SWR2 Musikpassagen
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE __________________________________________________________________________ SWR2 Musikpassagen Die lebendige Straße Über das rastlose Leben der Sängerin Lhasa de Sela Von Anke Behlert Sendung: Sonntag, 17. Januar 2016, 23.03 Uhr Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2016 __________________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. __________________________________________________________________________ Service: Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Musikpassagen sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 __________________________________________________________________________ Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Kurze Musik: Lhasa de Sela - "La celestina" Heute: Die lebendige Straße - Über das rastlose Leben der Sängerin Lhasa de Sela. Am Mikrofon ist Anke Behlert. Nochmal: Lhasa de Sela - "La celestina" "Ich habe ihre Musik das erste Mal gehört, als ich mit Calexico in Europa auf Tour war, so um 1999 muss das gewesen sein. Jemand hat ihr erstes Album "La Llorona" gespielt. Zuerst war da eine spanische Gitarre, dann fing sie an zu singen und ich war Fan auf Lebenszeit." So wie Calexico-Sänger Joey Burns geht es vielen Leuten, wenn sie das erste Mal die Musik von Lhasa de Sela hören. Ihre warme, dunkle Stimme klingt faszinierend und ein bisschen mysteriös, stark und zerbrechlich zugleich. Ihre Musik zwischen traditionellem mexikanischen Ranchera, Chanson und Americana wandert - wie sie selbst - zwischen den Kontinenten. Musik: Lhasa de Sela - "El Desierto" 1972 wird Lhasa in einem kleinen Ort im Bundesstaat New York geboren. Ihr Vater ist ein mexikanischer Schiftsteller und Philosoph, ihre Mutter eine amerikanische Schauspielerin. Die ersten Jahre ihres Lebens tingelt Lhasa mit ihren Eltern und Schwestern in einem umgebauten Schulbus durch die USA und Mexiko. Sie haben natürlich keinen Fernseher, lesen stattdessen viele Geschichen und Märchen, die Jahre später in Lhasas Songs wieder auftauchen. Nachdem sich ihre Eltern trennen, wächst sie in San Francisco auf. Ihr jüngerer Bruder Mischa Karam erinnert sich. "In meiner Familie haben wir viel darüber gesprochen, wie wir uns fühlen. Einmal in der Woche haben wir uns getroffen, um zu reden und über unsere Gefühle den anderen gegenüber zu sprechen. Schönheit, Kunst und das Seelenleben waren wichtiger als Schulnoten zum Beispiel." Musik: Lhasa de Sela - "La Frontera" Anfang der 90er Jahre folgt Lhasa ihren Schwestern nach Montréal. Inspiriert von Jazzsängerinnen wie Billie Holiday beginnt sie in Bars und Cafés zu singen, zunächst allein. Dann lernt sie den Mutli-Instrumentalisten Yves Desrosiers kennen. "Als ich sie zum ersten Mal singen hörte, dachte ich: Oh das ist ganz anders, als ich erwartet hatte. Wir haben ein paar brasilianische Songs probiert, z.B. Corcovado. Als sie Portugiesisch sang wurde mir klar, dass sie etwas Besonderes hat. Auf der Bühne hatte sie etwas Theatralisches, sie war sehr intenstiv. Das mochten die Leute, oft saßen sie mit geschlossenen Augen da." 2 Gemeinsam mit Yves Desrosiers schreibt Lhasa ihr erstes Album "La Llorona", das eine Mischung aus lateinamerikanischen Stücken der 30er und 40er Jahre und eigenen Kompositionen ist. Es erscheint 1997 und wird zu einem Überraschungserfolg. Vor allem in Kanada und Frankreich verkauft es sich hunderttausendfach. Musik: Lhasa de Sela - "Desdenosa" Die nächsten zwei Jahre ist Lhasa pausenlos auf Tour. Danach fühlt sie sich ausgebrannt und zieht wieder ihren Schwestern hinterher, die in Frankreich einen Wanderzirkus aufgemacht haben. Ein paar Jahre verbringt sie in Marseille und beginnt dort, ihr zweites Album "The Living Road" zu schreiben, erzählt ihr Bruder Mischa. "Für Lhasa war die Zeit in Frankreich sehr wichtig. Sie brauchte immer sehr lange, um Songs zu schreiben, manchmal hat sie zwei Jahre an einem Stück gearbeitet. Aber es musste immer alles wahrhaftig sein, das war ihr sehr wichtig. Dort in Marseille stand sie nicht unter Druck und sie hatte genug Zeit, die Songs zu entwickeln. Viele Stücke ihres zweiten Albums hat sie dort geschrieben, das war eine kreative Zeit für sie." Die Texte sind auf Spanisch, Französisch und Englisch und viele der Stücke handeln von inneren Kämpfen, von einem Ringen mit sich selbst. In einem Interview aus der Zeit erklärt sie, warum das so ist. "Mir ist nicht danach das zu besingen, was ich alle Tage sagen kann. Wenn ich singe, möchte ich etwas ausdrücken, das ich mir im normalen Leben nicht erlaube. Deshalb suche ich nach etwas profunderem und was ich dabei finde ergibt Lieder, die von großer Traurigkeit, von großem Leiden sprechen. Dabei will ich aber die Melancholie auch nicht vergöttern, es geht nur darum, dies alles aus mir heraus zu lassen und diese Tristesse in etwas Schönes zu verwandeln." Musik: Lhasa de Sela - "Anywhere on this road" Jeder Song auf "The Living Road" drückt eine andere Stimmung aus. Einige Stücke klingen nach Blues, andere nach Chanson, wieder andere nach Americana. Für Calexico- Sänger Joey Burns ist es eins seiner Lieblingsalben. "Meine Frau Nova liebt Lhasas Musik und sie hat ihr durch eine schwere Zeit geholfen. Ihre Musik tröstet und das ist etwas besonders. Ich mag den Titel sehr "The Living Road" und habe diesen Satz in letzter Zeit häufiger in meinen eigenen Songs benutzt. Er gewinnt für mich immer mehr an Bedeutung, je älter ich werde. Diese Fähigkeit, gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft zu schauen, ist außergewöhnlich." Burns begleitet Lhasa während einer kurzen Promotiontour an der amerikanischen Westküste an der Gitarre. Sie freunden sich an und es gibt auch Pläne für eine Zusammenarbeit, die wegen ihrer Krankheit aber nicht verwirklicht werden können. Bei 3 einigen Konzerten ihrer Europa-Tour am April letztes Jahr haben Calexico den Lhasa- Song "Con Toda Palabra" gespielt, am Mikrofon war da die spanische Sängerin Amparo Sanchez. Hier ist jetzt aber das Original. Musik: Lhasa de Sela - "Con Toda Palabra" Musik: Stuart A. Staples & Lhasa de Sela - "That Leaving Feeling" Nicht nur Calexico sind Fans von Lhasa de Sela. Auch die englische Alternative Pop-Band Tindersticks hat sie eingeladen, auf ihrem 2003er Album "Waiting For The Moon" bei einem Stück mitzuwirken. Als sie sich das erste Mal getroffen haben, hat es sofort Klick gemacht, erzählt Tindersticks-Sänger Stuart A. Staples. "Ich habe sie vom Eurostar an der Waterloo Station abgeholt. Wir haben uns sofort gut verstanden. Wir haben was gegessen und dann den Nachmittag im Studio verbracht und "Sometimes it hurts" aufgenommen. Das war der Beginn unserer Freundschaft. Wenn man Musik macht, gibt es nicht besonders viele Menschen, denen man ästhetisch völlig vertraut. Sie war einer dieser Menschen. Wir sind sehr unterschiedlich gewesen, haben einander als Künstler aber sehr geschätzt." Musik: Tindersticks feat. Lhasa - "Sometimes it hurts" Auch auf dem neuen Album der Tindersticks "The Waiting Room" findet man ein Stück mit Lhasa de Sela. Es heißt "Hey Lucinda" und für Stuart A. Stapels war die Arbeit daran nicht gerade einfach. "Bevor sie krank geworden ist haben wir "Hey Lucinda" aufgenommen. Sie war gut drauf und man kann sie auf dem Stück auch lachen hören. Für mich war das ein schwieriger Song, erst recht nachdem sie krank geworden war und dann gestorben ist. Ich hab ihn vier Jahre lang nicht angerührt. Erst vor kurzem habe ich ihn wieder rausgeholt und er hat sich einfach nicht mehr richtig angefühlt. Ich hab also die ganze Musik rausgeschmissen und mit der Band von vorne angefangen. Ich musste wirklich all meine Kenntnisse und Fähigkeiten einsetzen, um dem Stück gerecht zu werden." Musik: Tindersticks feat. Lhasa - "Hey Lucinda" Wenn Sie jetzt ein bisschen Gänsehaut bekommen haben, dann geht es Ihnen wie Sarah Pagé. Sie ist Musikerin aus Montréal und war eine enge Freundin von Lhasa de Sela. "Ich bekommen jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich sie singen höre. Beim Singen hat sie über die kleinen alltäglichen Probleme hinausgeschaut und sich eher auf die Seele konzentriert, auf das, was uns alle verbindet. Das kann man spirituell nennen und viele Leute fanden, dass sie etwas Mystisches hatte. Das stimmt sicherlich auch, aber sie war auch ein Mensch mit Fehlern und verletzlich wie wir alle. Und das kommt alles in ihrer Musik durch: sie ist gleichzeitig zerbrechlich und stark, leidenschaftlich und zärtlich." 4 Musik: Lhasa de Sela - "La Marée Haute" Nach ihrer Zeit in Frankreich kehrt Lhasa wieder nach Montréal zurück. Sie hat in der kleinen aber sehr aktiven Szene dort ein Zuhause gefunden mit vielen anderen Musikern und Künstlern, die sich gegenseitig unterstützen. Zusammen mit Sarah Pagé und ihrer Band The Barr Brothers nimmt Lhasa dort ihr letztes Album auf, das einfach nur "Lhasa" heißt. "Wir haben so viel Zeit zusammen verbracht, dass ich extra umgezogen bin, um näher an ihrer Wohnung zu sein. Ich habe meine Harfe mit