40 Folklorefeste – ein Jubiläum will verdient sein oder: 16 Jahre Initiative Folklorefest, denn 4 x 4 ist auch ein Grund zum Feiern

Als sich in Deutschland die Zeit der großen Folk-Festivals wie Osna- brück, Ingelheim (inzwischen wieder aktiv) und Mainz schon wieder dem Ende zuneigte und als noch niemand ahnte, was einmal aus dem damals recht bescheidenen, inzwischen längst europaweit bedeutenden Folk- und Weltmusik-Festival in Rudolstadt werden würde, da begründeten die Krefelder ihr eigenes Festival der inter- nationalen Volksmusik. Aus den Krefelder Kulturtagen wurde am 19. August 1978 das Folklorefest. Helmut Kauert, der damalige Leiter des Kulturamts, rief es als nachbarschaftliche Begegnung zwischen der deutschen und der aus unterschiedlichsten Ländern zugewan- derten Bevölkerung Krefelds ins Leben.

Nur ein einziges Mal wurde der Von-der-Leyen-Platz vor dem Rat- haus zum Schauplatz des bunten Treibens, ansonsten findet die Veranstaltung – immer am letzten Wochenende der großen Ferien – seit jeher bei freiem Eintritt auf dem Platz an der Alten Kirche statt. Dabei erhalten die Veranstalter jede Menge Unterstützung von der Gemeinde der Alten Kirche selbst. Sie stellt sogar ihre Räumlichkei- ten als Künstlergarderobe zur Verfügung, und das, obwohl das Folk- lorefest dem guten Pfarrer Manfred Bautz, inzwischen Ruheständler,

3 einmal den Zugang zu seinem „eigenen“ Gemeindehaus verwehrte. davon hatten sich Betty Köhncke, Maik Koll, Markus Kossack und Jörg Peter Odochtny, der pflichtbewusste Helfer, der den Zugang zum Meuther zum Church e.V. zusammengeschlossen und ein kulturelles abgeschlossenen Gebäude hütete, kannte nämlich den Pfarrer Nutzungskonzept für die Lutherkirche in Krefelds Süden erarbeitet, nicht, und weil dieser sein Ausweis-Armbändchen nicht bei sich die damals als Kirche geschlossen werden sollte. Eigene Gedanken hatte, musste er tatsächlich draußen bleiben. Pfarrer Bautz trug’s hatten sich wiederum Melanie Laig und Torben Schultz, Mitglieder mit Humor, und das Fest entwickelte sich zu einer der beliebtes- des AStA der Hochschule Niederrhein, die freie Künstlerin Eva Roux, ten Sommerveranstaltungen in Krefeld überhaupt. Die Musik steht der Künstler Caco ( 2017) und die engagierte Folklore-Liebhaberin dabei im Mittelpunkt, aber das Fest hat auch immer den Charakter Renate Krins gemacht. eines Klassentreffens. Begleitet von einem bunten Basar exotischer Gaumenfreuden, mischen sich bekannte Persönlichkeiten der Stadt Und dann zeigte sich, welche Vorteile es haben kann, wenn eine ebenso zwanglos unter die Menge wie Otto und Ottilie Normalver- Stadt von solch übersichtlicher Größe ist, dass Aktivitäten sich rasch braucher. herumsprechen, sodass sich alle oben genannten Akteure schon bald zusammen an einen Tisch setzten und gemeinsam die Initiative 1993/94 erfuhr das Programm einige zeitgemäße Veränderungen: Ei- Folklorefest ins Leben riefen. „Das war zwar ein Wahnsinnskraftakt“, nerseits hielten moderne elektrische und elektronische Spielformen erinnert sich Markus Kossack, „aber wir wollten dieses Juwel des der Volksmusik Einzug, andererseits verpflichtete man von nun an Krefelder Stadt- und Kulturlebens unbedingt retten.“ Das gelang zunehmend professionelle Bands. Damit wurde der Grundstein da- prächtig, und der Club der Unverzagten ging als „Retter-Team“ in für gelegt, dass sich das Folklorefest Krefeld auch für Gäste von weit Krefelds Stadtgedächtnis ein. So ging es 2002 ohne Unterbrechung her zum Magneten entwickelte. Aus den Nachbarstaaten Niederlan- weiter, das Kulturbüro hilft noch mit einem finanziellen Beitrag, aber de, Frankreich und Dänemark kamen nun zusätzliche Besucher. den kompletten organisatorischen Aufwand leistet seitdem ehren- amtlich die Initiative Folklorefest, seit 2004 ein eingetragener Verein. Nachdem der letzte Akkord des Festivals 2001 verklungen war, be- Jordi Preußer ist die meiste Zeit als Programmchef dabeigewesen, gann jedoch eine bange Phase. Die Stadt Krefeld hatte nicht mehr Markus Kossak diente dem Verein lange Zeit als Pressesprecher. die Mittel, um das Festival in der liebgewonnen Form weiterzufüh- Winfried Kappes, Spross einer volksmusikbegeisterten Familie, führ- ren, und so drohte das Aus. Der Schreck war zwar heftig, währte te viele Jahre den Vorsitz, den momentan Jordi Preußer innehat, und aber nur kurz. Jordi Preußer von der Krefelder Musikerinitiative Sofia Dubrova leistet als unermüdliche Künstlerbetreuerin seit Jahr KMI hatte bereits ein Konzept für ein Weltmusikfestival unter dem und Tag unschätzbare Dienste, ist sie doch eine Meisterin in der Zu- Titel „Global Music“ für Krefeld in der Schublade. 2002 ging es auch bereitung von „Russisch Ei“. Momentan zählt der Verein 65 ordent- tatsächlich über die Bühne, nämlich im damaligen Spexx, das jetzt liche Mitglieder und 15 Fördermitglieder und freut sich stets über Magnapop heißt, und noch einmal 2004 in der Ökumenischen Be- neue Anträge. Besonderen Dank möchte er an dieser Stelle aber gegnungsstätte Hüls. Es war aber anders konzipiert als das Folklore- auch den ca. 150 zusätzlichen freiwilligen Helfern aussprechen, die fest, z.B. mit Eintritt, und sollte auch keine Konkurrenz zum Folklo- sich jedes Jahr bereitfinden, unentgeltlich zu rackern, was das Zeug refest werden, sondern eine zusätzliche Veranstaltung. Unabhängig hält, hunderttausend Handgriffe, Schleppereien, Sprints, Draht-

4 5 Die Initiative seilakte und alle erdenklichen anderen Aktionen zu stemmen und Folklorefest e.V. dankt dabei oft genug das Unmögliche möglich zu machen, damit alles wie all ihren Sponsoren, am Schnürchen läuft und Musiker und Gäste sich wohlfühlen. Unterstützern und Fans 150–200 Bands bewerben sich übrigens jeweils darum, auf dem für die letzten sechzehn Folklorefest auftreten zu dürfen, und Jahr für Jahr zählt das Festival ca. 10.000 Besucher, eine Zahl, die 2009 und 2015 sogar noch deut- Jahre und freut sich auf lich übertroffen wurde. Die Initiative Folklorefest e.V. dankt all ihren die vielen Feste, die noch Sponsoren, Unterstützern und Fans für die letzten sechzehn Jahre folgen sollen. und freut sich auf die vielen Feste, die noch folgen sollen. 40 sind bis jetzt – beinah – geschafft, und unter 50 will man auf gar keinen Inhaltsverzeichnis Fall aufhören. Das wäre doch gelacht!

Der Vorstand Initiative Folklorefest Krefeld e.V. Grußwort des Oberbürgermeisters 8 2002 | Wo der Pfeffer wächst, da lass dich ruhig nieder 10 2003 | Drei Kontinente unter dem städtischen Turban 14 2004 | Chicos, Chicas und Corazon 18 2005 | Eine moldawische Oma kommt selten allein 26 2006 | Nass an einem Sommerabend 34 2007 | Desto Trotzki und die Kleingeldprinzessin 42 2008 | Harmlose Fledermäuse und russische Hühnerbeine 46 2009 | Squaredance ist nur eine Vorübung 54 2010 | Firlefanz und Feuertanz 62 2011 | Zeitfenster des Sonnenscheins 70 2012 | Blue suede shoes unter sengender Sonne 78 2013 | Von Neapel über Wien und Prag nach Krefeld und Paris 86 2014 | Krefelder top in Sachen Stimmung 94 2015 | Rekordumsatz mit Krefelder Bands 102 2016 | Mit Sicherheit in bester Stimmung 110 2017 | Was man bei Drucklegung schon wusste ... 118 So weit, so gut! Und was nun? 122 Retter und Vorstandsmitglieder 124

6 Liebe Krefelderinnen und Krefelder, liebe Freunde, Akteure und Unterstützer des Folklorefestes,

es gibt wenige Veranstaltungen in unserer Stadt, die so „typisch Ehrenamtler bis heute dessen Kopf, Herz und Hand. Ohne sie wäre Krefeld“ sind wie das Folklorefest. Das liegt nicht nur daran, dass es das Festival undenkbar. – in abgewandelter Form – seit nunmehr vier Jahrzehnten gefeiert wird, es liegt auch in der Natur des Ereignisses selbst. Zum 40. Geburtstag gehen deshalb meine Glückwünsche und mein Dank an die Initiative Folklorefest und an die zahlreichen Helferin- Das Folklorefest ist lässig und unverkrampft, eine ungezwungene nen und Helfer, die Jahr für Jahr rund um das Fest aktiv sind. Party, bei der man gute Freunde, alte Bekannte und neue Leute treffen kann. Es ist bunt und vielfältig wie unsere Stadtgesellschaft, Ich wünsche uns allen noch viele laue Sommerabende auf dem es grenzt niemanden aus, sondern lädt ganz unterschiedliche Platz an der Alten Kirche und viel Freude mit einem Festival, das Menschen ein, gemeinsam eine gute Zeit zu verbringen. Und nicht stets mit der Zeit geht und gerade deshalb zeitlos großartig geblie- zuletzt ist es eine Fundgrube in Sachen Musik für ein Publikum, das ben ist. sich nicht mit Einheitsbrei zufrieden gibt. Jahr für Jahr ist das Folklo- refest ein starkes Stück Krefelder Stadtkultur. Ihr

Und noch etwas daran ist typisch Krefeld: Gerade als zu Anfang des neuen Jahrtausends Schwierigkeiten bei der Finanzierung auftraten, fand sich in Windeseile ein Kreis engagierter Menschen zusammen, das legendäre „Retter-Team“. Und obwohl sich die Stadt mit einer Frank Meyer jährlichen Förderung klar zum Folklorefest bekennt, bilden diese Oberbürgermeister der Stadt Krefeld

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31. August 2002 Wappentier: Milchkuh 2002 25. Folklorefest Moderation: Jörg Meuther

Wo der Pfeffer wächst, da lass dich ruhig nieder

Horst Klein gestaltet die bis ständig weiter, sondern betonte heute als Sammelobjekte be- auch aufs Neue seinen Charak- liebten Programmpostkarten ter als Markt der Begegnungen. und Plakate und hatte auch die Idee mit dem jährlich wech- Damit dies auch ganz praktisch selnden Wappentier – mal aus funktioniert, sind für die kulina- dem heimischen Lebensraum, rischen Angebote einheitliche mal aus dem Krefelder Zoo. Stände nötig, die sich auf eine Als erstes wurde die Milchkuh gemeinsame Vorderkante aus- gewürdigt, denn ohne sie ist die richten lassen und nirgendwo Niederrheinlandschaft eben- in Transport- bzw. Fluchtwege so wenig vorstellbar wie ohne hineinragen. Die schafften die Altbier. Helfer des Folklorefestes in den ersten Jahren noch selbst aus Zum ersten Mal verzichtete man dem Lager des Linner Flachs- auf die Bestuhlung des Platzes marktes herbei, bauten sie an der Alten Kirche. Mehr Bewe- eigenhändig auf, dann wieder gungsspielraum und mehr Le- ab und transportierten sie auch bendigkeit auch vor der Bühne wieder zurück. Und dass sie ihre war das Ziel, das auch prompt Sache auch wirklich zu Ende erreicht wurde. Das Folklorefest dachten, bewiesen die Organi- entwickelte nicht nur sein Profil satoren mit der Bereitstellung als Musikereignis von Rang des Geschirrspülmobils, in dem

10 11 zentral für alle Gastronomie- kaum wegzudenken. Und klar Improvisationen zu machen, ausgefeilten Arrangements. durch möglichst viele Kulturen eigentlich völlig unmöglich ist. stände die Teller und Beste- verständlich waren auf jeden und entwickelte sich weit da- Die Folk-Band Chalice Well zu streifen. Insgesamt waren Aber bekanntlich fliegen die cke gereinigt werden. Wenn Fall die Trommel-Performances, rüber hinaus zu einem skurrilen formte sich um die inzwischen bislang 34 Musiker an dem „im- Hummeln ja auch, obwohl sie nur alle Gastronomen immer die er gemeinsam mit Freunden Musikkabarett, das sogar zu bekannte und erfolgreiche Esse- merwährenden“ Projekt betei- das – physikalisch betrachtet – rechtzeitig daran dächten, ihr immer wieder zugunsten sozi- einem Germanistenkongress in ner Sängerin Annette Schmidt. ligt, bei diesem Auftritt mach- überhaupt nicht können, und benutztes Geschirr auch dorthin aler und ökologischer Anliegen Madrid eingeladen wurde. Auf Bei Chalice Well ließ sie nicht ten mit: Daniela Wagner und so räumten die Vögel von der zu bringen ... durchführte. Auch an der Initia- dem Weg dahin war das Folk- nur ihre ausgezeichnete Stim- Stephanie Ferres (Gesang), Ina Waterkant zünftig ab. tive zur Fortführung des Folklo- lorefest eine der Stationen, an me erklingen, sondern spielte Schwarze (Querflöte, Gesang), Moderator Jörg Meuther eröff- refestes war er beteiligt. Eh- denen die beiden Inspiration auch Flöte, Viola und Schalmei. Javi Dominguez (Gitarre), Sabine Ethno-Rock mit viel Rai, der nete das Musikprogramm mit rensache, dass Caco & Friends für neue Verrücktheiten fanden. Die Band pflegte die englische Ramde und Martin Tophoven Volksmusik der Maghrebi- den Essener Tänzern von Bled, mit dem Klang ihrer Trommeln Tanzmusik vergangener Epo- (Percussion), Peter van der Heu- ner – das war der Sound der sympathischen Botschaftern auch das Geviert am „Bröckske“ Wo der Pfeffer wächst, da lass chen, u.a. die aus dem 15. Jahr- sen (Saxophon) und Johannes Gruppe Tchalo. Azze-Eddine ihrer slowenischen Heimat. erfüllten. dich ruhig nieder, denn im hundert stammende Tradition Schiefner (Uilleann Pipes). Mihoubi (Gitarre und Gesang), Begleitet von einem Akkordeon- Süden der Insel Madagaskar der Morris-Tänze. Georg „Sioux“ Günther (Lead- spieler, traten vier Männer und Mit Markus Türk schickte das sind zwei Sängerinnen zuhau- Ihre musikalischen Beiträge zu Gitarre), Jörg Meuther (Gitarre vier Frauen in weißen Trachten nahegelegene Nettetal einen se, deren A-cappella-Gesang Jordi Preußer, Programm-Chef dem Film „The Return Of The Tü- und Percussion), Bernd Renn mit roten Gürteln und Halstü- echten Weltmusiker zum Fes- mindestens so schön ist wie der der Initiative Folklorefest, ist delband“ wurden Legende, ihre (Bass) und Max Zelzner, diesmal chern auf und zeigten Tänze, in tival. Ob mit Trompete, Tenor- von Ladysmith Black Mambazo. auch selbst aktiver Musiker und Liebe zur Country-Musik war nicht mit seiner Flöte, sondern denen sich Lebensfreude und horn, Schalmei oder Didgeridoo, Yolande Mamadro und Delake erklomm die Bühne mit sei- von einer Art, die konventionel- an Schlagzeug und Percussion, Stolz eines traditionsreichen ob mit Jazz, Salsa, rheinischem Gellé bilden das Duo Tamae. ner Formation Yulara Mundil. le Country-Fans nicht unbedingt setzten einen fetzigen Schluss- Viehzüchter- und Hirtenvolkes oder ostafrikanischem Froh- Wenn sie ihren mehrstimmigen Der Australien-Kenner spielt schätzten. Zwischen solchen punkt für das erste Fest unter spiegelten. Dem setzten die sinn – mit seiner Musikalität hat Gesang begleiten, dann nur mit in dieser Gruppe meist das und noch weiter voneinander neuer Regie. Flamenco-Tänzerin Desiré und er viele Projekte aus der Taufe einigen Percussion-Instrumen- Didgeridoo, für das er übrigens entfernten Polen bewegte sich eine griechische Gruppe reizvol- gehoben oder zumindest berei- ten, die den Rhythmus betonen, ein Diplom der Didgeridoo- die Band Fink um Nils Koppruch le Kontraste entgegen. chert. Auf die Krefelder Bühne und indem sie sich tanzend Universität in Alice Springs und Andeas Voß, als sie von kam er gemeinsam mit Tasten- zur multikulturellen Melange erhalten hat. Vor allem aber Hamburg anreiste, um zu be- Als Aktions- und Lebenskünst- spieler Manfred Heinen als Duo aus Afrikanischem, Indischem stellt er seine musikalischen weisen, dass sie Country-Musik ler wurde Caco vom Publikum Furiosef. Das entstand in der und Europäischem bewegen. Freunde in immer wieder neuen mit anspruchsvollen deutschen nicht immer verstanden, er war Absicht, deutsche Volks- und Sie bezauberten Jung und Alt Kombinationen zusammen, um Texten machen kann, obwohl aber aus der Krefelder Szene Kinderlieder zur Basis jazziger mit ihren klaren Stimmen und gemeinsam mit ihnen neugierig das aus mehreren Gründen

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12. & 13. September 2003 Wappentier: Schaf 2003 26. Folklorefest Themenabend: Tango Off izielle Eröffnung durch Gregor Kathstede, Oberbürgermeister

Drei Kontinente unter dem städtischen Turban

Im zweiten Jahr fühlten sich die Besucher am Freitagabend die neuen Macher schon etwas nicht auf passives Zuhören zu sicherer, konnten zeitiger im Vo- beschränken, wählte man für raus mit der Planung beginnen den Themenabend stets eine und wurden demzufolge auch gut tanzbare Musik. Seitdem mutiger. gehört auch der Tanz-Workshop mit richtigen Tanzlehrern dazu. Zwar wählten sie als Wappentier das Schaf, ein am Niederrhein Zum Auftakt widmete man sich immer noch in Herden anzu- dem Tango, und das niederlän- treffendes, ebenso nützliches dische Paar Lizelot & Ard zeigte, wie liebenswertes Tier, das wie man die innere Glut in die ausgesprochen genügsam ist, richtigen Schritte fließen lässt. doch sie selbst strebten nach Expansion. Auf der Konzertbühne präsen- tierte die Dresdener Gruppe Als zentrale Neuerung erfuhr Sexteto Andorinha die aus das Folkolorefest nämlich die Buenos Aires und Montevideo Einführung des Themenabends stammende Musik. Uta-Maria zum Auftakt und damit die Aus- Lempert spielte die erste Geige, weitung auf einen zweiten Ver- Klaus Koepernik die zweite, zur anstaltungstag. Das gastronomi- Seite standen ihnen u.a. die sche Angebot gab es zwar auch Bandoneonisten Peter Reil und 2003 erst am Samstag, aber um Gerardo Agnese – letzterer aus

14 15 Argentinien –, und Sergio Gobi schen Ensemble, das die Kunst Wo ein Musikfestival stattfin- aus Bolivien war der Sänger. des japanischen Daiko-Trom- det, da gibt es auch fast immer Gerade in der Heimatstadt des melns pflegt. Programmänderungen. Die an- Bandoneons wusste man diese gekündigte Gruppe Cow muss- famose Truppe zu schätzen. Fast ein Heimspiel durch zwei te kurzfristig absagen, dafür gebürtige Krefelder hatten die sprang Jansen ein, aber nicht Die Einnahmen aus dem Einstürzenden Heuschober, irgendeiner der am Niederrhein Getränkeverkauf des Abends die sich 1990 im studentischen zahlreichen Jansens, sondern deponierte man übrigens über Münster als „wilde Folkband“ Markus Maria Jansen, der mit Nacht im Tresor des Gastwirts zusammentaten. Inga mit E- M. Walking On The Water zu ei- Toni direkt am Platze und Gitarre und Gesang, Klompf an nem der erfolgreichsten Inde- staunte nicht schlecht, als man Klarinette und Saxophon, Tömte pendent-Acts der Republik wur- später dahinterkam, dass es am diatonischen Akkordeon, de. Auf den Platz an der Alten Urban Turban, eine multi- mit der Anschlag-Technik Tap- Beispiel dafür. Die Sizilianerin, sich dabei lediglich um ein Winni auf der Geige, Shilo auf Kirche kam der Gitarrist, Sänger ethnische Folk-Rock-Crossover- ping gespielt wird. Da konnten die von ihrer Großmutter die altes, nicht mehr benutztes Geige, Horn und Maultrommel und Songwriter mit Blechbläser Band, die mit ihrer ersten CD sogar Kenner noch dazulernen. Lieder ihrer Heimat gelernt, Waschbecken handelte, das sowie Keith am Bass und Lars Markus Türk, Bass-Mann Philip bereits Platz 1 der World Music Mit irisch-deutschem Folk-Hip- Musik und Tanz in Wien studiert liebevoll mit einem Handtuch am Schlagzeug trieben ihre ganz Lethen und Drummer Andre Charts Europe erobert hatte, pop bespaßte die Band Lecker und in Hamburg mit herausra- abgedeckt wurde. Danach hat eigenen Späße mit Tanzboden- Hasselmann, sprich: mit seiner als Jordi Preußer sie in Schwe- Sachen aus Köln das Geviert genden Blues- und Jazz-Musi- man eine professionellere Lö- musik vom Niederrhein, dem Band Jansen. Auch in dieser den verpasste und deshalb – ein ziemlich passender Name kern gearbeitet hatte, setzte mit sung gewählt. Aber mal ehrlich, Baltikum und aus Skandinavi- Besetzung bewies er, dass seine kurzerhand nach Krefeld holte. inmitten all der internationa- ihrem Ensemble den krönen- welcher Einbrecher hätte in en. Berstend vor Temperament rockende Musik alles hat, was Sechzehnhändig spielten sie len Köstlichkeiten, deren Düfte den Abschluss und schöpfte diesem Waschbecken und unter mixten sie Bodenständiges wie eine Musik fürs Volk im guten „Laurel Canyon Home“, „Persian beim Folklorefest die Lüfte dabei aus dem Repertoire diesem Handtuch ein Bargeld- Walzer, Schieber, Rheinländer, Sinne braucht, sang von „Lola“ Night“ und „Overtime“ in einer erfüllen. Das Quintett bot Songs der legendären sizilianischen depot vermutet? Die Scheine Mazurkas und vor allem Polkas und „Über Wanne-Eickel“ und Weise, dass manchem Seiden- aus dem geheimnisvollen „Tal Volkssängerin Rosa Balistreri. und Münzen lagen bei Toni so mit exotischen Zutaten wie Ska, räumte dementsprechend ab. städter der Mund offen stehen der Infrarotlurche“. Mit leidenschaftlicher Glut und sicher wie in Abrahams Schoß. Reggae, Rock und Funk. Schon blieb. Denn da kamen nicht nur beflügelnder Leichtigkeit erhob nach wenigen Minuten begann Wie kriegt man die Musik der althergebrachte Instrumente Mit berechtigtem Stolz verwei- sich ihre faszinierende Alt-Stim- Orientalisch begann der Sams- die feinhaarige Bespannung der Welt unter einen Hut? Der zum Einsatz, sondern auch ein sen die Initiatoren des Folklore- me über die subtil arrangierten tag, als die Krefelder Tanzleh- Geigenbögen sich dank bäu- Schwede Peter Bryngelsson Chapman-Stick, ein noch sehr fests auf ihr glückliches Händ- Klänge unterschiedlichster Sai- rerin Maria Rudloff mit ihren erlich-deftigen Strichs aufzu- versuchte es mit einem städti- junges Saiteninstrument, das chen, mehr als einmal große teninstrumente und bezauberte Schülern einen Hauch von 1001 spleißen und lebhaft tanzende schen Turban. Er spielte Blues ähnlich wie eine Gitarre klingt, Talente rechtzeitig engagiert zu die Zuhörer mit orientalisch Nacht verbreitete. Noch weiter Fähnchen zu bilden. Die anste- auf einer mittelalterlichen aber wie ein Bügelbrett aus- haben, die sie schon wenig spä- eingefärbtem mediterranem nach Osten ging es mit Araumi, ckende Wirkung aufs Publikum Drehleier und lud Freunde ein sieht, fast senkrecht vor dem ter nicht mehr hätten bezahlen Flair. So schön kann eine Som- einem belgisch-niederrheini- konnte da nicht ausbleiben. mitzumachen. Heraus kam Körper des Musikers hängt und können. Etta Scollo ist ein gutes mermacht in Krefeld sein.

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3. und 4. September 2004 Wappentier: Gockel 2004 27. Folklorefest Themenabend: Salsa Off izielle Eröffnung durch Gregor Kathstede, Oberbürgermeister Moderation: Helmut Wenderoth

Chicos, Chicas und Corazon

In ihrem dritten Jahr präsentierten die Organisatoren, kurz vor ihrer Konstituierung als eingetragener Verein, das Festival beinah schon in seiner heutigen Form.

Wappentier war diesmal der Gockel – ein Schelm, wer Böses dabei denkt, gilt er doch u.a. anderem auch als Symbol der Wachsamkeit und Vertreiber böser Geister.

Helmut Wenderoth, wohlbekannt als einer der Regisseure und künstlerischen Leiter des KRESCHtheaters Krefeld, schlüpfte erst- mals in seine neue Rolle als Moderator des Festivals. Seitdem stellt er mit Charme, Humor und oftmals ganz persönlichen Geschichten die Bands des Samstagsprogramms vor.

Festival-T-Shirts mit dem jeweiligen Wappentier gab es jetzt nicht mehr nur als Erkennungszeichen für die unermüdlichen Helfer, sondern aufgrund reger Nachfrage für jedermann am Stand der Festival-Leitung zu kaufen, und die Stände für die Gastronomie lässt man sich seit 2004 von einer niederländischen Firma liefern – Auf- und Abbau inklusive. Es bleibt auch so noch genug zu schleppen.

Der Themenabend 2004 galt der Salsa, und auf der Fläche vor der großen Bühne führte Gerd Gräwe in die Geheimnisse dieses feuri- gen Tanzvergnügens ein. F

18 19 Chicas (Mädels), Chicos (Jungs) und Corazon (Herz, viel Herz und na- türlich auch Herzensbruch) – das sind die Themen der Salsa, jener aus afrikanischen und hispano-amerikanischen Zutaten angerühr- ten, scharfen Musiksoße, und die wurde live gespielt von dem auf- regenden zehnköpfigen Orchester Cubanismo, das der aus Havanna stammende Pianist Ricardo Alvarez mit Landsleuten und Deutschen in Hamburg zusammengestellt hatte. Und die Tanzpaare von Puntos Calientes (neudeutsch: Hotspots) aus Düsseldorf wirbelten durch Der Rauch der portugisieschen ihren „Rueda de Casino“, einen Kreistanz mit Partnerwechsel, dass Sardinen ist „der Geruch“ einem vom bloßen Zuschauen schwindlig werden konnte. des Folklorefestes, der sich bis zum Hauptbahnhof zieht. Der Samstag begann damit, dass an einem der Zugänge zum Platz ein Hydrant umgefahren wurde, sodass eine zehn Meter hohe Wasserfontäne emporschoss, die nicht mehr zu bändigen war. Ein Notdienst der Stadtwerke musste anrollen und ein neues Ventil ein- bauen. Zum Konzertbeginn war zum Glück alles wieder in Ordnung. Bettina Köhncke gehört zu den Mitbegründerinnen der Initiative Folklorefest Krefeld e.V. Aus Meerbusch stammte die vierköpfige und noch sehr jugendliche Hiphop-Truppe StB, in Worten: Stoned Beats. Till Dammer und seine Mitstreiter pflegten die Kunst des Rappens mit deutschen Texten und gaben auf dem Folklorefest einen ihrer ersten öffentlichen Auftritte.

Die Freude am Trommeln wurde gleich von zwei Gruppen zelebriert. UBUNTU (= die Qualität des Menschseins) nennen sich die Schu- le und die Truppe von Hanna Agurski und Klaus Hackspiel, die in Krefeld seit 1993 die Kultur der südafrikanischen Xhosa pflegen, und Sambazillus aus Krefeld und Düsseldorf trommelt brasilianisch im Stil der berühmten Gruppe Olodum.

20 21 Die Tanzgruppe Hellas 2004 präsentierte Folklore unserer grie- chischstämmigen Mitbürger, und die Bantu-Kids aus Kenia trieben den artistischen Touch, den dieses Fest schon durch die Salsa hatte, noch einmal auf die Spitze.

Ilga Reizniece und ihre Gruppe Ilgi aus Lettland eröffneten das Hauptprogramm am Samstag. Postfolkloristisch nennen die Sänge- rin und ihre Mitstreiter Maris Maktupavels, Gatis Gaujenieks, Ruta Muktupavela und Egons Kronbergs ihre Musik. Weil sie per Bahn anreisten und das Umsteigen in Dortmund verpassten, kamen sie erst in letzter Minute an, um sich gleich nach ihrem Auftritt wieder in alle Winde zu zerstreuen. Schwärmerische Melodien, leichtfüßi- ger Saitenklang, ein Dudelsack und zwei, manchmal drei markante Stimmen prägten ihren reizvollen Sound.

Eine Melange aus afro-kubanischen Rhythmen, Mestizo-Sound, Ska und einem guten Schuss Brass flutete den Platz an der Alten Kirche, als Les Babacools aus München die Bühne enterten. Gitarre, Bass, Keyboard, Schlagzeug und Percussion lieferten den Kern des Sounds, der noch von Blechbläsern bereichert wurde, während zwei Mundwerker mit teilweise mehrstimmigem Sprechgesang in Spa- nisch und Englisch wieder die Tanzbeine der Besucher animierten. Les Babacools Letzteres tat auch die Warsaw Village Band aus Polen. Maja Kleszez (Cello, Gesang), Magdalena Sobczak-Kotnarowska (Zymbal, Gesang), Sylwia Swiatkowska (Violine, Suka, Gesang), Wojtek Krzak (Violine, Bratsche, Drehleier, Nyckelharpa, Schlagzeug), Piotr Glinski (Bara- ban-Trommel) und Maciej Szajkowski (Rahmentrommeln) hatten 1997 einen Schatz lange vergessener Volkslieder ihrer Heimat ge- hoben und herausgefunden, dass sich die altpolnische Fiedel Suka und der von Viehhirten stammende Gesangsstil „Bialy glos“ ganz ausgezeichnet mit elektrischer Verstärkung, Scratching und Reggae- Rhythmen vertragen. Dieser originellen Mischung konnte sich auch in Krefeld niemand entziehen, und die Band gewann in diesem Jahr den Weltmusik-Preis der BBC.

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In den ersten Jahren wollte man den Samstag jeweils mit einem et- was ruhigeren Act ausklingen lassen – keine leichte Aufgabe für die betroffenen Musiker, wenn das Publikum in Tanz- und Partylaune ist. Das Festival zu beschließen, ist in Krefeld ohnehin ein zweischnei- diger Segen. Einerseits darf man sich als Headliner fühlen, als das Sahnebonbon, das bis zum Schluss aufgehoben wird, andererseits verkauft man kaum noch CDs, weil viele Gäste ihr Taschengeld be- reits ausgegeben haben. Als beste Plätze für den CD-Verkauf haben sich beim Folklorefest die Positionen zwei und drei im Hauptpro- gramm erwiesen. Coco Mbassi Aber wie schon im Vorjahr Etta Scollo, schaffte es 2004 auch die Sängerin Coco Mbassi aus Kamerun mit ihrer Band, zum guten Schluss noch einmal Zuhör-Atmosphäre zu verbreiten. Ihre Spo- ren hatte sie sich als Background-Sängerin von Afro-Pop-Stars der Pariser Szene wie Manu Dibango und Salif Keita verdient. Aber im modernen Kamerun gibt es auch eine afrikanische Spielart des Chansons, und in dieser lyrischen Tradition steht Coco Mbassi. Mit wenig Druck, aber viel innerer Glut und unwiderstehlicher Aus- strahlung sang sie zu pointierter Begleitung in den Sprachen ihres Heimatlandes und beschwor in der niederrheinischen Sommernacht ganz andere Eindrücke von Afrika, als man hierzulande sonst gebo- ten bekommt.

Warsaw Village Band

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19.–21. August 2005 Themenabend: Tänze um 1900 2005 28. Folklorefest Wappentier: Niederrheinische Kröte Off izielle Eröffnung durch Jutta Pilat, Bürgermeisterin Moderation: Helmut Wenderoth

Eine moldawische Oma kommt selten allein

Die Niederrheinische Kröte zier- den Damen des Berliner Salon- te diesmal das Plakat des Festi- orchesters Escapade, und sie vals, und mehrere solche muss- taten dies elegant mit Lippen- ten die Veranstalter diesmal stiftküssen aufs Papier. auch schlucken. Nachdem sich die Ausweitung auf zwei Veran- Udo Kostorz von der Krefelder staltungstage so gut bewährt Tanzschule Agne-Kostorz leitete hatte, fasste man nämlich den den Tanz-Workshop zum The- Mut, über drei Tage zu gehen. Zu menabend „Tänze um 1900“. dumm, dass kurzfristig einer der Und welche Live-Musik dazu Hauptsponsoren absprang und gehört, das führten die bereits ein Riesenloch in die Schatulle erwähnten Damen von Esca- riss. Und ein Unglück kommt pade vor. Eine zum Ensemble bekanntlich selten allein. gehörende Dame ließ sich ihre Frisur sogar stilecht mit einem Eine bemerkenswerte Neuein- Brennstab aufbrezeln, und zwar führung des Jahres 2005 war von einem Friseur in Fischeln das Künstlergästebuch, das – dem einzigen weit und breit, während des Festivals immer im der diese historische Methode Gemeinderaum der Alten Kirche damals noch beherrschte. Karin ausliegt, den die Musiker als Mast, als Jazz-Sängerin in Kre- Backstage-Raum nutzen dürfen. feld wohl bekannt, ergänzte den Den Gastgebern dafür noch Themenabend mit ihrer Band einmal ein herzlicher Dank. und Songs aus den Kindertagen Eingeweiht wurde das Buch von des Jazz.

26 27 Horst Klein zeichnet die Tiere des Folklorefestes. (Hakenharfe, Gesang), Simon das Publikum fraß ihnen aus Wascher (Alto-Drehleier) und der Hand. Matthias Branschke (Querflöte, Dudelsäcke) zu Bilwesz zusam- Eine moldawische Oma, die men. Als Agri-Pop wurde ihre singt und die dicke Basstrom- Les Babacools frische Interpretation uralter mel schlägt, und kein Geld in Volks- und Kirchenlieder schon der Kasse, um sie und ihre Band einmal bezeichnet, und auch Zdob si Zdub zu bezahlen – so die Krefelder merkten schnell, etwas gibt es nicht alle Tage. dass auch vergangene Zeiten Das oben erwähnte Loch in ihre Dancefloor-Musik hatten. der Schatulle führte dazu, dass alle paar Minuten ein Helfer Akkordeon, Geige, Banjo, zu den Bierständen sprinten Mandoline, E-Gitarre, Bass und und die 5-Euro-Scheine dort Drumset sind das Handwerks- einsammeln musste. Für die zeug von The Shanes aus Trier. Kapelle war Barzahlung ver- Die Polka ist ihre Droge, aber einbart, und Winfried Kappes ihre Musik hat wenig von schril- und Nancy Schuster hatten ihre Als Greenhorns bezeichnet man Eigentlich war sie gar nicht vor- lem Punk-Folk, sondern konnte liebe Mühe, die kleinen Schei- im Amerikanischen unerfah- gesehen, die russische Vokal- auf dem Platz an der Alten ne – klebrig, wie sie waren – so rene Neulinge, und wer weiß, gruppe DrevA, wollte aber un- Kirche auch verwöhntere Ohren lange zu zählen und zu stapeln, woran es gelegen hat, dass bedingt spielen und sich ihren überzeugen. bis die Gagensumme erreicht die gleichnamige Big Band aus kaputten Bus vom Folklorefest war. Mit dem Titel „Bunica bate ehemaligen Schülern von der bezahlen lassen. Man einigte Wer zuvor nicht wusste, wie doba“ (Großmama haut auf die Musikschule „rhythm matters“ sich letztlich auf freie Kost und riesengroß eine barocke Bass- Pauke) erreichten die Moldawier während ihres Auftritts gleich Logis, und die Sängerinnen und blockflöte ist und wie faszinie- übrigens vor dem Fest Platz 6 zwei Verstärker versemmelte. Sänger bereicherten das Fest rend sie klingt, der erfuhr es bei beim Eurovision Song Contest. Dabei bestand das Ensem- mit faszinierenden archaischen Göran Månsson von Gjallarhorn ble schon einige Jahre mit Gesängen, die ahnen ließen, aus Finnland. Die tanzfreudige Ein anderes Malheur kreierten gutem Erfolg. aus welchen Ursprüngen die Sängerin Jenny Wilhelms, der die punkigen Bretonen von Red zum Klischee verkommenen Saitenexperte Adrian Jones Cardell. Sie ließen ihre Auto- Danilo da Silva aus Salvador da Kosakenlieder einmal erwach- und Percussion-Mann Petter schlüssel im Wagen. Bevor es zu Bahia hatte seine marschieren- sen sind. Berndalen trugen das ihrige bei ihrem stürmischen Auftritt mit de Trommelgruppe Pelodum im zu einer erdigen und tempe- Akkordeon, Gitarre, Schlagzeug Ruhrpott aufgebaut und erfreu- Aus Greifswald, Wien und Tü- ramentvollen Neuauflage alter und viel Elektronik kam, erging te mit ihr auch die Krefelder. bingen fanden sich Merit Zloch skandinavischer Melodien, und an das Volk auf dem Platz die

28 29 Berliner Salonorchesters Escapade

dezente Frage, ob vielleicht Eine Enttäuschung für die oder eventuell jemand in der Veranstalter war allerdings der Lage sei, den Wagen auch ohne geringe Publikumszuspruch zur Schlüssel zu öffnen, wobei man „Matinee der Besonderheiten“ ihm natürlich keinerlei krimi- am Sonntag. Weder die nieder- nelle Erfahrung unterstellen rheinische Kaffeetafel, liebevoll der Kirchenakustik entfalteten wolle. Es fand sich ein Freiwilli- open air aufgebaut von der Ge- Cronshaws dichtgewebtes Sai- ger, aber der musste rasch ka- meinde der Alten Kirche, noch tenspiel und Blakes warme Flö- pitulieren. Erst der ADAC konnte der Auftritt von Jordi Preußers tenklänge in ihrem meditativen Zugang zu den Instrumenten dreiköpfigem Yulara Urton mit Zusammenspiel eine unvergess- schaffen. dem tamilischen Tablaspieler liche Atmosphäre. Leider wurde Shan Devaguruparan reichten der Sonntagvormittag vom Gleich ganz zu Hause vergessen als Anheizer, um mehr als nur Publikum kaum angenommen hatten die DJs Francis Gay und einen handverlesenen kleinen und blieb deshalb ein einmali- Kosta Kostov aus Köln wichti- Hörerkreis zum Konzert des ges Experiment. ge Teile ihres Equipments für britischen Zither-Virtuosen die Global Player Party, die im Andrew Cronshaw mit seinem „Meilenstein“ vor allem für die in Australien lebenden Lands- Helfer und Musiker des Festivals mann Ian Blake an diversen steigen sollte. Nun, die meisten Holzblasinstrumenten ins Helfer waren eh viel zu müde Innere der Alten Kirche zu zum Feiern, die Musiker zeigten locken. Dabei hatten die Ver- sich geduldig, bis das Fehlende anstalter mit den beiden eine herangeschafft war, und es wur- ganz außergewöhnliche Delika- de noch eine tolle Fete. tesse ausgesucht, und gerade in

30 31 Nicht mehr wegzudenken: der Tanzkurs zur Einstimmung auf den Themenabend am Freitag.

Rund 150 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind für die Gäste des Folklorefestes im Einsatz. Berliner Salonorchester Escapade

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4. und 5. August 2006 Wappentier: Nashorn 2006 29. Folklorefest Themenabend: Walzer Off izielle Eröffnung durch die Krieewelsche Pappköpp Moderation: Helmut Wenderoth

Nass an einem Sommerabend

Nashornbaby Davu, neuer Star des Krefelder Zoos, inspirierte den Zeichner Horst Klein. Das Nashorn wurde Wappentier des Folklore- festes.

Die auffälligste Neuerung war diesmal wohl, dass die offizielle Er- öffnungsrede, die ihren Platz vor dem Hauptprogramm am Samstag um 16.00 Uhr hat, nicht mehr von Vertretern der Politik, sondern von Persönlichkeiten gehalten wurde, die selbst im Kulturleben der Seidenstadt aktiv sind. Und es dürfte nicht einmal die Amtsträger überraschen, dass der Unterhaltungswert der Begrüßungen seitdem sprunghaft angestiegen ist. Freilich hatte man mit den Krieewel- schen Pappköpp zum Auftakt auch „Redner“ ausgewählt, die sich besonders gut aufs Entertainment verstehen.

Am Themenabend war Walzer angesagt, und Udo Kostorz von der Krefelder Tanzschule Agne-Kostorz zeigte den Lernwilligen auf dem Platz vor der Bühne, wie man die Füße im Drei- und Viervierteltakt korrekt sortiert.

Zum konzertanten Teil des Walzerabends formierten sich die Plüsch-Symphoniker aus Mönchengladbach auf der Bühne, zu denen eigentlich auch Laszlo Dömötör, der herausragende und

34 35 populäre Klarinetten- und Saxophonlehrer der Musikschule Krefeld, gehört. Der gebürtige Ungar musste sich jedoch krankheitshalber abmelden und wurde von dem inzwischen ebenfalls weithin be- kannten Martin Hillner vertreten. Doch das konnte Petrus nicht gnä- dig stimmen. Er schickte schweres Wetter und übergoss die Gäste auf dem Platz mit solchen Wassermengen, dass die meisten ver- schreckt ins „Bröckske“ flüchteten. Nur eine Handvoll Unentwegter tanzte weiter, während die Kapelle auf der Bühne so tapfer spielte wie einst ihre Kollegen auf der havarierten Titanic. So versank der Themenabend fast vollständig im Wasser, doch ein Untergang ist noch lange nicht das Ende. Klaus der Geiger

Die Percussion-Enthusiasten der Lebenshilfe Krefeld e.V. nennen Bahooga sich Rock am Ring und sind stets gern gesehene Botschafter für die Begegnung zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen. Sie trommelten den Samstag ein und erhielten auch noch Unter- stützung durch die Grupo Biriba Brasil, die Krefelder Abteilung eines Clubs, der in neun deutschen Städten von Düsseldorf quer durch den Ruhrpott bis Münster und Osnabrück und in Frankreich die Tanz- und Kampfkunst Capoeira praktiziert und dazu natürlich musiziert.

Japanische Daiko-Trommeln ähneln in Größe und Form einem 50-Liter-Bierfass oder sehen aus wie schellenlose Tamburine mit mannshohem Durchmesser. Sie können so laut werden, dass sich die Spieler in Japan häufig nächtens auf Stränden treffen, um beim Üben niemandes Ruhe zu stören. Seit den Deutschland-Gastspielen des Ensembles Ondekoza hat das Daiko-Fieber auch hierzulande Opfer gefunden, und Ki Bo Daiko aus Duisburg bemühte sich er- folgreich um die weitere Verbreitung des Virus an den Gestaden des Niederrheins.

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Sieben Instrumente, wenn man die menschliche Stimme mitrech- net, und sieben Köpfe machen die Krefelder Band Bahooga aus, die aus Ska und Reggae mit gelegentlichen Ausrutschern in den Punk „lecker Lala“ mixte und servierte.

Klaus der Geiger ist nicht nur in seiner kölschen Wahlheimat, sondern bundesweit als „Asphalt-Paganini“ mit Musikhochschulab- schluss, musikalischer Weltreisender mit Rundfunk- und Fernseher- fahrung und unermüdlicher Aktivist in der Anti-Atombewegung fast schon eine lebende Legende. 66 Lenze zählte er immerhin, als er das Folklorefest beehrte und neue Fans in allen Altersklassen fand.

Die Greifswalder Harfenistin Merit Zloch, ein Jahr zuvor mit Bilwesz zu Gast, kam mit Malbrook gleich noch einmal in die Seidenstadt. Mit Gesang, geradezu peitschendem Mandolaspiel, Flötentönen, Percussion und Elektronik führt Wolfgang Meyering, im Jahr 2005 mit dem Weltmusikpreis „Ruth“ geehrt, diese Band. Mittelalterli- che Liebeslieder, gruselige Balladen von Mord und Totschlag und mitreißende Instrumentalstücke bilden das Repertoire. Vivien Zeller mit Geige und Gesang und Ralf Gehler an Dudelsack, Schlüsselfiedel Seit 1978 werden beim Folklorefest und Maultrommel komplettieren das Quartett, das durch wechseln- Speisen der Krefelder Kulturvereine de Gastmusiker aus Skandinavien verstärkt wird. Auch in Krefeld angeboten. trafen Malbrook wieder ins Schwarze, und ganz nebenbei stellte sich heraus, dass Meyering eine Schwester in unserer Stadt hat. Als die Gruppe allerdings ihre Hotelzimmer beziehen wollte, waren diese doppelt vermietet und Malbrook obdachlos – eine von zahlreichen Nachlässigkeiten, die es in dieser Herberge immer wieder gegeben hatte. Fortan wählte das Folklorefest eine andere Bleibe für seine Musiker.

Unvergleichlich ist die Mischung aus Quetschen-Ska, Balkan-Blues und Texas-Tango, die Stefan Hiss, Thomas Grollmus, Patch Pacher, Michael Roth und Volker Schuh unter dem Band-Namen Hiss mit Gesang, Gitarren, Mandoline, Akkordeon, Mundharmonika, Bass und

38 39 Schlagzeug auf die Bühne bringen. Exotisch und doch vertraut, wild und doch romantisch klangen die Songs auch in den Ohren der Kre- felder Folk-Rock-Fans – ein moderner On-The-Road-Soundtrack.

Wenn der Samstagabend voranschreitet, dann gleicht der Platz an der Alten Kirche einem großen Wohnzimmer, in dem sich Krefel- Das Speisenangebot beim Folklorefest der unterschiedlichster kultureller Herkunft, vom Politpromi oder macht einem den Sommer noch einmal Künstler bis zum Normalverbraucher, wie bei einem Klassentreffen schmackhaft. begegnen und viel zu erzählen haben. So soll es auch sein, aber lei- se und konzertante Bands wie CHUMBAWAMBA aus England finden dann nicht mehr unbedingt die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. , , Jude Abbot, Neil Ferguson und hatten ihren Stil auf einem langen Weg aus Folk, Jazz und Pop ge- schmiedet und sangen Songs mit ganz eigener Handschrift und viel Grips in den Texten, die leider ein wenig untergingen.

Und obwohl der WDR das Folklorefest seit 2002 immer durch Pub- licity unterstützt hatte – Jordi Preußer pflegte auch guten Kontakt zu Tom Petersen im Kölner Funkhaus Europa –, kam es auch 2006 nicht zu einem Live-Mitschnitt. Schuld war diesmal übrigens Papst Benedikt XVI., denn für ihn wurde der Ü-Wagen gebraucht. Aber die After-Show-Global-Player-Party mit den DJs Francis Gay und Kosta Kostov im „Meilenstein“ wurde wieder zum gelungenen Abschluss des Festivals.

Markus Kossack, Sponsoring

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3. und 4. August 2007 Wappentier: Gorilla 2007 30. Folklorefest Themenabend: Csárdás Off izielle Eröffnung durch Rüdiger Höfken und Volker Diefes Moderation: Volker Diefes

Desto Trotzki und die Kleingeldprinzessin

Drei Jahrzehnte Folklorefest – vor der Bühne gut und gern zur ein stolzes Jubiläum! Und bei Hälfte in Anspruch nahmen, strahlendstem Sommerwetter und noch viel mehr Besucher wusste man zu feiern. Wappen- ließen sich von Geige, Bratsche, tier wurde diesmal der Gorilla, Drehleier, Hirtenföten, einem inspiriert von Jambo, dem jun- kleinen Dudelsack und 1400 gen Gorilla-Mann des Krefelder Jahren magyarischer Musiktra- Zoos, der gerade nach Apel- dition begeistern. doorn umgesiedelt worden war. Helmut Wenderoth konnte aus- Schon der Auftakt mit ungari- nahmsweise nicht mitmachen. schem Csárdás gelang glänzend. So sprang der bekannte Kaba- Waren die Krefelder bei The- rettist Volker Diefes als Modera- menabend und Tanz-Workshop tor ein und begrüßte am frühen in den ersten Jahren noch etwas Samstagnachmittag als erstes schüchtern gewesen, so konn- die Trommelgruppen Ubuntu te sich die ungarische Gruppe (Krefeld), Sambazillus (Düs- Zengö über Mangel an Zuspruch seldorf), Pelodum (Essen) und nicht beklagen. Janós Radák Samba X (Wachtendonk) und und Réka Kurucz aus der Band die Capoeira-Tanzgruppe Biriba selbst gaben den Tanzkurs, bei Brasil (Krefeld), die von ver- dem die Teilnehmer den Platz schiedenen Ausgangspunkten

42 43 in einem Sternmarsch auf den anderen mit ihrem selbst Weiter ging es, als die sympathi- regelrechtes Feuerwerk spritzig- stattfinden zu lassen. In der aufmerksame und begeiste- Platz an der Alten Kirche zogen. in Lovesongs recht kühlen schen Jungs von Apparatschik intelligenter Texte in deutscher Zwischenzeit sprang Volker rungsfähige Fans. Andalusische Dort trommelten sie gemeinsam Charme an die frühe Suzanne die Bühne stürmten. In ihren Sprache ab. Politisch-kritisch, Diefes erneut in die Bresche und kubanische Elemente, und mit gewagten Capoeira- Vega erinnern. Doch ihre Band auf Rock und Ska umgestrickten aber niemals pädagogisch- und unterhielt das Publikum Reggae, Dub und Boogie-Woogie Sprüngen das große Jubiläums- überzeugte mit eigenständigem Kosakenliedern ging es weni- weinerlich, stattdessen gespickt mit Auszügen aus seinem verwoben sich mit den Texten in konzert ein. Sound und klaren, ausgereif- ger um die Authentizität einer mit überraschenden Wortspie- Dauerbrenner-Programm „Hotel katalanischer Sprache zu einem ten Arrangements. Dazu sang Folklore, sondern vor allem um len und einem kräftigen Schuss Mama“. Ein gemischtes Erlebnis temperamentvollen Stil, den Warum sich die KMI-Band Dan’s sie ihre gefühlvollen Texte mit den Spaß am Übermut. Und Selbstironie sang sie mal me- boten dann Les Boukakes. So man in Madrid Mestizo nennt. Al Kimiya als „experimental“ souveräner Stimmführung und damit steckten die Lausbuben lancholisch über ihr verlassenes laut geriet der Dezibel-Tsunami, bezeichnet und im Namen ei- hielt sich von Lolita-Mätzchen aus Russland und Berlin das Zimmer, mal temperamentvoll den ihr mitgebrachter Tonmi- Und als die Zuhörer noch eine nen arabischen Touch gegeben konsequent fern. Publikum auf der Stelle an. Was über den Plastikmüll in Köpfen scher losließ, dass es – und dies Zugabe herbeiklatschen, berei- hatte, blieb ihr Geheimnis. Das die witzigen Künstlernamen und auf Halden und spielte ist kein Scherz – bei Kleinkin- tete der Bremer DJ Ralph „von” Quartett mit zwei akustischen Von 2002 bis 2007 gab es immer der Einzelnen versprachen, z.B. dazu auch noch prima Gitarre. dern und Hunden zu panischen Richthofen bereits die erwähn- Gitarren bot eigene Songs, die zwei Bühnen auf dem Folklore- Desto Trotzki am Schlagzeug, Für viele war ihr Auftritt der Reaktionen kam. Dabei hätte te Abschluss-Party vor – einmal vor allem an den Sound von fest. Auf diese Weise sollten die das hielten sie auch. Der Bass- Höhepunkt dieses Festivals. die Band das gar nicht nötig noch im „Meilenstein“. Crosby, Stills, Nash & Young Umbaupausen zwischen den Mann tanzte sogar regelrecht gehabt, denn hinter dem Filter erinnerten. Bands überbrückt werden. Diese mit seiner Riesenbalalaika. Les Boukakes aus Algerien, einer Häuserecke konnte man Aufgabe erfüllten zum letzten Alle vier Musiker beherrschten Tunesien, Italien und Frankreich feststellen, dass die Jungs ihre Bei Craig hielt der Name wieder, Mal 2007 die Global Tourists ihre Instrumente glänzend, sollten den Rai zelebrieren. Der Instrumente durchaus be- was er versprach. Das noch aus Köln, und sie kamen mit und Oljég Matrosov konnte in Schlagzeuger aber hatte seine herrschten und eigentlich eine recht junge Irish-Folk-Trio trug ihrem frischen, auf Gitar- Ausnahmefällen wie „Schwarze Becken nicht mitgebracht. Lars prima Musik machten. Zum etwas brav, aber durchaus ge- ren und Bouzouki gestützten Augen“ sogar richtig ernsthaft Fockenbroeck von den Einstür- Glück fanden dies auch die konnt Balladen und Tanzlieder Instrumental-Sound prima an. und klangvoll singen. zenden Heuschobern hatte sein meisten Besucher. An Beifall zu Banjo, Gitarre und Fiddle vor, Wenn aber auf der Hauptbühne Drum-Set im nahegelegenen sparten sie jedenfalls nicht. und mit Standards wie „Lord auch Soundchecks durchge- Ebenfalls aus Berlin kam Dota Jazzkeller stehen und erklärte Of The Dance“ und dem „Irish führt wurden, während auf der Kehr mit ihrer Band, genannt sich schließlich bereit, Becken Und damit war der Boden Rover“ konnte es das Publikum Nebenbühne noch gespielt Kleingeldprinzessin und ihre zur Verfügung zu stellen. Er zog bestens bereitet für La Troba auch durchaus mitreißen. wurde, löste das Missvergnügen Stadtpiraten. Auf der Grundlage also los sie zu holen, und bei Kung Fu, eine Neugründung des bei Musiken und Zuhörern aus. jazziger Samba-Rhythmen und dieser Gelegenheit ergab sich katalanischen Sängers und Ak- Die Sängerin und Gitarristin Deshalb wurde in den Folge- begleitet von einem erstklas- auch die Idee, die nächtliche kordeonisten Joan Garriga. Bei Nadine Kraemer aus Leverku- jahren auf die kleine Bühne sig auf den Punkt spielenden Abschluss-Party für die Mitwir- langsam abkühlenden Tempe- sen mochte den einen oder klugerweise ganz verzichtet. Trio, brannte die Sängerin ein kenden ab 2008 im Jazzkeller raturen fand auch diese Gruppe

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8. und 9. August 2008 Wappentier: Fledermaus 2008 31. Folklorefest Themenabend: Musik der Tamilen Off izielle Eröffnung durch den Arbeitskreis Mundart, Verein für Heimatkunde e. V. Moderation: Helmut Wenderoth

Harmlose Fledermäuse und russische Hühnerbeine

Die hierzulande lebenden Unterarten der Fledermaus werden völlig zu Unrecht als blutsaugende Vampire gefürchtet. Deshalb widmete der Krefelder Zoo dem nachtaktiven Flugsäugetier 2008 eine Image- Kampagne, und das Folklorefest kürte es zu seinem Wappentier.

Rechtzeitig zum Beginn am Freitag stoppte der Sommerregen, und der tamilische Themenabend auf dem Platz an der Alten Kirche begann mit einem faszinierenden Tempeltanz der Gruppe Bhara- tanatyam. Zwei junge Mädchen standen im Mittelpunkt, und die Anmut ihrer Bewegungen und ihre filigrane Gebärdensprache zogen das Publikum in ihren Bann. Es folgte der Volkstanzkurs für alle, und wieder ließen sich viele Krefelder neugierig auf die Schritte ein, mit denen sich die aus Indien stammende ethnische Minderheit der Menschen auf Sri Lanka zu ihrer Volksmusik bewegt. Nach diesem gelungenen Auftakt boten die Gruppen Nathaswar, Veena Isai und Vathiam Isai unter der Regie des in Krefeld lebenden Tabla-Spielers Shan Devaguruparan Traditionelles, in dem die Veena, ein der Sitar ähnliches Saiteninstrument, die Hauptrolle spielte. Zum Abschluss gab es mit Senthalir Isai Kullu auch noch die tamilische Variante von Disco-Musik, und weil sich das Mammutprogramm arg in die Länge gezogen hatte, zeigte um Mitternacht zum ersten und bisher letzten Mal in der Geschichte des Folklorefestes die Polizei auf die

46 47 Uhr. Einigen Anwohnern wurden die exotischen Klänge dann doch ein wenig zuviel und im Disco-Sound auch zu laut. Shan Devaguruparan Als Reminiszenz an den Ungarn-Abend des Vorjahres eröffnete das ungarisch-kölsche Paprika Duo mit bäuerlicher Folklore den Samstag, und zwar nicht von der nunmehr einzigen Bühne aus, son- dern ebenerdig und animierend auf dem Platz.

Die gehobene Position erklomm als erster ein niederbayerischer Liedermacher mit dem Namen Weiherer. Mitten in der Finanz- und Bankenkrise, deren volles Ausmaß freilich noch gar nicht sichtbar geworden war, fielen seine bissigen Texte prinzipiell auf fruchtba- ren Boden. Ein Titel wie „Eia sissdem“ (hochdeutsch: „Euer System“) stand aber auch für das größte Hindernis, dass ihm in der Seiden- stadt im Wege stand: Sein gnadenloses Bayerisch wurde nur unvoll- kommen verstanden. Multikulti ist eben nicht immer ganz einfach – und das gilt für Künstler und Publikum.

Da hatten es die Einstürzenden Heuschober natürlich viel leich- ter. „Heute woll’n wir polken“ lautet ihr Dauermotto, und darauf verstehen sich die Urkrefelder Kappes-Brüder und ihre Mitstreiter Bharatanatyam allerbestens. Verständigungsschwierigkeiten mit dem Publikum gab es keine, im Gegenteil. Selbst das faulste Besucherbein geriet in Bewegung, als das Septett seine bewährte Mixtur aus den bäuerli- chen Tänzen hiesiger Niederungen und exotischen Zutaten wie Ska, Reggae, Rock und Funk aufkochte und bei strahlendstem Sonnen- schein seiner ebenso hell blitzenden Spielfreude freien Lauf ließ. Aber auch nachdenklich Stimmendes wie das Lied „Die Birke“ aus dem Schatz der Edelweißpiraten, einer jugendlichen Widerstands- gruppe in Nazi-Deutschland, zierte das Repertoire. So wurde die erste Zugabe fällig.

48 49 Izbuha, das ist ursprünglich der russische Begriff für ein sagen- umwobenes Hexenhaus, das sich auf Hühnerbeinen tanzend fortbewegt und der vielgesichtigen und zwielichtigen slawischen Märchengestalt Baba Yaga als Zuhause dient. Von diesem Mythos ließ sich ein Georgier in London, der glänzende Gitarrist und Song- writer Zura Dzagnidze, faszinieren und gab seiner 2005 gegründeten Band diesen Namen. Dzagnidze, Aleko Bokolishvili auf der Klarinette und Aleksey Maslakov am Akkordeon bestimmten den Sound der Gruppe, eine mit modernen Elementen angereicherte Mischung aus diversen nord- und osteuropäischen Folklore-Stilen, Niko Charkviani und Irakli Meipariani gaben der Musik mit ihren Percussion-Instru- menten Tempo und Feuer, und der leicht swingende Kontrabass von Tobi Bodensieck verlieh ihr zusätzlichen Charme. Von Dmitri Schostakowitsch bis King Crimson reichte dabei das Spektrum der Inspiratoren. Vor allem aber die zwischen lustig und gefährlich pen- delnde Ausstrahlung der ausgezeichneten Sängerin Yuliya Drogalova rechtfertigte den klangvollen Namen. Ursprünglich als Studio- Projekt angelegt, fand Izbuha auf ihrer ersten Deutschland-Tournee – und nicht zuletzt in Krefeld – so viel Spaß und Zuspruch, dass sie seitdem als Live-Act international erfolgreich unterwegs ist.

Er trägt den Namen gleich mehrerer großer böhmischen Herzöge und Könige, ist seit 1976 in der deutschen Folk- und Liedermacher- Szene präsent, tourte sogar schon gemeinsam mit seinem weltbe- kannten amerikanischen Kollegen Arlo Guthrie und verweigert sich als Sänger, Dichter und Clown allen gegenwärtig gängigen Schubla- den. Wenzel, der hochgewachsene Mann im kindlichen Ringelhemd- chen, dessen Texte in oft skurrilen Bildern Politisches, Persönliches und auch Banales miteinander verschmelzen, riss die Leute mit seiner einmaligen Mischung aus böhmischem Musikantentum, fran- zösischem Chanson, Wiener Schmäh, rockiger Härte und tanzver- liebten Rumba- oder Tango-Rhythmen mit – ein Gaukler an Klavier,

50 51 Gitarre und Akkordeon mit solider Band im Rücken, in der übrigens auch seine Tochter Mascha mitwirkte. Transsylvanians Den krönenden Höhepunkt lieferte wiederum ein Ungar, nämlich der Teufelsgeiger András Tiborcz mit seiner in Berlin ansässigen Band Transsylvanians. Zwar voll im Trend zur ange-punk-ten Polka, gehört aber auch sie nicht zu den Hau-drauf-Kapellen. Zwischen Ska und Bartók tanzend und tanzen lassend, bewiesen sie zugleich hohe instrumentale Virtuosität, und die Stimmung auf dem Platz war so heiter und gelöst, dass sich András selbst sogar zu einem echten Senthalir Isai Kullu Stage Diving hinreißen ließ – natürlich weiter Geige spielend –, wäh- rend Isabel Nagy (Gesang, Kontrabass), Hendrik Maas (Gitarre) und Attila Czibi (Schlagzeug) sich auf der Bühne bis Mitternacht die Seele aus dem Leib spielten.

Mit DJ Vytas und der After Show Party – erstmals im Jazzkeller – fand das Folklorefest schließlich ohne Phon-Exzesse und mit auch wirt- schaftlich zufriedenen Veranstaltern sein ausgelassenes Ende.

Winni Kappes

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14. und 15. August 2009 Wappentier: Ziege 2009 32. Folklorefest Themenabend: Klezmer Off izielle Eröffnung durch Dr. Wolfgang Dressen, Zoodirektor Moderation: Helmut Wenderoth

Squaredance ist nur eine Vorübung

Die Ziege, nach dem Hund und Klezmer Alliance stand eine gemeinsam mit dem Schaf das hochkarätige Formation auf älteste Haustier des Menschen der Bühne, die noch dazu eine und außerdem ein Symbol der zur Zeit recht populäre Spielart Fruchtbarkeit, zierte 2009 das folkloristischer Musik pflegt. Wappen des Folklorefestes. Andreas Schmidtges, der in der Band Gitarre und Mandoline Als erste von drei Neuerungen spielt, führte auch den Tanz- im Jahr 2009 gilt es, die Einfüh- Workshop und wusste aus zahl- rung eines richtigen Programm- losen Klezmer-Kursen von New hefts zu würdigen, das mit Fotos York über London bis Odessa, und kleinen Artikeln zu jeder wie man Leute in Bewegung Band die bisherigen Postkarten bringt. Besonders seine Grup- ablöste, deren Design mit dem penfiguren waren nicht ohne, Wappentier aber beibehielt. und vor allem die Teilnehmer, die Kleinkinder im Tragetuch Zum Themenabend des Fol- am Körper mitführten, kamen klorefestes am Freitag lockte spätestens beim „Tunnel“ aus herrlichstes Wetter, und mit der dem Tritt. Aber das vorüber- moldawisch-britisch-deutschen gehende Chaos steigerte nur

54 55 Stammgast: der Lachsack

das Vergnügen, und am Ende zauberte er Schtetl-Atmosphäre wussten alle: Square Dance ist auf den Platz, ohne sich dabei nur eine Vorübung. den üblichen Klischees auch nur zu nähern. Er verzichtete So waren Band und Publikum auf all die inzwischen wieder für die drei Konzert-Sets der bekannten Lieder, schöpfte aus Klezmer Alliance bestens aufge- seinem Reichtum jahrzehnte- wärmt. Der dominierende Cha- lang ungehörten Repertoires rakter auf der Bühne war Efim und wurde dabei exzellent Chorny aus Moldawien. Schon begleitet. Bernd Spehl ließ seine Erscheinung, seine Klarinette jubilieren und ein spindeldürrer Mann mit weinen, Susan Gerghus brillierte markant geschnittenem, von am Flügel, Schmidtges wirkte langem grauem Haar umrahm- auch als zweiter Sänger mit, und ten Gesicht, war eine Rarität, mit Thomas Fritze am Bass und und in seiner Ausstrahlung dem herausragenden Guy Scha- vermischten sich wie in sei- lom am Schlagzeug war nicht ner Stimme moldauische und nur eine spritzige, sondern auch levantinische Züge: ein faszi- humorvolle Rhythm-Section am nierender, lebendiger Anachro- Werk. Gemeinsam schafften die nismus, wie man ihn wohl nur Musiker eine traumhafte Grat- noch in den Tiefen Osteuropas wanderung zwischen konzer- findet. Seit seinem sechsten tanter und tanzbarer Musik und Lebensjahr tritt er als Klezmer- zelebrierten den Klezmer nicht Sänger auf und ist außerdem als musikalischen Stil, sondern als Exponent des jiddischen als Methode des Musizierens, in Theaters eine Berühmtheit. Mit der Elemente unterschiedlichs- seinem ausdruckstarken Gesang ten Ursprungs Platz fanden.

Klezmer Alliance

56 57 Psio Crew

Die zweite Neuerung des Jahres trendy jungmädchenhaft, son- bestand darin, den Samstag dern erwachsen und al dente mit einem Kinderprogramm zu klang, hatte übrigens auch ihr beginnen. Tonfisch nannte sich Baby mitgebracht, und für die das Quartett mit Ulrike Rosa Auftrittszeit der Mutter brauchte Scherf, Richard Waltner, Jan der Säugling eine Babysitterin. Schowalter und Rüdiger Keller, Die wurde in der guten Christel das die kleinen Zuhörer mit auf gefunden, und als sich dann eine Reise durch die internatio- noch ihr damaliger Freund Mi- nale Tierwelt nahm. Mit Gitar- chel „Shilo“ Kappes dazugesell- re, Akkordeon, Trompete und te, sah ein aufmerksamer, aber Kazoo, Bass und Schlagzeug und unvollständig informierter Be- natürlich mit Gesang stellten obachter in den dreien bereits sie musikalisch die Heimat- eine glückliche Familie. Damit länder der Vierbeiner dar, und lag er zwar falsch, bewies aber für die Kinder gab es viel zum andererseits visionäre Weitsicht, Mitmachen. Regen Zuspruch denn inzwischen sind Christel fand auch der Wettbewerb im und Shilo tatsächlich verheira- Ziegenmalen, und die per Los tet und glückliche Eltern eines ermittelten Sieger durften sich Kindes. über die vom Center-Manage- ment des Schwanenmarktes Nach Janna kamen die vier von gestifteten Preise freuen. Tonfisch noch einmal auf die As de Trèfle Bühne, denn unter dem Namen Hanna Flock, Joachim Rosen- Tohu Va Bohu hatten sie auch brück und Daniel Trommer ein Programm für Erwachsene bilden das Trio Janna, das mit parat. Unverbraucht, quirlig und einem konzertanten Repertoire aufgeräumt gingen sie auch überwiegend aus dem Singer- diesmal zu Werke, ließen Party- Songwriter-Genre und filigraner Folk mit Melodien aus alten Zei- Arbeit auf zwei Gitarren glänzte. ten zusammenfließen, erzählten Die Sängerin, deren Stimme über mystisch schwebenden zwar glockenhell, aber nicht Grooves von Fledermäusen, rosa

58 59 Der Krefelder Zoo pflegt eine langjährige Psio Crew Partnerschaft mit dem Folklorefest. Winni Kappes im Gespräch mit Zoo-Geschäftsführer Dr. Wolfgang Dreßen.

Fischen und jungen Mädchen. besorgte erstmals die Firma Vor allem Ulrike Rosa Scherf mike-tec die Tontechnik – oh- überzeugte mit Akkordeon und renfreundlich, transparent und starker Stimme, und weil’s so ausgewogen. schön gewesen war, streute sie auch nochmal Songs aus dem Ca. 12.000 Gäste bescherten Tonfisch-Repertoire mit ein. einen Besucherrekord, 120 Ehrenamtliche halfen unermüd- As de Trèfle kam aus dem lich, wo immer sie gebraucht französischen Tours, um ihren wurden, und die zehnköpfige temporeichen Punk-Folk vorzu- Psio Crew aus Polen sorgte für tragen. Punkig klang dabei aber den fulminanten Schlussgalopp. nur der Schlagzeuger Mickaël. Mit einem Wirbelsturm von vier Laurent (Gitarre und Gesang), Geigen, erfreulich sparsam ein- Géraldine (Violine und Gesang) gesetzter Elektronik, herrlichem und ein zweiter Laurent (Gitarre, Satzgesang und einem flotten Bass und Gesang) boten eine Huttauschtanz begeisterten sie melodische und rhythmische das Publikum bis kurz nach Mit- Fusion aus Folklore, Chanson, ternacht mit moderner Hirten- Rock und Reggae, die sich als folklore aus den beskidischen abwechslungsreich, spritzig und Bergen. Und der Tourneebus- vor allem als sehr festivaltaug- fahrer dieser Truppe blieb auch lich erwies. bei der After-Show-Party im Jazzkeller aktiv – ohne Alkohol, Spätestens hier sollte man auch aber bis 6 Uhr morgens. die dritte Neuerung des Jahres loben, denn nach mancherlei Problemen in der Vergangenheit

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27. und 28. August 2010 Wappentier: Kaltblutpferd 2010 33. Folklorefest Themenabend: Bossa Nova Off izielle Eröffnung durch Helmut Schroers, Leiter der Mediothek Moderation: Helmut Wenderoth

Firlefanz und Feuertanz

Zwar kein Ausbund an Temperament, aber an Kraft und von bäuer- lich-bodenständigem Charakter war das Wappentier des Folklorefes- tes 2010: das Kaltblutpferd. Was wären Ackerbau und Brauerei-Logis- tik ohne diese treuen Tiere gewesen, bevor der Verbrennungsmotor sie verdrängte?

Der Themenabend allerdings erforderte leichtere Beine und Füße, denn Bossa Nova war angesagt. Was in den späten 1950er Jahren als Ausdrucksform der gebildeten Mittelstandsjugend in Brasilien entstanden war, entwickelte sich in mehreren Schüben zu einer weltweit populären und keineswegs kurzlebigen Leidenschaft. Während die Imbiss-Wirte auf dem Platz an der Alten Kirche mit acht verschiedenen Nationalküchen tapfer gegen das kühle Wetter ankochten, führten Anna-Mirjam Griesbach und Andreas Wanders aus Düsseldorf durch den Tanz-Workshop, und wie immer hatten die Teilnehmer viel Spaß beim Lernen neuer Schritte.

Aufregendes boten dann Ana Bonfim und ihr Trio. Mit lebhaft glü- hender Alt-Stimme ließ die junge Sängerin aus Bahia den Bossa Nova etwas hitziger klingen als im coolen Original aus Rio, brachte auch das Afro-Feuer der Samba mit ein, und mit viel Feingefühl für das, was bereichert, ohne zu verwässern, ließ sie auch Rock und Funk aufblitzen. Glänzend begleitet wurde sie dabei von dem famo- sen Gitarristen Joao Luis Nogueira und elegant-perkussiver Arbeit von Andre Cayres am Bass und Biroska an Schlagzeug.

62 63 Die Resonanz im Jahr 2009 war so überzeugend gewesen, dass der Samstag auch 2010 mit einem Kinderprogramm eröffnet wurde. Schade allerdings, dass ein Wetterwechselbad daraus wurde. Das Trio Firlefanz mit der von Elster Silberflug bekannten Dorle Ferber sowie H. Eddy Höfele und Tobias Escher stimmte das Erkennungslied von Jim Knopf noch bei blauem Himmel an, über die „Drei Chine- sen mit dem Kontrabass“ und ihr kindliches Publikum ergoss sich dann aber ein heftiger Gewitterschauer. So richtig trocken wurde es erst wieder zur abschließenden Polonaise, doch die Kids ließen sich nicht allzu sehr verdrießen, und für den Rest des Tages blieb es leidlich genießbar.

Die zugewanderten Seidenstädter wurden diesmal von der Folklore- gruppe der Pontischen Griechen in Krefeld vertreten. Zu suggestiv- repetitiver Begleitung auf Basstrommel und gestrichener Lyra führ- ten die Jugendlichen in traditioneller Tracht alte Volkstänze auf, und Firlefanz für den letzten reihten sich auch viele Nichtgriechen begeistert ein.

Die Krefelder Gruppe Provinztheater wurde dem Ruf gerecht, den sie sich selbst vorausgeschickt hatte. Mit Quetsche, Duane-Eddy- Gitarre, Kuhglocken und einem Telefon sang sie von den „Kollate- ralschäden“ im „Supermarkt des Lebens“. Ihrem nicht ganz ernst zu nehmenden Waschzettel zufolge sind Pawel Kowalczik, Franz und Jakob Förster, Marek Spielmann, Anton Stadler und Erik Falkner mit ihrem Hawazuzi (= Handwagen zum Ziehen) voller Kartoffelrock und Rumpelpolka zwar aus mancher Fußgängerzone nur knapp entkom- men, auf dem Folklorefest aber kamen sie prima an.

64 65 Schweden war mit Alla Fagra vertreten, zu Deutsch: Alle Hübschen. Das Quintett bestach mit der Leichtigkeit seines traditionsbewusst von Bouzouki, Geige und Gitarre geprägten und doch modernen Sounds. In der hellen Stimme von Julia Westberg und im gekonnten Satzgesang verwob sich Lebensfreude mit einem dezenten Hauch nordischer Melancholie. Und ganz nebenbei schlossen die Schwe- den auch noch persönliche Freundschaft mit den netten Jungs vom Provinztheater. Als Westberg und ihre Mitstreiter Dan und Per Svens- son, Gabriel Hermansson und Olof Göthlin nämlich in der Stadt ankamen, war der Empfang im ansonsten tadellosen Hotel nicht besetzt, und die Provinzlausbuben boten ihnen zum Ausruhen vor dem Auftritt Obdach. Nach dem Gig feierte man bei Klaus Wiewrodt im Dachsbau.

Dr. Bajan „Stellt Euch vor, Frank Zappa wäre Russe“, so kündigte Moderator Helmut Wenderoth den aus St. Petersburg stammenden Dr. Bajan und seine Band an. Der ließ nämlich nicht nur seine begnadeten Finger auf dem Knopfakkordeon, nach dem er sich benannt hat, sondern auch seine blanken Füße über eine Reihe von Effektpeda- len tanzen und entfesselte gemeinsam mit Geiger Christian Runge, Davide de Bernardi am Bass und Alf Schulze am Schlagzeug ein schweißtreibendes Feuerwerk der Stile voller tremolierender und juchzender Explosionen. Von den Beatles bis zu Deep Purple und von Paganini bis Manu Chao variierten die Quellen, aus denen man Metisolea schöpfte, um sowjetische Revolutionslyrik oder auch deutsches Volksliedgut zu verfremden und alles an die Wand zu spielen, was an Klischees über russische Musik und Seele durch die Lande zieht.

Dass es noch heißer kommen könnte, war eigentlich schwer vorstell- bar, aber die französisch-spanische Mestizo-Band Metisolea aus Bordeaux machte es möglich. Elektronik-Meister Lucas Saint-Cricq spielte zwar eine tragende Rolle, dominierte aber nicht – im Ge- genteil. Laure Fréjacques mit ihrer Trompete und Simon Mestre an

66 67 der Posaune sorgten für natürliche Fülle, und im Übrigen hatte der Flamenco einen festen Stand im Sound dieser achtköpfigen Rassel- bande. Dafür sorgte schon Gitarrist Marc du Mas de Paysac. Auch der Sänger Alexandre Pascau war tiefer in Al Andaluz und zugleich im Balkan verwurzelt als im Hiphop, und so passte auch die als Gast mitreisende Flamenco-Tänzerin ausgezeichnet in die Show.

Die After-Show-Party im Jazzkeller erreichte mit dem dritten Mal ihrerseits den Status einer Tradition, und DJ Vytas heizte dort mit Baile-Funk ein. Helmut Schroers, Leiter der Mediothek, eröffnent das Folklorefest Bleibt nachzutragen, dass sich die Initiative Folklorefest 2010 auch mit zwei Einzelkonzerten ins Gedächtnis der Seidenstädter ein- schrieb. Im Februar gastierte As de trêfle, die Abräumer-Band des Vorjahres, in der Kulturrampe, und im Dezember gaben Barbara Schirmer auf dem Hackbrett und Christian Zehnder als Bandoneo- nist und Stimmkünstler unter dem gemeinsamen Namen Gländ ein Konzert der experimentellen Art in der Alten Kirche. Da mischten sich zartgesponnene Saiten- und Zungenklänge mit Obertongesang und Naturgeräuschen in andächtiger Stille – ganz vorweihnachtlich, wenn auch leider vor wenig Publikum.

Provinztheater

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2. und 3. September 2011 Wappentier: Schmetterling 2011 34. Folklorefest Themenabend: Irish Dance Off izielle Eröffnung durch Robert Kramer, AStA der Hochschule Niederrhein Moderation: Helmut Wenderoth

Zeitfenster des Sonnenscheins

Ein ganzes Haus voller Schmet- konnten die Erfahrung machen, terlinge wurde 2011 zu einer dass die Schrittfolgen auch bei der schönsten Attraktionen des Volkstänzen ganz schön kom- Krefelder Zoos. Deshalb wählte plex sein können. Besonders die man den Schmetterling zum nach rückwärts ausgeführten Wappentier des Folklorefestes. Kreuzschritte hatten es in sich, aber der Spaß behielt klar die Seine Schönheit erweichte auch Oberhand. den Wettergott. Als vermutlich einzig regenfreies Musik-Open- Anschließend bestritt die Band Air Krefelds in diesem wasser- In Search Of A Rose aus Lem- reichen Sommer ging das 34. go den konzertanten Teil des Folklorefest in einem akkurat irischen Abends. Mit E-Gitarre, abgezirkelten Zeitfenster des Schlagzeug und leicht ver- Sonnenscheins über die Bühne. schärftem Tempo passte die aus einer Teenager-Freundschaft Den Themenabend am Freitag erwachsene Band ihre Lieder gestaltete man mit der Musik der schnelllebigen Gegenwart Irlands. Der aus Wuppertal an, zeigte sich im Herzen aber stammende Tanzlehrer Frank deutlich in der Tradition ver- Ringer führte mit viel Humor wurzelt und überzeugte mit durch seinen Workshop zu Irish respektablem Können auch Jigs and Reels, und die zahl- auf den akustischen Gitarren, reich angetretenen Tanzwilligen Mandolinen und Whistles.

70 71 Besonders die Geigerin Joanne zwischen herb und heiter os- O’lin begeisterte die Fans. zillierende Stimmung. Während die mit hoher Frauenstimme Der Samstag begann – nun vorgetragenen Lieder melodisch schon zum dritten Mal – wieder in kleinen Intervallen um je- mit einem Kinderprogramm, weils eine einzige Note kreisten In Search Of A Rose und das aus Bremen angereiste und dadurch an Arbeitslieder Duo Zaches & Zinnober schlug erinnerten, kamen vom Akkor- die Kleinen mit seinen abenteu- deon auch verspielte Schnörkel, erlichen Küchenliedern in Bann. die bestens zur Lebhaftigkeit Besonders groß war das Ver- der Gruppentänze passten. Für gnügen, als „Zucker und Zimt“, modebewusste Seidenstädter bereits als Erfolgsrezept für gab es außerdem herrliche Six Nation Fußballer-Limonade gepriesen, Trachten zu bewundern. sogar von einem Zahnarzt als Renate Gotzen, 1. Vorsitzende, begrüßt die Besucher Zahnfüllung empfohlen wurde. Und schon marschierten nach Und natürlich durfte in diesem zweistündigem Umzug durch die ernährungswissenschaftlich er- Innenstadt die sieben jungen frischend inkorrekten Programm Männer der Gruppe Provinzthe- auch ein Lied über Pommes ater mit Täterä auf dem Platz Frites mit Ketchup und Mayon- ein, bauten im Handumdrehen naise nicht fehlen. ihr Straßenmusik-Equipment ebenerdig vor der Bühne auf Die zugewanderten Krefelder und steckten mit ihrem schrä- wurden diesmal von der Folklo- gen Humor das Publikum regruppe Dancas e cantares do an. Auf ihrem Weg hatten sie Minho repräsentiert. Begleitet sich übrigens schon ein Club- von einem Akkordeon und einer Engagement für den Herbst im Trommel, verbreiteten die in der Jazzkeller eingefangen. Die mit- Seidenstadt ansässigen Portu- geschleppte alte Stehlampe ist giesen eine ganz eigentümliche, bei ihnen fast ebenso wichtig

72 73 wie die ulkig geblasene Posau- angenehm klang, wenn Stefan ne, und bei „Oh Verena“ zog ein Wehlings und Oliver Blees ihre Schmunzeln selbst ins ernsteste Bariton-Stimmen im Duett ein- Gesicht. setzten. Überwiegend getragen in Rhythmus und Tempo, dreh- Jutta Mensing, einst selbst ten sie aber zum Schluss noch musikalisch aktiv in der Gruppe ein wenig auf. Moin, war als Vertreterin des Verbandes Profolk für Lied, Einen echten Höhepunkt setzte Folk- und Weltmusik extra aus Riserva Moac. Der virtuose und Bad Honnef angereist, um die kariert berockte Roberto Napo- Macher des Festes für 34 tolle letano am Akkordeon und die Folklorewochenenden und zehn sich herrlich ergänzenden Stim- Jahre Initiative Folklorefest mit men von Fabrizio Russo und einer kleinen Aufmerksamkeit Mariangela Pavone bestimmten ihrer Organisation zu ehren. den Sound. Patrizio Forte am Auch die noch junge Initiative Bass und Schlagzeuger Oreste Krefeld gegen Kinderarmut Sbarra unterfütterten die itali- unter der Schirmherrschaft enischen Wurzeln rhythmisch des Krefelder Schwimm-Stars mit Ska und Polka, und was an Steffen Driesen freute sich Tageshitze langsam wich, wurde über die Veranstalter, denn durch musikalisches Feuer das Folklorefest warb u.a. in doppelt ersetzt. Ein besonde- seinem Programmheft für die res Bonbon war das zwar nicht gute Sache (www.krefeld-gegen- italienische, aber dennoch bes- kinderarmut.de). tens ins Klangbild der Gruppe passende „Hava Nagila“ – erst Weiter ging’s mit den Dharma auf der Geige herzzerreißend Bums und ihrer handwerklich hingeschluchzt und dann von soliden Mischung aus West- der ganzen Band zur fröhlichen Coast-Folk-Rock und Texas Tanznummer umgebaut. Swing, die besonders dann

74 75 Valravn

Übrigens war auch backstage ßen und Scherzen ans Publikum einiges los. Rund um das machte und dann mit erdigem inzwischen vollgeschriebene Reggae in bestem „Babylon By erste Gästebuch trafen sich die Bus“-Feeling alle Gliedmaßen Musiker mit Tömte Hrdina zu von sieben bis siebzig zum feuchtfröhlichen Sessions. Mitzucken animierte. Vor allem der unwiderstehliche Sänger Bei der nordischen Band Pachango setzte mit seinen Valravn gab es die schon im hüftlangen, üppigen Deadlocks, Vorfeld befürchtete Verzöge- seiner warmen, einnehmenden rung beim Soundcheck, denn Stimme, unermüdlichem Tanz eigentlich wollte die Band sogar und einem Feuerwerk guter eine volle Stunde Aufbauzeit. Laune dem Fest die schillernde Dann woben die Mannen um Krone auf. Sängerin Anna Katrin Egilstrøö von den Färöern auf in dunk- Und zu guter Letzt gab es auch les Rot getauchter Bühne mit wieder die Abschluss-Fete im mittelalterlichen Instrumenten Jazzkeller, diesmal mit DJ Just und elektronischen Loops einen Met und Weltmusik bis in den Klangteppich, der die Zuhörer frühen Morgen. Dharma Bums in eine magische Welt zwischen Gegenwart und Vergangenheit entführte – ein faszinieren- des Erlebnis, auch wenn es nicht den Geschmack aller Besucher traf.

Ganz anders Six Nation, die schon aus ihrem professionell kompakt ablaufenden Sound- check eine kleine Show mit Grü-

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17. und 18. August 2012 Wappentier: Schwan 2012 35. Folklorefest Themenabend: Rock ‘n‘ Roll Off izielle Eröffnung durch Jürgen Sauerland-Freer, Leiter des Kulturbüros der Stadt Krefeld Moderation: Helmut Wenderoth

Blue suede shoes unter sengender Sonne

„Mein lieber Schwan!“, wird sich manch einer gedacht haben: Schon zum 35. Mal ging das Folklorefest am 17. und 18. August 2012 über die Bühne auf dem Platz an der Alten Kirche. Aber nicht deshalb war der stolze Vogel zum Wappentier erkoren worden. Vielmehr wollten die Macher des Events damit die langjährige Freundschaft mit dem Schwanenmarkt-Center würdigen, das auch diesmal wieder den Kin- dermalwettbewerb des Folklorefestes mit Preisen ausstaffierte.

Märchenhaft wie die Aura des Schwans war auch das Wetter an diesem hochsommerlichen Wochenende, und weil geschichtsbe- wusste Musik-Fans nur einen Tag vorher den 35. Todestag von Elvis Presley begingen, bot es sich an, den traditionellen Themenabend mit Tanz-Workshop dem Rock �n� Roll zu widmen – hatte der doch 59 Jahre nach seiner Erfindung längst den Status einer Volksmusik erreicht. Also gaben am Freitag Mitglieder des Rock �n� Roll Club Number One Krefeld unter der Leitung von Samuel Cassier und Elke Bartmann den Ton an. Mit jugendlichem Elan und sportlicher Eleganz führten sie vor, wie halsbrecherisch man sich zu den heißen Rhythmen bewegen kann. Freilich war nicht jede Figur für jedes Paar Beine geeignet, und so brachte man den tanzfreudigen Gästen auf dem Platz vor der Bühne nur bei, was nicht in Verdacht stand, von geschäftstüchtigen Orthopäden erfunden worden zu sein. Das trug zugleich auch den Temperaturen Rechnung. Die Band für den kon- zertanten Teil kam dann zwar nicht aus Memphis, aber aus Leipzig.

78 79 Ihr Hochseil – 30 Zentimeter über dem Boden und damit perfekt zum Mitmachen für die Kleinen – hatten sie am Schwanenmarkt- Brunnen aufgespannt, wo man der prallen Sonne nicht ausgesetzt war. Die Preise des Malwettbewerbs verteilte Schwanenmarkt-Cen- ter-Managerin Alexandra Wagner dann wieder von der großen Büh- Die Luftgaukler ne aus. Dort sprach auch Jürgen Sauerland-Freer vom Kulturbüro der Stadt Krefeld sein Grußwort, und dann übernahm Helmut Wen- deroth vom KRESCH in bewährt humoriger Weise die Moderation. Flatlanders Die angekündigte türkische Volkstanzgruppe blieb aus ungeklärten Gründen dem Fest fern. Ins Stocken geriet das Programm deshalb aber nicht. Nachdem sich im Vorjahr ein Versuchsballon mit dem Provinztheater glänzend bewährt hatte, waren diesmal die Flatlan- ders, das famose Horst Hansen Trio und das Quintett Fremitus als Straßenmusiker von unterschiedlichen Punkten aus durch die Stadt zum Festplatz gezogen, um noch ein wenig mehr Publikum in das Zentrum der Lebensfreude zu locken, und dort zelebrierte Fremitus noch einmal ihre flotten Rhythmen aus dem rheinischen Mittelalter.

Das „heißeste Konzert ihres Lebens“ – so erzählte Gudrid Hansdottir noch Jahre später – gab die Singer-Songwriterin von den wetter- trüben Färöer-Inseln, und tatsächlich schmolzen ihre Gitarrensai- Die Barracudas und vor allem Frontmann Frank, ein prima Sänger ten beinah in der Sonne. In ihrer Stimme schienen sich der rockig und quecksilbriger Schlangenmensch dazu, rockten den Platz mit verrauchte Alt Annisette Hansens und die weltfrauliche Coolness Leidenschaft. Er sang überwiegend in Deutsch, aber neben Ted Suzanne Vegas zu mischen, und auch ihr Fingerpicking hatte die Herold und Bully Buhlan kamen natürlich auch Buddy Holly, Bill gute alte Klasse von Greenwich Village – eine Künstlerin, die mit Haley, Jerry Lee Lewis und Chuck Berry zum Zuge. Zwar spielte man ausgeprägter und klischeefreier Handschrift begeisterte. für Rock �n� Roll ein wenig zu schnell und verlor im zweiten Set auch ein bisschen die Linie, aber bei preiswerten Getränken und großer Ganz andere Töne schlug das siebenköpfige fränkische Kellerkom- Auswahl an internationalen Leckereien an den Ständen ringsum war mando an. Dieser Bamberger Bande fiel vor Jahren die grandiose die Stimmung auf dem bestens besuchten Platz schon am ersten Erleuchtung zu, 300 Jahre alte Kneipenlieder noch mal ganz neu Abend Spitze. und frisch zu interpretieren. Sie sind die wahren Erfinder des Prin- zips Anti-Stadl, das inzwischen auch in Krefeld etabliert ist – den Ein Windhauch wie gefächelt strich am Samstag ab und an um die Kappes-Brüdern sei Dank. Traditionelles Volkslied und höherer Häuserecken in der Innenstadt, warf aber die Luftgaukler nicht um, Nonsens verschmolzen mit Polkarhythmen, funky Bläsersätzen und die das Kinderprogramm des Folklorefestes bestritten. nicht ganz ernst gemeinten Raps zu einem ausgesprochen originel- len Act. Und diese Mischung verfehlte ihre Wirkung nicht.

80 81 Vielen Krefeldern schon bekannt und entsprechend heftig ersehnt waren die fünf jungen Schweden von Golden Kanine. Während Folk und Indie-Rock aus dem „Süden des Nordens“ erklangen, füllte sich zusehends der am Nachmittag der enormen Hitze wegen etwas dünner besiedelte Platz. Zu den hervorstechenden Merkmalen der von Linus Lindvall und Andreas Olrog (beide Gitarre und Gesang) gegründeten Band aus Malmö gehörte ihr gelungener Satzgesang. Im Übrigen könnte man ihre Musik unter die Überschrift stellen: „Wenn Lou Reed Folklore spielen würde.“ Alte Fans kamen voll auf ihre Kosten, viele neue wurden infiziert.

Die Zukunft der portugiesischen Folklore – so heißt es in Fach- kreisen – war ebenfalls angereist. Mit seiner Aufbereitung ibero- keltischer Traditionen, stark elektrisch untermauert, bot das Septett Dazkarieh noch einmal eine ganz andere Klangfarbe. Die Sängerin Joana Negrão zog eine durchgehend archaisch-mystische Linie in die neuzeitlich stürmischen Klänge ein – ein reizvoller Schlussak- kord für ein gelungenes Festival. Auf das elfte Folklorefest unter der Regie des Vereins Initiative Folklorefest konnte man mit besonde- rem rheinischen Stolz zurückblicken: 111 musikalische Acts waren nun insgesamt zu Gast gewesen bei Krefelds beliebter Sommer-Ab- schluss-Party. Übrigens wurde in diesem Jahr erstmals der Geträn- keverkauf über Wertmarken organisiert, was das Geschehen an den Barracudas Bier-Bars spürbar entzerrte.

Mojo Mendiola, Schreiber der Chronik

82 83 Gudrid Hansdottir

Kellerkommando

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30. und 31. August 2013 Wappentier: Eichhörnchen 2013 36. Folklorefest Themenabend: Tarantella Off izielle Eröffnung durch Pfarrer Manfred Bautz, Alte Kirche Moderation: Helmut Wenderoth

Von Neapel über Wien und Prag nach Krefeld und Paris

36 = 3 x 12, und das letzte la. Die Sommerhitze während Dutzend dieser drei geht aufs des letzten Festes hatte wohl Konto der Initiative Folklorefest dazu inspiriert, sich für den Krefeld e.V., denn sie hatte zum Themenabend den aus Süd- zwölften Mal die Federführung italien stammenden flotten für die Veranstaltung. Zu ihrem Volkstanz im 3/8- oder 6/8-Takt Wappentier kürte sie diesmal vorzunehmen. Angeführt wird das einheimische Eichhörnchen, er stets von einem Sänger. um auf dessen Schutzbedürftig- Gitarre, Mandoline, Violine keit hinzuweisen. Gegenwärtig und Akkordeon sind die Haup- machen ihm nämlich vielerorts tinstrumente. Der Rhythmus zugewanderte Artgenossen wird von bunt geschmückten die Nüsse streitig. Auch das Tamburinen vorgegeben, und Schwanenmarkt-Center trug zu wenn die Musik schneller wird, seiner Unterstützung bei, indem wird die Tanzrichtung geändert. es den Kindermalwettbewerb Im Neapel des 13. Jahrhundert des Folklorefestes, der immer sollen von der Tarantula-Spinne dem Wappentier gewidmet ist, Gebissene besonders wild mit Preisen ausstaffierte. Und getanzt haben, um das Gift aus so flink wie das buschige kleine ihren Körpern auszuschwitzen, Nagetier ist auch die Tarantel- und das soll der Ursprung der

86 87 Tarantella sein. Soweit wollten gänger Musik für die Kinder es die Sängerin und Tänzerin machten. Unter dem Titel Monica Pointo und Geiger Anto- „Dunkel war‘s, der Mond schien nio Fraioli, zwei aus der Gruppe helle“ brachten sie lang verges- Spakka Neapolis 55, zwar nicht sene deutsche Kinderlieder von treiben, brachten aber nach und anno dazumal, vom Dachboden nach ganz schön Bewegung in geholt und liebevoll entstaubt, das Volk, das sich zum Tanz- den Kleinen zu Gehör. Und auch Workshop eingefunden hatte. deren Mamas, Papas, Omas Ein junger Mann tanzte sogar und Opas waren begeistert. in Ermangelung einer Partne- Im Kindermalwettbewerb, so rin mit seinem Klapprad. Im verkündete Moderator Helmut Konzert danach gelang es dem Wenderoth etwas verlegen, Spakka-Quintett prächtig, das gab es diesmal nur Jungen als ursprüngliche, von hellen Klän- Sieger, und als hätte sie das gen und hohen Tönen geprägte angespornt, fegten die Jungs Flair der Tarantella mit behut- vom Mondo Mashup Sound- samen Modernisierungen in die system, teilweise personal- Gegenwart zu übersetzen. Und identisch mit dem Horst Hansen wenn der Text mal melancho- Trio, mit der ganzen Vielzahl lisch wurde, half der Charme ihrer Instrumente nicht auf die der grazilen Sängerin darüber Bühne, sondern auf den Platz Straßenmusiker in der Innenstadt hinweg. davor und entfesselten von dort locken zum Platz an der Alten Kirche aus ihr Feuerwerk aus HipHop, Manfred Bautz , Pfarrer Mit Straßenmusik in der Stadt Ska, Rock �n� Roll und Funk mit und Hausherr der Alten Kirche begann der Samstag. Sound hochgradig jazzigen Qualitäten. Pregnancy, Flatlanders Folk Da war wieder einmal jeder und Kent Coda betätigten sich Widerstand zwecklos und tosen- als mobile Animateure in den der Applaus so gewiss wie das Einkaufsstraßen, während auf Amen in der Kirche. Dies wiede- der Bühne Zaches & Die Grenz- rum war eigentlich die Domäne

88 89 von Pfarrer Manfred Bautz, Dieses Problem hatten Can- ohne „dessen“ Alte Kirche nichts kisou nicht. Frontmann Karel ginge beim Folklorefest. Und Herman röhrte erst wie ein deshalb fiel es auch ihm zu, die Didgeridoo, dann klang das offiziellen Begrüßungsworte zu ganze tschechische Septett wie sprechen. eine Horde Orks auf Kriegspfad. Nach zwei, drei Titeln aber Mika Vember aus Wien reprä- differenzierte sich ihre Musik sentierte das Singer-Song- von den Bläsern her über die writer-Genre und zeigte sich Saiteninstrumente bis hin zum zunächst einmal überrascht, Satzgesang aus und wurde rich- als man sie über den Krefelder tig interessant. Denn die rein Ursprung ihres Künstlernamens akustisch vorgetragene Melange aufklärte. Sie hatte sich näm- aus unterschiedlichen osteu- lich nach dem renommierten ropäischen und asiatischen Medienwissenschaftler und Volksmusikstilen samt der da- Dokumentarfilmer Bernward zugehörigen exotischen Instru- Wember benannt, und der ist mente sucht bislang vergeblich schließlich ein Sohn von Paul ihresgleichen. Wember, dem beinah legendär- en und langjährigen Direktor Am weitesten entfernt vom des Kaiser Wilhelm Museums Folkloristischen war der elek- in Krefeld. Mika Vembers leicht tronische Sound des multina- spröde Stimme ergab mit Martti tionalen Sextetts N.O.H.A. – im Winklers Akkordeonbegleitung Klartext „Noise Of Human Art“. einen warmen Sound. Ihre Da fielen Lissabon, New York hörens- und nachdenkenswer- und Prag auf dem Platz in Kre- ten Texte kamen in der lockeren felds Mitte lautstark zusammen, Open-Air-Atmosphäre allerdings und zwar mit Wummerbässen, nicht so gut rüber wie in einem MG-Salven-Rhythmik und Rap- geschlossenen Saal oder Club. Sprechgesang. Das wurde eine harte Bewährungsprobe für die Beschallungstechniker der

Les Yeux d‘la Tête

90 91 Krefelder Firma Ilbertz Veran- Stadt Paris, der Heimat des staltungstechnik. Man erinnert französischen Chansons, wurde sich, dass auch beim Folklore- zum krönenden Genuss. Und fest solche Situationen schon manch ein Gast nahm noch ein mal aus dem Ruder liefen. Der Souvenir mit nach Hause: Alle Ilbertz-Crew aber gelangen 50 von Michael Hagmann aus Cankisou auch bei dieser Band saubere Silber gefertigten Folklorefest- und ausgewogene Klangbilder, Eichhörnchen sowie Dutzende sodass sie anhörbar blieb – und von Folklorefest-Unterstützer- das trotz erfreulich kompakter tassen im Design des Comic- Umbau- und Soundcheck- Künstlers Frät wurden verkauft Pausen während des ganzen und trugen mit ihrem Erlös zur Festivals. Finanzierung des Festivals bei.

„Das Chanson ist tot – es lebe das Chanson“, hieß es schließ- lich. Aus Frankreich waren Les Yeux d’la Tête angereist und lie- ßen mit ihrem spritzig-witzigen Mix aus Chanson, Rock �n� Roll und Swing die gute Laune noch einmal richtig aufschäumen. Mochte der Abend in Krefeld schon kühl werden, die sechs Musiker platzen schier vor Ener- gie und Spielfreunde. Ihre musi- kalische Reise durch die Seine-

Nancy Schuster-Vennekel, Finanzvorstand

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15. und 16. August 2014 Wappentier: Krähe 2014 37. Folklorefest Themenabend: Son Cubano Off izielle Eröffnung durch Thomas Janzen, Museums- pädagoge an den Kunstmuseen Krefeld Moderation: Helmut Wenderoth

Krefelder top in Sachen Stimmung

Über das Wappentier des Folklorefestes wollte man sich diesmal nicht lange den Kopf zerbrechen: Die Krähe sollte es sein, war ihre Wahl doch längst überfällig, denn eigentlich ist sie ja das perma- nente inoffizielle Wappentier der ganzen Stadt. Beim Themenabend fiel die Wahl nicht ganz so leicht, doch man entschied sich sommer- lich heiter für den Son Cubano. Während sich bei stabilem Wetter die aufsteigenden Düfte aus den internationalen Imbiss-Ständen rundum zu mischen begannen, führten Torsten Zapka und Partnerin vor, wie man zu Son Cubano und Salsa tanzt, jener Musik, die durch Ry Cooders Produktion Buena Vista Social Club über Nacht zu einem weltweiten Exportschlager wurde. Während aus iberischen und afrikanischen Zutaten anderswo in Mittel- und Lateinamerika eher feurige Mischungen entstanden, entwickelte sich auf Kuba vor 150 Jahren der wiegende, eher sanft glühende Son. Und deshalb war der Tanz-Workshop auch für etwas ältere Semester geeignet, wovon sie genüsslich Gebrauch machten. Der konzertante Teil, bei dem man dann anwenden kann, was man gelernt hat, wurde von der Band Soneros de Verdad bestritten, einem Oktett, das direkt von der Rum- und Zuckerinsel kam. Die jungen Musiker verstehen sich mit vollem Recht als Nachfolger des „Buena Vista Social Club“, denn sie machten ihren Vorbildern alle Ehre. Vor allem Juan „Cotó“ de la Cruz Antomarchi an der dreisaitigen Tres-Gitarre, Lead Sänger Luis Frank Arias und das atemberaubende Percussion-Team Alexander Garcia Barrera und Fabián Sirgado Pérez heizten unwiderstehlich ein.

94 95 Wer hätte das gedacht: „So ein Mist!“ war das passendste und des- halb auch erfolgreichste Lied, mit dem das Duo Spunk am Samstag ab 14 Uhr die Kinder unterhielt, denn es regnete in Strömen und hörte erst gegen Ende ihrer Vorstellung auf. Doch allzu sehr beein- trächtigen ließ man sich davon nicht. Gerd Müller – nein, nicht der „Bomber der Nation“, es gibt auch einen Gerd Müller in Düsseldorf – und Axel Heinrich erwiesen sich als spritzige Musikanten und Geschichtenerzähler. Und das Schwanenmarkt-Center prämierte traditionsgemäß die besten „Rabenbilder“ von Kinderhand.

Eine zweite Dusche gab es ausgerechnet, als Pelodum, die brasili- anisch-deutsche Trommelgruppe aus Essen, mit jenen Rhythmen aufspielte, die durch Paul Simons Album „Rhythm Of The Saints“ weltberühmt wurden. Der Reggae karibischer Art, der Samba Brazil, die Mischform Sambareggae und der afro-amerikanische Funk sind Son Cubano die Quellen, aus denen das 2003 von Danilo und Ina da Silva Danilo gegründete Ensemble schöpft. Und es eiferte seinen Vorbildern aus Bahia mit aller Kraft nach. Im Übrigen empfahl Moderator Helmuth Wenderoth als Mittel gegen die Nässe: „Das böse R-Wort gar nicht Mondo Mashup Soundsystem erwähnen und sich das Wetter einfach schönreden.“ Und tatsäch- lich: Von da an blieb es trocken und wurde sogar noch richtig freundlich.

Nach der offiziellen Begrüßung durch den Museumspädagogen Thomas Janzen eröffnete das mongolische Quartett Sedaa das Hauptprogramm, und nun strömte auch das zuvor etwas zögerli- che Publikum in hellen Scharen auf den Platz. Die Musik von See- da speist sich aus persischen und mongolischen Quellen, und vor allem begeisterte Ganzorig Davaakhuu mit seiner melodischen und rhythmischen Virtuosität auf dem Hackbrett. Ein besonderer Reiz ging auch von dem leicht shanty-artig wirkenden Satzgesang aus,

Klaus Wiewrodt, sorgt seit Beginn für Getränke

96 97 den Naraa Naranbatar und Nasaa Nasanjargal boten. Interkulturelle Highlights setzte ferner das Zusammenwirken der mongolischen Volksinstrumente mit der ebenfalls meisterlich gespielten Gitarre von Omid Bahadori.

Ein wenig enttäuschend verlief das Set der Gruppe Euzen aus Dänemark. Nach einem lauten, aber letztlich harmlosen Gasknall, der auch nicht von der Band kam, sondern von einem der Bierwa- gen, legte sich eine gothic-artige Monotonie über das Geviert vor der Alten Kirche. In Sachen Rhythmus schien sich Euzen zu sehr an Marschmusik geschult zu haben. Nur mit Mühe gelang es der Sänge- rin Maria Franz, das Klangbild ein wenig aufzulockern.

Das von Wenderoth beschworene „Ende der Griesgrämigkeit“ trat so richtig erst mit dem Auftritt des Mondo Mashup Soundsystems ein. Dieses unwiderstehliche Dutzend junger Krefelder Musiker, die vor nichts Halt machen, schon gar nicht vor dem Spaß an der Spielfreude, schlug wieder einmal alles in die Flucht, was der guten Laune hätte schaden können. Das meist fünfköpfige Horst Hansen Trio sowie die Gruppen Kassiopeia, Luke & Betrug, Smurv und Sound Pregnancy sind die Bands, die sich schon vor Jahren zum kreativen Netzwerk Mondoversum zusammengeschlossen haben. Und seit 2010 spielen dreizehn dieser jungen Musiker im Mondo Mashup Soundsystem zusammen. So nutzt man Synergien, ohne dabei Arbeitsplätze zu vernichten – ganz im Gegenteil: Man schaukelt sich gegenseitig auf. Mit einem elegant abgefälschten Reggae der Schlagwerker ging’s los, eine Brian-Auger-Orgel gesellte sich dazu, dann stiegen memphis-mäßige Bläser ein, und auch nach ihrem Set rühmte man im Publikum noch lange die fantastische Rhythmik und den witzigen Stil-Mix aus Hiphop, Funk, Reggae, Jazz und Soul.

98 99 Das konnten auch die acht Jungs von Karamelo Santo aus Argenti- nien nicht toppen, gaben dem Festival aber mit ihrer Latino-Inter- pretation des karibischen Ska einen tollen Abschluss. Das „heilige Bonbon“ war aus Mendoza in Argentinien angereist, ist aber weder eine traditionelle noch eine moderne Tango-Kapelle. Latin Ska, Rock und Punk, Tex-Mex, Reggae und Cumbia wurden zu Ingredienzien für den ganz eigenen Sound des 1993 gegründeten Oktetts – ein heißer Abschluss für Krefelds große Sommer-Abschluss-Party.

Ach übrigens: Nachdem die Initiative Folklorefest e.V. in der Vergan- genheit bereits für die Initiative „Krefeld gegen Kinderarmut“ gewor- ben hatte, lenkte man die Aufmerksamkeit diesmal auf den „Verein zum Erhalt der Alten Kirche Krefeld als Gottesdienststätte und als Karamelo Santo Raum für Musik und Kultur e.V.“ Sedaa

Euzen

Andreas Thielemeier unterstützt mit dem Schwanenmarkt das Fest

Harry Emke, 1. Vorstitzender

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7. und 8. August 2015 Wappentier: Pinguin 2015 38. Folklorefest Themenabend: Krefelder Kultnacht Off izielle Eröffnung durch Petra Schwinn, Dipl. Biologin im Krefelder Zoo Moderation: Helmut Wenderoth

Rekordumsatz mit Krefelder Bands

Weniger die Eishockey-Helden ten sich nicht, wie gewohnt, vor der Seidenstadt, eher der neue den Häuserfronten des Gevierts Pool mit Humboldt-Pinguinen aufgereiht. Die Festivalleitung im Krefelder Zoo war aus- wollte „Musik und Mampf“ ein schlaggebend für die Wahl des wenig entzerren und hatte ein Wappentiers 2015, denn die extra „Esszimmer“ eingerichtet. Freundschaft zwischen Zoo und Das Kulinarische war nun auf Folklorefest ist eine, die – ge- dem Übergang zwischen Alter fühlt – schon seit der vorletzten Kirche und Schwanenmarkt als Eiszeit existiert und seitdem „Genießermarkt“ angesiedelt, noch kein bisschen abge- dazu waren Tische und Bänke schmolzen ist. Und da passte es aufgestellt. Das erwies sich im natürlich ausgezeichnet, dass großen Ganzen als vorteilhaft. Petra Schwinn, Dipl. Biologin im Und aus dem Seiteneingang Krefelder Zoo, auch die offiziel- zur Alten Kirche wurde eine len Eröffnungsworte sprach. zusätzliche kleine Bühne, auf der am Freitag Markus Türk und Ihr „Wohnzimmer“, wie die Manfred Heinen während der Krefelder den Platz an der Alten Umbaupausen auf der Haupt- Kirche im Zusammenhang mit bühne unter großem Beifall ihr dem Folklorefest gern nennen, anspruchsvoll-humoriges fanden sie allerdings leicht ver- Musikkabarett Furiosef zum ändert vor. Die internationalen Besten gaben. Spezialitätenköche nämlich hat-

102 103 M. Walking on the Water

„Krefelder Kultnacht“ hieß das men gemacht haben. Das größte Motto des Themenabends am Vergnügen im Set der Indie- Freitag. Schließlich hatte das Rock-Combo um Frontmann Jan Festival ja mal nur mit lokalen Büttner bereitete die satte Orgel Gruppen angefangen, und der von Christian Peitz. durchschlagende Erfolg des Mondo Mashup Sound- Auch Tchalo, eine Krefelder systems im vergangenen Jahr Erfolgs-Band der 80er Jahre mit ermutigte zusätzlich, dem öfter Basis im „Blauen Engel“, die in geäußerten Publikumswunsch Deutschland und Frankreich nach einem Abend nur mit Kre- Erfolge gefeiert und sich für felder Gruppen nachzukommen. das Folklorefest noch einmal Da konnte man ausnahmsweise zusammengefunden hatte, auch mal auf den Tanz-Work- spielte sichtbar mit Verve. Das shop verzichten und begann um Sextett litt allerdings un- 18 Uhr gleich mit den Jungs vom ter seinem Tontechniker. Die Lila Lindwurm, Kinderprogramm Provinztheater. Und die rissen reizvolle Mischung aus magh- mit ihrer Spielfreude, ihrem rebinischem Rai, westeuropäi- Können und mit ihrem Humor schem Rock und italienischen unwiderstehlich mit – z.B. mit sowie spanischen Zutaten kam der Ballade vom Niedergang nur eingeschränkt zur Geltung. des Helden, „dem es einst mög- Azze-Edine Mihoubis Gesang lich schien, schneller als sein sowie Sioux‘ Gitarre kämpften Schatten zu ziehn.“ in einer unkontrollierten Bass- Suppe ums Überleben, und Jörg Ihnen folgten die Fog Joggers, Meuthers Akkordeon sowie Max die seit ihrer Gründung 2007 Zelzners Querflöte waren stre- einen beachtlichen Weg genom- ckenweise gar nicht zu hören. men und sich spätestens mit Letztlich blieben nur die Rhyth- ihrem „Waiting In The Wings“ in men, die zündeten, und das war der ganzen Republik einen Na- sehr schade.

104 105 Bei Markus Maria Jansen, Mike Namen den geringsten Eindruck. Pelzer und ihrer Band M. Wal- Die Great Bertholinis blieben king On The Water war das zum erstaunlich blass. Dafür, dass Glück wieder anders. Zusätzlich sich acht Musiker aus dem zu ihrem regulären Line-Up als Frankenland um einen Mix aus Quintett, dessen Mitglieder öf- Indie-Rock und allen möglichen ter auch auf getrennten Wegen osteuropäischen Folklore-Stilen Erfolge einheimsen, brachten bemühten, kam relativ wenig sie noch drei Streicher mit auf Stimmung auf. die Bühne, um alte Hits wie „Elysian“ neu zu veredeln. Und Bei den übrigen Acts, die Hel- das konnte man nicht nur se- mut Wenderoth vom Kresch Helmut Wenderoth, Moderation hen, sondern auch hören. Und in bewährt humoriger Manier so verhalfen sie dem Krefelder ankündigte, ließen nicht alle ei- Kultabend – zusätzlich zum nen Bezug zu Folklore und/oder Rekord-Umsatz – doch noch zu Weltmusik erkennen. Dennoch einem gelungenen Abschluss. fühlte sich das Publikum prima bedient. Kuersche und drei Ex- Am Beginn des Samstags-Pro- Furys aus dem Slaughterhouse gramms stand selbstverständ- zeigten sich u.a. vom Liver- lich die Kinderstunde. Der Lila pooler Mersey-Beat inspiriert, Lindwurm alias Anders Orth hatten aber auch noch andere krabbelte aus Mönchenglad- Retro-Töpfe auf dem Herd, z.B. bach mit clownesken Sketchen „Dead + Gone“. Da kam wieder und Geschichten in die Herzen Schwung ins Publikum. Die der Kleinen. Was macht man Party-Stimmung ging weiter in Furiosef Monsieur Periné zum Beispiel mit einem Wasch- groovenden Reggae-Rhythmen bärenkind, wenn es sich nicht mit Ratatöska aus Berlin. Man waschen will? nennt sie auch den Musik gewordenen Sommer-Urlaub. Von den Samstags-Bands auf Zwar waren die deutschsprachi- der Hauptbühne hinterließ die gen Texte eher banal, aber was mit dem anspruchsvollsten die fünf Instrumentalisten um

106 107 Sänger Christopher Linke boten, Den Schlusspunkt auf der war handwerklich top und auf Hauptbühne setzte das Oktett jeden Fall karibik-tauglich. Monsieur Periné aus dem ko- lumbianischen Bogota. Ihre Mi- Auf dem Nebenplatz stellte sich schung aus diversen Latin-Sti- zuerst der Singer-Songwriter len, Reggae und Sinti-Swing, vor Mark Gorzolka vor. Der Aust- allem aber ihre quirlige Sänge- ralier Tim McMillan und seine rin Catalina Garcia, heizten am Begleiter klangen ein bisschen kühler werdenden Abend noch wie einst das Trio Farfarello, nur einmal richtig durch. mit weniger Geige und dafür Tschalo viel Gesang. Dem Begriff Folklo- Und noch eine kleine Neuerung re am nächsten kam in diesem sollte man nicht übergehen: Jahr der Argentinier Gustavo Das Programmheft erschien Imusa. Mit seiner tollen Bariton- diesmal nicht mehr im Vokabel- Stimme und den verlangsamten Heft-sondern im eleganten Huayno-Rhythmen auf seiner Hochformat. Gitarre weckte er Erinnerungen The Fog Joggers an die große Mercedes Sosa.

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19. und 20. August 2016 Wappentier: Waschbär 2016 39. Folklorefest Themenabend: Lindy Hop Off izielle Eröffnung durch Ute Richter, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Krefeld Moderation: Helmut Wenderoth

Mit Sicherheit in bester Stimmung

Das 39. Folklorefest gelang wieder einmal besonders gut. Wappen- tier war der Waschbär, von dem letztes Jahr schon der „Lila Lind- wum“ gesungen hatte, und daran konnte sich das Tier auch gut erinnern, denn Waschbären haben ein tolles Gedächtnis. Zuhause ist das putzige Tier in den USA, genau wie die Musik des Themen- abends, der Elektro-Swing, und der dazu passende Tanz namens Lindy Hop. In den 1930er Jahren fand er vom legendären New Yorker „Harlem Ballroom“ aus in den Großstädten Amerikas fast epide- mische Verbreitung und nahm manches vorweg, was in Europa 20 Jahre später mit dem Rock �n� Roll zur volkstanz-ähnlichen Massen- bewegung und zum akrobatischen Turniersport wurde. In Krefeld gelang nun den Spezialisten einer Tanzschule die Wiederbelebung. Dr. Beat und Partnerin begannen ihren Workshop recht gemütlich zu Nina Simones „My Baby Just Cares For Me“. Als die Klippen steiler wurden, eilten Nicolle Rochelle und die Gruppe Gingkoa auf die Bühne, badeten die Menge förmlich in guter Laune und erweckten den Tanzgeist zu neuem Leben. Mit Swing im geläufigen Sinne hatte ihr Vortrag zwar wenig zu tun, aber er funktionierte, und ein einge- schmuggelter französischer Musette-Walzer wurde sogar von Klein- kindern auf dem Platz mit spontanen Tanzbewegungen quittiert.

Die Band Ginkgoa, ein seit 2010 bestehendes, aus New Yorker und Pariser Musikern bestehendes Quartett, bestritt auch den konzer- tanten Teil des Themenabends. Seinen Namen leitet es übrigens

110 111 tatsächlich von der ältesten Baumart der Erde ab, von der auch in der Seidenstadt einige Exemplare zuhause sind. Ginkgoa braute einen farbenfrohen Mix zusammen, in dem Amerikanisches und Französisches in – ganz wörtlich – unerhörter Weise miteinander harmonierten: Chansons aus der Alten Welt mit amerikanischen Ginkgoa Vibes und Songs aus der Neuen Welt mit französischem Flair, dazu jede Menge spritziger Pop und natürlich der unsterbliche Swing – das musste geradezu zwangsläufig zu ausgelassener Party-Stim- mung führen.

Am frühen Samstagnachmittag kamen als erstes wieder die Knirpse an die Reihe. Für sie war Ferri, der Piratenforscher, gekommen. Sein Lied vom Tiefseeungeheuer Zampedusel war zum Mitmachen für die Christoph Borgmann von der Werbegemeinschaft, Kinder zwar eigentlich zu kompliziert, aber beim Baggerseepiraten Christopher Wessel und Kathrin Busch vom Schwanenmarkt unterstützen seit Jehren das Festival Paule und den übrigen Figuren machte die Kinderschar begeistert mit und wurde gebührend beklatscht. Die Sieger des Kindermalwett- bewerbs wurden übrigens von Kathrin Busch, der neuen Managerin des Schwanenmarkt-Centers prämiert.

Italien plus Argentinien – musikalisch ging das immer schon gut zusammen und hat der Welt zum Beispiel den unsterblichen Tango Doctor Krapular beschert. Ein bisschen sehen sich auch die vier jungen Musiker der Band Espana Circo Este in dieser Tradition, stammen doch auch sie aus beiden Nationen und nennen ihre Musik gelegentlich Tango- Punk. In ihrem originellen Mix steckte allerdings noch mehr. Mit dem vorwärts stürmenden Rhythmus eines ratternden Eisenbahnzuges brachte das Quartett sein Set in Fahrt, reicherte seine Polkas mit Ska und Hard Rock an und vor allem mit einem ganz schrägen Ak- kordeon und einer herrlich schmachtenden „Zigeunergeige“.

112 113 Doctor Krapular

In mancherlei Hinsicht ähnlich klang die Band Doctor Krapula, machte aber weniger Tempo, weil sie den Gesang und die Texte in den Vordergrund stellen wollte. Die fünf jungen Männer wohnen in Kolumbien und setzen sich mit ihrer Musik für die Bewahrung der Regenwälder ein. Denn im Schatten bürgerkriegsähnlicher Konflikte und rivalisierender Drogenkartelle haben diejenigen Konzerne leich- tes Spiel, die immer noch täglich große Flächen des unersetzlichen Regenwaldes für kurzsichtige Zwecke abholzen – mit verheerenden Folgen für die indigenen Völker und den Artenreichtum am großen Strom sowie das Klima weltweit. Die trotz ihres Ernstes fröhlich vorgetragene Botschaft kam bestens an, und Doctor Krapula konnte nach ihrem Auftritt besonders viele CDs absetzen.

In den Umbaupausen präsentierten sich auf der Nebenbühne am angrenzenden Genießermarkt die Sieger des jüngsten Singer-Song- writer-Slams im Südbahnhof. Ben Dickhöver hat offenbar viel Gutes von Tracy Chapman gelernt, Joe Scholes ließ Einflüsse von Mersey- Beat erkennen, und die erst 16jährige Hanna Schwalbach erinnerte in mehrfacher Hinsicht an Melanie Safka, klang allerdings etwas scharfkantiger in der Stimme und war noch ein wenig zu hektisch im Timing. Alle drei aber fanden viel Aufmerksamkeit beim schmausen- den Publikum und wurden herzlich beklatscht.

Musikalisch besonders interessant bot sich das Helsinki Cotonou Ensemble dar. Janne Halonen aus Helsinki, seines Zeichens Gitarrist und Sänger, und der Trommel- und Gesangsvirtuose Noël Saïzonou schlossen Freundschaft in Cotonou in Mali und bilden den Kern dieses Acts. Mit den von westafrikanischer Kora und zentralafrika- nischer Mbira inspirierten Gitarrenfiguren und dem mehrstimmigen Gesang war ihre Musik stark ethnisch-folkloristisch geprägt. Die packende perkussive Dichte des Septetts rückte ihre Musik zugleich in die Nähe von Carlos Santana zu dessen Glanzzeiten – ein toller Auftritt.

114 115 Schließlich war es Zeit für die mit großer Vorfreude erwartete Ams- terdam Klezmer Band. Giora Feidman entzündete 1987 die Flamme des fast vergessenen Klezmer ganz neu, und das niederländische Septett, dessen Chef Job Chajes bekennender Kraftwerk-Fan ist, gilt als die beständigste Gruppe, die aus der neuen Klezmer-Blüte her- vorgegangen ist. 2016 feierte sie ihr 20jähriges Jubiläum und spielte in bester Jubi-Laune. Ihre multi-instrumentalen Unisono-Strecken auf interkulturellem Parkett und die virtuos überschäumenden Soli, Constantin Vennekel, Medienvorstand besonders auf der Klarinette, ließen niemanden unberührt, und so klang das Fest in allerbester Stimmung aus.

Übrigens: Erstmals kamen beim Folklorefest auch Sicherheits-Kräfte zum Einsatz, dezent in Helfer-T-Shirts gekleidet, aber durch die Auf- schrift „Security“ erkennbar.

Helsinki Cotonou Ensemble Amsterdam Klezmer Band

116 117 25. und 26. August 2017 Wappentier: Erdmännchen 2017 40. Folklorefest Off izielle Eröffnung durch Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld Moderation: Helmut Wenderoth und Johannes Floehr

Was man bei Drucklegung schon wusste...

40 Jahre Folklorefest Krefeld, vielen Jahren als ehrenamtli- was für ein Jubiläum! Und cher Helfer im Standdienst aktiv davon die letzten 16 Jahre unter unterstützt hat, hat nun für das der Regie der Initiative Folk- Jubiläumsjahr die Schirmherr- lorefest. Wenn das kein Grund schaft übernommen. Und das zum Feiern ist! Und man hat ist niemand Geringerer als der den Verein, der zur Zeit ca. 80 Oberbürgermeister der Stadt Mitglieder (Aktive und Förder- Krefeld Frank Meyer. Es ist der mitglieder) zählt, sogar ganz Initiative Folklorefest eine be- offiziell geehrt: Er erhielt den sondere Ehre, dass er auch die Bürgerpreis 2010 der Stadt offiziellen Eröffnungsworte am Krefeld für die Fortführung des Samstagnachmittag sprechen Folklorefestes und 2014 den wird. Ehrenpreis des Kreisverbandes von Bündnis‘90/Die Grünen für Und nun zu dem, was die Ma- Engagement und Courage. Denn cher sonst noch wissen oder die Initiative, oder „die Retter“, zu wissen glauben, während wie sie sich selbst stolz nennen, gleichzeitig noch soviel Arbeit haben das Fest, das die Stadt vor ihnen liegt – jetzt, bei der im Jahr 2001 aufgeben musste, Drucklegung dieser Festschrift. 2002 wieder zum Leben erweckt und weiterentwickelt. Und was Als Wappentier wurde wieder sie besonders stolz macht: eines aus dem Zoo ausgewählt, Einer, der das Fest schon vor was die enge Kooperation

118 119 zwischen Folklorefest und Kre- Trotzdem soll es – gerade in so wunderbar über Krefeld, Apparatschik (Russland/Berlin), Auch, was das organisatorische Der Genießermarkt soll seinen felder Zoo erneut unterstreicht. Zeiten zunehmender Feindse- als hätten sie ihn gerade erst deren Musiker 2007 als herzer- Drumherum angeht, hat der Platz zwischen Alter Kirche Im Zuge der Umgestaltung der ligkeiten – wieder eine bunte gemeinsam mit Bob Marley er- frischende musikalische Laus- Vorstand der Initiative Folklore- und Schwanenmarkt behalten, Afrikawiese nämlich und des Mischung werden, die unser funden. Und man darf gespannt buben mit ihrer ganz speziellen fest einige Änderungen be- kulinarisch aber einem neuen Nashorngeheges ist eine Anlage Folklorefest einmal mehr zum sein, ob die damals hüftlangen Art von Kosaken-Punk begeis- schlossen: Trend Rechnung tragen, der für Erdmännchen eingerichtet Zeichen gegen Nationalismus Dreadlocks des charismatischen terten. Eine weitere Krefelder einerseits das gewohnte und worden, mit deren Nachzucht und Rassismus und zum geleb- Sängers Pachango noch länger Band, die noch zu benennen Die Wertmarken für den Kauf beliebte internationale ku- noch in diesem Jahr begonnen ten Vorbild für freundschaft- wachsen durften. ist, und die punkig-stürmischen von Getränken werden aus or- linarische Angebot fortsetzt, werden soll, wie Zoodirektor Dr. liches Miteinander und Integ- Bretonen von Red Cardell ganisatorischen und wirtschaft- andererseits den nomadischen Wolfgang Dreßen hofft. Wap- ration macht. So wird für den Der Samstag soll mit dem (Frankreich/Bretagne) stehen lichen Gründen wieder abge- Charakter widerspiegelt, der pentier ist also das wuselige Freitagabend Sedaa (Mongolei/ Kinderprogramm von Zaches & auf dem Programm. Sie spielten schafft. Das ursprünglich klare die Lebensweise der Musiker Erdmännchen. Persien) ein zweites Mal nach Zinnober (Bremen) beginnen, 2005 schon einmal in Krefelds Konzept, dass anfangs auch zu und anderer freiwilliger Welten- Krefeld kommen. Das Erbe eines die 2011 die Kinderherzen vor „Wohnzimmer“ auf und wollen der beabsichtigten Entzerrung bummler kennzeichnet. „Food- Musikalisch soll es ein „Best nomadischen Steppenvolkes allem mit einem ernährungs- diesmal mit erweiterter Beset- des Andrangs an den Verkaufs- trucks“ nennen die zumeist of“ der letzten 15 Jahren des und einer Hochkultur treffen in politisch ganz inkorrekten Lied zung kommen. Der katalanische stellen führte, ist im letzten Jahr jungen und innovativen Koch- Folklorefestes geben – soweit dieser Gruppe zusammen, und über Pommes Frites mit Ketch- Sänger und Akkordeonist Joan verwässert worden, indem an künstler ihre mobilen Küchen, möglich, denn schon ganz am 2014 begeisterte sie unter ande- up und Mayonnaise eroberten. Garriga hat mit La Troba Kung den Ständen sowohl Wertmar- und was sie darin zurechtbruz- Anfang der Planung stellte rem mit ihrem originellen Satz- Einer der ersten im Kreise der Fu 2007 den Patz an der Alten ken als auch Bargeld akzeptiert zeln, ist verdammt lecker. sich heraus, dass sich einige gesang. Die dreizehn Entschlos- Retter des Folklorefestes war Kirche zum Kochen gebracht. wurden. Und dadurch stand der der tollsten Bands seit ihren sensten aus dem Horst Hansen Caco, Krefelder Künstler und Diesmal kommt er mit seiner Aufwand für das Wertmarken- Auftritten auf dem Platz an der Trio sowie aus den Gruppen Musiker, der sich mit seinen neuen Band Galactic Mariatxis system in keinem Verhältnis Alten Kirche schon wieder auf- Kassiopeia, Luke & Betrug, trommelnden Freunden immer und einem Repertoire aus altem mehr zum Erfolg. Ab dem 40. gelöst haben. So muss also auf Smurv und Sound Pregnancy wieder für gemeinnützige Zwe- und brandneuem Material. Folklorefest wird also wieder Metisolea (Frankreich), As de sind ebenfalls wieder mit von cke einsetzte. Caco & Friends Auch der Faktor Straßenmusik überall nur mit Bargeld bezahlt. tréfle (Frankreich), Gjallahorn der Partie, denn sie bilden das musizierten 2002 vor der Alten wird wieder dabei sein. Diverse (Finnland) und Dazkarieh (Por- Mondo Mashup Soundsystem, Kirche und sollten es auch Gruppen starten an verschie- Der Security-Dienst, der sich tugal) verzichtet werden. Und Krefelds zur Zeit steilste Musik- diesmal wieder tun. Aber das denen Punkten der Stadt und im Vorjahr so prima bewährt Les Yeux d‘la Téte (Frankreich), Rakete. Auch mit Six Nation, geht ja nun nicht mehr. Seine ziehen als musikalische Lockvö- hat, wird auch das 40. Festi- Monsieur Periné (Kolumbien) deren Musiker tatsächlich aus Retter-Kameraden grüßen den gel durch die Straßen zum Platz val begleiten – so diskret und sowie Espana circo este (Ita- sechs Nationen stammen, Verstorbenen, wo immer er jetzt an der Alten Kirche. Wer das sensibel wie 2016, nur mit etwas lien) können aus terminlichen darf wieder gerechnet werden. weilen mag. Freuen darf man sein wird, ist momentan noch mehr Personal, damit‘s noch Gründen nicht kommen. 2011 brachten sie den Reggae sich dagegen erneut auf so geheim, dass wir es selbst reibungsloser klappt. noch nicht wissen.

120 121 So weit, so gut! Und was nun?

Oder: Wie soll es mit dem Folklorefest weitergehen? eines der ältesten und größten „Umsonst & Draußen Festival“ für Folk- und Weltmusik in Deutschland.

Als das „Retter-Team“, der Nukleus der Initiative Folklorefest, im Was erhalten werden soll, muss aber auch verbessert werden. Jahr 2002 die Federführung für die Veranstaltung übernahm, gab es So soll zum Beispiel dem Umweltschutzgedanken noch besser natürlich nur ein großes Ziel, nämlich das Folklorefest überhaupt Rechnung getragen werden. Im Umgang mit Wasser und anderen am Leben zu erhalten. Pragmatismus reinsten Wassers war ange- Ressourcen gibt es noch Optimierungsspielräume, ferner in der sagt, nur so konnte die vielschichtige Organisationsaufgabe aus Müllentsorgung, und selbstverständlich hat auch das Speisenan- dem Stand heraus gelingen, und natürlich hat diese bodenständige gebot seine ökologischen Gesichtspunkte. Neue Akzente sollen es Denkweise auch weiterhin das Planen und Handeln im Vorstand des einerseits attraktiver machen, ohne es andererseits nennenswert Vereins geprägt. zu verteuern. Weniger Fleisch wird angestrebt, und vor allem kein Fleisch aus Massentierhaltung. Mit zunehmender Erfahrungen wuchsen aber auch Souveränität und Mut. Das Team begann, die Qualität des Programms in musikalischer Die Initiative Folklorefest e.V. will außerdem zu einem genre-über- und inhaltlicher Form weiterzuentwickeln. Man holte mehr Profis auf greifenden Knotenpunkt für eine bessere Vernetzung und intensi- die Bühne und führte auch elektrische Instrumente in das Musik- vere Kooperation aller Kulturschaffenden und Kulturbetriebe in Kre- geschehen ein, denn bekanntlich bedeutet Traditionspflege nicht feld und am Niederrhein werden. Das digitale Zeitalter hat zwar den das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme. Die Begriff „Vernetzung“ erfunden, die digitale Vernetzung ersetzt aber Anzahl der Acts und der Zustrom des Publikums nahmen zu, sodass nicht die analoge, mit anderen Worten: Nichts ersetzt das Zusam- für das internationale Speisenangebot der Nebenplatz zum Schwa- mentreffen an runden oder auch eckigen Tischen, das persönliche nenmarkt hin eingerichtet wurde, um die Besucherdichte vor der Gespräch, die live-haftige, vielleicht auch mal hitzige Diskussion und Bühne wieder zu entzerren. den von Angesicht zu Angesicht gemeinsam gefassten Beschluss. So lassen sich auch die aus dem Ausland stammenden Mitbewoh- Und wie soll es nun weitergehen? Der Vorstand hat sich ja vollmun- ner – schon länger hier lebende und aktuell neu zugewanderte – dig mindestens zehn weitere Folklorefeste vorgenommen. einbeziehen und integrieren. Schließlich war das der ursprünglich auslösende Gedanke des Festivals, und er muss immer mal wieder, Das vorrangigste Ziel ist natürlich weiterhin die Erhaltung dieses gerade gegenwärtig, neu befeuert werden. Festivals, und das ist – wie das meiste im Leben – immer auch eine Frage der Finanzen. Den guten Kontakt zu den Sponsoren zu pflegen Und auch ein Fernziel hat sich die Initiative gesetzt: Rund um das – auch an dieser Stelle sei ihnen herzlicher Dank ausgesprochen – Jahr soll die Kulturlandschaft „on tour“ am Niederrhein mit Konzer- und selbstverständlich die Gewinnung neuer Förderer bleiben ten und Kulturveranstaltungen aller Art bereichert werden. So will deshalb wichtige Aufgaben des Vorstands. Und natürlich soll das das Folklorefest, gemeinsam mit möglichst vielen Partnern, nicht Festival weiterhin auf dem Platz an der Alten Kirche stattfinden, als nur in der Stadt Krefeld wirken, sondern darüber hinaus auch ins ein vergnügliches und anspruchsvolles Ereignis, das dennoch allen Hinterland ausstrahlen. Krefeldern bei freiem Eintritt offensteht. Das Folklorefest Krefeld ist

122 123 Retter und Vorstandsmitglieder

Christian Biegemeier, Vorstand Renate Krins, Retterin Caco ( ), Retter Melanie Laig, Retterin, Vorstand Harry Emke, Vorstand Jörg Meuter, Retter Renate Gotzen, Vorstand Nina Multhoff-Kohrs, Vorstand Jörg Grünauer, Vorstand Heike Nerger, Vorstand Wolfgang Hunzinger, Vorstand Jordi Preußer, Retter, Vorstand Nadine Jacobs, Vorstand Alexander Rachmann, Vorstand Alex Karrasch, Vorstand Eva Roux, Retterin Winni Kappes, Vorstand Torben Schultz, Retter Betty Köhncke, Retterin Nancy Schuster, Vorstand Maik Koll, Retter, Vorstand Anke Segermann, Vorstand Markus Kossack, Retter, Vorstand Michael Spatz, Vorstand Christina Kracker, Vorstand Constantin Vennekel, Vorstand Markus Kracker, Vorstand

124 125 Impressum

Herausgeber: Initiative Folklorefest Krefeld e.V. Franz-Heckmanns-Straße 15 D-47807 Krefeld

Text: Mojo Mendiola Illustrationen: Horst Klein Fotos: Christian Biegemeier, Werner Menne, Vytautas Jurevicius, Heike Zacher, Simon Erath, Stadt Krefeld Layout: BÜRO ZWEIPLUS | buerozweiplus.de

Druck: Stünings Medien, Krefeld

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger Genehmigung des Herausgebers.

© Initiative Folklorefest Krefeld e.V., Krefeld 2017

Die Chronik wurde ermöglicht durch die Unterstützung der

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