Heilige Als Vorbilder Protestantischer Frömmigkeit
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DIPLOMARBEIT Titel „Heilige als Vorbilder protestantischer Frömmigkeit. Zur heutigen Bedeutung des XXI. Artikels der Confessio Augustana“ Verfasserin Tatjana Urban angestrebter akademischer Grad Magistra der evangelischen Theologie (Mag. theol.) Wien, 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 041 Studienrichtung lt. Studienblatt: Evangelische Fachtheologie Betreuerin / Betreuer: PD Prof. Herman Westerink denen, die mir heilig sind … Inhaltsverzeichnis I. VORWORT UND HINFÜHRUNG ............................................................................................ 6 „DIE HEILIGEN“ - IN SCHRIFT UND GESCHICHTE ................................................................ 10 Heiligkeit ........................................................................................................................ 10 Biblischer Befund der Rede von den Heiligen .................................................................. 12 Altes Testament ................................................................................................................... 12 Neues Testament ................................................................................................................. 15 Anfänge und Entwicklung der Heiligenverehrung und des Heiligenkalenders ................... 18 Der Anfang vom Anfang ....................................................................................................... 18 Heiligentypen ....................................................................................................................... 19 Kulmination im Spätmittelalter ............................................................................................ 31 Die katholische Kanonisation ............................................................................................... 33 Ursprung und Entwicklung des christlichen Heiligenkalenders bis zum II. Vatikanum ....... 36 II. BEDEUTUNGSVERSCHIEBUNG DURCH DIE REFORMATION ................................... 40 Martin Luther – simul peccatores et simul sancti ............................................................. 40 Der Artikel XXI der Confessio Augustana ......................................................................... 47 Zum Augsburger Reichstag ................................................................................................... 47 CA XXI: Vom Dienst der Heligen – De cultu sanctorum ....................................................... 48 Bleibender Widerspruch und offene Fragen ........................................................................ 54 Ökumene heute – Gemeinsames und Befremdliches ....................................................... 55 III. SYSTEMATISCHE REFLEXION - WER SIND DIE HEILIGEN? ................................. 61 Anfrage an Karl Barth und Paul Althaus ............................................................................... 62 Eine rezeptionsfähige katholische Definition – Karl Rahner ................................................ 70 Neuere Ansätze .................................................................................................................... 74 Und immer wieder Bonhoeffer… ......................................................................................... 81 IV. EIN ‚PROTESTANTISCHER HEILIGENTYP‘? .............................................................. 91 V. EVANGELISCHER NAMENKALENDER .............................................................................. 97 Die Entwicklung hin zum evangelischen Namenkalender 1975......................................... 97 Grundsätze der Gestaltung............................................................................................. 101 Zur Zusammenstellung ................................................................................................... 104 VI. HEILIGE ALS VORBILDER PROTESTANTISCHER FRÖMMIGKEIT ................... 107 3 Märtyrergedenken und Ehrung der Heiligen ................................................................... 107 Praktischer Umgang und Bedeutung für die individuelle Frömmigkeit ............................ 111 Von der Notwendigkeit und Unmöglichkeit der Konkretion ............................................. 111 Die Brücke zwischen den Individuen: Der Erzählzusammenhang der Nachfolge .............. 115 Heilige predigen? ................................................................................................................ 117 Vorschläge der lutherischen Liturgie für die Ausgestaltung von Erinnerungstagen ......... 120 VII. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 122 VIII. LITERATUR UND QUELLEN .......................................................................................... 124 IX. ANHANG ............................................................................................................................. 132 4 O wie lieb ich, Herr, die Deinen Die dich suchen, die dich meinen; O wie köstlich sind sie mir! Du weißt’s, wie michs oft erquicket, wenn ich Seelen hab erblicket, die sich ganz ergeben dir. (Gerhard Tersteegen, 1731; EG 252, 3) 1 1 Figuren über dem Westportal der Westminster Abbey: Maximilian Kolbe, Manche Masemola, Janani Luwum, Grand Duchess Elizabeth of Russia, Martin Luther King, Óscar Romero, Dietrich Bonhoeffer, Esther John, Lucian Tapiedi, and Wang Zhiming. 5 I. VORWORT UND HINFÜHRUNG Durch die Tore der Kirche von San Silvestro in Capite in Rom stürzt ein Landsmann, er strahlt, scheint überglücklich zu sein. Offensichtlich hat er es eilig. Flinken Schrittes nähert er sich dem Heiligen Antonius, der im ersten Drittel des Mittelschiffes seinen Platz gefunden hat. Bei ihm angekommen wirft er Hände und Blick in Richtung des gemalten Himmels, um sich anschließend hinunter zu beugen bis zu den Füßen des gesuchten Heiligen. Für Gesuchtes, weil Verlorenes, ist er nämlich zuständig. Der Mann küsst die Füße des Antonius, schnell, er hat offensichtlich wirklich keine Zeit zu verlieren, und läuft zum Ausgang zurück. Beim Klirren der Münze im Opferkasten dreht sich der gutangezogene Römer nochmals um und wirft Antonius noch eine Kusshand zu. Er hat vermutlich etwas wiedergefunden, dass er verloren und wonach er verzweifelt gesucht hat. Dieses Erlebnis vor zwei Jahren während einer Rom-Exkursion hat mich erst befremdet und dann sehr nachdenklich gemacht. „Die Heiligen heute ehren“, so lautet der Titel eines katholischen Sammelbandes aus dem Jahre 1983. Zugegeben: wir befinden uns nun in einem Heute etwa 27 Jahre später – umso dringender ist es an der Zeit sich Gedanken darüber zu machen – und das protestantischerseits – wer denn die „Heiligen“ sind, auf welche Weise ihre Ehrung zu denken ist und welche Bedeutung sie für uns heute haben könnten. Immerhin sind wir Protestanten2 lutherischerseits gemäß des XXI Artikels der Confessio Augustana dazu aufgerufen, die Heiligen als Glaubensvorbilder zu ehren.3 Was haben wir Protestanten heute über die Heiligen zu sagen? Sie mögen uns fremd, schwer greifbar und verständlich, möglicherweise bizarr scheinen. Wer sind diese in der CA von Melanchton gemeinten „Heiligen“? Sind diese deckungsgleich mit jenen „Heiligen“, wie sie Luther versteht? Sind nicht alle Christen Heilige, als von Gott geheiligte? Sind also alle heilig, alle gleich vor Gott, oder vielleicht doch mache Gott gleicher, also heiliger?4 Hier schließt die Frage an, ob und wodurch diese Gestalten es denn verdient haben, geehrt zu werden? Für Askese und Jungfräulichkeit, ethische Virtuosität? Hat sich der Protestantismus nicht längst vom religiösen Leistungsgedanken verabschiedet? Welches Ideal von Menschsein 2 Gleich zu Beginn sei darauf hingewiesen, dass ein grammatisch männlicher Plural nicht nur geschlechtlich Männliches bezeichnet, und daher inklusiv zu verstehen ist. Dies soll einer besseren Lesbarkeit dienen im Sinne sprachlicher Klarheit und Ästhetik. 3 BSLK 83b-83d. 4 In Anlehnung an Georg ORWELLS animal farm: Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher. 6 vertritt die evangelische Frömmigkeit? „Was hat evangelische Verkündigung über das Profil christlicher Existenz zu sagen?“ 5 Jener Artikel mutet an wie ein Relikt, aus einer fremden Welt, längst vergangener Zeit. Nicht ohne Grund wird er vermutlich mit wenigen Ausnahmen weitgehend ignoriert – betreffend der Praxis des Predigens, der Gestaltung der Liturgie, der persönlichen wie kollektiven Erinnerungskultur im Protestantismus. Ist dieser Artikel also überholt, gehört er jener Aufforderung des „reformatorischen Axioms“ der ecclesia semper reformanda anheimgestellt?6 Oder aber gibt es Heilige jenseits der genannten Klischees von pathologischen Mirakelvollbringern und ethischen Virtuosen, die im Sinne des lutherischen Bekenntnisses in unserer Zeit etwas Entscheidendes in Hinblick auf die protestantische Frömmigkeit beizusteuern haben, ja diese beleben und bereichern könnten? Ist uns Evangelischen hier vielleicht etwas verloren gegangen, das lohnenswert wäre wiedergefunden zu werden? Der Heilige Antonius wird uns hierbei vermutlich aber nicht helfen können. „Die Antike Literatur hat im Gegensatz zur modernen fast ausschließlich das Bild des großen, überragenden, genialen Menschen gezeichnet. Das Geheimnis das Großen aber faßte das ganze Altertum als Ausfluß, als unmittelbaren Erweis göttlicher Kraft (…).“7 Die hellenistische Gesellschaft war gänzlich auf das Außergewöhnliche und Spektakuläre, und das heißt zugleich das Übermenschliche und Göttliche ausgerichtet. Die christliche Heiligenvorstellung der Spätantike