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BAD 105 ALCHEMY [B]eliefs about the essential goodness or beauty of the world are fundamentally paper-thin bullshit. Zadie Smith So then the big moral question is: How do I live with that terrible truth? I keep thinking of Robert Stone making the distinction between the word sublime and the word beautiful. He described being in a battle as sublime. George Saunders Alle Musik der Welt sagt alle Dinge der Welt - ich meine natürlich des Universums -, und das ist alles, was es überhaupt gibt. Es hebt sich alles gegenseitig auf. Die Posaune wird erschallen! Tut sie. Ihr Berge, brecht in Jubel aus. Tun sie. Joanna Russ Lukas Bärfuss - Hagard Dietmar Dath - Niegeschichte Alfred Döblin - Wallenstein William Gibson - Virtuelles Licht André Gide - Sämtliche Erzählungen M. John Harrison - Nova Swing Kazuo Ishiguro - Als wir Waisen waren Christian Kracht - Die Toten Hans Lebert - Der Feuerkreis Klaus Mann - Mephisto Thomas Mann - Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull Robert Menasse - Die Hauptstadt Orhan Pamuk - Rot ist mein Name Christiane Rochefort - Frühling für Anfänger Joanna Russ - Wir, die wir geweiht sind... George Saunders - Lincoln in Bardo Judith Schalansky - Der Hals der Giraffe João Silvério Trevisan - Ana in Venedig W. Somerset Maugham - Um dieser Tränen Willen. Erzählungen Recommended: Ted Gioia -> http://www.thenewcanon.com/ -> http://www.conceptualfiction.com/ -> http://fractiousfiction.com/ -> http://www.postmodernmystery.com/ 2 »Potlach« * Es war 1969 oder 1970 als wir, noch halb Kinder, gelegentlich im Potlach in der Elefanten- gasse vorbeischauen „durften“. Zu einer Zeit in der einige Würzburger Lokale Langhaarige nicht bedienten, schnupperten wir im Proberaum der einheimischen Band BLUES CAMPAIGN an der Welt von Sex 'n' Drugs 'n' Rock'n Roll. Blues Campaign waren unsere Helden, ihre Musik zog uns magisch an, und so versuchten wir in jedes ihrer Konzerte zu kommen. Vermutlich bin ich auch bei ihrem letzten, anno 1970, Ohren- und Augenzeuge gewesen. Roman Bunka (Gitarre, später Embryo, Dein Kopf ist ein schlafendes Auto und nun einer der gefragtesten Oudspieler weltweit), Norbert Dömling (Bass, später Missus Beastly und mit diversen Jazzern unterwegs), Klaus Götzner (Schlagzeug und meistens mit Antolinis Drumbeat unter dem Arm, später funky bei Ton Steine Scherben) und Jürgen Benz (Saxophon und Flöte, später Missus Beastly, Munju) begannen als Coverband (Bunka und Dömling erklärten mir damit, warum sie Blues Campaign in ihren Biographien nicht erwähnen). Unvergessen sind ihre Versionen von 'Season of the Witch' oder 'Dear Mr Fan- tasy' in Anlehnung an Bloomfield/Kooper/Stills "Supersession". Aber die Band improvi- sierte schon damals auf hohem Niveau. Mit dem Besuch von Missus Beastly 1970 wurde die Improvisation dann in anderen Konstellationen weiterverfolgt und Blues Campaign schließlich aufgelöst. Und jetzt, sage und schreibe 49 Jahre später, trafen sich die vier wieder, am 30.11.2019 im Würzburger Omnibus [dessen Kellergewölbe über sage und schreibe 50 (!) Jahre hinweg gezittert und gebebt hat vor Champion Jack Dupree, Dollar Brand, Albert Mangelsdorf, Om, Michal Urbaniak oder Yōsuke Yamashita... bis zu Arthur Brown, Marc Ribot's Ceramic Dog, Little Women und Doctor Umezu]. Um in sichtlicher Wiedersehensfreude, bester Spiellaune und noch besser als damals einen Abend lang ausgiebig zu improvisieren („Wir haben keine Stücke eingeübt“). Ein Stück spielten sie in Urbesetzung, dann mischten weitere Musiker aus der Würzburger Musikszene mit: Mitinitiator Georg Kolb (Bass - Elastic Rock Band, Aera, Venice), schon damals gerne (am Rand) dabei – hatten sie ihm diesmal das Mikro abgedreht? - , Lutz Oldemeier (Schlagzeug - Missus Beastly & Aera), Art Zen (Gitarre - Missus Beastly, Embryo), Alex Grünwald (Keyboards - Elastic Rock Band, Münchner Freiheit), Bidi Setz (Schlagzeug - Aera, Embryo, Sticken In), Pete Winter (Percus- sion, Gesang) und Burkard Schmidl (Keyboards - Missus Beastly, Dissidenten, Ivan Opium). Der Omnibus war brechend voll, und die zum Teil ergraute und teilweise deutlich gealterte Zu- hörerschaft war begeistert wie damals. Freie Passagen wechselten mit bluesigen Stücken. Orientalische Elemente flossen ein, die Schlag- zeuger wechselten reihum ihre Instrumente. Die Bassisten trieben funky (Kolb) oder virtuos (Dömling) den Rhythmus, Wehmeyer fabrizierte ungewohnte Klänge, und Roman Bunka ver- zauberte wie ehedem auf der Gitarre und sang „alte Weisheiten“ wie Everybody needs some- body to Love oder Sun Ra's Space is the Place. Kurzzeitig wurde auch wieder die Season of the Witch beschworen. Wenn auch weniger auf- regend und etwas abgeklärter, lebte für einen Teil der Fans eine lange vergangene Zeit wieder auf. Schön, wenn sich das für viele noch einmal wiederholen ließe. MBeck 3 over pop under rock Brendan, Lisa und die virtuellen Bacchantinnen * Nach der etwas überraschenden Veröffentlichung von "Dionysus", dem neunten Studioalbum von DEAD CAN DANCE bei PIAS Recordings (PIASR 440CDX), im No- vember 2018 machte sich erst einmal etwas Irritation in der Fangemeinde der britisch-australischen Band breit. Viele störten sich am geringen Anteil der weiblichen Hälfte namens Lisa Gerrard. Andere, vermutlich Nost- algie-Fetischisten, erhofften sich wohl eine Platte im Stile der früheren Alben. Dabei klingt doch keine DCD- Scheibe wie die andere. Ähnlich enttäuscht fiel das ein oder andere Presse-Echo aus. Während die eigentlich durch meist geistreiche Reviews glänzende Website Laut.de dem Werk attestierte, es sei "bewusstseins- erweiternd wie eine BWL-Party", kürte die sächsische Regionalzeitung Freie Presse "Dionysus" sogar zum "schlechtesten Album" einer "einzigartigen Karriere". Ein Jahr lang habe ich die kuriosen Platte (in meinem Fall als Vinyl-Asket die Compact Disc) in Tateinheit mit dem Konsum von ein paar Flaschen Birnenwein (auf Eng- lisch – kein Witz – "perry") auf mich wirken lassen und liefere nun meine freilich völlig subjektive Meinung ab. Dead Can Dance legten mit "Dionysus" erstmals ein wirkliches Konzeptalbum vor. Zwar hatte das Duo etwa schon bei "Into The Labyrinth" (1993) Elemente aus der griechischen Mythologie als Inspirationsquellen genutzt - 'Ariadne', 'Towards The Within' und 'The Spi- der's Stratagem' verweisen auf die Theseussage. Auch bei späteren Stücken wie 'Bylar' und 'The Lotus Eaters' hatten sie auf Odysseus' Spuren mit Rembetika-Sounds gespielt. Doch eine komplette Veröffentlichung einem einzigen Thema zu widmen, ist selbst in den musikalischen Sphären von Brendan Perry und Lisa Gerrard ungewöhnlich. Perry, der dieses Mal fast die komplette Komposition und Aufnahmen allein vornahm, fühlte sich vor allem durch die Lektüre von Friedrich Nietzsches "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" (1872) zu einer musikalischen Adaption des Dionysos-Kultus und der Charakteristika des griechischen Weingottes inspiriert. Doch Perry begnügt sich nicht damit, für die Verarbeitung seines Themas nur Zutaten aus der hellenistischen Welt zu verwenden. Das psychedelische, bunte Cover ziert eine rituelle Maske der Huicholen, einem indigenen Volk aus der mexikanischen Wüste. Eine bestens geeignete, visuelle Re- miniszenz an das 1984 erschienenen Debütalbum und den kreativen Prozess hinter dem Bandnamen. Als animalische Würze einer allumfassenden süffigen Klangmelange ertönen Fieldrecordings von Ziegenherden aus der Schweiz, Vogelstimmen aus Südamerika sowie vom Summen neuseeländischer Bienen. Dazu ertönen Instrumente aus diversen Kultur- kreisen: die türkische Zurna (eine Art Vorläufer der Schalmei), die rumänische Schnabel- flöte Fujara, das bulgarische Saiteninstrument Gadulka, das Psalter (Urform von Zither und Hackbrett bzw. Cembalo) aus Griechenland und die vom Balkan stammende Gajda- Sackpfeife. Nicht zu vergessen, die unverzichtbaren Rahmentrommeln unterschiedlicher Größe und Klangfarbe. Mit „Dionysus“ verlassen Dead Can Dance erstmals komplett ihre üblichen strukturellen Pfade und gliedern das Album wie ein Oratorium in zwei Akte mit insgesamt sieben Sätzen. Wer jetzt meint, das neue DCD-Werk widme sich nur Wein, Weib und Gesang, also Sex and Drugs and Rock'n'Roll in vorchristlicher Weise, der irrt. 4 Vielmehr dient der Gott des Weines, der Trauben, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase als Ausgangspunkt für eine intro- bzw. retrospektive Reise zurück in eine Zeit noch vor der Verdrängung oder Verwässerung alter Bräuche und Riten durch neuere Religionen. Eine Zeit, in der die Menschen noch im Einklang mit der Natur lebten und das Gefühl der Verbundenheit mit dieser durch die Einnahme von psychoaktiven Drogen verstärkten. Dionysos gilt ohnehin auch als Gottheit der Außenseiter, Aussteiger und Freaks, quasi als antiker Hippie-Urvater, zu dessen Ehren kräftig gefeiert wurde. Der erste Akt beginnt mit Meeresrauschen. 'Sea Borne' heißt den über den Ozean gekommenen Gott willkommen. Eine Strandpartie mit galeerentauglichem Getrommel, vibrierenden Drones, quäkenden Flöten und ersten singenden Dionysos-Groupies. Außerdem scheint jemand mit vorsintflutlichen Weingläsern zu klimpern. Vielleicht ist es aber auch nur eine Kithara. Das spirituelle Erwachen der Anhänger bringt 'Liberator of Minds' gemächlich aber stetig ins Rollen. Ein sanfter Reigen von Trommeln, arabesken Melodien und filigranem Geklampfe sowie punktuellen, minimalistischen Gesangs- einlagen. Beides dient jedoch nur zum Aufwärmen für das große Finale des ersten Aktes: 'Dance of the Bacchantes'. Mit Psalter und Percussion als Taktgebern eines entfesselten Tanzes, zu welchem ein Frauenchor wie in Trance trällert