Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 5, 191-200 Dezember 2005

Natur- und Vogelschutz im Umfeld HAECKELS: WrLHELM BöLSCHE, KoNRAD GuENTHER, CARL GEORG ScHILLINGS

RosEMARIE NöTHLICH & UwE HaßFELD Mit 3 Abbildungen

Zusammenfassung HAECKELS Verdienst, den Begriff »Ökologie<< definiert zu haben, ist hinlänglich bekannt. Bislang kaum erörtert wurde jedoch, wie HAECKEL zu der aufkommenden Naturschutzbewegung stand und welche Kontakte er zu Protagonisten dieser Bewegung besaß. Wie Recherchen jetzt zeigen, stand HAECKEL zumindest der Vo gelschutzbewegung aufgeschlos­ sen gegenüber und unterstützte entsprechende Aufrufe von KONRAD GuENTHER und CARL G. SCHILLINGS. Für den Natur­ und Vo gelschutz engagierte sich auch sein enger Freund, der Schriftsteller WILHELM BöLSCHE, was sich durch dessen Initiativen und Veröffentlichungen, aber auch durch die verschiedensten persönlichen Kontakte belegen läßt. HAECKELS Interesse an der Ornithologie - mehr als Ratgeber und Initiator denn als Fachornithologe - umfaßte dabei einen Zeitraum von fast 50 Jahren, beginnend mit der »Nationalversammlung der Vögel<< (1850) und endend mit der Kolibri-Tafel im Werk über >>Die Kunstformen der Natur<< (1899/1904).

Summary

ERNST HAECKEL and his influence on the nature conservation movement It is widely known that coined the term >>ecology<<. Hardly anything has hitherto been known, however, about HAECKEL's relation to the nature conservations movement and its leading protagonists. New archive material shows that HAECKEL - for more than 50 years - was directly involved at least in the bird protection move­ ment, and supported the appeals made by the bird conservationists KoNRAD GuENTHER and CARL G. SCHILLING. HAECKEL's closefriend, the writer WILHELM BöLSCHE, was also involved in the conservation and bird protections movements. BöLSCHE's activities in this area included publications and other initiatives, as weil as various personal contacts with members of the movements.

Keywords: ecology, bird protection, ERNST HAECKEL, nature protection, .

Einleitung durch die Arbeiten von Haeckel-Schülern und Verehrern (wie MAx FüRBRINGER oder VICTOR Es ist eine längst bekannte, häufig schon gewür­ FRANZ) diese Tradition bis weit in die Mitte des digte Tatsache, daß bedeutende Evolutionsbio­ 20. Jahrhunderts für den thüringischen, speziell logen auch zugleich bedeutende Ornithologen Jenenser Raum Relevanz besitzen sollte. waren, stehen doch hier als prägnante Beispiele Namen wie die von .ERWIN STRESEMANN, oder (u. a. HAFFER 1997, Ornithologie bei ERNST HAECKEL HaßFELD & JuNKER 2000, BocK 2004). Auch im Umfeld des Jenaer Zoologen ERNST HAECKEL Wie LEPS im Jahre 2000 nochmals hervorhob, (1834-1919) sollte sich insbesondere um 1900 ein gebührt HAECKEL unumstritten >>das historische solches Interesse entwickeln, wobei HAECKEL Verdienst, in seinem Werk >Generelle Morpholo­ selbst sich nur bedingt in ornithologische Dis­ gie< (1866) eine vor ihm unbenannte >bisher meist kussionen einbrachte, vielmehr, aus dem Hinter­ in hohem Grade< vernachlässigte Disziplin erst­ grund agierend, auf diesem Gebiet als Rat- und malig bezeichnet und ihren Gegenstand definiert Ideengeber auftrat. Aufgrund neu aufgefunde­ ZU haben« (LEPS 2000: 601; vgl. auch HERMAND ner Archivalien im Umfeld der Haeckel-Korre­ 1993). HAECKEL hatte dazu notiert: >>Unter Oeco­ spondenz ist es möglich, einige dieser bisher für logie verstehen wir die gesammte Wissenschaft die Ornithologie- und Naturschutzgeschichte un­ von den Beziehungen des Organismus zur um­ bekannten Streiflichter herauszustellen, zumal gebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren

* Dip!. Bio!. R. Nöthlich und PD Dr. Uwe Hoßfeld, Ernst-Haeckel-Haus, Berggasse 7, D-07745 Jena. E-mail: Uwe.Hossfeld@ Uni-Jena.de 192 R. Nöthlich & U. Hoßfeld: Natur- und Vo gelschutz im Umfeld Haeckels

§ 35 1. Stammbaum der Vögel.

r--- c 0 r a c 0 r n i t h e s Paueriformes Clnmn.to1·e� Oscines Cuculiformes Pici \ � Coraciformes H•Oc7�:,�� ' I/ Striges /0 Alectorornithos Charadriornithes Opisthocomi Coraciae Galliforme11 Lo.ridae

Columbae � Alcidae ' Gruiformea Pterocles Apter Ralliformes j Crypturi Dinornithcsy� Charadrii I // � Purrae /I/ Pelargornithes

Ratitae I cathnrt·des Falconea Rheornithca Cico i e vj Anseres n a Struthiornithes Steganopodes Ichthyornis ' , � l{hen , I

Saururae Archornithea Archueopteryx /z__------/ / oertili L a

-· -

�inosaur�a R-h��-�hocephalia

� rn h Crocodilin ------·:::::::::,...__ c it s

-� a To o e Ptero11auria _.-/__....------; L ____ _ Tocosauria / Abb. I.- Stammbaum der Vögel, E. HAECKEL: Systematische Phylogenie der Wirbelthiere (Vertebrata). Dritter Theil des Entwurfs einer systematischen Stammesgeschichte. Berlin 1895, S. 41 1, § 351.

Sinne alle >Existenz-Bedingungen< rechnen kön­ seilschaftlieh wenig Beachtung geschenkt. Die nen« (HAECKEL 1866, Bd. 2: 286). Als HAECKEL gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmende diese Definition verfaßte, wurde dem Begriff rapide Industrialisierung und Verstädterung ging Existenzbedingungen und der Ökologie i.w.S. ge- mit einer immer mehr fortschreitenden Zerstörung Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 5 (2005) 193

der Natur einher, die jedoch nur langsam oder de (Morphologie der Vögel von FüRBRINGER etc.) kaum im allgemeinen Bewußtsein wahrgenommen mit in seine Überlegungen integrierte. Ein Ver­ wurde und sicherlich aber auch regionale Unter­ gleich der Stammbaumdarstellungen aus der er­ schiede erkennen ließ (HERMAND 2001: 411). Um sten Auflage der >>Systematischen Phylogenie<< so mehr ist den vorhandenen und beginnenden (1895, Bd. III) sowie aus der I 1. Auflage der >>Na­ Bemühungen um einen umfassenden Naturschutz türlichen Schöpfungsgeschichte« (1909) belegt (eben auch in Blick auf die Entwicklung biologi­ dies eindrucksvoll (Abb. 1). Im Jahre 1861 (dann scher Fachdisziplinen wie der Ornithologie, Sy­ wieder 1877) war zudem im Solnhofer Schiefer stematik etc.) Aufmerksamkeit zu schenken, wur­ ein Archaeopteryx gefunden worden. A. 0PPEL und den doch eben dieser frühen Naturschutzbewe­ HAECKEL wiesen an ihm den stammesgeschicht­ gung in Deutschland aus dem Umfeld HAECKELS lichen Zusammenhang der Vögel mit den Reptilien wichtige Impulse verliehen. nach; Thomas HENRY HuxLEY faßte später die Rep­ Erste Spuren in Richtung Ornithologie führen tilien und die Vögel als >>Sauropsidae<< zusammen bereits in die Schulzeit des Jenaer Biologen. Durch und prägte 1867 den Satz >>Birds are greatly modi­ den Vater frühzeitig mit politisch-weltanschauli­ fied Reptiles<< (STRESEMANN 1951: 236). HuXLEY war chen Problemen konfrontiert, verarbeitete der da­ es auch gewesen, der angeregt durch HAECKELs mals 14jährige Schüler die Erlebnisse des revolutio­ >>Generelle Morphologie<< im Jahre 1868 den er­ nären Vormärz sowie den Kampf um einen einheit­ sten ornithologischen Stammbaum aufstellte. Ei­ lichen deutschen Nationalstaat auf seine Weise. nen gewissen Abschluß der künstlerisch-ornitho­ Zwischen 1848 und 1850 kolorierte HAECKEL ca. logischen Betätigung von HAECKEL bildete dann 4000 Stahlstiche in dem von Eduard PoEPPIG her­ seine Kolibri-Vogeltafel (Tafel 99) im Werk >>Kunst­ ausgegebenen Werk »Illustrirte Naturgeschich­ formen der Natur<< (1899). te des Thierreiches«, woraus schließlich 1850 ein großes farbiges Bild entstand. Bezug nehmend auf die Deutsche Nationalversammlung in Frank­ HAECKELS Kontakte furt am Main nannte er es »Nationalversammlung zur Naturschutzbewegung der Vögel, bestehend aus je einem Abgeordneten einer jeden Familie«. Die »Abgeordneten« plazierte Aus HAECKELS populärwissenschaftlichen Kon­ HAECKEL auf einem Baum, ohne jedoch innerhalb takten, auch hinsichtlich einer Bedeutung für die der Vögel stammesverwandtschaftliche Bezieh­ Geschichte der Ornithologie und Wissenschafts­ ungen konstruieren zu wollen (KRAUßE 1984: 14). popularisierung, ragt der freundschaftliche Kon­ Diese phylogenetischen Beziehungen finden takt mit WILHELM BöLSCHE (1861-I 939), der als sich dann allerdings fast 20 Jahre später in seiner Romancier und volkstümlicher Schriftsteller zu >>Natürlichen Schöpfungsgeschichte« (1868). Hier einem der meist gelesenen Autoren seiner Zeit referierte HAECKEL innerhalb des achtzehnten Vor­ avancierte, heraus (NöTHLICH 2002). Der aus einem trages >>Stammbaum und Geschichte des Thier­ freidenkerischen Elternhaus stammende BöLSCHE reichs. II. Stammbaum und Geschichte der Wir­ rezipierte, rezensierte und popularisierte HAECKELs belthiere« mehrere Seiten über die Systematik und monistische Naturanschauung in einer ihm eige­ Morphologie der Klasse der Vögel und unterteil­ nen Weise. HAECKELS >>Kunstformen der Natur<< te diese in reptilienschwänzige oder fieder­ entsprachen dabei ganz besonders seinen ästhe­ schwänzige (Saururae), fächerschwänzige oder tischen Intentionen. Seine ersten populären Ar­ kielbrüstige (Carinatae) sowie straußartige oder tikel veröffentlichte BöLSCHE bereits ab 1876 als flaumschwänzige Vögel (Ratitae), auch Laufvö­ Gymnasiast in den von dem Ornithologen KARL gel (Cursores) genannt (HAECKEL 1868: 458-460). Ruß herausgegebenen Zeitschriften >>Isis<< und Insgesamt fällt das Kapitel inhaltlich - im Ver­ >>Die Gefiederte Welt«. 1 Mit seinen populärwissen- gleich zu den anderen - oberflächlich aus: >>Da die nähere Betrachtung der geschichtlichen und 1 KARL Ruß (1833-1 899), Apotheker, Naturforscher genealogischen Entwickelung der einzelnen Vo­ und enthusiastischer Vo gelliebhaber gründete 1 872 die gelordnungen gar kein besonderes Interesse hat, Zeitschrift >>Die Gefiederte We lt«, welche noch heute wenden wir uns dann sogleich zum Stammbaum im Eugen Ulmer Verlag Stuttgart erscheint. Das Inter­ [ ...] der Säugethiere (Mammalia) [ ...]< < (1. c. 460). esse von Ruß galt insbesondere dem Tierschutz. Er Diese Sicht sollte sich dann in den folgenden veröffentlichte 1880 u.a. >>Schutz den Vögeln1 Schrif­ Auflagen der >>Natürlichen Schöpfungsgeschich­ ten über Vo gelschutz und den Schutz nützlicher Thiere te<< (bis 1920 erschienen 12 Auflagen) ändern, überhaupt<< und setzte sich für gesetzliche Regelungen wobei er jeweils die neuesten Forschungsbefun- des Vo gelschutzes ein. 194 R. Nöthlich & U. Hoßfeld: Natur- und Vo gelschutz im Umfeld Haeckels schaftliehen Schriften wie >>Die Entwickelungs­ terung im Sinne des Naturschutzes ersichtlich geschichte der Natur« (1894/96) oder >>Das Lie­ (HERMAND 1991 ). Dennoch bleibt sein Einflußauf besleben in der Natur« (1898/1901) erlangte er die Naturauffassung von BöLSCHE unumstritten später beachtlichen Einfluß auf die Vo lksbildung. und somit auch geistige Basis dessen späterer Allein seine 17 Kosmosbändchen (u. a. >>Abstam­ Bemühungen um einen Schutz der Natur. Aus mung des Menschen«, >>Der Stammbaum der Tie­ HAECKELS monistischer Auffassung von der >>All­ re«, >>Im Steinkoh1enwald«, >>Eiszeit und Klima­ beseeltheit der Natur« und der pantheistischen wandel«) erreichten eine Gesamtauflagezahl von Vo rstellung einer >>Gott-Natur« resultierte für ihn über 1,5 Millionen. Bekannt wurde BöLSCHE auch eine >>enthusiastische Naturverehrung« (KRAUßE als unermüdlicher Vortragsredner, der seinem Pu­ 1995: 357), die auch bei BöLSCHE zu einer >>Syn­ blikum bizarre Stimmungsbilder wie detailliertes these aus darwinistischer Entwicklungslehre und Faktenwissen gleichermaßen vermittelte. panpsychistischer Naturbeseelung« führte (HER­ Neben diesen aufgezählten Verdiensten wur­ MAND 1991: 74). Die Übereinstimmung beider be­ de er aber auch als Mitbegründer des Bundes stand auch in der Überzeugung, daß die engen Heimatschutz 19042 und durch seine späteren Schranken der naturwissenschaftlichen Schulbil­ Naturschutz-Bemühungen bekannt (HERMAND dung nicht zur Hebung der allgemeinen naturwis­ 1991, LoRENZ 1993). Ein Aufgreifen des Themas senschaftlichen Kenntnisse beitrugen: BöLSCHE Naturschutz oder des Begriffs >>Ökologie« hätte berichtete in einem Schreiben vom 22. Dezember man daher im Briefwechsel HAECKEL mit BöLSCHE 1892 an HAECKEL über einen Vortrag, welchen er (NöTHLICH 2002) erwarten können, zumal der von in der Gesellschaft für >>Ethische Kultur« in Ber­ HAECKEL so verehrte Jenaer Botaniker und An­ lin gehalten hatte. In diesem Vortrag hatte BöL­ thropologe MATTHIAS JACOB SCHLEIDEN (1804- SCHE versucht, die anwesende Lehrerschaft über 1881) im Jahre 1870 eine Schrift mit dem Titel >>Für die Bedeutung des naturwissenschaftlichen Un­ Wald und Baum« verfaßt hatte (BREIDBACH et al. terrichts aufzuklären und natürlich auch seine 2004 ). Dabei handelte es sich um eine Schutz­ Naturauffassung entsprechend darzulegen. Al­ schrift, die für Wissenschaftler und Laien ge­ lerdings mußte er resignierend feststellen: dacht war. In diesem Buch setzte sich ScHLEIDEN >>Für den Begriff >Freude an der Natur< waren mit dem Problem der Waldrodungen auseinan­ diese Herrn völlig unzugänglich, - das erschien der und wies auf die Bedeutung der Erhaltung ihnen als ein >poetisches< Element, das gar nicht der Wälder für künftige Generationen hin. Ähnli­ in den Unterricht hineingehöre. Es war eine Wü­ che Gedanken sind aus Schriften HAECKELs nicht stendürre, auf die man mit jedem Wort der Debat­ bekannt, der Begriff Naturschutz wird bei ihm als te stieß, wie ich sie mir doch kaum vorgestellt solcher nicht thematisiert.3 Später aktualisierte hatte, - ein hoffnungsloser Kampf gegen einsei­ HAECKEL zwar im Laufe der Jahre dann seine De­ tige Anpassung an das Allerdürftigste, Schlech­ finition des Ökologiebegriffs, indem er bspw. teste, einen Zufriedenheitszustand, der jede Mög­ damit >>Wechselbeziehungen aller Organismen« lichkeit zur Fortentwickelung verloren hatte<< bezeichnete, doch wird an keiner Stelle eine Erwei- (NöTHLICH 2002: 51 f.). Bislang nahezu unbekannt ist, daß HAECKEL zu Frühe Naturschutzbemphungen in Deutschland sind den Erstunterzeichnern eines Aufrufes des Bun­ auch mit den Namen ERNST RuooRFF und HuGo CoN­ des für Vo gelschutz (BfV) gehörte. Der 1899 in WENTZ verbunden. Der erste organisatorische Zusam­ Stuttgart gegründete BfV startete 1906 einen menschluß eines Naturschutzvereins erfolgte 1904 Aufruf >>An alle und jeden !«, um durch Erhöhung durch die Gründung des Bundes >>Heimatschutz« in der Mitgliederzahl öffentliche Wirksamkeit gegen . BöLSCHE wird häufig als prominentes Grün­ abnehmende Vo gelbestände zu erzielen. Der Frei­ dungsmitglied genannt (ZIRNSTElN 1996: 217, ANDER­ burger Zoologe KoNRAD GuENTHER (1874- 1955)4 SEN 1989). Weniger oder kaum bekannt ist, daß wandte sich als Verfasser dieses Aufrufes an pro- BöLSCHE unterschrieb, jedoch in seiner Erklärung von März 1904 (BöLSCHE 1904a) Widerspruch einlegte. Er distanzierte sich vom Bund »Heimatschutz<<, da 4 GuENTHER studierte Zoologie in Bonn, Leipzig und dieser gegen den Bau der »Sagenhalle<< im Riesenge­ Freiburg und wurde 1899 promoviert. Nach seiner Ha­ birge Bedenken geäußert hatte. Den Bau dieser Sagen­ bilitation 1902 war er Privatdozent, ab 1913 außeror­ halle hatte BöLSCHES Freund, BRUNO WtLLE, initiiert. dentlicher Professor der Zoologie in Freiburg. Er un­ 3 Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, daß die ternahm zahlreiche Studienreisen, die ihn u. a. nach Enkelin HAECKELS, INGEBORG HAECKEL, aktive Natur­ Ceylon und Brasilien führten. Hier begründete er die schützerio wurde und sich vor allem im Gebiet von biologische Schädlingsbekämpfung in den Tropen. Er Murnau engagierte. gilt als Wegbereiter des Naturschutzes. Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 5 (2005) 195 minente Personen wie GERHART HAUPTMANN und BERTHA VON SUTTNER, versuchte aber auch HAECKEL als repräsentativen Vertreter des Vo gel­ schutzbundes zu gewinnen. So schrieb ÜUENTHER an HAECKEL:

>> [ ... ] erlaube ich mir Ihnen einen Aufruf zur Erhal­ tung der Vogelwelt und der Natur unserer Heimat zu senden [ . . . ] und bitte daher unsere Führer in Kunst und Wissenschaft, mit zu unterschreiben.«5

Er betonte in einem weiteren Schreiben zu dieser Angelegenheit:

>>Wichtiger aber, als alle Unterschriften, die den Leser überzeugen sollen, dass es sich um eine Sache von allgemeinster Wichtigkeit handelt, ist mir die Ihre. Und ich bin überzeugt, dass der Aufruf auch Ihre Bil­ ligung findet, sind doch Euer Exzellenz allezeit ein Vorkämpfer für die Ausbreitung naturwissenschaftli­ cher Bildung gewesen!<<6

Auf diese zweite Aufforderung GuENTHERs rea­ gierte HAECKEL mit Zustimmung und übersandte bereits am 2l. März 1907 einen Mitgliedsbeitrag von zehn Mark. HAECKEL hatte dam.it eine Mit­ gliedschaft im >>Bund für Vogelschutz<< auf Le­ benszeit erworben (MAY 1999) (Abb. 2). KONRAD GuENTHER stand auch in Kontakt mit Abb. 2. Postkarte KoNRAD GuENTHERS an ERNST HAECKEL, BöLSCHE. Diese Verbindung läßt sich aber erst ab 26. März 1907, Archiv EHH: [Bund für Vogelschutz]: 1914 nachweisen, so daß BöLSCHE vermutlich >>Euer Exzellenz bestätige ich dankend den Empfang des nicht zu den Unterzeichnern dieses Aufrufes ge­ Mitgliedbeitrages für Lebenszeit für den >Bund für Vo gel­ hörte. BöLSCHE wurde aber von dem Afrika­ schutz<. Es ist demselben eine Ehre und ein Ansporn zur forscher CARL ÜEORG SCHILLINGS (1865-1921) um regsten Arbeit Euer Exzellenz zu den Mitgliedern zu zäh­ Mithilfe beim Vo gelschutz gebeten. ScHILLINGS, len. Die Mitgliedskarte etc . ... geht Ihnen von Stuttgart als Weltreisender und Erfolgsautor der Werke zu. In herzlicher Verehrung Ihr Ihnen ergebener Konrad >>Mit Blitzlicht und Büchse: neue Beobachtun­ Guenther.<< gen und Erlebnisse in der Wildnis inmitten der Tierwelt von Äquatorial-Ostafrika<< (1904) und >>Der Zauber des Elelescho<< (1906) bekannt, en­ So verfaßte er bspw. die Broschüre >>Die Tragödie gagierte sich ebenfalls stark in der Naturschutz­ des Paradiesvogels und des Edelreihers<<7 (1911) bewegung. SCHILLINGS wurde 1910 vom Bund für und bat um prominente Unterstützung seiner In­ Vo gelschutz geworben, die öffentlichen Kampa­ itiative für den Vo gelschutz durch BöLSCHE: >>Bit­ gnen des Bundes in der Auseinandersetzung mit te geben Sie mir Ihren Namen (mit SCHWEINFURTH, der Modebranche zu unterstützen (MAY 1999: 9). HAECKEL, RICH. HERTWIG und vielen andern) unter

Brief von KoNRAD GuENTHER an ERNST HAECKEL, 7. 3. 7 In einem Werbeblatt werden auch genauere Angaben 1907, Archiv des Ernst-Haeckel-Hauses [EHH]. zu der SCHILLINGs-Stiftung gemacht: Es wurde in dem 6 Brief von KONRAD GuENTHER an ERNST HAECKEL, 20. Aufruf darauf verwiesen, daß in 300 kinematographi­ 3. 1907, EHH. Er teilte HAECKEL in diesem Schrei­ schen Vorführungen und Vorträgen die Ziele der Stif­ ben auch mit, daß andere Persönlichkeiten bereits tung an Schulen erläutert wurden und die Gründung unterschrieben hätten. HAECKEL hatte offenbar auf eines Naturschutz-Archivs erfolgte. Mitglied dieser Na­ das erste Schreiben GuENTHERS nicht reagiert, da in turschutz-Stiftung konnte man durchdie einmalige Bei­ diesen Zeitraum die Feier zu seinem 50jährigem tragszahlung von 500 Mark werden. Vgl. Nachlaß C.G. DoktOJjubiläum fiel. ScHILLINGS, Bestand B, Seite 24-25, Stadtarchiv Düren. 196 R. Nöthlich & U. Hoßfeld: Natur- und Vo gelschutz im Umfeld Haeckels

meinen Vo gelschutz-Aufruf.«8 Dies bestätigt wie­ - beide Orte sollten dominierend tn BöLSCHEs derum HAECKELS Aktivitäten für den Vo gelschutz. Naturschutzbemühungen werden.12 Die Verbindung von SCHILLINGS zu HAECKEL läßt In seiner 191313 erschienenen Schrift »Stirb sich außerdem durch den Briefwechsel belegen.9 und Werde !« forderte BöLSCHE in seinem Artikel So hatte ScHILLINGS auch HAECKEL die zunehmen­ >>Zum Naturschutz« einen behutsameren Um­ de Problematik des Artenschutzes geschildert: gang mit der Natur (HERMAND 2001: 414). In Anbe­ »Leider geht Hand in Hand mit der Naturent­ tracht von Industrialisierung und fortschreiten­ fremdung der Menschen die Ausrottung der her­ der Verstädterung bekannte BöLSCHE: vorragendsten Formen mit rapider Schnelligkeit vor sich! [ .. ] Die Vo gelhüte der Frauen verschlin­ >>Aber die Zerstörung geht ihren Weg, wenn wir gen Reiher, Paradiesvögel etc. bis zur völligen nicht irgendwie begreifen, daß die Kultur hier einen Vernichtung!« Weiter heißt es: »Könnte nicht Ex­ Kulturwert tot schlägt. Hier überall muß die Entdek­ cellenz HAECKEL einen Donnerruf erlassen?? Der kung der Landschaftsschöne zugleich zu einer Schutz­ würde historisch auch nachwirken bis in ferne aktion drängen<< (BöLSCHE 1913: 166). Zeiten - würde aufrütteln !«10 Einen eigenen Aufruf zum Vo gelschutz hat Auch betonte er die Wichtigkeit der Schaffung HAECKEL aber nicht verfaßt Doch hatte er durch einzelner Reservate, sprach sich aber gegen Ver­ seine namentliche Unterstützung der Aktionen suche aus, diese Gebiete der Allgemeinheit durch von GUENTHER und SCHILLINGS vermutlich nicht restriktive Maßnahmen vorzuenthalten und ap­ unwesentlichen Anteil am Erfolg des Vo gel­ pellierte an ein sinnvolles Miteinander der unter­ schutzbundes.1 1 schiedlichen Interessen (vgl. auch BöLSCHE 1933: 37 -40). In diesem Zusammenhang startete er auch seinen bekannten Aufruf an alle Hausbesitzer zur WILHELM BöLSCHE - sein Wirken für den Schaffung von Reservaten im eigenen Garten als Naturschutz >>einen Schutzwinkel beispielsweise für heimische Pflanzen- und Tierwelt« und forderte u. a., >>ge­ Der Naturfreund BöLSCHE selbst war 1890 schon schützte Nistgelegenheiten für Vögel« anzubrin­ der Großstadt >>entflohen«, hatte sich mit seinen gen (BöLSCHE 1913: 175). Er bekannte außerdem, Gesinnungsgenossen dem idyllischen Fleckchen daß zu seiner >>liebsten Beschäftigung in Muße­ Erde >>Friedrichshagen« zugewandt (CEPL-KAUF­ stunden Studien über die Vo gelwelt des großen MANN & KAuFFELDT 2001). Dieser Vorort Berlins, Müggelsees<< gehörten (ebd. 165) und startete am Müggelsee gelegen, wurde für viele Jahre zu dann gemeinsam mit seinem Freund BRUNO WIL­ seiner Heimat. Später gesellte sich mit Schreiber­ LE (1860- 1929) einen Aufruf zum Schutz des hau im Riesengebirge eine >>Zweitheimat« hinzu Müg-gelsees, in dem sie sich gegen eine zuneh­ mende Bebauung des Müggelseeufers und ge­ gen eine Ansiedlung von Industrie in dieser Ge­ 8 Brief von CARL G. ScHILLINGS an WILHELM BöLSCHE, gend aussprachen (BöLSCHE & WILLE 1918). 10. 10. 1919, Bö!. Przyr 1087, UBW. Ob die Datie­ rung dieses Schreibens wirklich aus dem Jahre 1919 BöLSCHE versuchte auch in einigen seiner zahl­ stammt, konnte nicht eindeutig geklärt werden. So­ reichen Artikel ornithologische Akzente zu set­ wohl der Poststempel als auch die handschriftliche zen (Abb. 3). So schrieb er beispielsweise die Datierung sind schwer lesbar. Es konnte auch nicht Abhandlungen »Der Marabu<< (1900), >>Aus der geklärt werden, ob SCHILLINGS 1919 seinen Aufruf von Geschichte des Vo gelnestes« (1902) oder >>Das 1911 wiederholte. Vo lk der Pinguine« (1937) und vermittelte so sei­ 9 HAECKEL verfaßte für SCHILLINGS eine >>ZOOlogische nen Lesern auf sehr anschauliche Weise einer­ Empfehlung«, mit welcher dieser Mittel für seine ge­ seits Kenntnisse über vom Aussterben bedrohte planten Reisen einwerben wollte. Nachlaß C. G. SCHIL­ Tierarten bzw. andererseits über bereits ausge­ LINGS, Bestand C, Seite 12- 13, Schreiben HAECKELS storbene Vogelarten. In dem repräsentativen drei- an SCHILLINGS vom 10.3. 1910, Stadtarchiv Düren. 1 0 BriefC. G. ScHILLINGS an ERNST HAECKEL, l0.03. 1910, 2 EHH. 1 Der Ort Schreiberhau war wie Friedrichshagen zu ei­ 11 Vgl. hierzu auch MAY (1999: 9): >>Der Aufruf und die nem >>Zufluchtsort<< von Künstlern und Intellektuel­ laufende Arbeit des Bundes bleiben nicht ohne Wir­ len geworden. kung. Im Dreijahresrhythmus verdoppelt der Bund 1 3 Ebenfalls im Jahre 1913 fand die I. Internationale nun seine Mitgliederzahlen: von 10.000 Mitte 1907 Naturschutzkonferenz in Bern mit Delegierten aus 18 auf 20.000 Mitte 19l0 bis auf 40.000 kurz vor Aus­ Ländern auf Initiative von PAUL SARASIN, Präsident bruch des Ersten Weltkriegs.<< des Schweizerischen Bundes für Naturschutz, statt. Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 5 (2005) 197

und ihm die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Schreiberhau verliehen. Der Felsgrat zwischen der kleinen und der großen Schneegrube im Rie­ sengebirge wurde ihm zu Ehren als Bölsche-Grat bezeichnet:

»Der Schutz seiner Landschaft, die Erhaltung vor allem der einzigartig schönen Schneegruben mit ihrer Eiszeitflora war die Aufgabe seines Alters, die er er­ folgreich zu Ende bringen konnte« (B OLLE 1962: 3).

Ob BöLSCHES Einsatz ausschlaggebend war, daß auch eine Exkursion ins Riesengebirge zum Aus­ bildungsprogramm der Jenaer Biologiestuden­ ten 15 gehörte, läßt sich nur vermuten. Belegbar ist, daß sich der Zoomorphologe VrcTOR FRANZ (1883-1950) zur Vorbereitung dieser Exkursion an BöLSCHE persönlich wandte und ihn zur Vorberei­ tung und Teilnahme gewinnen wollte. So schrieb FRANZ in einem Brief vom 18. Juni 1931:

»Es ist mir ganz selbstverständlich, dass ich Sie zur freundlichen Teilnahme einlade und Sie bitte, Ihre anregende Anwesenheit für die ganze Tur, aller­ mindestens aber beim Wilhelm-Bölsche-Grat uns zu gewähren. Ueber dies sollte ich wohl schon jetzt auch auf etwaige Beratung durch Sie nicht ganz verzichten und möchte Ihnen daher den Plan und einige fragliche 1 6 Abb. 3. WILHELM BöLSCHE. - Bildarchiv NöTHLICH. Punkte kurz mitteilen.«

FRANZ teilte BöLSCHE im Weiteren seinen vier­ bändigen Werk »Die Wunder der Natur« erschien tägigen Exkursionsplan mit und stellte Fragen ein Beitrag über >>Vögel, die nicht fliegen kön­ nach Übernachtungsmöglichkeiten etc. BöLSCHE nen« (1912a), in welchem BöLSCHE über die als muß auf dieses Schreiben zumindest positiv geant­ Dodo14 oder Dronte bekannte, im 17. Jahrhun­ wortet haben, denn in einem weiteren Schreiben dert ausgerottete Vo gelart berichtete. In der Zeit­ antwortete FRANZ erfreut: schrift » Über Land und Meer<< publizierte er eben­ so einen Artikel »Der Waldrapp, ein verscholle­ »Besten Dank. Mein Herz hüpft. [ ...] Wir wol­ nes deutsches Tier« (1912b). lens so machen wie Sie vorschlugen und am Sonntag Im Frühjahr des Jahres 1918 läßt sich die Fa­ wegen früherer Ankunft, als nach bisherigem Plane, milie BöLSCHE dann endgültig in Schreiberhau nie­ noch Zacke!- u. Kochelfall besuchen. Ich rechne auf der. Die bizarre Schönheit des Riesengebirges Ihre Mitwanderung unbedingt.«1 7 hatte es ihr offensichtlich sehr angetan und für den Naturschürzer BöLSCHE wurde es zur Alters­ Er bat BöLSCHE weiter, die Übernachtungsan­ aufgabe, sich dem Schutz dieser Landschafts­ meldung für die Studenten zu übernehmen. Auch region zu widmen. Dabei trat er für den behutsa­ dieses muß BöLSCHE erledigt haben, so daß FRANZ men Umgang mit der mehr und mehr vom Touris­ mus erschlossenen Gegend ein. BöLSCHE wurde 1 an läßlich seines 70. Geburtstages für seine Be­ 5 In den entsprechenden Akten des Universitätsarchivs mühungen zum Schutz des Riesengebirges geehrt Jena (Jahresberichte der Institute etc.) konnte kein Hinweis auf die Durchführung zoologischer Exkursio­ nen ins Riesengebirge gefunden werden. 1 6 1 4 Vom 8. Januar 2004 bis 8. Januar 2005 fand im Phy­ Brief von VICTOR FRANZ an WILHELM BöLSCHE, 18. 6. letischen Museum der Universität Jena die Sonderaus­ 1931, UBW, Bö!. Przyr. 311. stellung >>Dead as a Dodo« statt. Vgl. hierzu auch '7 Brief von VICTOR FRANZ an WILHELM BöLSCHE, 9. 7. ZISWElLER (1996). 1931, UBW, Böl. Przyr. 312. 198 R. Nöthlich & U. Hoßfeld: Natur- und Vo gelschutz im Umfeld Haeckels sich nochmals am 23. Juli 1931 bei ihm bedankte Tiernovellen zum behutsameren Umgang mit der und ihm die endgültige Tourenroute beschrieb. Natur anregen sollten. Auch E. SüFFEL hat sich PRANZ wollte offensichtlich BöLSCHE als hervor­ im Naturschutz engagiert. Gemeinsam mit ihrem ragenden Kenner dieser Gebirgsgegend gewin­ Mann, dem Künstler KARL SüFFEL, arbeitete sie nen und hoffte auch auf dessen Teilnahme. Wie an der Herausgabe zahlreicher Tierbildbände und aus den weiteren Schreiben von PRANZ hervor­ schrieb Beiträge zum Vogelschutz. geht, konnte BöLSCHE diesem Wunsch nicht ent­ Wie Recherchen in der Bestandsliste des BöL­ sprechen.18 Im BöLSCHE-Nachlaß des Deutschen SCHE-Nachlasses in Wrodaw ferner zeigten, stand Museums München existiert jedoch ein Foto, BöLSCHE ebenso mit dem Protagonisten der deut­ welches BöLSCHE mit Jenaer Studenten in der schen Naturschutzbewegung CARL GEORG E. F. Schneegrube zeigt (LoRENZ 1993). Wenn dieses SCHULZ (I 875-1955) in Kontakt. ScHULz wurde wie Foto also nicht auf dieser Exkursion entstanden ScHILLINGS ebenfalls durch seine Naturphota­ ist, so könnte BöLSCHE zumindest ein weiteres Mal graphie sowie durch sein engagiertes Wirken für an einer Exkursionsvorbereitung und Tour selbst den Naturschutz in der Mark Brandenburg be­ beteiligt gewesen sein. Daß BöLSCHE großes In­ kannt. Seinem nachdrücklichen Eintreten für den teresse an der Vermittlung von Kenntnissen über Vo gelschutz ist es zu verdanken, daß 1910 auf seine Wahlheimat und am Schutz dieser einzigar­ der Insel Hiddensee ein Vogelschutzgebiet aus­ tigen Landschaft besaß, läßt sich somit nicht nur gerufen wurde. Er war Autor der 1913 veröffent­ durch seine zahlreichen Artikel beweisen. lichten Schrift >> Vo gelschutzgebiete an deutschen BöLSCHE regte auch die Schaffung eines >>lo­ Meeresküsten« sowie der populären Schriften­ kalen Gebrauchs- und Touristenmuseums<< an, reihe >>Natur-Urkunden«, welche 1908 mit der Se­ und er erreichte, daß die Schneegruben unter Na­ rie über >>Vögel« begann. SCHULZ war jedoch auch turschutz gestellt und der Botanische Heimat­ der Erste, der >>die Natur im Schmalfilm festhielt« garten von Schreiberhau 1939 in Auftrag gege­ und so zum Mitbegründer des späteren Bild- und ben wurde (NAFE 1930). Filmamtes Berlins wurde (KEMPCKE 1940: 191). BöLSCHE erkannte frühzeitig die Bedeutung des Hier stellte er die ersten Naturfilme her, welche Artenschutzes und setzte sich daher nicht nur für für den Unterricht an Schulen verwendet wur­ den Schutz der Landschaft allgemein, sondern den, darüber hinaus errichtete er das erste Schul­ auch für den Erhalt jeder einzelnen Spezifität ein: kino. BöLSCHE nutzte gern eine >>Anzahl famoser Naturphotographien von GEORG ScHULZ« (NöTH­ >>Wer hat's denn je gesehen von den Vielen? So LICH 2002: 277) zur Illustration seiner Vo rträge, wird's auch keiner vermissen. Grade das ist aber der mit welchen er naturkundliches Wissen allgemein­ grundlegende Irrtum. Keiner dieser scheinbar verständlich vermittelte. An dem Beispiel von winzigsten Züge ist gerade für das Entscheidende be­ SCHULZ und BöLSCHE zeigt sich aber auch, wie im langlos« (BöLSCHE 1912c: 64 ). Umfeld HAECKELS, diese populärwissenschaftli­ chen Bildungsvermittler ihr Publikum für ökolo­ Im Jahre 1913 schrieb er dann das Vorwort für gische Aspekte und Sichtweisen sensibilisierten. >>Der erste deutsche Naturschutzpark in der Lüne­ burger Heide« und ma.chte sich als Herausgeber Dank. Frau Dr. ERIKA KRAUßE (t), Kustodin des von Schriften verdient, welche dem Naturschutz­ Ernst-Haeckel-Hauses in Jena von 1971 bis 2000, gedanken zuzuordnen sind. BöLSCHE war Heraus­ verdanken die Autoren den Hinweis auf die Ver­ geber der Werke von Curt GROTTEWITZ >>Unser mutung, daß HAECKEL Mitglied des Vo gelschutz­ Wald« (1907) und >>Der Mensch als Beherrscher bundes gewesen sein könnte. Diese Vermutung der Natur« (1928), schrieb zudem das Vorwort zu konnte jetzt durch Recherchen im umfangreichen ELSE SüFFELS >>Der Steppenreiter« (1917), in dem Briefnachlaß BöLSCHES und HAECKELS bestätigt werden. Ebenso möchten wir Dr. NILS FRANKE von

1 8 der Stiftung Naturschutzgeschichte für den Hin­ Am 24. 7. 1931 sandte FRANzdiesem die geliehene Karte weis auf den Artikel von HELGE MAY sowie Herrn des Schneegrubengebietes zurück. Zur Exkursion der Jenaer Studenten ins Riesengebirge vgl. auch HaßFELD H. KREBS vom Stadtarchiv Düren für die bereit­ (1993). FRANZ hat vermutlich auch gemeinsam mit gestellten Dokumente aus dem SCHILLINGs-Nach­ dem Ornithologen HuGo HtLDEBRANDT BöLSCHE in laß danken. Danken möchten wir weiterhin Prof. Schreiberhau besucht, denn er führte in seinem Nach­ HANS GERT RoLOFF und GERD HERMANN SuSEN vom ruf auf HtLDEBRANDT aus: »Hoch nahm er es auf, noch Editionsprojekt >>WrLHELM BöLSCHE« der FU Ber­ Wilhelm Bölsche in Schreiberhau und in den Schnee­ lin. Durch die Kooperation mit ihnen war es mög­ gruben kennengelernt zu haben« (FRANZ 1951: 59). lich, die genannten Quellen aus dem BöLSCHE- Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 5 (2005) 199

Nachlaß der Universitätsbibliothek Wroclaw für BREIDBACH, 0., U. HoßFELD, I. JAHN & A. ScHMIDT (Hrsg.; diese Arbeit zu verwenden. Unser Dank gilt auch 2004): MATTHIASJACOB SCHLEIDEN (1804- 1881). Schrif­ Dr. EBERHARD MEY (Rudolstadt) für das Interes­ ten und Vorlesungen zur Anthropologie. - Stuttgart. se an dieser Arbeit. BRüGGEMEIER, F. J. & T. ROMMELSPACHER ( 1989): Besiegte Natur: Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahr­ hundert. - München. & Quellen CEPL-KAUFMANN, G. R. KAuFFELDT (2001): Naturein­ samkeit bei brausender We ltstadt. Der Friedrichshage­ Ernst-Haeckel-Haus (EHH) ner Dichterbund und die Neue Gemeinschaft in Berlin. Brief von C. G. SCHILLINGS an E. HAECKEL, I 0. 3. 1910. Pp. 515-520. - In: BucHHOLZ, K. et al. (Hrsg.): Die Briefe von K. GUENTHER an E. HAECKEL, 7. 3. 1907, 20. Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Le­ 3. 1907, 26. 3. 1907. ben und Kunst um 1900. Bd. I. - Darmstadt Universitätsbibliothek Wrodaw Der erste deutsche Naturschutzpark in der Lüneburger Briefe von V. FRANZ an W. BöLSCHE, 18. 6. 1931, 9. 7. Heide. Eine Werbeschrift. Hrsg. vom Verein Natur­ 1931, 24. 7. 1931, 13. 7. 1931, UBW, Bö!. Przyr; 310- schutzpark e.V: Stuttgart (Franckh 'sehe Verlagsbuch­ 313. handlung). Brief von C. G. ScHILLINGS an W. BöLSCHE, 10. 10. 1909, FRANZ, V. (1951): Zum 5j ährigen Todestag von Hugo UBW, Böl. Przyr 1087. HILDEBRANDT. Ein unvergesslicher Weggenosse. - Mitt. Stadtarchiv Düren Thüring. Ornithol. 2, 58-59. Nachlaß C. G. SCHILLINGS: Bestand C, Schreiben von E. GROTTEWITZ, K. (1907): Unser Wald. - Berlin. - & HAECKEL an C. G. ScHILLINGS, I 0.3.1910. W. BöLSCHE ( 1928): Der Mensch als Beherrscher der Natur. - Berlin. HAECKEL, E. (1866): Generelle Morphologie der Orga­ Literatur nismen. Allgemeine Grundzüge der organischen For­ men-Wissenschaft, mechanisch begründet durch die ANDERSEN, A. (1989): Heimatschutz. Die bürgerliche von CHARLES DARWIN reformirre Descendenz-Theo­ Naturschutzbewegung. Pp. 143-158. - ln: BRüGGE­ rie. - Berlin. MEIER, F. & T. ROMMELSPACHER ( 1989): Besiegte Na­ - ( 1868): Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinver­ tur. - München. ständliche wissenschaftliche VOiträgeüber die Entwick­ BocK, W. J. (2004): Ernst MAYR at I 00: A life inside and lungslehre im Allgemeinen und diejenige von DAR­ outside of ornithology. - Auk 121 (3), 637-65 1. WIN, GOETHE und LAMARCK im Besonderen, über die BöLSCHE, W. (1894/96): Entwickelungsgeschichte der Anwendung derselben auf den Ursprung des Menschen Natur. - Berlin. und andere damit zusammenhängende Grundfragen der - (1898- 1903): Das Liebesleben in der Natur. Eine Ent­ Naturwissenschaft. - Berlin. wicklungsgeschichte der Liebe. Bd. 1-III. - Leipzig. - ( 1899): Kunstformen der Natur. Erste Sammlung. - (1900): Der Marabu. - Mutter Erde 3, 321-322. Fünfzig Illustrationstafeln mit beschreibendem Text. - ( 1904): Erklärung zur Gründung des Bundes »Heimat- - Leipzig, Wien. schutz«. - Deutsche Welt 6 (25), 399-400. - (1904): Kunstformen der Natur. Supplement-Heft. - (l912a): Vögel, die nicht fliegen können. In: Wunder Allgemeine Erläuterung und systematische Übersicht. der Natur. Schilderungen der interessantesten Natur­ - Leipzig, Wien. Schöpfungen und -Erscheinungen in Einzeldarstellun­ HAFFER,J. ( 1997): Ornithologen-Briefe des 20. Jahrhun­ ' gen. Bd. II, 30-37. derts. >>We must Iead the way on new paths<<. The - ( 1912b): Der Waldrapp, ein verschollenes deutsches work and correspondence of HARTERT, STRESEMANN, Tier. - Über Land und Meer 108, 482. ERNST MAYR - international ornithologist. - Ökolo­ - (1912c): Heimatschutz des Naturbildes im Riesenge­ gie der Vögel 19 (Ludwigsburg). birge. Pp. 62-66. - In: Festschrift zur Jahrhundert­ HERMAND, J. (Hrsg., 1993): Mit den Bäumen sterben die feier des Boten im Riesengebirge.- Hirschberg i. Schi. Menschen. Zur Naturgeschichte der Ökologie. - Köln, - (1913): Zum Naturschutz. Pp. 161-176. - In: Bölsche, Weimar, Wien. W. : Stirb und werde ! Naturwissenschaftliche und kul­ - (1991 ): Grüne Utopien in Deutschland. Zur Geschichte turelle Plaudereien. - Jena. des ökologischen Bewusstseins. - Frankfurt. - & B. WILLE ( 1918): Wer rettet den Müggelsee? - Ber­ - (200 I): Aspekte der Lebensreformbewegung. Pp. 41 1- liner Tageblatt. Nr. 290 v. 9. 6. 1919. M. A. 2. Beiblatt. 415. - In: BuCHHOLZ, K. et al. (Hrsg.): Die Lebensre­ - ( 1933): Naturschutz und sein Schatten. - Die Ernte form. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und 14 (8), 37-40. Kunst um 1900. Bd. l.- Dannstadt. - (1937): Das Vo lk der Pinguine. - Universum 53 (29), HoßFELD, U. (1993): Evolutionsbiologie im Werk von 826-827. VICTOR FRANZ. - Magisterarbeit, Universität Jena. BoLLE, F. ( 1962): Wilhelm BöLSCHE. Künder und Deuter - & T. JUNKER (2000): ßERNHARD RENSCH (1900- 1 990) der Natur. - Die freigeistige Aktion. 6, 3. - Evolutionsbiologe, Ornithologe, Malakologe und 200 R. Nöthlich & U. Hoßfeld: Natur- und Vo gelschutz im Umfeld Haeckels

Biophilosoph. Zum Gedenken an seinen 100. Geburts­ SCHLEJDEN, M. J. ( 1870): Für Wald und Baum. - Leipzig. tag am 21. Januar 2000. - Blätter aus dem Naumann­ ScHILLINGS, C. G. (1904): Mit Blitzlicht und Büchse: neue Museum 19, 78-89. Beobachtungen und Erlebnisse in der Wildnis in­ KEMPCKE, H. ( 1939): GEORG E. F. SCHULZ. - Der Märki­ mitten der Tierwelt von Äquatorial-Ostafrika. - Leip­ sche Naturschutz 40, 188-192. zig. KRAUßE, E. ( 1984): ERNST HAECKEL. - Leipzig. - (1906): Der Zauber des Elelescho. - Leipzig. - (1995): HAECKEL: Promorphologie und »evolutionisti­ - (1911): Die Tragödie des Paradiesvogels und des Edel- sche<< ästhetische Theorie - Konzept und Wirkung. reihers. Sonderdruck des Juniheftes der Süddeutschen Pp. 347-394. - In: ENGELS, E. (Hrsg.): Die Rezeption Monatshefte. - München. von Evolutionstheorien im 19. Jahrhundert. - Frank­ SCHULZ, GEORG E. F. ( 1908/09): Natururkunden. - Berlin. furt am Main. - (1913): Vo gelschutzgebiete an deutschen Meeres­ LEPS, G. (2000): Ökologie und Ökosystemforschung. Pp. küsten. - Berlin. 601-619. - In: JAHN, I. (Hrsg.): Geschichte der Biolo­ SüFFEL, E. ( 1917): Der Steppenreiter. Mit einer Einlei­ gie. - Berlin. tung von WILHELM BöLSCHE. - Leipzig. LoRENZ, K.-P. ( 1993): Wilhelm BöLSCHE. - >>Grüner Weg Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der 3la<< (3), 19-31, (4), 8-20. deutschen constituirenden Nationalversammlung MAY, H. ( 1999): Hundert Jahre Mensch & Natur. Ein zu Frankfurt a. M. Nr. 65, Mittwoch, den 23. August Streifzug durch die NABU-Geschichte. - Naturschutz 1848. heute 31 (I), 8-13. STRESEMANN, E. ( 195 I): Die Entwicklung der Ornitholo­ NAFE, 0. (1930): Die Entwicklung und Tätigkeit des gie. Vo n ÄRISTOTELES bis zur Gegenwart. - Berlin. Riesengebirgsvereins in den letzten 25 Jahren - Der ZIRNSTEIN, G. (1996): Ökologie und Umwelt in der Ge­ Wanderer im Riesengebirge 6, 95- 102. schichte. - Marburg. NöTHLICH, R. (Hrsg.; 2002): Ernst HAECKEL - Wilhelm ZISWEILER, V. (1996): Der Dodo. Fantasien und Fakten BöLSCHE. Briefwechsel 1887- 1919. - Berlin. zu einem verschwundenen Vo gel. - Zürich.