20 Jahre Partnerschaft zwischen dem Land Niedersachsen und der Region Perm

Projekttage der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V. mit der Partnerregion Perm des Landes Niedersachsen

Herausgegeben von der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V.

Gefördert durch die Landesregierung Niedersachsen Niedersachsen - Perm

Die Russlanddeutschen auf beiden Seiten sehen sich als Brücke zwischen den Ländern

Die grenzüberschreitenden Partnerschaftsakti- ligendienste und vitäten der Landesgruppe Niedersachsen sind eines soziale Arbeit, Bil- der Standbeine unserer landsmannschaftlichen Ar- dung und Wissen- beit geworden. Die meisten Mitglieder der Lands- schaft, Literatur und mannschaft und Landsleute aus der ehemaligen Kunst. Sowjetunion­ sind in Niedersachsen angekommen Die Partnerschaft und fühlen sich hier zu Hause. Und so ist es für zwischen der Lan- uns als Deutsche aus Russland und als Landsmann- desgruppe Nieder- schaft an der Zeit, uns auch anderweitig zu enga- sachsen und unseren gieren, z.B. in den Landespartnerschaften zwischen Partnern in Tjumen Niedersachsen und Tjumen oder Perm. und Perm soll un- In diesen Partnerschaften sehen sich beide Sei- ter anderem einer ten als Brücke zwischen Niedersachsen und den besseren Akzeptanz Regionen Tjumen und Perm in Russland - sowohl der Spätaussiedler Lilli Bischoff die Landsmannschaft in Niedersachsen als auch die in Deutschland und Deutschen in den Gebieten Tjumen und Perm, ver- der deutschen Minderheit in Russland sowie der treten durch die entsprechenden Vereinigungen der Anerkennung ihres gemeinsamen Schicksals die- Russlanddeutschen. nen. Die Deutschen in Russland sollen die Mög- Wie eine Brücke viele Pfeiler braucht, so be- lichkeit haben, Deutschland zu besuchen und das nötigt eine Partnerschaft viele engagierte Akteure, Land ihrer Vorfahren kennen zu lernen. die sie mit Leben erfüllen. Und so kann auch die Diesem Ziel dienten auch die Projekttage der Landsmannschaft die Partnerschaft zwischen dem Landesgruppe Niedersachsen mit der Region Tju- Land Niedersachsen und der Region Tjumen und men 2012 und der Region Perm 2013, die so kon- nun auch die Partnerschaft zwischen Niedersach- zipiert wurden, dass unsere Gäste aus Tjumen und sen und der Region Perm durch verschiedene Fa- Perm möglichst viel von Niedersachsen zu sehen cetten ihrer regionalen Partnerschaften zwischen bekamen und das Land von verschiedenen Seiten den russlanddeutschen Organisationen hier und kennen lernten. dort bereichern und fördern. Lilli Bischoff, Vorsitzende Im Vordergrund stehen Kultur, Geschichte, der Landesgruppe Niedersachsen Identitäts- und Sprachförderung, Jugendarbeit und der Landsmannschaft Sport, Qualifizierung und Weiterbildung, Freiwil- der Deutschen aus Russland e. V.

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Hierzu wurden ver- schiedentlich auch Grußwort Memoranden durch der niedersächsischen den Vorsitzenden Landesbeauftragten der Gesetzgebenden für Migration und Teilhabe, Versammlung des Doris Schröder-Köpf* Permer Gebietes und den Präsidenten des Niedersächsi- Sehr geehrte Damen und Herren, schen Landtags un- liebe Gäste! terzeichnet, worin beide Seiten ihren Die Zusammenarbeit des Landes Niedersachsen gemeinsamen Wil- mit der Region Perm gründet auf der Erklärung len bekräftigen, an vom 18. Januar 1993 und jährt sich in diesem Jahr der weiteren Festle- zum 20. Mal. gung der bestehen- Doris Schröder-Köpf den Beziehungen In der gemeinsamen Erklärung von 1993 kamen mitzuwirken, und die Bereitschaft erklärt haben, die beiden Partner seinerzeit überein, in den ver- mit allen parlamentarischen Möglichkeiten die schiedensten Bereichen zu kooperieren. Ziel der Errichtung sonstiger, für beide Seiten vorteilhafter Niedersächsischen Landesregierung bei der Part- Formen der Zusammenarbeit zu unterstützen so- nerschaft war und ist es, langfristige und für beide wie die Bemühungen der Exekutiven zu fördern, Seiten vorteilhafte Beziehungen herzustellen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken und zu pflegen. direkte Kontakte zwischen den entsprechenden Ministerien und Behörden zu entwickeln. Neben der administrativen Ebene haben auch unsere Parlamente, der Niedersächsische Landtag Meiner Überzeugung nach kann echte Verstän- und die Gesetzgebende Versammlung des Permskij digung unter Völkern nur über viele gute zwi- Kraj, bekundet, einen Beitrag zur Verständigung der schenmenschliche Begegnungen erreicht werden. Völker und zur partnerschaftlichen Entwicklung Sie muss gelebt werden! Nur so können die Herzen der Regionen in Europa leisten zu wollen, und un- der Menschen erreicht werden. terhalten seit 1995 partnerschaftliche Beziehungen. Daher freue ich mich, dass es mit diesen Pro- * Anlässlich der Projekttage der Landesgruppe jekttagen gelungen ist, die in gemeinsamen Papie- Niedersachsen der Landsmannschaft der Deut- ren abgegebenen Erklärungen mit Leben zu erfül- schen aus Russland im Rahmen des 20-jährigen len. Sie haben in den vergangenen Tagen „Land Bestehens der Partnerschaft des Landes Nieder- und Leute“ ein wenig näher kennen gelernt und sachsen mit der Region Perm (Russland) in der verstehen nun besser, warum Menschen gerne in Zeit vom 20. bis 25. Juni 2013. Niedersachsen leben.

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Ich freue mich, dass anlässlich des Jubiläums Für mich als Landesbeauftragte für Migration auf Einladung der Landesgruppe Niedersachsen und Teilhabe stand es außer Frage, verschiedene der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland Termine im Rahmen der Projekttage wahrzuneh- eine etwa 50-köpfige Delegation aus Perm im Juni men. Insbesondere habe ich mich darüber gefreut, in Niedersachsen zu Gast war, um sich über das zu sehen, dass ganz viele, vor allem junge Men- Leben in Niedersachsen zu informieren und die schen der Einladung der Landsmannschaft der Verbindung zwischen unseren Regionen feierlich Deutschen aus Russland zu einem gemeinsamen zu würdigen. Kulturfestival nach Ronnenberg gefolgt sind.

Das Austauschprogramm beinhaltete einen bun- Nehmen Sie die gewonnenen Eindrücke mit ten Strauß an Aktivitäten: Unsere Gäste aus Perm nach Hause und erzählen Sie davon Ihren Fami- erfuhren etwas über die Arbeit und die Funktionen lien, Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, zeigen des Niedersächsischen Landtages, informierten Sie Ihre Fotos, damit möglichst viele Menschen sich über Fragen der Migration und Integration bei an Ihren Erfahrungen teilhaben können - seien Sie einem Besuch des Grenzdurchgangslagers Fried- dann bitte in Ihrem Land „Botschafterinnen und land. Auch wurden ein Empfang mit zahlreichen Botschafter“ Niedersachsens. Ich hoffe, es gibt in Gästen, ein Sportfest sowie ein buntes Kulturfes- den kommenden Jahren ein Wiedersehen. tival mit vielfältigen Künstlern organisiert, an dem sowohl Klaus-Peter Bachmann, der Vizepräsident Ihre des Niedersächsischen Landtages, als auch meine Mitarbeiter und ich selbst teilgenommen haben.

© 2013 Herausgegeben von der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V. Raitelsbergstraße 49, 70188 Stuttgart Tel.: 0711-16650-0, Fax: 0711-2864413 E-Mail: [email protected], www.deutscheausrussland.de Redaktion: Nina Paulsen, Hans Kampen Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier GmbH & Co. KG Textquellen: Archiv LMDR e. V./VadW; Eigenrecherchen; www.niedersachsen.de; www.wikipedia.de; www.rusdeutsch.ru; www.rusdeutsch.eu Bildquellen: Archiv LMDR e. V./VadW; Pamela/Andreas Maurer; Archiv IVDK; www.wikipedia.de

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20 Jahre Partnerschaft zwischen Niedersachsen und der Region Perm

s besteht eine vielseitige und dynamische Zusammenarbeit zwischen der Region EPerm und Deutschland, die nicht zuletzt durch die Partnerschaften zwischen den Län- dern Niedersachsen und Baden-Württemberg und der Region Perm widergespiegelt wird. Seit 2006 sind zudem die Städte Duisburg und Perm in einer Städtepartnerschaft verbunden, die von beiden Seiten intensiv gepflegt wird.

Das Spektrum reicht von gemeinsamen kul- turellen Aktivitäten bis hin zur wirtschaftlichen Kooperation. Deutschland ist der wichtigste Au- ßenhandelspartner der Region Perm und belegt den ersten Platz nach Importlieferumfängen. Aus Deutschland werden vor allem Maschinenbauteile geliefert. Zu den wichtigstem Exportgütern gehö- ren Brennstoffe, Öl- und Ölprodukte, Dünger, Pa- Das Gebiet Perm und seine Umgebung ... pier und Erzeugnisse der organischen Chemie. Die Investitionen aus Deutschland sind hauptsächlich auf die elektrotechnische, chemische und Bauin- dustrie ausgerichtet.

Die Re g i o n Pe r m im Po r t r ä t

Die Verwaltungsregion Perm liegt an der Grenze zwischen Europa und Asien, rund 1.150 km östlich von Moskau an den Westhängen des . Mit ei- ner Fläche von 160.000 Quadratkilometern und ei- ner Bevölkerung von ca. drei Millionen Menschen ... und seine Lage in der Russischen Föderati- on. ist sie eine der größten wirtschaftlich entwickelten

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Regionen Russlands, gleichzeitig aber auch eine bedeutende Kulturregion des Landes. Das Zentrum der Region liegt in Perm. Die Hauptstadt ist dank der Lage an der (Nebenfluss der Wolga) ein wichtiger Verkehrsknoten- punkt und Durchlaufstation für acht Pipelines. Perm wurde 1723 gegrün- det und bekam 1780 die Stadtrechte. Die heutige Stadt entstand aus der Zusammenlegung der Städte Perm und Molotow 1938. Ab 1940 hieß sie Molotow und bekam erst 1958 ihren ursprünglichen Namen zurück. Bis 1991 war die Stadt wegen der dort ansässigen Rüstungsindustrie eine Blick auf Perm. für Ausländer gesperrte Stadt. Weite- re bedeutende Städte der Region sind , Schwer- und chemischen Industrie sowie Ölraffi- Beresniki, Tschussowoy, Lysjwa, , Tschai- nerien, was die Region sehr wohlhabend macht. Zu kowsky und . den wichtigsten Industriezweigen gehören Maschi- Das Gebiet ist reich an Mineral- und Rohstof- nenbau, Chemie und Erdölchemie, Forst-, Holzver- fen. So sind über 200 Erdöl- und Gasvorkommen arbeitungs-, Zellstoff- und Papierindustrie. In der sowie acht Diamantenvorkommen im Norden der Region sind außerdem Metallurgie- und Baumate- Region nachgewiesen. Außerdem gibt es Kohle- rialienunternehmen sowie Fabriken der Leicht- und vorkommen, Chlorkalisalze, Magnesium- und Nat­ Lebensmittelindustrie stark vertreten. riumsalze, ein riesiges Kalioxidvorkommen sowie 2010 gab es in der Region Perm ca. 10.600 mit- Goldvorkommen. Über 60 Prozent der Region sind telständische Unternehmen; etwa 39 Prozent von bewaldet; sie gehört zu ihnen arbeiten im Groß- den wichtigsten Holzlie- und Kleinhandel. Ferner feranten Russlands. Auch existieren mittelständi- die Holzverarbeitung sche Unternehmen im spielt eine wesentliche Immobilienbereich, beim Rolle; hier werden 30 Bau und in der verarbei- Prozent des russischen tenden Industrie und Pro- Papiers produziert. duktion. Heute finden sich im In der Region werden Gebiet Perm vor allem pro Jahr an die 30 Mes- aber auch Fabriken der Die Kama bei Perm. sen veranstaltet. Jeweils

6 Niedersachsen - Perm im Oktober findet hier die gut besuchte „Oil Gas Perm ist stark im Wandel begriffen und hat eine Chemistry“ statt, eine internationale Fachmesse moderne Kulturszene mit einem Museum für zeit- der petrochemischen Industrie. Im Mai wird die genössische Kunst, mit Galerien und einem avant- Messe „Baukomplex der russischen Regionen“ gardistischen Theater hervorgebracht, die durch in- veranstaltet, eine der größten Baumessen in der ternationale Musik-, Film- und Kunstfestivals über Uralregion mit mehr als 400 Ausstellern und über Russlands Grenzen hinaus bekannt ist. 10.000 Besuchern. Außerdem gibt es im Permer Umland das russ- Das Gebiet Perm ist reich an architektonischen landweit einzige Gulag-Museum, das Lager Perm- Denkmälern des Christentums. Nicht zufällig sind 36, das als Ort der Erinnerung und historischen auf dem Wappen der Region ein Evangelium und Aufarbeitung öffentliche Unterstützung erhält. Seit ein Kreuz abgebildet – Symbole für die Humani- Jahren finden im Sommer auf dem Lagergelände sierung der Sitten, die die Verbreitung des Chris- politische Kulturfestivals statt, die bis zu 10.000 tentums mit sich brachte. Besucher aus ganz Russland versammeln. In der Region Perm hat Holzplastik Tradition. Eine umfassende Sammlung sakraler Holzplasti- Geschichtliche Hi n t e r g r ü n d e ken wird in der Kunstgalerie der Stadt verwahrt. d e r Partnerschaft Hier wird außerdem die reichste Sammlung altrus- sischer Ikonen aus dem 16. und 17. Jahrhundert Die Partnerschaft des Landes Niedersachsen präsentiert. mit der Region Perm kann als Modell für die er- Vor über 130 Jahren wurde in Perm das Mu- folgreiche Zusammenarbeit zwischen der Regio- siktheater eröffnet, das heute eines der besten En­ nalverwaltung, lokalen Nichtregierungsorganisa- sembles Russlands ist. Insbesondere genießt das tionen und deutschen Initiativen gelten. Das Land Ballettensemble des Theaters große Popularität, es Niedersachsen knüpfte 1990 erste Kontakte zur ist das zweitbeste in Russland. Neben dem Renom- damaligen Russischen Sozialistischen Föderativen mée eines Zentrums des klassischen Balletts ge- Sowjetrepublik (RSFSR), einer Teilrepublik der winnt Perm in den letzten Jahren als Zentrum des UdSSR. Diese mündeten in einer „Gemeinsamen modernen Tanzes an Bedeutung. Erklärung“ über die Aufnahme partnerschaftlicher Beziehungen, die im Februar 1991 unterzeichnet wurde. Nach der Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 bekam die RSFSR, das heutige Russland, den Status eines souveränen Staates. Seitdem arbeitet Niedersachsen mit den Gebieten Perm und Tjumen in der Russischen Föderation zusammen. Das Ge- biet Perm mit seinem Reichtum an Bodenschätzen war für eine Partnerschaft attraktiv. Am 18. Januar 1993 wurde in Hannover eine Gemeinsame Erklärung über die partnerschaft- Perm: Opern- und Ballett-Theater. liche Zusammenarbeit zwischen der Region

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Perm und dem Land Niedersachsen unterzeich- net. Die Partner kamen überein, im Rahmen einer für beide Seiten vorteilhaften Partnerschaft „ihre Zusammenarbeit im Bereich des Umweltschutzes, der Wirtschaft, Landwirtschaft, Wissenschaft und Technik, Kultur sowie der Aus- und Weiterbildung des Verwaltungspersonals und des Gesundheitswe- sens zu entwickeln, zu unterstützen und zu erwei- tern“. Sie erklärten sich bereit, die „Entwicklung aller Formen der Zusammenarbeit im Bereich der Das Museum für moderne Kunst in Perm. Wirtschaft zu fördern und in Anbetracht der beider- seitigen Interessen die notwendigen Maßnahmen me im Bereich der Kultur, des Tourismus und des für die Gewährleistung des Vertrauens beim Aus- Sports“ gefördert werden. tausch von wirtschaftlichen und anderen Informa- Die Bestrebungen und Verpflichtungen im Rah- tionen vorzunehmen“. men der Partnerschaft zwischen Niedersachsen Folgende Formen der Zusammenarbeit rückten und Perm, die in der Gemeinsamen Erklärung vom im Rahmen der Partnerschaft in den Vordergrund: 18. Januar 1993 festgeschrieben wurden, wurden im Laufe der Zeit durch gemeinsame Dokumente ▪ Informations- und Erfahrungsaustausch; bekräftigt und vertieft. ▪ Berufsausbildung und Weiterbildung für junge So wurde nach dem Besuch einer Delegation der Fachleute und Spezialisten auf den Gebieten von Gesetzgebenden Versammlung des Permer Gebie- Wirtschaft, Umweltschutz und Recht; tes am 14. März 1999 in Hannover ein Memoran- ▪ Hilfestellung bei der Organisation von Delegati- dum über die partnerschaftliche Zusammenar- onsbesuchen auf unterschiedlichen Ebenen; beit unterzeichnet. Darin wurde „die erfreuliche ▪ verschiedene Formen der Zusammenarbeit auf Entwicklung und Festigung der Zusammenarbeit“ wirtschaftlichem Gebiet zwischen Unternehmern zwischen der Region Perm und dem Land Nieder- und Unternehmen; sachsen insbesondere in den Bereichen Bildung, ▪ Unterstützung bei der Durchführung von Aus- Kultur, Umweltschutz, Gesundheitswesen und stellungen, Symposien, Festivals und ähnlichen rechtspflegender Tätigkeit hervorgehoben. Veranstaltungen. Beiderseits wurde der Wille bekräftigt, weiter- hin „auf die jeweils zuständigen parlamentarischen Beide Seiten erklärten darüber hinaus die Bereit- Gremien einzuwirken, damit diese die aufgezeigten schaft, „den Erfahrungsaustausch im Bereich der positiven Entwicklungen durch ihren Einfluss auf Wirtschaft und des Marketings, der Technik und die Administration des Permer Gebietes und die des Rechts sowie die Zusammenarbeit zwischen Niedersächsische Landesregierung, aber auch auf verschiedenen Hochschuleinrichtungen zu unter- andere Einrichtungen, Institutionen und Verbände stützen“. Einen besonderen Schwerpunkt sollte die unterstützen, ... die auf Regierungsebene bestehen- Zusammenarbeit beim Umweltschutz bilden. Au- den partnerschaftlichen Beziehungen durch einen ßerdem sollten „Kontakte und Austauschprogram- intensiven Erfahrungsaustausch im Rahmen regel-

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Perm: Institut für Kunst und Kultur. mäßiger parlamentarischer Kontakte zu begleiten“. Neben der Förderung der wirtschaftlichen Kon- Man erklärte sich bereit, „Texte normativer Doku- takte wurde der gemeinsame Wille bekräftigt, mente, Materialien von Parlamentsverhandlungen „mit allen vorhandenen parlamentarischen Mög- sowie andere Informationen, die für die Seiten von lichkeiten die Einrichtung der sonstigen für beide Interesse sind, auszutauschen“. Seiten vorteilhaften Formen der Zusammenarbeit Ein weiteres Memorandum über die partner- zu unterstützen“. Erhöhte Aufmerksamkeit sollte schaftliche Zusammenarbeit wurde am 24. Mai dem ständigen Informations- und Erfahrungsaus- 2002 in Perm unterzeichnet. Nach knapp zehn tausch zu sozialpolitischen Fragen sowie der wei- Jahren Partnerschaft wurde die positive Wirkung teren Vertiefung und Festigung der demokratischen der Zusammenarbeit auf die „Schaffung einer At- Grundlagen des Parlamentarismus gelten. mosphäre der Freundschaft zwischen den Völkern Erwähnenswert ist auch die Gemeinsame Er- der Partnerregionen“ betont. Besonders hervorge- klärung vom 27. Mai 2009 in Perm zwischen hoben wurde die erfolgreiche Zusammenarbeit in dem Präsidenten des Niedersächsischen Landtages den Bereichen Umweltschutz, Bildung, Gesund- und dem Vorsitzenden der Gesetzgebenden Ver- heitswesen, Rechtsschutz und Kultur. sammlung der Region Perm, die im Rahmen eines

9 Niedersachsen - Perm parlamentarischen Besuches in Perm unterzeichnet ▪ Schüler- und Jugendaustauschmaßnahmen, wurde. ▪ Beratung beim Aufbau von Genossenschaften, Darin wurde erneut „die Wichtigkeit der beste- ▪ Unterstützung bei der Präsentation auf Messen, henden Kontakte und die positive Entwicklung der ▪ Studentenaustausch, Umsetzung der Bestimmungen der Gemeinsamen ▪ Verbesserung der Ausrüstung von Krankenhäu- Erklärung“ von 1993 bestätigt. sern, ▪ Hilfe bei der Installation von Luftmesseinrich- 1993-2013: Na c h h a l t i g e tungen etc. Zu s a m m e n a r b e i t in v i e l e n Be r e i c h e n Vor allem die Mannigfaltigkeit der partnerschaft- lichen Beziehungen hat es in sich. So unterhält der Seit 20 Jahren bemühen sich beide Partner, ihre Niedersächsische Landtag seit 1995 partnerschaft- partnerschaftlichen Beziehungen zu vertiefen und liche Beziehungen mit der Gesetzgebenden Ver- vielseitig zu gestalten. Ziel der niedersächsischen sammlung des Permskij Kraj. Seit einigen Jahren Landesregierung ist es, langfristige und für beide fördert Niedersachsen Projekte in den Bereichen Seiten nützliche Beziehungen aufzubauen. Dazu Brand- und Katastrophenschutz, Sport, Justiz, gehört auch, den russischen Partnern realistische Umweltschutz und Germanistik. Erfolgreich ent- Vorstellungen beispielsweise über wirtschaftliche wickelt sich die Zusammenarbeit in den Bereichen Kooperationen in Niedersachsen und im Bundes- Justiz und Polizei. Der LandesSportBund koordi- gebiet zu vermitteln. Insbesondere geht es darum, niert sportliche Partnerschaftsmaßnahmen. Fort- den Umwandlungsprozess in den russischen Regi- schritte beim Umweltschutz sind in Memoranden onen zu unterstützen. mehrmals hervorgehoben worden. Für die Umsetzung der Programme mit den Part- Vom Kultusministerium wird seit Jahren die nerregionen sind die Fachministerien zuständig. In Aus- und Weiterbildung russischer Deutschlehr- die Abwicklung der konkreten Projekte wurden kräfte und -studenten unterstützt. Für denselben von den Ministerien Organisationen wie die Ost- Personenkreis werden Landeskunde- und Sprach- Akademie Lüneburg, die DEULA-Einrichtungen seminare durchgeführt. Seit 2007 wird in einem in Hildesheim und Nienburg, die Carl-Duisberg- gemeinsamen Projekt zur Gedenkstättenpädago- Gesellschaft, das Internationale Haus Sonnenberg, gik zusammengearbeitet. Darüber hinaus nehmen die Deutsche Management Akademie Niedersach- Bildungseinrichtungen aus Perm als assoziierte sen in Celle oder die Ländliche Erwachsenbildung Partner an europäischen Projekten zur Schulent- einbezogen. wicklung und Lehrerfortbildung teil. Und der Lan- Den Ministerien werden für die Arbeit an kon- desmusikrat Niedersachsen ist langjähriger Partner kreten Projekten von der Staatskanzlei Finanzmit- der Region Perm für den Kulturaustausch in Sa- tel zur Verfügung gestellt, z.B. für chen Musik, Kunst und Theater.

▪ Landeskundeseminare für angehende russische Quellen: www.niedersachsen.de; www.wikipe- Deutschlehrer, dia.de; www.europa.uni-hannover.de; www.nilas. ▪ Fortbildungen für Landwirte, niedersachsen.de

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Freundschaftsbrücke: Niedersachsen – Perm, 1993-2013 Projekttage der Landesgruppe Niedersachsen mit der Partnerregion Perm/Russland des Landes Niedersachsen

m Mittelpunkt der Projekttage der Lan- Das Projekt „Grenzüberschreitende Partner- desgruppe Niedersachsen der Landsmann- schaften mit Verbänden der deutschen Min- Ischaft der Deutschen aus Russland vom 20. derheit in der Russischen Föderation“ haben bis 25. Juni 2013 stand die Zusammenarbeit die Landsmannschaft der Deutschen aus Russ- unter dem Motto „20 Jahre Partnerschaft zwi- land und ihre Jugendorganisation von deutscher schen Niedersachsen und der Region Perm“. Seite sowie der Internationale Verband der deut- Gefördert wurden die Projekttage von der Lan- schen Kultur und der Jugendring der Russland- desregierung Niedersachsen. deutschen von russischer Seite entwickelt und realisieren es in engster Kooperation. Für die Organisation und die Betreuung der Die Aktivitäten des Projektes umfassen die Gäste aus Russland sorgten der Vorstand der Lan- Bereiche Kultur und Geschichte, Sprach- und desgruppe mit der Vorsitzenden Lilli Bischoff und Identitätsförderung, Jugendaustausch und Sport, Wissenschaft und Bildung, Kunst und Literatur, zahlreiche ehrenamtliche Helfer. soziale Arbeit und Weiterbildung. Die Zusammenarbeit des Landes Niedersachsen Im Rahmen der Deutsch-Russischen Regie- mit der Region Perm gründet auf der Gemeinsa- rungskommission für die Angelegenheiten der men Erklärung vom 18. Januar 1993. Darin kam Russlanddeutschen zur Förderung empfohlen, man überein, insbesondere im Umweltschutz, in wird das Projekt der Unterzeichnerverbände der Wirtschaft und Landwirtschaft, in der Wissen- seit 2009 vom Bundesministerium des Innern schaft und Technik, auf dem Kultursektor und im (Deutschland) und dem Ministerium für regio- Gesundheitswesen sowie bei der Aus- und Weiter- nale Entwicklung (Russland) gefördert. bildung des Verwaltungspersonals zu kooperieren. Seit 2011 fördert das Land Niedersachsen Projekte gruppe Niedersachsen der Landsmannschaft pflegt in den Bereichen Brand- und Katastrophenschutz, bereits seit längerem Kontakte zu den Deutschen Sport, Justiz, Umweltschutz und Germanistik. im Gebiet Perm. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Brü- Im Rahmen der Projekttage begrüßte Nieder- ckenfunktion der Russlanddeutschen in der Lan- sachsen eine etwa 35-köpfige Delegation aus despartnerschaft. Ebenso wie in der Region Tjumen den Regionen Perm und Tjumen mit den Leitern leben auch im Gebiet Perm Zehntausende Russ- Arnold Rainik, künstlerischer Leiter des Tanzthe- landdeutsche, die Nachkommen der deutschen Ko- aters „Lallen“ aus Perm, und Natalja Matschuga, lonisten sind, die vor 250 Jahren dem Ruf der Zarin Vorsitzende des „Gebietszentrums für Bildung, Katharina II. nach Russland folgten. Die Landes- Methodik und deutsche Kultur Tjumen“, mit dem

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und das Land von verschiedenen Seiten kennen lernen“. Bei allen Veranstaltungen und Ausflügen waren immer wieder auch Aktive der Landsmann- schaft, vor allem vom Landesvorstand und von der Ortsgruppe Hannover und Umgebung, dabei. Zum Programm der Projekttage gehörten unter anderem Besichtigungen in Hannover mit einem Besuch des Niedersächsischen Landtages, ein Emp- fang im Katholischen Zentrum Hannover durch die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die Klaus-Peter Bachmann feierliche Unterzeichnung des Partnerschaftsver- trages zwischen der Landesgruppe Niedersachsen und der „Gesellschaft der Russlanddeutschen von Perm ‚Wiedergeburt‘“, ein Sportfest auf dem Ge- lände des Durchgangslagers Friedland, das Interna- tionale Kulturfestival und ein Besuch der Autostadt und des VW-Werks in Wolfsburg.

Em p f a n g im Ka t h o l i s c h e n Ze n t r u m Ha n n o v e r – Un t e r ze i c h n u n g d e s Ko o p e r a t i o n s a b k o m m e n s

Die Projekttage stellten einen Ausdruck der bestehenden Verbundenheit zwischen dem Land Unterzeichnung des Kooperationsabkommens durch Lilli Bischoff und Arnold Rainik. Niedersachsen und der Region Perm dar, die sich im 20-jährigen Bestehen der Partnerschaft mani- die Landesgruppe Niedersachsen seit sechs Jahren festiert und im Rahmen des Empfangs durch die enge partnerschaftliche Kontakte im Rahmen des Landsmannschaft der Deutschen aus Russland am Projektes „Grenzüberschreitende Partnerschaften 21. Juni 2013 feierlich gewürdigt wurde. mit Verbänden der deutschen Minderheit in der Bei dem Empfang betonten der Vizepräsident Russischen Föderation“ pflegt. des Niedersächsischen Landtages, Klaus-Peter Wie schon 2012 bei den Projekttagen der Lan- Bachmann, sowie weitere prominente Redner in desgruppe mit der Region Tjumen beinhalteten auch ihren Ansprachen die Bedeutung der Partnerschaft die diesjährigen Projekttage eine Mischung aus po- des Landes Niedersachsen mit der Region Perm. litischen und gesellschaftlichen Grundsatzfragen, Anschließend wurde feierlich ein Kooperati- die sich in Einzelmaßnahmen niederschlugen. Das onsabkommen zwischen der Landesgruppe Nie- Programm wurde, wie Lilli Bischoff erläuterte, so dersachsen der Landsmannschaft und der „Ge- konzipiert, dass „unsere Gäste aus Tjumen mög- meinnützigen Gesellschaft der Russlanddeutschen lichst viel von Niedersachsen zu sehen bekommen ‚Wiedergeburt‘“ der Stadt Perm (Vorsitzende Tat-

12 Niedersachsen - Perm jana Kandakowa) unterzeichnet. Stellvertretend und Zuwanderung zu beleuchten. Und schließlich für die Vorsitzende, unterzeichnete der Leiter der soll erreicht werden, dass die Potentiale der Russ- Gruppe aus Perm, Arnold Rainik, das Abkommen. landdeutschen und ihr kultureller und wirtschaftli- „In dieser Partnerschaft sehen sich die Russland- cher Beitrag im öffentlichen Leben beider Länder deutschen auf beiden Seiten als Brücke zwischen gewürdigt werden. Niedersachsen und Perm. Die Partnerschaft zwi- Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit sind: schen der Landsmannschaft in Niedersachsen und den russlanddeutschen Organisationen in Perm soll ▪ Unterstützung von Selbstorganisationen und die Landespartnerschaft um eine weitere Facette Jugendstrukturen der Russlanddeutschen; erweitern und bereichern“, betonte Lilli Bischoff. ▪ Auf- und Ausbau von direkten Kontakten und Im Kooperationsabkommen finden sich die Partnerschaften zwischen Begegnungszentren Sätze: „Als regionale Vertretungen der Russland- der Russlanddeutschen und Gliederungen der deutschen wollen die Organisationen ihre Arbeit Landsmannschaft sowie zwischen Jugendclubs zugunsten der Volksgruppe gemeinsam gestalten. der Deutschen in Russland und Jugendgruppen Ziel ist es, die Partnerschaft zu einem wichtigen der Spätaussiedler in Deutschland; inhaltlichen Element der Förderung der Identitäts- ▪ gemeinsame Jugendarbeit; findung der Russlanddeutschen, der Integration der ▪ Jugend-, Kultur- und Fachkräfteaustausch; Spätaussiedler in Deutschland und der Förderung ▪ grenzübergreifende Kulturarbeit; der deutschen Minderheit in den Herkunftsgebieten ▪ gemeinsame Informationsarbeit; werden zu lassen. Die beteiligten Organisationen ▪ Organisation von Konferenzen, Symposien, Aus- betrachten die Russlanddeutschen als Bindeglied stellungen, Informations- und Gemeinschaftsver- zwischen Deutschland und Russland. Deshalb ist anstaltungen. die Partnerschaft auch ein Mittel zur Festigung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern.“ Sp o r t f e s t in Fr i e d l a n d Die beiden Vertretungen haben sich verpflich- tet, einen gemeinsamen Beitrag zur Verständi- Zahlreiche Teilnehmer und Zuschauer versam- gung, Toleranz und Partnerschaft von Menschen melte das Sportfest auf dem Gelände des Grenz- unterschiedlicher ethnischer, religiöser, sozialer durchgangslagers Friedland am 22. Juni 2013 mit und wirtschaftlicher Herkunft in ihren Ländern zu Teilnehmern aus Russland, der Ukraine und Nie- leisten und zu fördern. Ihre besondere historische dersachsen sowie Bewohnern von Friedland. Aufgabe sehen sie darin, die jüngeren Generatio- Die Wettbewerbe in den Disziplinen Schach, nen bei ihrer Identitätsfindung zu unterstützen und Tennis, Volleyball und Minifußball, in die sich den Kulturdialog zwischen Russlanddeutschen auch die Bewohner des Lagers einbrachten, wur- verschiedener Generationen und unterschiedlicher den von Alexander Rudi geleitet und koordiniert. Staatsangehörigkeit zu fördern. Er wurde dabei engagiert von Mitgliedern des Lan- Ihre Tätigkeit soll dazu beitragen, in verstärktem desvorstandes mit Lilli Bischoff und Aktiven der Ausmaß Wissen über das Schicksal der Russland- Ortsgruppe Hannover unterstützt. deutschen und ihr Leben in den Herkunftsgebieten Den Gewinnern überreichten abschließend Lilli zu vermitteln sowie die Hintergründe ihrer Aus- Bischoff und Alexander Rudi Pokale und Ehrenur-

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kunden der Landsmannschaft. Für die stimmungs- Beim Sportfest in Friedland. volle Umrahmung sorgten die Akteure des Tanz- theaters „Lallen“ aus Perm.

Em p f a n g im Gä s t e h a u s d e r Ni e d e r s ä c h s i s c h e n La n d e s r e g i e r u n g Anlässlich ihrer Amtseinführung am 22. Juni 2013 lud die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe in Niedersachsen, Doris Schröder-Köpf, die Teilnehmer der Projekttage zu einem Empfang mit Vertretern zahlreicher Migrantenverbände in das Gästehaus der Niedersächsischen Regierung

14 Niedersachsen - Perm in Hannover ein. In ihrer Ansprache erinnerte sie Juni 2013 in der Aula der Marie-Curie-Schule in an die 20-jährige Partnerschaft des Landes Nieder- Ronnenberg bei Hannover mit Kulturgruppen und sachsen mit der Region Perm. Solisten aus Niedersachsen und der Region Perm Die Tanzgruppe aus Perm beteiligte sich am bildete den Höhepunkt der Projekttage. Bühnenprogramm und wurde mit lebhaftem Ap- Begrüßt wurden die zahlreich erschienenen plaus belohnt. Außerdem nutzten die Teilnehmer Gäste von Lilli Bischoff. Grußworte sprachen Dr. der Projekttage die Gelegenheit zu Fotos mit dem Frank Hellberg, Leiter der Marie-Curie-Schule, niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Landtagsvizepräsident Klaus-Peter Bachmann, Do- Weil sowie mit Doris Schröder-Köpf und ihrem ris Schröder-Köpf, Marc Lahmann, Bürgermeister Ehemann, Altbundeskanzler Gerhard Schröder. der Stadt Barsinghausen, und Natalia Matschuga, Koordinatorin des Internationalen Verbandes der In t e r n a t i o n a l e s Ku l t u r f e s t i v a l deutschen Kultur. in Ro n n e n b e r g b e i Ha n n o v e r Gäste aus ganz Niedersachsen verfolgten das gut vierstündige Festivalprogramm – ein Fest der kul- Ein internationales Kulturfestival unter dem turellen Vielfalt, das mit viel Geschick von Lillian Motto „Freundschaft über die Grenzen“ am 23. Neumann und Andreas Maurer moderiert wurde.

Empfang im Gästehaus der Niedersächsischen Landesregierung mit Doris Schröder-Köpf (im schwarzen Kleid) und Ministerpräsident Stephan Weil (hintere Reihe Mitte).

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Mitwirkende und Ehrengäste des Kulturfestivals in ronnenberg.

Die Künstler aus Niedersachsen präsentierten die Rotenburg, der „No Name Group“ aus Lüneburg Traditionen ihrer neuen, aber auch der alten Hei- mit Oleg Fritz, Arkadi Bokut und Ale­xander Zlo- mat. Den Auftakt besorgten die Chöre „Heimatme- bin, der Opernsängerin Aida Velijewa aus Göttin- lodie“ aus Hannover und „Kalinka“ aus Neustadt gen, von Anna Prieb aus Braunschweig sowie von mit dem „Niedersachsenlied“, und sie schlossen Anatoli Schneider und Erika Kunz aus Osnabrück. mit dem „Deutschlandlied“ das Kulturfestival auch Klassische und moderne Musik boten Julina ab. Außerdem präsentierten sie sich mit deutschen Schwindt (Klavier) aus Rotenburg, Alexander und russischen Liedern. Klein (Saxophon) und Jean-Patrick Glodek (Kla- Weitere Gesangsbeiträge kamen von der Folk- vier) aus Rotenburg und die Band „Wesna Life“ loregruppe „Goldene Brücke“ aus Rotenburg, dem mit Anatoli und Viola Schneider (E-Gitarre) aus Kinderchor aus Hannover, dem Trio aus Rotenburg Osnabrück. mit Jean-Patrick Glodeck (Gitarre, Gesang), Julina Auch mehrere Tanzgruppen sorgten mit tempe- Schwindt (Klavier) und Nina Heese (Gesang), der ramentvollen Melodien und Tänzen für Stimmung, Kindergesangsgruppe „Kaleidoskop“ aus Braun- darunter die Tanzgruppe „Souvenir“ aus Osna- schweig, von Anna Knelsen und Eugen Baum aus brück, die Tanzschule „Wiesrecker“, die Tanzgrup-

16 Niedersachsen - Perm pe „Rossijanotschka“ aus Peine sowie Jessika und merten sich die Veranstalter auch um das leibliche Alex Jeckel aus Peine mit lateinamerikanischen Wohl der Gäste. Tänzen. Mit einem Tanz aus Sri Lanka stellten sich Shamira und Shakiran Sandran aus Hannover vor, Be s u c h d e r Au t o s t a d t in Wo l f s b u r g eine burundische Familientanzgruppe aus Hanno- ver steuerte „Hip-Hop afrikanisch“ bei. Der Besuch der Autostadt in Wolfsburg am 24. Die Gäste aus Perm waren mit dem Tanztheater Juni war für die Gäste aus Russland ein weiteres „Lallen“ vertreten. Es existiert seit mehr als 20 Jah- unvergessliches Erlebnis. Das Autostadt-Gelände ren und hat in Russland und im Ausland bei zahlrei- mit kunstvoll gestalteter Park- und Lagunenland- chen Kulturveranstaltungen und Festivals Tausen- schaft und zahlreichen Pavillons vermittelte vor de Zuschauer mit ihrem Können beeindruckt. Die allem Einblicke in die Geschichte und Gegenwart Tanzgruppen aus Perm kamen unter dem begeister- der Automobilindustrie. ten Beifall des Publikums mehrmals auf die Bühne Eine aufschlussreiche Führung, Attraktionen und zeigten sich mit anspruchsvollen Choreogra- und interaktive Besichtigungen lieferten zahlreiche phien und einfallsreich gefertigten Kostümen. Gelegenheiten zum Fotografieren. Sowohl Kinder Die Gäste des Festivals konnten außerdem Bil- als auch Erwachsene hatten Spaß, sich an allen derausstellungen besichtigen und sich an Infostän- möglichen wissenschaftlichen Experimenten und den informieren. Mit Kuchen und Getränken küm- Erfindungen auszuprobieren.

Der Chor „Heimatmelodie“ aus Hannover mit Olga Welz (Akkordeon).

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Die Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V.

ie russlanddeutschen Aus- siedler und Spätaussiedler Daus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion bilden mit 400.000 bis 500.000 Menschen die größte Zuwanderungsgruppe in Nieder- sachsen. Die Landesgruppe Nieder- sachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mit der Vorsitzenden Lilli Bischoff ist die größte Vertretung der Deutschen aus Russland und ihrer Familien im Bundesland.

Die Landsmannschaft

▪ engagiert sich im Kulturbereich, ▪ informiert in Schulen zur Geschich- te und Gegenwart der Deutschen aus Russland, ▪ leistet Kinder- und Jugendarbeit, ▪ organisiert Nachhilfeunterricht, Betreuungsangebote, Hausaufga- benhilfe, Sportveranstaltungen und Seniorentage, ▪ bietet Vorträge zu verschiedenen Lebenslagen, ▪ berät und betreut Spätaussiedler Multiplikatorenschulung der Landsmannschaft der Deut- schen aus Russland in Hannover 2013. und ihre Familienangehörigen in allen Fragen der Aufnahme und Eingliederung in ▪ pflegt vielfältige Kontakte zu den Landsleuten in die deutsche Gesellschaft, den Herkunftsgebieten.

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Ein k u r z e r Bl i c k statt. Die wichtigsten Appelle der Delegierten be- a u f d i e e r s t e n Ja h r e treffen die Einbindung der Deutschen aus Russland in die Vertriebenengesetzgebung. Genannt werden 1951: Ein Jahr nach Gründung der Landsmann- vor allem Fragen der Staatsangehörigkeit, des Las- schaft im April 1950 verzeichnet ihr Vereinsorgan tenausgleichs und der beruflichen Gleichstellung „Volk auf dem Weg“ bereits acht Landesgruppen, russlanddeutscher Akademiker mit anderen Flücht- darunter Niedersachsen mit einer Geschäftsstelle in lingen und Vertriebenen. Hannover. 1952: Beim lutherischen Weltkongress in Han- Zi e l s e t z u n g e n nover im Juli werden wichtige Referate über das d e r Ge g e n w a r t kirchliche Leben der Deutschen aus Russland gehalten und das Buch „Stimme der Stummen“ Oberstes Ziel des Vorstandes der Landesgruppe ihres Sprechers, Superintendent Johannes Schleu- Niedersachsen ist die Intensivierung der Zusam- ning, vorgestellt. Johannes Schleuning war Wol- menarbeit mit der Landesregierung und allen de- gadeutscher und lebte nach der Ausreise in Braun- mokratischen Parteien. Weitere Schwerpunkte: schweig. 1953: Das 2. Bundestreffen der Landsmann- ▪ Einsatz für die Familienzusammenführung im schaft findet vom 21. bis 23. August in Hannover Spätaussiedleraufnahmeverfahren;

Die Landesgruppe Niedersachsen bezog eindeutig Stellung bei einer Demonstration gegen Rechts in Friedland 2009.

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▪ Setzen positiver Zeichen durch Veranstaltungen Landtages sind Mitglieder der Landsmannschaft wie Landestreffen oder Gedenkfeiern in Fried- vertreten. land; Durch die Intensivierung der politischen und ▪ Schulung ehrenamtlich tätiger Landsleute; verbandspolitischen Arbeit wurde erreicht, dass ▪ Betreuung und Unterstützung der Arbeit in den bei den niedersächsischen Kommunalwahlen der Ortsgruppen; letzten Jahre einige Deutsche aus Russland Erfolg ▪ Förderung der partnerschaftlichen Beziehungen hatten. mit den Russlanddeutschen in den Gebieten Dank der hartnäckigen Bemühungen der Lan- Perm und Tjumen. desgruppe Niedersachsen konnten mehrere bei der Ausreise getrennte Spätaussiedlerfamilien ihre Zu- Er r e i c h t e s sammenführung feiern. Der Landesvorstand führt regelmäßig Seminare Die gute Zusammenarbeit der Landsmannschaft sowie Kulturreferenten- und Sozialreferententa- mit der niedersächsischen Regierung wurde in gungen zur Schulung ehrenamtlich tätiger Lands- den letzten Jahren durch regelmäßige Treffen und leuten durch. Durch das landesweite Projekt „Stark Gespräche mit Vertretern der führenden Parteien und offen in Niedersachsen“ (2009-2012) wurde CDU und SPD vertieft und intensiviert. Aktive der das ehrenamtliche Engagement von Zuwanderern Landesgruppe engagieren sich im Arbeitskreis für durch die Einbindung ihrer Aktivitäten in die ko- Aussiedler und Vertriebenenfragen, und auch in der operative Migrationsarbeit in Niedersachsen ge- Integrationskommission des Niedersächsischen stärkt. Verdiente Landsleute wur- den 2008 in der Broschüre „Deutsche aus Russland in Niedersachsen: Engagement im öffentlichen, wirtschaftli- chen und kulturellen Leben“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Rahmen der „Grenz- überschreitenden Partner- schaftsarbeit der russlanddeut- schen Dachverbände“ pflegt die Landesgruppe Niedersach- sen Partnerschaftsbeziehungen mit dem „Gebietszent­rum für Bildung, Methodik und deut- sche Kultur Tjumen“ und der „Gemeinnützigen Gesellschaft Im Gespräch mit dem Vizepräsidenten des Niedersächsischen Land- der Russlanddeutschen ‚Wie- tages, Klaus-Peter Bachmann (rechts). dergeburt‘“ der Stadt Perm.

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Veranstaltungen Seit 2007 veranstaltet die Landsmannschaft ihre u n d Ak t e u r e zentrale Gedenkfeier zur Erinnerung an die Opfer des Stalinismus unter Federführung der Landes- Zu den Traditionen der Landesgruppe Nieder- gruppe Niedersachsen in Friedland. Festredner der sachsen gehören Landestreffen, die das Zusam- Veranstaltungen waren jeweils prominente Ver- mengehörigkeitsgefühl der Deutschen aus Russ- treter der Bundesregierung, der niedersächsischen land stärken und ihre Talente präsentieren. Bisher Landesregierung oder der Beauftragte der Bundes- wurden acht Landestreffen organisiert, zuletzt 2006 regierung für Aussiedlerfragen und nationale Min- in Hannover. Zu den Höhepunkten der Jahre 2010 derheiten, Dr. Christoph Bergner. und 2011 gehörten die Feier zum 60. Jahrestag Zahlreiche Gruppen der Landsmannschaft in der Gründung der Landsmannschaft in Hannover Niedersachsen gestalten die Kulturlandschaft ihrer sowie das Sport- und Kulturfest im Grenzdurch- Orte und Regionen mit. Dazu gehören unter ande- gangslager Friedland. rem:

Gedenken vor der Friedlandglocke 2013.

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Bei der Übernahme der Schirmherrschaft über die Landesgruppe Niedersachsen durch Innenmi- nister Uwe Schünemann (vorne rechts) in Hannover 2012.

▪ der Senioren-Singkreis „Freundschaft“ aus In n e n m i n i s t e r Sc h ü n e m a n n - Delmenhorst, Sc h i rmherrschaft ▪ der Chor „Liane“ aus Diepholz, ü b e r d i e Landdesgruppe Ni edersachsen ▪ der Chor der Ortsgruppe Osnabrück, ▪ der Chor „Vergissmeinnicht“ der Ortsgruppe Im Rahmen einer Feierstunde am 9. März 2012 Neustadt, im Gästehaus der Niedersächsischen Landesregie- ▪ die Chöre „Klingende Runde“ und „Heimatme- rung in Hannover übernahm der damalige Minister lodie“ aus Hannover, des Landes Niedersachsen für Inneres und Sport, ▪ der „Chor der Deutschen aus Russland“ aus Uwe Schünemann, die Schirmherrschaft über die Wolfsburg, Landesgruppe Niedersachsen der Landsmann- ▪ das Tanzensemble „Rendezvous“ aus Lüneburg, schaft der Deutschen aus Russland. ▪ die Tanzgruppe „Rhythmus“ aus Braunschweig „Die Übernahme der Schirmherrschaft ist Aus- ▪ und die Tanzgruppe „Born“ aus Osnabrück. druck der Wertschätzung für alle in Niedersachsen

22 Niedersachsen - Perm lebenden Aussiedler und Spätaussiedler und deren Tjumen und Perm waren die Projekttage der Lan- erfolgreiche Integrationsleistung. Niedersachsen desgruppe 2012 (mit der Region Tjumen) und 2013 fühlt sich der Landsmannschaft der Deutschen aus (mit der Region Perm), gefördert von der Landes- Russland besonders verbunden, da sie mit großer regierung Niedersachsen. Sie manifestierten sich Tatkraft dazu beigetragen hat, das Zusammengehö- im 20-jährigen Bestehen der beiden Partnerschaf- rigkeitsgefühl zwischen den deutschen Aussiedlern ten und wurden im Rahmen der Projekttage der und der heimischen Bevölkerung zu vertiefen“, so Landesgruppe feierlich gewürdigt. Schünemann. Er überreichte der Vorsitzenden der Landesgruppe, Lilli Bischoff, vor zahlreichen Gäs- Ku r z e r Ei n b l i c k in d i e Ge s c h i c h t e ten die Schirmherrschaftsurkunde. d e r Partnerschaftsbeziehungen d e r La n d e s g r u pp e Niedersachsen Partnerschaftsbeziehungen d e r La n d e s g r u pp e Niedersachsen Mai 2007: I. Internationale Partnerschaftskon- z u Ru s s l anddeutschen ferenz der russlanddeutschen Dachverbände „Brü- in d e n Re g i o n e n Tj u m e n u n d Pe r m ckenpfeiler“ im Rahmen des Bundestreffens der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in Im Rahmen des Projektes „Grenzüberschreiten- Wiesbaden, bei der ein Kooperationsabkommen de Partnerschaften mit Verbänden der deutschen zwischen der Landsmannschaft der Deutschen aus Minderheit in der Russischen Föderation“ pflegt Russland, dem Internationalen Verband der deut- die Landesgruppe Niedersachsen der Landsmann- schen Kultur (Russland) und dem Jugendring der schaft der Deutschen aus Russland e. V. seit sechs Russlanddeutschen (Russland) unterzeichnet wird. Jahren Kontakte mit ihrer Partnerorganisation in Oktober 2007: Beim 1. Kongress der deutschen Tjumen, dem „Gebietszentrum für Bildung, Me- Begegnungszentren in Moskau unterzeichnen die thodik und deutsche Kultur Tjumen“ (Leiterin Landesgruppe Niedersachsen der Landsmann- Natalja Matschuga)­ und kann inzwischen auf eine schaft und das „Gebietszentrum für Bildung, Me- gute Zusammenarbeit zurückblicken. Im Juni 2013 thodik und deutsche Kultur Tjumen“ ein Koopera- wurde in Hannover außerdem ein Kooperationsab- tionsabkommen. kommen zwischen der Landesgruppe Niedersach- 18.-25. August 2008: Eine Woche lang ist die sen und der „Gesellschaft der Russlanddeutschen Landesgruppe Niedersachsen Gastgeber für eine von Perm ‚Wiedergeburt‘“ (Vorsitzende Tatjana Kulturgruppe aus Tjumen, die sich unter anderem Kandakowa) unterzeichnet. Die Russlanddeut- an der Gedenkfeier der Landsmannschaft in Fried- schen sehen sich in diesen Partnerschaften als Brü- land anlässlich des Vertreibungserlasses vom 28. cke zwischen Niedersachsen und Perm. August 1941 beteiligt. Die Partnerschaft zwischen der Landsmann- 10.-15. Oktober 2009: Vertreter der Landes- schaft in Niedersachsen und den russlanddeutschen gruppe Niedersachsen sind zu Besuch bei den Organisationen in Tjumen und Perm soll die nie- Deutschen im Gebiet Tjumen (Tjumen, Tobolsk, dersächsischen Landespartnerschaften bereichern. Jalutorowsk, Sawodoukowsk). Im Gepäck haben Ausdruck der bestehenden Verbundenheit zwi- sie Broschüren, Filme zur Geschichte der Deut- schen dem Land Niedersachsen und den Regionen schen aus Russland und vieles mehr.

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9. Oktober 2010: Eine Delegation der Deut- Pr o j e k t t a g e schen aus Tjumen nimmt an den Feierlichkeiten d e r La n d e s g r u pp e Niedersachsen zum 60. Jahrestag der Gründung der Landsmann- m i t d e r Partnerregion Tj u m e n schaft in Hannover teil. 28.-31. August 2011: Teilnahme einer Jugend- Die Projekttage der Landesgruppe Niedersach- gruppe aus Tjumen an den Veranstaltungen zum sen mit der Partnerregion Tjumen des Landes Nie- 70. Jahrestag der Deportation der Russlanddeut- dersachsen vom 30. Mai bis 3. Juni 2012 waren schen in Friedland und Berlin. von zwei Schwerpunkten getragen: 2012 und 2013: Projekttage der Landesgrup- pe Niedersachsen der Landsmannschaft mit den ▪ „20 Jahre Partnerschaft zwischen dem Land Re­gionen Tjumen und Perm mit einer Mischung Niedersachsen und der Region Tjumen“ aus politischen, kulturellen und gesellschaftlichen ▪ und „5 Jahre Partnerschaft zwischen der Landes- Grundsatzfragen, die sich in Einzelmaßnahmen gruppe Niedersachsen und dem Gebietszentrum niederschlagen. der deutschen Kultur Tjumen“.

2012: Lilli Bischoff (hintere Reihe 7. von links) mit den Besuchern aus Tjumen.

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Der niedersächsische Minister für Inneres und piert, dass „unsere Gäste aus Tjumen möglichst Sport, Uwe Schünemann, übernahm die Schirm­ viel von Niedersachsen zu sehen bekamen und das herrschaft über die Projektwoche, die von der Land von verschiedenen Seiten erkundeten“, erläu­ Landesregierung Niedersachsen gefördert wurde. terte Lilli Bischoff. Bei allen Veranstaltungen und Für die Organisation und Betreuung der Gäste aus Ausflügen waren auch Vertreter der Ortsgruppe Russland sorgten der niedersächsische Landesvor­ Hannover und Umgebung dabei. Angeregte Ge­ stand der Landsmannschaft mit Lilli Bischoff, das spräche und Gesang in beiden Sprachen verkürz­ landesweite Projekt „Stark und offen in Nieder­ ten die stundenlangen Busfahrten. Betreut wurde sachsen“ (Leiterinnen Swetlana Judin und Anna die Gruppe von der Landesvorsitzenden und den Welz) und die Ortsgruppe Hannover. beiden Projektleiterinnen Swetlana Judin und Anna „In dieser Partnerschaft sehen sich die Russ­ Welz. landdeutschen als Brücke zwischen Niedersachsen Die Veranstaltungsreihe eröffnete ein etwa zwei­ und Tjumen“, betonte Lilli Bischoff. Die 2007 ini­ stündiger Besuch im Niedersächsischen Landtag tiierte Partnerschaft zwischen der Landesgruppe (30. Mai). Begrüßt wurden die Gäste aus Russland Niedersachsen und dem deutschen Kulturzentrum und Deutschland durch Lilli Bischoff und Rudolf Tjumen entwickelte sich im Rahmen des Projek­ Götz (MdL), niedersächsischer Landesbeauftrag­ tes „Grenzüberschreitende Partnerschaften mit ter für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, der Verbänden der deutschen Minderheit in der Russi­ durch das Landtagsgebäude führte. schen Föderation“. Der Besuch des Schlossmuseums Jever im Im Rahmen der Projekttage begrüßte Nieder­ Friesland (31. Mai) offenbarte interessante his­ sachsen eine etwa 30-köpfige Delegation aus der torische Verknüpfungen gerade für Russlanddeut­ Region Tjumen (darunter viele Kinder und Jugend­ sche. 1793 ging die Herrschaft Jever sogar an die liche) sowie Vertreter der regionalen Partnerschaf­ russische Zarin Katharina II. und blieb bis 1818 in ten im Rahmen des Projektes „Grenzüberschreiten­ russischem Besitz. An diese historische Begeben­ de Partnerschaften mit Verbänden der deutschen heit erinnert im Audienzsaal ein Originalporträt der Minderheit in der Russischen Föderation“. Auch Zarin des Hofmalers Lampi (1794). fand im Rahmen der Projektwoche ein Arbeitstref­ Auch die Besichtigung des Nationalpark- fen der regionalen Partner und Vertreter der Part­ Hauses Dangast (Nationalpark Wattenmeer, seit nerorganisationen statt. kurzem UNESCO-Weltnaturerbe) am 31. Mai hinterließ trotz des regnerischen Wetters bleibende Wi c h t i g e St a t i o n e n Eindrücke. In einem kurzen Film und bei einer auf­ d e r Pr o j e k t t a g e 2012 – schlussreichen Führung erfuhren die Teilnehmer p o l i t i s c h e , g e s e l l s c h a f t l i c h e von der einzigartigen Vielfalt der Tierwelt im Wat­ u n d k u l t u r e l l e An s ä t z e tenmeer. Danach ging es zum Jadebusen-Strand mit Gelegenheiten zu Erkundungen und Fotoauf­ Die Projekttage beinhalteten eine Mischung nahmen. aus politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Der Besuch der Autostadt in Wolfsburg am 1. Grundsatzfragen, die sich in Einzelmaßnahmen Juni vermittelte Einblicke in die Geschichte und niederschlugen. Das Programm wurde so konzi­ Gegenwart der Automobilindustrie. Die Führung

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Ausführliche Inhalte zu den beiden Partner- schaften und den Schwerpunkten der Projektwoche bot die Broschüre, die von der Landesgruppe Nie- dersachsen mit Unterstützung der Landesregierung herausgegeben worden war. Die musikalische Umrahmung des Empfangs gestalteten mit klassischer Musik Vadim Mitnick (Klavier) und Olga Welz (Akkordeon). Für das leibliche Wohl sorgten die Ortsgruppe Hannover und das Projekt „Stark und offen in Niedersach- sen“. Der Tag in Friedland am 2. Juni begann mit einem Vortrag zur „Geschichte des Grenzdurch- gangslagers Friedland“ von Heinrich Hörnsche- meyer. Auch im anschließenden Kurzfilm „Ab- Beim Besuch der Autostadt in Wolfsburg. schied, Ankunft, Neubeginn“, den Oliver Krüger vom Projekt „Museum Grenzdurchgangslager durch einige der attraktiv gestalteten Pavillons Friedland“ zeigte, kam die bewegende Geschichte übernahm der Deutsche aus Russland Robert Fi- des Lagers zum Ausdruck. Insgesamt sind bisher scher, der über 30 Jahre in den Wolfsburger Volks- rund vier Millionen Menschen über Friedland ge- wagenwerken arbeitete. gangen, Kriegsheimkehrer, Vertriebene, Flüchtlin- Der Empfang im Katholischen Zentrum ge, Aussiedler bzw. Spätaussiedler und Asylbewer- Hannover am gleichen Tag, den die Landesgruppe ber. Zeitzeugenaussagen werden zentraler Baustein Niedersachsen der Landsmannschaft für die Gäste des neuen Museums sein, das bis Herbst 2014 seine der Projekttage und die breite Öffentlichkeit orga- Tore für die Besucher öffnen soll. Ein Rundgang nisierte, sollte die Schwerpunkte der Projektwoche durch das Lagers und ein Fototermin an der Fried- noch einmal deutlich machen. Zu den Ehrengästen land-Glocke gehörten ebenfalls zum Programm. gehörten Vertreter des Niedersächsischen Innenmi- Ihren Höhepunkt erreichte die Projektwoche nisteriums und andere prominente Gäste. beim anschließenden Kulturfestival mit Teil- In ihren Ansprachen betonten Dr. Frank Früh- nehmern aus Niedersachsen und dem Gebiet ling, Leiter der Abteilung „Zentrale Angelegenhei- Tjumen mit zahlreichen Ehrengästen. In ihrer Be- ten, Ausländerrecht, Spätaussiedler, Sport“ im Nie- grüßung hob Lilli Bischoff hervor: „Die meisten dersächsischen Innenministerium, Lilli Bischoff, Mitglieder der Landsmannschaft und Landsleute Oleg Strahler, Koordinator des Internationalen Ver- aus der ehemaligen Sowjetunion sind in Nieder- bandes der deutschen Kultur, und Editha Lorberg, sachsen angekommen und fühlen sich hier zu Hau- Aussiedlerbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion, se. Und so ist es für uns als Deutsche aus Russland die Wichtigkeit der Partnerschaft für die beiden und als Landsmannschaft an der Zeit, uns auch Länder und die Brückenfunktion der Landsmann- anderweitig zu engagieren, z. B. in der Landespart- schaft. nerschaft Niedersachsen-Tjumen.“

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„In der in Tjumen am 21. Mai 1992 zwischen sich international und präsentierten die Traditionen dem Land Niedersachsen und der Region Tjumen ihrer neuen, aber auch der alten Heimat in vielfäl­ unterzeichneten Erklärung wurde unter anderem tiger Weise. vereinbart, ständigen Kontakt zu pflegen mit dem Der Chor „Heimatmelodie“ der Ortsgruppe Han­ Ziel, die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit nover (Leiterin Olga Welz) umrahmte das Festival konkreten Inhalten zu füllen. Dieser Auftrag aus mit „Hallo, guten Morgen Deutschland“ und dem der Partnerschaftsurkunde wird von der Landes­ „Niedersachsenlied“. Mit Gesangsbeiträgen traten gruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der außerdem Christina Stecklein aus Nienburg, Walerij Deutschen aus Russland und ihrer tjumenischen Belkow aus Göttingen, Anatoli und Viola Schneider Partnerorganisation in vorbildlicher Weise gelebt“, sowie das Duo „Pandora“ aus Peine auf. betonte Innenminister Uwe Schünemann in seiner Klassische, volkstümliche und moderne Dar­ Festansprache. bietungen kamen von Olga Welz (Akkordeon) aus Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Hannover, den Meisterschülern der Musikschulen der Deutschen aus Russland, Adolf Fetsch, un­ von Swetlana Klein und Swetlana Krude aus Ro­ terstrich in seinem Grußwort die Bedeutung der tenburg, Alexander Klein (Saxophon), Marie Hols­ grenzüberschreitenden Arbeit der Landsmann­ ten (Klavier, Geige), Julina Schwindt (Klavier) und schaft, die sich als Interessenvertretung, Hilfsorga­ Isabel Walker (Klavier) sowie vom kleinen Micha­ nisation und Kulturträger der Russlanddeutschen el Kostenko aus Peine. in Deutschland wie auch in der ehemaligen Sow­ Ebenfalls für Stimmung sorgten einige Tanz­ jetunion versteht. gruppen, darunter die Trachtengruppe aus Gif­ Natalia Matschuga, Vorsitzende des Gebietszent­ horn mit Volkstänzen aus der Nordheide und dem rums für deutsche Kultur Tjumen, wies auf die Landkreis Gifhorn in den typischen Trachten ihrer „untrennbaren Verbindungen zwischen Russland Region, die Kindertanzgruppe „Mirasch“ und die und Deutschland“ hin, die nicht zuletzt durch die Tanzgruppe „Rossijanotschka aus Peine, die Tanz­ massenhafte Auswanderung von Deutschen aus gruppe „Rhythmus“ sowie die Tanzgruppe „Sou­ der ehemaligen Sowjetunion entstanden seien, und venir“ aus Osnabrück. bewertete die Partnerschaft als „bedeutenden Bei­ Die russische Seite war durch Kulturgruppen trag zum für beide Gesellschaften wichtigen Annä­ aus den Zentren der deutschen Kultur Ischim und herungsprozess“. Tobolsk und der national-kulturellen Autonomie Über 300 Gäste verfolgten das gut fünfstündi­ des Rayonszentrums Jurginskoje vertreten. Sie alle ge Festivalprogramm – ein rauschendes Fest der gehören zum „Gebietszentrum für Bildung, Me­ kulturellen Vielfalt. Den Nachmittag mit Künst­ thodik und deutsche Kultur Tjumen“ und bemühen lern und Kulturgruppen aus Niedersachsen und der sich um die Wiedergeburt der Kultur und Tradition Region Tjumen moderierte mit viel Geschick der der Russlanddeutschen. Im Gebiet Tjumen leben Projektleiter der Landsmannschaft, Jakob Fischer. zurzeit etwa 26.000 Deutsche, ca. 4.700 davon in Zahlreich vertreten waren Gäste und Künstler aus der Stadt Tjumen. Hannover, Osnabrück, Gifhorn, Barsinghausen, Mit ihren Tanz- und Gesangsvorträgen wie auch Peine, Rotenburg und vielen anderen Orten Nieder­ mit Rezitationen von Werken der Klassiker Johann sachsens. Die Künstler aus Niedersachsen zeigten Wolfgang von Goethe oder Heinrich Heine ent­

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Jugendliche Akteure aus Tjumen in Friedland 2012. führten die Künstler das Publikum in die Zeit des Zum Schluss erhielten die Förderer und Helfer romantischen Deutschlands: die Kindertanzgruppe der Landsmannschaft sowie sämtliche Teilnehmer „Zauber“ aus Ischim, die Gesangsgruppen „Gute des Festivals Urkunden der Landesgruppe, die von Laune“ aus Tobolsk und „Schönheit“ aus Jurgins­ Lilli Bischoff überreicht wurden. Für die beiden koje und eine Reihe von Solisten. Projektleiterinnen Swetlana Judin und Anna Welz Die Gäste des Festivals konnten sich außerdem gab es Blumensträuße und den dankbaren Beifall mit den Inhalten der landsmannschaftlichen Wan­ der Teilnehmer. derausstellung „Volk auf dem Weg. Geschichte und Den Dank der russischen Delegation brachte Gegenwart der Deutschen aus Russland“, vertraut Natalia Matschuga mit den Worten zum Ausdruck: machen. Den Interessenten standen auch Angebote „Die Delegation aus dem Gebiet Tjumen ist von der Landsmannschaft (Bücher, Broschüren, Ver­ dem warmen Empfang hier in Hannover begeistert. bandszeitungen, Heimatbücher, CDs und DVDs Wir bedanken uns vor allem bei Lilli Bischoff und mit Liederheften) sowie Bücher des Historischen ihrem Team für alle Bemühungen und das interes­ Forschungsvereins der Deutschen aus Russland sante Aufenthaltsprogramm. Für unsere Gruppe zur Verfügung. Eine zusätzliche Bereicherung waren die Tage sehr reich an neuen Informationen war eine Ausstellung mit Computergrafiken von und Eindrücken. Wir sind auch der Landesregie­ Dmitry Gontarenko, die im Rahmen des spirituel­ rung Niedersachsen und dem Internationalen Ver­ len Kunstprojektes „Offene Fenster“ von Ludmilla band der deutschen Kultur für die Förderung unse­ Pfaffenrot konzipiert wurde. res gemeinsamen Projekts sehr dankbar.“

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Deutsche im gesellschaftlichen Leben der Region Perm: Bemühungen um die Belebung der deutschen Muttersprache und Kultur

ie deutsche Minderheit in Russland ist Gesellschaftliche Or g a n i s a t i o n Zielgruppe des vom Bundesministerium d e r Russlanddeutschen des Innern und dem Auswärtigen Amt D „Wi e d e r g e b u r t “ finanzierten Programms zur Förderung der kulturellen Identität der Russlanddeutschen. in d e r Re g i o n Pe r m Das Programm umfasst sprach- und bildungs- politische, soziale und gemeinschaftsfördernde Anlaufstellen für Deutsche aller Altersgruppen Maßnahmen. Auch die Russische Föderation in der Region Perm ist vor allem die Gesellschaft- unterstützt die Volksgruppe, u.a. über das Föde- liche Organisation der Russlanddeutschen rale Zielprogramm „Sozialwirtschaftliche und „Wiedergeburt“, die 1990 gegründet wurde. Die ethnokulturelle Entwicklung der Russlanddeut- Organisation gibt es in der Städten Perm, Soli- schen in den Jahren 2008-2012“. Davon profitie- kamsk und Beresniki. ren auch die Deutschen in der Region Perm. Die Schwerpunkte der Arbeit der „Wiederge- Laut Volkszählung von 2002 bekannten sich in burt“ liegen in der Region 10.152 Personen zu ihrer deutschen Ab- stammung. In mehreren Städten gibt es russland- ▪ der Wiederbelebung und Erhaltung der deut- deutsche Organisationen, die die Interessen und schen Muttersprache, der Kultur und der natio- Belange der russlanddeutschen Minderheit vor Ort nalen Traditionen der Deutschen; vertreten und sich um die Erhaltung der deutschen ▪ der Kulturarbeit und Bildung; Sprache, Kultur und des Brauchtums bemühen. ▪ der Aufklärungsarbeit im Bereich der Geschichte der Russlanddeutschen; ▪ der sozialen Betreuung ehemaliger „Trudar­ misten“;­ ▪ der Unterstützung von Opfern politi- scher Repressionen und Deportatio- nen; ▪ der Festigung der freundschaftlichen Nachbarschaft unter den Völkern des Gebiets Tjumen als Prävention gegen soziale, nationale und religiöse Im Deutschen Lesesaal in Perm. Konflikte.

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Zu den beliebten Aktivitäten gehören beteiligten sich die Kinder des Kinder-Tanztheaters „Lallen“ unter der künstlerischen Leitung von Ar- ▪ deutsche Sprachkurse; nold Rainik, das russlanddeutsche Ensemb­le aus ▪ Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Senioren und Ischewsk und viele andere. Alle Konzerte in den Frauen; genannten Orten wurden mit großem Enthusiasmus ▪ grenzübergreifende Projekte; aufgenommen. Außerdem wurden im Rahmen der ▪ Veranstaltungen wie Weihnachts- und Osterfeste; Feierlichkeiten zwei Sammelbände präsentiert, die ▪ Tage bzw. Festivals der deutschen Kultur; die Vereinigung „Wiedergeburt“ 2010 herausgege- ▪ Seminare und Konferenzen. ben hatte: „Die bemerkenswerten Deutschen von Prikamje“ und „Die Arbeitsarmee von Prikamje“. 2010 wurde das 20-jährige Jubiläum der Verei- Die Vereinigung der Russlanddeutschen „Wie- nigung „Wiedergeburt“ mit einer großen Festver- dergeburt“ in Perm bietet Jugendlichen der Regi- anstaltung in Krasnokamsk gefeiert. Davor war das on die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erler- Jubiläum der Gesellschaft der Russlanddeutschen nen bzw. ihre Kenntnisse zu vertiefen, organisiert auch in Perm, Solikamsk und Ust-Katschka gefei- Wanderungen und die Restaurierung eines Lutheri- ert worden. An der Gestaltung der Veranstaltungen schen Friedhofs aus der vorrevolutionären Zeit.

Jugendzentrum in Lysjwa: Teilnehmerinnen der Projektes „Erinnerung schafft Zukunft“.

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Die Vereinigung „Wiedergeburt“ in Solikamsk den Volontäre für die Arbeit mit Senioren, die sich organisiert seit 1990 alljährlich Erholungsaufent- mit Familienarchiven beschäftigen, und Familien- halte für russlanddeutsche Senioren. 1993 wurde in chronisten geschult. Die Jugendlichen zeichneten Solikamsk ein Rehabilitation- und WellnessZent­ Familienchroniken und Erinnerungen älterer Russ- rum für Opfer von politischen Repressionen ge- landdeutscher auf. Den Schlusspunkt des Projekts gründet. Die Organisation pflegt umfangreiche bildeten eine Konferenz und eine Ausstellung der Kontakte und grenzüberschreitende Partnerschaf- Archive unter dem Titel „Erinnerung schafft Zu- ten, etwa mit dem Theater „Buratino“ in Stollberg kunft“. Schließlich wurde das Buch „Geschichte (Deutschland), mit der Stadt Turgi (Schweiz) sowie der Russlanddeutschen der Region Perm in Famili- der Orts- und Kreisgruppe Augsburg der Lands- enchroniken“ herausgegeben­ und präsentiert. mannschaft der Deutschen aus Russland. Das Tanztheater „Lallen“ ist eine feste Grö- ße in Perm und darüber hinaus. Ins Leben gerufen We i t e r e St ü t z p u n k t e wurde es 1992 mit Unterstützung der Deutschen Schule Perm, die Übungsräumlichkeiten zur Verfü- Weitere Anlaufstellen für Deutsche in der Regi- gung stellte. Mit der Zeit entwickelte sich aus einer on Perm sind etwa das Deutsche Begegnungszent­ Tanzgruppe mit sieben Kindern ein Kinderballett rum in Krasnokamsk, das Regionale Zent­rum der und Tanztheater unter dem Namen „Lallen“. Deutschen der Region Perm „Zauberwelt“ in Lysj­ Bereits das erste Programm unter dem Motto wa und das Tanztheater „Lallen“ in Perm. „Die Lallen in der Stadt“ wurde bei Festivals und Das Regionale Jugendzentrum der Deut- Tagen der deutschen Kultur vorgestellt und begeis- schen der Region Perm „Zauberwelt“ in Lysjwa tert aufgenommen. Heute hat das Tanztheater des wurde 2005 gegründet. Das Erlernen der deutschen Sprache, das Kennenlernen der Traditionen und Kultur der Russlanddeutschen sowie die Förderung der deutschen Jugendklubs und gesellschaftlichen Organisationen der Region Perm stehen im Mittel- grund der Tätigkeit. Es gibt ein Puppentheater mit Vorstellungen auf Deutsch und Russisch, und es werden Sprachlager für Kinder und Jugendliche, internationaler Ju- gendaustausch, Seminare, Trainingsmaßnahmen und Deutschkurse organisiert. Zu den erfolgreichs- ten Projekten gehören Seminarlager für Leiter und aktive Mitglieder von Jugendklubs der Russland- deutschen, Internationale Jugendlager, das Puppen- theater „Wintermärchen“ und das Jugendseminar „Theater-Forum“. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Projekt „Erinnerung schafft Zukunft“. Im Vorfeld wur- Kinder des Tanztheaters „Lallen“.

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Maßnahme „Social-Musical und Meisterklasse in Berlin“ (2010) oder das Sommercamp „Kultur ver- bindet“ für Tanz- und Theatergruppen in Bad Her- renalb (2012).

Pa r t n e r d e r russlanddeutschen Vereinigungen

Partner der russlanddeutschen Vereinigungen und Einrichtungen sind unter anderem der Deut- sche Lesesaal in Perm und die Schule Nr. 12 in Perm (mit erweiterten Deutschunterricht). Die Deutsche Schule Nr. 12 ist seit 1991 eine Schule mit erweitertem Deutschunterricht. Deutsch ist Pflichtfach von der 1. Klasse an und für alle am Schulleben Beteiligten sehr wichtig. Für die Jahrgänge 10 und 11 ist das Fach Wirtschaft auf Arnold Rainik Deutsch fester Bestandteil des Schulunterrichts. Außerschulische Aktivitäten wie das Sprachlager Ballettmeisters Arnold Rainik sieben Standorte mit „Siegfried“ oder Austauschprogramme sorgen für über 200 jungen Tänzerinnen und Tänzern von drei ein abwechslungsreiches Programm in der unter- bis 23 Jahren. Rainiks ehemalige Schüler unter- richtsfreien Zeit. richten in den Gruppen des Theaters. „Lallen“ ist Der Deutsche Lesesaal in Perm konnte 2001 Preisträger von Landes- und internationalen Tanz- dank der Zusammenarbeit des Goethe-Instituts und wettbewerben. Regelmäßig beteiligt sich das Thea- der Gorki-Bibliothek eröffnet werden. Er ist eine ter an Veranstaltungen der Russlanddeutschen. Einrichtung für Schüler, Studenten, Lehrer, Freun- Arnold Rainik ist erst mit 26 Jahren zum Tanz de der deutschen Sprache und Muttersprachler. gekommen. Seine Jugend verbrachte er in Kasachs- Der Deutsche Lesesaal in Perm ist einer von 16 tan, wohin seine wolgadeutsche Mutter 1941 depor- Deutschen Lesesälen in Russland und bietet aktu- tiert worden war. Später studierte und promovierte elle Informationen über Deutschland und deutsch- er in Leningrad. Rainik ist Dozent an der Permer sprachige Länder an. Durch Bücher, Zeitungen und Universität. Er war mehrfach Regisseur und Mitge- Zeitschriften, Audio- und Videomaterialien sowie stalter von Festivals der russlanddeutschen Kultur durch die Möglichkeit, im Internet zu arbeiten und und arbeitet eng mit deutschen Begegnungszentren dort Information zu suchen, werden alle unterstützt, und Vereinigungen der Russlanddeutschen in der die sich für die deutsche Kultur interessieren. Es Region Perm und landesweit zusammen. werden Ausstellungen mit Werken der modernen Mehrfach beteiligte sich Arnold Rainik mit sei- deutschen Literatur, Übersetzertage, Plakat- und nem Tanztheater an grenzüberschreitenden Pro- Fotoausstellungen sowie Festlichkeiten im Zusam- jekten der Landsmannschaft. Dazu gehörten die menhang mit deutschem Brauchtum organisiert.

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Geschichte und Gegenwart der Deutschen im Gebiet Perm

ie Verwaltungsregion Perm liegt an der bereits seit Anfang des 18. Jahrhunderts deutsche Grenze zwischen Europa und Asien, ca. Wissenschaftler und Fachleute, die die wirtschaft- D1.100 km östlich von Moskau an den liche und kulturelle Entwicklung der Region mit- Westhängen des Ural. Die Region ist ein Zent- prägten. So steht in Perm ein Denkmal für den rum der russischen Schwerindustrie. Die Stadt „Volksdoktor“ Fjodor Christophorowisch (Theodor Perm wurde auch als das Tor in den Ural und Christoph) Grahl, Gründer des Medizinwesens im nach Sibirien bezeichnet. Gouvernement Perm Ende des 18. Jahrhunderts.

Die Deutschen spielten eine bedeutende Rolle Ke i n e d e u t s c h e n Ansiedlungen in der Entwicklung des Uralgebiets und der Regi- w i e a n d e r Wo l g a on Tjumen. Im Auftrag der Zaren arbeiteten hier Im Gebiet Perm gab es keine deutschen Ansied- lungen wie an der Wolga oder in der Ukraine. Bis 1914 waren die Deutschen hier eher vereinzelt an- sässig: Beamte, Ingenieure, Geschäftsmänner oder Handwerker. Im Ersten Weltkrieg kamen deutsche Kriegsge- fangene oder ins Hinterland evakuierte Reichsdeut- sche hinzu. Zahlreiche Archivdokumente schildern die Schicksale der deutschen Kriegsgefangenen und ihre Tätigkeit in den deutschen Sektionen in den Jahren 1919-1921. Bis Anfang der 1920er Jah- re war die Mehrheit dieser Deutschen in ihre Hei- mat zurückgekehrt. Später trafen Freiwillige aus Deutschland und der Schweiz mit Idealismus und Enthusiasmus im Gepäck im Westural ein, um ihren Teil zum Aufbau des Sozialismus beizutragen und die Industrialisie- rung der jungen Sowjetunion voranzutreiben. Um 1928 wurden deutsche Fachleute zur Ver- wirklichung von Industrieprojekten in das Gebiet Das Denkmal für Theodor Christoph Grahl in Perm eingeladen. Daraus entstanden in den Jahren Perm. 1928-1934 zahlreiche Beziehungen zu deutschen

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Firmen und ein reges Leben der deutschen Fach- leute im Gebiet Perm. Nach 1934 kehrten die meis- ten zurück nach Deutschland. Viele wurden aber auch Opfer des „Roten Ter- rors“ in den 1930er Jahren und fanden sich 1937 unschuldig in stalinistischen Lagern, unter ande- rem auch im Gebiet Perm, als Lagerhäftlinge und schließlich als Verbannte auf Lebenszeit. Zehntau- sende Deutsche saßen in Stalins Lagern doch ihre Geschichten werden erst in den letzten Jahren pub- lik. Laut Volkszählung von 1939 waren von den 1,5 Millionen Häftlingen des Gulag ein bis anderthalb Prozent Deutsche, Sowjetbürger deutscher Natio- nalität und so genannte Reichsdeutsche.

Er z w u n g e n e r Ma s s e n z u z u g v o n De u t s c h e n a b 1941

Der Massenzuzug von Deutschen in das damali- ge Gebiet Molotow (heute Perm) fiel auf die Jahre 1941 und 1942. Nach Angaben der Volkszählung von 1959 lebten im Gebiet Perm 38.928 Deutsche. Es waren vor allem deportierte Deutsche und ihre „Die Deutschen im Kama-Gebiet. 20. Jahrhun- Angehörigen aus dem Wolgagebiet und anderen dert“, Band 1/1. europäischen Regionen, die nach der Zwangsum- siedlung nach Sibirien und Kasachstan zu Tausen- Molotow-ITL (Besserungsarbeitslager) bestand den in die so genannte Arbeitsarmee mobilisiert von Oktober 1950 bis April 1953. Seine maximale worden waren. Viele kamen in die Arbeitslager Insassenzahl betrug 12.300 Personen, die beim Bau und Arbeitskolonnen der heutigen Region Perm. eines erdölverarbeitenden Werks, beim Straßen-, Von den 34.000 Deutschen, die sich dort 1944 auf- Industrie- und Zivilbau eingesetzt wurden. hielten, waren 19.000 Lagerinsassen. Die örtlichen Wirtschaftsleiter forderten immer Ar c h i v d o k u me n t e neue Arbeitskräfte für die Industrieobjekte an. So g e g e n d a s Ve r g e s s e n : Bü c h e r wurden Deutsche zu Tausenden aus Deportations- ü b e r de u t s c h e Sc h i c k s a l e regionen in die Arbeitskolonnen des NKWD rekru- im Ge b i e t Pe r m tiert und in die Lager des Gebietes versetzt. In Perm befand sich auch das Kriegsgefangenenlager 207, Der Vereinigung der Russlanddeutschen „Wie- Molotow, für deutsche Kriegsgefangene. In der dergeburt“ in Solikamsk, Perm, ist es vor einigen Nachkriegszeit gab es ein großes Gulag-Lager. Das Jahren gelungen, zwei beachtenswerte Bücher über

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„Die Deutschen im Kama-Gebiet. 20. Jahrhun- „Die Deutschen im Kama-Gebiet. 20. Jahrhun- dert“, Band 1/2. dert“, Band 2. lange verschwiegene Schicksale der Deutschen im Der erste Band (zwei Bücher) beinhaltet über Kama-Gebiet im XX. Jahrhundert herauszugeben: 440 Archivdokumente, von denen die meisten „Die Deutschen im Kama-Gebiet. 20. Jahrhundert“ noch nie veröffentlicht wurden. Schicksale deut- in zwei Bänden und „Gedenkbuch. Deutsche Trud­ scher Kriegsgefangener, reichsdeutscher Fachleute armisten im Ussollag 1942-1947“, finanziert aus und russlanddeutscher Trudarmisten werden da­ dem Budget des Gebietes Perm. rin dokumentiert. Protokolle von Versammlungen, Parteisitzungen und Verhören, Berichte von Partei- „Die Deutschen im Kama-Gebiet. 20. Jahr- behörden, Briefe an Stalin, Tagebuchauszüge von hundert“: Das zweibändige Werk (insgesamt drei Trudarmisten, Berichte über Stimmungen unter Bücher) ist die erste Aufarbeitung der Geschichte den Deutschen, Gerichtsurteile sowie eine Liste der Deutschen in der Region und greift tief in die von Repressierten zeigen die Verfolgung religiöser dunkle Vergangenheit des Terrors nach der Okto- Vereinigungen sowie Schicksale verurteilter deut- berrevolution und die grausame Realität des Gu- scher Trudarmisten von 1941 bis 1956 im Zuge der lags. politischen Repressionen und rekonstruieren ein

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Bild beispielloser Ungerechtigkeit, behördlicher größte, was die Anzahl der Häftlinge und Mobili­ Willkür und staatlich organisierten Tötens. sierten betrifft, sondern es hatte auch die höchste In den Jahren der Verfolgung wurden 750 Per­ Sterberate. In das Ussollag kamen Russlanddeut­ sonen deutscher Nationalität wegen „Spionage“ sche in zwei Etappen: Anfang 1942 etwa 5.000 verurteilt. Aus Dokumenten, die von der regionalen Mobilisierte aus der Altairegion und Nordkasachs­ Verwaltung des Sicherheitsdienstes FSB freigege­ tan; ab Sommer 1942 wurden Deutsche auch aus ben wurden, geht hervor, dass 130 Menschen zum anderen Lagern (Iwdellag, Wjatlag, Kraslag, Sa­ Tod durch Erschießen verurteilt wurden. marlag, u.a.) in die Lagerstandorte des Ussollag Im zweiten Buch werden die politischen Re­ versetzt und traten an die Stelle der Verstorbenen. pressionen behandelt und die Verfolgung religiöser Weil das Lager bis heute steht, ist auch das Ar­ Vereinigungen im Gebiet Perm dokumentiert. chiv erhalten geblieben. Trotzdem war es für die Der zweite Band bietet Erinnerungen von Zeit­ Mitarbeiter der „Wiedergeburt“-Vereinigung um zeugen und Beiträge über das heutige Leben der Edwin Grieb ein Riesenvorhaben, die Listen zu­ Deutschen im Gebiet Perm. sammenzustellen, offensichtlichen Fehlern nach­ zugehen und nachzuforschen. Einen bewegenden Die drei Bände können bei der Landsmannschaft Einblick in das rechtlose Leben und qualvolle der Deutschen aus Russland zum Preis von 29,- Sterben im Ussollag gewähren die Erinnerungen Euro bestellt werden: Tel.: 0711-1665922; Fax: von Friedrich Loresch und Jakob Schmal, die wie 0711-2864413; E-Mail: [email protected] Edwin Grieb durch diese Hölle des organisierten Tötens durch Arbeit gingen. „Gedenkbuch. Deutsche Trudarmisten im Ussollag 1942-1947“: In dem über 450 Seiten star­ De u t s c h e im h e u t i g e n ken Buch werden Namen mit Geburtsdatum, Ge­ gesellschaftlichen Le b e n burtsort, Wohnort vor der Mobilisierung und Ster­ d e r Re g i o n Pe r m bedatum von über 3.500 Deutschen aufgelistet, die auf schändlichste Weise in den Lagerpunkten des Die Liberalisierung in der Gorbatschow-Zeit Ussollag im Gebiet Perm ihr Leben lassen muss­ nach 1985 schuf Voraussetzungen für die Aufar­ ten. Außerdem wurden bereits etwa 4.000 Namen beitung der Geschichte der Russlanddeutschen und von deutschen Trudarmisten ermittelt, die im Soli­ eine kulturelle Wiederbelebung. Das stärkte auch kamskstroj des NKWD der UdSSR umkamen. Da­ das nationale Selbstbewusstsein der Deutschen und ten von ca. 7.300 weiteren Trudarmisten, die in den die Bemühungen um die Belebung der deutschen Jahren 1942 bis 1947 kamen, sind den Forschern Muttersprache und Kultur. bisher unzugänglich geblieben. Laut Volkszählung von 2002 bekannten sich in Eine umfangreiche Einleitung definiert den der Region 10.152 Personen zu ihrer deutschen Begriff Trudarmee und gewährt einen Einblick in Abstammung. In mehreren Städten gibt es russ­ das Lagersystem der damaligen Zeit. Das Ussollag landdeutsche Organisationen, die die Interessen gehörte zu den sieben berüchtigten Arbeitslagern, und Belange der russlanddeutschen Minderheit die der Verwaltung der Waldindustrie des NKWD vertreten und sich um die Erhaltung der deutschen der UdSSR unterstellt waren. Es war nicht nur das Sprache, Kultur und des Brauchtums bemühen.

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