Wilhelm Friedrich Philipp Pfeffer
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54 Please take notice of: (c)Beneke. Don't quote without permission. Wilhelm Friedrich Philipp Pfeffer (09.03.1845 Grebenstein bei Kassel - 31.01.1920 Leipzig) und die Pfeffersche Zelle Klaus Beneke Institut für Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universität der Universität D-24098 Kiel [email protected] Aus: Klaus Beneke Biographien und wissenschaftliche Lebensläufe von Kolloid- wissenschaftlern, deren Lebensdaten mit 1995 in Verbindung stehen. Beiträge zur Geschichte der Kolloidwissenschaften, VII Mitteilungen der Kolloid-Gesellschaft, 1998, Seite 55-59 Verlag Reinhard Knof, Nehmten ISBN 3-9804010-9-X 55 Pfeffer, Wilhelm Friedrich Philipp (09.03.1845 Grebenstein bei Kassel - 31.01.1920 Leipzig) Als Sohn eines Apothekers wurde Wilhelm Pfeffer am 9. März 1845 in Grebenstein geboren. Bis zur Untersekunda besuchte er das Kasseler Kurfürstliche Gymnasium und wurde danach Lehrling in der vom Großvater gegrün- deten und vom Vater geführten Apotheke. Mit 18 Jahren legte Pfeffer die Apotheker-Gehilfen- prüfung mit der Note „sehr gut“ ab. Sein Vater hatte ihm schon frühzeitig Anregungen in Botanik gegeben. Sein großes Interesse an Naturwissenschaften, veranlaßte ihn ab 1863 zum Studium der Chemie und Pharmazie an der Universität Göttingen. Er hörte unter anderem Vorlesungen bei dem Chemiker Friedrich Wöhler (1800 - 1882) und dem Physiker Wilhelm Wilhelm Eduard Weber Eduard Weber (1804 - 1891). Nach der Promo- tion bei Rudolf Fittig (1835 - 1910) mit dem Thema „Über einige Derivate des Glyzerins und dessen Überführung in Allylen“ zum Dr. phil. am 3. Februar 1865 setzte Wilhelm Pfeffer sein Pharmaziestudium an der Universität Marburg fort. Danach arbeitete er wieder in Apotheken, erst in Augsburg, ab 1866 in Chur (Grau- bünden). Durch seinen Onkel, den Geologen Gottfried Theobald, Professor an der Kanton- schule in Chur, war er zur Alpinistik angeregt worden, und so ging er diesem Hobby nach, wobei er sich mit der Alpenflora intensiv beschäftigte. Pfeffer war der 5. Besteiger des Matterhorns. Pfeffer studierte 1868/68 weiter Pharmazie Friedrich Wöhler an der Universität Marburg und legte die pharmazeutische Staatsprüfung ab. Zur Vervoll- kommnung der botanischen Kenntnisse ging er an die Universität Berlin zu den Botanikern Alexander Heinrich Braun (1805 - 1877) und Nathanael Pringsheim (1823 - 56 1894), dessen Privatassistent er 1869/70 war, und danach 1870/71 als Privatassistent von Julius von Sachs (1832 - 1897) nach Würzburg. Pfeffer habilitierte sich im März 1871 mit der Arbeit „Die Wirkung farbigen Lichtes auf die Zersetzung der Kohlensäure in Pflanzen“ und „Die Entwicklungen des Keimes der Gattung Selaginella“ und wurde Privatdozent in Marbug. Ab 1873 wirkte er als außerordentlicher Professor für Pharmakognesie und Botanik an der Universität Bonn. Im Jahre 1877 wurde er ordentlicher Professor an der Universität Basel und 1878 an der Universität Tübingen. 1884 heiratete Wilhelm Pfeffer Henrika Volk, die er vier Jahre vorher bei einer Alpenwanderung kennengelernt hatte. Im Herbst 1887 erfolgte ein Ruf an die Universität Leipzig, wo er ordentlicher Professor der Botanik und Direktor des dortigen botanischen Gartens wurde und bis zu seinem Lebensende blieb. Während seiner Tätigkeit als Apotheker in Chur beschäftigte sich Pfeffer mit Laubmoosen. Julius von Sachs, der Begründer der Pflanzen- physiologie, ermunterte ihn in Würzburg zu pflanzenphysiologischen Untersuchungen, und Pfeffer untersuchte zuerst die Wirkung verschie- denfarbigen Lichts auf die Kohlensäureassi- milation, da er die molekularen Grundlagen der Lebensvorgänge erforschen wollte. Danach wandte er sich den Vorgängen der Zellmembranen zu und stieß dabei auf das 1748 von dem Physiker Abbé Jean Antoine Nollet (1700 - 1770) entdeckte und von Henri Joachim Dutrochet (1776 - 1847) später näher beschrie- bene Phänomen der Osmose (griech.: osmos = Julius von Sachs Schub, Stoß). J. Nollet hatte Weingeist in eine Flasche gefüllt und diese mit einem Stück Schweinsblase verschlossen. Um den Weingeist noch besser von Luft abzuschließen, hatte er die Flasche in Wasser gestellt. Nach einiger Zeit bemerkte er, daß die Blase nach oben gewölbt und sehr gespannt war. Er durchstach sie mit einer Nadel und ihr Inhalt sprizte empor. Darauf kehrte J. Nollet den Versuch um: er füllte eine Flasche mit Wasser, verschloß sie mit einer Schweinsblase und stellte sie in Weingeist. Diesmal wölbte sich die Blase nach innen, ein Beweis dafür, daß sich die in der Flasche befindli- che Masse verringert hatte, die Blase also für Wasser durchlässiger als für Weingeist war [1]. H. Dutrochet führte für den von J. Nollet entdeckten Vorgang die Bezeichnungen Endosmose und Exosmose ein. Auch wies er nach, daß dieser Vorgang nicht nur auf tierische Häute beschränkt ist, sondern auch an organischen porösen Wänden stattfin- 57 det. Er zeigte auch auf, daß sich Osmose nicht mit Hilfe der Kapillarität erklären läßt [2]. Thomas Graham (1805 - 1869) teilte lösliche Stoffe in zwei Gruppen ein, die er Kristalloide und Kolloide (griech.: kolla = Leim) nannte. Als Kristalloide be- zeichnete er Stoffe, deren Lösung eine aus Schweins- blase oder aus Pergamentpapier bestehende Membran leicht durchdringen, während Kolloide sie nicht durch- dringen. Zu den Kristalloiden zählte Thomas Graham Natriumchlorid, Zucker und Bittersalz, also Stoffe die leicht kristallisieren. Bei den Kolloiden wie Leim, Eiweiß, Stärke usw. tritt diese Fähigkeit nicht auf [3]. Graham benutzte die Osmose zur Trennung der Kolloide von den Kristalloiden. Dazu entwickelte er einen Apparat, den er Dialysator nannte. Seine bekannte Arbeit ist die Darstellung kolloidaler Jean Antoine Nollet Kieselsäure durch Dialyse. Dazu versetzte er eine Lösung von Natriumsilicat mit einem Überschuß Salzsäure und brachte das entstandene Gemenge von Wasser, Kieselsäure, Kochsalz und Salzsäure in den Dialysator. Salz und Säure diffundierten in das den Dialysator umgebende Wasser, während er im Dialy- sator reine, gelöste Kieselsäure vorfand. Er konzen- trierte die Lösung und ließ sie einige Tage stehen. Dabei machte sich eine neue, merkwürdige, mit dem kolloidalen Zustand verknüpfte Erscheinung bemerkbar: die Kieselsäurelösung verwandelte sich in eine farblose, fast durchsichtige Gallerte [3]. Entsprechende osmotischen Untersuchungen Thomas Graham mußte Pfeffer in Bonn infolge fehlender Laboratoriums- räume in seiner Privatwohnung vornehmen. Aufbauend nach einem von Moritz Traube (1826 - 1894) 1867 vorgeschlagenen Prinzip belegte er Tonzellen mit semipermeablen Membranen aus Kupfer(II)-hexacyanoferrat (II). Dazu tauchte er einen Tonzylinder in eine wäßrige Kupfersulfatlösung ein. In den Tonzylinder gab er eine wässrige Lösung von Kaliumhexacyanoferrat(II) (gelbes Blutlaugensalz), wobei sich die semipereable Membran aus Kupfer(II)-hexacyanoferrat in den Poren des Zylinders nach folgender Formel ausbildete: 2 CuSO4 + K4[Fe(CN)6] → Cu2[Fe(CN)6] + 2 K2SO4 58 Den osmotischen Druck konnte man über ein mit der Zelle verbundenes Quecksil- bermanometer ablesen (Pfeffersche Zelle) . Pfeffer berichtete, wie er Rudolph Julius Emanuel Clausius (1822 - 1888), den Begründer des 2. Hauptsatzes der Thermo- dynamik, der ebenfalls in Bonn lehrte, zu Rate zog: "...So kam es, daß ich die Sache mit Clausius besprach, der zunächst so hohe osmotische Drucke als unmöglich erklärte und nur unwillig die Tatsache anerkannte, nachdem ich ihm die Druck- leistungen experimentell vorgeführt hatte. So ist es zu verstehen, daß Clausius sich nicht näher mit der Sache befaßte, obgleich ich in Gesprächen mit ihm wiederholt aussprach, daß offenbar irgend ein Zusammenhang zwischen osmotischer Leistung einerseits und Größe und Zahl der Moleküle andererseits bestehen müsse“ [5]. Rudolph Clausius Aufbauend auf den grundlegenden Arbeiten von Moritz Traube und Wilhelm Pfeffer untersuchte Jacobus Henricus van't Hoff (1852 - 1911) 1886 die Gesetze des chemischen Gleichgewichts für den verdünnten, gasförmigen oder gelösten Zustand [6]. Für die Theorie der verdünnten Lösungen (osmotische Lösungstheorie) erhielt H. van't Hoff 1901 den ersten Nobelpreis für Chemie. Industriell wurde die Osmose bei der Verarbeitung der Melasse zu Zucker eingesetzt, nachdem A. P. Dubrunfaut bereits 1855 ein Osmoseverfahren vorgeschlagen hatte. Im Jahr 1880/81 arbeiteten im Deutschen Reich bereits 121 Zuckerfabriken nach dem Osmose- verfahren, während 39 Fabriken Melasse mit verschiedenen Elutions- Pfeffersche oder Substitutionsverfahren verarbeiteten. Nach dem Osmosever- Zelle z poröse Tonzelle fahren wurden durchschnittlich 1075 kg Zuckerrüben zur Darstellung v, t eingekittete von 100 kg Rohzucker benötigt, während man bei den anderen Ver- Glaszylinder m Quecksilber- fahren durchschnittlich 1250 kg Rüben brauchte [7]. manometer Wilhelm Pfeffer erbrachte durch sorgfältige Messungen, z. B. der Staubgefäßbewegung von Centaurea-Arten (Flockenblumen), den Nachweis, daß osmotische Vorgänge - und nicht kontraktile Strukturen - den Bewe- gungen der Pflanzenteile zugrundeliegen [8]. Weiterhin untersuchte er den Stoffdurchtritt durch die Zellwand und die Stoffwanderung in Pflanzenzellen. Dabei verwendete er als einer der ersten die Anfärbung mit Anilinfarbstoffen. 59 Ab 1884 berichtete Pfeffer über seine Experimente und Untersuchungen der chemo- taktischen Bewegungen (Chemotaxis) von Spermatozoen der Farne und Moose, die durch verschiedene anorganische und organische Substanzen bewirkt werden können. Weiterhin zeigte er, daß der Tagesrhythmus von Blatt- und Blütenbewegungen autogen und nicht durch den Rhythmus der Tagesbeleuchtung