Bern Aktuell
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AZB / P.P. 3001 Bern AZB / P.P. B Jetzt Abo 2017 einzahlen. ERNRechnung in Heftmitte B AKTUELLBERN AKTIV Jahrgang 28 Ausgabe 209 Die Schweizerische Vereinigung Januar/Februar 2017 schreibt, was andere über Bern und die Schweiz nicht berichten (dürfen). nachbart wohnende Kunstmaler Adolf Dietrich Würdigung grosser Persönlichkeiten mehrfach gemalt. Nach der Lateinschule in Diessenhofen durfte der aufgeweckte Konrad Kern das Gymnasi- Johann Konrad Kern Redaktor unserer Bundesverfassung den ganz grossen Staatsmännern des frühen Bundesstaates, deren kluger Ein- und Weitsicht wir unseren heutigen Wohlstand, unsere Lebens- qualität und unsere Unabhängigkeit verdanken. Von Ausflug der Zofingia Christoph Blocher, alt Bundesrat 8704 Herrliberg (ZH) um in Zürich besuchen. In der Verbindung der Thurgauer – der «Thurgovia» – gab er schon bald als Präsident den Ton an. 1825 wurde er Die treibende Kraft für die Bundesverfassung in die «Zofingia» aufgenommen, wo er sich für Berlingen am Untersee waren die Liberalen. Es waren echte Liberale, Freiheit und Vaterland begeisterte und manche freiheitlich denkende Liberale. Dies hat nichts zu tun mit dem heutigen abgedroschenen Begriff Jurist und Kantonspolitiker «liberal». Heute sind ja alle liberal – auch wenn Im schönen Berlingen, auf einer Landzunge im sie die Freiheits- und Volksrechte verachten oder Untersee gelegen, das man heute von prächtigen die Unabhängigkeit und die Neutralität preisge- Bildern des anderen bekannten Berlingers – ben. Nein, die damalige liberale Grossfamilie, Adolf Dietrich – besser kennt, hat Johann Kon- aus der die heutige SVP und FDP hervorgegan- rad Kern 1808 als zweites von sieben Kindern gen sind, bestand aus echten Liberalen. Sie tra- das Licht der Welt erblickt. Seine Vorfahren ten ein für die Volks- und Freiheitsrechte, für die waren Bauern und dienten der kleinen Gemeinde Unabhängigkeit und die Neutralität des Landes, in verschiedenen Ämtern. für das private Eigentum und die Handels- und Gewerbefreiheit. Doktor-Urkunde INHALT 1 Johann Konrad Kern 4 Sowjetblock-Spionage gegen die Schweiz im Kalten Krieg… «Grünes Haus» in Berlingen 5 Schweizer legen sich zu oft unters Johann Konrad Kern, 1850 Messer Kerns Geburtshaus war das so genannte «Grüne 6 Militärischer Erstschlag gegen Nord- Haus» in Berlingen, zu dem Vater Christian An vorderster Front dabei war bei der liberalen Kern als tüchtiger Landwirt, Händler und wohl- Korea? Erneuerung von Kanton und Bund der Thurgau- habender Geschäftsmann nach und nach weitere 7 Pikom News er Jurist Johann Konrad Kern. Liegenschaften hinzukaufte. Den Vorgarten die- 8 Seldwyla am Bielersee Der gebürtige Berlinger gehört zweifellos zu ses «Grünen Hauses» hat übrigens später der be- BERNAKTUELL Ausgabe Nr. 209 Persönlichkeiten kennenlernte, die später eine Gesandter an der Tagsatzung, meist mit seinem ein reiches Erbe mit beträchtlichem Güterbe- führende öffentliche Rolle spielen sollten. Freund Johann Melchior Gräflein. Er verfocht sitz, das Kern als guter Geschäftsmann noch Zuerst studierte Kern in Basel Theologie, wech- mit Nachdruck, Geschick und Takt die liberale beträchtlich vermehrte, so dass er keine materi- selte aber bald zu den Rechtswissenschaften. Sache und die Unabhängigkeit seines Vater- ellen Sorgen kannte. Zum grossen Bedauern des Von Basel zog Kern weiter an die Universitäten landes. Paares blieb die Ehe kinderlos. von Berlin, Heidelberg und Paris. Kern war bestimmt und hartnäckig, so, wenn Kerns politischer Einfluss im Kanton Thurgau Die Doktorprüfung in Heidelberg bestand Kern er erklärte: «Der Stand Thurgau wird jederzeit war gross. Dreizehn Jahre lang präsidierte er den in lateinischer Sprache mit der höchsten Aus- Einmischungen in unsere inneren Verhältnisse, Erziehungsrat. Als Präsident der dreiköpfigen zeichnung «summa cum laude». die mit der Selbständigkeit und Würde eines Justizkommission hielt er fast alle Fäden in der Doch politische Umwälzungen in seiner Heimat freien Staates in Widerspruch stehen, mit aller Hand. Ebenso präsidierte er die Thurgauische drängten Kern zurück nach Hause. Entschiedenheit entgegentreten.» Hypothekenbank sowie die Gemeinnützige Ge- Kern vermittelte 1838 im Konflikt zwischen sellschaft. dem inneren und dem äusseren Kantonsteil von Auf Bundesebene erkannte der Politiker rasch, Schwyz und beschäftigte sich als Oberst im eid- dass sich das alte Tagsatzungssystem überlebt genössischen Justizstab intensiv mit Reformen hatte. Mit anderen Liberalen – besonders sei- des Wehrwesens. Er war auch der unbestrittene nen Zürcher Freunden Jonas Furrer und Alfred Kopf der kantonalen Verfassungsrevision von Escher – drängte Dr. Kern zu einer Bundesre- 1837. form. Vorerst aber galt es, den Sonderbund der katho- Napoleon-Handel und Sonderbund lisch-konservativen Kantone, die nichts wissen Einen landesweiten Namen machte sich Kern wollten von einer liberalen Bundesverfassung, erstmals 1838 im Zusammenhang mit dem so- umzustimmen. Kern tat alles, um Bürgerblut zu genannten Napoleon-Handel. Es ging hier nicht verhindern. Er wollte verhandeln, überzeugen – wie es sei- nem Wesen entsprach. Er wollte Gesandte zu den Sonderbundsorten senden. Kern verfasste Thomas Bornhauser selber am 20. Oktober 1847 die entsprechende ruhige, massvolle Proklamation und eilte damit Noch vor der Juli-Revolution in Paris von 1830 nach Schwyz. forderte der Matzinger Pfarrer Thomas Born- hauser eine neue Thurgauer Verfassung mit Gewaltentrennung, Pressefreiheit, Handels- und Gewerbefreiheit usw. Bornhauser war als Volksredner bei den Thurgauern so populär wie kein anderer. Über 2’000 Männer strömten am 22. Oktober nach Weinfelden, und ein neuer Grosser Rat sollte jetzt eine liberale Verfassung Prinz Louis-Napoléon ausarbeiten. Als erstes hat also der liberale Hahn im Thurgau gekräht, andere Kantone und schliesslich – 1848 um den grossen Napoleon Bonaparte, der zuerst – die ganze Eidgenossenschaft sollten folgen. die Schweiz eroberte, die Schweiz neu ordnete Dieser liberalen Sache schloss sich Kern be- und dann das Land bald wieder verliess, aber geistert an. Bereits 1832 sass er im Grossen Rat. ökonomisch und politisch einen Scherbenhaufen General Guillaume-Henri Dufour hinterliess, bis die Eidgenossen 1848 mit eigener Kraft und mit Persönlichkeiten wie u.a. eben Leider gelang ihm die Versöhnung nicht, so dass Johann Konrad Kern die Schweiz zum freiheit- er schliesslich als Berichterstatter der Tagsat- lichen, demokratischen Bundesstaat formten. zung am 4. November 1847 den Antrag zu einem Prinz Louis-Napoléon, ein Neffe des grossen bewaffneten Vorgehen gegen den Sonderbund Bonaparte – wohnte als in Frankreich uner- stellen musste. Danach begleitete er diesen sieg- wünschter Exilant mit seiner Mutter Hortense reichen Waffengang als politischer Berater eng. auf Gut Arenenberg und erfreute sich wegen Nach dem kurzen, erfolgreichen, sehr humani- seines leutseligen Wesens bei den Thurgauern tär geführten Bürgerkrieg – Sonderbundkrieg bald allgemeiner Beliebtheit. Louis-Napoléon genannt – konnte Kern feststellen, dass die erhielt das Gemeindebürgerrecht von Salenstein Thurgauer Truppen ihrem Kanton «durch ihre und liess sich in Thun zum Artilleriehauptmann Diensttüchtigkeit, ihren Mut, ihre Ausdauer und ausbilden. namentlich auch durch ihre Mannszucht Ehre Kern war mit Louis-Napoléon bestens bekannt, gemacht» hätten. Kern und Gräflein als Tagsatzungsgesandte, beriet ihn bei seinen Schriften und war auch in Die Schweiz verdankt wahrscheinlich dem Thur- 1847 andern Dingen Vertrauter und Berater. gauer Kern, dass im Sonderbundskrieg General Nachdem Louis-Napoléon als französischer Dufour aus Genf die eidgenössischen Truppen Sein Auftreten war ruhig, sachlich fundiert und Thronanwärter aber einen misslungenen Putsch gegen die Miteidgenossen führte. Dieser war überlegt. In kurzer Zeit war der revolutionäre in Strassburg angezettelt hatte, verlangte Fran- dem erfahrenen und umsichtigen Genfer seit dem Bornhauser beiseitegeschoben und Dr. Kern der kreich von der Schweiz dessen Ausweisung. Napoléon-Handel verbunden und unterstützte wichtige Mann im Thurgau. Kern setzte sich in jeder Weise für ihn ein. Der Dufour gegen einflussreiche liberale Heiss Er war 1833 – mit 26 Jahren – bereits Präsident Prinz emigrierte dann nach England, um einem sporne. So konnte der Oberbefehlshaber Du- des Grossen Rates, konnte Sitzungen und Kom- ernsten Konflikt der Schweiz mit Frankreich four die erfahrensten Heerführer ohne politische missionen leiten wie kein Zweiter und galt als vorzubeugen. Rücksichten ernennen. Zuerst hatte man Dufour besonnen, umsichtig und klug – eben vollkom- Kern hatte sich inzwischen mit der ihn zeitlebens so schroff und abweisend behandelt, dass dieser men thurgauisch! ausserordentlich unterstützenden Aline Freyen- den Oberbefehl kurzerhand niederlegen wollte. Von 1833 bis 1847 war Dr. Kern thurgauischer muth aus Frauenfeld verheiratet. Sie erwartete Kern suchte ihn auf und berichtete: «Ich gab mir Seite 2 Januar/Februar 2017 BERNAKTUELL Ausgabe Nr. 209 unendlich Mühe, die Sache auszugleichen. Es 1849 wurde Kern thurgauischer Regierungsrat, gelang. Dufour, mit dem ich schon seit Jahren auf 1850 war er Nationalratspräsident, im gleichen freundschaftlichem Fuss stand, blieb.» Jahr Thurgauer Regierungspräsident, Präsident des Grossen Rates und Bundesgerichtspräsident. Baumeister der Bundesverfassung Trotzdem beschäftigte er sich intensiv mit Zoll- Bei der neuen Bundesverfassung von 1848, die und Militärfragen und war die treibende Kraft in ihren Grundsätzen heute noch besteht, war im Eisenbahnbau zugunsten der Thurtallinie,