Niederlande verblieben als Spanische bzw. Habsburgische Niederlande für die nächsten 149 Jahre zuerst bei Spanien und danach bei Österreich.“ Stahel 2004, S. 73, vgl. ferner North 2008. Hier insbesondere die Kapitel Der Aufstand der Niederlande und Das Goldene Zeitalter der Niederlande, S. 22–36, 37–65. 801 LMO, PT 26, S. 27, vgl. Mittelstädt 1956, S. 95. Als Beispiel führt Tischbein verschiedene Darstel­ lungen von Bauernhochzeiten an. Vgl. hierzu ferner Dohe 2018, S. 79. Anmerkungen 309

802 Das Werk wurde 1750 von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel zusammen mit dem Kabinett von Valerius Röver angekauft. Zur Provenienz vgl. Lange/Kuss/Rehm 2017, S. 20f. Zu Jan Steen vgl. Kat. Amsterdam/Washington 1996. Zum Brauchtum und Motiv Fest des Bohnenkönigs vgl. Fugger 2007. Vgl. hierzu ferner Stefanie Rehm: Verkehrte Welt am Dreikönigstag. Zum Motiv Fest des Bohnen- königs in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts, Magisterarbeit Hamburg 2011, betreut von Charlotte Schoell-Glass. 803 Auch Max J. Friedländer stellt am Beispiel von Jan Steen Humor und Maltechnik einander gegen­ über: „Wie das Sachinteresse strömte die Fabulierlust in die Malkunst ein. Jan Steen war nicht un­ gestraft ein witziger Menschenkenner und erfindungsreicher Komödiendichter. An ursprünglichem Talent keinem Zeitgenossen und Landsmanne nachstehend, hat er als Maler die gleichmäßige Meisterschaft nicht erreicht oder wenigstens nicht festzuhalten vermocht, mit der ein taktvoll sich beschränkender Maler wie G. Terborch gestaltete. Überlaut und überdeutlich erzählend, belustigend und unterhaltend, opferte Steen oft die Gewissenhaftigkeit der Ausführung.“ Friedländer 1957, S. 23. 804 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 247. 805 LMO, PT 833, o. S., vgl. PT 26, PT 1951, Mittelstädt 1956, S. 96. 806 Das Werk wurde 1752 von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel für die Kasseler Sammlung erworben. MHK, GAM, GK 421. 807 Verwiesen sei an dieser Stelle auf die Publikation Wolkenbilder – Die Entdeckung des Himmels, Kat. Hamburg/Berlin 2004. Zur Bewertung der Landschaftsmalerei im 18. Jahrhundert in verschiedenen Quellentexten vgl. Busch 1997. 808 Für diese Entwicklung können die Delfter und Amsterdamer Inventare angeführt werden, welche von John Michael Montias und Michael North analysiert wurden. War die Historienmalerei in Delfter Inventaren um 1620 noch mit 44 % vertreten, sank sie um 1650 auf 26 % und schließlich um 1690 auf 16 %. Im Gegensatz dazu stieg die Landschaftsmalerei von 24 % um 1620 auf 41 % um 1790 an. Ähnliches lässt sich für die Amsterdamer Inventare konstatieren. In den Amsterdamer Sammlungen sank die Historienmalerei von 47 % um 1620 auf 12 % um 1690 und die Landschafts­ malerei stieg im selben Zeitraum von 20 % auf 36 % an. North 2006a, S. 291, vgl. ferner Michalsky 2011, S. 199–215, Montias 1991, Montias 1987, Chong 1987. 809 LMO, PT 833, o. S. 810 LMO, PT 1951/24 verso, vgl. Mittelstädt 1956, S. 96f. Korrespondierend lässt sich hier die Be­ wertung von Cornelis van Poelenburch aus der Feder von Johann Heinrich Meyer anführen: „[…] dessen Gemälde, meistens von kleinem Umfang, liebliche Einsamkeiten darstellen, von schön bewachsenen Ruinen eingefaßt, und man bleibt unentschieden, ob der warme liebliche Ton der Landschaft oder die gut gezeichneten und zart ausgeführten Figuren mehr Bewunderung ver­ dienen.“ Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 239f. 811 LMO, PT 26, S. 28, vgl. Mittelstädt 1956, S. 99. 812 Auf diesen Aspekt geht auch Johann Heinrich Meyer in seiner Geschichte der Kunst ein: „Kein Maler hat Licht und Schatten so bizarr und zu so unerwartet großen Wirkungen anzuwenden verstanden wie Rembrandt und keiner besser als er die Gegenstände voneinander abzulösen, die sie umgeben­ de Luft anzudeuten. […].“ Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 237. 813 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Winterlandschaft, 1646, Öl auf Eichenholz, 16,6 x 23,4 cm, MHK, GAM, GK 214. Beide Werke wurden vermutlich 1752 (evtl. von Gerard Hoet d. J. in den Haag) für Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel erworben. MHK, GAM, GK 241, GK 249. 814 LMO, PT 833, o. S. In ähnlicher Formulierung findet sich diese Textpassage auch bereits im Manu­ skript von 1811: „Es liegt also nicht am klima wie einige meinen. die warme Sonne schaffe nur den feurigen geist. Nein es liegt am Geist der Zeit. Damals war alles mit geist belebt in Holland. ihre Helden schlugen mit wenig volk zahlreiche frund. und bey alle diesse kriegerischen Zeiten war der geist in so hoher Kraft, das werke der Kunst geliefert worden die in erstaunen sezen. ja die Kunst war so ausgebreiden das die Sohne von taglohner grosse Künstler worden. und zu allen Ständen wachten grose Mäner aus der geringn Volks menge auf, zu helden, und Stads mäner und Künstlern und Kaufleide. was für grose Undernehmungen haben sie damals ausgeführt, was für weisse geseze u. d. g.“ Ebda., PT 26, S. 27. 815 Über die Blüte der niederländischen Kunst und die Impulsfunktion, die von Künstlern wie Rubens ausging, äußert sich bspw. auch Johann Heinrich Meyer in seiner Geschichte der Kunst: „Zur Zeit, da Rubens blühte (das ist zu Anfang des 17. Jahrhunderts), sonder Zweifel durch die Mannigfaltigkeit 310 Rezeption

seiner Werke vielseitig aufgeregt, erhielt die Niederländische Malerschule ihre Ausbildung, und man bemerkt ein außerordentlich tätiges Regen in allen von ihr angebauten Fächern […].“ Holtz­ hauer/Schlichting 1974, S. 236. 816 Zu den Schriften von Johann Joachim Winckelmann siehe Meyer/Schulze 1809–1815, vgl. ferner Haupt 2014, Roettgen 2013. 817 Meyer/Schulze 1809–1815, Bd. 3, S. 53f. 818 Meyer/Schulze 1809–1815, Bd. 3, S. 58. 819 Vgl. hierzu ferner den Aufsatz Klima- und Kulturtheorien der Aufklärung, Fink 1998. 820 Herder 1784–1791, 2. Teil, 7. Buch, VII.3. 821 Herder 1784–1791, 2. Teil, 7. Buch, VII.3. 822 Herder 1784–1791, 2. Teil, 7. Buch, VII.3. 823 Herder 1784–1791, 2. Teil, 7. Buch, VII.5. Zu Herders Einordnung und Bedeutung im Kontext der Klimatheorie vgl. bspw. Müller 2005, Fink 1987. 824 LMO, PT 833, o. S. Auch Georg Forster bringt das Kriterium des „aufgeklärten Geistes, der sich für ihn sowohl bei den niederländischen Malern als auch bei den Käufern oder allgemein den Rezi­ pienten zeigt“, ins Spiel, worauf Martina Sitt hinweist. Weiter heißt es: „Den ‚aufgeklärten Geist der Niederländer‘ beobachtet Forster bei den Zeitgenossen vor Ort – auf der Straße, im Hafen, im Theater. Er charakterisiert ihn, indem er seine Einschätzung der Lebensumstände zu seiner Zeit wiedergibt. Forster schildert dieses Land als eines der Zentren der Wissenschaften, der aufblühen­ den Universitäten, der beachtlichen Naturalienkabinette und der Kunstsammlungen, als ein Land, in dem die wissenschaftliche Aufklärung große Forschritte gemacht habe.“ Sitt 2013, S. 188. 825 Anonym 1814, S. 28. Weiter heißt es: „Wer daher so glücklich ist, die Begriffe und Stimmung des Volks zu leiten, ist Herr über den Geist der Zeit; und wer sie auf einen gewissen Normal-Punkt zu führen, und zu fixieren verstehet, kann ihn unveränderlich machen, und dadurch ein wahres un­ veränderliches Volksthum erschaffen.“ Ebda. 826 Saacke 1844, S. 18. 827 LMO, PT 833, o. S. Ebenso im Manuskript von 1811, ebda., PT 26, S. 27f. Zur sozialen Herkunft der niederländischen Maler im 17. Jahrhundert, wozu Maler, Kunsthändler, Stecher, Glasmacher, Gold- und Silberschmiede, Juweliere, Handwerker, Gastwirte und Kaufleute zählen, vgl. North 2001, S. 61. 828 Mittelstädt 1956, S. 98. Dieser Part ist zu Teilen auch im Manuskript von 1824 zu finden: „Adrian Brauer war der Sohn eines Torfträgers, Van der Werf war ein Schneiders Sohn, doch seiner Kunst wegen zum Ritter erhoben worden.“ LMO, PT 833, o. S. 829 Strauß/Haß/Harras 1989, S. 729. 830 LMO, PT 833, o. S. 831 LMO, PT 833, o. S. 832 LMO, PT 833, o. S. 833 Huizinga 2007, S. 10. Einige Seiten später kommt Huizinga nochmals darauf zurück und bringt Tischbeins Punkte des Zeitgeistes und des Erstaunens zusammen: „Wieder meldet sich sogleich ­jenes noch ungeschwächte Erstaunen: wie hat ein so kleines Gebiet – das nicht einmal eine von alters her gegebene geographische Einheit bildet, da doch seine Weide und seine Heide, sein Wasser und sein Ackerland so verschieden voneinander waren, – wie hat es sich in einer einzigen Zeitspan­ ne zu einem Staat erheben und zugleich eine Nation, die erst im Rahmen dieses neuen Staates zu vollem Wachstum kam, hervorbringen und dabei noch eine Kulturform entfalten können, deren stark markierte Eigenheit über einen großen Teil Europas ausgestrahlt und die einen sehr gewich­ tigen Typus des Zeitgeistes dargestellt hat?“ Ebda., S. 16. 834 Huizinga 2007, S. 197. 835 LMO, PT 26, S. 27, vgl. PT 833, o. S., Mittelstädt 1956, S. 95. Auf das Kriterium der Lebendigkeit geht Tischbein auch an anderer Stelle ein: „Ich worde von einem Vorsteher des armen Männer- und-Weiber-Haus geführt, wo ich ihm sein Portrat malen muste. den jeder Vorsteher mus sich da mahlen lassen. Hir sahe ich auch vortreflige Bilder besonders eins von vander Helste besonders war ein Kopf darauf der zu leben schin, die Lippe war zum anfassen nathürlig. Sie haben grose Portrat mahler gehabt, worunder auch der Franz Hals gehort.“ LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 89f. 836 Das Werk wurde 1749 von der St. Georgs-Schützengilde in Antwerpen durch die Vermittlung von Gerard Hoet d. J. in Den Haag für Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel erworben. MHK, Anmerkungen 311

GAM, GK 91. Auch Johann Heinrich Meyer betont in einem ausführlichen Eintrag in seiner Geschichte­ der Kunst die Bedeutung von Rubens. Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 235. 837 LMO, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 95. 838 LMO, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 95. 839 Die Werke wurden vor 1749 bzw. um 1755 von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel erwor­ ben. MHK, GAM, GK 216, GK 219. 840 LMO, PT 833, o. S., vgl. ebda., PT 1951/24, Mittelstädt 1956, S. 95f. 841 LMO, PT 833, o. S. 842 Vgl. hierzu Houbraken 1880, S. 46, Krems 2003, S. 108. Eine weitere Anekdote ließe sich hier er­ gänzen: „Sowohl Samuel van Hoogstraten als auch Arnold Houbraken berichten von einem Wett­ bewerb zwischen François van Knibbergen, Jan Porcellis und Jan van Goyen, in dem es darum ging, wer von ihnen in einem Tag das beste Bild malen konnte.“ Kat. Hamburg 2017, S. 37. 843 LMO, PT 833, o. S., vgl. ebda., PT 1951/24, Mittelstädt 1956, S. 95. 844 Das Werk wurde 1752 von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel erworben. Zwei Marien­ darstellungen – Die Geburt Mariae und Der Tempelgang Mariae – gelten heute als Werkstattarbeiten und wurden bereits vor 1749 angekauft. MHK, GAM, GK 858, GK 903, GK 904. 845 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 278. 846 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 248. 847 LMO, PT 833, o. S. Ebenso im Manuskript von 1811, vgl. ebda., PT 26, S. 27f. In der Publikation heißt es: „Allein wie es denn geht, der menschliche Geist blüht nur eine Weile in Ländern und zeigt sich groß, dann sinkt er wieder und schläft ein wie eine Zikade, die des Morgens, eben aus der Erde geboren, sich schnell in die Höhe schwingt und auf dem Gipfel der Bäume singt!“ Mittelstädt 1956, S. 97. 848 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 209. 849 Senff 1964, Vorrede, S. 7. Folgende Einordnung kann hierzu ergänzt werden: „Auf der Grundlage breit angelegter philosophischer Betrachtungen konzipierte Winckelmann eine Geschichte der Kunst, deren Gegenstand der künstlerische Stil ist, der sich gesetzmäßig in einem komplexen ­Geflecht von politischen, religiösen, sozialen und klimatischen Bedingungen entwickelt.“ Brassat/ Kohle 2003, S. 29. 850 Prange 2004, S. 33. 851 LMO, PT 833, o. S. Ebenso im Manuskript von 1811, ebda., PT 26, S. 27f. Weiter heißt es: „Wie lange hat nicht das vortreffliche Kunstwerk den Sturz von der schönen Gruppe Menelaos wie er den Leichnam, des Patrocklos aus dem Gefechte trägt der jetzt sogenannte Pasquino wie man er­ zählt einem Schuster vor seiner Tühre gedient, das Sohlenleder darauf zu klopfen, ehe er erkannt würde, daß er etwas Besseres werth sey.“ Ebda. 852 Zum Themenkomplex Tischbein und Italien vgl. Heinz 2005, Friedrich/Heinrich/Holm 2001, Mil­ denberger 1986. 853 Winckelmann zielte auf eine Festigung seiner Argumentation und des Vorbildcharakters der über­ lieferten griechischen Kunstwerke, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass sein Anschauungsmate­ rial aus römischen Kopien statt griechischen Originalen bestand. Vgl. Prange 2004, S. 33. 854 LMO, PT 26, S. 28, vgl. Mittelstädt 1956, S. 98f. Diese Textpassage kann nicht im Manuskript von 1824 zugeordnet werden. 855 Auf dem sich zunehmend etablierenden Kunstmarkt standen den Malern jedoch verschiedene Ver­ triebswege zur Verfügung – sei es als direktes Zahlungsmittel, über die Verkaufsausstellungen der St. Lucas-Gilde, Lotterien oder Auktionen. Es entstand zudem der Beruf des Kunsthändlers, der auf verschiedenen Ebenen und Wegen geschickt agierte. Vgl. hierzu insbesondere North 2001, S. 79–99. 856 LMO, PT 26, S. 28, vgl. Mittelstädt 1956, S. 100. Am Seitenrand ergänzt Tischbein noch ein Beispiel: „[I]n der Petters Kirche in Rom haben sie ein Bild von Poussin in Mosaick gesez damit es unvergang­ lig seie, wo man menschen ausgereckt ausspard, dan ihnen mit stäbe auf den Bauch schlagt und die die Gedarme auf dem leib haspelt.“ Ebda. 857 LMO, PT 26, S. 28, vgl. PT 833, o. S., Mittelstädt 1956, S. 100. Hier ließe sich folgende Überlegung bzw. Anekdote nach Constantijn Huygens (1596–1687) ergänzen, die der Orientierung an der Na­ tur den Vorrang gibt und die italienische Kunst in ihre Schranken verweist, zumindest aus nieder­ ländischer Perspektive: „Obwohl Huygens diese schon früh zu schätzen wusste, kritisierte er Rem­ brandt und dessen Freund Lievens für ihre jugendliche Überheblichkeit, denn sie empfanden die 312 Rezeption

für aufstrebende Maler obligatorische Italienreise als reinste Zeitvergeudung. Die Anekdote ist be­ zeichned für die Art von Malerei, auf welche die beiden jungen Künstler ihren Ruhm zu gründen gedachten – nicht auf Nachahmung italienischer Vorbilder, sondern auf natürliches Talent und kompromiss­loses Studium der Natur.“ Kat. Hamburg 2017, S. 107. 858 LMO, PT 26, S. 39, vgl. Mittelstädt 1956, S. 112f. 859 Dementsprechend ist das Werk Correggios, das im Jahr 1746 in die Sammlung gelangt war, mit „il quadro nominato per tutta L’Europa La famosa notte di Correggio“ im Dresdener Inventar ver­ merkt. Den Rang als bekanntestes Werk der Sammlung sollte ihm allerdings um 1800 Raffaels Six- tinische Madonna streitig machen. Kat. Dresden 2005, S. 88. Zur Notte vgl. Steinhardt-Hirsch 2008. 860 Dämmig 2009, S. 82. 861 Seume 1962, S. 656. 862 „Johann Heinrich Meyer (1760–1832) war eine Schlüsselfigur für den kunstrelevanten Wissens­ trans­fer zwischen Weimar und den anderen Zentren des Klassizismus im deutschsprachigen Raum. Fast ein halbes Jahrhundert war er Johann Wolfgang Goethes wichtigster Ratgeber in Fragen der bildenden Kunst. Selbstlos stellte er sein Wissen und Können in dessen Dienst. […] Er war nicht nur die tragende Kraft der sogenannten Weimarischen Kunstfreunde und ihrer kunstpolitischen Bemühungen wie den Weimarer Preisaufgaben, sondern wirkte auch als Lehrer und späterer Direk­ tor der Weimarer Zeichenschule mit pädagogischem Impetus auf sein Publikum ein.“ Derart be­ ginnt die Einleitung der Herausgeber des Tagungsbandes, der auf die Tagung 20.–22.09.2012 der Klassik Stiftung Weimar sowie das gleichnamige DFG-Forschungsprojekt Johann Heinrich Meyer – Kunst und Wissen im klassischen Weimar zurückgeht. Rosenbaum/Rößler/Tausch 2013, S. 7. Zu Johann Heinrich Meyer vgl. ferner Klauß 2001. Zur Verortung der kunstgeschichtlichen Entwürfe vgl. Roett­ gen 2013. Zur Herausgabe der Werke Winckelmanns vgl. Meyer/Schulze 1809–1815. 863 Holtzhauer/Schlichting 1974. Zur Datierung des Manuskriptes 1809ff vgl. ebda., S. 8. 864 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 7. Weiter heißt es: „Hinzu kommt, daß die vier Bände, in die das von Schreibern ins reine gebrachte Manuskript aufgeteilt ist – ohne Rücksicht auf inhaltliche Zäsu­ ren, rein dem Umfang nach – kein Fragment, sondern eine völlig in sich abgeschlossene Druckvor­ lage darstellen. Dem Manuskript fehlt allerdings der gelehrte Apparat der Anmerkungen und das Künstler- und Sachverzeichnis, durch die Meyers ‚Geschichte der bildenden Künste bei den Grie­ chen‘ aus den Jahren 1824 und 1825 ebenso wie die von Fernow begonnene und dann von ihm gemeinsam mit Schulz fortgesetzte Ausgabe der Werke Winckelmanns aus den Jahren 1809–1820 sich auszeichnen.“ Ebda. 865 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 233–294, insbesondere S. 233–254. 866 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 237. Und über Cornelis van Slingelandt schreibt Meyer: „Drei ­etwas größere Gemälde dieses Meisters befanden sich ehemals in der zahlreichen und auserlesenen Sammlung von Gemälden aus der Niederländischen Schule im Residenzschloß zu Kassel.“ Ebda., S. 249. 867 Dominique-Vivant Denon (1747–1825) hatte im Jahr 1807 insgesamt 299 Werke und damit alle Hauptwerke der Kasseler Gemäldesammlung ausgewählt und beschlagnahmt. Die Werke wurden nach Paris abtransportiert und im Musée Napoléon ausgestellt. Im Jahr 1815 konnte ein Teil der nach Paris entführten Gemälde nach Kassel zurückkehren, zahlreiche Werke gingen jedoch in jener Zeit für die Kasseler Sammlungen verloren. Meyer erwähnt Rembrandts Werke Die Kreuzabnahme, die sich heute in der Eremitage in St. Petersburg befindet, sowieSaskia van Uylenburgh im Profil in reichem Kostüm, seit 1815 wieder in Kassel. 868 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 240. Als Vertreter der Landschaftsmalerei werden bspw. Jan Both, Herman van Swanevelt, Bartholomeus Breenbergh, Allaert van Everdingen und Jacob van Ruisdael angeführt. 869 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 245. Als Vertreter der Genremalerei werden bspw. David Teniers d. J., Adriaen van Ostade, Adriaen Brouwer, Jan Steen, aber auch Gerard ter Borch, Gabriel Metsu, Gerard Dou und Frans van Mieris d. Ä. angeführt. 870 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 251. 871 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 252. Im Folgenden werden die Künstler Gerard van Honthorst, Bertholet Flémalle, Gerard de Lairesse und Adriaen van der Werff genannt. 872 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 235. Die Bedeutung des Künstlers Peter Paul Rubens wird in einem umfangreichen ihm gewidmeten Eintrag deutlich. Dieser beginnt mit Rubens’ Charakterisierung als „eines Mannes, der an natürlichen Gaben zur Kunst mit den ersten Meistern um den Vorzug Anmerkungen 313

­streiten kann. Er wird als das Haupt der Niederländischen Malerschule betrachtet, hat fast in allen ­Fächern der Kunst mit vortrefflichem Erfolg gearbeitet, bei ungemeiner Gewandtheit ungemeine Tätigkeit besessen, woher es denn gekommen, daß eine große Menge Werke von seiner Hand nicht nur die öffentlichen Sammlungen der meisten europäischen Länder zieren, sondern auch sogar in Privatkabinetten gefunden werden, und obschon die Behandlung zuweilen nur flüchtig und skiz­ zenhaft ist, so haben sie doch ohne Ausnahme auf das Verdienst geistreicher belebter Darstellung Anspruch. Häufig kann die Erfindung für gut, nicht selten gar für vortrefflich gelten.“ Ebda. 873 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 236. 874 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 238. 875 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 238. Meyer fügt ein Beispiel an und vermerkt dazu: „Es ist eine der allerschönsten Arbeiten des van Dyck, und an Wahrheit und Wärme gleichen die Tinten des Flei­ sches allerdings dem Kolorit des Tizian, aber das Ganze hat doch nicht die hohe Natürlichkeit, das Gemüt, die wir in den guten Werken Tizians erblicken.“ Ebda., S. 239. 876 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 239. Meyer ergänzt die folgende Bemerkung: „Wir zweifeln zwar nicht, viele seiner Verehrer werden ihn den genannten Venezianern noch vorziehen.“ Ebda. 877 Alle drei Werke befanden sich Mitte des 18. Jahrhunderts in der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. Das Werk von Rubens wurde 1751, jenes von van Dyck vor 1749 über Gerard Hoet d. J. und jenes von Tizian 1756 ebenfalls über Hoet in Paris erworben. MHK, GAM, GK 92, GK 121, GK 488. Zu den ganzfigurigen Portraits in der Kasseler Gemäldegalerie vgl. Lange 2018. 878 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 236f. An dieser Stelle ergänzt Meyer ein ‚Aber‘: „Im Kolorit aber, in zarter Abwechslung der Töne desselben und vornehmlich in allen Künsten der Beleuchtung und der Haltung hat er sehr große Vorzüge vor jenen.“ Ebda., S. 237. 879 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 255. 880 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 255. 881 Alten 1872, S. 101. 882 Brief von Johann Heinrich Meyer an Tischbein, Weimar 27.07.1822, LMO, PT 1822. 883 Brief von Tischbein an Johann Heinrich Meyer, Eutin 07.07.1822, MHK, Graphische Sammlung, GS 22908. Der Brief beinhaltet eine Erinnerung an das unschöne Ende von Tischbeins Zeit in Nea­ pel, berichtet von einem unbeantworteten Brief an Goethe sowie von aktuellen künstlerischen Arbeiten Tischbeins. Anlass für die Korrespondenz mit Meyer war offensichtlich die ausbleibende Antwort Goethes, die Tischbein über diesen Umweg zu erhalten hoffte. 884 Goethe zitiert nach Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 11f. Ein erstes Zusammentreffen zwischen Goethe und Meyer fand 1786 in Rom statt. Zum Verhältnis von Meyer und Goethe vgl. Klauß 2001. 885 Vgl. hierzu die Publikation The Golden Age Reloaded, Kat. Luxembourg 2010. 886 Schnaase 1834, Rathgeber 1844, Kugler 1848. Tischbeins Lebenserinnerungen wurden erst 1861 – also rund zwanzig Jahre nach diesen wegweisenden Veröffentlichungen – herausgegeben. Die Vor­ lage dazu entstand jedoch bereits 1811 bzw. 1824 mit den beiden zentralen Manuskripten, sodass Tischbeins Überlegungen den angeführten Publikationen um einige Jahre vorausgingen. 887 Thoré-Bürger 1858–1860, Fromentin 1998. 888 Und mehr noch: „In einem Zeitungsartikel von 1849 pointierte Gautier sein Urteil über die flämi­ schen und niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts als: ‚treue Beobachter, starke Realisten, die unter ihrem Hell-Dunkel die Geheimnisse des Lichts besitzen […].‘“ Deckers 2010, S. 68. 889 Diese besondere Behandlung von Rembrandt gilt bspw. auch für Théophile Thoré und Les Musées de la Hollande: „Von Rembrandt und dessen Nachtwache ausgehend, erschließt Thoré dem Leser Museum für Museum und die Bilder und ihre Künstler nach Schulen, Gattungen und malerischer Zusammengehörigkeit. Aber es sind vor allem die kleinen Besonderheiten, die Thorés Betrachtun­ gen ungewöhnlich und neuartig machen: Er beschreibt eben nicht nur Erzählung und Handlung, sondern ebenso Kostüm, Interieur oder Landschaft. Er gibt Bildmaße an, macht Angaben zum Zu­ stand der Bilder und befasst sich vor allem auch mit malerischen Werten wie Licht, Farbe und Farbauftrag.“ König 2010, S. 82f. 890 Delacroix 1990, S. 88. 891 Delacroix 1990, S. 210. 892 Sitt 2010a, S. 75. 893 Sitt 2010, S. 37. 894 Zur Wiederentdeckung von Frans Hals vgl. Jowell 1989. Die Wiederentdeckung Vermeers geht auf Thoré-Bürger zurück. Vgl. hierzu Heppner 1938. 314 Rezeption

895 Fromentin 1998, S. 108. 896 Vgl. Schnackenburg 2004, S. 24. 897 LMO, PT 26, S. 29, vgl. Mittelstädt 1956, S. 101. 898 LMO, PT 26, S. 29, PT 833, o. S., Mittelstädt 1956, S. 101. 899 Im Manuskript von 1824 steht: „Zu einem guten Holländischen Cabinet gehört: Ein Kopf von Rembrandt, eine ausgeführte Skizze von Rubens, ein Bild von Gerhard Douw, ein alter Miris und Franz Miris; zwey von Wouwermann, eins von seiner ersten, und eins von seiner letzten Manier. Berghem, A. Keip, Ostade, Teniers, Brauer, Metsu, Terburg eine inwendige Kirche von P. Neef, ein Still Leben mit Früchten von De Hem, Blumen von Huysum, Ochsen von Potter, ein Viehstück von Van der Velde, eine stille See von W. Velde, eine stürmische See von Backhuysen – Slingelandt, Schalken, von Van Dyck ein Portrait, ein Kopf von Liebens, F. Bruegel, Hondekooter, Van der Werf, Poelenburg, Rottenhammer, Schneiers, Both, Layeresse.“ LMO, PT 833, o. S. 900 LMO, PT 838, S. 25. 901 Vgl. SAB, H III 1 Nr. 22. 902 Vgl. Kapitel 3.2.2 und 4.2.2. 903 Kat. Karlsruhe 2015, Frank/Zimmermann 2015. 904 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sich im Folgenden um eine exemplarische Re­ konstruktion handelt, die sich auf den Sammlungsbestand des späten 18. Jahrhunderts bezieht. Die Rekonstruktion kann aufgrund der Quellenlage im Falle von Verlusten und veränderten Zu­ schreibungen keine Vollständigkeit beanspruchen. Dies gilt insbesondere für die in den Anmer­ kungen angeführten Werke eines Künstlers in den genannten Sammlungen. 905 Rembrandt Harmensz. van Rijn (zugeschrieben bzw. Rembrandt-Umkreis): Brustbild eines Greises mit goldener Kette, 1632, Öl auf Eichenholz, 59,3 x 49,3 cm, MHK, GAM, GK 233. Das Brustbild be­ fand sich ehemals in der Sammlung von Valerius Röver in Delft und gelangte im Zuge des Ankaufes der Sammlung Röver 1750 durch Landgraf Wilhelm VIII. nach Kassel. Vgl. Kat. Kassel 2006, Kat. Nr. 15, S. 137–141. Das Selbstportrait wurde von Jean-Henri Eberts für Karoline Luise von Baden im Jahr 1761 angekauft. SKK, 238. Vgl. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 37. 906 LMO, PT 26, S. 29f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87f. Vgl. Kapitel 2.2. 907 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 89. Tischbein verweist auf folgende Werke: Rembrandt Harmensz. van Rijn: Die Nachtwache, 1642, Öl auf Leinwand, 363 x 437 cm, Rijksmuseum Am­s­ terdam. Rembrandt Harmensz. van Rijn: Die Anatomie des Dr. Tulp, 1632, Öl auf Leinwand, 169,5 x 216,5 cm, Mauritshuis Den Haag. Tischbein schreibt hierzu: „Es ist noch auch noch ein groses Bild von Rembrand da, das eine Burger nachtwache vor stelt, mit vielen figuren, auch vor­ treflig gemahlt, […] aber ein vorzüglig Bild von Rembrand ist auf der Academi Kamer zu sehen. Es stellen Doctores vor die einen leihnam siziren. an diessem Bild kan man erkennen was R. vermoch­ te. Die Köpfe scheinen zu leben, und wirklig erhaben und rund da zustehen. man siehet die auf­ merksamkeit mit der sie dem zuhören der Redet, und einer siehet verwundert auf den ord wo der eine schneiden und erklärt.“ Ebda. Auch Gerhard Morell geht in seinen Schriften auf Rembrandts Anatomie ein: „Doch hat Er auch sehr klar und annehmlich bisweilen gemahlet, welches das nie genug zu preisende Stück auf der Anatomie Kammer in Amsterdam beweist, welches keinen Künst­ ler der Welt im Coloriren und Mahlen weicht, man könnte Ihm billig den Holländischen Cara­ vaggio nennen, weil Er etwas muß von Ihm gesehen haben, welcher Ihm auf die Gedancken ge­ bracht, so schwartz zu mahlen, um besonder zu sein […].“ Morell zitiert nach North 2012, S. 124. 908 LMO, PT 833, o. S., vgl. Mittelstädt 1956, S. 89, 93. 909 Erwähnt sei an dieser Stelle der Aufsatz Die Ölskizzen bei Rubens. Bedeutung und Funktion, Widauer 2004. Hier ist von Hunderten von Ölskizzen in Rubens’ Œuvre die Rede. Widauer verweist zudem darauf, dass es zahlreiche Sammler gab, die gerade die Ölskizzen als Sammelobjekte zu schätzen wussten, da sie am unmittelbarsten die Erfindungsgabe des Künstlers zeigen. Auch Rubens selbst hat Ölskizzen gesammelt, und zwar von venezianischen Künstlern. Ebda., S. 123f. Vgl. hierzu fer­ ner Kat. Madrid/Rotterdam 2018. 910 LMO, PT 26, S. 27, vgl. Mittelstädt 1956, S. 95. Dort heißt es: „Die Hollander hattn auch viele mahler, die Moralische [Einschub: und Sitten] Bilder machten. Einen feurigen Geist in der Erfin­ dung und Ausarbeidung, kan man ihnen nicht absprechen. und man sie keiner Nation nach sezen, nein man kan keinen Italiener an feurigem Geist dem Rubens gleichstellen.“ Ebda. 911 SKK, 180. Kat. Karlsruhe 2015, S. 324, Malereikabinett 73. Zur Provenienz des Werkes heißt es: „Erworben im Juni oder Juli 1762 von D. Hayoit zum Preis von 600 Gulden als Werk von Peter Paul Anmerkungen 315

Rubens, vermittelt durch Hermann Woldemar Graf von Schmettau und Gottlieb Heinricht Treuer.“ Ebda. In der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. befanden sich verschiedene Werke von Peter Paul Rubens bzw. aus seinem Umkreis: Der trunkene Herkules (Werkstatt, GK 84), Venus, Amor Bac- chus und Ceres (GK 85), Jupiter und Kallisto (GK 86), Die Flucht nach Ägypten (GK 87), Meleager und Atalante (Werkstatt, GK 88), Bildnis eines jungen Mannes (GK 89), Das Mädchen mit dem Spiegel (Um­ kreis, GK 90), Der Triumph des Siegers (GK 91), Nicolas de Respaigne (GK 92), Diana und ihre Nymphen beim Aufbruch zur Jagd (Werkstatt, GK 93), Der trunkene Silen (Werkstatt, GK 94), Maria mit Jesus und Johannes, von reuigen Sündern und Heiligen verehrt (GK 119), Die bußfertige Maria Magdalena und ihre Schwester Martha (Kopie, GK 1117). MHK, GAM, GK 84–GK 94, GK 119, GK 1117. 912 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 248. 913 Die Spitzenklöpplerin (267) von Gerard Dou wurde von Karoline Luise von Baden für ihr Kabinett im Jahr 1766 über Jean-Henri Eberts erworben. Weitere zwei Werke des Künstlers befanden sich eben­ falls in ihrer Sammlung. Mit dem Gemälde Köchin am Fenster (266), erworben 1769 durch Eberts, konnte die Markgräfin ein Werk von Dou ergattern, das bei früheren niederländischen Auktionen bereits Höchstpreise erzielt hatte. Das dritte Werk Dous trägt den Titel Die büßende Maria Magdalena in der Einöde (268). SKK, 266–268. Kat. Karlsruhe 2015, S. 264f, Malereikabinett 110, 117, 134. Auch in der Sammlung von Valerius Röver befand sich ein Werk von Gerard Dou, welches mit dem An­ kauf des Röver’schen Kabinettes im Jahr 1750 in die Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel gelangte, während der napoleonischen Besatzung konfisziert wurde, anschließend auf den französischen Kunstmarkt gelangte und sich heute im Musée Fabre in Montpellier befindet. Vgl. https://rkd.nl/nl/explore/images/18320 (11.01.2019). In den Kasseler Sammlungen befindet sich hingegen heute noch das Pendantpaar Brustbild eines alten Mannes mit Federbarett und Halsberge (GK 257) und Brustbild einer alten Frau mit Pelzkragen (GK 258) von Gerard Dou, von Wilhelm VIII. bereits vor 1749 angekauft. MHK, GAM, GK 257, GK 258. 914 Das Werk Junge mit Vogelkäfig im Fenster (273) wurde 1765 in Amsterdam für 115 Fl. von Pieter Fouquet für Karoline Luise von Baden angekauft, vermittelt durch Gottlieb Heinrich Treuer und Johann Goll van Frankenstein d. Ä. Weitere Werke von Frans van Mieris d. Ä. sowie eines von ­seinem Sohn Willem van Mieris befanden sich ebenfalls in der Sammlung der Markgräfin. Vgl. https://karoline-luise.la-bw.de/stichwortliste_kuenstler.php#M (20.11.2018). Genannt werden kön­nen für Frans Mieris d. Ä. bspw. Bildnis eines jungen Mannes (272), Bildnis eines Herrn mit rotem Mantel (275), Thisbe gibt sich an der Leiche des Pyramus den Tod (274). SKK, 272–275. Kat. Karlsruhe 2015, S. 344f, 357f, Malereikabinett 106, 140–142. 915 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 248. 916 Das Werk Der Bäcker (GK 311) befand sich ehemals in der Sammlung von Valerius Röver und ge­ langte im Zuge des Ankaufes der Sammlung 1750 durch Landgraf Wilhelm VIII. nach Kassel, zu­ sammen mit einem weiteren Werk von Frans van Mieris d. J. mit dem Titel Die Kastanien- und Bücklingsverkäuferin (GK 312). Darüber hinaus war Der Käseladen (GK 310) von Willem van Mieris Teil dieses Ankaufes. MHK, GAM, GK 310–GK 312. 917 LMO, PT 26, S. 29f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 87f. Vgl. Kapitel 2.2. 918 Folgende Werke von Philips Wouwerman gelangten aus der Sammlung Röver in die Kasseler Samm­ lung und sind dort heute noch zu finden:Der Pferdestall am verfallenen Haus (GK 344), Bauer beim Entladen eines Pferdekarrens (GK 349), Die Kornernte (GK 355), Der Marktbauer mit dem alten Schimmel (GK 356). Alle Werke sind auf die 1650er-Jahre datiert. MHK, GAM, GK 344, GK 349, GK 355, GK 356. Zwei Werke der ursprünglich sechs Werke, die im landgräflichen Gemäldeinventar von 1749ff unter den Nummern 571 bis 576 verzeichnet sind, gingen in napoleonischer Zeit verloren, ihr Verbleib ist unbekannt. Für die Sammlung von Karoline Luise von Baden kann ebenfalls ein Werk von Philips Wouwerman nachgewiesen werden, welches heute Pieter Wouwerman (1623– 1682) zugeschrieben wird und als Kopie nach Philips Wouwerman gilt. Es trägt den Titel Der Zu- sammenstoß (232) und wurde 1759 über Jean-Henri Eberts aus der Sammlung Bötticher aus Leipzig erworben. SKK, 323. Kat. Karlsruhe 2015, S. 287, Malereikabinett 8. 919 In den publizierten Lebenserinnerungen heißt es: „Sie kamen nach Rom, die Historienmalerei zu studieren, wählten aber die Landschaftsmalerei; ich selbst schwankte oft, was ich ergreifen sollte. So wurden Willem Romeyn, Both, Berghem ergriffen, Schäferhütten, an große Ruinen gebaut, zu malen; so entstand durch Potter, de Laar, Dujardin, Momper und Slingeland eine Art Bilder, welche man Genre nannte, Bilder aus dem gemeinen Leben.“ Mittelstädt 1956, S. 99. 316 Rezeption

920 Zu den Werken von Nicolaes Berchem in der Sammlung der Markgräfin von Baden zählen:Winter- landschaft mit Kalkofen (297), Schlucht im Bergwald mit alttestamentlicher Staffage (298), Furt im Gebirge (299) und Furt in südlicher Landschaft (296). SKK, 296–299. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 27, 28, 67, 129. In der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. ist im Inventar von 1749ff ein Werk von Nicolaes Berchem verzeichnet (1749/5), welches heute unter die Verluste zu zählen ist. Landgraf Friedrich II. erwarb zudem vor 1766 zwei Werke von Berchem: Felsige Landschaft mit Viehherde (GK 196) und Die Schmiede am Weg (GK 336). MHK, GAM, GK 196, GK 336. 921 Das beispielhaft angeführte Werk befand sich nicht im Kabinett von Karoline Luise von Baden, sondern wurde erst 1986 für Karlsruhe angekauft. Ein Werk dieses Malers kann für die Sammlung der Markgräfin nicht nachgewiesen werden. Auch für die Sammlung von Wilhelm VIII. von Hessen- Kassel ist kein Werk von Aelbert Cuyp nachzuweisen. 922 Auf diesen Umstand verweist Isabel Findeiss: „Aelbert Cuyp – mit diesem Namen wissen die we­ nigsten Menschen etwas anzufangen. Selbst in den Niederlanden, dem Herkunftsland des Malers aus dem 17. Jahrhundert, wird ‚Aelbert Cuyp‘ eher mit einem Markt bzw. einer Straße in Amster­ dam in Verbindung gebracht, als dass jemand wüsste, um wen es sich dabei konkret handelt. […] Es scheint fast, dass seine Werke, hauptsächlich Variationen der typisch holländischen Landschaft, die er in ein völlig ‚un-holländisches‘ goldenes Sonnenlicht taucht, sowohl in seiner eigenen Zeit, wie auch später, zwischen den Werken seiner ‚großen‘ Zeitgenossen wie Jan van Goyen oder Jacob van Ruisdael völlig untergegangen sind.“ Findeiss 2006, S. 4. 923 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 234. 924 Zu den Werken von Adriaen van Ostade in der Kasseler Gemäldegalerie zählen: Fröhliches Landvolk (GK 275), Feierabend auf dem Lande (GK 276) und Bauern in einer Sommerlaube (GK 277). Die Werke gelangten über Willem Lormier und Gerard Hoet d. J. um 1750 von den Niederlanden aus nach Kassel. MHK, GAM, GK 275–GK 277. Auch für die Karlsruher Sammlung können sechs Werke von Ostade nachgewiesen werden: Der Tricktrackspieler (248), Der Federnschneider (246), Bauernpaar in einer Hütte (244), Bauern in der Schenke (245), Der Raucher (247), Fischer mit Lachsschnitten (Kopie, 255). SKK, 244–248, 255. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 35, 58, 144–147. 925 Zu den Werken von David Teniers d. J. in der Kasseler Gemäldegalerie zählen: Die Versuchung des Hl. Antonius (GK 138), Kartenspielende Bauern (GK 139), Zechende Bauern (GK 140), Ecce Homo (GK 141), Bauer mit Schubkarre (GK 142), Bauern beim Kugelspiel (GK 143), Der Zahnbrecher (GK 144), Einzug einer Fürstin in Brüssel (GK 145), Empfang einer Fürstin am Brüsseler Statthalterpalais bei Nacht (GK 146), Die Baderstube (GK 147), Bauerntanz vor dem Wirtshaus (GK 148). Der Großteil dieser Werke wurde vor 1749 von Wilhelm VIII. erworben, einzelne von seinem Nachfolger Friedrich II. Weitere 13 Werke sind im Inventar von 1749ff verzeichnet und zählen zu den Verlusten. MHK, GAM, GK 138–GK 148. Auch Karoline Luise von Baden besaß vier Werke von David Teniers d. J.: Der Dorfarzt (195), Hexenszene (196), Hexenküche (197), welche 1761 über Jean-Henri Eberts aus Paris in die Sammlung der Markgräfin gelangten, sowie einen Bauerntanz, heute in Privatbesitz. SKK, 195–197. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 36, 38, 39, 70. 926 Landgraf Wilhelm VIII. hatte das Werk vor 1749 erworben, als Gegenstück zu Zechende Bauern. Im Inventar von 1749ff wird es unter der Nr. 12 als Adriaen Brouwer geführt. MHK, GAM, GK 139, GK 140. Weitere neun Werke werden im Inventar von 1749ff unter diesem Künstlernamen geführt und zählen zu den Verlusten, meist aus napoleonischer Zeit. Auch in der Sammlung von Karoline Luise von Baden befand sich ein Werk von Brouwer, Der Zahnarzt (191), welches im Melling-Invan­ tar von 1784 als „Brauer“ verzeichnet ist, heute eventuell als Kopie nach Brouwer gilt. SKK, 191. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 133. 927 Hier heißt es: „Der Portrat mahler Quinkart war gestorben. ich sahe die aucion von seiner [Ein­ schub: samlug] orginal Bilder von alden Meister. den schönsten Metzscher den ich je sahe hatte er. Ein Herr im Kriegs gleidt spielde einer Dame auf der laude vor. das verliebte gesicht und den feurign blick womit er die Dame ansahe war auser ordentlig. und dem wohlgefale mit dem sie zuhörde, wie hin geschmulzen.“ LMO, PT 1951/12, vgl. Mittelstädt 1956, S. 86. Vgl. Kapitel 3.2.1. 928 Die Cisterspielerin (GK 301) wurde von Wilhelm VIII. 1754 auf der Versteigerung der Sammlung von Jeronimus Tonneman in Den Haag erworben, Das Almosen (GK 300) 1736 auf der Versteigerung der Sammlung von Jan van Loon in Delft und Die Wild- und Geflügelhändlerin (GK 299) vor 1749 an unbekanntem Ort. MHK, GAM, GK 299–GK 301. Hinzu kommt das Austernfrühstück von Metsu, das sich heute in der Eremitage in St. Petersburg befindet. Auch die Markgräfin Karoline Luise von Baden besaß zwei Werke von Metsu in ihrer Sammlung. Das Werk Junges Paar beim Frühstück (261) Anmerkungen 317

wurde möglicherweise 1762 von Jean-Henri Eberts aus der Leidener Sammlung von Johan Pieter Wierman angekauft. Die Küchenmagd mit einer Schüssel gebratenem Fisch wurde ebenfalls 1762 er­ worben und befindet sich heute im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid. SKK, 261. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 81, 86. 929 Das Gemälde Die Lautenspielerin (GK 289) wurde vor 1749 von Landgraf Wilhelm VIII. für sein Kabinett erworben. Landgraf Friedrich II. erwarb vor 1766 zudem das Werk Junge Frau und Offizier beim Musizieren (GK 288). MHK, GAM, GK 288, GK 289. Für die Sammlung der Markgräfin von Baden kann kein Werk von Gerard ter Borch nachgewiesen werden. 930 Zu den Werken von Pieter Neefs d. Ä., die von Wilhelm VIII. für die Kasseler Gemäldegalerie erwor­ ben wurden, zählen: Inneres einer dreischiffigen gotischen Kirche mit Sakraments-Prozession (GK 66), Inneres einer gotischen Kirche während der Messe bei künstlichem Licht (GK 67), Das Innere der Antwer- pener Kathedrale bei Tageslicht (GK 68), Innenansicht einer fünfschiffigen Kathedrale (GK 72). MHK, GAM, GK 66–GK 68, GK 72. Eines der Werke wurde 1752 über Gerhard Morell erworben (GK 67), ein anderes im selben Jahr über Gerard Hoet d. J. (GK 68). 931 In der Geschichte der Kunst von Johann Heinrich Meyer heißt es über de Heem: „[…] vortreffliche Blumen, besonders aber Früchte, Pfirsichen, wo man sozusagen die zarten Haare der Schale mit den Augen fühlt, Pflaumen, auf denen noch das zarte tauige Mehl sitzt, Trauben voll Saft und Durch­ sichtigkeit usw.“ Und über van Huysum ist zu lesen: „Endlich ist durch den 1682 geborenen Jan van Huysum die Blumenmalerei wirklich auf ihren Gipfel gebracht worden; betaute Rosen von ihm […] sind, soviel wir begreifen, das letzte Ziel menschlichen Vermögens, worüber hinauszuge­ langen unmöglich scheint.“ Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 250. 932 Das Prunkstillleben von de Heem stammte ursprünglich aus der Sammlung von Valerius Röver, die 1750 von Wilhelm VIII. angekauft wurde. MHK, GAM, GK 438. Karoline Luise von Baden kaufte verschiedene Werke de Heems für ihre Sammlung an: Girlande von Blumen und Früchten (361) im Jahr 1762 über Pieter Fouquet, außerdem Fruchtstillleben mit gefülltem Weinglas (362) und Frühstücksstill- leben mit Austern und Orange (363). SKK, 361–363. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 11, 79. 933 Weitere Werke von van Huysum können für die Kasseler Sammlung nachgewiesen werden und gingen vermutlich während der französischen Besatzung verloren. Im landgräflichen Gemäldein­ ventar von 1749ff sind vier Werke von Jan van Huysum verzeichnet: ein Fruchtstück (1749/107) und ein Blumenstück (1749/108), der Verbleib beider Werke ist unbekannt, das erwähnte Blumen- stillleben (1749/613), heute in der Wallace Collection London, und ein weiteres Fruchtstück (1749/700), heute in englischem Privatbesitz. MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. Im Kabinett von Karoline Luise von Baden befanden sich ebenfalls zwei Werke von Jan van Huysum: Das Blumenstillleben­ (380) gelangte 1760 aus der Pariser Sammlung von Jacques-André-Joseph Aved in den Besitz der Markgräfin, das Früchtestillleben (379) wurde 1763 aus der Sammlung von Willem Lormier in Den Haag angekauft, vermittelt durch Gottlieb Heinrich Treuer. SKK, 379, 380. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett, 19, 93. 934 Herzog 1969, S. 34. Brief von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel an Baron Heinrich Jacob von Häckel, Kassel 20.05.1752. Beide Werke gingen 1806 verloren. 935 LMO, PT 26, S. 30, vgl. Mittelstädt 1956, S. 83. 936 Morell zitiert nach North 2012, S. 128. Auch Johann Heinrich Meyer äußert sich voller Lob über das Werk von Potter: „Oft sind seine landschaftlichen Gründe vortrefflich, aber seine Figuren von Schafen, besonders aber von Kühen allemal noch vollkommener; es gelangen ihm Gemälde, wel­ che man vollendete ländliche Gedichte nennen könnte und die in ihrer Art nichts weiter zu wün­ schen übrig lassen.“ Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 242. 937 Zwei Werke von Paulus Potter, welche Wilhelm VIII. vor 1749 für sein Kabinett erworben hatte, befinden sich noch heute in Kassel:Vier Kühe auf einer Weide (GK 368) und Ein Landmann mit seiner Herde (GK 369). MHK, GAM, GK 368, GK 369. Weitere fünf Werke sind unter die Verluste zu zählen, finden jedoch im Gemäldeinventar von 1749ff Erwähnung:Landschaft mit einem Bauern vor seinem Haus (1749/530), Verbleib unbekannt, Landschaft mit Kühen, Schafen und fünf Figuren (1749/531), 1803 mit Kurfürst Max Joseph von Bayern gegen ein Gemälde von Jusepe de Ribera eingetauscht, heute in der Alten Pinakothek der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, Der Meierhof (1749/581), heute in der Eremitage St. Petersburg, Das Leben eines Jägers (1749/582), heute ebenfalls St. Petersburg, sowie eine Mühle (1749/583), Verbleib unbekannt. Die drei zuletzt gennannten Wer­ ke stammen aus der Sammlung von Valerius Röver in Delft. MHK, GAM, Archiv. Auch die Mark­ gräfin von Baden hatte zwei Werke von Paulus Potter erworben, welche zwischenzeitlich neue 318 Rezeption

­Zuschreibungen erfahren haben. Zum einen betrifft dies ein Werk, welches heute Govert Dircksz. Camp­huysen zugeschrieben wird und eine Bauernhütte mit Vieh und Hirten (288) zeigt. Es wurde 1765/1766 als Gemälde von Paulus Potter über Gottlieb Heinrich Treuer bei Hendrik Verschuring in Den Haag erworben. Zum anderen ist das Gemälde Rinder und Schafe auf der Weide (289) nach Adriaen van de Velde zu nennen. Erworben wurde es 1763 ebenfalls als Werk von Paulus Potter über Treuer aus der Sammlung Drognat in Den Haag. SKK, 288, 289. Kat. Karlsruhe 2015, S. 330, 341, Malereikabinett 84, 107. 938 Wilhelm VIII. erwarb vor 1749 zwei Werke von Adriaen van de Velde für sein Kabinett: Der Strand von Scheveningen (GK 374) und Reisende erkundigen sich bei einem Landmann nach dem Weg (GK 375). MHK, GAM, GK 374, GK 375. Die Markgräfin von Baden besaß drei Werke von Adriaen van de Velde: Rinder und Schafe am Waldwasser (291), Ruhender Hirte bei seiner Herde (292), erworben in Paris, sowie Weidende Rinder und Schafe (290), erworben in Den Haag. SKK, 290–292. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 53, 54, 85. 939 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 243. 940 LMO, PT 26, S. 24f, vgl. Mittelstädt 1956, S. 81f. Vgl. Kapitel 2.1. 941 Wilhelm VIII. kaufte vor 1749 bzw. im Jahr 1752 folgende zwei Werke von Willem van de Velde d. J. für die Kasseler Sammlung an: Stille See (GK 420) und Küstenszene (GK 421). MHK, GAM, GK 420, GK 421. Karoline Luise von Baden kaufte 1766 das Werk Drei Schiffe im Gewittersturm von Willem van de Velde d. J., das sich heute in der National Gallery in London befindet. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 115. 942 Werke von Ludolf Bakhuizen können weder für die Sammlung Röver noch für die Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. oder die Sammlung von Markgräfin Karoline Luise nachgewiesen werden. Für das Oldenburger Gemälde von Bakhuizen, das sich dort erst seit 1869 befindet, vgl. Dohe/Falk/ Stamm 2017, S. 357. 943 Morell zitiert nach North 2012, S. 160. Tischbein schreibt über Bakhuizen: „In andern Samlungen habe ich auch vortreflige Seestücke gesehen, von Backheusen, der war auch ein See mahler aber ganz anders als v. de Velde der nur stille sehen mahlte. Backheusen wehlde Stürmige Sehen zu sein gegenstand, wo die welle hoch und wild über einander schlagen. aber in diesser ard ist er auch einzig und hatt seines gleichen nicht. Die wellen sind vortreflig gezeichnet, man siehet den gang und die uhrsache, und die klarheit des Wassers hatt er so nach geahmt, das man glauben solte es were wasser und habe keine Korpur, man köne was hinein werfen, das versinken worde. und durch einige wellen siehet man die Sonne und den tag scheinen. und die schiffe hatt er mit einer bewunderns wurdigen gehschikligkeit gemahlt. und dabey auch nicht das geringste vergessen was zu einem Schiff gehort. auch verstand er wie die schiffe gehen und stehen müssen, je nach dem der wind gehet. Er war ganz mit der schiff fart bekand und unterrichtet. seine arbeiden zu sehen machte mir viel vergnügen und mit bewunderung betrachtete ich sie und erstaunde das der Mann das flüssige Element so tauschent nach machen könde.“ LMO, PT 26, S. 25, vgl. Mittelstädt 1956, S. 82f. 944 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 244. 945 Erworben wurde das Gemälde 1762 über Jean-Henri Eberts aus der Versteigerung der Sammlung Gaillard de Gagny in Paris, zusammen mit dem Gegenstück Stillende Mutter, beide als Werke von Pieter Cornelisz. van Slingelandt. SKK, 269, 270. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 62, 63. ­Johann Heinrich Meyer schreibt über van Slingelandt in seiner Geschichte der Kunst: „Drei etwas größere Gemälde dieses Meisters befanden sich ehemals in der zahlreichen und auserlesenen Samm­ lung von Gemälden aus der Niederländischen Schule im Residenzschloß zu Kassel.“ Holtzhauer/ Schlichting 1974, S. 249. In der dazugehörigen Anmerkung ist zu lesen: „Nach S. Causids Katalog von 1783 folgende 3 Bilder: I. Eine Frau mit zwei Kindern (verschollen). II. Eine Frau mit Wiege (Lon­ don, Buckingham Palast). III. Ein klöppelndes Mädchen (nicht nachweisbar).“ Ebda., S. 372. Die bei­ den zuerst genannten Werke befanden sich zuvor in der Sammlung Röver und ab 1750 in der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII. Im Gemäldeinventar von 1749ff sind die Werke unter den Nummern 32, 579 und 580 verzeichnet. MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 946 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 90. 947 Landgraf Wilhelm VIII. hatte vor 1749 bzw. 1751 verschiedene Werke von Godefridus Schalken für sein Kabinett erworben: Die Waffelesserin (GK 303), Die büßende Magdalena, einen Totenkopf hal- tend (GK 304), Die büßende Magdalena (GK 305), Die schaumgeborene Venus wird von Amor gepflegt (GK 306), Venus überreicht Amor einen brennenden Pfeil (GK 307). Bei den beiden zuletzt genannten Werken handelt es sich um ein Pendantpaar, das von Gerard Hoet d. J. für den Landgrafen erworben Anmerkungen 319

wurde. Weitere fünf Werke finden sich im Gemäldeinventar von 1749ff (1749/112, 1749/153, 1749/173, 1749/215, 1749/612) und zählen zu den Verlusten. MHK, GAM, GK 303–GK 307, In­ ventar 1749ff. Markgräfin Karoline Luise besaß ebenfalls zwei Werke von Godefridus Schalken: Der Rommelpotspieler (283) und Nackter Krieger zum Bade entkleidet (282), welche 1764 und 1666 in ihre Sammlung gelangten. SKK, 282–283. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 104, 111. 948 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 249. 949 LMO, PT 26, S. 24, vgl. Mittelstädt 1956, S. 84, 86, 89, 95f, 101. Tischbein schreibt bspw., „v Deick mache nur mahlerische Portratte die einen an schauen“. Ebda. Vgl. Kapitel 4.1.2. 950 Mittelstädt 1956, S. 86, 101. 951 Landgraf Wilhelm VIII. hatte verschiedene Werke von Anthonis van Dyck für sein Kabinett er­ worben. Folgende Werke befinden sich noch heute in der Gemäldegalerie Alte Meister:Bildnis des Malers Jan Wildens (GK 118), Bildnis einer Frau mit Rose (GK 120), Bildnis eines Spaniers (GK 121), Sebastian Leerse mit Frau und Sohn (GK 123), Doppelbildnis des Malers Frans Snyders und seiner Frau Margaretha de Vos (GK 125), Bildnis des Justus van Meerstraeten (GK 126), Bildnis der Isabella van ­Assche, Gemahlin des J. van Meerstraeten (GK 127), Bildnis des Joost de Hertoghe (GK 128), Bildnis der Anna van Craesbecke, Gemahlin des J. de Hertoghe GK 129). Hinzu kommen weitere Werke in der Nachfolge von bzw. Kopie nach van Dyck. Hierzu zählt das Doppelbildnis der Brüder Lucas und Cor- nelis de Wael (GK 122), welches aus der Sammlung von Valerius Röver stammt. Fünf weitere Werke verzeichnet das Gemäldeinventar von 1749ff unter diesem Künstlernamen, die Werke sind jedoch unter die Verluste zu zählen, darunter erneut ein Werk von van Dyck aus der Sammlung Röver. MHK, GAM, GK 118, GK 120–GK 123, GK 125–GK 129, Inventar 1749ff. 952 Das Doppelportrait Suzanna Fourment und ihre Tochter Clara del Monte (um 1620) wurde 1762 von Jean-Henri Eberts für die Markgräfin erworben, welche es bereits im Jahr 1769 wieder weiterver­ kauft hat, und zwar über Johann Goll van Frankenstein d. Ä. nach Paris. Vgl. Kat. Karlsruhe 2015, S. 317f. Zu dem Werk heißt es dort: „Zwischen 1749 und 1772, innerhalb von knapp 25 Jahren also, befand sich dieses große und großartige Porträt an folgenden Orten: Antwerpen, Paris, Karls­ ruhe, Amsterdam, wiederum Paris, schließlich Sankt Petersburg. Das zeigt zum einen die Interna­ tionalität, die den Kunstmarkt des 18. Jahrhunderts auszeichnete, zum anderen den mitunter ­raschen Rhythmus, in dem Gemälde gekauft und verkauft sowie hin- und hertransportiert wurden. […] Dieses Meisterwerk der Porträtkunst nicht behalten zu haben, ist der aus heutiger Sicht bemer­ kenswerteste Lapsus der Sammlerin Karoline Luise.“ Ebda., S. 240f. Heute befindet sich das Werk in der National Gallery of Art in Washington. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 61. 953 Das Werk befand sich noch nicht zu Zeiten von Wilhelm VIII. in der Sammlung, sondern wurde erst 1891 angekauft. Das Gemäldeinventar von 1749ff verzeichnet hingegen drei Werke von Jan Lievens, welche unter die Verluste zu zählen sind (1749/62, 1749/63, 1749/596). Eines davon, eine Lieve Vrouw (1749/596), stammt erneut aus der Sammlung Röver. MHK, GAM, GK 230, Inventar 1749ff. Für die Sammlung von Karoline Luise von Baden ist kein Werk von Jan Lievens bekannt. 954 Das Gemälde wurde vor 1749 von Wilhelm VIII. erworben, der auch weitere Werke von bzw. aus dem Umkreis von Jan Brueghel d. Ä. in die Kasseler Sammlung brachte. Bspw. die Dorflandschaft im Winter (GK 51) von Jan Brueghel d. Ä. und Joos de Momper gelangte 1752 über Gerard Hoet d. J. nach Kassel. Die Gemälde Herse mit ihren Dienerinnen erwartet Merkur (GK 65) von Hendrick van Baalen und Jan Brueghel d. Ä. sowie das heute verlorene Gemälde Pomona und Vertumnus von Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä. stammen aus dem Kabinett von Röver. MHK, GAM, GK 51, GK 52, GK 65, Inventar 1749ff. Für die Sammlung von Karoline Luise von Baden sind keine Werke der Malerfamilie Brueghel bekannt. 955 Morell zitiert nach North 2012, S. 163. 956 In der Sammlung von Karoline Luise von Baden waren drei Werke von Melchior de Hondecoeter vertreten: Der Friede im Hühnerhof (344) und Der Krieg im Hühnerhof (345), welche 1762 von Johann Goll van Frankenstein d. Ä. aus der Sammlung von Johan Pieter Wierman in Amsterdam für die Markgräfin angekauft wurden; außerdem das WerkKämpfende Hähne (346), welches vermutlich 1772 in die Sammlung gelangte. SKK, 344–346. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 74–75, 121. Die Sammlung von Wilhelm VIII. enthielt ebenfalls drei Werke von Hondecoeter: Das Vogelkonzert (GK 378), Kampf zwischen Hahn und Truthahn (GK 380) und Der weiße Pfau (GK 381). MHK, GAM, GK 378, GK 380, GK 381. 957 LMO, PT 833, o. S., Mittelstädt 1956, S. 98. 320 Rezeption

958 Wilhelm VIII. erwarb verschiedene Werke von Adriaen van der Werff für seine Sammlung: Luna (Diana) besucht den schlafenden Endymion (GK 308), Zwei Putten, Junge und Mädchen, mit Liebesfackeln (GK 308a), Der verliebte Schäfer (GK 314), Flora mit Blumen streuenden Putten, eingerahmt von Laubwerk mit Masken (GK 315), Vier schwebende Putten, eingerahmt von Laubwerk (GK 316), Drei schwebende Putten, eingerahmt von Laubwerk (GK 317). Die Werke wurden im Jahr 1753 aus dem Besitz von Arnout Gevers in Rotterdam erworben. MHK, GAM, GK 308, GK 308a, GK 314–GK 317. Auch ­Karoline Luise besaß ein Werk von Adriaen van der Werff, Die Vertreibung aus dem Paradies (285), erworben 1761 bei Johann Benjamin Ehrenreich in Frankfurt. SKK, 285. Kat. Karlsruhe 2015, ­Malereikabinett 57. 959 Einschränkend fügt Meyer jedoch hinzu: „Wenn man aber diese rühmlichen Eigenschaften an van der Werffs Bildern zugibt, so kann hingegen auch nicht geleugnet werden, daß sein Fleisch nicht natürlich koloriert, sondern elfenbeinern ist, daß er überhaupt frostige Kälte nicht zu vermeiden, den mühseligen Aufwand von Fleiß nicht hinlänglich zu verbergen weiß.“ Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 253. 960 Mittelstädt 1956, S. 96. 961 Landgraf Wilhelm VIII. besaß folgende fünf Werke von Cornelis van Poelenburch: Amor führt einen Kinderreigen an (GK 191), Landschaft mit badenden Hirten (GK 201) sowie die Werkstattarbeit Venus, Bacchus und Ceres in Wolken (GK 193), alle drei erworben vor 1749, Landschaft mit Badenden und Merkur (GK 194) und Das Urteil des Paris (GK 199), beide vermutlich bereits 1722 erworben. Hinzu kommt eine Versammlung der sämtlichen Götter unter den Verlusten (1749/35). MHK, GAM, GK 191, GK 193, GK 194, GK 199, GK 201, Inventar 1749ff. Für die Sammlung Röver ist kein van Poelen­ burch bekannt. Die Markgräfin Karoline Luise besaß ebenfalls drei Werke von Cornelis van Poelen­ burch: Italienische Berglandschaft mit Abraham und Isaak auf dem Wege zur Opferstätte (226) und Italienische­ Berglandschaft mit Christus und den beiden Jüngern auf dem Wege nach Emmaus (227), er­ worben 1761 von Johann Benjamin Ehrenreich in Frankfurt. Darüber hinaus das Werk Der Jäger (302) von bzw. nach Poelenburch. SKK, 226, 227, 302. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 43, 44, 148. 962 Zu den Werken von Hans Rottenhammer d. Ä. in der Sammlung von Wilhelm VIII. zählen: Ecce homo, Pilatus zeigt dem Volk den gegeißelten Jesus (GK 603), Die Dürre während Phaetons Sonnenfahrt (GK 604), Die Heilige Familie mit Johannes dem Täufer und blumenspendenden Engeln (GK 605), Die Anbetung der Hirten (GK 606), Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten (GK 607) und Die Ausgeißelung des Heiligen Geistes (GK 608). In der Sammlung Röver befanden sich davon die Werke Die Heilige Familie mit Johannes dem Täufer und blumenspendenden Engeln und Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. MHK, GAM, GK 603–GK 608. 963 Das Werk wurde 1763 in Paris über Jean-Henri Eberts für die Sammlung von Karoline Luise erwor­ ben. SKK, 277. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 101. In der Kasseler Sammlung ist kein Werk von Adam Elsheimer erhalten. Im historischen Inventar von 1749ff werden jedoch sechs Werke erwähnt: Die Geißelung Christi, ein Nachtstück (1749/73), Die Jael, ein Bruststück ins kleine (1749/158), Der verlorene Sohn (1749/241), Hermaphroditus und Salmacis, ein Sinnbild auf den Ehestand (1749/351), Joseph und Maria mit dem Kind Jesus, wie sie auf der Flucht zu Schiff gehen wollen (1749/486), Tobias mit dem Engel in einer Landschaft (1749/796). MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 964 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 244. 965 Das Werk befand sich ehemals in der Sammlung von Valerius Röver und gelangte 1750 in die Sammlung von Wilhelm VIII. Der hessische Landgraf besaß noch ein weiteres Werk von Frans Snijders bzw. dessen Werkstatt, Eine Versammlung von Vögeln (Die Fabel vom Pfau und der Dohle) (GK 116), welches vor 1749 angekauft worden war. MHK, GAM, GK 115, GK 116. Für die Sammlung von Markgräfin Karoline Luise ist kein Gemälde von Snijders bekannt. 966 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 240. 967 Die Berglandschaft im Abendlicht (318) wurde vermutlich 1761 in Straßburg angekauft. Ferner war von Jan Both Der Titusbogen in Rom (319), heute nach Jan Both, Teil der markgräflichen Sammlung. SKK, 318, 319. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 24, 131. Für die Sammlung Röver oder die Kasseler Sammlung kann kein Werk von Both nachgewiesen werden. 968 Es ist interessant, dass Tischbein seine Wunschliste eines niederländischen Kabinettes mit Rem­ brandt beginnt und mit Lairesse beendet. Dies korrespondiert zugleich mit der niederländischen Kunstentwicklung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die dazu führte, dass Rembrandt seine einst führende Position an Lairesse abtreten musste. Vgl. Kat. Hamburg 2017, S. 107. Anmerkungen 321

969 Het groot schilderboek von Gerard de Lairesse erschien 1707 in den Niederlanden und 1784 in Deutschland. Auf dessen ungewöhnliche Entstehungsgeschichte wird immer wieder hingewiesen. Nachdem Lairesse um 1690 erblindet war, hielt er kunsttheoretische Vorträge, die in weithin be­ kannten Publikationen wie Het groot schilderboek oder Grondlegginge der Teeken-Konst mündeten und zu wertvollen Handbüchern wurden. Vgl. hierzu Haak 1984, S. 62, Lairesse 1784. Es ist nicht ersichtlich, ob Tischbein dieses Werk kannte. 970 Das Bacchusfest (GK 462) hatte Wilhelm VIII. bereits vor 1749 erworben, während der Tod des Ger- manicus (GK 463) mit dem Ankauf des Röver’schen Kabinettes in die Kasseler Sammlung gelangte. Hinzu kommen zwei Gemäldeverluste: Apollo mit 6 Musen davon eine demselben die Füße wascht (1749/470) und Fondamenten van den Zeetorn ofte Vierboet vant Huyste Britten (1749/472). MHK, GAM, GK 462, GK 463, Inventar 1749ff. Auch Karoline Luise von Baden besaß mit Antiochos und Stratonike (241) ein Werk von Lairesse in ihrer Sammlung, welches 1769 über Jean-Henri Eberts in Paris angekauft wurde. SKK, 241. Kat. Karlsruhe 2015, Malereikabinett 120. 971 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 252f. Zur Bedeutung von Lairesse in deutschen Sammlungen des 18. Jahrhunderts vgl. Lange 2016a. Der Aufsatz schließt mit der hier behandelten Künstlerliste von Tischbein, der Lairesse als letzten Künstler namentlich nennt. 972 Holländische Künstler: Rembrandt, Dou, van Mieris d. Ä., van Mieris d. J., Wouwerman, Berchem, Cuyp, van Ostade, Metsu, ter Borch, de Heem, van Huysum, Potter, A. van de Velde, W. van de Velde d. J., Bakhuizen, van Slingelandt, Schalken, Lievens, de Hondecoeter, van der Werff, van Poelenburch, Both, de Lairesse. Flämische Künstler: Rubens, Teniers d. J., Brouwer, Neefs, van Dyck, Brueghel, Snijders. Deutsche Künstler: Rottenhammer, Elsheimer. 973 16. Jahrhundert: Rottenhammer, Elsheimer, Brueghel. 18. Jahrhundert: van Mieris d. J., van Huy­ sum, van der Werff, de Lairesse. 974 Die Liste beginnt mit Peter Paul Rubens mit 152 Werken, gefolgt von Rembrandt mit 133 Werken und Johann Melchior Roos mit 101 Werken. Es folgen David Teniers d. J. mit 87 Werken, Nicolaes Berchem mit 31 Werken, Johann Heinrich Roos mit 28 Werken, Anthonis van Dyck mit 22 Wer­ ken, Jan Davidsz. de Heem mit 18 Werken, Aert van der Neer mit 12 Werken, Cornelis Jansz. de Heem mit 9 Werken, Adriaen Brouwer mit 9 Werken und Caspar Netscher mit 8 Werken. Rubens und Rembrandt führen die Liste der gefragtesten Maler an, daran anschließend sind flämische und holländische Künstler gleichermaßen vertreten. Zwei deutsche Maler sind ebenfalls Teil der Aus­ wahl: Johann Heinrich Roos und Johann Melchior Roos, wobei Letzterer den Übergang zum 18. Jahrhundert markiert. North 2006a, S. 297–299. 975 Bspw. nicht vertretene Genremaler: Jan Miense Molenaer, Jan Steen, Caspar Netscher. 976 Bspw. nicht vertretene Landschaftsmaler: Jan van Goyen, Salomon van Ruysdael, Jacob van Ruisdael. 977 Bspw. nicht vertretene Historienmaler: Jacob Jordaens, Govert Flinck, Ferdinand Bol. 978 Bspw. nicht vertretene Portraitmaler: Frans Hals, Bartholomeus van der Helst, Nicolaes Maes. 979 Bspw. nicht vertretene Stilllebenmaler: Pieter Claesz., Willem Kalf, Willem van Aelst. 980 Bspw. nicht vertretene Architekturmaler: Gerrit Berckheyde, Jan van der Heyden. 981 Vgl. Tillmann 2015, S. 163. 982 Die Nichtbeachtung von heute als wichtig erachteten niederländischen Künstlern spiegelt sich gleichfalls in realen Sammlungen, wie jener von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. So fehlen in dieser umfangreichen Sammlung bspw. Werke von Jan van Goyen und Esaias van de Velde, Pieter Claesz. und Willem Heda oder Pieter Lastman. Vgl. Herzog 1969, S. 40. 983 Zu Vermeer kann festgehalten werden, dass seine Gemälde gemäß den Beschreibungen und Wert­ angaben in Auktionskatalogen durchaus geschätzt waren, auch wenn sich dies nicht unmittelbar in der frühen kunsthistorischen Literatur spiegelt. Vgl. Bas 2006, S. 170. Gerard Hoet d. J. nennt für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts bspw. 15 Werke Vermeers in seiner Übersicht, darunter Een Goudweegstertje und Een Melk-uytgietstertje in einer anonymen Auktion in Amsterdam (1701), Het vermarde Melkmeysje in der Sammlung von Jacob van Hoek (1719), Een Astrologist in der Sammlung von Hendrik Sorgh (1720), die hohe Preise erzielten. Vgl. Hoet 1752, Bd. 1, S. 62, 221, 242. Für die Bedeutung von van Ruisdael soll auf Goethes Schrift Ruisdael als Dichter verwiesen werden sowie auf den Ausstellungkatalog Jacob van Ruisdael. Die Revolution der Landschaft. Kat. Hamburg/Haarlem 2002. 984 Zu den Erwerbungen unter Wilhelm VIII. zählen: Der Satyr beim Bauern (GK 101, GK 102), Die Kindheit des Jupiter (GK 103, GK 104), Der Breiesser (GK 105), Der Künstler mit der Familie seines Schwiegervaters Adam van Noort (GK 107), Das Bohnenfest (GK 108), Der Triumph des Bacchus (GK 109), 322 Rezeption

Moses schlägt Wasser aus dem Felsen (GK 110a) sowie das heute verlorene Gemälde Zwey Schrift-­ Gelehrten (1749/179). Friedrich II. erwarb zudem vor 1775 Das Auge des Herrn macht das Pferd fett (GK 106). MHK, GAM, GK 101–GK 105, GK 107–GK 110a. 985 Holtzhauer/Schlichting 1974, S. 251. 986 Bspw. im Bestand des Kupferstichkabinettes der Hamburger Kunsthalle. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein nach Jacob Jordaens: Noli me tangere, Aquarell, Feder und Kreide auf Papier, 250 x 235 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 1938-13. 987 Auf den Anleitungscharakter von Tischbeins Kabinettliste verwies Martina Sitt bereits 2010 in ­ihrem Aufsatz Die Magie der niederländischen Gemälde des Goldenen Zeitalters. Zu ihrer Rezeption in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sitt 2010, S. 27. 988 North 2006a, S. 295. 989 Die Sammlung Thielcke weist im Kontext der von Michael North untersuchten Hamburger Samm­ lungen den größten Bestand an Genremalerei auf. Bei allen diesen Sammlungen (Brockes 1747, Denner 1749, Thielcke 1782, Laporterie 1793, Anonym 1793) rangiert jedoch die Landschafts­ malerei an erster Stelle. North 2006a, S. 295. 990 War die Historienmalerei in Delfter Inventaren um 1620 noch mit 44 % vertreten, sank diese um 1650 auf 26 % und schließlich um 1690 auf 16 %. Im Gegensatz dazu stieg die Landschaftsmalerei von 24 % um 1620 auf 41 % um 1790 an. Gleichzeitig gab es hier einen Zuwachs der Stillleben­ malerei von 4 % auf 17 %. Ähnliches lässt sich für die Amsterdamer Inventare konstatieren. North 2006a, S. 291. 991 Amsterdamer Inventare (1620–1690): 12–47 % Historien, 20–37 % Landschaften, 6–10 % Stillleben, 4–12 % Genre, 10–20 % Portraits, 7–21 % Andere. North 2006a, S. 291. 992 North 2006a, S. 293. 993 Die Sammlung Häckel sowie die Sammlung Berberich weisen im Kontext der von Michael North untersuchten Frankfurter Sammlungen den größten Bestand an Genremalerei auf. Die Sammlung von Franz Ludwig von Berberich setzt sich 1784 wie folgt zusammen: 28 % Genre, 28 % Portraits, 26 % Landschaften, 13 % Stillleben, 13 % Historien, 7 % Tiere, 3 % Andere. Bei den anderen unter­ suchten Sammlungen (Bernus 1780, Kaller & Michael 1790, Prehn 1829) rangiert jedoch die Land­ schaftsmalerei mit 35–44 % an erster Stelle, vergleichbar mit der Situation in Hamburg. North 2006a, S. 293. 994 Der Auktionskatalog mit dem Titel Catalogue d’un fameux cabinet de tableaux des meilleurs maîtres (1762) umfasst 502 Einträge, darunter befinden sich bspw. zehn Werke von Rubens und sieben von Rem­ brandt. Besonders prominent vertreten waren die zeitgenössischen Frankfurter Maler Christian Georg Schütz d. Ä. mit 43 Werken, Justus Juncker mit 36 Werken, Johann Georg Trautmann mit 13 Werken, Johann Conrad Seekatz mit 11 Werken und Friedrich Wilhelm Hirt mit 8 Werken. Sie bilden einen charakteristischen Sammelschwerpunkt. Vgl. Maisak 2005, S. 41, Ketelsen/Stockhausen­ 2002, S. 72. 995 Böttiger 1800, S. 70. 996 Alten 1871, S. 9–15. Die als Verzeichnis der Gemälde des Herrn Directors Tischbein. 1804 betitelte Auf­ listung gliedert sich in vier Spalten mit den Rubriken ‚Schule‘, ‚Maler‘, ‚Gegenstand‘ sowie ‚Bemer­ kungen 1870‘. Zu den dort verzeichneten Künstlern zählen in der dortigen Zuschreibung und Schreibweise: von einem unbekannten Meister, Böhm?, Rembrandt, Lievens (Govert Flink), F. Boll, J. de Witt, G. de Witt, Leon Bramer, Fr. Hals, Rubens, Rubens u. Breughel, van Dyck, von einem un­ bekannten Meister, Poelemburg, Sen. Teniers, Goltzius, Casp. Crayer, de Voss, Th. Wyk, Grasbeck, v. d. Poll, Hoppema, Everdingen, à la Wouwermanms, à la? Valns, à la Berghem, Carré, Parcellis, Kastellis, à la Rottenhammer, v. d. Does, Ostade?, Al. Hondius, à la Schalken. Ebda. 997 Deuter 2001. Deuter führt folgende Künstler an: Paolo Veronese (Werkstatt), Guido Reni, Francesco Albani (Werkstatt), Bartholomeo Schedoni, Padovanino, Giuseppe de Ribera (Werkstatt)/Luca ­Giordano, Francesco Rosa, Quentin Massys, Joos van Cleve (Werkstatt), Bartholomeus Spranger, Gerrit Pietersz. Sweenlinck, Cornelis Jonson van Ceulen, Leonaert Bramer, Anthonis van Dyck, Aert van der Neer, Gerbrand van den Eeckhout, Jacob de Wet, Thomas Wijck, Bertholet Flémalle, Johannes Glauber/Gerard de Lairesse, Pieter van Bloemen, Lucas Cranach d. Ä., Christian Wilhelm Ernst Dietrich, Philippe Jacques de Loutherbourg, Charles Meynier. 998 Deuter 2001, S. 10. 999 Deuter 2001, S. 11. 1000 Vgl. Dohe/Falk/Stamm 2017, S. 246–248, Nr. 143. Zur Provenienzgeschichte des Gemäldes ebda., S. 246. Anmerkungen 323

1001 Dohe 2018, S. 124. Brief von Tischbein an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, Eutin 08.05.1823. 1002 Dohe/Falk/Stamm 2017. 1003 Dohe 2017, S. 11, vgl. ferner S. 9–12, Dohe/Falk/Stamm 2017, S. 219f, Nr. 121, S. 238, Nr. 136, S. 316f, Nr. 196. 1004 Dohe/Falk/Stamm 2017, S. 316f, Nr. 196. Tischbein hat die Ölskizze zudem in einer Zeichnung festgehalten sowie eine Radierung nach seiner Zeichnung angefertigt. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein nach Gerbrand van den Eeckhout: Der Engel im Haus des Tobias, um 1804–1820, Gouache auf Papier, 162 x 222 mm, LMO, 15.165. https://rkd.nl/explore/images/291610 (11.01.2019). Johann Heinrich Wilhelm Tischbein nach Gerbrand van den Eeckhout: Der Engel im Haus des Tobias, nach 1808, Radierung, 164 x 225 mm, British Museum London, 1851,0412.60. https://rkd.nl/explore/ images/291578 (11.01.2019). 1005 Vgl. Kapitel 3.2.2. 1006 Herzog 1969, S. 39f. 1007 Vgl. Schnackenburg 2000. Es wurde jedoch nicht nur niederländische Kunst gesammelt, sondern es wurden auch niederländische Künstler beschäftigt, wie der Portraitmaler Philip van Dijk (1683– 1753) oder zuvor bereits Jan van Nickelen (1655/1656–1721). 1008 Korthals Altes 2006. Zu Rembrandt in Kassel vgl. Weber 2017. Ferner erwähnt Korthals Altes den Erwerb von Zeichnungen und Druckgraphiken. Zu den Erwerbungen für die Kasseler Graphische Sammlung vgl. Brakensiek 2003. 1009 Lange 2016, S. 134, Lange 2011, S. 90. 1010 Vgl. Lange 2016, S. 134. MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 1011 Herzog 1969, S. 35. 1012 Vgl. Lange 2016, S. 139f, Herzog 1969, S. 40, Both/Vogel 1964, S. 131. MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 1013 Aufenthalte von Tischbein in Kassel sind für die Jahre 1765/1766, 1773/1774, 1776/1777, 1779 sowie 1799 bekannt. So heißt es bspw.: „Ich lebte nun wieder einige Zeit in der Galerie, wo mein Bruder wohnte, und arbeitete mit ihm. Meine Reise nach England und Frankreich hatte ich auf­ gegeben, und ich wünschte mir, für einen Hof wie Gotha, Weimar usw. wirken zu können.“ Mittel­ städt 1956, S. 111. 1014 Für Tischbein war die Kunstpolitik von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel von weitreichender Bedeutung. Dieser rief nach der Gründung der Kasseler Kunstakademie 1777 ein Reisestipendium ins Leben, das Tischbein als erstem Stipendiaten im Jahr 1779 eine Italien-Reise ermöglichte, die für seinen weiteren Lebensweg prägend sein sollte. Tischbein notiert hierzu: „In nähmliger Zeit erhielt ich einen Brief aus Cassel, wo mir angetragen worde, von der Academi als Pensionist auf drey Jahre zum studirn nach Italien zu reisen. Der landgraf hatte die Academi so eingerichtet, das er alle 3 jahre eine aus der Academ reisen lassen wolte um sich in der Kunst zu verkomnen ver volk komenen. Da ich nun der Erste war der bey der ersten anlegung imer in der Academi gezeihnet hatte, so worde ich gewehlt, und im Nahmen aller Mitglider gefragt ob ich es annehmen wolte. Diesses kam mir zur gelegenen Zeit, alle meine freund wünschte mir Glück und hilten es für ein Glück, in das land der Kunst wo in Grosen Werken der menschlige Geist so schön geblüht. […] Ich entschloss mich also zu diesser Reise, und nahm mir für die Mahlerey nun recht aus dem Grund zu studirn.“ Zurück in Kassel schreibt er: „[W]orde durch mein Oncle dem H. landgraf vorgestelt. dem ich zu gefallen schien. den er sagte mir meine Reiseruthe vor. zu erst gerade nach Rom zu gehen, und zu studirn, dan nach her die andern Städte Italiens zu sehen. befahl dem Minister der neben ihm stand, mir Empfehluns briefe, mit zu geben. und sagte zu mein oncle, der soll ihre stelle über die Acadimi haben, wen er wieder komt. und nun nahm ich abschied von der frau landgrafin. und trat meine reise an.“ LMO, PT 26, S. 41f. 1015 Tischbein berichtet in seinen Lebenserinnerungen: „Ich hatte ser viele Portrete gemahlt, und mir auch etwas verdient. und verlangte nun meinen Bruder wieder zu sehen. der under der Zeit In­ sepcter der Gemahlden Galeri geworden war. Er war ein groser liebhaber von Gemahlde, und ihn eine freude zu machen, so brachte ich ihm einige vor alden guten Meisters mit. besonders einige jagt bilder, als ein groses stück von Schneuers mit lebensgrösse Schwane und Enden durch Hunde aus dem schilf gegat werden. Es war so nathürlig und teuschent, das da es an der Wand hing, oft fremte hunde heran kamen, an der wand in die höhe sprangen und belden. auch eins von Feijt, dote Rephüner Wachteln und andere Vogeln. und 2 grose bilder von G. Lairese. das prachtige mahl 324 Rezeption

welches Cleopatra mit der Perle an Andonius gab. das andere als Cesar zur Cleopatra komt, und sie dot findet, um sie her um sassen ihre Zofen weinent. Mein Bruder war ein solcher eifriger liebhaber von Gemahlte das er die zeit nicht mit geduld abwarden konde, bis die gemahlde ankomen. den da ich in meinem Wagen voraus angekomen war, und die Küsten mit einem Fuhrmann nach­ komen liess, so hatte ich ihm von den Bilder erzehlt. nun worde er so ungeduldig sie zu sehen, das er so gleich Zange Hamer und Brecheisen in die Hand nahm, um gleich bereit zu sein die Küste aufzumachen. und sahe bestandig aus dem fenster, ob der wagen kome. entlig sahe er die küste tragn, so lief er bin auf die strasse in gegen. und da sie geoffnet ware und er die Bilder sahe, so war kein Glückliger als er in der weld.“ LMO, PT 26, S. 38, vgl. Mittelstädt 1956, S. 111f. 1016 Zum Galeriebau mit einem Rekonstruktionsversuch der Gemäldehängung vgl. Lange 2016, Lange/ Trümper 2012. 1017 Vgl. Herzog 1969, S. 40. 1018 Causid 1783. Vorbild für den Causid’schen Katalog war der Mechel’sche Katalog der Wiener Gemälde­ sammlung, der damals große Beachtung fand. 1019 Der Katalog gliedert sich in einen kurzen Vorbericht, einen umfangreichen Katalogteil mit 242 Sei­ ten sowie ein Register der Künstlernamen. Die Katalogeinträge beinhalten den Namen des Künstlers, eine unterschiedlich ausführliche Beschreibung des jeweiligen Gemäldes sowie formale Angaben. 1020 Causid 1783, S. X3. 1021 Zuvor wurde die Gemäldesammlung von Johann Georg von Freese betreut. Neben der reinen Sammlungsbetreuung konnte der Galerieinspektor durch die Anfertigung von Reproduktions­ graphiken zur Bekanntheit der von ihm betreuten Sammlung beitragen, wie dies bei Johann Hein­ rich Tischbein d. J. der Fall war. Während von Tischbein keine Gemälde bekannt sind, gibt es eine Reihe von Radierungen von ihm, zu denken wäre bspw. an Werke wie: Johann Heinrich Tisch­ bein d. J. nach Rembrandt Harmensz. van Rijn (?): Büste eines Mannes mit Kappe, um 1790, Radie­ rung, 8,5 x 6,7 cm, MHK, Graphische Sammlung. Vgl. Kat. Kassel 2006, S. 195. 1022 Die Sammlung erstreckte sich über verschiedene Gebäude, sie befand sich in einer Galerie im ­Bellevue-Schloss, in verschiedenen Zimmern im Herrschaftlichen Palais, in der Mahler- und Bild­ hauer-Academie sowie im Residenzschloss. Vgl. Golenia 2015, S. 288–290. Zum allgemeinen Proce­ dere zählte der Eintrag des Sammlungsbesuchers in ein Besucherbuch. Dieses trägt den Titel Ver- zeichnis der Kenner und Liebhaber der Kunst, welche die fürstliche Galerie besucht haben, seit dem 31. May 1775. Es wurde von 1775 bis 1806 geführt und umfasst 279 Seiten sowie rund 8.500 Namen, dar­ unter befinden sich zahlreiche Maler. Vgl. Vogel 1956, S. 149. Für dasKunsthaus sowie das Museum Fridericianum gibt es bereits eine Untersuchung des historischen Besucherbuches, jedoch noch nicht für die Gemäldesammlung. Linnebach 2014. 1023 Kat. Kassel 2004, S. 11. Über den Ruhm der Kasseler Gemäldesammlung äußern sich im späten 18. Jahrhundert viele Zeitgenossen wie bspw. Johann Heinrich Merck oder Friedrich Christoph Schmincke. Vgl. Merck 1780, Schmincke 1767, S. 296–301. Die Galerie mit ihren Meisterwerken ist wiederholt Gegenstand von Reiseberichten. 1024 Zum Vergleich seien die Verlustzahlen weiterer großer Sammlungen genannt. Sanssouci: 55, Schwerin: 209, Braunschweig: 278, Wien: 399. Vgl. Savoy 2011, S. 137. Den Abtransport von ­Gemälden aus der Kasseler Galerie veranschaulicht eine Zeichnung. Benjamin Zix: Ausleerung der Galerie durch Dominique-Vivant Denon, 1807, Pinsel und Feder auf Papier, 257 x 216 mm, Biblio­ thèque nationale de France Paris. Vgl. Lange 2016, S. 141, Golenia 2015, S. 312. 1025 Vgl. Golenia 2015, S. 299. 1026 Laut Erich Herzog verblieben lediglich 260 Gemälde in Kassel. Herzog 1969, S. 51. 1027 Schnackenburg 2000, S. 83. 1028 Vgl. Savoy 2011, S. 383. Zu den Folgen der napoleonischen Konfiszierungen vgl. Savoy 2011, Kat. Kassel 2008. 1029 Vgl. Tillmann 2015. Tillmann erkennt darin unter anderem das intensive Studium der Kunstlitera­ tur von Descamps und Dézallier d’Argenville. 1030 Tillmann 2015, S. 163, mit Abbildung. 1031 Übereinstimmend werden genannt: Rubens, van Dyck, Rembrandt, van Mieris, van der Werff, Dou, ter Borch, van Ostade, Teniers, Brouwer, van Huysum, de Heem, Metsu, Wouwerman, Berchem, Potter, van de Velde, Rottenhammer und Brueghel. 1032 Wobei die Künstler Ruysch, Weenix und Bril von Tischbein an anderer Stelle in den Lebenserinne­ rungen Erwähnung finden. Anmerkungen 325

1033 Vgl. Kat. Karlsruhe 2015. 1034 Tillmann 2015, S. 163. 1035 Keine Entsprechung finden: ter Borch, ouwerman,W de Hamilton, Rottenhammer, Brueghel und Bril. Vgl. Kat. Karlsruhe 2015. 1036 Keine Entsprechung finden: van Mieris d. J., Wouwerman, Cuyp, ter Borch, Neefs, Bakhuizen, Lievens, Brueghel, Elsheimer, Rottenhammer, Snijders. Vgl. Kat. Karlsruhe 2015. 1037 MHK, GAM, Archiv, Karton 27. Vgl. Schnackenburg 2004, S. 22. 1038 Das Gemälde von Pieter Gijsels, eine Dorfansicht, zählt zu den Kasseler Gemäldeverlusten (1749/597). MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff. 1039 Vgl. Lange 2011, S. 95, Schnackenburg 2004, S. 22. Alle Werke stammen aus dem Kabinett im ­Residenzschloss. 1040 Vgl. Schnackenburg 2004. S. 23. Zur Provenienzgeschichte von Pan und Syrinx vgl. ferner Lange/ Kuss/Rehm 2017, S. 32f. 1041 MHK, GAM, GK 343, GK 347, GK 349, GK 350, GK 354, GK 361, GK 408, GK 277, GK 139, GK 140, GK 539, GK 549. 1042 LMO, PT 26, S. 32, vgl. Mittelstädt 1956, S. 106f. 1043 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Der auferstandene Christus erscheint Maria Magdalena, 1638, Öl auf Eichenholz, 61,0 x 49,5 cm, Buckingham Palace London, Royal Collection, RCIN 404816. https:// rkd.nl/explore/images/47566 (11.01.2019). Vgl. Kat. Kassel 2006, S. 142–148. 1044 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff, 1749/579, 1749/571. Das Röver’sche Inventar ist bei Moes 1913 publiziert. 1045 Mittelstädt 1956, S. 107. 1046 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff, 1749/664. 1047 MHK, GAM, GK 249, GK 214, GK 242. 1048 MHK, GAM, GK 107, GK 101, GK 103. 1049 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff, 1749/581, 1749/582, 1749/583. 1050 MHK, GAM, GK 28. 1051 MHK, GAM, GK 1114. Tischbein schreibt: „Auch malte ich für den Landgrafen Tiere aus der Mena­ gerie, worunter einige seltene und schöne waren, ein Elefant, Löwe, ein Leopard und eine Leopardin, diese bekam in selbiger Zeit zwei Junge; sie hatte schon einmal geworfen, was selten in Europa ist.“ Mittelstädt 1956, S. 107, vgl. LMO, PT 26, S. 35. Die Tiere der Menagerie wurden auch von Johann Heinrich Tischbein d. J. festgehalten und graphisch reproduziert. Sie erschienen unter der Rubrik ‚Wilde Thiere‘ als Sammlung von Einhundert und siebenzig Kupferstichen (nach 1808). Johann Hein­ rich Tischbein d. J.: Ein Leopard mit 2 Jungen, welche in der Menagerie zu Cassel am 10. August 1774 geworfen sind, 1783/1808, Radierung, 110 x 176 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 1963-750-127. 1052 MHK, GAM, Archiv, Inventar 1749ff, 1749/536. 1053 LMO, PT 26, S. 33. In der zweiten Spalte hat Tischbein notiert: „[Einschub: Andre del Sarto] / Ita­ lienische Bilder / Rafhael Maria mit dem Kind. / Leonart da Vinci la Carita. / L. Heilige familige. / Carci Madalena klein bild. / Guido Aeneas un Dito. / G. Maria / Tician lebent groser Mann. / T. 2 Frauens Portratte. / Palma. Venus und Amor. / P. Perseus und Antrometa / Bossano.“ Ebda. 1054 LMO, PT 26, S. 28. 1055 LMO, PT 833, o. S. 1056 Mittelstädt 1956, S. 100. 1057 Vgl. Alpers 1985, S. 21. 1058 Ausgangspunkt ist das humanistische Konzept ‚docere et delectare‘ des Horaz, das bereits im 17. Jahrhundert als ‚tot lering en vermaak‘ ein Gemeinplatz war. Dementsprechend heben die niederländischen Kunsttheoretiker von Karel van Mander bis Gerard de Lairesse diese beiden ­Eigenschaften der neuen Bildgattung Genremalerei hervor. Vgl. hierzu die Positionen von Svetlana Alpers und Eddy de Jongh, bspw. Alpers 1985, Jongh 1978, vgl. hierzu auch Trnek 1992, S. VII. 1059 Christoph Martin Wieland: Idris und Zenide (1767), Kapitel 3, 1. Gesang, 6. Vers. Wieland 1986, Bd. 5, S. 13–155. Der Vers lautet: „Verbirg ihm stets die unwillkommnen Züge / Der strafenden Satir‘ in schlaue Tändeley: / Man lese dich, man suche nichts dabey / Als wie man angenehm sich um die Zeit betrüge, / Und finde, still beschämt, daß deine Schilderey / Nicht halb so viel als die Erfindung lüge. / Ergetzen ist der Musen erste Pflicht, / Doch spielend geben sie den besten Unter­ richt.“ Ebda. 5 Resümee

Spurensuche – Quellen zur ‚Niederländer-Rezeption‘ Das Anliegen der Studie ist es, die in der Forschung fest verankerte Verbindung von Tischbein und Italien aufzubrechen und um eine neue Facette zu ergänzen – es gilt mit Johann Heinrich Wilhelm Tischbein die weitverzweigten Wege der ‚Nieder­ länder-Rezeption‘ in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhun­ dert exemplarisch zu ergründen. Die Quellenbasis bilden unpublizierte und unerforschte Archivalien aus dem Nachlass Tischbeins, die sich explizit seiner Niederlande-Reise in den Jahren 1772/1773 sowie der niederländischen Kunst widmen. In der quellenkritischen Aufarbeitung dieses einzigartigen und reichen Materials, als welches sich Tischbeins eindrucksvolles überliefertes Schriftgut erwiesen hat, liegt die genuine Forschungsleistung der vorliegenden Studie. Die Aufzeichnungen Tischbeins sind bislang nicht in die Forschungen zur ‚Niederländer-Rezeption‘ eingeflossen und haben damit auch nicht unser Bild von der Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ beeinflusst. Hierin liegt das nun ge­ hobene Potential der Lebenserinnerungen Tischbeins – sie gewähren uns einen ganz spezifischen Blick auf die deutsche ‚Niederländer-Rezeption‘, der unseren heutigen Forschungsstand bereichert. Bildwissen – Aneignung von Wissen über niederländische Künstler Tischbein orientiert sich in jungen Jahren zunächst am Urteil der Kenner und Sammler und durchläuft in den Niederlanden eine beispielhafte ‚Sehschule‘. Es kann gezeigt werden, wie er Bildwissen und Bildkompetenz aus konkreten Bildvergleichen und dem Verweis auf Verwandtschaften von Werken, Künst­ lern und Sammlungen gewinnt. Und so erhält auch ein Gesellschaftsspiel Resümee 327

Relevanz, da es das Urteilsvermögen auf die Probe stellt. Tischbeins Beurteilung der Manieren Wouwermans und deren Abgrenzung gegenüber der Kunst von Rembrandt fordern zum Erwerb von Kennerschaft auf. Darüber hinaus ver­ mittelt er dem Leser Kenntnis von konkreten Sammlungen, ihrer Zusammen­ setzung und Hängung, dem Umgang mit Werken sowie den Wegen, wie diese in die Sammlungen gelangten. Damit gibt er nicht nur eine einprägsame Schilderung seiner Zeit, sondern ermöglicht auch Rückschlüsse auf traditions­ reiche niederländische Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts. Dass es nicht immer möglich ist, Kunstwerke oder Sammler nach 250 Jahren eindeutig zu identifizieren und Sammlungen zu rekonstruieren, gehört zur Forschungs­ realität und sollte auch nicht alleiniges Ziel der Bemühungen sein. Es kann viel­ mehr gezeigt werden, wie weit wir uns einer Sammlung des 18. Jahrhunderts über den Kontext annähern können und welche Rolle die oft erstaunlich prä­ zise Erinnerung Tischbeins bei der Wissensweitergabe spielt. Tischbeins beein­ druckendes Bildgedächtnis erweist sich hierbei als eine seiner größten Stärken. Verbreitung – Netzwerke der Kenner und Sammler niederländischer Kunst Das zentrale Kapitel der Studie gilt der Frage nach der Verbreitung. Im Mittelpunkt stehen die Netzwerke, mittels derer die Kunst des ‚Goldenen Zeit­ alters‘ im späten 18. Jahrhundert von den Vereinigten Niederlanden in das Heilige Römische Reich Eingang fand. In der Sammlung Goll erhält Tischbein Einblick in den exklusiven Kreis der niederländischen Sammler und deren internationaler Gäste sowie in spezifische Formen und Rituale der gemeinsa­ men Kunstbetrachtung. Es kann gezeigt werden, wie Kunstsammlungen schil­ lernder Sammlerpersönlichkeiten durch Anregung lokaler und überregionaler Netzwerke zur Generierung von Wissen über die Kunsterzeugnisse einer Epo­ che sowie deren Verbreitung beitragen. Auf diese Weise fungiert ein Sammler als zentraler Knotenpunkt und seine Sammlung wird zum international wirk­ samen Impulsgeber für die europäische ‚Niederländer-Rezeption‘. Wie die Ver­ breitung der niederländischen Kunst auf verschiedenen Wegen konkret erfolgt, kann anhand einiger Charakteristika des Kunstmarktes und des Sammels­ auf­ gezeigt werden. Ein wesentliches Element des Kunsthandels ist das Auktions­ wesen mit den entsprechenden Multiplikatoren und Verbreitungs­wegen. Im Kontext der Verbreitung sind insbesondere die Akteure – Kenner und Samm­ ler, Agenten und Berater, Händler und Künstler – relevant. Es hat sich im Laufe der Untersuchung gezeigt, dass einige dieser Akteure immer wieder als zent­ rale Knotenpunkte im Netzwerk der ‚Niederländer-Rezeption‘ in Erscheinung treten. Die nähere Betrachtung von berühmten Auktionen auf dem Amster­ damer Kunstmarkt, von international tätigen Kunstagenten und ihren Auf­ traggebern in Deutschland oder von den negativen Seiten des Kunsthandels sowie den besonderen Moden der Sammelpraxis wie den ‚Namen-Käufern‘ 328 Resümee und den deutschen ‚Hollandisten‘ gewährt einen erkenntnisreichen Einblick in die Netzwerke sowie die Wege der ‚Niederländer-Rezeption‘. Anhand dieser unterschiedlichen Aspekte und Akteure lässt sich die Vielschichtigkeit der Ver­ bindungen eines kunstbezogenen europäischen Kultur- und Wissens­transfers beispielhaft aufzeigen. Rezeption – Wertschätzung der niederländischen Malerei in Deutsch­ land Das abschließende Kapitel widmet sich eingehender der Rezeption der niederländischen Kunst im Rahmen eines Kulturvergleiches sowie von Samm­ lungskonzeptionen. Tischbein erläutert die Voraussetzungen und Charakte­ ristika der Kunstproduktion in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, findet hierfür ein Erklärungsmodell und leitet daraus seine Wertschätzung ab. Zur Veranschaulichung der genuinen Leistungen nutzt er den Vergleich mit der Kunst einer anderen großen Kulturnation, der Italiens. Sein Fazit ist mehr als deutlich und fällt zugunsten der niederländischen Malerei aus. Dies verdeut­ licht seine überraschend eigenständige Position – immerhin wird Tischbein bislang fast ausschließlich im Kontext mit italienischem Kunstschaffen wahr­ genommen. Tischbeins uneingeschränkte Wertschätzung der holländischen wie der flämischen Kunst einerseits und sein reicher Erfahrungsschatz ande­ rerseits gipfeln im Entwurf eines idealtypischen Kabinettes niederländischer Malerei. Die Auflistung mit 33 Künstlern gleicht einer Anleitung zum Kunst­ sammeln und hier bekommt Tischbeins ‚Niederländer-Rezeption‘ schließlich eine praktische Dimension. Die exemplarische Rekonstruktion des fiktiven Tischbein’schen Kabinettes und dessen Verortung im Kontext realer Nieder­ länder-Sammlungen im späten 18. Jahrhundert führen zu dem Schluss, dass in den Augen Tischbeins ein solches niederländisches Kabinett nicht nur die italienische Kunst in den Schatten zu stellen vermag, sondern auch großes Vergnügen bereitet. Während Tischbeins Entwurf durchaus der zeitgenössi­ schen Sammelpraxis entspricht, offenbart sich in seiner Kontrastierung von niederländischer und italienischer Kunst seine eigenständige Denkweise. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und die ‚Niederländer-Rezep­ tion‘ Tischbeins Erinnerungen sind lebensnah, reflektiert und im zeitgenössi­ schen Bewusstsein verankert. Die Lebensnähe resultiert aus der Tischbein’schen Erzählweise, mit der er Leben in die nüchternen Fakten bringt, wie es kaum einer seiner Zeitgenossen vermochte. Seine Herangehensweise bei der Ausein­ andersetzung mit der Kunst ist eine vorwiegend visuelle. Zudem sieht und beschreibt er Dinge, die das 19. Jahrhundert nicht mehr oder noch nicht zu erkennen und wertzuschätzen vermag. Als scharfer Beobachter, mit großer Empathie sowie mit einer beeindruckenden Expertise, zeichnet er ein aussage­ kräftiges Bild der Zeit. Tischbeins erstaunliches Bildgedächtnis sowie sein ­profundes Wissen über die niederländische Kunst, den Kunstmarkt und das Resümee 329

Sammelverhalten haben, wie hier gezeigt werden kann, bis heute Bestand. Die verschiedenen Beispiele bekräftigen, welchen spezifischen Informations­ gehalt die Lebenserinnerungen Tischbeins besitzen, da sich durch sie Wissen erschließen lässt, das sonst nicht in dieser Art fassbar ist. Dies unterstreicht die Einzigartigkeit sowie das Alleinstellungsmerkmal seiner Autographen. Sie offenbaren, dass Tischbein in seiner Beurteilung der niederländischen Kunst seiner Zeit weit voraus war. Darin liegt schließlich deren besonderer Erkennt­ niswert begründet. Im Kontext der ‚Niederländer-Rezeption‘ um 1800 qualifi­ ziert sich Tischbein als ein verlässlicher Augenzeuge und als ein enthusiasti­ scher Botschafter für die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘. Und um Johann Heinrich Wilhelm Tischbein das letzte Wort zu lassen: „Solche vortrefflichen Maler waren die Holländer.“

Anhang Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins

Autobiographie. Originalmanuskript (1811) Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 26, S. 22–31

[Seitenwechsel: 22] Nun war aber die trenung von meinem liebend Freund W. ein harter Kampf. Ich lid unaus­ sprechlig, und er auch. Aber es muste sein. Schmerzhaft war der Abschied von ihm und so so vieler guter Freunde. Sinnlos stieg ich in den Wagen und ich kam nach langer zeit erst wieder zu mir selbst. Die Gegenstände der Nathur ermunterten mich nach und nach. Beson­ der die großen bäume in Ostfriesland, Eichen und Linden, auf einigen hatt man drey Etagen über ein ander de Äste mit thielen belegt, wo geselschaft darauf gegeben wurde. Einen baum zeigte nun der Postlilion und sagte mir es sey der wunder baum genand. [X] Es war eine buche, wo Kazenkraut an dem Stam fest ein genomen hatte gewachsen, und war bis auf den Gipfel hinauf gestiege und hatte sich auch in den meisten Ästen verbreidet, sodas er den ganzen baum fast eingenomen hatte, nur einige Äste aus genomen, wo man nur eben anse­ hen konde das es eine buche sey [Einschub: X und ieder Postilgon führe seine Pasaschiers zu ihm. Und hild dar stille das sie ihn sehen könden und noch nie sey ein reisender gewesen der welcher dergleichen baum mer gesehen, auch kene ihn keiner, was es für ein baum sey] in ostfriesland ist viele heide öde gegent aber doch komt man zu stellen, wo die Vegitaron ser igig ist, und man trift bäum von schönem Wuchs und Grösse an, so auch die Menschen Männer wie Riessen, auch das fieh ist gros, besonders die Schweine mit grossen hänge ohren. So erfreud über manche ländlige gegent, kam ich zu Lemert an, wo ich den Abend zu schiff ging und über die sieder See fur. Ich worde sehr seekrank, und glaubte zu sterben, es stürmte heftig, und doch kroch ich auf das Verdeck, um die Wellen zu sehen. Sie rauschten am Schiff, in die hohe und der staub davon wehte darüberhin. Ich konde den Kopf nicht auf­ recht halten, und hatte ihn aufgelegt, und sah so über das Meer hin wo der Mont sich in spiegelte, und blizte auf mancherley Art auf den Wellen. Den wie die laufen und sich [Seitenwechsel: 23] in ihre Form verandern. So manigfaltig sind auch die Plize des Mondes auf den Wellen. eins kam eine grose welle und schlug auf das Verdeck und es kam mir etwas seewasser in den Mond. Das salzige ermunterte mich, und weckte mich etwas aus der Seekrankheit. So krank ich war wolte ich doch zum wenigsten mit dem Kopf auf dem Verdeck sein, um die so be­ rümte pracht der Sonne auf dem Mehr aufgehen zu sehen. Der Sturm legte sich gegen Mor­ gen. Und ich sah die so sehnlig gewünschte Sonne hinter dem Meer hervor steigen, die wie eine feuer säule vom Horizont bis an unser schiff ins Meer schien. Dan kamen wir immer naher, und wir sahen die reiche Stadt mit ihren hohen Häuser hinder dem Wasser herauf steigen. Dan kamen wir im Haffen an wo ein Gewimel von Schiffen aller art war. Die vielen Masten sahen von weidem aus wie ein Wald im Winder. Als ich ausgestiegen war freude ich mich wieder mit den füssen auf der Erde zu stehen. Aber die schien noch zu wanken wie das schiff. Man gehet mit unsicheren triten wenn man eben vom schiff kerd, wer es nicht ge­ wohnt ist. Kaum hatte ich mich im Wirtshaus um gegleidet, so ging ich aus die Stadt zu besehen, wo man überall wohlhabenheit und fleis siehet. Man siehet der bewohner emsig­ keit und ordnung, wie sie diessen wassrigen ord durch Mühe und Kunst zu einem angeneh­ men wohn ord umgeschaffen haben. Erst gab ich meine adres briefe ab, dan sahe ich die Gemahlde welche in offenligen Häus zu sehen sind, als auf dem Stadthaus, und der Anato­ mi. besuche Gemaldehändler und Liebhaber Kabinette die Samlungen von Gemahlte haben. und die welche Nathuralien Samlungen haben. Diesses waren meine ersten bekandschaften. Bey diessem herum gehen arbeidete ich doch jeden tag, und hatte mir zum Gesez gemacht jeden tag so viel zu mahlenn das wenigsten so viel oder mer werthe sey als das was ich an­ zuseten. Jeden tag ging ich auf die Borsse an den ord wo die angekomenen Schiffer stehen, und erkundigte mich immer vergebens nach meinem Schiffer dem ich in Bremen meine Küsten übergeben hatte. und er sagte mir, das er zug leich mit mir hofte in Amsterdam an­ zukomen aber er blieb aus. ich warde darüber sehr verlegen. Bis endlig horde ich das Schiff Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 333 sei bey der Einfahrt des Dexels um geschlagen, und leck geworden. Nun muste ich mit in die geduld fassen. so lange zu warden bis das Schiff hergestelt sey von Dexell bis hirher fahren zu könen, nach 14 Wochen kam es endlig an, und als ich meine Küste öffnete, waren sie nass geworden und durch die lange Zeit vieles verfault. Und ich muste noch die Kosten des aus­ gebessertes Schiff die Waria bezahlen. Diesse verlängerte ausbleiben meiner Sachen, veruhr­ sachte über die Reise nach England anders zu denken als vor her. Ich hatte werdender Zeit viele Bekanndschaften gemacht, und malde Portrette und familien Bilder im kleinen. und auch andere Bilder von meiner eigen Erfindung, und auch welche um mich zu üben. Bey dem suchte ich keine Gelegenheit vorbey gehen zu lassen wo Gemahlte zu sehen waren. Ich ging oftn auf das Stadhaus die Portret gemahlde zu sehen von vander Hellst. Es stellet einen Friede­ schluss zwischn Spanien und Holland vor. Es sizen viele Mäner von Rang als Ratheher und Burgemesters Admirele und Generalle und Ofizer um einen tisch. Der Burger Meister hatt ein Großes zirlig gearbeid silberne friedens Horn in der Hand, und scheind dem Spanisse Ge­ sanden zu zu trinken, wehrend sie sich beide die Hande geben. Die figuren sind [Seitenwechsel: 24] so vortreflig gemahlt, das sie scheinen werklige lebende menschen zu sein, hir kan man sa­ gen es fehlt nicht als die Sprache, man glaubt sich in einer Geselschaft mit Männer zu sein die vor ein gar hundert jahren lebten. Und man komt in die Versuchung den wunsch zu haben den man von vorne siehet auch wenn er sich weiter ward von honden und im Profiel zu betrachten, man ist so getäuscht das man vergist vor einem Bild zu stehen. Jede Persohn hatt ihre eigene gesichts farbe, und der aus druck ist nach ihrem Karakter, man siehet die gemühts arden die sich in den blicken ihrer augen aus trücken, dem Spanischen Gesanden siehet man an das er viel fasten speisse genossen hatt. Und dem Hollander siehet man an das er sich von gutem fleisch nährt, und sein Klassgen dabey trinkt. Es ist noch auch noch ein groses Bild von Rembrand da, das eine Burger nachtwache vor stelt, mit vielen figuren, auch vortreflig gemahlt, noch viele von zeitgenossen und schülers von Rembrand. von v Dick, Eohut, Govert Flinck, Liebens Sanderat, u. d. g. aber ein vorzüglig Bild von Rembrand ist auf der Academi Kamer zu sehen. Es stellen Doctores vor die einen leihnam siziren. an diessem Bild kan man erkennen was R. vermochte. Die Köpfe scheinen zu leben, und wirklig erhaben und rund da zustehen. man siehet die aufmerksamkeit mit der sie dem zuhören der Redet, und einer siehet verwundert auf den ord wo der eine schneiden und erklärt. [Ergänzung am Seitenrand: Hir kann man sagen, was Petrac von dem schöpfer sagte, er wolte mir der Laura hir under zeigen war er dort oben vermag, auch R. wolte mit diessem Bild zeigen was er mit seinem Pinsel vermag. Die menschen scheinen nicht allein lebend da zu stehen sondern ihr Karakter und innere seele ist auf dem gesicht zu sehen, und das wonach sie streben und was sie wollen. ein Kopf ist darauf der siehet aus als sey er von v. Deick. Er siehet as dem Bild heraus den anschauer an. Es scheint er habe es aus spott gethan, v Deick mache nur mahlerische Portratte die einen an schauen.] Ich worde von einem Vorsteher des armen Männer-und-Weiber-Haus geführt, wo ich ihm sein Portrat malen muste. den jeder Vorsteher mus sich da mahlen lassen. Hir sahe ich auch vortreflige Bilder besonders eins von vander Helste besonders war ein Kopf darauf der zu leben schin, die Lippe war zum anfassen nathürlig. Sie haben grose Portrat mahler gehabt, worunder auch der Franz Hals gehort. Die Hollander haben Maler gehabt, die einige sachen gemahlt haben, worin ihnen keine andere Nation gleich gekomen ist. Backheuse in stürmische Meer, W. Vander felde in stillen See, Schalcken in nacht bey licht, Schneiers in wilde thiere, Hondekeder federfieh besonders Enden, Wenicks todes wild. Bey einem Portogisischem juden, ein alder blindgewordener Mann, sahe ich eine Samlung See stücke alle vor der hand des W. Velde. sie machen ein ganzes Zimer voll aus. Als ich zu ihm geführt worde, und in das wohn zimer tratt, stand der alde blinde Mann auf, kam mir entgegen und gab mir die hand. Kaum bemerkte ich das er blind war, und er sagte zu mir, da sie ein liebhaber von Gemahlten sind, so solln sie bey uns wass seldenes sehen, etwas wares was sie nergens finden. Unsser Haus ist ein aldes Handels Haus das viele schiffe bauen lies, und viele in allen weldtheilen herum schickte, unsere Geschafte gingen glücklig, und es war eine Emsigkeit, das wen vorne das schiff noch aus geladen worde, so worde es hinten schon wieder mit neuen Guter befrachtet. das brachte liebe bei uns für schif bau hervor, 334 Anhang mein Gros vatter und seine Brüder machten selbst Modelle zu schiff mit ihrer Hand, wo auch das geringste nicht an fehlt. auch ich habe solche kleine Schifgens gezimert, wo kein nagel anfehlt. Und er zeichte mir solche Modelle die er gezimert hatte. Diesse liebe für Schiffe machte unser familige die bekandschaft von mit dem vortrefligen Seemahler W. vander Velde, und er war ein Freund unser Hausses, und hatte freue Kasse, so viel Geld zu nehmen als er wolte, mit dem beding, meine vorfahren hatten die vorhand jedes Bild das er ferdig hatte von ihm zu kaufen, auf diesse art [Seitenwechsel: 25] bekamen wir die besten stücke von diessem so geschikten Meister, der einzig ist und nicht seines gleichen hatt, in stille Seen zu mahlen. Und als er starb kauften wir alle seine Hand­ zeichnungen, so das wir den schaz was er in Zeichnungen nachlies, allein besizen. Dan führte er mich bey der Hand die trepe hin auf, da standen grose Küsten. die sagte er bewah­ ren die hand Zeichnungen des v. Velde, es sind viele, und aus der Uhrsache werdet ihr auch selden Zeichnungen von ihm in Samlungen sehen, weil wir fast alle haben. Dan traten wir in das Zimer, wo die Gemahlte hingen, es war ganz voll lauder Seestücke von W. v. Velde. nun führte mich der alde Blinde von einem stück zum andern, und wiess mir mit dem finger drükend auf die schönsten stellen der Bilder, so genau den ort treffent als sehe er. Hir sehen sie ein Bild wie der Konig N. von England geflüchtet und in N. bey stillem wetter ankomt. Sehet den schonen abent, wie windstille, wie die seegeln und taue schlaff herunder hängen, und diesses Schiff welches entfernd liegt, und giebt freuden schüsse, sehet den rauch, wie er dich aus der kanone komt, und die andere kanone welche schon abgefeuert ist, davon ist der Rauch schon weg gewehet, und fliegt oben vor dem andern schiff vorbey und bedekt es so das man es wie durch einen dinen flohr siehet. Und hir auf diessem weit gröseren Bild sehet ihr als der Konig N. wieder nach England fehrt. der ord ist Schewelingen wo er abfährt. die viele menschen volk die auf den Hügeln stehen sind die Neugirigen welche ihn wollen ab­ segeln sehen. W. v. V. ging selbst in dem gefolge mit nach England. und diesses dritte Bild ist, als der Konig auf der Temse ankomt, und so viele Engelische schiffe komen ihm in gegen. und flachen alle, es ist ein gewimmel von schiffen und farzeige, die alle ihre freude bezeigen durch die aufgestecktn flachen. Dan war noch ein Bild das stelte ein haffen vor, wo die Schiffe still gedrangt neben ein ander liegen, eins machte ein schatten auf das andere, und zwischen die dunklen Schiffe schin die Sonne hinein und beleichtete einige, und reflektirte andere, und der Sonne Klanz im Wasser gab auch einen schein auf der schatten seite an einigen. das machte eine Klarheit in dem dunkeln, das er was erfreuliges zu sehen für das Auge war. dan war auch eins wo ein flacher strand von Sant und Kies war, wo die heran rollenten wogen flach und dinn herauf liefen, und man sahe durch das wasser den sandigen bohten, u. d. g. mer. Dem blinden Greis waren bei der Eraubung seines gesichtes die Bilder und was darauf war so gegen wertig, als sehe er noch, weil er sie von Kindheit auf gesehen hatte, und mit viele liebe imer betrachtet ohne das sie von der stelle gerükt waren worden. Es machte dem guten alden grosses Vergnügen, das ich die Bilder mit so vieler Freude besahe. In andern Samlungen habe ich auch vortreflige Seestücke gesehen, von Backheusen, der war auch ein See mahler aber ganz anders als v. de Velde der nur stille sehen mahlte. Backheusen wehlde Stürmige Sehen zu sein gegenstand, wo die welle hoch und wild über einander schlagen. aber in diesser ard ist er auch einzig und hatt seines gleichen nicht. Die wellen sind vortreflig gezeichnet, man siehet den gang und die uhrsache, und die klarheit des Wassers hatt er so nach geahmt, das man glauben solte es were wasser und habe keine Korpur, man köne was hinein werfen, das versinken worde. und durch einige wellen siehet man die Sonne und den tag scheinen. und die schiffe hatt er mit einer bewunderns wurdigen gehschikligkeit ge­ mahlt. und dabey auch nicht das geringste vergessen was zu einem Schiff gehort. auch ver­ stand er wie die schiffe gehen und stehen müssen, je nach dem der wind gehet. Er war ganz mit der schiff fart bekand und unterrichtet. seine arbeiden zu sehen machte mir viel vergnü­ gen und mit bewunderung betrachtete ich sie und erstaunde das der Mann das flüssige Ele­ ment so tauschent nach machen könde. [Seitenwechsel: 26] seine Bilder waren schuld das ich die lust bekam die welen bey sturmwind in der nathur zusehen. und ich ging deshalb oftn wen der wund stark wehte zu schiff. von amsterdam fahren alle Stunde schiffe ab und komen wieder an von denen in der nahe gelegen Order, Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 335

Sardam, u. d. g. wen es nun recht stark stürmte dan führ ich mit so einem schiff ab. und sahe wie geschikt die schiffer ihr schif zu regirn wissen. Bey dem heftigsten wind fahren sie oft mit offene segel zwischen Pfehle weg wo kaum das schiff durch kan, und ohne einen zu beruhen gehet es Pfeilschnell ihn vorbey. Komt man dan in das hohere wasser, da gehen dan die wellen gewaltig tobend gegen das schiff an, aber das durchschneit sie oder hebt sich da­ rüber weg. Es war mir imer eine freude eine solche farth zu machen, und jedoller wind und wasser tobten je besser. komt man in Sardam an, da trinkt man wein, bier oder Teh, zum Teh bekomt man anstatt Zwiback, eine kleine art Scholle, fische an der luft gedrocknet, da bey erhählt man eine Schere, mit der man sie in lager streifen scheit, und zu dem Teh ist. So wie die Kloke der Stunde schlegt, dan fährt wieder ein schif von da nach Amsterdam, und man kan wieder zurück, und auf die art hatt man in kurzer zeit für wenig geld sich ein vergnügen gemacht. [Ergänzung am Seitenrand: Tomas Weick] Bey Der H v. Goll der eine ausserordentlige schöne samlung von orginal hand zeich­ nungen besiz, und auch selbst gut landschaften zeichnet, bey dem war ich so oft als ich es konde um diesse schezbarn sachen zu sehen. Er giebt alle Dinstag geschellschaft wo seine freunde und liebhaber eingeladen sind die zeichnungen zu besehen. nach dem Teh und Kaffee getrunken ist, reine die bedinde tische an einander und dekt sie mit einem grünen tug, dan holt der H. v. Gooll eine Portefeule mit zeichnungn und sez sich unden an den tisch und die geselschaft an beiden seiden herum, und er nimt eine zeichung aus dem bug, und giebt sie an seinen Nachbar rechter hand, der besiehet sie nach gefallen, und dan giebt er sie weider an seine Nachbar, dan erhält er eine andere, under der zeit er sie besiehet, hatt der Nachbar die erste auch besehen, und giebt sie weider. Dan bekomd er die zweide, und so gehen die zeichnungn von hand zu hand. und worden besehen und darüber gesprochen und beortheilt. Das war ein vergnügen für mich die schöne zeichungen zu sehen. Von A. Ostade habe ich auser ordentlig schöne sachen mit wasser farben gesehen, [Einschub: Potter] und [Einschub: Viser Portre] von fast allen grosen Meisters. sind sie alle durch gesehen, dan wirt Suppirt. Diesses Vergnügen wünschte ich mir noch ein mahl die Zeichnungn zu sehen. [Ergänzung am Seitenrand: Bey der Familige von der berühmten Blumen mahlerin Rahael Reusch, die mit ihre Kunst ihr geschlecht geehrt hatt, habe ich auch sehr schone Blume stücke gesehen, die sie ihr zum andenken auf bewahrt hatten, underandern zeichte man blumen die sie als ein Madgen von 7 jahr gemahlt hatte, und eins das sie in ihrem 70 jahr mahlte. beide arbeiden waren sich gleich. kindisch eins wie das andere.] Bey H Blos von Amsel sah ich ein seldenes bild von Adrian Brour. das ganze steld ein Gefängnis vor, wo die Spanier Brour ein gesez hatten. Er siz an der staffeley und mahlt. Rubens [Einschub: ihn besuchend] siz neben ihm mit eine klein hundgen auf dem schoss, van Douk und Tiberbeck stehen hinter ihm. und B spricht mit zorn, und erzehlt an Rubens seine gefangen sezung. der lächelt mit einer ruhign miene, und an der thüre stehet ein Ita­ liener der macht Musik und ein Knabe singt da zu, ihm die zeit zu vertreiben in seiner gefan­ genschaft. die Geschichte ist bekand. die spaniger fanden B zeichnet, und hilden ihn für eine spion und sezen ihn in ein gefang nis, wo ihn Rubens wieder aus befreid. Man schäz die holländische Mahler ihre werke, weil sie die nathur so treu nach ahmten, und ihren fleis mit dem sie ihre bilder ausführten, wem dieses nur das eizige ist das ihn anzieht, der hatt ihre werke nur überflächlig betrachtet. und hatt den Geist und die Seelen würkung unbeachtet über sehen. was kann Karakteristiser sein als ein bild von Johan Steen. Das war ein Mann der die Menschen bis auf den [Ergänzung am Seitenrand: und tadelt das für ihre Kunst an geringe sachen ver­ schwenden] [Seitenwechsel: 27] Grund ihrer seele kande, und die verschiedenelig Karaktere und nationen in seinen vorstel­ lungn deudlig voneinander underschied. und das was er damit sagen wolde da zu bedorfte es keine Auslegung, es sprach sich von selbst verständlig aus. So sahe ich einst eine Bauren Hochzeit, wo der schmaus vorbey war, die tische waren lehr, und die Banken und Stüle wor­ den weg geräumt, und die Braut und der Bräutigam worden in das schlaff zimer gebracht. Das lebendige, der scherz und das Muthwillige war auf jedem gesicht zu sehen. und von ihrem schalkhaften Munde die wizign Wörder zu hören, womit sie die Braut in verlegenheit brachten. Die sich straubte oder nur so that, dem Braudigam zu folgen, der schon voran 336 Anhang

­einige stuffen einer trepe hinauf gegangen war, und ofnete die thür der schlaff kamer, und mit der andern Hand winkte er der Braut. die mit gewalt nicht die trepe hinauf wolte. die ganze geselschaft sprach ihr herzhaft zu, und einige hatten sie um fast und wolten sie mit gewalt hinauf schieben. einige zogen andere drukten nach, sie war mit einer Grupe um ge­ ben und fon so vielen Armen umschlung deren gewalt sie nicht gewachsen war, sich zu entreisen. sie stämte die beine gegen die trepe und strange alle Kraft an um nicht in die Ka­ mer zu komen. So wie sie ihren Korper zurück warf in die arme die sie vorwerz drucken wolten, so sahe man doch in ihren verliebten augen die sehnsucht und das Verlangen [Ein­ schub: nach ihrem Breidigam nun Mann] und den ihren Blick der in seine augen gefässert war. Ich sahe noch ein anderes diessem etwas ähnliges Bild, wo die braut in die schlaff kamer nach nach dem volbrachten Hochzeits mahl [Einschub: schmaus] die worde auch geführt [Einschub: von den gästen] und straubte sich, beschamt mit nieder geschlagen augen und in die arme gesunkn derer die sie führtn lag sie, wie einer ohnmacht nahe. sich scheuent wie ein schlacht opfer, das zum schlacht aldar geführt werde. rührnt wo in ihr die jungfräulige scham zu sehen. Merere Bilder habe ich von ihm gesehen, die alle zeigen das er ein scharfer beobachter und Kener der Menschen war, jedes mahl habe ich sie mit vergnügen gesehen, und desto mer weil sie fast immer lustige gegenstände sind die lachen erregen. Er sahe der Menschen getreibe von der lustign und komischen seide an. Die Hollander hattn auch viele mahler, die Moralische [Einschub: und Sitten] Bilder machten. Einen feurigen Geist in der Erfindung und Ausarbeidung, kan man ihnen nicht absprechen. und man sie keiner Nation nach sezen, nein man kan keinen Italiener an feurigem Geist dem Rubens gleichstellen. und kein flüchtigere arbeiten dem Franz Hals. seine Portrate scheinen mit drey strichen gemacht zu sein. und doch glaubt man lebende Persohnen vor sich stehen zu sehen. [Einschub: ge­ schmak #] Es liegt also nicht am klima wie einige meinen. die warme Sonne schaffe nur den feurigen geist. Nein es liegt am Geist der Zeit. Damals war alles mit geist belebt in Holland. ihre Helden schlugen mit wenig volk zahlreiche frund. und bey alle diesse kriegerischen Zeiten war der geist in so hoher Kraft, das werke der Kunst geliefert worden die in erstaunen sezen. ja die Kunst war so ausgebreiden das die Sohne von taglohner grosse Künstler worden. und zu allen Ständen wachten grose Mäner aus der geringn Volks menge auf, zu helden, und Stads mäner und Künstlern und Kaufleide. was für grose Undernehmungen haben sie da­ mals ausgeführt, was für weisse geseze u. d. g. Aber wie es den gehet, der menschlige Geist blühet nur eine weile in länder und zeicht sich gros, dann sinkt er wieder und schläft ein. So grose Mahler sie damahls in Menge hatten, so arm ist jtzo das Land an Künstler. Man glaubt nicht mer das es die selben waren, es ist so vergangen und herunder gesonken, das man nicht ein mahl mer weis wie die alten mahlten. ihre feurige klare durchsichtige Farbe kent man nicht mer. und damals mahlten Knaben die kaum zu essen hatten schon meister stü­ cke. wie man von einigen sagt, beide ohne alle erzihung und bildung. Torfträger [Einschub: Schmid] Müller, Backer Schuster und Schneider. Die Kunst liegt also im Menschen. und es liegt nur daran das sie gewekt werd. Das die Hollander so gut mahlten [Ergänzung am Seitenrand: in wenig Zeit wie eine Cicale, die des morgens eben auf der Erde geboren, sich schnel in die hohe schwing und auf dem Gipfel der Baum geistiges singt] [Ergänzung am Seitenrand: der Spritzen Meister in Amsterda van der Heid, was hatt der für schöne Bilder mit seiner Hand gegeliefert] [Seitenwechsel: 28] ist ein wunder. Das die Italiener aber nicht besser mahlen als sie gemahl haben ist auch ein wunder, und es ist ihnen zu verdenken. Den sie haben alles was dazu gehort, aber die Hol­ lander nichts. Die Grichischen Kunst werke solden die Italiener schon früher auf bessere wege gebracht haben, den sie haben sie in Menge, und wo sie nur hin sahen, hatten sie diesse vortreflige Modelle vor Augen. und doch über sahen sie selbige. [Ergänzung am Sei­ tenrand: aus der heroen zeit haben sie wenig grabung, man mus sich wundern das sie umhin konden] wie lange hatt das vortreflige grichische Kunst werk, der Sturz von der schönen Grupe Menelao wie er den [Einschub: leichnam des] Patroclo aus dem gefecht tragt, der jez so genande Porquin, als Plock einem Schuster vor seiner thüre gedient das Sohlleder darauf klopfen, ehe er erkand worde das es was besseres werth sey. Jezo sind es die Pasquillen und Sallinen daran zu kleistern. Über all an strassen und eken sahe man Kunst werke. die sie zur nachamung ermuntern solten, und zwischen ihne zugleich den # weg. und was für vorzüge Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 337 hatten sie, das ihre werke zur Relion gehoren. ihre Bilder worden in Tempel und Kirche auf­ gestelt. dem ganzen Vollk zur schau, die da vor nieder knieden und als ein heiligtum anbeh­ teten. [Ergänzung am Seitenrand: das sollte ihren geist empflamt haben] Welch erhebung für den Künstler. sie worden gebehten um ihr werk und gut bezahlt. und man verschafte ihnen alle Gelegen heit, die zu ihrer Arbeid nöhtig waren. Was hatten hiergegen die armen Hollän­ der? Wo nach sie sich hätten bilden konen. nichts als die Nathur. und was für auf munte­ rung, nach dem ein so unbemittelter Mensch ein Bild ferdig hatte, er es herum tragen muste ehe er einen liebhaber fand, der ihm ein weniges dafür gab. Oft denke ich mit Verwunde­ rung daran, wie und wo sie ihre Bilder gemahlt haben. da sie doch gewis nur kleine Zimer mit niedrigen fenstern hatten, wo sie ihr Model gehorig beleihten konden, und auch raum [Ergänzung am Seitenrand: und licht] brauchten um in der gehorigen entfernung vom Mo­ del zu arbeiten. und doch haben sie das schatten und licht so gut verstanden. und auch den Efekt. in Rembrand seine hintergründe ist eine Luft Perspektif die in das unendlige gehet. Die Hollander haben oft sachen auf ihre Bildern vorgestelt, die gegen die feinen sitten handeln. Da mus man sich aber die zeiten denken, wo alles derb und kraftig. aber die Italiener haben Sachen gemahl, wo das Menschlige Gemüth vor zu rückschaudert. Kaum mag man es mit wroden nenen, was einem auf dem Bild immer vor Augen stehet. und die sind in ihren Kirchen aufgehangt. [Ergänzung am Seitenrand: in der Petters Kirche in Rom haben sie ein Bild von Poussin in Mosaick gesez damit es unverganglig seie, wo man menschen ausgereckt aus­ spard, dan ihnen mit stäbe auf den Bauch schlagt und die die Gedarme auf dem leib haspelt.] Es ist sehr angenehm mit aus wahl eine Samlung hollandischer Bilder zu haben, ein Kabinet vol davon zu haben ist sehr unterhaltend. Den sie haben aus der nathur ser viele erfreulige gegenstande heraus gehoben. und auch aus dem Geschaftigen leben und treiben der Menschen. Es sind einige Mahler gewessen die man selden nenen hört. sondern man hört die ofterer nennen, die eine vorzüglige geschikligkeit im bessel hatten, wo mit sie die Liebhaber anzogen, aber da sind welche, die nicht auf die Mache achteten, sondern nahmen einen gegen stand, aus der Nathur, der ein empfänglig Gemüht anspricht. Und das suchten sie wahr nach zu bilden. So sahe ich einst eine Landschaft, vom alten Hackert, es war ein inwendiges Dorf mit Baumen und Garden. Die liebhaber standen um das Bild und bewun­ derten es, wegen seiner nathurligkeit, sie sagten, man glaubt darin herum gehen zu konen. Die Bäume so nathurlig als köne man sie abhauen, und die Borke davon abschalen. und der alte Garden zaun davon kan man Blanke vor Blanke heraus ziehen. und wie die Sonne über das kurze Mosige Gras hinstreift ist auch wie die Nathur selbst. aber es ist doch nicht von denen berühmten Meistern die man gerne in sein Kabinet nimt. und es worde auch wolfeil verkauft. Das macht die Mode. aber ein Blumen stück von v. Huisum wo ein Vogelnest auf ist, wo die hare mit schatten und licht gemahlt ist, da für bezahlt man tausende, weil ein solches Bild zu einem Kabinet gehort. [Seitenwechsel: 29] Zu einem Guten Kabinet gehort. Ein Kopf von Rembrand, eine ausgefuhrte Skize von Ru­ bens, eins von Gerhart Dau, vom alden Miris, und F. Miris, zwey von Wowerman von seiner ersten Manir und eins von seiner lezten, Bergheim, A. Keip Ostade, Tenniers, Brauer, Metsu, Terburg, eine in wentige Kirche von P. Neef, stilleben mit fruchte von De Heem, Blume von Heusum, Ochsen von Potter, ein fühstück von A. v. Velde, eine stille See von W. Velde, eine stürmische see von Backheusen, Schlingeland Schalken, v. Dey ein Portret, Liebens, F Bregel, Hondekoter, v. der Werf, Pulenburg, Elsheimer, Rottenhamer, Schneiers, Both, Laiarese. Siehet man ein solches Kabinet von einem Hollander [Einschub: gesamlet] der ein Echter Kenner ist, so ward man in erstaunen gesez, und man kann sich nichts angenehmeres vorstellen, und man mus die Kunst bewundern welche diesse menschen bessessen haben, die Nathur so treu nach zu ahmen. Der echte hollandische Kenner nimt nichts auser was vortreflig ist, und dan müssen die Bilder so sein, als wie sie von der Staffeley des mahlers komen. ein Bild das gewaschen ist nimt er gar nicht. und ein aus gebessert Bild siehet er als verdorben an, das keinen werth mer hatt. es soll so sein das es nur mit dem tonst der Zeit bedekt ist. welches sie so austruk de Dost legt der noch ob. Ein solches Bild zusehen von ei­ nem grosen Meister welches das glük gehabt hatt, immer gut verwarth geworden zusein, das ist eine freude für einen echten kener. Den die angenehme Harmoni welche die Zeit gab 338 Anhang nach dem der wissenschaftlige Künstler sie seinem Bild in den lezten Pinselstriche gab. und die Zeit schmelst nun mit ihrem hauch das zusamen. das ist ein Zauber, der entzükt. leicht ist der weg zu wischen. wen ein unkundiger mit Seiffe oder Lauge oder Spiritus darauf komt, so gehet nicht allein das schönste zahrte weg. sondern alle Lasur farben, und es bleibt nichts übrig als das sckilet und ein gesunde verdorbenes Bild, das einen betriebt anzusehen. und es werd die Zeit komn das man kein so wohl erhaltenes Bild mehr siehet, weil so viele unge­ schikte sich dait abgen sie zu vernichten. Von diesser Art vortrefliger und ausgesuchter Bilder sahe ich bey H. Lubeling. da war ein schönes Bild von A. von Velde, eine Weide von Kuhen und Pferde und Schafen, das harige und wollige der thiere war mit dem sanften Pinsel diesses Meisters der ihm eigen war vortreflig dar gestelt. auch der wieder schein der Kühe in dem Spiegel des wassers war wie hin gezaubert. Ein Bild von Wauwermann in seiner ersten Manir. Bauren zu Pferd halten ein wetrenen wo der preis darin bestehet einen Hecht der an einem strik hangt, im under dem ausgespanden strik durch zu jagen, und den Hecht herunder zu reisen. weil diesser aber glatt ist, und schwer zu erhalten ist, so giebt es viel zu lachen dabey, weil mancher von dem Pfert fält. Die erste Manir des W. zu mahlen bestehet darin, das er mit diken körperligen farben mahlde. und die dik auf trug. und wie teig sie in einander verschmolz oder sie scharf hinge­ sez stehen liess. Diesses giebt sein Bildern ein markiges ansehen, und sie scheinen wie bo­ siert. Die zweide Manir ist mit einem fliessenten Pinsel und leichten durchsichgen farben wie getuscht gemahlt. und es scheind alles in einander geflossen zusein. Diesses zweide Bild, war ein gefecht von Bauren und reider die Krieg im Korn auf ein ander machten. viele warn verstekt im gedreide und schossen daraus. und die reider sezten mit ihrn Pferden dahinein. Der Raug in dem Korn machte einen gute Efekt. H. L. sagte zu mir, ich sehe das sie die Meister der Bilder gut könen, und sie müssen ser viele gesehen haben, und genau achtung auf die Manieren gegeben haben. und desglei­ chen. und doch glaube ich das sie irren von wem das Bild dort oben [Einschub: glauben] ist, das wo der Dunkle ganz mit Eissen beharnischte Ritter auf einem [Einschub: weissen] Pferd siz und von der Sonne stark beleuchtet werd. [Seitenwechsel: 30] ich sagte das stark zusamen gehaltene licht und die grossen schatten mit der Klarheit und die fast finger dik aufgetragn farbe zeigt das es niemand anderes gemacht hat als Rembrand. Er sagte wieder dafür hält es auch jeder. aber es ist von Wauwermann ein ganz seldenes Bild. Die grosse ist schon was ungewehnliges da seine figurn kaum eine fingerlang grosse haben, und diesse wol eine fuss gross ist. und dan ganz in der Rembrandische Manir gearbeidet. Nun sahe ich es auch das W. ein Bild mahlen konde das schin als habe es Rembrand ge­ macht. aber R. konde kein Pferd mahlen wie W. es war ein Meister stück von vortrefliger zeichen, und ist was das schön Pferd was ich von ihm gesehen. und schien als habe er es ganz ferdig nach der Nathur gemahld. und weil ihm daran gelegen war alle # und tinten und schwache und starke schatten genau zu haben, so hatte er so oft farbe auf farbe gesez. und dadurch worde es der Rembrden manir ähnlig. Er hatte noch viele vortreflige Bilder, und alle so wohl erhalten, als wen sie eben von den Händen der Mahler komen. Dan machte ich auch eine reise durch Holland, um die verschieden Städe zusehen. und die Bilder im Haag. Da sah ich den berühmt Ochsen von Potter. es ist werklig alles was man nathürliges sehen kann. Auch das Nathur ralien Kabinet zusehen machte mir viel freude. die vielen fremde thiere aus allen Welttheilen. Auch sahe ich das sogenande indische Wilde Boss Schwein, mit den grosen krumen Zähnen. In Amsterdam war in der Zeit ein Haus wo fremde wilde thiere zu sehen waren, wo ich oftn hin ging, den fast jedes mahl sahe man was neues, weil der Mann damit handelte. So war ein bestandiger weksel. [Ergänzung am Seitenrand: im Blauenjan. Der Mann führte mich eins in ein Zimer, wo er mir ganz kleine Affen zeichte. Es war sein statts zimer ich freude mich nicht wenig als ich da einige Portratte fand vom Prinz von Orange und der familige, von meinen Oheim Valentin Tischbein gemahlt. als der man den namen auf dem Bilde sahe worde er mir mer Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 339 gewogen und nun bekam ich alles jedes mahl zu sehen was er hatt er führte mich bis auf den bohten das voll Papageien und andern Vögel war.] Ich hatte auch freundschaft mit H. Schep die die Samlung Schmetterlinge und Vogel heraus gab. ich hatte auch aus liebhaberey das werk der Vögel übernomen heraus zu geben. und es sind auch welche von den ersten von mir. aber es war mir zu weidläuflig. und nach her hatt es ein ander vortsezen wollen. die welche er dazu gemacht hatt sind nicht gut. ich sahe auch ein Mann der aus America kam und eine grosse anzahl Schlangen mit brachte. Darunder sind sunderbare gestalten und einige von auserordentliger schöner farbe. er hatte grosse Fasser voll, alle wie die Heringe auf einander gepakt. Die Nathur und ihre Geschöpfe kennen zulernen, war neben der Mahlerey mir immer das liebste. ich zeichnete auch verschieden seldene thiere nach dem leben. So wechselde meine Arbeid mit verschieden Gegenstanden ab, doch das Portrat mahlen das merste was ich machte. Einstes kam ein Engländer zu mir, der sein Portrat in Miniatur von mir haben wolde. Weren dem mahlen sagte ich ihm meine Neigung England zu sehen. Er rieht mir ser zu dahin zu gehen. und noch viel mer er reizte mich an mit ihm nach Elingburg zu gehen von wo er war, und machte mir viele versprechungen, und nande mir eine menge Portrate die ich in seiner familige mahlen solte. und da er sahe [Seitenwechsel: 31] [Ergänzung am Seitenrand: Der König von Polen Stanislaw worde 1771 Conföderirt angehalt und weg gerührt, das lass ich in der zeitung und zeihnete es. Auch den Brandt vom Comedien Haus, welches ich abbrennen sahe.] das ich ebdenken trug, dardan so viel verdienen zu könen als ich brauchte, und er sahe meine Ängstligkeit darüber, so sagte er diesses Mistraun auf ihren verdienst will ich ihnen beneh­ men. wen sie wolln für mich ein jahr Portrate mahlen. so will ich Ihnen das jahr so viel ge­ ben. und sagte mir eine grose suma. die mich gleich endschloss mit ihm nach England zu reisen. in meinem Kopf worden die vortheilhafsten aussichten angenommen. aber mit mei­ nem Herz war ich nicht einig im Gemüth regte sich ein gefühl das sticht dagegen. Der stre­ bende Geist durch ## kam in Kampf mit den empfintungen des Herzens. Die Sehsucht mei­ nen Vatter und Verwanden noch wieder zu sehen, nach so vielen jahren. und ehe ich noch waider ging, wo Land und Meer und traum. und das war voraus zu sehen, das wen ich erst in England sey, dan so bald nicht wieder von da weg [Einschub: werde] komen. Meine Mut­ ter war underdessen gestorben. das mich bis zum vergehen schmerzte. Die! Die mich unter allen menschen am meisten liebte. Die trauer bringt mich fast bis zum vernichten. und ich dachte wer weis wie lange dein vatter noch lebt. und du bist es ihm und dir schuldig erst ihn zu besuchen, ehe du weiter reist. Damit du deinen Vater und er seinen Sohn wieder siehet. Ich entdekt meinem Englischen freund meine Herzens empfindung. Der sagte, diessen re­ gungen mus man folgen, wie das herz spricht so mus man handeln, das ist die erste Pflicht. Gehen sie machen sie sich die freude ihre verwanden zu sehen, und denen das sie ihndn wieder sehen. Cassel ist nicht weit von hir, da könen sie in wenig tagen sein. und wnn sie ihre freunde gesehen haben, dan komen sie wieder, in einem Monath kön sie wieder hir sein. ud dann mit mir nach Elinburg zu meinen Verwanten reisen. ich habe mich auch an­ ders besonen. erst wolte ich in einem Brief mein Miniatur Portrat meiner frau schiken. und da ich gerne ihre freude sehen wolte, wen sie den Brief öfnet und findet mich so ehnlig auf dem Bild. so habe ich mich entschlossen morgen abzureisen und es ihr selbst zu bringen. ich kome alle zwey oder drey Monath immer mit Güter nach Amsterdam. Da kön sie nun nach bekumligkeit ihre sachen ein richten das sie in einer von diesen reisen mit mir gehen. Die erste ist mir die liebste. und ich werde ihnen nun da anmelden und sie sollen freunde fin­ den. 340 Anhang

Alte Transkription der Lebensgeschichte (1824) Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 833, o. S.

[Seitenwechsel: o. S.] Mir Viel von England erzählten, mir sagten, dort sey die Liebhaberey der Kunst ganz allge­ mein und recht zu Hause, und die Maler würden dort sehr gut bezahlt. Die Lust England zu sehen ward nun bey mir viel überwiegender, als die welche ich sonst nach Holland gehabt hatte. – Ich nahm mir vor über Holland nach England zu gehen, und in dem ersteren Lande nur die allermerkwürdigsten Sachen und vorzüglichsten Bilder in Augenschein zu nehmen. Darauf richtete ich mich ein und verschaffte mir Addressen nach Amsterdam. – Einige Leute waren mir dort auch schon bekannt, und Einem nahm ich das Portrait seiner Mutter welche in Bremen wohnte mit dahin. – Um leichter zu reisen, führte ich nur einen Koffer mit Klei­ dungsstücken bey mir, und gab meine anderen Sachen an einen Schiffer, der wie er meinte schon vor mir zur See nach Amsterdam kommen würde. Es waren mehrere Kisten mit Bil­ dern, Zeichnungen, Kupferstichen und anderen Sachen. [Seitenwechsel: o. S.] Nun aber verursachte mir die Trennung von meinen lieben Wilmans einen harten Kampf. Ich litt unaussprechlich, und er nicht minder, aber es mußte seyn. – Schmerzhaft war der Abschied von ihm und so vielen guten Freunden; halb sinnlos stieg ich in den Wagen und kam erst nach langer Zeit wieder zu mir selbst. Die Gegenstände der Natur indessen ermun­ terten mich nach und nach; besonders die großen Eichen und Lindenbäume in Ostfriesland. Auf einigen hatte man 3 Etagen über einander mit Dielen gemacht, worauf Gesellschaften gegeben wurden. – Der Postillon zeigte mir vorzüglich einen Baum, und sagte, er werde der Wunderbaum genannt, und jeder Postillon fahre seine Passagiere zu ihm, und halte still, damit sie ihn betrachten könnten, und noch nie sey ein Reisender gewesen, der mehr der­ gleichen Bäume gesehen, auch wusste keiner was für ein Baum es sey. Es war eine Buche in deren Stamm Katzenkraut festgewachsen und von da bis in [Seitenwechsel: o. S.] den Gypfel hinaufgestiegen war, und sich auch in den meisten Ästen so ausgebreitete hatte, daß beinahe die ganze Krone davon überzogen war, nur einige Zweige ausgenommen, woran man sehen konnte daß es eine Buche war. In Ostfriesland fand ich viel öde Heidegegend, doch auch manche Stellen mit sehr üppiger Vegetation und Bäume von schönem Wuchs und herrlicher Größe; so auch die Menschen, Männer wie Riesen; auch das Vieh ist groß, besonders die Schweine mit großen hängenden Schlapp Ohren. – Erfreut über manche ländliche Gegend und Abwechslung der­ selben kam ich zu Lemert an, wo ich den Abend zu Schiff ging und über die Zuyder Zee fuhr. Ich ward seekrank und glaubte zu sterben. – es stürmte heftig, darauf kroch ich auf das Ver­ deck um die Wellen zu sehen. Die rauschten am Schiff in die Höhe und der Staub davon wehte darüber hin. – Ich konnte den Kopf nicht aufrecht halten, hatte ihn aufgestützt, und [Seitenwechsel: o. S.] schaute so über das Meer hin worin sich der Mond spiegelte auf mancherley Art, auf den Wellen blitzend; dann wie die laufen und ihre Form ändern, so mannigfaltig wechselt auch der Blitz des Mondes in ihnen. Einst kam eine große Welle, und schlug auf das Verdeck, und mir kam etwas Seewasser in den Mund. Der salzige Geschmack ermunterte mich, und weckte mich etwas aus der Seekrankheit. – So elend ich war, wollte ich doch wenigstens mit dem Kopf auf dem Verdeck seyn, um die so berühmte Pracht, der aufgehenden Sonne auf dem Meere zu sehen. Gegen Morgen legte sich der Sturm, und ich sah nun die so sehnlich ge­ wünschte Sonne hinter dem Meer heraufkommen. Wie eine Feuersäule scheint sie von Ho­ rizonte bis an unser Schiff her. Wir kamen nun der Küste immer näher, und sahen die reiche Stadt mit ihren hohen Häusern aus den Wellen steigen – dann kamen wir in den Hafen, wo ein Gewimmel von Schiffen aller Art war. – die vielen Masten sahen von weitem aus [Seitenwechsel: o. S.] wie ein Wald im Winter. – Als ich ausgestiegen war, freute ich mich, mit den Füßen wieder auf der Erde zu stehen, allein selbst diese schien noch zu wanken wie das Schiff. – Man gehet immer mit sehr unsicheren Schritten, wenn man eben vom Schiffe kommt, und das Seefah­ ren nicht gewohnt ist. Kaum hatte ich mich im Wirtshause umgekleidet, so ging ich aus, die Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 341

Stadt zu besehen, wo man überall Fleiß und Wohlhabenheit erblickte, und die Ordnung und Emsigkeit der Bewohner, wie sie diese wässrige morastige Gegend, durch Mühe und Kunst zu einem angenehmen Wohnort umgeschaffen haben. Erst gab ich meine Addreß-Briefe ab; dann besah ich die Gemälde, welche in öffentlichen Häusern zu sehen waren, als auf dem Stadthause, der Anatomie yy, besuchte dann die Gemäldehändler, die Sammlungen der Kunst Liebhaber und die Naturalien Sammlungen. Das waren meine ersten Bekanntschaften. Bey diesem Herumgehen arbeitete ich doch jeden Tag, und hatte es mir zum Gesetz gemacht [Seitenwechsel: o. S.] jeden Tag so viel zu malen, das wenigstens soviel oder mehr werth sey, als was ich verzehrte. Jeden Tag ging ich auf die Börse an den Ort, wo die neu angekommenen Schiffer stehen; aber immer vergebens erkundigte ich mich nach meinem Schiffer, dem ich in Bremen meine Kisten übergeben und der mir gesagt hatte, er dächte noch vor mir in Amsterdam anzukom­ men. – Aber er blieb aus; und ich wurde darüber sehr verlegen. Endlich erfuhr ich, das Schiff sey bey der Einfahrt in den Texel leck geworden. – Nun mußte ich mich in Geduld beschei­ den, so lange zu warten bis das Schiff im Stande seyn würde vom Texel nach Amsterdam zu kommen. Nach 14 Wochen kam es endlich an und als ich meine Kisten öfnete waren sie durch und durch naß, viele Sachen verfault, und ich mußte doch noch zu meinem Theil die Konsten der Havarey und Ausbesserung bezahlen. Dieses verzögerte Ausbleiben meiner ­Sachen veranlaßte mich [Seitenwechsel: o. S.] nun über meine vorgehabte Reise nach England anders zu denken. – Ich hatte auch während der Zeit viele Bekanntschaften gemacht; und malte Portraits und Familien Bilder im Kleinen, auch andere Bilder von einer eigenen Erfindung, und verschiedenen zu meiner Uebung. Uebrigens ließ ich keine Gelegenheit vorbeigehen, wo Gemälde zu sehen waren. Ich ging oft auf das Stadthaus, die Portraitgemälde von van der Helst zu sehen. Eins stellt einen Fridensschluß zwischen Spanien und Holland vor. Viele Männer von Rang als Bürger­ meisters und Rathsherren, Generäle Admiräle und Offizieres sitzen um einen großen Tisch. Der Bürgermeister hat ein großes zierlich gearbeitetes silbernes Friedens Horn in der Hand, und scheint dem spanischen Gesandten zuzutrinken, während beyde sich die Hand geben. Die Figuren sind so vortrefflich gemalt, daß sie wirklich lebende Menschen zu seyn schei­ nen, man kann sagen es fehlt [Seitenwechsel: o. S.] ihnen nichts als die Sprache, man glaubt in einer Gesellschaft von Männern zu seyn, die vor ein paar hundert Jahren lebten, und man kann dem Wunsche nicht widerstehen daß sie sich drehen möchten um sie von allen Seiten zu betrachten. Man ist so getäuscht, daß man ver­ gißt vor einem Bilde zu stehen, jede Person hat ihre eigene Gesichtsfarbe und der Ausdruck des eigenthümlichen Charakters liegt in der Manier, man erkennt die verschiedenen Ge­ müthsarten, in den Blicken ihrer Augen. Dem spanischen Gesandten sieht man es an, daß er viele Fastenspeise gegessen hat, dem Holländer dagegen, daß er sich von gutem derben Fleisch nährt und sein Gläschen dabey trinkt. Es ist auch ein großes Bild vom Rembrandt da, welches eine Bürger Nachtwache vorstellt, mit vielen Figuren, vortrefflich gemalt. Außerdem sah ich dort noch viele Bilder von Rembrandts Schülern und Zeitgenossen, von Van Dyck, Ekkert, Govert Flink, Lievens [Seitenwechsel: o. S.] Sanderat etc. – Ein ganz vorzügliches Bild eben von Rembrandt ist auf der Academie Kammer zu sehen. Es stellt Arzte vor, die einen [Einschub: Körper] Leichnam sezieren. – An diesem Bilde kann man sehen was Rembrandt vermochte, die Köpfe scheinen zu leben, und wirklich rund und erhaben zu stehn. Man sieht die Aufmerksamkeit mit der sie demjenigen zuhören welcher redet, und einer sieht mit Verwunderung auf die Stelle, wo ein Anderer schneidet und erklärt – [Einschub: Hier kann man sehen, was Petrark von dem Schöpfer sagte: Er wollte mit der Laura hier unten zeigen war er dort oben vermöchte. Auch Rembrandt wollte mit diesem Bilde zeigen, was er mit seinem Pinsel vermuchte. – ] Die Menschen scheinen nicht allein lebend da zu stehen, sondern ihr ganzer Charakter und ihre innere Seele ist auf den Gesichtern zu sehen, das wonach sie streben, und was sie wollen. Ein Kopf auf demselben ist, als hatte ihn Van Dyck gemacht. Er sieht aus dem Bilde [Seitenwechsel: o. S.] 342 Anhang heraus den Anschauenden an. Beynahe scheint es Rembrandt habe ihn aus Spott so ge­ macht, um zu zeigen Van Dyck mache nur malerische Portraits, er aber die Menschen wie sie wirklich sind. Von einem Vorsteher des Hauses für arme Männer und Weiber ward ich in dies Gebäude geführt, und mußte sein Portrait machen; denn jeder Vorsteher muß sich da malen lassen. – Auch hier sah ich vortreffliche Bilder, besonders eins von van der Helst, worauf ein Kopf vorzüglich schön und die Lippe zum Anfassen natürlich war. Die Holländer haben Maler gehabt, welche Sachen gemacht haben worin ihnen keine andere Nation gleich ge­ kommen ist. So Backhuysen stürmisches Meer van de Velde stille See, Schalken Nachtstücke mit Beleuchtung, Schneiers wilde Thiere, Hondekooter Federvieh besonders Enten, Wenicks todtes Wild. Rachel Ruysch Blumen. – Kein Land kann man so gut außer dem Lande durch Bilder [Seitenwechsel: o. S.] kennen lernen als Holland, denn ihre Künstler haben alles gemalt wie es da ist. Die Erde mit allen ihren Kräutern und was darauf reift, von den geringsten Insekten bis zu den vollkom­ menen Geschöpfen. Die Luft haben sie, mit allen ihren Veränderungen, so zu sagen portrai­ tiert, sogar den Dunst, welcher sich aus den sumpfigen Niederungen der flachen Gegend entwickelt, den sogenannten Heer Rauch haben sie gemalt. Das Wasser in allen Bewegungen und Veränderungen so wie auch das was darin lebt. Kein Volk kann sich rühmen Maler ge­ habt zu haben, welche die Fische, Vögel, Insekten, vierfüßigen Thiere von der Maus bis zum Löwen und Elephanten, so wie alle Stände, das Betragen und die Trachten jedes einzelnen Menschen jener Zeit vom Geringsten bis zum Größten, ihre Bettler Admiräle und Regenten, ihre Narren und Gelehrten so treu dargestellt hatte. [Einschub: Ich war noch nicht lang in Amsterdam, als ich] Bey einem portugiesischen Juden, einem alten blind gewor [Seitenwechsel: o. S.] denen Manne, sah ich eine Sammlung Seestücke alle von der Hand des van der Velde, sie machten ein ganzes Zimmer aus. Als ich zu ihm geführt wurde, und in sein Wohnwimmer trat, stand der alte blinde Mann auf, kam mir entgegen und reichte mir die Hand – Kaum bemerkte ich daß er blind war – Er sagte zu mir: da sie ein Liebhaber von Gemälden sind, so sollen Sie bey mir etwas Seltenes sehen, was Sie nirgends sonst finden – Unser Haus ist ein altes Handelshaus, das viele Schiffe bauen ließ, und in alle Welttheile herumschickte. – Un­ sere Geschäfte gingen sehr glücklich, und es war darin eine solche Emsigkeit, daß wenn ein Schiff vorn ausgeladen wurde, es hinten schon wieder mit anderen Gütern zu einer neuen Fahrt befrachtet wurde. Dies erweckte bei uns Liebe für den Schiffbau; mein Grosvater und seine Brüder machten selbst mit eigener Hand Modelle zu Schiffen, worin auch nicht das Geringste fehlte. Auch [Seitenwechsel: o. S.] ich habe so kleine Schiffchen gezimmert, woran kein Nagel mangelt – Er zeigte mir solche Modelle, die er gemacht hatte. – Diese Liebe für die Schiffe veranlaßte die Bekanntschaft unserer Familie mit dem vortrefflichen Seemaler W. van der Velde – Er war ein Freund unse­ res Hauses, und hatte freie Casse bey uns, mit der Bedingung, daß meine Vorfahren für alle Bilder die er verfertigte, den Vorkauf hatten. Auf diese Art bekamen wir die besten Stücke von diesem grossen Meister, der stille See zu malen einzig ist und nicht seines Gleichen hat. Als er starb, kauften wir alle seine Handzeichnungen so daß wir den Schatz dessen, was er in Zeichnungen nachließ, ausschließlich allein besitzen. – Darauf führte er mich an der Hand die Treppe hinauf – Oben standen große Kisten – Die, sagte er, enthalten die Zeichnungen des Van der Velde – es sind sehr viele, und Sie werden nur selten Zeichnungen von ihm an anderen Sammlungen [Seitenwechsel: o. S.] finden, da wir sie fast Alle haben. Nun traten wir in das Zimmer wo die Gemälde hingen – Es war ganz voll von Seestücken des van der Velde. Der alte Blinde führte mich von einem Stück zum anderen, und deutete mit dem Finger auf die schönsten Stellen jedes Bildes, so genau den bezeichneten Ort treffend als sehe er ihn – Hier sagte er, sehen Sie vorgestellt, wie König Carl der zweite aus England flüchtet und an der französischen Küste bei stillem Wetter ankommt. – Sehen Sie den schönen Abend, wie ruhig und windstill, wie die Segel und Taue schlaff herunterhängen – jenes Schiff Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 343 dort in der Entfernung thut Freudenschüsse – Sehen Sie wie der Rauch dick aus der Kanone kommt; die vordere Kanone ist schon abgefeuert, der Rauch schon davon gewehet, fliegt eben vor dem anderen Schiff vorbei, und bedeckt es so, daß man es wie durch einen Flor sieht – Hier auf diesem weit größeren Bilde sehen Sie, wie der [Seitenwechsel: o. S.] König wieder nach England zurückkehrt. Der Ort seiner Abfahrt ist Schevelingen; die Hügel rings umher, sind von neugierigen Zuschauern besetzt, die ihn abfahren sehen wollen, van de Velde ging selbst in dem Gefolge mit nach England, – dies dritte Bild ist nun der Aufenthalt die Ankunft des Königs auf der Themse – Viele englische Schiffe kommen ihm entgegen und flaggen alle – es ist ein buntes Gewimmel von Schiffen und Fahrzeugen, die ihm Freude durch die aufgestellten Flaggen bezeugen. – Ein anderes schönes Bild, stellte einen Seehafen vor, wo Schiffe dicht gedrängt ne­ ben einander liegen – Eins macht Schatten auf das Andere, zwischen die dunklen Schatten schien die Sonne, beleuchtete einige und reflectirte andere – und der Sonnenglanz gab eini­ gen auch eine Schein auf der Schattenseite; dies machte eine Klarheit im Dunkeln, daß sich das Auge an der Betrachtung erfreut – Ein anderes Bild war ein flacher Stand von Sand und Kies, wo die [Seitenwechsel: o. S.] anrollenden Wogen flach und dünn heraufliefen, so daß man durch das Wasser den sandi­ gen Boden sah yy. – Dem Blinden Greise waren ungeachtet der Beraubung seines Gesichtes die Bilder und deren Vorstellungen so gegenwärtig, als sähe er sie mit seinen Augen; indem er sie von Kindheit auf gesehen und mit vieler Liebe betrachtet hatte, und seitdem keines von der Stelle gerückt war. Es machte dem guten Alten großes Vergnügen, daß ich die Bilder mit so vieler Freunde sah. In anderen Sammlungen habe ich auch vortreffliche Bilder gesehen von Backhuy­ sen, gleichfalls ein Seemaler aber ganz anders wie v. d. Velde. – Backhuysen wählte stürmische See zu seinen Bildern, wo die Wellen hoch und wild übereinander schlagen – aber in dieser Art ist er auch einzig und unerreichbar. Die Wellen sind vortrefflich gezeichnet, man sieht den Gang und seine Ursache; und die Klarheit des Wassers hat er so nachgeahmt, daß man glauben [Seitenwechsel: o. S.] sollte, es sey wirklich Wasser und habe keinen Körper, und man könne etwas hineinwerfen daß es versinke, und durch einige Wellen sieht man die Sonne und den Tag scheinen. – Auch Schiffe hat er mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit gemalt, und nicht das Geringste dabey vergessen, was zu einem Schiff gehört. Er verstand wie die Schiffe gehen und liegen mußten je nachdem der Wind wehet – er war ganz mit der Schiffahrt bekannt und vertraut. – Seine Arbeiten zu sehen vergnügte mich sehr, und mit staunender Bewunderung sah ich die täuschende Nachahmung des flüssigen Elements. Seine Bilder waren Ursache, daß ich Lust bekam, die Wellen bei Sturmwind in der Natur zu sehen, und ging deshalb oft, wenn der Wind recht stark wehete zu Schiff. Von Amsterdam fahren zu allen Stunden Schiffe ab, und kommen wieder an von den nahe gelegenen Orten Saardamm yy. Wenn es nun recht stark anfing zu stürmen, so [Seitenwechsel: o. S.] fuhr ich mit einem solchen Schiff ab, und sah wie geschikt die Schiffer ihr Fahrzeug zu leiten wissen. Bei dem heftigsten Winde fahren sie oft mit vollen Segeln zwischen Pfählen weg, wo das Schiff kaum durch kann und ohne einen zu berühren geht es pfeilschnell daran vorbei – Auf dem hohen Wasser gehen dann die Wellen gewaltig tobend gegen das Schiff an, aber es durchschneidet sie, oder hebt sich darüber weg. Eine solche Fahrt zu machen war mir große Freunde und desto lieber, je toller Wind und Wellen tobten. Kommt man nun in Saar­ damm an, so trinkt man Bier Wein oder Thee; zum Essen bekommt man anstatt Zwieback eine Art kleinen Schollen Fische die von der Luft getrocknet sind, und dabei eine Schere mit der man Sie in Streifen schneidet, und so zum Thee genießt. So wie die Glocke die bestimm­ te Stunde schlägt, geht von da wieder ein Schiff nach Amsterdam auf dem man dann wieder zurückfährt – [Seitenwechsel: o. S.] und auf diese Art, hat man sich in kurzer Zeit, für wenig Geld ein Vergnügen gereicht. 344 Anhang

Sehr oft besuchte ich den Herrn van Goll dem eine außerordentlich schöne Samm­ lung von Original Handzeichnungen besaß, und auch selbst sehr gut Landschaften zeich­ nete. [Einschub: Er hatte verschiedene Gegenden, von seiner Reise nach Wien, und wieder zurück, gezeichnet, die ich auch dort sahe.] Ich war bey ihm, so oft ich nur konnte, um diese schätzbaren Sachen zu sehen. Er gab alle Dingstag Gesellschaft, wozu seine Freunde und die Liebhaber für immer eingeladen waren. Nach dem Kaffee oder Thee rükten die Be­ dienten Tische an einender welche mit einem grünen Tuch bedekt wurden, dann holte Herr van Goll einen Portefeuille mit Zeichnungen, setzte sich unten an den Tisch, und die Gesell­ schaft an beiden Seiten herum – er nahm darauf eine Zeichnung aus der Mappe und gab sie seinem Nachbar, der sie nach Gefallen besah, weiter gab und dann eine andere erhielt, wel­ che dann ebenfalls weiterging – und so gingen die Zeichnungen von Hand zu Hand, wurden besehen [Seitenwechsel: o. S.] und allgemein beurtheilt. Die Ansicht dieser schönen Sachen, gewährte mir ein großes Ver­ gnügen. Hier sah ich von A. Ostade außerordentlich schöne Zeichnungen in Wasserfarben; [Einschub: wo das helldunkle in dem # sehr gut dargestellt war, –] auch Potter’s Portrait von Fischer in schwarzer Kreide gezeichnet und Arbeiten von beinahe allen großen Meistern. [Einschub: Er besaß auch eine grüne Papageienfeder von Albercht Dürer, und sehr natürlich gemacht war. Man wüßte, daß sie von Hand zu Hand von Kaiser Maximilian nach dem Herrn van Goll gekommen war.] Auf diese schöne und lehrreiche Unterhaltung, folgte dann ein heiteres freundschaftliches Abendessen. Dieser angenehmen Gesellschaft erinnere ich mich noch immer mit Freude, und wünschte die schönen Sachen noch einmal sehen zu können. In der Familie der berühmten Blumen Malerin Rachel Ruysch welche durch ihre Kunst ihr Geschlecht geehrt hat, habe ich sehr schöne Blumenstücke gesehen, welche man zu ihrem Andenken aufbewahrte. Unter andern zeigte man mir Blumen die sie als ein sie­ benjähriges Mädchen und andere die sie in einem Alter von 70 Jahren gemalt hatte. – Beide Arbeiten waren sich gleich, # eine wie die andere. [Seitenwechsel: o. S.] Bey H. Blos Ploos van Amstel sah ich ein seltenes Bild von Adrian Brower. Es stellt ein Ge­ fängnis vor, worin ihn die Spanier gesetzt hatten – die Geschichte ist bekannt. Die Spanier fanden ihn zeichnend hielten ihn für einen Spion und setzten ihn ins Gefängnis, woraus Rubens ihn wieder befreiete. – Er sitzt auf dem Bilde an der Staffeley und malt, Rubens ihn besuchend, sitzt neben ihm mit einem Hündchen auf dem Schooß. Van Dyck und Tibenbeck stehen hinter ihm; Brower spricht mit Zorn und Bewegung und erzählt seine Gefangenneh­ mung an Rubens der mit ruhigem Lächeln zuhört. An der Thüre steht ein Italiener, welcher Musik macht, und ein Knabe singt dazu, um ihm die Zeit im Gefängniß zu vertreiben. Von den Holländischen Malern Man schätzt die Werke der Holländischen Maler, weil sie die Natur so treu nach­ ahmten und wegen des Fleißes mit welchem sie ihre Bilder ausführten. [Einschub: Wer aber einzig davon sich angezogen fühlt] der hat ihre Werke nur ober [Seitenwechsel: o. S.] flächlich betrachtet, und hat den Geist und die Seelenwirkung unbeachtet übersehen. Ihre Bilder sind mit einer Ruhe der Seele und einer Fröhlichkeit des Geistes gemacht, daß sie den Anschauenden ermuntern; und doch wurden die Meisten in der Zeit des Krieg’s und Druk’s gemacht. Daraus läßt sich ersehen, wie viel Liebe sie zur Kunst hatten, denn Liebe und Ruhe der Seele allein kann so etwas vollendetes hervorbringen. Was kann # und Wahrheit zeigen als ein Bild von Johann Steen! – Das war ein Mann, der die Menschen bis auf den Grund ihrer Seele kannte, und die verschiedenen Charactere und Nationen in seinen Vorstellungen deutlich von einander unterschied; und was er damit sagen wollte, bedurfte keiner Ausle­ gung; es sprach sich von selbst verständlich aus. So sah ich einst eine Bauernhochzeit, wo der Schmaus vorbei war – die Tische waren leer, die Bänke und Stühle wurden weggeräumt, und die Braut und der Bräutigam wurden in das Schlafzimmer gebracht. Das Lebendige, der Scherz und der [Seitenwechsel: o. S.] Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 345

Muthwille waren auf jedem Gesichte zu sehen, und von dem schalkhaften Munde der Um­ stehenden, glaubte man die witzigen Wörter zu hören, womit sie die Braut in Verlegenheit brachten, welche sich sträubte, oder nur so that – dem Bräutigam zu folgen, der schon voran einige Stufen einer Treppe hinauf gegangen war, und die Thür der Schlafkammer öffnete; mit der einen Hand winkte er der Braut die mit Gewalt nicht die Treppe hinauf wollte. Die ganze Gesellschaft, sprach ihr herzhaft zu, und Einige hatten sie umfaßt, und wollten sie mit Gewalt hinaufschieben; Einige zogen, Andere drängten nach; sie war mit einer Gruppe um­ geben, und von so vielen Armen umschlungen deren Gewalt sie nicht gewachsen war, sich zu entreissen; sie stemmte die Beine gegen die Treppe, und strengte alle Kraft an, um nicht in die Kammer zu kommen. So wie sie aber ihren Körper zurückwarf in die Arme, die sie vorwärts drükken wollten, so sah man dich in ihren verliebten Augen die Sehnsucht und das Verlangen nach [Seitenwechsel: o. S.] ihrem Bräutigam, und dann ihren Blick, der an seine Augen gefesselt war. Ich sah noch ein anderes diesem etwas ähnliches Bild, wo die Braut nach dem voll­ brachten Hochzeits-Schmaus in die Kammer gebracht ward. Die ward auch von den Gästen geführt, und sträubte sich; beschämt, mit niedergeschlagenen Augen und denen die sie führ­ ten in die Arme gesunken, lag sie wie einer Ohnmacht nahe, schauend wie ein Schlacht- Opfer, das zum Altare geführt wird. Rührend war in ihr die jungfräuliche Schamhaftigkeit zu sehen. Mehrere Bilder sah ich von ihm, die alle zeigen daß er ein scharfer Kenner und Beob­ achter der Menschen war. Indes mal habe ich dieselben mit Vergnügen gesehen, und um so mehr, da es fast immer lustige Gegenstände sind welche Lachen erregen. – Er sah der Men­ schen Getreibe von der komischen und lustigen Seite an. Die Holländer hatten auch viele Maler, die moralische und Sitten- [Seitenwechsel: o. S.] Bilder malten. Einen feurigen Geist in der Erfindung und Ausarbeitung, kann man ihnen nicht absprechen; man kann sie keiner Nation nachsetzen, nein man kann keinen Italiener an feurigen Geist dem Ruben gleichstellen, und keinen flüchtigeren Arbeiter der mit solcher Schnelligkeit arbeitete, als Franz Hals aufweisen. Seine Portraits scheinen mit drey Strichen gemacht zu seyn und doch glaubt man lebende Personen vor sich stehen zu sehen. Lan­ franco und Luca fa presto würden sich haben eilen müssen, wen sie mit Jenen um die Wette gearbeitet hätten. L. Giordano malte zwar in einer Nacht ein Altarbild, es ist aber auch da­ nach! – Als van Dyck wieder aus Italien nach seinem Vaterland kam hörte er von dem schnellen Arbeiten des F. Hals. Er wollte ihn kennen lernen, um sich davon zu überzeugen und als er durch Harlem reiste, ging er zu ihm, und gab sich einen andere Nahmen: er sei ein reisender Cavalier [Seitenwechsel: o. S.] und wünsche geschwinde sein Portrait zu haben; denn er müsse sogleich weiter reisen. F. Hals setzte sogleich eine Leinwand auf die Staffeley, und fing auf Begehren des fremden Cavaliers das Portrait an, der es so schnell als möglich verlangte, weil er keine Zeit habe. Nachdem Hals einige Zeit gearbeitet hatte, sagte er Mein Herr, Sie sind fertig, und stand auf. Der Cava­ lier sah das Portrait mit Verwunderung an und sagte: daß glaubte ich nicht, daß Ihr es in so kurzer Zeit machen konntet; nun habe ich doch noch einige Zeit übrig, und ich habe sonst auch malen können; ich will versuchen Euer Portrait zu machen. – Jener gab ihm Leinwand und Pallette, setzte sich auf Verlangen des fremden Cavaliers; dieser fing an zu malen, und nach einiger Zeit sagte er; Mein Herr, Sie sind fertig. Hals stand auf, und sah das Portrait, umarmte den Fremden und sagte: Ihr seid Van Dyck oder der Teufel! Als eine alte Sage habe ich diese Ge- [Seitenwechsel: o. S.] schichte oft in Holland erzählen hören. Man muß auch den Geschmack der Holländer bewundern, wie sie aus einer armse­ ligen sterilen Gegend ein angenehmes Bild haben machen können, das Anmuth und Seele hat. Oft ist der Ort nichts als ein flaches Sandufer und ein Strich See und Himmel. Aber da haben sie eine Abwechslung von Licht und Schatten und Farben hineingebracht, daß es reizend anzuschauen ist. Sie wußten es aus zu schmüken mit dem Schatten der Wolken, die über das Wasser laufen, und hie und da schweben, und dazu laßen sie durch die Wolken 346 Anhang

­einen Sonnenstreif herunterschiessen, der einen Fleck der See beleuchtet, und auch auf den gelben Sand fällt, was einen auffallenden Effect macht. Und um die Ferne auf dem Wasser reicht weit scheinend zu machen, so setzten sie Schiffe auf die verschiedenen Flächen; einige nahe, andere im Mittelgrund und noch andere hinten, einige im Schatten, und andere ins Licht, wo ihre weissen Segel in der Beleuchtung glänzten – gaben den Segeln auch ver­ schiedene [Seitenwechsel: o. S.] Farben als graue, rothe, weisse, gelbe und auch geflekte; und so wurden aus diesen einfachen Gegenden angenehme Bilder. – Wenn es auch weiter nichts darbiethet, als ein flaches Ufer und eine flache stille See, so legten sie einen alten zerbrochenen Krebs- oder Fischkorb den die Wellen an den Strand getrieben hatten hin, setzten eine aufgerichtete Piloten Stange mit einem Korb darauf, zum Zeichen des Orts – Das giebt dem Bilde schon ein Ansehen. Und was haben sie angenehme Wassergegenden mit Gebüsch und Bäumen an einem Dorfe gemacht, die einen zu ihrer Anmuth einladen! Wer steht nicht gerne still, und siehet ein ruhiges Oert­ chen, wo sich Enten in einem stillstehenden Wasser baden und in seinem Spiegel doppelt erscheinen! Solche vortreffliche Maler waren die Holländer. Es liegt also nicht im Clima; wie Einige meinen, die warme Sonne schaffe nur den feurigen Geist; nein, es liegt am Geist der Zeit! Damals war alles geistig belebt in Holland; seine [Seitenwechsel: o. S.] Helden schlugen mit wenig Volk zahlreiche Feinde; seine Admiräle waren die Beherrscher der Meere [Einschub: ich sahe in Berlin einen toten Admiral in seiner Rüstung, und er hatte solchen Ausdruck, daß man sich noch im Tode vor ihm fürchtete] und bei allen diesen krie­ gerischen Zeiten war der Geist in so hoher Kraft, daß Werke der Kunst geliefert wurden, die in Erstaunen setzen, von denen man jetzt erröthen muß; ja die Kunst war so ausgebreitet, daß Söhne von Tagelöhnern große Künstler wurden und aus allen Ständen wachten große Männer auf zu Helden und Staatsmännern, Künstlern und Kaufleuten. Was für große Unter­ nehmungen haben sie damals ausgeführt, und was für weise Gesetze gegeben! Ein Keiser von der Türkey, welcher viel von den großen Thaten und Siegen der Holländer gehört hatte, verlangte, man solle ihm eine Land-Charte bringen, und auf der­ selben den Fleck Landes zeigen, wo dieses Volk wohnte, welches so viele wundernswürdige Thaten verrichtete. Man brachte ihm die Charte von Europa – also dieses ganze Stück be­ wohnt dieses Volk? [Ergänzung am Rand in der Schrift Tischbeins: Auch König Wilhelm, der Vater vom großen Friedrig müssigte sich von seinen Regierungs Geschaften Zeit ab und mahlte] [weiter in anderer Handschrift: ich selbst sahe sehr schöne Bilder von ihm beson­ ders ein Paar alte Köpfe nach Abraham Blomard] [Seitenwechsel: o. S.] fragte er. Nein antwortete man ihm, und zeigte darauf: dies Ländchen hier ist es. Wie! Rief er aus – Ein Pünktchen, welches ich mit dem Finger bedecke, und hier wohnen die Gebieter von Europa, und allen Meeren! – Allein, wie es denn gehet – der menschliche Geist blühet nur eine Weile in Ländern und zeiget sich groß. Dann sinkt er wieder und schläft ein. So große Maler sie damals in Menge hatten, so rar ist jetzo das Land an Künstlern. Man glaubt nicht mehr, daß es diesel­ ben wären, es ist so vergangen und heruntergesunken, daß man nicht einmal mehr weiß, wie die Alten malten. Ihre feurigen klaren durchsichtigen Farben kennt man nicht mehr. Und damals malten Knaben, die kaum zu essen hatten, schon Meisterstücke, wie man von Einigen sagt, Leute ohne alle Erziehung und Bildung, Torfträger, Schmiede, Müller, Bäcker, Schuster und Schneider. Die Kunst liegt also im Menschen, und es kommt nur darauf an, daß [Einschub: Adrian Brauer war der Sohn eines Torfträgers, Van der Werf war ein Schnei­ders Sohn, doch seiner Kunst wegen zum Ritter erhoben worden] [Seitenwechsel: o. S.] sie gemakt wird. – Daß die Holländer so gut malten ist ein Wunder, – daß die Italiener aber nicht besser malten, als sie gemalt haben, ist auch ein Wunder, und gereicht ihnen zum Vorwurf; denn sie hatten Alles was dazu gehört, und die Holländer hatten nichts. Die Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 347

­griechischen Kunstwerke sollten die Italiener schon früher auf bessere Wege gebracht haben; denn sie haben diese in Menge, und wo sie nur hinsahen hatten sie diese vortrefflichen Modelle vor Augen. Und doch übersahen sie selbige! – Wie lange hat nicht das vortreffliche Kunstwerk der Sturz von der schönen Gruppe Menelaos wie er den Leichnam, des Patrocklos aus dem Gefechte trägt der jetzt sogenannte Pasquino wie man erzählt einem Schuster vor seiner Tühre gedient, das Sohlenleder darauf zu klopfen, ehe er erkannt wurde, daß er etwas Besseres werth sey. Jetzo dient er, die Pasquillen und # daran zu kleistern. – Ueberall an den Strassenecken sah man Kunstwerke, die sie zur Nachahmung ermuntern sollten und ihnen zugleich den rechten Weg [Seitenwechsel: o. S.] Seehäfen; auch Italienische und Spanische. Ich habe vortreffliche Bilder von ihm gesehen. Ge­ meiniglich sind die Vordergründe Hallen mit Säulen und verfallenen Ruinen, Portale u. dgl. wo die Kaufleute aller Nationen mit einander handeln. Türken, Italiener, Spanier und Hol­ länder – die Gesichter und Kleidungen von jeder Nation hat er deutlich charakterisiert. Be­ sonders hat er sich Mühe gegeben die Türken recht schön zu machen – sie machen mehren­ theils die Hauptfiguren aus – und die Sclaven, welche schwere Kisten und Ballen von und zu den Schiffen wälzen. Ich habe ein paar Bilder von ihm gesehen, wo die Köpfe mit einer Kraft wie von Rembrandt waren, und mit einem feurigen und kräftigen Colorit und dabei sehr ausgeführt, aber mit einem markigten Pinsel hingesetzt, welcher zeigt, daß er gründliche Kenntniß von der Sache hatte. Er verstand Schatten und Luft, und hatte Kenntniß von der Perspective. Lingelbach malte auch oft Levantische Seehäfen – Ein Stück sah ich von ihm, welches einen Hafen vorstellte wo die Galeren Sclaven und andere [Seitenwechsel: o. S.] Ketten Sclaven von der Arbeit ausruhend. Es war sehr characteristisch und versetzte ganz in die Türkey. H. Bürgermeister Gave Gabe in Hamburg hatte 2 große Bilder von ihm, wo die Figuren über einen Fuß hoch waren. Da waren die Türken in ihrer Tracht schön ausgemalt; und ihre Gewehre, Säben und Dolche gaben ihnen ein recht nationales Ansehen. Dies waren die schönsten Bilder welche ich von ihm sah. Lingelbach war aus Francfurt am Mayn; aber er hat immer in der holländischen Manier gemalt – seine meisten Vorstellungen sind Italie­ nische Gemüsemärkte; so wie auch die vom jungen Mompers. Ich sah noch eine andere Sammlung merkwürdiger Zeichnungen. Ein Maler aus der guten Zeit, als die großen Künstler lebten, war nach Indien gereist, und hatte die seltenen schönen Vögel und Fische mit Wasserfarben abgemalt. Mit dieser Kunst die schönen Farben nach dem Leben an Ort und Stelle [Seitenwechsel: o. S.] nachgemacht, war äußerst sehenswürdig. Besonders die Fische können wir hier nicht so zu sehen bekommen, denn wenn sie auch hergebracht werden, so verlieren sie die schönen Farben. Die müssen gleich gemalt werden, wenn sie aus dem Wasser kommen. Viele dieser Fischen waren so sonderbar von Zeichnung und gestreiften Farben; man kann sich kaum vorstellen, daß der Schöpfer solche gemacht hat. – Vom schönsten Blau mit Goldstreifen durchzogen; silberne mit blauen Streifen; auch solche mit Purpur: Roth, Gold und Silber, Grün – kurz von allen Farben – und eine Pracht wie unter den Vögeln, Blumen, Metallen und Edelgesteinen. Es ist sehr angenehm eine ausgewählte Sammlung Holländischer Bilder zu besitzen – Ein Cabinet davon ist sehr unterhaltend: denn sie haben aus der Natur sehr viele erfreuli­ che Gegenstände herausgehoben, und auch aus dem geschäftigen Leben und Treiben der Menschen. Es sind einige Maler gewesen, die man selten nennen hört; hingegen hört man die öfter [Seitenwechsel: o. S.] nennen, welche eine vorzügliche Geschicklichkeit im Pinsel hatten, womit sie die Liebhaber anzogen. Aber da sind Welche, die nicht auf die Mache achteten, sondern nahmen einen Gegenstand aus der Natur, der ein empfängliches Gemüth anspricht; und dies suchten sie mehr nachzubilden. So sah ich einst eine Landschaft vom alten Hackert – es war ein inwen­ diges Dorf mit Bäumen und Gärten. Die Liebhaber standen um das Bild, und bewunderten es wegen seiner Natürlichkeit. Sie sagten: man glaubt darin herumgehen zu können – Die Bäume sind so natürlich als könnte man sie abhauen, und die Borke davon abschälen; und 348 Anhang der alte Gartenzaun, davon könnte man Planke für Planke heraus ziehen – Und wie die son­ ne über das kurze mosigte Gras hinstreift, ist auch wie die Natur selbst. – Aber es ist doch nicht von Einem der berühmten Meister die man gerne in sein Cabinet nimmt. Und es wurde auch wohlfeil verkauft. Das macht die Mode. – Aber ein Blumenstück von van Huy­ sum, mit einem Vogelnest, wo die Haare mit Schatten und Licht gemalt sind, dafür [Seitenwechsel: o. S.] bezahlt man Tausende, weil ein solches Bild zu einem Cabinet gehört. Zu einem guten Holländischen Cabinet gehört: Ein Kopf von Rembrandt, eine aus­ geführte Skizze von Rubens, ein Bild von Gerhard Douw, ein alter Miris und Franz Miris; zwey von Wouwermann, eins von seiner ersten, und eins von seiner letzten Manier. Berg­ hem, A. Keip, Ostade, Teniers, Brauer, Metsu, Terburg eine inwendige Kirche von P. Neef, ein Still Leben mit Früchten von De Hem, Blumen von Huysum, Ochsen von Potter, ein Vieh­ stück von Van der Velde, eine stille See von W. Velde, eine stürmische See von Backhuysen – Slingelandt, Schalken, von Van Dyck ein Portrait, ein Kopf von Liebens, F. Bruegel, Hon­ dekooter, Van der Werf, Poelenburg, Rottenhammer, Schneiers, Both, Layeresse. Siehet man ein solches Cabinet von einem Holländer gesammelt der ein echter Kenner ist, so wird man in Erstaunen gesetzt, man kann sich nichts Angenehmeres vorstel­ len, und man muß die Kunst bewundern [Seitenwechsel: o. S.] welche diese Menschen besessen haben, die Natur so treu nachzuahmen. Der echte Hollän­ dische Kenner nimmt nichts, als was vortrefflich ist, und dann müßen die Bilder so seyn, als wenn sie von der Staffeley des Malers kämen. Ein Bild das gewaschen ist, nimmt er gar nicht, und ein ausgebessertes Bild sieht er als verdorben an, das keinen Werth hat. Es soll so seyn, daß es nur mit dem Dunst der Zeit bedekt ist, welches sie so ausdrücken: De Dost ligt der noch up. Ein solches Bild von einem großen Meister zu sehen, welches das Glück gehabt hat, immer gut verwahrt worden zu seyn, das ist eine Freude für einen echten Kenner; denn die angenehme Harmonie welche das Alter vollendet nachdem der wissenschaftliche Künstler sie seinem Bilde in den letzten Pinselstrichen zu geben gesucht, und wo die Zeit, das Ganze mit ihrem Hauche noch mehr zusammen schmilzt; das ist ein Zauber der entzükt. – Leicht ist er wegzuwischen. Wenn ein Unkundiger mit Seife, Lauge oder Spiritus darauf kommt, so geht nicht allein das schönste Zarte wag, sondern alle [Seitenwechsel: o. S.] Lasurfarbe, und es bleicht nichts übrig als das Skelett, und ein ehemals gesundes nun ver­ dorbenes Bild, das Einen betrübt anzusehen. Und die Zeit kommt, wo man keine so wohl­ erhaltenen Bilder mehr sehen wird, weil so viele Ungeschikte sich damit abgeben, sie zu vernichten. Ein Gegenstand über den man nicht genug eifern kann, da er uns Teutschen selbst das wenige Gute noch vertilgt, was man uns gelassen hat. Von der eben angeführten Art vortrefflicher und ausgesuchter Bilder, sah ich einige bey H. Lubeling. Da war unter andern, ein schönes Bild von A. van der Velde, eine Weide mit Kühen Pferden und Schafen. – Das feurige und wollige der Thiere war mit dem sanften Pinsel dieses Meisters, der ihm besonders eigen war, vortrefflich dargestellt. Auch der Widerschein der Kühe im Spiegel des Wassers war wie hingezaubert. – Ferner ein Bild von Wouwermann in seiner ersten Manier. – Bauern zu Pferde, die ein Wettrennen halten, worin der Preis darin besteht, einen Hecht, der an einem ausgespannten [Seitenwechsel: o. S.] Strick hängt beim darunter durch jagen abzureißen. Weil aber der Hecht glatt, und schwer festzuhalten ist, so giebt es dabey viel zu lachen, indem Mancher vom Pferde fällt. Wou­wer­ man’s erste Manier besteht darin, daß er mit dicken körperlichen Farben malte, diese stark auftrug, und wie einen Teig in einander verschmolz oder scharf hingesetzt stehen ließ. Dies giebt seinen Bildern ein markiges Ansehen und sie scheinen wie bossiert. Die zweite Manier hat einen fließenden Pinsel, und leicht durchsichtige Farben, wie getuscht – und Alles scheint, wie in einander geflossen zu seyn. Dies 2te Bild war ein Gefecht zwischen Bauern und Reitern, die sich im Korn herumschlagen. Viele waren im Getreide versteckt, und schas­ sen daraus, und die Reiter setzten mit ihren Pferden hinein. Der Rauch im Korn machte ei­ nen sehr guten Effect. Transkriptionen zur Niederlande-Reise Tischbeins 349

Herr Lubeling sagte zu mir, Ich sehe, daß Ihnen die Meister dieser Bilder gut be­ kannt sind – Sie müssen sehr viele gesehen, und auf die Manieren genau Achtung gegeben haben; und doch glaube [Seitenwechsel: o. S.] ich daß Sie irren, wenn Sie angeben sollten, von wem das Bild dort oben ist, das, wo der dunkle ganz mit Eisen geharnischte Ritter auf einem weißen Pferd sitzt, stark von der Sonne beleuchtet. – Ich sagte, das stark zusammengehaltene Licht und die großen Schatten mit der Klarheit, und die dick aufgetragene Farbe, zeigen daß es niemand anders als Rembrandt ge­ macht hat. Dafür erwiederte er hält es auch ein jeder; aber es ist von Wouwermann, ein sehr seltenes Bild. – Schon die Größe ist ungewöhnlich, da seine Figuren sonst kaum die Länge eines Fingers haben, und diesemal einen Fuß hoch ist – und dann ganz in der Rembrandt­ schen Manier gearbeitet. – Nun sah ich daß Wouwermann ein Bild machen konnte, welches von Rembrandt gemacht zu seyn schien, aber Rembrandt konnte kein Pferd malen wie Wou­ wermann. Es war ein Meisterstück von vortrefflicher Zeichnung und das schönste Pferd, das ich je von ihm gesehen. Es schien, als habe er es ganz fertig nach der Natur gemalt; und weil ihm daran gelegen war, alle Muskeln und Tinten, und starken [Seitenwechsel: o. S.] und schwachen Schatten genau zu haben, so hatte er so oft Farbe auf Farbe gesetzt, und da­ durch war es der Rembrandtschen Manier so ähnlich geworden. – Herr Lubeling hatte noch viele­ herrliche Bilder und alle so wohl erhalten, als kämen sie erst eben aus den Händen der Maler. Ich machte nun auch eine Reise durch Holland um die verschiedenen Städte zu sehen, und vorzüglich die Bilder in Haag. Da sah ich den berühmten Ochsen von Potter. Es ist wirklich das Natürlichste was man sehen kann. Der Besuch des Naturalien Cabinets und die Ansicht der vielen fremden Thiere aus allen Welttheilen machte mir viele Freude. Ich sah hier auch das sogenannte wilde indische Boß Schwein, mit den großen krummen Zähnen lebendig. In Amsterdam war zu der Zeit ein Haus, wo viele fremde Thiere zu sehen waren. Ich ging oft hin, und sah wie der Mann damit handelte, und so ein beständiger Wechsel war, fast jedes mal etwas Neues. Ich stand auch in Bekanntschaft mit H. Schep, welcher die Sammlung von Vögeln und Schmetterling her [Seitenwechsel: o. S.] aus gab. Aus Liebhaberey hatte ich das Fach der Vögel übernommen und einige der ersten sind auch von mir, aber es wurde mir zu weitleuftig – Nachher hat es ein anderer fortsetzen wollen; seine Arbeiten haben aber keinen sonderlichen Werth. Zu der Zeit lernte ich auch einen Mann kennen, der aus America kam, und eine große Anzahl Schlangen mitbrachte. Darunter waren höchst sonderbare Gestalten, und einige von ausgezeichnet schönen Farben. Er hatte große Fässer voll, worin alle wie Heringe auf­ einander gepackt waren. – Die Natur mit ihren Geschöpfen kennen zu lernen, war neben der Malerey mir das Liebste. Ich zeichnete auch verschiedene seltene Thiere nach dem Leben. So wechselte meine Arbeit mit verschiedenen Gegenständen und Beschäftigungen – Doch hielt ich mich vorzüglich ans Portrait Malen. Einst kam ein Engländer Schottländer zu mir, der sein Portrait in Miniatur von mir haben wollte. Während des Malens äußerte ich mein Verlangen England zu sehen; Er rieth mir sehr dahin zu gehen, und noch mehr, er [Seitenwechsel: o. S.] ermunterte mich, mit ihm nach Edinburg seiner Vaterstadt zu gehen machte mir viele Ver­ sprechungen und nannte mir eine Menge Portraits die ich in seiner Familie malen sollte. Und wie er merkte, daß ich mistraute so viel als ich brachte verdienen zu können, sagte er, dies Mistrauen will ich Ihnen gänzlich benehmen. – Wenn sie für mich ein Jahrlang Portraits malen wollen, so will ich Ihnen so und so viel geben; und nannte eine große Summe, die mich sogleich bestimmte, mit ihm nach England zu gehen. Mein Verstand ergriff die vor­ theilhafte Aussicht, aber mit meinem Herzen war ich nicht einig, im Gemüth regte sich ein Gefühl welches dagegen stritt. Der strebende Geist des Wirkens gerieth in Kampf mit den Empfindungen des Herzens mit der Sehnsucht nach so vielen Jahren und ehe ich weiter fortging, wo Länder und Meere uns trennten, meinen Vater und die Meinigen wiederzu­ sehen. Ich begriff # daß wenn ich erst in England wäre, an eine Rückreise so bald nicht zu denken seyn würde. – Unterdessen war auch meine Mutter ge- 350 Anhang

[Seitenwechsel: o. S.] storben, ein Verlust und Unfall, der mich bis zum Vergehen schmerzte und betrübte. – Sie, die mich unter allen Menschen am Meisten liebte! Die Trauer beugte mich fast bis zur Ver­ nichtung – und ich dachte: Wer weiß wie lange dein Vater noch lebt; du bist es ihm und dir schuldig, ihn zu besuchen, ehe du weiter reisest, damit Vater und Sohn sich noch einmal wiedersehen. Ich entdeckte meinem Englischen Freunde meine Herzensempfindungen und er sagte: Solchen Regungen muß man folgen, wie das Herz spricht, so muß man handeln – das ist die erste Pflicht. Gehen Sie, machen Sie sich und ihre Verwandten die Freude des Wiedersehens. Cassel ist ja so weit nicht – Sie können in einigen Tagen dort seyn, und wenn Sie Ihre Verwandten gesehen haben, so kommen sie wieder zurück. In einem Monat können Sie schon wieder hier seyn, und dann mit mir nach Edinbung zu den Meinigen reisen. – Ich habe mich auch anders besonnen. – Erst wollte ich meiner Frau mein Portrait in einem ­Briefe schicken, da ich doch eben gerne ihre freude sehen [Seitenwechsel: o. S.] möchte, wenn sie den Brief öfnet und mich in dem Bilde so ähnlich findet, so habe ich mich entschlossen, morgen abzureisen, und es ihr selbst zu bringen. Ich komme aber alle 2 oder 3 Monate mit Gütern nach Amsterdam. – Da können Sie sich dann nach Ihrer Bequemlichkeit so einrichten, daß sie auf einer von diesen Fahrten mit mir gehen. Die erste ist mir die Liebste, ich werde Sie jetzt dort anmelden, und Sie sollen Freunde finden. Ich verließ also Holland und reiste nach Cassel. Auf dem Wege freute ich mich über die Natur und die schönen Gegenden die ich nun wieder in der Wirklichkeit sah, und in den Städten nur in Bildern zu sehen gewohnt worden war. Als ich das erste rieselnde Bächlein wieder bergunter fließen sah, freute sich mein Herz über das klare lebendige Wasser, da man es in Holland nur wie todt in den Teichen stehen sieht – und dann die Hügel auf und nieder, die hohen Berge in blauer ferne, und die Waldgebirge, die grünen [Seitenwechsel: o. S.] Archivalienverzeichnis

Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg (LMO)

Nachlass von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (PT): PT 26: Autobiographie. Originalmanuskript. 1 Federskizze. 28 fol PT 190: Zwei Kunstbetrachter. Feder. 1 fol PT 743: Fragment der Lebensgeschichte. Nicht eigenhändig. 1 fol PT 833: Alte Transkription der Lebensgeschichte. Drei Schreiberhandschriften. 166 fol PT 838: Manuskript. 32 fol PT 937: Notizen über holländische Maler. 1 fol PT 943: Manuskript zur Lebensgeschichte. Baumgruppen. Skizzen. Feder. 1 fol PT 1277: Zwei zusammengeleimte Manuskripte. 1 fol PT 1680: Notizen zu Rottenhammer u. a. 1 fol PT 1822: H. Meyer, Weimar an T. Weimar 27.07.1822. 2 fol PT 1951: Diverse Fragmente und Entwürfe zur Lebensgeschichte. 35 fol

Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK)

Gemäldegalerie Alte Meister, Archiv: Inventar 1749ff: Haupt-Catalogus von Ihr Hochfürstl. Durchlt. HESSEN Landgrafens Wilhelm­ zu Hessen, sämtlichen Schildereyen und Portraits. Mit ihren besonderen Registern. Ver­ fertiget in Anno 1749 Transportliste von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, 1758, Karton 27

Stadtarchiv Braunschweig (SAB)

Nachlass von Carl Georg Wilhelm Schiller (H III 1 Nr. 22): Briefabschriften angefertigt von Jacob Ludwig Römer Gutachten von Graf Vollrath zu Solms-Rödelheim Manuskript Carl Georg Wilhelm Schiller Manuskript Jacob Ludwig Römer Manuskript Jacob Ludwig Römer und Carl Georg Wilhelm Schiller Literaturverzeichnis

Adams 2017 Ann Jensen Adams: Hiding in plain sight. Textual insights into market analysis and attribution of portraits by Govert Flinck and Ferdinand Bol, in: Ferdinand Bol and Govert Flinck. New Research, Kat. Amsterdam Museum/Rembrandthuis Museum Ams­ terdam, hrsg. v. Stephanie S. Dickey, Zwolle 2017, S. 237–252 Allart 1803 Johannes Allart: Brieven en Briefwisseling van Joannes Lublink den Jongen, Amsterdam 1803 Alpers 1975 Svetlana Alpers: Realism as a Comic Mode. Low-Life Painting Seen through Bredero’s Eyes, in: Simiolus 8 (1975), S. 115–144 Alpers 1985 Svetlana Alpers: Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhun­ derts, Köln 1985 Alten 1864 Friedrich von Alten: Cornelis Ploos van Amstel. Kunstliebhaber und Kupfer­ stecher. Eine Studie, Leipzig 1864 Alten 1871 Friedrich von Alten: Verzeichniss der Gemälde in der Grossherzog­lichen Samm­ lung zu Oldenburg. Mit einem Anhange der auf den Gemälden befindlichen Mono­ gramme, Bezeichnungen und Inschriften, Oldenburg 1871 Alten 1872 Friedrich von Alten (Hrsg.): Aus Tischbein’s Leben und Briefwechsel mit Amalia Herzogin zu Sachsen-Weimar, Friedrich II., Herzog zu Sachsen-Gotha, Peter Herzog von Oldenburg, Catharina Grossfürstin von Russland, August und Georg Prinzen von Ol­ denburg, Goethe, Wieland, Blumenbach, Heyne, Merck, Graf Münter, Villers, Overbeck, Bodmer, Lavater, v. Goenchhausen, Fouqué, v. Rennenkampff u. a. m., Leipzig 1872 Anonym 1814 Anonym: Ideen und Vorschläge zu einer dem Geist der Zeit ge­mäßen, künf­ tigen Staats-Verfassung in Teutschland. Von einem teutschen Geschäftsmann, o. O. 1814 Assmann 1999 Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturel­ len Gedächtnisses, München 1999 Assmann 2002 Aleida Assmann: Das Bildgedächtnis der Kunst – seine Medien und Institu­ tionen, in: Hans Dieter Huber u. a. (Hrsg.): Bild – Medien – Wissen. Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter, München 2002, S. 209–222 Assmann 2005 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 2005 Assmann 2006 Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erin­nerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006 Assmann 2013 Aleida Assmann: Das neue Unbehagen in der Erinnerungskultur. Eine Inter­ vention, München 2013 Assmann/Harth 1991 Aleida Assmann/Dietrich Harth (Hrsg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen kultureller Erinnerung, Frankfurt/Main 1991 Bader/Gaier/Wolf 2010 Lena Bader/Martin Gaier/Falk Wolf (Hrsg.): Vergleichendes Sehen, Paderborn 2010 Bahlmann 1911 Hermann Bahlmann: Johann Heinrich Tischbein, Studien zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 142, Straßburg 1911 Bähr 2009 Astrid Bähr: Repräsentieren, Bewahren, Belehren. Galeriewerke (1660–1800). Von der Darstellung herrschaftlicher Gemäldesammlungen zum populären Bildband, Hildes­ heim 2009 Bas 2006 Cornelis van der Bas: The Muilman Collection. The progressive taste of an eigh­ teenth-century banking family, in: Simiolus 32 (2006), S. 156–181 Baudach 2003 Frank Baudach: Wirken und Bewahren. Beiträge zur regionalen Kulturge­ schichte und zur Geschichte der Eutiner Landesbibliothek, Festschrift für Ingrid Bernin- Israel, Eutiner Forschungen, Bd. 8, Eutin 2003 Bayer/Page 2015 Thomas M. Bayer/John R. Page: The Development of the Art Market in England. Money as Muse. 1730–1900, London 2015 Beck 1981 Hans-Ulrich Beck: Anmerkungen zu den Zeichnungensammlungen von Valerius Röver und Goll van Franckenstein, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 32 (1981), S. 111–125 Literaturverzeichnis 353

Beck 1984 Hans-Ulrich Beck: Goll van Franckenstein als Käufer von Zeichnungen auf der Auktion von Abraham Broyel in Amsterdam, in: Oud Holland 98 (1984), S. 111–116 Becker 2005 Heinrich Silvester Johannes Becker: Studien zur Ikonographie des Kunst­ betrachters im 17., 18. und 19. Jahrhundert, Diss. Aachen 2005 Belting 2001 Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, Mün­ chen 2001 Berckenhagen 1983 Ekhart Berckenhagen: Schiffe, Häfen, Kontinente. Eine Kulturge­ schichte der Seefahrt, Berlin 1983 Berger 2001 Joachim Berger (Hrsg.): Der „Musenhof“ Anna Amalias. Geselligkeit, Mäzena­ tentum und Kunstliebhaberei im klassischen Weimar, Köln 2001 Bie 1662 Cornelis de Bie: Het Gulden Cabinet van de Edle Vry Schilder-Const. Ontsloten door den lanck ghewenschten Vrede tusschen de twee machtighe Croonen van Spaig­ nien en Vrancryck, Waer-inne begrepen is den ontsterffelijcken loff vande vermaerste Constminnende Geesten ende Schilders Van dese Eeuw, hier inne meest naer het leven ­af-gebeldt, verciert met veel vermakelijcke Rijmen ende Spreucken. Door Cornelis de Bie Notaris binnen Lyer, Antwerpen 1662 Bille 1961 Clara Bille: De Tempel der Kunst of het Kabinet van den Heer Braamcamp, 2 Bde., Amsterdam 1961 Bille 1969 Clara Bille: Johan Goll van Frankenstein. Een gelukkig verzamelaar, in: Iohan Q. van Regteren Altena: Miscellanea I. Q. van Regteren Altena, Amsterdam 1969, S. 195–197 Bionda 1986 R. W. A. Bionda: De Amsterdamse verzamelaar J. A. Brentano (1753–1821) en de inrichting van zijn ‚Zaal‘ voor Italiaanse kunst, in: Bulletin van het Rijksmuseum­ 34 (1986), S. 135–176 Blechschmidt/Heinz 2007 Stefan Blechschmidt/Andrea Heinz (Hrsg.): Dilettantismus um 1800, Heidelberg 2007 Böhm 1994 Gottfried Böhm: Die Wiederkehr der Bilder, in: Gottfried Böhm (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 1994, S. 11–38 Bok 2002 Marten Jan Bok: New Perspectives on Eighteenth-Century Dutch Art Production and Collecting, in: Michael North (Hrsg.): Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahr­ hundert, Berlin 2002, S. 47–53 Bol 1973 Jan Laurens Bol: Die holländische Marinemalerei des 17. Jahrhunderts, Braun­ schweig 1973 Bolln 2008 Frauke Bolln: Die Memoiren des Goethe-Malers Johann Heinrich Wilhelm­ Tischbein, in: Frauke Bolln/Susanne Elpers/Sabine Scheid (Hrsg.): Europäische Memoi­ ren. Festschrift für Dolf Oehler, Göttingen 2008, S. 233–258 Bossong 2008 Georg Bossong: Die Sepharden. Geschichte und Kultur der spanischen Juden, München 2008 Both/Vogel 1964 Wolf von Both/Hans Vogel: Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. Ein Fürst der Rokokozeit, München/Berlin 1964 Böttiger 1800 Karl August Böttiger: Wilhelm Tischbein, in: Der Neue Teutsche Merkur 3 (1800), S. 61–76 Bourdieu 1970 Pierre Bourdieu: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt­ 1970 Bourdieu 1982 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaft­lichen Ur­ teilskraft, Frankfurt 1982 Bracker 1980 Jörgen Bracker: Gegenstand und Begriff der Marinemalerei, in: Jörgen Bracker/ Michael North/Peter Tamm: Maler der See. Marinemalerei in 300 Jahren, Herford 1980, S. 7–21 Bracker/North/Tamm 1980 Jörgen Bracker/Michael North/Peter Tamm: Maler der See. ­Marinemalerei in 300 Jahren, Herford 1980 Brakensiek 2003 Stephan Brakensiek: Vom ‚Theatrum mundi‘ zum ‚Cabinet des Estampes‘. Das Sammeln von Druckgraphik in Deutschland 1565–1821, Hildesheim 2003 Brassat/Kohle 2003 Wolfgang Brassat/Hubertus Kohle: Methoden-Reader Kunstgeschichte. Texte zur Methodik und Geschichte der Kunstwissenschaft, Köln 2003 Bredekamp 2006 Horst Bredekamp: Kunsthistorische Erfahrungen und An­sprüche, in: Klaus Sachs-Hombach (Hrsg.): Bild und Medium. Kunstgeschichtliche und philosophische Grundlagen der interdisziplinären Bildwissenschaft, Köln 2006, S. 11–26 354 Anhang

Brenner 1989 Peter J. Brenner (Hrsg.): Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt/Main 1989 Brenner 1990 Peter J. Brenner: Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungs­ überblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte, Tübingen 1990 Brieger 1922 Lothar Brieger (Hrsg.): Wilhelm Tischbein. Aus meinem Leben, Berlin­ 1922 Broos 1974 Ben Broos: Rembrandt’s Portrait of a Pole and His Horse, in: ­Simiolus 7 (1974), S. 193–218 Bruyn Kops 1965 Cornelis Johannes de Bruyn Kops: De Amsterdamse verza­me­laar Jan Gilde­meester Jansz., in: Bulletin van het Rijksmuseum 13 (1965), S. 79–114 Burdorf/Fasbender/Moennighoff 2007 Dieter Burdorf/Christoph Fasbender/­Burkhard Moen­ nighoff (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur, Stuttgart 2007 Bürger 2009 Kathrin Bürger: Über Einfluss und Nachwirkung von Philips Wouwerman, in: Philips Wouwerman 1619–1668, Kat. Museumslandschaft Hessen Kassel, hrsg. v. Ernst We­gener, München 2009, S. 42–53 Burke 1991 Peter Burke: Geschichte als soziales Gedächtnis, in: Aleida Assmann/Dietrich Harth (Hrsg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen kultureller Erinnerung, Frankfurt/ Main 1991, S. 289–304 Busch 1997 Werner Busch (Hrsg.): Landschaftsmalerei, Geschichte der klassischen Bild­ gattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd. 3, Berlin 1997 Büsch 1824 Johann Georg Büsch: Sämtliche Schriften über die Handlung, dritter Theil. Ab­ handlungen über Banken und Münzwesen, dritte verminderte und dadurch verbesserte Ausgabe, Hamburg 1824 Büttner 2006 Nils Büttner: Geschichte der Landschaftsmalerei, München 2006 Causid 1783 Simon Causid: Verzeichnis der Hochfürstlich-Heßischen Gemählde-Sammlung in Cassel, Kassel 1783 Chales de Beaulieu 2000 Anja Chales de Beaulieu: Deutsche Reisende in den Niederlanden.­ Das Bild eines Nachbarn zwischen 1648 und 1795, Frankfurt/Main 2000 Chong 1987 Alan Chong: The Market of Landscape Painting in Seventeenth-­Century Hol­ land, in: Masters of the 17th-Century Dutch Landscape Painting, Kat. Rijks­museum Amsterdam/Philadelphia Museum of Art/Museum of Fine Arts Boston, hrsg. v. ­Peter Sutton, Boston 1987, S. 104–120 Cordingly 1981 David Cordingly: Einleitung, in: Gerhard Kaufmann (Hrsg.): Zeichner der Admiralität. Marine-Zeichnungen und -Gemälde von Willem van de Velde dem Älteren und dem Jüngeren, Herford 1981, S. 10–17 Cremer 1989 Claudia Cremer: Hagedorns Geschmack. Studien zur Kunstkennerschaft in Deutschland im 18. Jahrhundert, Bonn 1989 Daalder 1996 Remmelt Daalder: Seegeschichte auf Gemälden. Seebilder als ­historische Quel­ len, in: Herren der Meere, Meister der Kunst. Das holländische Seebild im 17. Jahrhun­ dert, Kat. Museum Boijmans van Beuningen Rotterdam/Staatliche Museen zu Berlin, hrsg. v. Jeroen Giltaij/Jan Kelch, Berlin/Rotterdam 1996, S. 37–44 Daalder 2016 Remmelt Daalder: Van de Velde & Son. Marine Painters. The firm of Willem van de Velde the Elder and Willem van de Velde the Younger 1640–1707, Leiden 2016 Dämmig 2009 Matthias Dämmig: Die Dresdener Galerie im Auge ihrer Betrachter. Zur Re­ zeptions- und Wirkungsgeschichte der königlich-kurfürstlichen Gemäldegalerie im Stallgebäude, in: Dresdener Kunstblätter 52 (2009), Nr. 1, S. 79–86 Deckers 2010 Regina Deckers: Théophile Gautier – ein Romancier, Romantiker und Ästhet als Kunstkritiker, in: The Golden Age Reloaded. Die Faszination niederländischer Male­ rei des 17. Jahrhunderts, Kat. Musée National d’Historie et d’Art Luxembourg, hrsg. v. Martina Sitt, Köln 2010, S. 68–71 Defoe 1728 Daniel Defoe: A Plan of the English Commerce, London 1728 Delacroix 1990 Eugène Delacroix: Briefe und Tagebücher. Ausgewählt, übersetzt und kom­ mentiert von Elise Guignard, München 1990 Derrida 1997 Jacques Derrida: Aufzeichnungen eines Blinden. Das Selbstporträt und andere Ruinen, München 1997 Literaturverzeichnis 355

Descamps 1753–1764 Jean Baptiste Descamps: La vie des peintres flamands,­allemands et hollandois, avec des portraits gravés en taille-douce, une indication de leurs principaux ­ouvrages, et des réflexions sur leur différentes manières, 4 Bde., Paris 1753–1764 Descamps 1771 Jean Baptiste Descamps: Reise durch Flandern und Brabant, in Absicht auf die Malerey, nebst den Beurtheilungen über die Gemälde, und Anmerkungen, welche die Künste betreffen, auch der Anzeige einiger Kupferstiche nach den berühmtesten in dem Buche selbst vorkommenden Gemälden, aus dem Französischen übersetzt und mit kurzen Nachrichten von den Malern aus des Descamps Lebensbeschreibungen vermehrt, Leipzig 1771 Deuter 2001 Jörg Deuter: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein als Sammler. Europäische­ Kunst 1500–1800, Oldenburg 2001 Dézallier d’Argenville 1762 Antoine Joseph Dézallier d’Argenville: Abrégé de la vie des plus fameux peintres, Paris 1762 Dézallier d’Argenville 1767 Antoine Joseph Dézallier d’Argenville: Leben der ­berühmtesten Maler, nebst einigen Anmerkungen über ihren Charakter, der Anzeige ihrer vornehms­ ten Werke und einer Anleitung die Zeichnungen und Gemälde großer Meister zu kennen, Leipzig 1767 Dohe 2017 Sebastian Dohe: Die großherzogliche Gemäldegalerie 1804–1918, in: Sebastian Dohe/Malve Anna Falk/Rainer Stamm (Hrsg.): Die Gemäldegalerie Oldenburg. Eine euro­päische Altmeistersammlung, Petersberg 2017, S. 8–47 Dohe 2018 Sebastian Dohe: Der Briefwechsel von J. H. W. Tischbein und Herzog Peter Fried­ rich Ludwig nach den Oldenburger Quellen 1801–1824, Oldenburger Studien, Bd. 86, Olden­burg 2018 Dohe/Falk/Stamm 2017 Sebastian Dohe/Malve Anna Falk/Rainer Stamm (Hrsg.): Die Ge­ mäldegalerie Oldenburg. Eine europäische Altmeistersammlung, Petersberg 2017 Dresdner 2001 Albert Dresdner: Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang der Geschichte des europäischen Kunstlebens, Dresden 2001 Driessen 2010 Christoph Driessen: Kleine Geschichte Amsterdams, Regensburg 2010 Duparc 1993 Frederik J. Duparc: Philips Wouwerman. 1619–1668, in: Oud Holland 107 (1993), Nr. 3, S. 257–286 Duparc 2009 Frederik J. Duparc: Leben und Werk von Philips Wouwerman (1619–1668), in: Philips Wouwerman 1619–1668, Kat. Museumslandschaft Hessen Kassel, hrsg. v. Ernst We­gener, München 2009, S. 16–41 Erben/Zervosen 2018 Dietrich Erben/Tobias Zervosen (Hrsg.): Das eigene Leben als ästhe­ tische Fiktion. Autobiographie und Professionsgeschichte, Edition Kulturwissenschaft, Bd. 129, Bielefeld 2018 Espagne/Werner 1985 Michel Espagne/Michael Werner: Deutsch-Französischer Kulturtrans­ fer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungspro­ gramm des C. N. R. S., in: Francia 13 (1985), S. 502–510 Etzlstorfer 1993 Hannes Etzlstorfer: Ge(t)adelter Alltag. Genrekunst zwischen Vergnügen und Belehrung, in: Lebenswelten – Alltagsbilder, Kat. Schlossmuseum Linz, Linz 1993, S. 23–36 Eynden/Willigen 1816–1840 Roeland van Eynden/Adriaan van der Willigen: ­Geschiedenis der vaderlandsche schilderkunst sedert de helft der 18e eeuw, 4 Bde., Haarlem 1816–1840 Fanslau 2010 Cornelia Fanslau: Wohl dem, der’s sehen kann! Private Amsterdam Art Collec­ tions. 1770–1860, in: Rengenier C. Rittersma (Hrsg.): Luxury in the Low Countries. Miscellaneous Reflections on Netherlandish Material Culture. 1500 to the Present, Brüs­ sel 2010, S. 159–192 Findeiss 2006 Isabel Findeiss: Aelbert Cuyp im Kontext der niederländischen Landschafts­ malerei, München 2006 Fink 1987 Gonthier-Louis Fink: Von Winckelmann bis Herder. Die deutsche Klimatheorie in europäischer Perspektive, in: Gerhard Sauder (Hrsg.): Johann Gottfried Herder 1744– 1803. Einheit und nationale Vielfalt, Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 9, Hamburg 1987, S. 156–176 Fink 1998 Gonthier-Louis Fink: Klima- und Kulturtheorien der Aufklärung, in: Horst Dip­ pel/Helmut Scheuer (Hrsg.): Georg-Forster-Studien, Bd. 2, Kassel 1998, S. 25–56 356 Anhang

Fleckner 1995 Uwe Fleckner (Hrsg.): Die Schatzkammer der Mnemosyne. Ein Lesebuch mit Texten zur Gedächtnistheorie von Platon bis Derrida, Dresden 1995 Floerke 1905 Hans Floerke: Studien zur niederländischen Kunst- und Kulturgeschichte. Die Formen des Kunsthandels, das Atelier und die Sammler in den Niederlanden vom 15.–18. Jahrhundert, München 1905 Frank 2002 Christoph Frank: Die Gemäldesammlungen Gotzkowsky, Eimbke und Stein. Zur Berliner Sammlungsgeschichte während des Siebenjährigen Krieges, in: Michael North (Hrsg.): Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 117–194 Frank 2015 Christoph Frank: Jean-Henri Eberts. Amateur – Agent – Bankier, in: Die Meister- Sammlerin Karoline Luise von Baden, Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, hrsg. v. Hol­ ger Jacob-Friesen/Pia Müller-Tamm, Berlin/München 2015, S. 160–181 Frank 2015a Christoph Frank: Kunst, Korrespondenz und Marktgeschehen – Karoline Luise von Baden, der Comte de Vence und die ‚République européenne des arts‘, in: Christoph Frank/Wolfgang Zimmermann (Hrsg.): Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammel­ praxis. Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext, Berlin/München 2015, S. 36–65 Frank/Zimmermann 2015 Christoph Frank/Wolfgang Zimmermann (Hrsg.): Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis. Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext, Berlin/München 2015 Fraser 2002 Antonia Fraser: King Charles II, London 2002 Fredericksen 1998 Burton B. Fredericksen (Hrsg.): Corpus of Paintings Sold in the Nether­ lands during the Nineteenth Century, Bd. 1, 1801–1810, Los Angeles 1998 Freedberg 2006 David Freedberg: Why Connoisseurship Matters, in: Katlijne van der Stighe­ len (Hrsg.): Munuscola Amicorum. Contributions on Rubens and His Colleagues in Honour of Hans Vlieghe, Bd. 1, Turnhout 2006, S. 29–43 Friedländer 1919 Max J. Friedländer: Der Kunstkenner, Berlin 1919 Friedländer 1929 Max J. Friedländer: Echt und unecht. Aus den Erfahrungen des Kunstken­ ners, Berlin 1929 Friedländer 1957 Max J. Friedländer: Von Kunst und Kennerschaft, Berlin 1957 Friedrich/Heinrich/Holm 2001 Arnd Friedrich/Fritz Heinrich/Christiane Holm (Hrsg.): Jo­ hann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829). Das Werk des Goethe-Malers zwischen Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur, Petersberg 2001 Fromentin 1998 Eugène Fromentin: Die Alten Meister, Einführung von Henning Ritter, Köln 1998 Fugger 2007 Dominik Fugger: Das Königreich am Dreikönigstag. Eine historisch-empirische Ritualstudie, Paderborn 2007 Gaastra 2003 Femme S. Gaastra: The . Expansion and Decline, Zutphen 2003 Ganz 2006 Ulrike Dorothea Ganz: Neugier und Sammelbild. Rezeptionsästhetische Studien zu gemalten Sammlungen in der niederländischen Malerei ca. 1550–1650, Weimar 2006 Gaskell 1982 Ivan Gaskell: Dou, His Patrons and the Art of Painting, in: The Oxford Art Journal 5 (1982), S. 15–61 Gaunt 1976 William Gaunt: Das Schiff in der Malerei, Bielefeld 1976 Gelder 1979 Jan Gerrit van Gelder: Falconet op bezoek bij de Goll van Franckenstein’s, in: De Kroniek van het Rembrandthuis 31 (1979), Nr. 1, S. 2–8 Gelder 1980 Jan Gerrit van Gelder: „Beelden en rariteiten“ in de verzameling van Valerius Röver, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 31 (1980), S. 341–354 Gerson 1983 Horst Gerson: Ausbreitung und Nachwirkung der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, bearb. v. Bert W. Meijer, Amsterdam 1983 Gibson-Wood 1988 Carol Gibson-Wood: Studies in the Theory of Connoisseurship from Vasari to Morelli, New York 1988 Gibson-Wood 2000 Carol Gibson-Wood: Jonathan Richardson. Art Theorist of the English Enlightenment, New Haven/London 2000 Giltaij 1996 Jeroen Giltaij: Einleitung, in: Herren der Meere, Meister der Kunst. Das hollän­ dische Seebild im 17. Jahrhundert, Kat. Museum Boijmans van Beuningen Rotterdam/ Staatliche Museen zu Berlin, hrsg. v. Jeroen Giltaij/Jan Kelch, Berlin/Rotterdam 1996, S. 11–19 Literaturverzeichnis 357

Goethe 1811–1814 Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahr­ heit, 3 Bde., Stuttgart/Tübingen 1811–1814 Goethe 1833 Johann Wolfgang von Goethe: Über den sogenannten Dilettantismus oder die praktische Liebhaberey in den Künsten, in: Goethes Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand, Goethes nachgelassene Werke, Bd. 44, Stuttgart/Tübingen 1833, S. 256–285 Golenia 2015 Patrick Golenia: Die Gemäldegalerie Kassel, in: Bénédicte Savoy (Hrsg.): Tem­ pel der Kunst. Die Geburt des öffentlichen Museums in Deutschland 1701–1815, Köln 2015, S. 287–323 Gompes/Ligtelijn 2008 Loes Gompes/Merel Ligtelijn: Spiegel van de Amsterdam. Geschie­ denis van ‚Felix Meritis‘, Amsterdam 2008 Gool 1750/1751 Jan van Gool: De Nieuwe Schouburg der Nederlantsche Kunstschilders en Schilderessen. Waer in de Levens- en Kunstbedryven der tans levende en reets overlee­ dene Schilders, die van Houbraken, noch eenig ander Schryver, zyn aengeteekend, ver­ haelt worden, 2 Bde., Den Haag 1750/1751 Gräf 1911 Hans Gerhard Gräf (Hrsg.): Johann Heinrich Mercks Briefe an die Herzogin-Mut­ ter Anna Amalia und an den Herzog Carl August von Sachsen-Weimar, Leipzig 1911 Grave 2006 Johannes Grave: Der „ideale Kunstkörper“. Johann Wolfgang Goethe als Samm­ ler von Druckgraphiken und Zeichnungen, Ästhetik um 1800, Bd. 4, Göttingen 2006 Griep 1991 Wolfgang Griep (Hrsg.): Sehen und Beschreiben. Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, erstes Eutiner Symposion 14.–17.02.1990 in der Eutiner Lan­ desbibliothek, Heide 1991 Grimm 2010 Claus Grimm: Stillleben. Die niederländischen und deutschen Meister, Stutt­ gart 2010 Groppe 1990 Sabine Groppe: Das Ich am Ende des Schreibens. Autobiographisches Erzählen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Epistemata, Würzburger wissenschaftliche Schrif­ ten, Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 58, Würzburg 1990 Groskurd 1782 Christian Heinrich Groskurd: Jacob Jonas Björnstähls Briefe auf seinen aus­ ländischen Reisen an den königlichen Bibliothekar C. C. Gjörwell in Stockholm, Bd. 5, Leipzig/Rostock 1782 Gruner 1819 Johann E. von Gruner: M. A. von Thümmels sämmtliche Werke, Leben M. A. von Thümmels, Bd. 7, Leipzig 1819 Gudehus/Eichenberg/Welzer 2016 Christian Gudehus/Ariane Eichenberg/Harald Welzer (Hrsg.): Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart/Wei­ mar 2016 Guichard 2015 Charlotte Guichard: ‚Amatrice‘ – Die Rolle der „Amateurin“ im Europa der Aufklärung, in: Christoph Frank/Wolfgang Zimmermann (Hrsg.): Aufgeklärter Kunst­ diskurs und höfische Sammelpraxis. Karoline Luise von Baden im europäischen Kon­ text, Berlin/München 2015, S. 80–89 Haak 1984 Bob Haak: Das Goldene Zeitalter der holländischen Malerei, Köln 1984 Haberland 1991 Irene Haberland: Jonathan Richardson (1666–1745). Die Begründung der Kunstkennerschaft, Münster 1991 Habersatter 2005 Thomas Habersatter (Hrsg.): Schiff voraus. Marinemalerei des 14. bis 19. Jahr­ hunderts, Salzburg 2005 Hage 1981 Volker Hage (Hrsg.): Literarische Collagen. Texte, Quellen, Theorie, Stuttgart 1981 Hagedorn 1762 Christian Ludwig von Hagedorn: Betrachtungen über die Mahlerey, 2 Bde., Leipzig 1762 Halbwachs 1985 Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Ber­ lin 1985 Halbwachs 1991 Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt 1991 Hassel 1809 Johann Georg Heinrich Hassel: Neueste Länder- und Völkerkunde. Ein geogra­ phisches Lesebuch für alle Stände, Bd. 6, Holland und Westphalen, Prag 1809 Haupt 2014 Klaus-Werner Haupt: Johann Winckelmann. Begründer der klassischen Archäo­ logie und modernen Kunstwissenschaften, Weimar 2014 Hecht 2006 Peter Hecht: Das Ende des Goldenen Jahrhunderts. Eine Frage des Geschmacks, in: Vom Adel der Malerei. Holland um 1700, Kat. Wallraf-Richartz-Museum Köln/Dord­ rechts Museum/Museumslandschaft Hessen Kassel, Köln 2006, S. 11–28 358 Anhang

Heckmann 2003 Uwe Heckmann: Die Sammlung Boisserée. Konzeption und Rezeptionsge­ schichte einer romantischen Kunstsammlung zwischen 1804 und 1827, München 2003 Heijer 1994 Henk den Heijer: De geschiedenis van de WIC, Zutphen 1994 Heinecken 1768/1769 Karl Heinrich von Heinecken: Nachrichten von Künstlern und Kunst­ sachen, 2 Bde., Leipzig 1768/1769 Heinrich 2001 Fritz Heinrich: Zur Religiosität Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins, in: Arnd Friedrich/Fritz Heinrich/Christiane Holm (Hrsg.): Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829). Das Werk des Goethe-Malers zwischen Kunst, Wissenschaft und Alltags­ kultur, Petersberg 2001, S. 57–74 Heinz 2005 Marianne Heinz: Der „Römische Tischbein“ Johann Heinrich Wilhelm, in: 3 x Tischbein und die europäische Malerei um 1800, Kat. Staatliche Museen Kassel/Muse­ um der Bildenden Künste Leipzig, München 2005, S. 37–47 Heinz 2005a Marianne Heinz: Die Malerfamilie Tischbein, in: 3 x Tischbein und die europä­ ische Malerei um 1800, Kat. Staatliche Museen Kassel/Museum der Bildenden Künste Leipzig, München 2005, S. 20–29 Held 1944 Julius Held: Rembrandt’s ‚Polish‘ Rider, in: Art Bulletin 26 (1944), S. 146–265 Heldmann 1964 Horst Heldmann: Moritz August von Thümmel. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg, Bd. 12, Neustadt/Aisch 1964 Hensel 2011 Thomas Hensel: Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde. Aby Warburgs Graphien, Berlin 2011 Heppner 1938 Anton Heppner: Thoré-Bürger en Holland. De Ontdekker van Vermeer en zijn Liefde voor Neerland’s Kunst, in: Oud Holland 55 (1938), S. 17–34, 67–82, 129–144 Herder 1784–1791 Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 4 Bde., Riga/Leipzig 1784–1791 Herzog 1969 Erich Herzog: Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Kassel 1969 Heyne/Tischbein 1801 Christian Gottlieb Heyne/Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Homer­ nach Antiken gezeichnet, Göttingen 1801 Hilzinger 1997 Sonja Hilzinger: Anekdotisches Erzählen im Zeitalter der Aufklärung. Zum Struktur- und Funktionswandel der Gattung Anekdote in Historiographie, Publizistik und Literatur des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1997 Hoet 1752 Gerard Hoet: Catalogus of Naamlyst van Schilderyen met derzelver Pryzen, ­Zedert een lange reeks van Jaaren zoo in Holland als op andere Plaatzen in het openbaar verkogt. Benevens een Verzameling van Lysten van Verscheyden nog in wezen zynde Cabi­netten, 2 Bde., Den Haag 1752 Hofstede de Groot 1976 Cornelis Hofstede de Groot: A catalogue raisonné of the works of the most eminent Dutch painters of the seventeenth century, based on the works of John Smith, 4 Bde., Teaneck N. J. 1976 Holdenried 2000 Michaela Holdenried: Autobiographie, Stuttgart 2000 Holtzhauer/Schlichting 1974 Helmut Holtzhauer/Reiner Schlichting (Hrsg.): Johann Hein­ rich Meyer. Geschichte der Kunst, Weimar 1974 Holzinger 2014 Michael Holzinger (Hrsg.): Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Aus mei­ nem Leben, Berlin 2014 Hoogstraeten 1657 Samuel van Hoogstraeten: Den eerlyken jongeling, of de edele kunst, van zich by groot en kleyne te doen eeren en beminnen, Dordrecht 1657 Houbraken 1880 Arnold Houbraken: Grosse Schouburgh der niederländischen Maler und Malerinnen, eine Fortsetzung des Malerbuches von Karel van Mander (1718–1720), über­ setzt und mit Einleitung, Anmerkungen und Inhaltsverzeichnis versehen von Alfred von Wurzbach, Wien 1880 Houbraken 1976 Arnold Houbraken: De groote schouburgh der Nederlantsche konstschil­ ders en schilderessen, Amsterdam 1976 Huizinga 2007 Johan Huizinga: Holländische Kultur im 17. Jahrhundert, München 2007 Ingamells 1992 John Ingamells: The Wallace Collection. Catalogue of Pictures. Dutch and Flemish, Bd. 4, London 1992 Literaturverzeichnis 359

Jacob-Friesen 2015 Holger Jacob-Friesen: „Eher erlesen als umfangreich“ – Das Malerei­ kabinett Karoline Luises, in: Die Meister-Sammlerin Karoline Luise von Baden, Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, hrsg. v. Holger Jacob-Friesen/Pia Müller-Tamm, Berlin/ München 2015, S. 212–275 Jacob-Friesen 2015a Holger Jacob-Friesen: „Je crains le mediocre“ – Karoline Luise und ihr Agent in Den Haag, Gottlieb Heinrich Treuer, in: Christoph Frank/Wolfgang Zimmer­ mann (Hrsg.): Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis. Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext, Berlin/München 2015, S. 148–161 Jäger 1992 Hans-Wolf Jäger (Hrsg.): Europäisches Reisen im Zeitalter der Aufklärung, Heidel­ berg 1992 Jongh 1978 Eddy de Jongh: Einleitung, in: Die Sprache der Bilder. Realität und Bedeutung in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Kat. Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig, Braunschweig 1978, S. 11–19 Jost 2012 Ertmut Jost: Eintrittskarte ins Netzwerk. Prolog zu einer Erforschung des Empfeh­ lungsbriefes, in: Erdmut Jost/Daniel Fulda (Hrsg.): Briefwechsel zur Netzwerkbildung in der Aufklärung, Halle 2012, S. 103–143 Jost/Fulda 2012 Erdmut Jost/Daniel Fulda (Hrsg.): Briefwechsel zur Netzwerkbildung in der Aufklärung, Halle 2012 Jowell 1989 Frances S. Jowell: Die Wiederentdeckung des Frans Hals im 19. Jahrhundert, in: Seymour Slive (Hrsg.): Frans Hals, München 1989, S. 61–85 Jütte 2000 Robert Jütte: Geschichte der Sinne. Von der Antike bis zum Cyberspace, Mün­ chen 2000 Kat. Amsterdam 1771 Catalogus van het uitmuntend kabinet schildereyen, tekeningen, pren­ ten, beelden, enz. Door geheel Europa beroemd, en in veele Jaaren byeenverzameld door den heere Gerret Braamcamp, Amsterdam 1771 Kat. Amsterdam 1771a Pryzen der schildereyen, teekeningen, prenten, beelden, enz. Uit­ makende het beroemd en uitmuntend Kabinet van wylen den heere Gerret Braamcamp; Benevens de namen der Heeren Koopers, hrsg. v. Johannes Smit, Amsterdam 1771 Kat. Amsterdam 1771b Musæum Braamcampianum, ofte korte beschryvinge van het uit­ muntend cabinet schildereyen, teekeningen, prenten, beelden, enz. Nagelaten by wy­ len den heere Gerret Braamcamp. Het welk verkogt is in Amsterdam op den 31. July 1771 en volgende Dagen in’t Logement het wapen van Amsterdam. Beneevens de pry­ zen en naamen der respect. koopers, volgens nadere en nauwkeuriger Opgave. Tweede druk, vermeerderd, verbeeterd, met eene Voorreeden verrykt en van de ingesloopene Misstellingen gezuiverd, Amsterdam 1771 Kat. Amsterdam 1773 Catalogus van een fraai kabinet schilderyen, teekeningen en pren­ ten, door beroemde Italiaansche, Fransche, Engelsche en Nederlandsche meesters. Ge­ bonde en losse prentwerken, plyster-beelden, fyne verwen, en konstschilders gereed­ schappen. Alles nagelaaten, door wylen Jan Maurits Quinkhard, voornaam konst-schil­ der, Amsterdam 1773 Kat. Amsterdam 1773a Een uitmuntend kabinet gekleurde en ongekleurde tekeningen, door de voornaamste Nederlandsche, Italiaansche en Fransche meesters: benevens een keurlyke verzameling van de fraaiste prentkonst, alles, zints veele jaaren, met oordeel en moeite byëen verzameld en nagelaaten door wylen den wel ed, Heer Dionis Muilman, Amsterdam 1773 Kat. Amsterdam 1785 Catalogus van een kabinet met konstige en fraaije schildereyen, door veele Italiaansche, Fransche, Brabandsche en Nederlandsche meesters, Amsterdam 1785 Kat. Amsterdam 1800 Catalogus van het kabinet van schilderyen nagelaaten door den kunst­ minnaar Jan Gildemeester Jansz., Agent en Consul Generaal van Portugal by de Bataaf­ sche Republiek. Het welk verkocht zal worden op Woensdag den 11den Juny 1800, en volgende dagen, des voormiddags ten half 11 uuren precies, ten huize van C. S. Roos, in het Huis van Trip, te Amsterdam, Amsterdam 1800 360 Anhang

Kat Amsterdam 1800a Een uitmuntend kabinet gekleurde en ongekleurde teekeningen, benevens een keurlyke verzameling prent-kunst, beide door de beroemdste Italiäansche, Fransche, Nederlandsche en andere meesters. Fraaije teekeningen en prenten, in vergul­ de lysten met glasen. Als mede een extra capitaale mahagoniehouten Kunstkast. Zynde alles in veele jaaren met kunde byeen vergaderd en nagelaten, door wylen den heere Jan Gildemeester, Jansz. Agent en Consul Generaal van Portugal by deze Republiek, Amster­ dam 1800 Kat. Amsterdam 1801 Een zeer fraaije en capitaale verzameling van uitmuntende schilde­ ryen, gekleurde en ongkleurde teekeningen en ongkleurde printen en printwerken, door de beroemdste Italiaansche, Fransche, Nederlandsche en andere meesters, bene­ vens een groote party kopere kunstplaten, met derzelver afdrukken, alles nagelaten door wylen den kunsthandelaar Pierre Fouquet, junior, Amsterdam 1801 Kat. Amsterdam 1813 Het kabinet schilderijen, benevens eenige teekeningen en prenten, nagelaten door den weledelen heer Hendrik Muilman, in zijn Ed. leven Banderheer van Haamstede, Amsterdam 1813 Kat. Amsterdam 1987 Tischbein. Een reizend portrettist in Nederland, Kat. Amsterdamsch Studenten Corps, Utrecht 1987 Kat. Amsterdam 2000 Das Goldene Zeitalter der niederländischen Kunst. Gemälde, Skulp­ turen und Kunsthandwerk des 17. Jahrhunderts in Holland, Kat. Rijksmuseum Amster­ dam, Stuttgart 2000 Kat. Amsterdam/Washington 1996 Jan Steen. Maler und Erzähler, Kat. Rijksmuseum Ams­ terdam/National Gallery of Art Washington, hrsg. v. Guido M. C. Jansen, Stuttgart/ Zürich 1996 Kat. Berlin/Rotterdam 1996 Herren der Meere, Meister der Kunst. Das holländische Seebild im 17. Jahrhundert, Kat. Staatliche Museen zu Berlin/Museum Boijmans van Beuningen Rotterdam, hrsg. v. Jeroen Giltaij/Jan Kelch, Berlin/Rotterdam 1996 Kat. Braunschweig 2007 „Die Freundschaft ist das Element, in dem ich lebe, die Kunst ist meine Führerin“. Carl Schiller (1807–1874). Forscher, Sammler, Museumsgründer, Kat. Städtisches Museum Braunschweig, bearb. v. Justus Lange, Braunschweig 2007 Kat. Delft/Houston 2007 The Temptations of Flora. Jan van Huysum 1682–1749, Kat. Mu­ seum Het Prinsenhof Delft/The Museum of Fine Arts Houston, Zwolle 2007 Kat. Den Haag 1763 Een groot en uytmuntent cabinet schilderyen der voornaamste Italia­ ansche, Fransche, Engelsche, Hoogduytsche en Nederlandsche meesters; in lange jaa­ ren, met veel moeite en groote kosten by een verzameld, en nagelaten door wylen den Heere agent Willem Lormier, Den Haag 1763 Kat. Dresden 2005 Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Bd. 1, Die ausgestellten Werke, hrsg. v. Harald Marx, Köln 2005 Kat. Hamburg 2004 Vergnügliches Leben – Verborgene Lust. Holländische Gesellschafts­ szenen von Frans Hals bis Jan Steen, hrsg. v. Pieter Biesboer/Martina Sitt, Kat. Hambur­ ger Kunsthalle, Stuttgart 2004 Kat. Hamburg 2007 Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle. Kupferstichkabinett. Deutsche Zeichnungen 1400–1850, hrsg. v. Hubertus Gaßner/Andreas Stolzenburg, be­ arb. v. Peter Prange, Köln/Weimar/Wien 2007 Kat. Hamburg 2010 Segeln, was das Zeug hält. Niederländische Gemälde des Goldenen Zeitalters, hrsg. v. Martina Sitt/Hubertus Gaßner, Kat. Hamburger Kunsthalle, München 2010 Kat. Hamburg 2011 Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Nie­ derländische Zeichnungen 1450–1850, hrsg. v. Hubertus Gaßner/Andreas Stolzenburg, bearb. v. Annemarie Stefes, Köln/Weimar/Wien 2011 Kat. Hamburg 2017 Die Geburt des Kunstmarktes. Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters, Kat. Bucerius Kunstforum Hamburg, hrsg. v. Franz Wilhelm Kaiser/Michael North/Kathrin Baumstark, München 2017 Kat. Hamburg/Berlin 2004 Wolkenbilder – Die Entdeckung des Himmels, Kat. Bucerius Kunstforum Hamburg/Jenisch-Haus Hamburg/Staatliche Museen zu Berlin, hrsg. v. Bär­ bel Hedinger/Inés Richter-Musso, München 2004 Literaturverzeichnis 361

Kat. Hamburg/Haarlem 2002 Jacob van Ruisdael. Die Revolution der Landschaft, Kat. Hamburger Kunsthalle/Frans Hals Museum Haarlem, hrsg. v. Pieter Biesboer/Martina Sitt, Hamburg 2002 Kat. Karlsruhe 2015 Die Meister-Sammlerin Karoline Luise von Baden, Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, hrsg. v. Holger Jacob-Friesen/Pia Müller-Tamm, Berlin/München 2015 Kat. Kassel 2003 Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staat­ lichen Museen Kassel, hrsg. v. Michael Eissenhauer, bearb. v. Stefanie Heraeus, Kassel 2003 Kat. Kassel 2004 Gemäldegalerie Alte Meister Kassel. 60 Meisterwerke, Kat. Staatliche Mu­ seen Kassel, hrsg. v. Michael Eissenhauer/Christina Haak, London 2004 Kat. Kassel 2005 3 x Tischbein und die europäische Malerei um 1800, Kat. Staatliche Mu­ seen Kassel/Museum der Bildenden Künste Leipzig, München 2005 Kat. Kassel 2006 Rembrandt-Bilder. Die historische Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie, Kat. Staatliche Museen Kassel, München 2006 Kat. Kassel 2008 König Lustik!? Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich West­ phalen, Kat. Museumslandschaft Hessen Kassel, hrsg. v. Michael Eissenhauer, München 2008 Kat. Kassel 2009 Philips Wouwerman 1619–1668, Kat. Museumslandschaft Hessen Kassel, hrsg. v. Ernst Wegener, München 2009 Kat. Luxembourg 2010 The Golden Age Reloaded. Die Faszination niederländischer Male­ rei des 17. Jahrhunderts, Kat. Musée National d’Historie et d’Art Luxembourg, hrsg. v. Martina Sitt, Köln 2010 Kat. Madrid/Rotterdam 2018 Rubens. Painter of Sketches, Kat. Museo Nacional del Prado Madrid/Museum Boijmans van Beuningen Rotterdam, Madrid/Rotterdam 2018 Kat. Nürnberg 1983 Zeichnungen der Goethezeit. Aus einer neuerworbenen Sammlung, Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg 1983 Kat. Weimar 2006 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Aquarelle, Gouachen und Zeich­ nungen, Kat. Klassik Stiftung Weimar, hrsg. v. Kulturstiftung der Länder/Klassik Stiftung Weimar, Patrimonia, Bd. 274, Weimar/Berlin 2006 Kaufmann 1981 Gerhard Kaufmann (Hrsg.): Zeichner der Admiralität. Marine-Zeichnun­ gen und -Gemälde von Willem van de Velde dem Älteren und dem Jüngeren, Herford 1981 Kayser 1784 A. C. Kayser: Ueber den Werth der Anekdoten, in: Der Teutsche Merkur 2 (1784), S. 82–86 Kelch 2006 Jan Kelch: Rembrandt damals und heute. Kunstkritik und Kennerschaft, in: Rem­ brandt. Genie auf der Suche, Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Köln 2006, S. 203–223 Kemp 1979 Wolfgang Kemp: „… einen wahrhaft bildenden Zeichenunterricht überall ein­ zuführen“. Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500–1870, Frankfurt/Main 1979 Kemp 1985 Wolfgang Kemp (Hrsg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Re­ zeptionsästhetik, Köln 1985 Kemp 2003 Wolfgang Kemp: Rembrandt – Die Heilige Familie mit dem Vorhang, Staatliche Museen Kassel, Monographische Reihe, Bd. 11, Kassel 2003 Kemp 2005 Wolfgang Kemp: La famille Tischbein, in: 3 x Tischbein und die europäische Malerei um 1800, Kat. Staatliche Museen Kassel/Museum der Bildenden Künste Leipzig, München 2005, S. 10–19 Kernbauer 2011 Eva Kernbauer: Der Platz des Publikums. Modelle für Kunstöffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Studien zur Kunst, Bd. 19, Köln/Weimar/Wien 2011 Ketelsen 1997 Thomas Ketelsen: Barthold Heinrich Brockes’ ‚irdisches Vergnügen‘ in Ge­ mälden und Zeichnungen. Ein Beitrag zum Sammlungs- und Auktionswesen im frühen 18. Jahrhundert, in: Carsten Zelle (Hrsg.): Das achtzehnte Jahrhundert, Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts 21 (1997), Nr. 2, S. 153–175 Ketelsen 1998 Thomas Ketelsen: Art Auctions in Germany during the Eighteenth Century, in: Michael North/David Ormrod (Hrsg.): Art Markets in Europe 1400–1800, Aldershot 1998, S. 143–152 362 Anhang

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Schwaighofer 2009 Claudia-Alexandra Schwaighofer: Von der Kennerschaft zur Wissen­ schaft. Reproduktionsgraphische Mappenwerke nach Zeichnungen in Europa 1726– 1857, Berlin/München 2009 Senff 1964 Wilhelm Senff (Hrsg.): Johann Joachim Winckelmann. Geschichte der Kunst des Altertums, Weimar 1964 Seume 1962 Johann Gottfried Seume: Mein Sommer (1806), in: Johann Gottfried Seume: Prosaschriften, Köln 1962, S. 653–662 Sierstorpff 1804 Caspar Heinrich von Sierstorpff: Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris im eilften Jahre der grossen Republik, 2 Bde., Hamburg 1804 Sitt 2010 Martina Sitt: Die Magie der niederländischen Gemälde des Goldenen Zeitalters. Zu ihrer Rezeption in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: The Golden Age Reloaded. Die Faszination niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts, Kat. Musée National d’Historie et d’Art Luxembourg, hrsg. v. Martina Sitt, Köln 2010, S. 27–42 Sitt 2010a Martina Sitt: Die wichtigsten Holländer? Antworten vor 1850 von Eugène Dela­ croix, Théodore Géricault und Paul Delaroche, in: The Golden Age Reloaded. Die Fas­ zination niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts, Kat. Musée National d’Historie et d’Art Luxembourg, hrsg. v. Martina Sitt, Köln 2010, S. 72–77 Sitt 2013 Martina Sitt: Georg Forster und die Malerei der „aufgeklärten Niederländer“, in: Stefan Greif (Hrsg.): Georg Forster und die Berliner Aufklärung, Georg-Forster-Studien, Bd. 18, Kassel 2013, S. 179–196 Sitt 2014 Martina Sitt: Römische Funde. Wahre und falsche Geschichten um die römischen Erstlingswerke von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und Wilhelm Böttner, in: Zeit­ schrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 119 (2014), S. 125–136 Sitt 2016 Marina Sitt (Hrsg.): Aufgedeckt – Malerinnen im Umfeld Tischbeins und der Kas­ seler Kunstakademie 1777–1830, Kassel 2016 Slive 1995 Seymour Slive: Dutch Painting 1600–1800, New Haven/London 1995 Smith 1829–1842 John Smith: A Catalogue Raisonné of the Works of the Most Eminent Dutch, Flemish, and French Painters, 9 Bde., London 1829–1842 Sombart 1911 Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben, Leipzig 1911 Spanke 2004 Daniel Spanke: Porträt – Ikone – Kunst. Methodologische Studien zur Ge­ schichte des Porträts in der Kunstliteratur. Zu einer Bildtheorie der Kunst, München 2004 Stahel 2004 Albert A. Stahel: Klassiker der Strategie – eine Bewertung. Strategie und Konflikt­ forschung, Zürich 2004 Staring 1978 Mr. A. Staring: Johann Friedrich August Tischbein’s Hollandse Jaren, Zutphen 1978 Steinhardt-Hirsch 2008 Claudia Steinhardt-Hirsch: Correggios „Notte“. Ein Meisterwerk der italienischen Renaissance, München/Berlin 2008 Sternke 2008 René Sternke: Böttiger und der archäologische Diskurs. Mit einem Anhang der Schriften „Goethe’s Tod“ und „Nach Goethe’s Tod“ von Karl August Böttiger, Olden­ burg 2008 Stoichita 1998 Victor Ieronim Stoichita: Das selbstbewusste Bild. Vom Ursprung der Meta­ malerei, München 1998 Stoll 1923 Adolf Stoll (Hrsg.): Der Maler Joh. Friedrich August Tischbein und seine Familie. Ein Lebensbild nach den Aufzeichnungen seiner Tochter Caroline, Stuttgart 1923 Stoutenbeek/Vigeveno 2007 Jan Stoutenbeek/Paul Vigeveno: Jüdisches Amsterdam, Wien 2007 Strauß/Haß/Harras 1989 Gerhard Strauß/Ulrike Haß/Gisela Harras (Hrsg.): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch, Schriften des Instituts für deutsche Sprache, Bd. 2, Berlin/New York 1989 Strien 2005 Kees van Strien: Joseph Banks, ‚Journal of a Tour in Holland’, in: Voltaire Foun­ dation (Hrsg.): History of Ideas, Travel Writing, History of the Book, Enlightenment and Antiquity, Studies on Voltaire and the Eighteenth Century, Oxford 2005, S. 83–222 Stüssel 1993 Kerstin Stüssel: Poetische Ausbildung und dichterisches Handeln. Poetik und autobiographisches Schreiben im 18. und 19. Jahrhundert, Communicatio, Studien zur europäischen Literatur- und Kulturgeschichte, Bd. 6, Tübingen 1993 Literaturverzeichnis 369

Sulzer 1771–1774 Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, 3 Bde., Leipzig 1771–1774 Swetschinski 2004 Daniel M. Swetschinski: Reluctant Cosmopolitans. The Portugese Jews of Seventeenth-Century Amsterdam, Oxford 2004 Tamm 1980 Peter Tamm: Nicht nur Kunst – auch Geschichte, in: Jörgen Bracker/Michael North/Peter Tamm: Maler der See. Marinemalerei in 300 Jahren, Herford 1980, S. 5–6 Tanner 2008 Matthew Tanner: Royal Yacht Mary. The Discovery of the First Royal Yacht, Liverpool 2008 Thoré-Bürger 1858–1860 Théophile Thoré-Bürger: Les Musées de la Hollande, 2 Bde., Paris 1858–1860 Tillmann 2015 Max Tillmann: Karoline Luise von Baden und die Niederländerbegeisterung im Frankreich des 18. Jahrhunderts, in: Christoph Frank/Wolfgang Zimmermann (Hrsg.): Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis. Karoline Luise von Ba­ den im europäischen Kontext, Berlin/München 2015, S. 162–179 Trautwein 1997 Robert Trautwein: Geschichte der Kunstbetrachtung. Von der Norm zur Freiheit des Blicks, Köln 1997 Trnek 1992 Renate Trnek: Die holländischen Gemälde des 17. Jahrhunderts in der Gemälde­ galerie der Akademie der bildenden Künste in Wien, Wien/Köln/Weimar 1992 Ufer 2008 Ulrich Ufer: Welthandelszentrum Amsterdam. Globale Dynamik und modernes Leben im 17. Jahrhundert, Köln 2008 Unseld/Zimmermann 2013 Melanie Unseld/Christian von Zimmermann (Hrsg.): Anek­ dote – Biographie – Kanon. Zur Geschichtsschreibung in den schönen Künsten, Köln/ Weimar/ Wien 2013 Unverfehrt 2000 Gerd Unverfehrt (Hrsg.): Zeichnungen von Meisterhand. Die Sammlung Uffenbach aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen, Göttingen 2000 Vaget 1971 Hans Rudolf Vaget: Dilettantismus und Meisterschaft. Zum Problem des Dilet­ tantismus bei Goethe, Praxis. Theorie. Zeitkritik, Winkler Studien, Bd. 17, München 1971 Vega 2010 Joseph de la Vega: Die Verwirrung der Verwirrungen. Börsenpsychologie – Bör­ senspekulation, Hamburg 2010 Vigau-Wilberg 1993 Thea Vigau-Wilberg: Das Land am Meer. Holländische Landschaft im 17. Jahrhundert, Kat. Staatliche Graphische Sammlung München, München 1993 Voermann 2012 Ilka Voermann: Die Kopie als Element fürstlicher Gemäldesammlungen im 19. Jahrhundert, Berlin 2012 Vogel 1956 Hans Vogel: Die Besucherbücher der Museen und der fürstlichen Bibliothek in Kassel zur Goethezeit, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landes­ kunde 67 (1956), S. 149–163 Vogt 2010 Margrit Vogt: Von Kunstworten und -werten. Die Entstehung der deutschen Kunstkritik in Periodika der Aufklärung, Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 32, Berlin/New York 2010 Vries 1985 Lyckle de Vries: De kunsthandel is zoo edel als eenigen, vermits er geen bedrog in is. De pamflettenstrijd tüssen Gerard Hoet en Johan van Gool, in: Achttiende-Eeuwse kunst in de Nederlanden, Leids Konsthistorisch Jaarboek 4 (1985), S. 1–16 Vries 1990 Lyckle de Vries: Diamante gedenkzuilen en leerzaeme voorbeelden. Een bespre­ king van Johan van Gools Nieuwe Schouburg, Groningen 1990 Waagen 1838 Gustav Friedrich Waagen: Kunstwerke und Künstler in England, Berlin 1838 Waiboer 2007 Adriaan E. Waiboer: Gabriel Metsu (1629–1667). Life and Work, New York 2007 Wardle 1980 Patricia Wardle: Summary, in: Theo Laurentius/Jan Wolter Niemeijer/G. Ploos van Amstel: Cornelis Ploos van Amstel 1726–1798. Kunstverzamelaar en prentuitgever, Assen 1980, S. 308–336 Weber 1993 Volker Weber: Anekdote. Die andere Geschichte. Erscheinungsformen der An­ ekdote in der deutschen Literatur, Geschichtsschreibung und Philosophie, Tübingen 1993 370 Anhang

Weber 2006 Gregor J. M. Weber: Der Kontext der Bilder. Die Gemälde Rembrandts und sei­ ner Schule aus der Sammlung von Landgraf Wilhelm VIII., in: Rembrandt-Bilder. Die historische Sammlung der Kasseler Gemäldegalerie, Kat. Staatliche Museen Kassel, München 2006, S. 47–64 Weber 2017 Gregor J. M. Weber: Rembrandt in Kassel. The Relativity of Eighteenth-Century Connoisseurship, in: Toshuharu Nakamura (Hrsg.): Appreciating the Traces of an Artist’s Hand, Kyoto Studies in Art History, Bd. 2, Kyoto 2017, S. 73–82 Weiler 2015 Katharina Weiler: Karoline Luise als Zeichnerin und Malerin, in: Die Meister- Sammlerin Karoline Luise von Baden, Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, hrsg. v. Hol­ ger Jacob-Friesen/Pia Müller-Tamm, Berlin/München 2015, S. 118–145 Weiler 2015a Katharina Weiler: Die Kunst des Kopierens – Karoline Luise von Baden und die Leihgaben aus dem kurfürstlichen Kabinett zu , in: Christoph Frank/Wolf­ gang Zimmermann (Hrsg.): Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis. Ka­ roline Luise von Baden im europäischen Kontext, Berlin/München 2015, S. 90–101 Weissert 1999 Caecilie Weissert: Reproduktionsstichwerke. Vermittlung alter und neuer Kunst im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Berlin 1999 Welzel 1997 Barbara Welzel: Galerien und Kunstkabinette als Ort des Gesprächs, in: Wolf­ gang Adam (Hrsg.): Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter, Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 28, Wiesbaden 1997, S. 495–503 Wende 2008 Peter Wende: Karl II. 1649/60–1685, in: Peter Wende (Hrsg.): Englische Könige und Königinnen der Neuzeit. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II., München 2008, S. 128–143 Wepler 2014 Lisanne Wepler: Bilderzählung in der Vogelmalerei des niederländischen Ba­ rocks, Petersberg 2014 Wetering 2006 Ernst van de Wetering: Rembrandt. Eine Biographie, in: Rembrandt. Genie auf der Suche, Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Köln 2006, S. 21–49 Wetering 2006a Ernst van de Wetering: Rembrandt als suchender Künstler, in: Rembrandt. Genie auf der Suche, Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Köln 2006, S. 65–103 Wettengl 2002 Kurt Wettengl: Kunst über Kunst. Die gemalte Kunstkammer, in: Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, Kat. Haus der Kunst Mün­ chen/Wallraf-Richartz-Museum Köln, hrsg. v. Ekkehard Mai/Kurt Wettengl, Wolfrats­ hausen 2002, S. 127–141 Weyerman 1729–1769 Jacob Campo Weyerman: De levens-beschreyvingen der Nederlandse konst-schilders en konst-schilderessen, 4 Bde., Den Haag/Dordrecht 1729–1769 Widauer 2004 Heinz Widauer: Die Ölskizzen bei Rubens. Bedeutung und Funktion, in: Peter Paul Rubens, Kat. Albertina Wien, Ostfildern-Ruit 2004, S. 119–126 Wieland 1986 Christoph Martin Wieland: Gesammelte Schriften, Hildesheim 1986 Witkamp 1869 Pieter Harme Witkamp: Amsterdam in schetsen, Amsterdam 1869 Wuestman 2009 Gerdien Wuestman: Druckgraphik nach Philips Wouwerman, in: Philips Wouwerman 1619–1668, Kat. Museumslandschaft Hessen Kassel, hrsg. v. Ernst Wege­ ner, München 2009, S. 54–65 Wullen 2012 Moritz Wullen: Von mehr als einer Welt. Die Künste der Aufklärung. Einfüh­ rung, in: Von mehr als einer Welt. Die Künste der Aufklärung, Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Petersberg 2012, S. 13–31 Wuthenow 1974 Ralph-Rainer Wuthenow: Das erinnerte Ich. Europäische Autobiographie und Selbstdarstellung im 18. Jahrhundert, München 1974 Zedler 1732–1754 Johann Heinrich Zedler (Hrsg.): Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, 64 Bde., Halle/Leipzig 1732–1754 Zelle 2002 Carsten Zelle: Kunstmarkt, Kennerschaft und Geschmack. Zu Theorie und Praxis in der Zeit zwischen Barthold Heinrich Brockes und Christian Ludwig von Hagedorn, in: Michael North (Hrsg.): Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 217–238 Zumbusch 2004 Cornelia Zumbusch: Wissenschaft in Bildern. Symbol und dialektisches Bild in Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas und Walter Benjamins Passagen-Werk, Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 8, Berlin 2004 Abbildungsverzeichnis und Nachweis

Abb. 1 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Goethe in der römischen Campagna, 1787, Öl auf Leinwand, 164,0 x 206,0 cm, Städel Museum Frankfurt am Main, 1157 Nachweis: © Städel Museum Frankfurt am Main Abb. 2 Jacob Ludwig Römer und Carl Georg Wilhelm Schiller: Manuskriptbearbeitung der ­Lebenserinnerungen von J. H. W. Tischbein durch Römer mit Korrekturen von Schiller, 1842/ 1843, Stadtarchiv Braunschweig, Nachlass Carl Georg Wilhelm Schiller, H III 1 Nr. 22 Nachweis: Foto Stefanie Rehm Abb. 3 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Originalmanuskript der Lebenserinnerungen, Aus­ schnitt, 1811, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 26, S. 1 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 4 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Selbstbildnis, um 1810, Öl auf Leinwand, 54,1 x 46,3 cm, Hamburger Kunsthalle, Sammlung Alte Meister Nachweis: © Hamburger Kunsthalle Abb. 5 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Notizen zu Rottenhammer u. a., um 1810, Lan­ desmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 1680 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 6 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Manuskript zur Lebensgeschichte, Baumgruppen, Skizzen, Ausschnitt, um 1810, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Olden­ burg, PT 943 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 7 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Zwei Kunstbetrachter, um 1815, Feder auf Papier, 102 x 102 mm, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 190 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 8 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Orientalisierender Kopf in der Art Rembrandts, Feder auf Papier, 257 x 210 mm, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Olden­ burg, 15.236 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 9 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Niederländische Landschaft, Feder auf Papier, 207 x 332 mm, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, 15.191 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 10 Willem van de Velde d. Ä.: Die Eroberung der Royal Prince während der viertägigen Schlacht 1666, 1672, Feder und Pinsel auf Leinwand, 109,0 x 146,5 cm, Staatliche Kunst­ halle Karlsruhe, 2772 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 11 Willem van de Velde d. J.: Hafenmole mit Schiffen und einer ablegenden Jacht, 1673, Öl auf Leinwand, 48,0 x 68,0 cm, Museum Boijmans Van Beuningen Rotterdam, 1982 (OK) Nachweis: Kat. Berlin/Rotterdam 1996, Nr. 79 Abb. 12 Willem van de Velde d. J.: Die Abfahrt von König Karl II. aus Scheveningen, um 1661, Öl auf Leinwand, 48,3 x 57,2 cm, Wallace Collection London, P194 Nachweis: Ingamells 1992, S. 392 Abb. 13 Lieve Verschuier: Die Ankunft des englischen Königs Karl II. in Rotterdam am 24. Mai 1660, um 1660, Öl auf Leinwand, 124,0 x 225,0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, SK-A-448 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 14 Willem van de Velde d. J.: Eine Staatenjacht und zahlreiche andere Schiffe, um 1660, Öl auf Leinwand, 66,6 x 72,2 cm, Mauritshuis Den Haag, 201 Nachweis: © Mauritshuis Den Haag Abb. 15 Willem van de Velde d. J.: Ansicht des Ij-Hafens in Amsterdam, 1686, Öl auf Lein­ wand, 179,5 x 316,0 cm, Amsterdam Museum, A 7421 Nachweis: © Amsterdam Museum Abb. 16 Willem van de Velde d. J.: Küstenszene, 1653, Öl auf Holz, 41,0 x 53,4 cm, Museums­ landschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 421 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel 372 Anhang

Abb. 17 Johann Friedrich August Tischbein: Joannis Lublink, 1790–1795, Öl auf Leinwand, 101,0 x 72,0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, SK-A-2827 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 18 Adriaen van de Velde: Rinder und Schafe am Waldwasser, 1669, Öl auf Holz, 31,5 x 41,2 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 291 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 19 Philips Wouwerman: Dorfansicht mit ‚Hering ziehenden‘ Bauern, um 1652/1653, Öl auf Leinwand, 64,5 x 82,0 cm, Privatbesitz Nachweis: Kat. Kassel 2009, S. 93 Abb. 20 Philips Wouwerman: Christlicher Ritter, 1655, Öl auf Holz, 75,0 x 64,0 cm, Privat­ besitz Nachweis: Kat. Kassel 2009, S. 34 Abb. 21 Philips Wouwerman: Kampf zwischen Europäern und Orientalen, um 1665, Öl auf ­Eichenholz, 35,6 x 41,2 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meis­ter, GK 361 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 22 Philips Wouwerman: Die Heimkehr von der Falkenjagd, um 1660, Öl auf Leinwand, 65,2 x 80,8 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 341 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 23 Albrecht Dürer: Ritter, Tod und Teufel, 1513, Kupferstich, 245 x 188 mm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, I868 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 24 Philips Wouwerman: Christlicher Ritter, um 1662, Öl auf Holz, 64,1 x 52,7 cm, Musée d’Art et d’Histoire Genf, 1942-0029 Nachweis: Kat. Kassel 2009, S. 37 Abb. 25 Philips Wouwerman: Ritter, Tod und Teufel, 1662, Öl auf Holz, 65,7 x 48,0 cm, ­Museum of Fine Arts Boston, 1981.78 Nachweis: Kat. Kassel 2009, S. 127 Abb. 26 Philips Wouwerman: Der Schimmel, um 1646, Öl auf Holz, 43,9 x 37,6 cm, Rijks­ museum Amsterdam, SK-A-1610 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 27 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Der polnische Reiter, um 1655, Öl auf Leinwand, 116,8 x 134,9 cm, Frick Collection New York, 1910.1.98 Nachweis: © Frick Collection New York Abb. 28 Christiaan Andriessen: Dat is een Rembrand!!! Zo schoon heb ik er nog geene gezien, 1805, Feder und Pinsel auf Papier, 177 x 253 mm, Stadsarchief Amsterdam, K 186-14 Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 29 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Das Mahl zu Emmaus, um 1640/1641, Feder und Pinsel auf Papier, 198 x 183 mm, Fitzwilliam Museum Cambridge, 2139 Nachweis: © Fitzwilliam Museum Cambridge Abb. 30 Johann Goll van Frankenstein d. Ä.: Die Herengracht in Amsterdam bei der Warmoes- gracht, um 1760, Aquarell und Graphit auf Papier, 291 x 269 mm, Stadsarchief Amster­ dam, Sammlung van Eeghen, 10055/138 Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 31 Adriaan de Lelie: Der Zeichensaal von Felix Meritis zu Amsterdam, 1801, Öl auf Lein­ wand, 100,0 x 131,0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, SK-C-538 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 32 Gerard de Lairesse: Das goldene Zeitalter, um 1665–1667, Feder und Pinsel über Gra­ phit auf Papier, 372 x 496 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 1963-778 Nachweis: © Hamburger Kunsthalle Abb. 33 Hendrick Avercamp: Drei Jungen mit Schlittschuhen und einer mit einem Schläger, um 1615, Aquarell und Feder auf Papier, 91 x 200 mm, Klassik Stiftung Weimar, KK 4725 Nachweis: © Klassik Stiftung Weimar Abbildungsverzeichnis und Nachweis 373

Abb. 34 Cornelis Ploos van Amstel nach Jacobus Buys: Portrait von Cornelis Ploos van Amstel, nach 1756, Aquarell und Feder auf Papier, 338 x 259 mm, Rijksmuseum Amsterdam, RP-T-BR-2000-1-1 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 35 Christiaan Andriessen: Kunstbeschouwing bij den heer Goll van de Jan Luikens, 1807, Aquarell und Kreide auf Papier, 193 x 271 mm, Amsterdam Museum, TA 14225 Nachweis: © Amsterdam Museum Abb. 36 Adriaan de Lelie: Die Kunstgalerie von J. A. Brentano zu Amsterdam, um 1800, Aquarell und Kreide auf Papier, 413 x 540 mm, Stadsarchief Amsterdam, G179-9 Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 37 Allaert van Everdingen: Nachtlandschaft mit Männern bei einem Feuer, um 1665, Feder und Pinsel auf Papier, 130 x 210 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 21907 Nachweis: © Hamburger Kunsthalle Abb. 38 Adriaan de Lelie: Kunstbetrachtung im Hause des Amsterdamer Sammlers J. A. Brentano, um 1810, Graphit auf Papier, 110 x 170 mm, Stadsarchief Amsterdam, 10097/6543 Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 39 Reinier Vinkeles nach Jacob Xavery: Portrait von Gerret Braamcamp, 1766, Radierung, 193 x 141 mm, Stadsarchief Amsterdam Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 40 Catalogus van het uitmuntend kabinet schildereyen, tekeningen, prenten, beelden enz. Door geheel Europa beroemd, en in veele Jaaren byeenverzameld door den heere Gerret Braam- camp, Amsterdam 1771 Nachweis: Kat. Amsterdam 1771 Abb. 41 Gabriel Metsu: Besuch im Kinderzimmer, nach der Geburt von Sara Hinlopen, 1661, Öl auf Leinwand, 77,5 x 81,3 cm, Metropolitan Museum New York, 17.190.20 Nachweis: © Metropolitan Museum New York Abb. 42 Musæum Braamcampianum, Amsterdam 1771 Nachweis: Kat. Amsterdam 1771b Abb. 43 Pieter Tanjé nach Jan Maurits Quinkhard: Portrait von Jan Maurits Quinkhard, 1741, Kupferstich, 387 x 280 mm, Stadsarchief Amsterdam Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 44 Melchior de Hondecoeter: Das Vogelkonzert, Öl auf Leinwand, 150,5 x 193, cm, ­Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 378 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 45 Frans Snijders (Werkstatt): Eine Versammlung von Vögeln (Die Fabel vom Pfau und der Dohle), Öl auf Leinwand, 203,0 x 288,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemälde­ galerie Alte Meister, GK 116 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 46 Melchior de Hondecoeter: Der weiße Pfau, Öl auf Leinwand, 144,0 x 180,5 cm, ­Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 381 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 47 Anton Wilhelm Tischbein: Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, um 1655–1660, Öl auf Leinwand, 129,5 x 101,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 713 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 48 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Bildnis eines stehenden Herrn, 1639, Öl auf Lein­ wand, 199,0 x 123,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meis­ ter, GK 239 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 49 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Saskia van Uylenburgh im Profil in reichem Gewand, 1642, Öl auf Eichenholz, 99,5 x 78,8 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemälde­ galerie Alte Meister, GK 236 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 50 Karoline Luise von Baden: Selbstbildnis, Pastell auf Pergament, 260 x 215 mm, Staat­ liche Kunsthalle Karlsruhe, 1974 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 374 Anhang

Abb. 51 Jan Davidsz. de Heem: Girlande von Blumen und Früchten, um 1660, Öl auf Leinwand, 58,8 x 80,0 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 361 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 52 Rachel Ruysch: Blumenstrauß, 1715, Öl auf Leinwand, 65,0 x 44,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 376 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 53 Frans van Mieris d. Ä.: Bildnis eines jungen Mannes, um 1660, Öl auf Eichenholz, 16,8 x 13,2 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 272 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 54 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Die Heilige Familie mit dem Vorhang, 1646, Öl auf Eichenholz, 46,8 x 68,4 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 240 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 55 Caspar Netscher: Ein Maskenscherz, 1668, Öl auf Eichenholz, 47,0 x 63,5 cm, Muse­ umslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 292 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 56 Jan Steen: Die Dorfschule, um 1668–1672, Öl auf Leinwand, 81,7 x 108,6 cm, Scot­ tish National Gallery Edinburgh, NG 2421 Nachweis: Kat. Amsterdam/Washington 1996, S. 232 Abb. 57 Adriaan de Lelie: Die Kunstgalerie von Jan Jansz. Gildemeester in seinem Haus an der Herengracht in Amsterdam, 1794/1795, Öl auf Leinwand, 63,7 x 85,7 cm, Rijksmuseum Amsterdam, SK-A-4100 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 58 Willem van Haecht: Die Kunstkammer des Cornelis van der Geest in Antwerpen, 1628, Öl auf Holz, 102,5 x 137,5 cm, Rubenshuis Antwerpen, R.H.S.171 Nachweis: © Rubenshuis Antwerpen Abb. 59 Catalogus van een uitmuntend kabinet gekleurde en onge-kleurde teekeninen, benevens een keurlyke verzameling prent-kunst […] door wylen den heere Jan Gildemeester, Amsterdam 1800 Nachweis: Kat. Amsterdam 1800a Abb. 60 Catalogus van een uitmuntend kabinet gekleurde en ongekleurde teekeninen, benevens een keurlyke ver­zameling prent-kunst […] door wylen den heere Jan Gildemeester, Amsterdam 1800, Ausschnitt Nachweis: Kat. Amsterdam 1800a, S. 44 Abb. 61 Reinier Vinkeles: Giebelansicht vom ‚Trippenhuis‘, 1803, Aquarell und Feder auf ­Papier, Stadsarchief Amsterdam Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 62 Reinier Vinkeles: Giebelansicht vom ‚Trippenhuis‘, Ausschnitt, 1803, Aquarell und Feder auf Papier, Stadsarchief Amsterdam Nachweis: © Stadsarchief Amsterdam Abb. 63 Christiaan Andriessen: Schautag vor einer Auktion im ‚Trippenhuis‘ in Amsterdam, Feder auf Papier, 182 x 258 mm, Universiteitsbibliotheek Leiden, PK-T-AW-480 Nachweis: © Universiteitsbibliotheek Leiden Abb. 64 Jan Jansz. Gildemeester nach Jan van Huysum: Blumenstillleben, Feder, Aquarell- und Deckfarbe auf Papier, 204 x 155 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 1963-198 Nachweis: © Hamburger Kunsthalle Abb. 65 Jan van Huysum: Stillleben mit Blumen in einer Terrakottavase vor einer Nische, 1734, Öl auf Holz, 81,0 x 60,6 cm, Sotheby’s London, 11.12.2003, Nr. 74 Nachweis: Kat. Delft/Houston 2007, S. 248 Abb. 66 Jan van Huysum: Blumenstrauß, 1714, Öl auf Eichenholz, 79,0 x 60,3 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 380 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 67 Cornelis Ploos van Amstel nach Jan van Huysum: Blumenstillleben in einer Vase auf einer Steinplatte, 1778, Radierung, Aquarell auf Papier, 250 x 172 mm, Rijksmuseum Amsterdam, RP-P-OB-24.684 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abbildungsverzeichnis und Nachweis 375

Abb. 68 Balthasar Denner nach Abraham Bloemaert: Sitzender Mann, sich über einem Kohlen- kübel die Hände wärmend, 1699, Pinsel auf Papier, 169 x 145 mm, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, 44078 Nachweis: © Hamburger Kunsthalle Abb. 69 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Drei Kartenspielende Soldaten, Aquarell, Feder und Kreide auf Papier, 294 x 411 mm, Klassik Stiftung Weimar, KK 12215 Nachweis: © Klassik Stiftung Weimar Abb. 70 Christian Georg Schütz d. Ä.: Maingegend, vor 1750, Öl auf Eichenholz, 27,7 x 39,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 669 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 71 Herman Saftleven: Flusslandschaft, 1650–1660, Öl auf Eichenholz, 27,0 x 39,4 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 407 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 72 Johann Georg Trautmann: Brustbild eines Mannes in orientalischem Kostüm, um 1759–1762, Öl auf Eichenholz, 25,2 x 21,2 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, ­Gemäldegalerie Alte Meister, GK 1213 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 73 Jan Steen: Das Fest des Bohnenkönigs, 1668, Öl auf Leinwand, 82,0 x 107,5 cm, ­Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 296 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 74 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Jacob segnet Ephraim und Manasse, 1656, Öl auf Leinwand, 173,0 x 209,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 249 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 75 Adriaen van Ostade: Maleratelier, um 1670–1675, Öl auf Holz, 37,0 x 36,0 cm, Rijksmuseum Amsterdam, SK-A-298 Nachweis: © Rijksmuseum Amsterdam Abb. 76 Peter Paul Rubens: Der Triumph des Siegers, um 1614, Öl auf Eichenholz, 160,5 x 263,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 91 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 77 Frans Hals: Der Mann mit dem Schlapphut, um 1660, Öl auf Leinwand, 79,5 x 66,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 219 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 78 Luca Giordano: Die Berufung der Heiligen Petrus und Andreas zum Apostelamt, um 1685, Öl auf Leinwand, 222,0 x 292,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemälde­ galerie Alte Meister, GK 858 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 79 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (nicht eigenhändig): Manuskript der Lebenserin- nerungen, Ausschnitt, 1824, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 833, o. S. Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 80 Correggio: Die Heilige Nacht, um 1527–1530, Öl auf Pappelholz, 256,5 x 188,0 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, 152 Nachweis: Steinhardt-Hirsch 2008 Abb. 81 Peter Paul Rubens: Bildnis des Nicolas de Respaigne, vor 1620, Öl auf Leinwand, 205,5 x 119,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 92 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 82 Anthonis van Dyck: Bildnis eines Spaniers, um 1627–1631, Öl auf Leinwand, 200,0 x 124,2 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 121 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 83 Tizian: Bildnis eines Feldherrn, um 1550, Öl auf Leinwand, 229,0 x 155,5 cm, Muse­ umslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 488 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 84 Paulus Potter: Der Stier, 1647, Öl auf Leinwand, 235,5 cm x 339,0 cm, Mauritshuis Den Haag, 136 Nachweis: © Mauritshuis Den Haag 376 Anhang

Abb. 85 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Originalmanuskript der Lebenserinnerungen, ­Ausschnitt, 1811, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 26, S. 29 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 86 Rembrandt Harmensz. van Rijn: Selbstportrait mit Barett und rotem Mantel, um 1645, Öl auf Eichenholz, 68,5 x 56,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 238 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 87 Peter Paul Rubens (Kopie): Die Enthauptung des Täufers Johannes, nach 1609, Öl auf Eichenholz, 29,5 x 37,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 180 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 88 Gerard Dou: Die Spitzenklöpplerin, 1663, Öl auf Holz, 30,5 x 25,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 267 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 89 Frans van Mieris d. Ä.: Junge mit Vogelkäfig in einem Fenster,1665, Öl auf Eichenholz, 21,8 x 18,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 273 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 90 Frans van Mieris d. J.: Der Bäcker, 1721, Öl auf Eichenholz, 27,0 x 18,5 cm, Museums­ landschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 311 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 91 Philips Wouwerman: Der Pferdestall am verfallenen Haus, 1650–1660, Öl auf Eichen­ holz, 43,8 x 62,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 344 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 92 Nicolaes Berchem: Furt im Gebirge, um 1655–1660, Öl auf Eichenholz, 43,2 x 38,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 299 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 93 Aelbert Cuyp: Flusslandschaft mit melkender Frau, um 1646, Öl auf Eichenholz, 48,3 x 74,6 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 2781 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 94 Adriaen van Ostade: Fröhliches Landvolk, 1648, Öl auf Leinwand, 61,0 x 51,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 275 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 95 David Teniers d. J.: Baderstube, um 1640, Öl auf Leinwand, 55,5 x 69,8 cm, Museums­ landschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 147 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 96 David Teniers d. J. (verworfene Zuschreibung: Adriaen Brouwer): Kartenspielende Bauern, 1633, Öl auf Eichenholz, 31,5 x 53,3 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 139 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 97 Gabriel Metsu: Die Cisterspielerin, nach 1660, Öl auf Eichenholz, 36,5 x 30,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 301 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 98 Gerard ter Borch: Die Lautenspielerin, nach 1660, Öl auf Holz, 52,5 x 38,5 cm, Museums­landschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 289 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 99 Pieter Neefs d. Ä.: Das Innere der Antwerpener Kathedrale bei Tageslicht, nach 1630, Öl auf Eichenholz, 66,1 x 96,9 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 68 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 100 Jan Davidsz. de Heem (Werkstatt): Prunkstillleben, um 1650, Öl auf Leinwand, 79,5 x 103,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 438 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 101 Jan van Huysum: Blumenstillleben in einer Terrakottavase auf einer Balustrade vor einer Landschaft, 1726, Öl auf Mahagoniholz, 79,4 x 59,4 cm, Wallace Collection London, P 149 Nachweis: © Trustees of the Wallace Collection London Abbildungsverzeichnis und Nachweis 377

Abb. 102 Paulus Potter: Vier Kühe auf einer Weide, 1644, Öl auf Eichenholz, 39,6 x 37,2 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 368 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 103 Adriaen van de Velde: Reisende erkundigen sich bei einem Landmann nach dem Weg, 1662, Öl auf Leinwand, 48,0 x 56,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemälde­ galerie Alte Meister, GK 375 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 104 Willem van de Velde d. J.: Stille See, 1653, Öl auf Eichenholz, 42,5 x 63,0 cm, Mu­ seumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 420 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 105 Ludolf Bakhuizen (?): Bewegte See mit Schiffen, um 1689, Öl auf Eichenholz, 25,7 x 37,9 cm, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, 15.682 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 106 Adriaen van Gaesbeeck (verworfene Zuschreibung: Pieter Cornelisz. van Slinge­ landt): Nähende Mutter mit zwei Knaben an der Wiege, nach 1640, Öl auf Eichenholz, 52,0 x 41,0 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 270 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 107 Godefridus Schalken: Die büßende Magdalena, einen Totenkopf haltend, um 1700, Öl auf Holz, 27,0 x 20,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meis­ ter, GK 304 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 108 Anthonis van Dyck: Bildnis einer Frau mit Rose, um 1617, Öl auf Eichenholz, 63,3 x 47,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 120 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 109 Jan Lievens (zugeschrieben): Büste eines Mannes mit Kappe, um 1630, Öl auf Eichen­ holz, 48,0 x 36,8 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 230 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 110 Jan Brueghel d. Ä.: Feldwache in einer Waldlichtung, 1607, Öl auf Eichenholz, 32,8, x 42,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 52 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 111 Melchior de Hondecoeter: Der Krieg im Hühnerhof, um 1668, Öl auf Leinwand, 87,7 x 110,1 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 345 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 112 Adriaen van der Werff: Zwei Putten, Junge und Mädchen, mit Liebesfackeln (Allegorie der Liebe), um 1696, Öl auf Leinwand, 101,0 x 101,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 308a Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 113 Cornelis van Poelenburch: Amor führt einen Kinderreigen an, nach 1620, Öl auf ­Eichenholz, 50,0 x 65,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 191 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 114 Hans Rottenhammer d. Ä.: Die Heilige Familie mit Johannes dem Täufer und blumen- spendenden Engeln, 1605, Öl auf Kupfer, 27,6 x 23,4 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 605 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 115 Eglon van der Neer (verworfene Zuschreibung: nach Adam Elsheimer): Tobias und der Engel in einer Waldlandschaft, um 1690, Öl auf Eichenholz, 22,0 x 28,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 277 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Abb. 116 Frans Snijders (Werkstatt): Ein Küchenstück, 1630–1640, Öl auf Leinwand, 163,0 x 243,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 115 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 117 Jan Both: Berglandschaft im Abendlicht, 1640–1650, Öl auf Leinwand, 67,0 x 83,3 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 318 Nachweis: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 378 Anhang

Abb. 118 Gerard de Lairesse: Der Tod des Germanicus, nach 1670, Öl auf Leinwand, 74,0 x 88,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 463 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 119 Frans Snijders: Stillleben, 1614, Öl auf Leinwand, 156,0 x 218,0 cm, Wallraf- Richartz-Museum Köln, 2894 Nachweis: Dohe/Falk/Stamm 2017, S. 247 Abb. 120 Gerbrand van den Eeckhout: Der Engel im Haus des Tobias, um 1648–1650, Öl auf Eichenholz, 15,8 x 19,8 cm, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Olden­ burg, 7.411 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Abb. 121 Unbekannt: Transportliste von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, Teil 2, 1758, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Archiv Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 122 Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä.: Pan und Syrinx, um 1617, Öl auf Eichen­ holz, 40,3 x 61,0 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, GK 1229 Nachweis: © Museumslandschaft Hessen Kassel Abb. 123 Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Originalmanuskript der Lebenserinnerungen, Ausschnitt, 1811, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, PT 26, S. 33 Nachweis: © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Personenverzeichnis und Register

A Achtienhoven, Johannes Baptista Josephus (1751–1801) 144 Aelst, Willem van (1627–1683) 206, 211 Allamand, Jean-Nicolas-Sébastien (1713–1787) 128 Alten, Friedrich Kurt von (1822–1894) 34, 137, 292 Andriessen, Christiaan (1775–1846) 103, 141f, 145, 205f Aved, Jacques-André-Joseph (1702–1766) 210 Avercamp, Hendrick (1585–1634) 137f, 163

B Backer, Jacob de (um 1555–um 1585) 305 Baden, Karoline Luise, Markgräfin von (1723–1783) 133, 174, 178, 182–186, 189, 195, 197, 209–211, 213, 221, 271, 273, 275, 277, 280f, 284, 299–302 Bakhuizen, Ludolf (1630–1708) 64, 166, 262, 279, 281, 287, 300 Banks, Joseph (1742–1820) 128f Bassano, Jacopo da Ponte, gen. Bassano (1510–1592) 264, 297 Berchem, Nicolaes bzw. Claes Pietersz. (1621–1683) 80, 163, 218, 257, 274f, 286f, 300, 306 Bergen, Dirck van (1645–1690/1710) 199f Bie, Cornelis de (1627–1711/1716) 89f Björnståhl, Jacob Jonas (1731–1779) 128f, 141 Blaeu, Pieter (1637–1706) 59 Bloemaert, Abraham (1566–1651) 216 Boisserée, Johann Sulpiz Melchior Dominikus (1783–1854) 293 Boisserée, Melchior Hermann Joseph Georg (1786–1851) 293 Boonen, Arnold (1669–1729) 207 Borch, Gerard ter (1617–1681) 199, 201, 246, 262, 276–278, 287, 289, 296, 300 Bosch, Jan Jeronimusz. de (1737–1823) 162, 171, 193, 201, 204 Both, Jan (um 1618–1652) 218, 270, 284, 287, 300 Böttiger, Karl August (1760–1835) 134, 154, 292 Braamcamp, Gerret (1699–1771) 82, 120, 161–166, 168, 171, 173, 182, 195, 203f, 207–209 Breenbergh, Bartholomeus (1598–1657) 297 Brentano, Josephus Augustinus (1753–1821) 143–148 Bril, Paul (1553/1554–1626) 289, 300 Brouwer, Adriaen (1605/1606–1638) 262, 276f, 286f, 300, 302f Broyel, Abraham de († 1759) 125 Brueghel, Jan d. Ä. (1568–1625) 257, 270, 282, 284, 287, 297, 302–304 Brueghel, Pieter d. Ä. (1526/1530–1569) 302 Büsch, Johann Georg (1728–1800) 193 Busserus, Hendrik (1701–1782) 172 Buys, Jacobus (1724–1801) 139

C Caravaggio, Michelangelo Merisi, gen. Caravaggio (1571–1610) 264, 297 Carracci, Annibale (1560–1609) 297, 302 Causid, Simon (1729–1793) 89, 219, 298 Cleve, Joos van (1485–1541) 293 Correggio, Antonio Allegri da, gen. Correggio (1489–1534) 260f Cortona, Pietro da (1596–1669) 255 Cranach, Lucas d. Ä. (1472–1553) 293f Cuylenborch, Abraham van (1620–1658) 248 Cuyp, Aelbert (1620–1691) 83, 127, 275, 287, 289, 295, 300, 304, 306 380 Anhang

D Delacroix, Ferdinand Victor Eugène (1798–1863) 267 Denner, Balthasar (1685–1749) 215f, 221, 291 Denon, Dominique-Vivant (1747–1825) 298f Descamps, Jean-Baptiste (1706–1791) 88, 176 Dézallier d’Argenville, Antoine Joseph (1680–1765) 88–91, 96, 98f, 101, 136, 211 Diderot, Denis (1713–1784) 151 Dietrich, Christian Wilhelm Ernst (1712–1774) 261 Dijk, Philip van (1683–1753) 179 Does, Simon van der (1653–1718) 117 Domenichino, Domenico Zampieri, gen. Domenichino (1581–1641) 294 Dou, Gerard (1613–1675) 58, 79, 165f, 191, 199, 211, 256f, 262, 273, 280, 287, 289, 296, 300, 302f, 307 Dughet, Gaspard (1615–1675) 262 Dujardin, Karel (1626–1678) 257, 289 Dürer, Albrecht (1471–1528) 94f, 117, 120, 135, 140, 155 Dussen, Cornelia van der (1689–1762) 125 Dyck, Anthonis van (1599–1641) 127, 169, 255, 262–264, 281, 283, 286f, 289f, 292, 294, 297, 300, 306f

E Eberts, Jean-Henri (1726–1803) 78, 182, 195, 197, 210 Eeckhout, Gerbrand van den (1621–1674) 294f Ehrenreich, Johann Benjamin (1733–1806) 182 Elsheimer, Adam (1578–1610) 218, 270, 283, 286f, 289, 300, 302f England, Karl II., König von (1630–1685) 66–68 Everdingen, Allaert van (1621–1675) 146, 289 Eynden, Roeland van (1747–1819) 169

F Falconet, Étienne-Maurice (1716–1791) 122 Félibien, André (1619–1695) 151 Fleischmann, Georg Wilhelm (1693–1776) 182 Fokke, Simon (1712–1784) 172 Font de Saint-Yenne, Étienne La (1688–1771) 151 Forster, Georg (1754–1794) 20 Fouquet, Pieter (1729–1800) 82, 182–184, 199, 201 Francken, Frans d. J. (1581–1642) 277 Freese, Johann Georg von (1701–1775/1777) 180 Friedländer, Max J. (1867–1958) 19, 29, 101f, 157, 211f Fromentin, Eugène (1820–1876) 267f

G Gaesbeeck, Adriaen van (1621–1650) 280, 282 Gautier, Théophile (1811–1872) 267 Gerson, Horst (1907–1978) 20, 193f, 217f Gijsels, Pieter (1621–1690) 302f Gildemeester, Jan Jansz. (1744–1799) 120, 164, 184, 198–209, 213 Goethe, Johann Caspar (1710–1782) 218 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832) 10f, 22, 32f, 37, 132, 136, 154, 216f, 219, 251, 261, 265f Goll van Frankenstein, Johan d. J. (1756–1821) 124, 126, 138, 141 Goll van Frankenstein, Johann (Edler) d. Ä. (1722–1785) 120–125, 128–131, 133f, 141f, 145f, 150, 157f, 174, 182–184, 197f, 212 Goll van Frankenstein, Pieter Hendrick (1787–1832) 124f, 213 Gool, Jan van (1685–1763) 117, 120, 161, 167, 169, 178, 188f, 191, 206f, 213f Personenverzeichnis und Register 381

Gottsched, Johann Christoph (1700–1766) 151 Gotzkowsky, Johann Ernst (1710–1775) 174–177, 196 Goyen, Jan van (1596–1656) 139, 216, 275, 289 Greenwood, John (1727–1792) 165, 193–195 Griffier, Jan d. Ä. (1645/1652–1718) 80 Grote, Heinrich (1675–1753) 194

H Häckel, Heinrich Jacob, Baron von (1682–1760) 180, 182, 185, 188, 218f, 278, 291 Haecht, Willem van (1593–1637) 200 Hagedorn, Christian Ludwig von (1712–1780) 90, 151, 154 Hals, Frans (1582/1583–1666) 253–255, 268, 281, 289, 297 Hamilton, Franz de (1640–1702/1715) 300 Harzen, Georg Ernst (1790–1863) 146 Heem, Jan Davidsz. de (1606–1684) 184, 206f, 262, 269, 277–279, 286, 288f, 300, 307 Heemskerck, Maarten van (1498–1574) 304, 306 Heinecken, Karl Heinrich von (1707–1791) 20, 140, 149f, 153, 161, 172, 177 Helst, Bartholomeus van der (1613–1670) 289 Herder, Johann Gottfried (1744–1803) 250f Hessen-Kassel, Carl, Landgraf von (1654–1730) 296, 305 Hessen-Kassel, Friedrich II., Landgraf von (1720–1785) 38, 296–298 Hessen-Kassel, Wilhelm VIII., Landgraf von (1682–1760) 84, 153, 169, 174, 178–182, 187, 190, 218, 255, 269, 271, 274–276, 278, 281–283, 289f, 295–298, 301, 304 Heyden, Jan van der (1637–1712) 80, 127, 166, 211, 251, 289, 302f Hirt, Friedrich Wilhelm (1721–1772) 217 Hobbema, Meindert (1638–1709) 200 Hoet, Gerard d. J. (1698–1760) 21, 79–81, 86, 94, 179, 182, 191f Hogarth, William (1697–1764) 151 Holbein, Hans d. J. (1497/1498–1543) 294, 305f Hondecoeter, Melchior de (1636–1695) 169, 218, 282, 284, 287, 300 Hooch, Pieter de (1629–1684) 199, 295 Hoogstraten, Samuel van (1627–1678) 104 Hoorn, Jacob van (1638–1738) 167 Hope, Adrian (1709–1781) 193 Hope, Henry (1735–1811) 193 Hope, John bzw. Jan (1737–1784) 193 Houbraken, Arnold (1660–1719) 12, 20, 84, 88–91, 99, 118, 255 Houbraken, Jacob (1698–1780) 167 Huchtenburg, Jan van (1647–1733) 289 Huizinga, Johan (1872–1945) 252, 265 Huysum, Jan van (1682–1749) 79, 127, 138, 160, 163, 166, 198, 201, 205–214, 221, 257, 262, 277–279, 288, 300, 307

I Italinsky, Andrej (1743–1827) 154

J Jordaens, Jacob (1593–1678) 281, 289f, 297, 305–307 Juncker, Justus (1703–1767) 217

K Keirincx, Alexander (1600–1652) 159, 289 Kobell, Hendrik (1751–1779) 159, 289 Kugler, Franz (1808–1858) 98, 266 Kuyper, Jacques (1761–1808) 144 382 Anhang

L Laer, Pieter van (1599–1642/1654) 289 Lairesse, Gerard de (1640–1711) 74, 99, 125f, 166, 205, 211, 284, 287–289, 300, 304–307 Lelie, Adriaan de (1755–1820) 124f, 143–145, 147, 198–201 Leth, Hendrick de (1703–1766) 123, 125 Lievens, Jan (1607–1674) 270, 281, 283, 288f, 292, 300, 307 Lilly, Johann Dietrich (1705–1792) 39, 87, 290 Lingelbach, Johannes (1622–1674) 289 Locquet, Pieter († 1782) 164 Lormier, Willem (1682–1758) 179, 184, 187–189, 210 Lorrain, Claude (1604–1682) 262, 299 Lubbeling, Johannes d. Ä. († 1772?) 77–82, 85f, 92, 94, 102, 104, 187 Lubbeling, Johannes d. J. bzw. Joannis Lublink (1736–1816) 78f Lublink, Joannis (1736–1816) 78f Luhn, Joachim (1640–1717) 215

M Maarseven, Hendrik van (1730–1792) 172 Maes, Nicolaes (1634–1693) 127 Maltzahn, Hans Albrecht, Freiherr von (1754–1825) 148 Mander, Karel van (1548–1606) 99 Maratti, Carlo (1625–1713) 302 Marck, Johan van der (1707–1772) 121, 164 Melling, Joseph (1724–1796) 211, 301 Memling, Hans (um 1433–1494) 101 Mengs, Anton Raphael (1728–1779) 261 Merck, Johann Heinrich (1741–1791) 20, 140, 149f, 153, 212 Metsu, Gabriel (1629–1667) 127, 163f, 169, 199, 211, 246, 257, 262, 269, 276f, 287, 296, 300, 302f Meulen, Adam Frans van der (1632–1690) 289 Meulen, Willem van der (1714–1808) 129 Meyer, Johann Heinrich (1760–1832) 192, 243, 246, 253, 255f, 261–267, 273–275, 279f, 282, 284, 289 Michelangelo Buonarroti (1475–1564) 257, 294 Mieris, Frans van d. Ä. (1635–1681) 184f, 273, 287 Mieris, Frans van d. J. (1689–1763) 273f, 287 Mieris, Willem van d. J. (1662–1747) 300 Mignon, Abraham (1640–1679) 206f, 300 Momper, Joos de (1564–1635) 289 Morell, Gerhard (1710–1770) 157, 174–182, 189, 278f, 282 Morelli, Giovanni (1816–1891) 151 Muilman, Daniel Roelof (1717–1801) 172 Muilman, Dionys (1702–1772) 161, 171f, 212 Muilman, Hendrik (1743–1812) 172f Münnich, Friedrich Franz, Graf von (1788–1870) 149 Murr, Christoph Gottlieb von (1733–1811) 139

N Nagler, Georg Kaspar (1801–1866) 89, 91, 96, 167 Neefs, Pieter d. Ä. (1578–1656/1661) 277f, 288f, 300 Neefs, Pieter d. J. (1620–1675/1685) 277 Neer, Aert van der (1603–1677) 300 Neer, Eglon van der (1635/1636–1703) 127, 284, 286, 300 Netscher, Caspar (1635–1684) 80, 188, 211, 286, 295–297, 300 Neufville, Pieter Leendert de (1706–1759) 121, 187 Nicolai, Paulus Antonius (1767–1827) 145 Personenverzeichnis und Register 383

O Ochtervelt, Jacob (1634–1682) 199 Oesterreich, Matthias (1716–1778) 88, 177 Oldenburg, Peter Friedrich Ludwig, Herzog von (1755–1829) 32, 148, 156, 292f, 295 Oranien-Nassau, Wilhelm V., Prinz von (1748–1806) 69 Ostade, Adriaen van (1610–1658) 80, 119f, 127, 163, 166, 201, 248f, 262, 269, 275f, 287, 292, 297, 300, 302f, 307 Ostade, Isaac van (1621–1649) 119

P Piles, Roger de (1635–1709) 151 Ploos van Amstel, Cornelis (1726–1798) 122, 137–140, 150, 162, 166, 171f, 174, 193, 213f Poelenburch, Cornelis van (1594/1595–1667) 218, 248, 257, 262, 283, 285, 287, 292, 297, 300 Potter, Paulus (1625–1654) 41, 83, 117, 119, 120, 127, 165f, 191, 201, 262, 268f, 278–280, 287, 297, 299, 300, 304–307 Poussin, Nicolas (1594–1665) 262, 294 Pruyssenaar, Roelof Meurs (*1773) 201, 204

Q Quinkhard, Jan Maurits (1688–1772) 159, 161, 164, 167–171, 173, 276

R Raffael da Urbino (1483–1520) 257, 267, 294, 297, 302 Rathgeber, Georg (1800–1875) 20, 266 Rauschner, Christian Benjamin (1725–1793) 182 Reiffenstein, Johann Friedrich (1719–1793) 182 Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669) 40, 94, 97–102, 121f, 127, 132f, 163, 166, 180–182, 187f, 191, 194, 199, 201, 211, 214, 217–220, 248, 253, 257, 262–264, 266–268, 271–273, 286f, 292–296, 299f, 302–307, 327 Reni, Guido (1575–1642) 257, 294, 297 Richardson, Jonathan (1667–1745) 136, 151 Ridinger, Johann Elias (1698–1767) 117–119 Rijdenius, Cornelia (1746–1826) 78 Robert, Ernst Friedrich Ferdinand (1763–1843) 299 Roepel, Coenraet (1678–1748) 297 Römer, Jacob Ludwig (1770–1855) 23f, 54, 77, 118 Romeyn, Willem (um 1624–um 1693) 289 Roos, Cornelis Sebille (1754–1820) 201, 204 Roos, Johann Heinrich (1631–1685) 286, 300 Roos, Johann Melchior (1659–1731) 286, 304, 306 Roos, Philipp Peter, gen. Rosa da Tivoli (1657–1706) 305 Rosa, Salvator (1615–1673) 262, 294 Rottenhammer, Hans d. Ä. (1564–1625) 34, 270, 283, 286f, 289, 292, 294, 300 Rotterdam, Erasmus von (1467–1536) 94 Röver, Valerius (1686–1739) 89, 125f, 182, 190, 269, 271, 278, 283, 304f, 307 Rubens, Peter Paul (1577–1640) 38f, 88, 160, 166, 191f, 199, 214, 249, 253f, 257, 262–264, 266, 269, 272f, 281, 286f, 289f, 292, 294, 297, 299, 300, 302–307 Ruisdael, Jacob van (1628/1629–1682) 200, 275, 289 Rumohr, Carl Friedrich von (1785–1843) 151 Runde, Christian Ludwig (1773–1849) 148 Rutgers, Antonie (1695–1778) 179, 181 Ruysch, Rachel (1664–1750) 185, 289, 300 384 Anhang

S Sachsen-Weimar-Eisenach, Anna Amalia, Herzogin von (1739–1807) 29 Saftleven, Cornelis (1607–1681) 300 Saftleven, Herman (1609–1685) 218f, 302f Sander, Heinrich (1754–1782) 129, 133, 134, 141, 146 Schalken, Godefridus (1643–1706) 127, 262, 270, 280, 282, 287, 295–297, 300, 305–307 Schiller, Carl Georg Wilhelm (1807–1874) 22–26, 54, 77, 94, 118, 270 Schiller, Friedrich (1759–1805) 132 Schlegel, August Wilhelm (1767–1845) 173 Schley, Philippus van der (1724–1817) 138, 162, 168, 172, 193, 201, 204 Schnaase, Carl (1798–1875) 20, 266 Schopenhauer, Johanna Henriette (1766–1838) 172f Schütz, Christian Georg d. Ä. (1718–1791) 215, 217–219, 221 Schwalb, August Gottfried (1741–1777) 192f, 196 Seekatz, Johann Conrad (1719–1768) 217 Seume, Johann Gottfried (1763–1810) 261 Sierstorpff, Caspar Heinrich von (1750–1842) 142, 212 Slingelandt, Govert van (1694–1767) 179, 182, 190f Slingelandt, Pieter Cornelisz. van (1640–1691) 280, 287, 300, 302–305, 307 Smit, Johannes (vor 1747–nach 1778) 164, 195 Snijders, Frans (1579–1657) 169f, 262, 284, 287, 293, 300 Solms-Rödelheim, Vollrath Friedrich Carl Ludwig, Graf zu (1762–1818) 24 Sorgh, Hendrick Martensz. (um 1610–1670) 163 Spagnoletto, Jusepe de Ribera, gen. Spagnoletto (1591–1652) 264 Spiering Silvercroon, Pieter (1595–1652) 58 Starklof, Carl Christian Ludwig (1789–1850) 24, 54, 77, 93, 270 Steen, Jan (1626–1679) 80, 127, 194f, 201, 245f, 262, 289 Stenglin, Daniel (1735–1801) 88, 196 Stenglin, Philipp Heinrich (1688–1759) 88, 196 Stuhr, Johann Georg (1640–1721) 215 Sulzer, Johann Georg (1720–1779) 151–153, 155

T Tamm, Franz Werner (1658–1724) 215 Tamm, Peter Wilhelm Ernst (1928–2016) 56, 62 Tanjé, Pieter (1706–1761) 167f Temple, Sir William (1628–1699) 252 Teniers, David d. J. (1610–1690) 79, 199–201, 262, 276f, 286f, 292, 297, 299f, 302–306 Thielcke, Joachim Hinrich (1718–1781) 291 Thoré-Bürger, Étienne-Joseph-Théophile (1807–1869) 267 Thümmel, Moritz August von (1738–1817) 128–131 Tintoretto, Jacopo Robusti, gen. Tintoretto (1518/1519–1594) 263 Tischbein, Johann Friedrich August (1750–1812) 37f, 79, 173 Tischbein, Johann Heinrich d. Ä. (1722–1789) 38, 297 Tischbein, Johann Heinrich d. J. (1742–1808) 136, 297 Tischbein, Johann Valentin (1715–1768) 37 Tiziano Vecellio (1488/1490–1576) 166, 263f, 297, 302 Tonneman, Jeronimus (1687–1750) 121, 146 Trautmann, Johann Georg (1713–1769) 215, 217–221 Treuer, Gottlieb Heinrich (1696/1697–1780) 182–184, 197, 210 Trip, Hendrik (1605–1684) 203 Trip, Louis (1607–1666) 203 Tromp, Cornelis (1629–1691) 70 Personenverzeichnis und Register 385

U Uffenbach, Johann Friedrich von (1687–1769) 134, 156

V Vasari, Giorgio (1511–1574) 18 Velde, Adriaen van de (1636–1672) 80, 83, 163, 201, 248, 270, 279f, 287, 300 Velde, Willem van de d. Ä. (1611–1693) 51, 59, 61, 64f, 68, 73 Velde, Willem van de d. J. (1633–1707) 51, 60–62, 64–73, 247, 270, 279, 281, 287 Vermeer, Johannes (1632–1675) 268, 289, 295 Veronese, Paolo (1528–1588) 263, 267 Verschuier, Lieve (1627/1634–1686) 68f Vertangen, Daniel (um 1600–1681) 247f, 289 Victors, Jan (1619–1679) 294 Vinci, Leonardo da (1452–1519) 297 Vingboons, Justus (1620–1698) 203 Vinkeles, Reinier (1741–1816) 162, 167, 201, 204f Vondel, Joost van den (1587–1679) 56 Vos, Jacob de (1735–1833) 150 Voß, Johann Heinrich (1751–1826) 149, 251 Vries, Jeronimo de (1776–1853) 125

W Waagen, Gustav Friedrich (1794–1868) 151 Weenix, Jan (1640/1641–1719) 80, 289, 300 Werff, Adriaen van der (1659–1722) 205, 214, 251, 257, 262, 282, 285, 287, 295, 297, 300, 302f, 307 Weyerman, Jacob Campo (1677–1747) 20, 88–91, 206 Wieland, Christoph Martin (1733–1813) 308 Wijck, Thomas (1616/1624–1677) 97, 289 Wille, Johann Georg (1715–1808) 182 Willigen, Adriaan van der (1766–1841) 169 Wilmans, Melchior (1729–1807) 39, 63 Winckelmann, Johann Joachim (1717–1768) 243, 249–251, 256–258, 263 Winter, Hendrik de (1717–1790) 162, 171, 193 Wit, Jacob de (1695–1754) 164, 200 Wouwerman, Philips (1619–1668) 15, 51, 75, 78–103, 127, 153, 164, 201, 218, 262, 272, 274, 287, 292, 295f, 300, 302–307, 327 Wubbels, Jan (um 1728–1791) 165, 192–195

Y Yver, Jan (1747–1814) 162, 171, 193, 201, 204

Z Zedler, Johann Heinrich (1706–1751) 151 Zehender, Ferdinand Rudolf von (1768–1831) 149 Dank

Die vorliegende Publikation ist die leicht überarbeitete Fassung meiner im Februar 2019 an der Kunsthochschule der Universität Kassel eingereichten und angenommenen Dissertation. Als das Ergebnis mehrjähriger Arbeit war dieses Projekt nicht ohne das Wohlwollen, den Rat und die Hilfe zahlreicher Personen möglich. Prof. Dr. Martina Sitt danke ich herzlich für die Betreuung der Arbeit und den Vorschlag, das Thema Tischbein und die ‚Niederländer-Rezeption‘ aufzugreifen. Prof. Dr. Alexis Joachimides gilt mein herzlicher Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens. Den Kollegen des Studiengangs Kunst­ wissenschaft an der Kunsthochschule Kassel möchte ich für die jahrelange Begleitung danken. Die Bearbeitung von Tischbeins Manuskripten wäre nicht möglich ­gewesen ohne verschiedene Forschungsaufenthalte in Haina, Braunschweig, Oldenburg und Eutin. Der generösen Förderung von Alexander Otto habe ich deren Realisierung zu verdanken. Besonders hervorheben möchte ich an die­ ser Stelle die Unterstützung durch das Landesmuseum für Kunst und Kultur­ geschichte Oldenburg. Für die großzügige Bereitstellung von Abbildungen danke ich allen voran der Museumslandschaft Hessen Kassel, der Staatlichen Kunsthalle Karls­ ruhe, dem Rijksmuseum Amsterdam, dem Stadsarchief Amsterdam, der Ham­ burger Kunsthalle, der Klassik Stiftung Weimar sowie zahlreichen weiteren Institutionen. Dank 387

Zum Erscheinen der Publikation haben verschiedene Institutionen, Vereine und Personen beigetragen, denen ebenfalls mein herzlicher Dank gilt. Für die finanzielle Förderung der Drucklegung der Arbeit danke ich der Ol­ denburgischen Landschaft, dem Arbeitskreis für niederländische Kunst- und Kulturgeschichte e. V., den Freunden des Klosters Haina e. V. sowie Reinhard Hübner. Außerdem gilt mein Dank den Mitarbeitern von arthistoricum der Universitätsbibliothek Heidelberg, die die Veröffentlichung der Studie in der vorliegenden Form möglich gemacht haben. Das Layout lag in den Händen von Bernhard Wollborn und das Korrektorat in jenen von Dörte Schneider, denen ich ebenso herzlich danken möchte. Besondere Unterstützung erhielt ich durch Freunde und Familie, sei es durch einen prüfenden Blick auf das Manuskript, die Diskussion meiner For­ schung oder auch einen unschätzbaren moralischen Zuspruch. In diesem ­Sinne danke ich besonders Dr. Sebastian Dohe, Dr. Ute Famulla, Simone Weber sowie Dr. Hans-Peter Biege und Edelgard Rehm. Mein abschließender Dank gilt Frieda und Gerhard Scheil, denen ich meine Publikation widmen möchte.

Die Drucklegung der Dissertation wurde gefördert durch Die Kunst des ‚Goldenen Zeitalters‘ der Niederlande steht häufig im Fokus der Kunstgeschichte, doch nur selten hinsichtlich ihrer Rezeptionsgeschichte in Deutsch- land in der Zeit um 1800. Die Studie schließt diese Lücke am Beispiel der Niederlande-Reise von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und gewinnt dabei einen neuen Blick auf Aspekte wie Bildwissen, Verbreitung und Rezeption der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Bezie- hungen und Austausch zwischen Künstlern und Kennern, Agenten und Sammlern werden ebenso untersucht wie die innovative Rolle des ‚Goethe-Tischbein‘ – als verläss- licher Augenzeuge und geschickter Netzwerker ist er seiner Zeit weit voraus.