Das Erbe Des Beißers Als Der Grand-Prix-Pilot Manfred Winkelhock Im Auto Ums Leben Kam, War Sein Sohn Markus Fünf Jahre Alt
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JÖRG WIEßMANN / ASA JÖRG WIEßMANN TYLER LARKIN / ASA LARKIN / ASA TYLER Vater Manfred Winkelhock (1985) „Ich hab ihn ja kaum kennen gelernt“ AUTORENNEN Das Erbe des Beißers Als der Grand-Prix-Pilot Manfred Winkelhock im Auto ums Leben kam, war sein Sohn Markus fünf Jahre alt. Trotz des Unglücks wurde auch er Rennfahrer. Jetzt, mit 21, gilt er als eines der größten Talente in Deutschland, wird von Mercedes gefördert und will in die Formel 1. orgens war Martina Winkelhock mich mit, wenn der Markus eine schnelle Canstatter Wasen in Stuttgart Slalomwett- an die Strecke in Oschersleben ge- Zeit fährt“, sagt sie und erklärt sofort, war- bewerbe. Als sie mit Markus schwanger Mkommen. Sie betrat die Boxen- um sie so denkt: „Weil ich mich damit ab- war, 1980, hob Manfred in einem Formel-2- garage, und ihr Blick fiel auf den Fahrer, gefunden hab, dass er das will.“ Rennwagen auf dem Nürburgring ab, über- der angeschnallt im offenen Cockpit saß. Es musste so kommen. Martina Winkel- schlug sich siebenmal und wurde mit die- Weißer Helm, seitlich drei markante Strei- hock hat ihn als Jungen zum Fußball und sem Unfall berühmter als durch seine Sie- fen, hellblau, dunkelblau, rot. Das Visier zum Tennis chauffiert, aber der Fußball- ge. Als sie heirateten, im Dezember 1981, war hochgeklappt. Als sie die Augen sah, trainer scherzte nach einer Weile bloß: so- unterschrieb er fast zeitgleich einen For- erschrak sie. lange der Ball „kein Rädle“ hätte, wäre mel-1-Vertrag. Eigentlich war Manfred für „Ich sah Manfred“, erinnert sie sich. Der dieser Sport nichts für Markus. Martina nie etwas anderes als Rennfahrer – gleiche Helm, die gleichen Augen. Die Winkelhocks fahren seit Generatio- so hat sie früh gelernt zu verdrängen. Dabei war es Markus, der sich auf sein nen Rennen, ob Motorrad oder Auto. Man- Jetzt tut sie es wieder. Früher wartete sie erstes Autorennen vorbereitete. „Das war fred, der Zweitgeborene unter vier Söh- unbekümmert zu Hause darauf, dass Man- ein Moment, ich glaub, den vergess ich nen und der Ehrgeizigste, war der Erste, fred zurückkam. Jetzt verfolgt sie an den nie“, sagt sie heute, vier Jahre später. der die Passion zum Beruf machte. 47 Wochenenden angespannt Markus’ Ren- Denn in diesem Moment wurde Martina Grand-Prix-Einsätze überstand er. Dann nen im Fernsehen. „Wenn’s vorbei ist“, sagt Winkelhock klar, wie ernst es ihrem Sohn raste er bei einem Langstreckenrennen im sie, „denke ich immer: gut, wieder eins we- war: Dass er diesen Sport betreiben will, kanadischen Mosport in eine Mauer und niger.“ obwohl sein Vater, ihr Mann, 1985 in einem erlag tags darauf seinen Kopfverletzungen Das Problem ist nur, dass fast jedes Ren- Rennwagen ums Leben kam. Und dass all – was seine jüngeren Brüder Joachim und nen auch eins mehr ist, das ihn in seiner ihre Versuche, Markus von der Raserei ab- Thomas jedoch nicht davon abhielt, auch Karriere voranbringt. Markus Winkelhock, zuhalten, gescheitert waren. „Das war wie Rennfahrer zu werden. 21, beweist viel Talent. Im Vorjahr gewann ein Schock. Wenn ich da jetzt noch dran Martina und die Winkelhock-Brüder er in der internationalen deutschen For- denk, krieg ich eine Gänsehaut.“ wuchsen als Nachbarskinder im schwäbi- mel-3-Meisterschaft drei Läufe und wurde Martina Winkelhock sitzt im Wintergar- schen Waiblingen auf. Als Manfred und „Rookie of the Year“, bester Neuling. Das ten ihres Hauses. Sie wirkt jünger als 43, Martina sich nahe kamen, fuhr er bereits Championat gilt als eine der bedeutendsten spricht sanft und ohne Zögern. „Ich freu aus Spaß mit einem NSU Prinz auf dem Nachwuchsserien der Welt. Alle derzeiti- 154 der spiegel 18/2002 Sport Markus Winkelhock Mallorca betreibt, als eine Art Ma- im Formel-3-Rennwagen nager um die Belange. Soll Mar- kus für ein Pressefoto posieren, fragt er per Handy bei Mayer nach, welche der Sponsorenkap- pen dabei zu tragen sei. Ohnehin hat er begriffen, dass es nicht reicht, nur schnell im Kreis zu fahren. Er ist pünktlich und wohlerzogen und ging Ende 1999 für drei Monate nach Eng- land, um als Praktikant bei einem Rennstall seine Kenntnisse des Englischen zu verbessern, der Branchensprache des internatio- nalen Motorsports. Jede Vokabel, die er nicht verstand, ließ er sich aufschreiben. Abends schaute er die Begriffe im Wörterbuch nach und lernte sie. Er schulte sich zum Profi. Dieses Jahr ist er in der ent- scheidenden Phase angelangt. Die Formel 3 ist so etwas wie die For- mel 1 im Miniformat. Die Autos TYLER LARKIN / ASA LARKIN / ASA TYLER sehen mit ihren schmalen Chassis, Sohn Markus Winkelhock den frei stehenden Rädern und „Cooler Bursche der neuen Generation“ den Flügeln an Bug und Heck sehr ähnlich aus. Die Fahrer kom- gen deutschen Formel-1-Piloten fuhren hier Overalls des Vaters geschlüpft; sie schlot- men aus vielen Ländern, die meisten aus mit, Michael Schumacher und Nick Heid- tern um die Schultern. Manfred war ein Europa, einer sogar aus Malaysia. Vorige feld waren sogar Meister. stämmigerer Typ als er. Saison gewann ein Japaner den Titel. In diesem Jahr könnte es Markus Win- Martina Winkelhock hat einen weißen Es ist schwer, genügend Geldgeber für kelhock schaffen, er zählt zu den Favoriten. Porsche Carrera zurückgekauft, den ihr eine Saison aufzutreiben – eine halbe Mil- „Mein Ziel“, sagt er, „ist schon irgendwo Ehemann einst fuhr. „Den hat jetzt Mar- lion Euro kostet der Einsatz eines Autos, die Formel 1, ganz logisch.“ Logisch? kus“, sagt sie. Zwei Monate im Sommer soll es für Siege gut genug sein. Doch Mar- Er lümmelt sich in denselben Sessel, in fährt er damit, dann verschwindet der Wa- kus Winkelhock trägt beim Auftaktrennen dem gerade noch seine Mutter aufrecht gen wieder gehütet in der Garage. in Hockenheim einen roten Overall, der saß. Er war fünf, als der Vater plötzlich Als Kind sei Markus „sehr traurig und in- mit einer Menge Sponsorenlogos versehen wegblieb. „Wenn ich Fernsehinterviews trovertiert“ gewesen, sagt sie. Jetzt ist er zu ist. Über dem Rücken und der rechten von ihm anschaue, ist er wie eine fremde ihrer Freude umgänglich geworden, aber Brust spannt sich der Name eines Felgen- Person für mich. Ich kenn die Stimme trotzdem kontrolliert, und er handelt über- herstellers, für dessen Team Manfred Win- nicht, ich hab ihn ja kaum kennen gelernt.“ legt. Das sind nicht die schlechtesten Ei- kelhock die meisten seiner Formel-1-Ren- „Total komisch“, sagt er leise und lächelt genschaften, um sich auf der Piste aus dem nen bestritt. Als die Firma von den Ambi- in sich hinein. Vor einiger Zeit ist er in alte schlimmsten Schlamassel herauszuhalten. tionen des Sohnes hörte, fand sie es pas- Die ersten Test- send, ihn zu unterstützen. „Die sind auf fahrten in einem mich zugekommen“, erzählt Markus Win- Rennwagen hatte kelhock, „das ist schon sehr untypisch.“ ausgerechnet Marti- Er profitiert davon, ein Winkelhock zu na Winkelhocks Le- sein, so wie Ralf Schumacher davon profi- bensgefährte Bern- tierte, Bruder des Weltmeisters Michael zu hard Mayer arran- sein. Mercedes fördert Markus seit fast giert. Er und Mar- zwei Jahren, finanziert mit einer sechsstel- kus verschwiegen ligen Summe einen Teil der Saison und im Frühjahr 1998 hilft, für den Rest der Kosten Geldgeber zu die zwei Tage in finden. Seit dieser Saison treibt sogar ein Südfrankreich. Erst Mercedes-Motor seinen Rennwagen an. als der Vertrag für Weil der Pilot Winkelhock heißt? die erste Saison zur Norbert Haug antwortet, schon bevor Unterschrift bereit- ihm die Frage gestellt wird. „Die Unter- lag, brachten die stützung für Markus hat überhaupt gar beiden ihr den Plan nichts damit zu tun, dass der Vater und ich schonend bei. Seit- Freunde waren.“ dem kümmert sich Er war Manfred Winkelhocks Trauzeu- Mayer, der Immo- ge und geleitete Martina bei der Beerdi- biliengeschäfte auf gung. Jetzt ist er Motorsportchef bei Mer- WOLFRAM SCHEIBLE WOLFRAM DPA cedes und gewissermaßen Markus’ Boss. Winkelhock-Bergung* Witwe Martina Winkelhock * Am 11. August 1985 in Haug, 49, überblickt durch die getönten Mit dem Porsche in die Mauer „Das war wie ein Schock“ Mosport (Kanada). Fenster seines Bürobusses das Fahrerlager der spiegel 18/2002 155 Sport gestellen mit vier Räder- chen dran und angetrieben von einem knatternden Motor im Heck. Hier wer- den die Reflexe geschult und das Gefühl für Brem- sen, Lenken und Boden- haftung. Wer das nicht früh gelernt hat, so meinen die Experten, kann dieses Handicap nie mehr aus- gleichen. Markus Winkelhock aber fuhr kaum Kart. Und wenn, dann nur zum Ver- gnügen. TYLER LARKIN / ASA LARKIN / ASA TYLER Kann er gar nichts dafür, Fahrer Joachim Winkelhock: Karriere nach Manfreds Tod so gut zu sein? Ist Talent etwa vererbbar? am Hockenheimring. Ob in der Formel 1 „Ich denk mal: schon“, sagt Markus. „Es oder – wie hier – beim Deutschen Touren- muss wohl in den Genen liegen.“ wagen Masters und der Formel 3: Fast je- „Das werde ich oft gefragt“, sagt Joa- des Wochenende verbringt er an irgend- chim Winkelhock, 41, und denkt ratlos einer Rennstrecke. Sein Job ist es, dafür nach. „Ich weiß es nicht, wirklich nicht.“ zu sorgen, dass die Marke erfolgreich ist. Auch er hat kaum Kart-Erfahrung. Sei- Dazu gehört es, Fahrer zu verpflichten, die ne Schule war bestenfalls die Lehmgrube, schnell genug sind, um in einem Mercedes in der er und Manfred dereinst Überschlä- zu siegen. Dem Sohn seines verstorbenen ge mit Schrottautos geübt haben. Bis zum Kumpels zu helfen, sieht er als Investition. Tod seines Bruders waren Autorennen für Als Haug und Manfred Winkelhock ein- Joachim Winkelhock nicht mehr als ein ander kennen lernten, waren die beiden Hobby. Nach der Beerdigung musste er sei- Schwaben Mitte 20. Winkelhock fuhr, und nen Eltern schwören, nie mehr zu starten. Haug, Redakteur einer Fachzeitschrift, Der Schwur hielt nur wenige Monate. schrieb darüber. Gelegentlich steuerte auch Dann stieg Joachim in einen Porsche und er Rennautos: „Ich bin mal ein Juxrennen fuhr besessener denn je.