Die Sammlung Nassauischer Altertümer Im Abseits
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„Die Wiesbadener verteidigten die drei Säulen auf denen das Museum ruht, heftiger als alle Kunstschätze im Keller.“ Ingeborg Toth, RMP 1998 Die Sammlung Nassauischer Altertümer im Abseits Vorwort Die vorliegende Dokumentation ist eine Chronique scandaleuse, sie ist auch eine Chronik, bestimmt von Ignoranz und Inkompetenz eines Großteil der Verantwortlichen. Auch hier gibt es Ausnahmen. Diese Personen, die sich durchgängig für unser Landesmuseum engagierten, kommen in dieser Geschichte immer wieder zu Wort. Diese Geschichte ist ein Plädoyer für eine Sammlung, mit dem Fleiß vieler Generationen gestaltet, die Geschichte dieser Stadt einmalig darstellt und die als Gründer den größten Dichter unserer Nation aufweisen kann. Einem Museumsdirektor, der die ihm anvertrauten Sammlungen als „Gerümpel“ und „Plunder“ bezeichnet, die Sammlungen öffentlich abqualifiziert und in den Depots verkommen läßt und dem dazu die Fachqualität und jede Sensibilität für ein derartiges Museum fehlt. Dies dürfte im europäischen Kultur- und Geschichtsraum einmalig sein. Dem steht eine überwältigende Mehrheit von Bürgern, Fachleuten und Journalisten, Institutionen, Vereinen und Bürgerinitiativen gegenüber, die beharrlich für ihr Museum kämpften, um es „nicht vorschnell dem modernen Kulturkonsum zu opfern“, wie es ein engagierter Leserbriefautor formulierte. Dies ist kein Plädoyer gegen eine Moderne, die sich allerdings im hiesigen Museum vor allem am kargen Geschmack des Museumsdirektors bemißt. Wer sich dagegen für künstlerische und kulturelle Zeugnisse menschlicher Tätigkeit aus rund 200 000 Jahren engagiert, wie sie die Sammlung Nassauischer Altertümer präsentiert, wird diese nicht unsinnigerweise gegen moderne Kunst aufrechen. Anders als jene selbsternannten Kunstwarte, „Freunde der Kunst im Museum“, die dort mit ihrer „Gagkunst“ in Konkurrenz zu den übrigen Sammlungen stehen und diese deshalb mit ikonoklastischem Eifer bekämpfen. 1 Die Sammlung Nassauischer Altertümer im Abseits 1987 Neuer Museumsdirektor ist umstritten – „Quereinsteiger“ mit neuen Schwerpunkten will „Profil“ des Museums entwickeln • Beginn der langen Suche nach einem Museumskonzept – Museumsdirektor möchte mehr Ausstellungstätigkeit • Die Idee eines Stadtmuseums und die unendliche Ankündigung seines Baues • „Goetheskulptur“ mißfällt dem Museumsdirektor Im Herbst 1987 beginnt eine Diskussion um den Zustand des Landesmuseums Wiesbaden. Das ehemals von der Stadt Wiesbaden 1973 in die Trägerschaft des Landes, das einem „Notruf der Stadt Wiesbaden“ folgend, überführte Museum fristet zu diesem Zeitpunkt nach wie vor ein trostloses Dasein, einen „Dornröschenschlaf“, wie es der damalige Direktor Dr. Schmidt pauschal für die Situation der Museen formuliert. „Eine für das kulturelle Leben Wiesbadens wichtige Entscheidung ist gefallen“, so beginnt das Feuilleton des Wiesbadener Kuriers im August 1987 mit der Ankündigung des neuen Museumsdirektors, Dr. Rattemeyer. Die Entscheidung des damaligen Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst, Dr. Gerhardt für die Person Rattemeyers und dessen Qualifikation sind nicht unumstritten. „Schwere Bedenken“, dagegen äußern wiederholt Mitarbeiter und der damalige Personalrat des Museums, „der Kandidat sei sozusagen fachfremd, eher ein Soziologe als ein Kunsthistoriker, er besitze nicht die Qualifikation und die Erfahrung, ein Museum wie das Wiesbadener zu führen.“ 1 Auch der CDU-Stadtverordnete Hans-Peter Thurn stellt mit „Erstaunen“ fest, daß mit der Entscheidung für den Kasseler Hochschullehrer Dr. Rattemeyer „eine unglückliche Tradition fortgesetzt werde, die man mit dem Weggang des bisherigen - höchst umstrittenen - Museumsdirektors Dr. Herbst überwunden glaubte.“ 2 „Quereinsteiger“ mit neuen Schwerpunkten Gleichwohl tritt der neue Direktor des Museums im September 1987 sein Amt an. Im Feuilleton des Wiesbadener Kuriers kurz vor Amtsantritt Dr. Rattemeyers werden noch einmal die Kritikpunkte gegen die Ernennung aufgeworfen. Der Kurier weist noch einmal auf die Pressemitteilung des CDU-Stadtverordneten Thurn hin, daß der Personalrat des Museums sich „eindeutig gegen die personellen Vorstellungen des Ministers gewandt habe.“ Das Ministerium solle der „Stellungsnahme des Personalrates gebührend Beachtung schenken und nicht ‚von oben herab’ unverrückbare Fakten schaffen.“ Auf die Vorbehalte gegen seine Qualifikationen angesprochen und laut Kurier „hier in ein Schlagwort gefaßt – er sei Soziologe, nicht Kunsthistoriker“, hätte Dr. Rattemeyer ein „Gegenschlagwort“ parat. „Die interessantesten Museumsdirektoren seien immer die Quereinsteiger gewesen.“ Weiter so seine Überlegungen, ,,seien das Haus stärker ins Bewußtsein zu bringen, „eine größere kulturelle Identität zwischen der Bevölkerung und dem Museum herzustellen.“ Er gehe davon aus, die drei Abteilungen auch unter regionalem Aspekt zu erhalten. Allerdings 2 sollten in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern die Schwerpunkte ermittelt werden aus denen sich das „Profil“ des Museums entwickeln solle. 3 Mit diesem Schlagwort beginnt sich die bis heute andauernde „Profil-Neurose“ des Museumsdirektors zu entwickeln. „Statt Schulbank drücken ins Museum ‚einrücken“ geben die „Stadtnachrichten“ des Wiesbadener Tagblattes das museumspädagogische Angebot im Museum Wiesbaden wieder. Für dieses Angebot, das zweimal pro Woche stattfindet, stehen drei Museumspädagogen zur Verfügung. Die drei Abteilungen Kunstsammlung, Naturwissenschaftliche Sammlung und die Sammlung Nassauischer Altertümer decken den gesamten Fächerkanon der Schulen ab. „Vorrangig für die Fächer Kunst, Deutsch, Biologie, Geschichte, Gesellschaftslehre und Religionslehre werden hier die Bestände des Museums unter fachkundiger Anleitung intensiv für den Unterricht genutzt.“ Besonders, ist zu vernehmen, hätte sich der Besuch amerikanischer Schulklassen intensiviert. 4 Im Feuilleton des Kuriers Anfang September 1987 möchte Dr. Rattemeyer die „Arbeit des Museums besser nach außen vermitteln.“ „Man müsse die großen Schätze der einzelnen Abteilungen besser ins öffentliche Bewußtsein bringen.“ – Und schon zu diesem Zeitpunkt, nach der „beliebten“ Frage ob der Goethe ihn stört: „Er, Rattemeyer, könne sich vorstellen, daß dieser Goethe auch vor dem Museum sehr interessant sei...“ 5 Der unendliche Bau des Stadtmuseums Die FDP-Stadtverordneten-Fraktion lädt kurz danach den neuen Direktor ein, die Schwerpunkte seiner zukünftigen Arbeit vorzustellen. Deutlich wird nun, daß Direktor Rattemeyer eine verstärkte Ausstellungstätigkeit für die Zukunft plant. In diesem Zusammenhang, „mit der zunehmenden Ausstellungstätigkeit und der Entwicklung neuerer Konzepte für die Schausammlungen“, hält es Herr Rattemeyer für erforderlich, bauliche Veränderungen vorzunehmen, die über die eigentliche Sanierungstätigkeit hinausgingen. Die FDP-Stadträtin Hannelore Milch rät für ein Gesamtkonzept der Präsentation der Sammlungen sich an „aktuellen museumspädagogischen Leitlinien“ zu orientieren. Es wird die Idee eines „Stadtmuseums“ in räumlicher Nähe des Landesmuseums allgemein begrüßt, desgleichen Dr. Rattemeyer. Auch würde man sich seitens der FDP für eine finanzielle 6 Erhöhung des Haushaltstitels einsetzen. 3 1988 „Bericht zur Lage und Planung der Abteilung Nassauischer Altertümer im Museum Wiesbaden“ – Dokument für den desolaten Zustand – Ignoranz der Verantwortlichen • Neuer Direktor favorisiert die Kunstabteilung – Neuankäufe und Ausstellungen zu Lasten der Altertumssammlung und der naturwissenschaftlichen Sammlung • Ausstellung „1000 Jahre russische Kunst“ auf Kosten der beiden großen Sammlungen • Wiesbadener Bürger befürchten Niedergang der übrigen Sammlungen Mit dem Erwerb von Teilen aus der „Sammlung Hanna Bekker vom Rath“ bekundet Dr. Rattemeyer in der Eröffnungsrede zur gleichnamigen Ausstellung, den Vorrang der Präsentationen von Neuerwerbungen zu Lasten der Räumlichkeiten der übrigen Sammlungen. 1 So beschreibt, in Hervorhebung dieser Neuerwerbungen, die FAZ das Museum als ein Haus, „das in reizvollem Verband auch Heimatkunde und Naturkunde beherbergt.“ Gemeint sind die Naturwissenschaftliche Sammlung und die Sammlung Nassauischer Altertümer. Ein Großteil der Presse hält mittlerweile in Unkenntnis oder Ignoranz der Verhältnisse an dieser Meinung fest. 2 „Bericht zur Lage und Planung der Abteilung Nassauischer Altertümer des Museums Wiesbaden“ Der „Bericht zur Lage und Planung der Abteilung Nassauischer Altertümer des Museums Wiesbaden“ im April 88, von Dr. Kleineberg und Dr. Pinsker, gibt im Überblick die Geschichte von der „Vorgeschichte“, dem „Auftauchen der ersten Menschen“ bis zur Kulturgeschichte des Nassauischen Staates wieder. Mit den einzelnen abgeschlossenen Sammlungen, wie der „Sammlung Demin“ zeigen sie auch die geschichtliche Entwicklung der Sammlung selbst und die „damit verbundene Geschichte des Museums Wiesbaden“ auf. Der Bericht gibt aber auch den desolaten Zustand der Sammlungen wieder und „erschreckend in welchem Ausmaß sich das Desinteresse einer in öffentlicher Rechenschaft stehenden staatlichen Stelle an seinem kulturellen Erbe zeigt, das ja, wie jedermann weiß, Eigentum der Allgemeinheit ist, ...!“ In der Einschätzung der Situation der Sammlung wird „ein letzter Versuch unternommen, es in einem Satz zu formulieren.“ „Die SNA ist in jeder Hinsicht, ausgenommen die derzeitige Präsentation und schlechte Personalausstattung, das Beste was Hessen an Kulturhistorischer Sammlung aufzuweisen hat, die den internationalen Vergleich, den nationalen gleich gar nicht scheuen muß.“ 3 Die Verlautbarungen und Ankündigungen des Direktors in der Presse, über neue