2010 2 1 45. INHALT cOntent INTERNATIONALE FERIENKURSE FüR NEUE mUSIK 17.– 31. jULi 2010

GRUSSWORT 2 frOm the mayOr } Walter Hoffmann { 70

VORWORT 4 Preface }Thomas Schäfer { 70

KOmPONIEREN LEHREN — KOmPONIEREN LERNEN 6 the teaching and Learning Of cOmPOsitiOn }Clemens Gadenstätter { 72

AUSdRUCK? 12 exPressiOn? }Sebastian Claren, Martin Schüttler, Hans Thomalla, Robin Hoffmann, Jimmy López{ 74

HANdLUNGSRäUmE 18 sPaces Of actiOn }Berno Odo Polzer { 77

dAS dIALOGISCHE PRINZIP 28 the diaLOgic PrinciPLe } Bernhard Pörksen { 83

SCHREIBEN üBER ZEITGENöSSISCHE KUNST 34 Writing abOUt cOntemPOrary art }Pierangelo Maset { 85

ZUm AdjEKTIV VERURTEILT? 39 cOndemned tO adjectiVaL statUs? } Michael Rebhahn { 88

VOm SPERRmüLL IN dIE SCHATZKAmmER 44 frOm the jUnkyard tO the treasUre trOVe }Orm Finnendahl, Björn Gottstein { 90

ENSEmBLE 2010 50 ensembLe 2010 }Sylvia Freydank { 93

Werden VeranstaLtet VOn das imd ist ein kULtUrinstitUt der dER KLANG EINER GESELLSCHAFT SEIT »PIERROT LUNAIRE« 52 Tomi Mäkelä the sOUnd Of a sOciety since PierrOt LUnaire } { 94

STImmUNGSSYSTEmE IN dER NEUEN mUSIK 58 Tim Mariën die 45. internatiOnaLen ferienkUrse für neUe mUsik darmstadt Werden tUning systems in cOntemPOrary mUsic } { 97 massgebLich ermögLicht VOm dARmSTAdT: TABULA RASA OdER FABULA RAPAx? 64 darmstadt: tabULa rasa Or fabULa raPax? } { 99 sOWie VOn der ImPRESSUm editOriaL infOrmatiOn 102

SPONSOREN UNd FöRdERER sPOnsOrs and PatrOns 103 45. INTERNATIONALE FERIENKURSE 2 3 für neue musik darmstadt

WALTER HOFFMANN GRUSSWORT

Herzlich Willkommen zu den 45. Internationalen Ferienkursen für Neue Musik. Seit 1946 setzt GRUSSWORT diese Institution Maßstäbe als Treffpunkt für Komponisten und Interpreten. Alle zwei Jahre im Sommer sind die Darmstädter Ferienkurse ein einzigartiges Ereignis für Teilnehmer aus Deutsch- land, Europa und vielen Ländern der Welt. Die Darmstädter Ferienkurse sind nach wie vor ein Kristallisationspunkt für regen kreativen Austausch und damit eines der wichtigsten internationalen Foren der Neuen Musik. Kennzeichen dieses Musik-Netzwerks sind der Mut und die Bereitschaft, immer auch neue Wege zu gehen. So ist es auch in diesem Jahr. Es sind die ersten Ferienkurse unter dem neuen künstlerischen Leiter Thomas Schäfer, der zugleich Direktor des Internationalen Musikinstituts Darmstadts (IMD) ist. Zudem folgen die Ferienkurse diesmal einem neuen Konzept, das zwar auf Bestehendem auf- baut, das Angebot aber mit mehreren Sonderprojekten wie »Ensemble 2010«, »Schreibwerkstatt« und »Open Space« deutlich erweitert. Neue Ideen, Offenheit und Talentförderung stehen im Blick- punkt. Auch dieses Programmheft hat sein Gesicht verändert, versteht sich mehr als Reader, der die Gelegenheit bietet, die Materie der Neuen Musik und die Themen der Ferienkurse weiter zu vertiefen. Wie immer gilt: Stil-Vielfalt ist Trumpf. Ohne das Internationale Musikinstitut Darmstadt (IMD) wären die Internationalen Ferien- kurse für Neue Musik nicht das, was sie heute sind. Das IMD als international renommiertes In- formationszentrum für zeitgenössische Musikformen war und ist unverzichtbarer Impulsgeber und Träger dieser Veranstaltung. Und es hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Ferien­ kurse seit bald 65 Jahren immer wieder neu erfinden. Den Kennern und den Neuentdeckern der Neuen Musik wünsche ich interessante und reich- haltige Klangerlebnisse bei den Konzerten der Darmstädter Ferienkurse 2010. Allen Teilnehmern der Kurse einen angenehmen und anregenden Aufenthalt in unserer Stadt.

Walter Hoffmann Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt 45. INTERNATIONALE FERIENKURSE 4 5 den Ferienkursen, und da mag es hilfreich sein, einige einführende und vertiefende Gedanken zu für neue musik darmstadt erhalten zum ENSEMBLE 2010, einem der Kernprojekte dieser Kurse, zur Schreibwerkstatt und zum Open Space (beides neue Projekte in diesem Jahr), zum Atelier Elektronik, zur Frage, ob man THOMAS SCHÄFER Komposition überhaupt lehren könne oder zu drei Themensträngen, die in dem Seminar »Rück- VORWORT blick nach vorne« von Ulrich Mosch und Yuval Shaked eine Rolle spielen werden: Wer sich mit der Gegenwart der Darmstädter Ferienkurse beschäftigt, setzt sich — so jedenfalls die eigene Erfah- rung — unmittelbar auch mit der Geschichte der Kurse auseinander. Deshalb haben wir uns ge- fragt, welche Inhalte spielten vor einem halben Jahrhundert in Darmstadt eine Rolle? Der Rück- griff »fünfzig Jahre« erscheint zunächst vielleicht erklärungsbedürftig, aber schon damals, Anfang der 1960er Jahre, gab es in Darmstadt einen Schwerpunkt zur Frage der »Neuen Musik vor 50 Jah- ren«. Heute fragen wir: Welche Zusammenhänge von vor fünfzig Jahren erscheinen uns so interes- sant, dass sie einer Befragung ihrer Aktualität standhalten? Es geht in dem »Rückblick nach vorne« also, wie der auf verweisende Seminar-Titel andeutet, nicht darum, um des Rückbli- ckens willen zurückzuschauen, sondern um zu prüfen, ob die Fragen, die 1960 mit seiner großen Vorlesung Penser la musique aujourd’hui aufwirft und eine Musik visioniert, die in al- len Aspekten von Grund auf neu zu konzipieren wäre, oder ob die Fragen, die Alois Hába ein Jahr zuvor (1959) in seinem Kurs über Modale, atonale, bichromatische Melodik und Harmonik stellte — Fragen also nach ganz unterschiedlichen, parallel existierenden Stimmungssystemen —, und ob schließlich die Fragen zum musikalischen Ausdruck, die vor allem und Bruno Ma- Vorwort derna 1960 thematisierten, Relevanz für heute arbeitende Komponisten haben. Das Konzertprogramm der Kurse spiegelt punktuell die thematischen Setzungen: Etwa in den ersten beiden Projekten mit Gérard Griseys faszinierendem Zyklus Les Espaces Acoustiques, der vom Bratschensolo über Ensemblebesetzungen bis hin zum groß besetzten Orchesterapparat sicherlich zu einem der Hauptwerke der Musique spectrale zählt, oder mit Harry Partchs sehr eigenem Mu- sikdenken, das das Brüsseler Ictus Ensemble mit dem eigenwilligen, merkwürdig changierenden, ja man kann fast sagen: »Musical« und experimentellen Sound verbindenden »Songcycle« The Way- Die Darmstädter Ferienkurse sind ein Hybrid — heute vermutlich mehr denn je. Weder reines ward präsentiert. Festival noch reine Sommer-Akademie, weder Symposium noch Instrumentalkurs, weder Ausbil- Dass die Ensemble- und Kammermusik die beiden wichtigsten Domänen zeitgenössischen dungszentrum noch Neue-Musik-Messe, weder Vortragsreihe noch Nachwuchsforum — sondern: Komponierens darstellen, braucht kaum eigens betont zu werden, und deshalb möchten wir mit die Ferienkurse sind alles in einem. Über 350 junge Menschen aus 47 Nationen kommen hier Ende dem Projekt ENSEMBLE 2010, das aus mehreren ineinander verschränkten Modulen besteht und Juli für zwei Wochen zusammen, um mehr über die Musik unserer, ihrer Zeit zu erfahren, um sich bereits seit einem Jahr durch unterschiedliche Calls vorbereitet wurde, dieses Thema ganz bewußt auszutauschen, gemeinsam zu arbeiten, zu lernen, sich zu präsentieren, neue Netzwerke zu bilden, ins Zentrum der diesjährigen Kurse ziehen: Kammermusik ist für Komponisten, Dirigenten und gemeinsame Projekte für die Zukunft zu entwerfen. Die Kompositions- und Interpretationswork- Interpreten heute gleichermaßen das »tägliche Brot« ihrer Arbeit. Daher erscheint es uns wichtig, shops, die Lectures und Konzerte, die Projekte und Performances stellen gewissermaßen das »offizi- die Plattform »Darmstädter Ferienkurse« insbesondere auch jungen und aus einem internationalen elle« Darmstadt-Programm dar, nicht minder wichtig — wenn nicht sogar wichtiger, wie manche Call hervor gegangenen jüngsten Nachwuchsensembles zur Verfügung zu stellen und sie zu bitten, meinen – sind das Informelle und der Esprit, der von den KursteilnehmerInnen selbst entwickelt in ihren Konzertprogrammen Werke von Komponisten zu spielen, die für ihre Arbeit und Ästhetik wird. Es gibt kein kalkuliertes Gelingen für jeden Einzelnen und auch nicht für das »offizielle« wichtige Wegmarken ausmachen, aber auch Stücke von KursteilnehmerInnen einzustudieren und Darmstadt, aber wenn während dieser zwei Kurswochen eine Atmosphäre entsteht, die für viele schließlich am Ende der Kurse zu präsentieren. den Eindruck hinterläßt, dass wir gemeinsam an dem »Projekt Darmstadt« gearbeitet haben, dann wäre viel gewonnen. Vor diesem Hintergrund haben wir das diesjährige Darmstadt-Programm ge- Eine Veranstaltung wie die Darmstädter Ferienkurse kann nur mit der Hilfe Vieler gelingen, wes- staltet, das einige neue Formate präsentiert, manche bewährte selbstverständlich weiter verfolgt, halb ich gerade anläßlich meiner ersten Kurse gerne die Gelegenheit nutzen möchte, den ideellen vor allem aber darauf ausgerichtet ist, dass sehr viel parallel geschieht, jede/r die Möglichkeit hat, und finanziellen Unterstützern der 45. Internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt sich in unterschiedliche Projekte einzuklinken, daran zu partizipieren, hier und da Anregungen zu meinen Dank auszusprechen: Zuerst meinem Team im IMD — namentlich Jürgen Krebber, Clau- empfangen, die vielleicht erst auf den zweiten Blick fruchtbar werden. Wir möchten das Potenzial, dia Mayer, Denise Mietlewski und Brigitte Niepoth —, das mit sehr viel Energie und Begeisterung das die KursteilnehmerInnen selbst mit nach Darmstadt bringen, zumindest im Ansatz nutzen und auf diesen »Neustart« hingearbeitet hat; unserem Produktionsteam littlebit aus Köln, ohne dessen die Chance geben, es zur Entfaltung zu bringen. Das kann allerdings nur gelingen, wenn viele die Professionalität und Erfahrung die Kurse nicht in dieser Form stattfinden könnten; MBM Musik- Initiative ergreifen. So entsteht vielleicht das »Netzwerk Darmstadt«, das wir uns — jetzt und für produktion, die auch diesen Ferienkursjahrgang in gewohnter Qualität und in Gänze aufzeichnen die Zukunft — vorstellen. wird; Susanne Laurentius, die von Anfang an in unterschiedlichen Bereichen beratend tätig ist, Syl- Wir haben die letzten anderthalb Jahre intensiv darüber nachgedacht, was die Darmstädter via Freydank für ihre dramaturgische Unterstützung beim Projekt ENSEMBLE 2010 und Michael Ferienkurse ausmacht, ohne davon auszugehen, das Rad neu erfinden zu müssen — ein Wechsel in Rebhahn, der diesen Reader redaktionell betreut hat. Und natürlich geht mein Dank auch an das der Künstlerischen Leitung gibt bekanntlich immer einen willkommenen Anlaß und die Möglich- gesamte, in diesem Jahr deutlich erweiterte Dozententeam, das zwei Wochen lang rund um die Uhr keit, mit einem Blick von außen direkt ins Innere der »Institution« hineinzusehen und einen ästhe- diese Kurse zu einem für alle hoffentlich speziellen Erlebnis werden läßt. tischen wie strukturellen Kassensturz vorzunehmen. Das vorliegende Kursprogramm ist ein erstes Vor dem Hintergrund immer enger werdender Budgets ist das Bekenntnis der Stadt Darmstadt Ergebnis dieses Nachdenkens, das freilich erst begonnen hat. Vielleicht würden manche von einem zu den Ferienkursen gar nicht hoch genug einzuschätzen, ebenso die maßgeblichen Unterstützun- »Überangebot« in diesem Jahr sprechen, von zu vielen Projekten, die gleichzeitig ablaufen, von zu gen, die uns der Kulturfonds Frankfurt RheinMain und die Ernst von Siemens Musikstiftung zu- vielen Aktivitäten, aus denen auszuwählen womöglich schwer fällt. Aber dieses scheinbare »Zu-­ teil werden lassen. Vor allem den drei genannten Institutionen und den Zuwendungen von Land viel« ist ganz bewußt gesetzt. und Bund sowie diversen Förderern aus dem privaten Sektor gilt unserer besonderer Dank. Dieser Reader bündelt die unterschiedlichen Themen, Stränge und Sonderprojekte der Ferien- kurse und versteht sich weniger als klassisches Programmbuch — auf Kommentare zu den einzel- nen Werken wurde vollständig verzichtet —, sondern viel eher gibt dieses Heft als Auskunft über Thomas Schäfer die einzelnen Kursfacetten. Wer den Reader in der Hand hält, ist vermutlich schon mittendrin in Direktor Internationales Musikinstitut Darmstadt KOMPONIEREN 6 7 LEHREN

CLEMENS GADENSTÄTTER KOMPONIEREN LEHREN/KOMPONIEREN LERNEN

C L e m e n s g a d e n s tÄt t e r K O M PO n i e r e n LEHREN KOMPONIEREN LERNEN

Mit diesem Text versuche ich, eine Poetik des Lehrens/Lernens pa- rallel zu einer solchen des Komponierens zu entwickeln. Er ba- siert daher sowohl auf meinen Erfahrungen als Lernender, als Lehrender als auch als Komponierender und ist daher inspiriert von meinen Lehrern und bei mir lernenden KollegInnen UND KOL- LEGEN.

Die gegensatzlose, unkritisch hingenommene, inhaltsfreie »Schönheit« geistert u Und hemmt noch heute und hier. Friedl Dicker-Brandeis, Theresienstadt, 1942

1 Kunst ist ein unabgeschlossenes System, das sich durch ständige Bewegung definiert. Sein Motor ist die künstlerische Arbeit, die ihre Zugkräfte am jeweiligen Status quo ansetzt. Lehren und lernen nun könnte man, wenn man es bloß als Weitergabe und Aufnahme von Kenntnissen verstünde, ei- gentlich nur, was bereits gesagt, gedacht, gemacht wurde. Das Lehren und Lernen des Bewegens muss dagegen einen Weg aus dem die Kunst definierenden Zeitgeist in die Möglichkeit von Kunst in ihrer Zeit findbar machen. Da ist es zunächst einmal wichtig, durch Wissen eine Sensibilität da- für zu entwickeln, was Kunst in der Zeit bedeuten kann. Dann erst kann von diesem zeitbezogenen Begriff von Kunst aus der Drang entwickelt und befördert werden, in ihm einen Ausgangspunkt zu sehen, davon im eigentlichen Sinn des Wortes »auszugehen« und nicht bloß eine Variante des Be- stehenden zu entwickeln. 2 Platon salopp adaptierend, möchte ich behaupten, dass sich die dem Machen unerlässliche Poetik 8 9 oder Theorie des Machens nur im Dialog entwickeln kann. Eine Bewegung weg vom Bekannten kann nur durch Reflexion gelingen. Und das Zurückwerfen des Bekannten durch meinen besonde- ren Blick gelingt eben nur dann, wenn übernommene Perspektiven abgelegt werden können. Das verlangt, die Fähigkeit zu stärken, auf eigene Impulse zu hören, als auch, ihnen stets skeptisch gegen- über zu stehen. Reflexion legt die Mittel und deren Bedeutung offen, verändert sie und mich aber auch durch meine persönliche Art des Zurückwerfens. Reflexion muss also im kritischen Dialog gefördert und geübt werden. Und je mehr Sparringpartner in dieser Disziplin zur Verfügung stehen, umso besser. Es kann schließlich keinen statischen Begriff des Reflektierens geben, wie es keinen der Kunst geben kann. Der Begriff »Reflexion« würde also die kognitive und sensitive Auseinanderset- zung einer Person mit den Elementen, die sie umgeben, bezeichnen. Solche Reflexion hat »Esprit« zum Ziel — eine freudig erlebbare Form der eigenen Person als gestaltete und gestaltende.

3 Sagen wir: Mittel sind sowohl »materiell« respektive sensitiv im Sinn von Qualitäten etc., als auch kognitiv im Sinn der den Klangereignissen eingeschriebenen Bedeutungen. Veränderung kann sich mithin nur dann ergeben, wenn Mittel nicht als Mittel zum Zweck betrachtet werden, sondern 5 Noch einmal zum »persönlichen Reflektieren«, das ja angestrebt werden soll: Der Mensch strahlt wenn sie als Reibefläche für das Bewusstsein und die Hand/die Handlungen erlebbar gemacht wer- also nun die bestehende Musik auf seine Weise zurück und verändert sie und sich. Das führt im den und dabei auch ihre Veränderung im Moment des Handelns erreicht und erfahrbar wird. Kom- Idealfall zu einer persönlichen Art und Weise der kompositorischen Herangehensweise. Damit sei ponieren ist ein »Handeln an Klängen«. Wenn ich dieses Wort vom »Begreifen« heranziehe, das von aber nicht verwechselt, was man gern den »Personalstil« nennt. Stil kann nur das Einfrieren des den neueren Gehirnforschungsergebnissen ja auch kräftig in seinem eigentlichen Sinn unterstützt Forschens nach dem Möglichen sein. Da wird der Reibungswiderstand zwischen Person und Um- wird, geht es eben um diese sinnliche, überraschende Erfahrung, dass sich eine Materialität in eine welt stillgestellt. Die Reibung wird bloß vorgespiegelt, eine Art Metahistorie hängt wie eine Blase andere verwandeln kann — dass ich diese Verwandlung hervorrufen kann, diese Überraschung. außen dran, aber da sind keine Reibungsflächen mehr, zwischen denen eine Reibungsenergie oder Material ist also nichts, was ich aus einem bereit stehenden Pool von Elementen einfach auswähle. Veränderungsenergie entstehen könnte. Unterricht müsste befördern, die eigene Person durch stän- dige Selbstreflexion beweglich zu halten. Und eine nötige Diskussion des Stilbegriffs würde eine 4 Die Haptik des Materials: Sie bestimmt sich überhaupt sehr oft viel stärker aus dem Zusammen- Diskussion darüber implizieren, wie man sich selbst als gestaltende Person sieht, wie man die eige- hang, der zwischen den Ereignissen/Elementen geschaffen wird. Zucker im Kaffee schmeckt anders ne Haltung sieht, die man sich, der Welt und der Musik gegenüber einnimmt. Etwas wie ein Stil als das berühmte Löffelchen Zucker in der Wiener Salatsauce, und in vielen Fällen kann eine Prise oder ein Label ist im wirtschaftlichen Kreislauf des »Kunstmarktes« (scheinbar) unabdingbar als Salz die natürliche Süße eines Gemüses erst richtig erfahrbar machen. Auszuprobieren, welche Be- eine Art Corporate Design, aber im Feld der Kunst bedeutet genau das Erstarrung, Serienproduk­ deutungen die Materialien in bekannten Zusammenhängen haben, zu erfahren, wie diese Bedeu- tion. Die Sensibilität für den letztlich immer schmalen Grat zwischen Stil und Persönlichkeit zu tungen entstehen, zu experimentieren damit, was die Materialien bedeuten, wenn man sie in ande-­ fördern, ist daher ebenso Teil der Arbeit mit den Studierenden wie die Diskussion der Bedingungen, re Zusammenhänge bringt — das ist der Sinn von »Übungen«. Das muss im Einzelunterricht ver- auf die sie im Kunstmarkt treffen werden. sucht und gefördert werden: dieser Schritt von der Fähigkeit, Vorgefundenes zu aktualisieren, imi- tativ die Begabung spielen zu lassen, dorthin, wo man Spezifik hervorruft durch ein eigenes In-Be- 6 Im Idealfall befragt die »Idee« der Bearbeitung die Eigenqualitäten der aus der Idee entwickelten ziehung-Setzen. Stilübung, Arrangement, Einflüssen unterliegendes Komponieren, Moden, dem Materialien auf eine noch unbekannte Art und Weise. Gestalten geht dann von der Lesart der Din- Zeitgeist hingegebenes Erzeugen von Musik, das Erlernen des »Handwerks« als Kenntnis des Um- ge aus, entwickelt daraus eine Bearbeitungsform, eine Zusammenhangsbildungsweise, die dann die gangs mit dem tradierten Instrumentarium, mit den Satztechniken — diese sozusagen anthropolo- Wahrnehmung der Dinge verändert. Gestalten meint, so verstanden, nicht das »In-Szene-Setzen« gisch zu sehenden Techniken der Bearbeitung von Klang: Das alles ist im Prozess des Lernens not- von Elementen, das Geschick, die Eigenkraft von Dingen zu arrangieren. Hier wird der Unterschied wendig, ist aber andererseits genau das, was durch das Lernen abgestreift werden soll, um »Musik« zwischen Design und Kunst erfahrbar. Lernen/Lehren hieße daher auch: Die Sensibilität zu entwi- zu komponieren, die etwas Bestimmtes an den Materialien zum »Sprechen« bringt, die ihre eigenen ckeln, Eigenkräfte wahrzunehmen und gleichzeitig spüren zu lernen, wie künstlerische Kraft erst Werkzeuge und Techniken definiert. dann entsteht, wenn diese Eigenkräfte über die »Vision«, die sie bearbeitet, aus ihrer »Natürlich- keit« oder Selbstverständlichkeit in einen vielfach rückbezüglichen artifiziellen Dialog zwischen Gestaltendem, Gestaltetem und Gestalten transferiert werden.

7 Also unbedingt Übung der Sensibilität: Sensibilität für die Taktilität/Haptik von Klangqualitäten, ihre kinästhetische Energie, für das Verhältnis von Klang und Zeit; Aufmerksamkeitslenkung als Experiment. Das Wahrgenommene wird magnetisch ausgerichtet durch die Bearbeitungsidee. Man schafft sich so ungefähr eine speziell funktionierende Haut oder Hand, um die Eigenqualitäten zu begreifen. Man vollzieht Transformationen von körperbezogenen Bewegungsabläufen nach, um die ihnen eingeschriebenen Bedeutungsmuster zu erfahren. Das Erforschen des »Verstehens« von Klangereignissen als eine Form von Mimesis wird geübt. Die der Erfahrung zugrunde liegende Körpererinnerung wird durch das aktuelle Erleben gleichzeitig aufgerufen und (durch die anderen Kontexte) verändert. Der direkt wirkende Schall, der körperbezogene Nachvollzug der Klangbewe- gung und -qualität, die nachvollzogene Körperbewegung der Klangproduktion, Gestik — das ist die eine Seite der sinnesbezogenen musikalischen Wahrnehmung; andererseits die »Taktilität«, die »Haptik«, die (synästhetisch) wieder andere Verstehensebenen in Erinnerung ruft; dazwischen ver- läuft die zentrale Gestaltungsachse, die erkannt und bearbeitet werden muss.

8 Ebenso wäre die Arbeit an der Zeitlichkeit »begreifbar« zu machen. Dabei wäre das Anordnen als ein Handeln am Zeiterleben des Körpers zu begreifen. Hier würde an einer Art Entgrenzung dieses Begreifens gearbeitet — Entgrenzung nicht auf ein »Höheres« hin sondern in Bezug auf die Mög- lichkeiten, die der menschliche Körper bietet . 10 11 9 Die oben diskutierte Form des Begreifens impliziert, Musik aus ihren Bedingungen heraus zu erar- beiten. Instrumente und ihr Gebrauch könnten zum Beispiel als das, was den Klang verursacht, den Ausgangspunkt der Arbeit am Klang bilden. Klang könnte sich allein aus der Idiomatik der Instru- mente heraus umbilden lassen. Das Instrument wäre dann nicht mehr so sehr Darstellungsmedium, sondern Thema. Die Thematisierung und kompositorische Reflexion von Bedingungen ließe kein Element mehr als Repräsentation von etwas anderem erscheinen. Die den Klangereignissen einge- schriebenen Bedeutungen würden durch die Bearbeitung als solche lesbar, d.h. sie wären nicht mehr subkutan wirksam, sondern würden offengelegt und ins Mögliche hinein transformiert.

10 Wichtig ist mir, das auszubildende Geschichtsbewusstsein zu verstehen als Interaktion persönli- cher und kollektiver Weisen des Deutens des »Gewesenen«, das immer schon etwas Rekonstruier- ten, Verstandenes ist. Studierende bringen ihre spezielle musikalische Sozialisation mit, oft eine kulturelle Prägung, die fern der meinen liegt. Der aktive Vergleich zwischen persönlicher und kollektiver­ (Musik-)Geschichte, endlich noch der »Geschichte (n) der Neuen Musik« (dieses sehr spe- ziellen Phänomens der Moderne, der Avantgarden, auch Post-Strömungen etc.) soll Geschichtsbewusst- sein und muss Selbst-Bewusstsein werden. Die Frage ist: Wer bin ich als geschichtlich geprägtes und Geschichte prägendes Wesen?

11 Genauigkeit des Hörens, Aufnehmens, Verarbeitens, Denkens; Wertschätzen aller Aspekte der Mit- tel, die in die Hand genommen werden; sensibles Überprüfen der eigenen Auffassungen, möglichst umfassende Bewusstheit dessen, was man gestaltend »sagen« will — und dann tatsächlich »sagt«; ein luzides Verhältnis zu den »Instinkten«; eine asymptotische Annäherung an ein Bewusstsein über das »Unter-/Vor-/Mit-Bewusste« ... All das wären Aspekte der »Haltung« einer komponierenden Person. Eine solche für sich zu entwickeln und nicht zu übernehmen, würde für mich beinahe etwas wie eine »Ethik des Komponierens« definieren. Eine solche Ethik würde nichts als gegeben anneh- men, kein Klangelement, keine Technik, keine Struktur. Manche »radikalen« Schritte in diese Rich- tung erscheinen nach zwanzig Jahren vielleicht winzig, manche unscheinbaren Veränderungen werden andererseits auch nach langer Zeit als epochale Neudefinitionen des Befragten bewertet.

12 Zu dieser Frage der Haltung zählt im Unterricht wie im Komponieren das Verhältnis der Kompo- nierenden zu den Interpretierenden. Interpretierende als Mitarbeitende an dem Projekt eines Stü- ckes zu sehen, ist etwas anderes, als sie als bloße Ausführende zu betrachten. Wenn das »Verwen- den« eines Instruments nicht in Frage kommt sondern nur eine aus ihm und seiner »Bespielung« entwickelte­ Befragung des Klanglichen, werden Interpretierende zu solchen Mitarbeitenden. Dafür einen Sinn zu entwickeln scheint mir — besonders in der Situation in der sich die Neue Musik derzeit befindet (phantastische Interpretierende, Kammermusikensembles, zum Teil sogar schon Orches- ter, die mit frischem Entdeckerdrang auf die neu komponierte Musik zugehen...) — ein ganz wesentlicher Aspekt der Ausbildung zu sein.

13 Eine Haltung, die hierarchische Ordnungen für obsolet hält, weil sie keinen reflexiv-transformati- ven Dialog zu entwickeln im Stande sind, wäre das Fundament, auf welchem das Verhältnis zwi- schen Studierenden und Unterrichtenden aufbauen können sollte. Ein Interaktionsprozess/Kom- munikationsprozess, der Bewegung möglich machen soll, kann nicht einseitig organisiert sein.

14 Die wichtigste Frage von allen, die daher auch den Unterricht beherrschen sollte, ist für mich die Frage nach dem Warum. Den Sinn zu schärfen für das, was »man sagen will«, überhaupt darüber nachzudenken, vielleicht auch zu spintisieren, was man da überhaupt treibt, wenn man Musik schreibt, warum man es macht, zu fragen, was denn ein Musikstück für Hörende überhaupt sein oder welche Erfahrung es anbieten soll. Gibt es überhaupt eine Notwendigkeit des »Sagens«? Eine Dringlichkeit, dieses und kein anderes Stück zu schreiben? Besonders im Hinblick auf eine »Be- rechtigung« dafür, sich in einer Welt wie dieser den Luxus herauszunehmen, jenseits offensichtlich existenzieller Probleme diese anderen Probleme musikalischer Art zu formulieren, geht es darum, Kunst zu machen, die zumindest versucht, erkenntnisbezogene Grundlagenforschung (im Feld der ästhetischen Erfahrung) zu betreiben. Wenn wir nicht wollen, dass Kunst ein »Wellnessprodukt« Clemens Gadenstätter (*1966 in Zell am See) studierte an der Wiener Musikhochschule Flöte bei Wolfgang unter anderen ist, eine Art Wohlfühlinsel für Menschen, die sich für künstlerisch oder intellektuell Schulz und Komposition bei Erich Urbanner, anschlieSSend an der Stuttgarter Musikhochschule Kompositi- halten möchten, die sich bestätigt sehen wollen, wo die Lage doch sehr nahelegt, sich in Frage zu on bei Helmut Lachenmann. Seit 2003 ist er Professor für Musiktheorie und Analyse sowie Privatdozent für stellen, kann nur die Schärfung des Sinns für die Sinnsuche das Ziel sein. Komposition an der Musikuniversität Graz. Werke entstanden u.a. im Auftrag der Musikbiennale Berlin, der Donaueschinger Musiktage, der Neuen Vocalsolisten Stuttgart und des Klangforum Wien. Seit 1992 diverse Zusammenarbeiten mit Joseph Santarromana (Videoinstallation), Rose Breuss, Toni Kay (Medien-, Konzept- und Videokünstler) und Lisa Spalt (Autorin und Filmemacherin). MUSIKALISCHER 12 13 AUSDRUCK

FÜNF STATEMENTS

AUSDRUCK

? Die 1950er Jahre waren — insbesondere im Umkreis der Darmstädter Ferienkurse — eine Zeit grundsätzlicher Reflexion des Komponierens und dessen, was Musik ist und sein kann. Auch das komplexe Phänomen des »musikalischen Ausdrucks« wurde dabei auf den Prüfstand gestellt und einer Neubewertung zugeführt. Sechzig Jahre danach versuchen wir eine erneute Standortbestimmung: Welche Rolle spielt »Ausdruck« im gegenwärtigen Komponieren? — Fünf Komponisten, zwi- schen 2000 und 2008 mit dem Kranichsteiner Musikpreis ausgezeichnet, geben Aus- kunft über ihre subjektive Sicht auf einen vieldeutigen Begriff.

SEBASTIAN CLAREN

Ich habe es immer für einen grundlegenden Irrtum gehalten, die Musik des Serialismus als ausdruckslos und unemotional zu ver- stehen. Tatsächlich hat sich der Serialismus gerade der Mittel bedient, die in den vorangegangenen Musikstilen für erhöhten Ausdruck standen, und diese zu seinem ausschließlichen Mate­ rial erklärt. Der Kern des Serialismus in Hinsicht auf seine ex- pressiven Qualitäten besteht also eher in einem fast obsessiven Beharren auf einer anhaltend hohen Ebene der expressiven An- strengung, die dann möglicherweise an einem bestimmten Punkt in eine expressive Erstarrung umschlägt, als in einer grundsätzli- chen Aussparung von Ausdruck. Aus diesem Grund scheint es mit irreführend zu sein, Musik, die, wie etwa der Serialismus, auf abstrakten Ordnungsprinzipi- en basiert, als ausdrucksfremd, und Musik, die auf Ausdrucks- mittel des 19. Jahrhunderts zurückgreift, als ausdrucksaffin zu verstehen. Hier müsste Differenzierung eher an Hand eines ande- ren Rasters vorgenommen werden: Musik, deren Ausdrucksmit- tel im Wesentlichen auf den überlieferten Topoi der Musikge- schichte beruhen, und Musik, die versucht, neue Ausdrucksmit- tel zu erfinden. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden Kategori- 14 15 Ferneyhoughs Konzept der Figur als temporäre bedeutungstra- en nicht sauber voneinander zu trennen sind, und dass beispiels- gende Gestalt, wie eine sich brechende Welle für einen Moment weise auch aus dem Rückgriff auf historische Topoi neue Aus- aufscheinend aus gegeneinander wirkenden Kräften (in Abgren- drucksmittel entstehen können, aber als grundsätzliches Raster zung von der zum bloSSen Label verkommenen, reproduzierten rheto- scheint mir diese Einteilung sinnvoll und hilfreich zu sein. rischen Geste einerseits, und von einem starr-hierarchischen Struk- Dabei scheint mir ein Nebenproblem zu sein, ob Musik ab- turbegriff andererseits); eine solche Figur, gebildet aus Circu­ sichtlich oder unabsichtlich expressiv bzw. nicht expressiv ist: latio-Bewegung und Oktavfiltern in seiner Komposition Lemma- Tatsächlich verstanden die Serialisten ihre Musik wahrschein- MARTIN h a n s Icon-Epigram; das sprechende Rezitativ im ersten Satz von Beet- lich als nicht expressiv, das heißt aber nicht, dass sie tatsächlich SCHÜTTLER THOMALLA hovens Sturm-Sonate, ebenso wie die beredte Struktur davor und ausdruckslos ist. Ähnliches könnte man beispielsweise auch für danach; die sprechenden Abbrüche in der Pastorale; bis hin zu John Cages Werk feststellen. »Wie du fühlst, das ist nirgends abgeklaut, das bist einfach du. Wer drückt was aus? Der Komponist seine Gedanken? Seine Ge- John Cages fundamentaler Absage an musikalische Bedeutung Viel wichtiger ist die Frage, ob der konventionelle Rückgriff Auch deine Stimme. Das kommt aus deinem Herzen.« Wer will fühle Gedanken anderer, einen Text? Drückt sich die Gesellschaft im Gespräch mit Richard Kostelanetz als Abschluss dieser kur- auf historische Ausdrucksmittel überhaupt expressiv sein kann, da widersprechen? Was Dieter Bohlen einem DSDS-Kandidaten in musikalischer Struktur aus? Oder die Geschichte? Spricht die zen Sammlung wahlloser Rand- und Knotenpunkte jenes Aus- oder ob er nicht notwendigerweise eine grundsätzliche Abschwä- bescheinigt, bringt eine für jeden verständliche Ausdrucksästhe- Komposition selbst? Drückt sich der Klang selbst aus? drucksgewebes, und als Ausblick auf eine Weiterführung des chung des ursprünglichen expressiven Potentials dieser Mittel zur tik auf den Punkt. Wo jemand aus seinem Herzen spricht, kann Musikalischer Ausdruck lässt sich nicht auf den Begriff Diskurses in Darmstadt (vielleicht trotz aller Geschäftigkeit und Folge hat, die letztlich zu einer — fast immer unabsichtlich — es keine Täuschung geben. Gefühle lügen nicht! bringen. Es gibt nicht den musikalischen Ausdruck. Die Art aller Deformation Professionelle noch immer der Platz, wo diese Ar- nicht expressiven Musik führt. Unser Pop-Titan formuliert etwas, das eng mit der Konstruk- und Weise wie in Musik Bedeutung erscheint, ist so vielfältig beit im Diskurs der Komponisten, Musiktheoretiker und Interpreten Und umgekehrt gilt das Gleiche: der bewusste Verzicht auf tion von Individualität zusammenhängt. Je authentischer der an­ wie die Musik selbst. Trotz der inkommensurablen Breite und stattfinden kann): Ausdruck, bzw. das Erarbeiten einer nicht expressiven Musik, gehende Superstar erscheint, desto stärker wirkt der Ausdruck Tiefe des Themas ist Ausdruck — oder vielleicht genauer: Bedeu- das sich letztlich immer auf das Aussparen von konventionellen seiner Darbietung. Und umgekehrt. Ich kann als Rezipient mei- tung — die musikalische Kategorie, die am dringendsten einer I’m always amazed when people say, Ausdrucksmitteln beziehen muss, führt fast unweigerlich zu ei- ne Gefühle auf ihn projizieren, meinen Gemütszustand mit sei- Präzisierung bedarf. Über nichts wird so dumm und schwammig »Do you mean it’s just sounds?« ner neuen, eigenen Form von Ausdruck, so dass der Schluss nahe nen Äußerungen abgleichen. Er leidet, das kenne ich auch, etc. gesprochen (und nicht zuletzt von den Komponisten selbst) wie über How they can imagine liegt, dass die Wahrscheinlichkeit, Musik mit einem eigenen Zusätzlich kann ich mich in diesem konkreten Fall auf musikali- Ausdruck in der Musik. that it’s anything b u t s ou n d s Ausdruckspotential zu erzeugen, größer ist, wenn man bewusst sche Codes beziehen, die im westlichen Kulturgedächtnis einge- Zwei Tendenzen der Vereinfachung dominieren den Dis- is what’s so mysterious.« auf Ausdruck verzichtet, als wenn man ihn erzwingen will. prägt sind und medial ununterbrochen zirkulieren. Sie zu ent- kurs über Ausdruck: die Komplexität musikalischer Sprachlich- Hier ist allerdings Vorsicht geboten: der Verzicht auf Aus- schlüsseln und mit dem gesungenen Text in Verbindung zu set- keit wird entweder zur bloßen Ausstellung stereotyper Ausdrucks­ druck ist im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einem fast genauso zen gibt mir das Gefühl, den Sänger wirklich zu verstehen. klischees reduziert (harte Cluster als Expression von Bedrohung, H ans Thomalla (*1975 in Bonn) studierte Komposition an der Frankfur- konventionalisierten Ausdrucksmuster verkommen wie die ihm Dabei ist für das Erzeugen von Ausdruck die Verwendung Aggression; weiche Streicherkonsonanzen als allzeit bereites Idyll), ter Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Nach dem Studium vorausgegangenen expressiven Topoi. Ein echtes Abarbeiten von von musikalischen Mustern nicht einmal zwingend erforderlich. oder musikalische Bedeutung wird grundsätzlich ignoriert: im ging er von 1999–2002 an die Stuttgarter Oper, wo er u.a. als Produk- konventionalisiertem Ausdruck müsste also auch die vorausge- Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie: Ein Streichquar- Verbleiben beim technisch-akustischen Aspekt des Klanges und tionsdramaturg und musikalischer Berater der Dramaturgie tätig war. gangen Formen der Ausdrucksvermeidung mit einschließen. tett interpretiert eine serielle Komposition. Der Aufführungsrah- der Form wird der Frage nach deren Bedeutung ausgewichen Von 2002 bis 2007 setzte er als Stipendiat des DAAD und der Stanford Aus den genannten Gründen glaube ich, dass es nur bedingt men wirkt feierlich, bedeutungsvoll. Die Musiker agieren mit oder rundheraus abgelehnt. University seine Studien bei Brian Ferneyhough fort und schloss mit sinnvoll ist, von vornherein nach einer bestimmten Form von großer Geste. Sie erzeugen den pathetischen Ausdruck höchst Aber wer Musik hört, ganz unabhängig von Bildung, Profes- dem Doctor of Musical Arts ab. Seit September 2007 ist er Professor Ausdruck zu suchen, sich auf eine bestimmte Form von Expressi- expressiver Virtuosität — entgegen der vom Komponisten inten- sionalität, Erfahrung und Erwartung, versteht, dass da etwas für Komposition an der Northwestern University in Chicago. vität festzulegen. Dabei kann nur konventioneller Ausdruck her- dierten Entsubjektivierung. spricht. Und um der fatalen Vereinfachung der beiden genann- auskommen. Wir sollten nicht von einer bestimmten Idee von Im Wesen des musikalischen Ausdrucks zeigt sich ein machtvoll ten Tendenzen, die letzthin in Sprachlosigkeit mündet, entgegen- Ausdruck ausgehen, sondern die Expressivität eines Stückes im in die Gesellschaft eingeprägter Kulturprozess der Sentimentali- zuwirken, müssen die, die professionell Musik schaffen, studie- Stück selbst erarbeiten. Ausdruck kann nur dann als solcher sierung. Nicht nur einzelne Klänge oder Wendungen, die ihren ren, produzieren, sich der Aufgabe stellen, und das, was da spricht, überzeugend sein, wenn er über das hinausgeht, was wir uns zu Ursprung in der Abstraktion menschlicher Gefühlsäußerungen untersuchen, Spuren lesen, Bedeutungsschichten abtragen. Beginn der Arbeit vorstellen konnten. haben, sind emphatisch aufgeladen. Schon die Idee eines sich äu- Hier ist dafür kein Platz, denn diese Arbeit kann nicht im ßernden Künstlers spiegelt das Bedürfnis des empfindsamen In- Allgemeinen stattfinden, sondern nur im Besonderen, in der Ar- Sebastian Claren (*1965 in Mannheim) Studium der Musikwissenschaft, dividuums nach bedeutungsvollem Selbstausdruck. Die Suche beit an der einzelnen Partitur, der einzelnen Klangsprache. Hö- Philosophie und Kunstgeschichte in Heidelberg und Berlin. 1990 –1995 nach Gefühl legt sich über jedes Material, schleicht sich in jede ren ist Wahrnehmung von Bedeutung — Bedeutung die sich in Doktorarbeit über das Gesamtwerk von Morton Feldman. 1993 einjäh- Form der Darbietung. der schier unermesslichen Ausdruckslandschaft, oder dem Aus- riger Studienaufenthalt in New York. 1994–2001 Kompositionsstudium Auch in meiner Arbeit bin ich nicht davor gefeit, Gefühle drucksgewebe unserer Gegenwart bestimmt. bei Walter Zimmermann und Mathias Spahlinger. 2000 Buchveröffent- durch meine Musik zu evozieren. Mir liegt nichts daran, diese Die direkte Sprachlichkeit in Kurtags Parlando; die nur noch lichung »Neither — Die Musik Morton Feldmans«. Claren lebt als frei- Tatsache unter didaktischen Gesichtspunkten anzuprangern. Es auf sich selbst verweisenden (und dabei so rhetorisch klingenden) schaffender Komponist in Berlin. scheint mir allerdings ebensowenig erstrebenswert, mittels einer Strukturen in Stockhausens Studie II; die expressiven Sprünge geschlossenen Rhetorik einen Wirkungskonsens zu erzielen. Ich des Adagios in Mozarts Streichtrio; Weberns »Langsam, mit be- isoliere Details aus meiner akustischen Alltagserfahrung, ihre wegtem Ausdruck«; »So donnert nicht« und die brüllenden Strei- unterschiedlichen emotionalen Vorprägungen behandle ich als cher in Lachenmanns Zwei Gefühle; sein Satz: »Musik gab ihren Materialeigenschaft. Ob und welche Gefühle beim Zuhörer ge- Sprach-Charakter auf und erkannte sich als sprachlose — und so Martin Schüttler (*1974 in Kassel), studierte Komposition an der Folk- weckt werden, darauf habe ich im Prinzip keinen Einfluss. Ich nicht minder beredte, auf unbequeme Weise indirekt doch wie- wang-Hochschule bei Nicolaus A. Huber und Ludger Brümmer. Zwischen setze auf Verwirrung. der ausdrucksgeladene — Struktur«; Das Konzept einer »pho- 2001 und 2004 war er Stipendiat am ZKM in Karlsruhe. Seit 2001 unter- nemically transferable music« mit der darin verbundenen Absa- richtet er Musiktheorie und Komposition an der Musikhochschule ge an Musik als Code in Evan Ziporyns Who cares if you listen?; Frankfurt. Schüttler arbeitet mit international renommierten Musi- Adornos Unterscheidung von Begriffen und Vokabeln (etwa den kern zusammen, darunter das Ensemble Modern, musikFabrik und das tonalen Akkorden) im Fragment über Musik und Sprache; die Refe- hr-Sinfonieorchester. Seine CD »Pelze & Restposten« ist 2009 in der renz auf die 16 gestrichenen Worte in George W. Bushs Rede zur Reihe Edition Zeitgenössische Musik des Deutschen Musikrats erschie- Rechtfertigung der bestehenden Irak-Invasion in Jason Eckhards nen. Martin Schüttler lebt als freischaffender Künstler in Berlin. 16; das plötzliche Es-Dur in Wolfgang Rihms 7. Klavierstück; chiffrieren musikalischer Notation; die Unterscheidung zwi- 16 17 wir uns, wenn wir ganz auf Emotivismus setzen, mit dem dazuge- schen Komponist und Interpreten; die Übertragungsleistung des hörigen allumfassenden Relativismus befassen. Musikers von musikalischer Vorstellung auf die Mechanik sei- Musik ist eine unglaublich breite Erscheinung und verfügt nes Instrumentes, die zu beherrschen einen spezialisierten Lern- über keine so eng definierte Chiffrierung, wie es die Sprachen prozess voraussetzt; die zeitliche und räumliche Distanz zwi- tun. Das Schaffen, die Reproduktion, und das Hören von Musik schen Klangerfindung, Formulierung und Umsetzung erhalten erlauben keinen Vergleich zu jenem Vorgang der Kommunika­ einen den Ausdruck ausdifferenzierenden Gewinn. Auch im Fal- tion — den die Sprachforscher sich vorstellen —, in dem der R O b i n le des Gesangs bilden Körper und Instrument nur scheinbar eine JIMMY Hauptzweck das Vermitteln einer einzigen Botschaft ist. In der HOFFMANN Einheit, nicht minder im Falle der Improvisation Autor und In- LÓPEZ Musik können die Quelle (Komponist), die Botschaft (musikalische terpret oder im Falle elektronischer Musik Klangerfindung und Komposition) und der Rezipient (Hörer) unabhängig voneinander Ausdruck haben — Eindruck machen. Was gehört Klangresultat. Lediglich die Entfernungen sind geringer. Musikmachen ist ein Akt des Ausdrucks, unabhängig davon, ob fungieren. Obwohl wir sicher sein können, dass irgendetwas ver- dazu, bei Jemandem einen »guten Eindruck« zu hinterlassen? Ist Was generell gilt, zeigt sich paradigmatisch in der Musik: der Musizierende tatsächlich etwas ausdrücken möchte oder mittelt oder ausgedrückt wird, gibt es bestimmt keine Überein- (mir) das wichtig? Welchen Ausdruck habe ich, damit ich Ein- Ausdruck existiert nicht unmittelbar. Ausdruck ist stets mittel- nicht. Der Komponist ist sich nicht immer dessen bewusst, was er stimmung darüber, was denn genau ausgedrückt wird. druck »schinden« kann? Was empfinde ich be-eindruckend? Ha- bar. Das emotionale Erleben von Kunst resultiert aus Erfahrun- ausdrücken möchte; er mag sogar nicht einmal auf die Idee ge- Es ist nicht zu verleugnen, dass Musik etwas vermittelt, et- be ich Zweifel, was meine eigene Präsenz angeht — bin ich aus- gen! kommen sein, dass er irgendetwas ausdrücken will. Egal ob die was ausdrückt. Das Gegenteil zu behaupten, ist »kontra-intuitiv« druckstark (genug)? Wir üben anhand von Schauspiel-Übungen Absicht da ist oder nicht: es kann sehr wohl vorkommen, dass der und basiert eher auf Konstrukten der Vernunft als auf direkten den eigenen Ausdruck — und welcher Eindruck »hängenbleibt«..! Robin Hoffmann (*1970 in Bielefeld) studierte Komposition und Gitarre Hörer eine emotionale Reaktion erleben kann, woraus wir schlie- Erfahrungen. Die Ausdruckskraft der Musik ist für mich sehr Diese Kursbeschreibung einer Lebens-, Stil- und Imagebera- in Essen und Frankfurt am Main. Seit 2005 ist er Dozent für Musiktheorie ßen können, dass Musik in der Lage ist, von ganz allein etwas reizvoll; aber die Frage, was sie denn genau ausdrückt, wird wahr- tung, wie sie im Internet zu finden ist, mag dem einen oder an­ an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. auszudrücken. scheinlich nach wie vor mehr als eine Antwort haben. deren aufgrund ihres technokratischen Umgangs mit Kommu-­ Neben Kompositionen für diverse Instrumental- und Vokal-Besetzungen, Wenn ein Komponist mit der Absicht vorgeht, eine be- nikationselementen­ zugunsten emotionaler Gewinnoptimierung auch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Bildenden Künstlern, Litera- stimmte Idee oder Emotion ausschließlich durch Musik zu the- unangenehm aufstoßen. Letztendlich aber macht sie sich ledig- ten und Tänzern. Zuletzt auch tätig als Sprecher, Lauterzeuger oder matisieren, dann wird er wahrscheinlich scheitern, denn Musik lich einen Tatbestand zu Nutze, mit der der erwachsene Mensch Kunstpfeifer (Engagements u.a. bei Klangforum Wien, Ensemble Modern, ist flexibel genug, um einer großen Anzahl von Interpretationen alltäglich umgeht, nämlich der Entkoppelung von Gefühl und Oper Frankfurt). Mitbegründer und zurzeit erster Vorsitzender der Raum zu geben. Diese Flexibilität impliziert auch, dass eine brei- Gefühlsäußerung und der damit einhergehenden, für das Sozial- Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik. te Palette von Emotionen ein und demselben Stück Musik zuge- leben unverzichtbaren Gefühlskontrolle. schrieben werden kann. Hier kann die Verwendung von einem Nur beim Kleinkind ist Hunger und Schreien, Empfindung Text den Übergang ins Außermusikalische ermöglichen. und deren Ausdruck eine Einheit. Es schreit auch, wenn die Dass Bach oft weltliche Texte mit den gleichen Melodien Mutter nicht da ist. Doch schon sehr schnell lernt es, die Gefühls- vertonte, die er ursprünglich für geistliche Zwecke verwendet äußerung unabhängig vom Gefühl einzusetzen: Es schreit, ob- hatte, zeigt, dass er selbst nicht daran glaubte, dass eine bestimm- wohl es gar keinen Hunger hat, gerade weil die Mutter da ist! te Melodie eine immanente geistliche Stimmung vermittelt, son- In diesem Moment wird Ausdruck zum kommunikativen Mittel. dern dass diese eher durch Assoziationen erzielt wird; Assoziatio- Er ist nicht mehr deckungsgleich mit der Empfindung, die zu nen die eben auch durch Bilder entstehen können. Ein sehr präg- kennzeichnen er vorgibt. nantes Beispiel befindet sich in Stanley Kubricks Verfilmung des Die landläufige Vorstellung einer »persönlichen Authenti­ Romans A Clockwork Orange: Beethovens Neunte Sinfonie wird zität«, nämlich der Übereinstimmung von äußerlich wahrnehm- in einer Schlüsselszene mit heftiger Brutalität assoziiert. Der Kon- barer emotionaler Reaktion und dem im Innern Erlebten, erweist flikt wird dadurch verschärft, dass Alex (die Hauptfigur) Beet­ sich als falsch. Gerade deren Nicht-Identität ist Bedingung für hovens Musik als »Wonne! Himmlische Wonne!« empfindet. Die Kommunikation. Forschungen von Holodynski/Friedlmeier, über forcierte Gegenüberstellung der Musik mit Bildern der Gewalt die am 23. März 2008 in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war, ist für ihn wie eine Folter. führen zu dem Schluss: Erst im kommunikativen Prozess wer- Die Möglichkeit, die musikalischen Assoziationen auf dieser den durch das Spiel von Ausdruckszeichen und zu Bezeichnen- Ebene auszuloten, kann auch eine Technik sein, um die Grund­ dem Gefühle ausdifferenziert und erlernt. »Emotionen sind das lagen der menschlichen Psyche zu erkunden. Der traditionelle Produkt von Erfahrungen!« Zugriff auf den musikalischen Ausdruck ist der »Emotivismus«, Wenn denn hiernach Regungslosigkeit nicht eine tief emp- wobei der musikalische Ausdruck durch eine Beobachtung der fundene emotionale Beteiligung ausschließen muss und heißblü- Wirkungen auf den Hörer festgestellt wird. Dagegen geht der tig vorgetragene Überzeugungsleistungen möglicherweise durch »Kognitivismus« ( w ie er an der r U tg e r s U n i v e r s i t y vo n P e t e r K i v y ängstliche Zaghaftigkeit motiviert sein können, wenn also gerade entwickelt wurde) von der Vermutung aus, dass die Eigenschaften die Divergenz von Gefühl und Gefühlsausdruck eben die Varia- der Musik der Musik selbst innewohnen, und nicht als hervorzu- bilität und Vielfältigkeit des emotionalen Lebens und Erlebens rufende Dispositionen im Hörer zu denken sind. Obwohl ich ausmacht, warum sollte dann die Kunst an einer Übereinstim- mich von dieser Vorstellung eher angesprochen fühle, sind mir mung interessiert sein? Sollte sie nicht vielmehr die Divergenz eigentlich beide nicht ganz geheuer. Wie können wir ohne betonen und im Spiel mit den wechselseitigen Beziehungen zwi- menschliche Beobachtung feststellen, was intrinsisch ist? Wenn schen Ausdruckszeichen und Bezeichnetem deren Nicht-Identi- Jimmy López (*1978 in Lima) studierte von 1998 bis 2000 bei Enrique Itur- wir die Eigenschaften der Musik von musikalischer Erfahrung tät hervorheben? riaga am Nationalkonservatorium in Lima und von 2000 bis 2007 bei Veli- trennen könnten, würde es vielleicht gelingen, aber ich fürchte, Wenn ja, dann ließe sich hieraus eine Neu-Bewertung künst- Matti Puumala und Eero Hämeeniemi an der Sibelius Akademie in Helsinki. dass es nicht geht. Wenn wir zugeben, dass menschliche Beob- lerischer Mittel ableiten, die diejenigen favorisiert, die zum Aus- Seine Werke wurden u.a. durch das Chicago Symphony Orchestra, das achtung für die Feststellung der Eigenschaften der Musik not- einanderstreben hin tendieren. Die Ausgangslage erweist sich für Saint Paul Chamber Orchestra und das National Symphony Orchestra wendig ist, dann können wir dem Risiko nicht ausweichen, dass die Musik als äußerst günstig, insbesondere für die auskompo- Peru aufgeführt. Er ist Gründungsmitglied der kohoBeat Musikvereini- unsere Befunde durch den Einsatz des menschlichen Elements, nierte Instrumentalmusik! Die ihr innewohnenden Distanzen gung in Finnland. López promoviert derzeit bei Edmund Campion an der mitsamt seinen Makeln, Voreingenommenheiten, Erwartungen haben eine besonders hohe Reichweite. Das Chiffrieren und De- University of California Berkeley. und Assoziationen, kontaminiert werden. Andererseits müssten open Space 18 19

BERNO ODO POLZER HANDLUNGS-RÄUME

b e r n O O D O POLZER HANDLUNGS- RÄUME

Acht Räume in der Mornewegschule in Darmstadt, Stereoan­ l a g e n , e i n k L av i e r , V i d e o b e a m e r , Ta f e l n , n Ot e n s tä n d e r , T i s c h e und Stühle sowie ein öffentliches Kalendersystem0 : s o l i e s s e sich das Projekt Open Space in seiner rudimentärsten, materi- e ll e n f O r m b e s c h r e i b e n .

Zwischen 17. und 31. Juli 2010 stehen diese Ressourcen täglich von 9 bis 21 Uhr allen zur Verfügung, die Begegnungen und einen ungeregelten, sich selbst organisierenden Austausch von Ideen, Wissen, Erfahrungen wollen. Die zur Disposition stehenden Räume des »Open Space« sind Katalysator und Desideratum in einem: Katalysator, indem sie als Mittel zur Vereinfachung und Beschleu- nigung von Wissenstransfers fungieren können; Desideratum im Sinne eines Objekts, »das in einer gegebenen Umgebung fehlt und benötigt wird und mehr oder weniger dringend gewünscht ist«. 30 Immer wieder wurden in der Geschichte der Darmstädter Ferienkurse der Bedarf an einem von den Hierarchien und Planungszwängen des gängigen Lehrbetriebs unabhängigen Forum sowie das Bedürfnis nach größerer Selbstbestimmung seitens der Studierenden artikuliert — nicht erst und nicht nur im Jahr 1970, als sich der Konflikt zwischen Studierenden und Professoren in einer »miss- lungenen Revolution« 26 zuspitzte, die entscheidend zur Umstellung auf den Biennal-Rhythmus der Ferienkurse beitrug. Auch wenn sich Idee und Konzeption des »Open Space« aus anderen, sozu- sagen nicht-Darmstädter Praktiken und Diskursen speist, auch wenn mein Vorschlag an Thomas Schäfer, einen autonomen Raum gerade im Rahmen der neu konzipierten Darmstädter Feri- enkursen zu realisieren, von dieser Vorgeschichte unabhängig war, kann der dieses Projekt als indi- rekte Antwort auf ein latentes Darmstädter Desideratum verstanden werden. Die dem Projekt inhärente Paradoxie besteht darin, dass es sich, abgesehen von seinen Material- eigenschaften, einer vorwegnehmenden Beschreibung entzieht. Was im »Open Space« stattfinden, welche Prozesse er katalysatorisch ermöglichen oder unterstützen wird, kann und soll nicht vor- herbestimmt werden. Ganz dem Generativen gewidmet, ist der »Open Space« selbst inhaltlich und formal zunächst nicht festgelegt. Inhalte und Formen werden erst durch seine Benutzung gene- r­iert — oder eben nicht. In diesem Sinne lassen sich weitere Metaphern anführen: Der »Open Space« versteht sich als Generator, der »Begegnungsenergie« in andere Energieformen umwandelt, ebenso wie er sich als Instrument begreift, das zur Erzeugung unterschiedlichster (Klang)Ereignisse eingesetzt werden oder deren Abwesenheit Präsenz verleihen kann. 20 21

Verortung flüsse, sondern eigenständig und eigenverantwortlich aus sich selbst heraus. […] 3. Redundanz: In selbst- organisierenden Systemen erfolgt keine prinzipielle Trennung zwischen organisierenden, gestaltenden Trotz seiner absichtlich der Potentialität zugewandten Offenheit ist der »Open Space« gedanklich oder lenkenden Teilen. Alle Teile des Systems stellen potentielle Gestalter dar. 4. Autonomie: Selbstorga- und methodologisch klar verortet. Eine Reihe von Begriffen, deren Entwicklung sich der politi- nisierende Systeme sind autonom, wenn die Beziehungen und Interaktionen, die das System als Einheit defi- schen Philosophie, der Netzkultur sowie künstlerischen und wissenschaftlichen Diskursen verdan- nieren, nur durch das System selbst bestimmt werden. Autonomie bezieht sich nur auf bestimmte Kriterien, 28 ken, seien hier kurz angerissen, mit dem Ziel, das Projekt referenziell einzubetten: da eine materielle und energetische Austauschbeziehung mit der Umwelt weiterhin besteht. 14 Open Source — hier gemeint im erweiterten (die Bedeutung als »Open Source Software« Die Erforschung der Selbstorganisation war nach dem Zweiten Weltkrieg eines der zentralen 4 übersteigenden) Sinne als praxisrelevante Haltung, die den öffentlichen und freien Zugang zu Wis- Anliegen der Kybernetik und erfuhr über die Systemtheorie der 1960er Jahre eine Differenzierung sen und Information propagiert sowie partizipatorische Produktions- und kollaborative Entwick- und Ausweitung bis zur heutigen Theorie komplexer dynamischer Systeme. 13 Beim Transfer des lungsmodelle praktiziert. Begriffs in künstlerische und politische Zusammenhänge hat »Selbstorganisation« allerdings eine Peer-to-Peer (P2P), ein ebenfalls der Informatik entlehnter Begriff, kennzeichnet eine spezi- Metaphorisierung erfahren, die eine strikte Definition schwierig macht. Stark kontextabhängig fische Form relationaler Dynamik. Diese Dynamik basiert auf nicht-linearen Hierarchien und auf wird »Selbstorganisation« als Denkmodell sowohl zum Ausgangspunkt als auch zum Ziel höchst der freien Kooperation von als autonom verstandenen Gleichberechtigten in Hinblick auf ein ge- unterschiedlicher Projekte und Initiativen: Im politischen Kontext etwa bezeichnet »Selbstorgani- meinsames, nicht-kommerzielles Ziel. P2P-Praktiken manifestieren sich vor allem in drei sozialen sation« häufig eine Form der Gestaltung der Lebensverhältnisse nach flexiblen, selbstbestimmten Prozessen 27: der »peer production« als offener, kollaborativer Produktion von frei zugänglichen Ge- Vereinbarungen und weist Überschneidungen mit dem Autonomiebegriff auf. Im Zusammenhang brauchswerten; der »peer governance« als Ausdruck für die Art und Weise, wie diese Produktions- sozialer und künstlerischer Netzwerke kennzeichnet der Begriff in der Regel die Organisations- prozesse gemanagt werden; und der »peer property«, worunter Distributionsmodi von Peer-Pro- form von oder Initiativen, die von institutionellen oder unternehmerischen Strukturen dukten sowie neue Formen nicht-exklusiven Eigentums unter Wahrung individueller Autorschaft unabhängig, nicht-hierarchisch organisiert sind sowie partizipatorische Entscheidungsprozesse subsumiert werden.3, 10 Häufig wird der Begriff P2P auch auf egalitäre politisch-soziale Netzwerk- praktizieren.20 Im Ausbildungs-Kontext schließlich wird der Begriff meist auf alternative, nicht- strukturen angewandt, die durch Internettechnologien ermöglicht werden. 2 schulische Lern- und Bildungsmodelle angewandt, die die Eigenmotivation, Selbstdetermination Ein weiterer mit den Anliegen des »Open Space« assoziierter Terminus ist die Kollektive und Selbstermächtigung des Individuums zur Grundlage und zum Ziel haben.17, 24 Im zeitgenössi- Intelligenz, worunter das emergente Auftreten intelligenter Verhaltensweisen in einem »Su- schen Terminus Self-education weicht der isolationistische Nimbus der traditionellen Auto- perorganismus« verstanden wird, der sich aus zahlreichen Individuen zusammensetzt, handle es didaktik einer interaktiven, kommunikationstechnisch gestützten Lernpraxis.1, 13 Von zunehmen- sich dabei um Menschen oder andere Tiere, Bakterien oder künstliche Agenten in Computernetz- der Bedeutung sind schließlich künstlerische Kooperationsformen, die sich selbstorganisierenden werken. 22 Modellen der Produktion und Entscheidungsfindung bedienen. 5, 6, 15, 21 Aufgrund seiner übergeordneten Eigenschaften ist der systemtheoretische Begriff der Selbst- Die theoretische wie praktische Erforschung des Phänomens »Selbstorganisation« sieht sich un- organisation für das Projekt »Open Space« besonders relevant. Er soll daher in Folge etwas nä- willkürlich mit dem gleichermaßen fundamentalen wie schwindelerregenden Prinzip der Rückbe- her beleuchtet werden. züglichkeit bzw. Zirkularität konfrontiert. Das Nachdenken über Selbstorganisation ist naturge- Philosophisch ist der »Open Space« schließlich in zwei Texten verankert: Jacques Rancières mäß ein Nachdenken über Kreisläufe und über in sich selbst zurückführende Kausalketten; ein Der unwissende Lehrmeister 17 und Paolo Virnos Grammatik der Multitude. 25 Stellt Virnos Konzept Denken in Kreisläufen mithin, das nicht nur das Verständnis von Komplexität vertieft, sondern das der Multitude ein elaboriertes analytisches Instrumentarium für das Verständnis der gegenwärtigen Selbst-Bild des Menschen selbst verändert hat. Es bricht das klassische Subjekt-Objekt-Verhältnis Lebens- und Arbeitsverhältnisse im Postfordismus bereit, so bilden Rancières Fünf Lektionen über auf, lässt das Individuum zum Beobachter werden, der Kraft seiner Selbst-Beobachtung — diese die intellektuelle Emanzipation ein mögliches philosophisches Fundament für ein anderes Nachden- Tautologie sei hier gestattet — zum Beobachter seiner selbst wird, zum Beobachter des Beobachters ken über (Aus)Bildung und Self-education. Beide Texte sind von eminenter Bedeutung, nicht zuletzt also und somit zum Beobachter des sich selbst beobachtenden Beobachters, ad infinitum. Die Aus- für die künstlerische und intellektuelle Praxis der Gegenwart, und sollen daher im »Open Space« wirkungen einer sich zirkulärer Prozesse bewusst seienden Perspektive können in ihrer Bedeutung zur Diskussion gestellt bzw. im Anhang dieses Textes in Auszügen vorgestellt werden. nicht hoch genug eingeschätzt werden: Ob in Ökologie, Mathematik, Biologie, Computertechnolo- gie, Neurowissenschaften oder philosophischen Konzepten wie dem Konstruktivismus — zahllos sind die Spuren jenes Denkens, das von der (Wieder-)Entdeckung des Prinzips der Selbstorganisation Selbstorganisation in den späten 1940er Jahren gewissermaßen seinen Ausgang nahm. als Handlungs-Raum Diese — angesichts der Komplexität des Gegenstands fahrlässig kurzen — Ausführungen seien damit gerechtfertigt, dass sie einen Zusammenhang verdeutlichen wollen, der für den »Open Space« Ende der 1940er Jahre in den modernen Wissenschaftsdiskurs eingeführt, hat sich der Begriff unmittelbar relevant ist: Sämtliche genannten Konzepte und Praktiken, die diesem Projekt sozusa- »Selbstorganisation«­ von einem kybernetischen Spezialterminus zu einem Leitbegriff der gegen- gen Pate stehen, basieren auf einem aktuellen, zeitgenössischen Verständnis der Eigenschaf- wärtigen Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften 19 entwickelt, der vermehrt auch in künstleri- ten komplexer Systeme als sich selbst organisierende Phänomene. Anders gesagt, zeichnen sie sich schen Diskursen und Praktiken seinen Niederschlag findet. Der Begriff steht im Mittelpunkt einer durch eine Mentalität aus, die aus einem differenzierten Verständnis des Verhältnisses zwischen weitverzweigten Theoriebildung, die den Eigenschaften komplexer Systeme beschreibend gerecht dem System und seinen Teilen hervorgeht — eine Mentalität, die Autonomie und Dependenz des/ zu werden versucht. Als Zentralbegriff der Systemtheorie bezeichnet »Selbstorganisation« das Prin- der Einzelnen in einem komplexen Systemzusammenhang neu bewertet und daraus proaktiv zip der Entstehung zunehmend komplexer Strukturen in Systemen gleich welcher Art, ohne dass Konsequenzen zu ziehen versucht. Bei der Zusammenschau von chemo-physikalischen, biologi- dafür ein externer bestimmender Faktor identifiziert werden könnte: Formgebende, gestaltende schen, gesellschaftlichen, sozialen und geistigen Phänomenen im Licht der Selbstorganisation — und beschränkende Einflüsse gehen von den Elementen des sich organisierenden Systems selbst so könnte eine affirmative Hypothese lauten —, werden neue Verbindungen und Zusammenhänge aus; Ordnung und wachsende Komplexität entstehen aus sich selbst heraus. sichtbar, wächst ein verändertes Bewusstsein vom menschlichen Individuum und seinem Einge- Für eine Beschreibung der allgemeinen Eigenschaften selbstorganisierter Systeme sei hier ein bundensein in komplexe Systemzusammenhänge, das andere Sicht- und Handlungsweisen ermög- Medium zitiert, das als benutzergenerierte Enzyklopädie selbst das Ergebnis selbstorganisierter edi- licht. 8, 11, 1 2 Denn der Begriff »Selbstorganisation« lenkt die Aufmerksamkeit nicht zuletzt auf das torischer Prozesse — Wikipedia: Selbstorganisierte Systeme haben in der Regel vier Eigenschaften: »Selbst« in Relation zu Fragen der Organisation. Der hier beschriebene Kontext — und somit 1. Komplexität: Sie sind komplex, wenn ihre Teile durch wechselseitige, sich permanent ändernde Beziehun- das Projekt »Open Space«, dem es angehört — lädt also dazu ein, anders über Organisation selbst gen miteinander vernetzt sind. Die Teile selbst können sich ebenfalls jederzeit verändern. […] 2. Selbstre- nachzudenken: darüber, wie wir uns selbst, unsere Diskurse, unsere Aktivitäten, unsere Umgebung ferenz: Selbstorganisierende Systeme sind selbstreferentiell und weisen eine operationale Geschlossen- organisieren­ . Organisieren aber — und hier schließt sich einer von zahllosen Kreisen — heißt 11 heit auf. Das heiSSt, »jedes Verhalten des Systems wirkt auf sich selbst zurück und wird zum Ausgangspunkt handeln. In diesem Sinne versteht sich der »Open Space« als Handlungsraum. für weiteres Verhalten«. Operational geschlossene Systeme handeln nicht aufgrund externer Umweltein- 22 23

D a s P r o g r a m m des »Open Space«

Das Projekt »Open Space« positioniert sich gewissermaßen an der Schnittstelle der hier skizzierten philosophischen, wissenschaftlichen, künstlerischen, politischen, sozialen und edukativen Konzep- te und Praktiken. Eines seiner zentralen Anliegen ist das möglichst vielgestaltige Aufwerfen der Frage, inwiefern diese Konzepte und Praktiken im Kontext zeitgenössischer Musikproduktion nutzbar und anwendbar sein können. Am Beginn dieses Textes war von der inhaltlichen Unbestimmtheit des »Open Space« die Rede — dies entspricht nur bedingt den Tatsachen. Um dem Projekt eine seinen konzeptuellen Ausgangsüberlegungen entsprechende Richtung zu geben, sind eine Reihe von inhaltlichen Impul- sen geplant, die zu weiteren Überlegungen und Aktivitäten Anlass geben sollen. So werden im »Open Space« ProtagonistInnen zu Gast sein, die sich im beschriebenen Denk- und Handlungs- raum bewegen.­ Das impulsgebende Programm des »Open Space« wird sich aus Workshops, Vorträ- gen, Gesprächen und Präsentationen zusammensetzen, die rechtzeitig bekannt gegeben werden. Sein eigentliches »Programm« jedoch wird dem »Open Space« erst während der Ferienkurse selbst eingeschrieben­ . Der eigentliche Inhalt dieses Projekts — die konkrete Manifestationen seiner Potentialität­ — wird am Ende des jeweiligen Tages, gewissermaßen a posteriori, festste- hen: als Ergebnis der sich selbst organisierenden Initiativen, Interessen und Bedürfnissen aller Teil- nehmenden der Darmstädter Ferienkurse. Was auch immer geschehen mag: Was am 1. August 2010 im »Open Space« stattgefunden haben wird, wird gleichsam ein Fingerabdruck der 45. Internatio- nalen Ferienkurse für neue Musik Darmstadt und ihrer inneren Dynamik sein.

TEXTE, ASSOZIIERTE PROJEKTE, ANMERKUNGEN 0 Der Kalender des »Open Space Darmstadt 2010« ist auf www. O r g a n i s ato r i s c h e s internationales-musikinstitut.de zugänglich. 1 AAAARG.ORG | http://a.aaaarg.org: Während der Fertigstellung dieses Textes wurde zum »Open Space« die Plattform AAAARG vom Netz genommen — dieser Hinweis fungiert somit als Epitaph, in er Hoffnung auf eine Reaktivierung dieser bzw. Neugründung einer ähnlich wunderbaren Online-Bibliothek. 2 Michel Bauwens: P2P and Human Evolution. Peer to peer as the Prinzipien der Selbstorganisation kommen im »Open Space« bei der operativen Handhabung der premise of a new mode of civilization (http://www.networkcultures.org/weblog/archives/P2P_essay.pdf) 3 Creative Commons | acht Räume in der Mornewegschule zur Anwendung: Sämtliche Ressourcen des »Open Space« sind http://creativecommons.org 4 Cybernetics | Kybernetik. The Macy-Conferences 1946–1953. Band I: Transactions/Protokolle; Band II: Essays frei verfügbar, stehen einer temporären Aneignung für Aktivitäten jeglicher legalen Art offen: Ge- and Documents/Essays und Dokumente, hrsg. von Claus Pias, Zürich/Berlin (diaphanes) 2003/2004. 5 everybodys | www.every­ dankenexperimente, Gespräche, Diskussionen, Vorträge, Präsentationen, Filmvorführungen, Pro- bodystoolbox.net 6 everybodys self interviews, hrsg. von Mette Ingvartsen und Alice Chauchat, Everybodys Publications 2008 (ISBN ben, Konzerte sind nur einige der möglichen Formen des Wissens- und Erfahrungsaustausches, die 978-1-4092-5669-4). 7 Heinz von Foerster: Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke, hrsg. von Siegfried J. Schmidt, Frankfurt/ der »Open Space« ermöglichen und ermutigen will. Der »Open Space« existiert durch die darin Main (Suhrkamp) 1993. 8 Heinz von Foerster: »Zirkuläre Kausalität. Die Anfänge einer Epistemologie der Verantwortung«, in: stattfindenden Aktivitäten. Kybernethik, Berlin (Merve) 1993. 9 Heinz von Foerster/Bernhard Pörksen: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners: Ge- Der »Open Space« ist nicht-institutionell und selbstorganisiert, das heißt, dass den Räumlich- spräche für Skeptiker, Heidelberg (Carl-Auer-Systeme Verlag) 2008. 10 GNU Operating Systems | www.gnu.org 11 keiten kein »Personal« zugeordnet ist. Auskünfte und marginale Hilfeleistungen sind zwar gewähr- Humberto M. Maturana/Bernhard Pörksen: Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens, Heidelberg (Carl-Auer- leistet — die Organisation, Ankündigung und Durchführung von Aktivitäten obliegt jedoch aus- Systeme Verlag) 2002. 12 Humberto M. Maturana/Francisco J. Varela: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wur- schließlich den jeweiligen InitiatorInnen. zeln menschlichen Erkennens, München (Goldmann) 1987. 13 Melanie Mitchell: Complexity. A Guided Tour, Oxford/New York Der »Open Space« ist öffentlich, das heißt, sämtliche darin organisierten Aktivitäten werden (Oxford University Press) 2009. 14 Open Source Initiative | www.opensource.org 15 PAF (Performing Arts 0 in einem Kalendersystem öffentlich angekündigt und sind der Öffentlichkeit zugänglich. Forum) | www.pa-f.net 16 Bernhard Pörksen: Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche für Skeptiker, Heidelberg (Carl-Auer- Der »Open Space« ist nicht-hierarchisch. Das bedeutet, dass darin die Hierarchie zwischen Lehren- Systeme Verlag) 2002. 17 Jacques Rancière: Der unwissende Lehrmeister. Fünf Lektionen über die intellektuelle Emanzipation, aus den und Lernenden aufgehoben ist. dem Französischen von Richard Steurer, hrsg. von Peter Engelmann, Wien (Passagen) 2007. 18 Jacques Rancière: Der emanzi- 29 Mit der Benutzung des »Open Space« sind drei einfache Regeln verbunden: pierte Zuschauer, aus dem Französischen von Richard Steurer, hrsg. von Peter Engelmann, Wien (Passagen) 2009. 19 Selbstorganisation: 1 Keine Spuren hinterlassen. Ein Denksystem für Natur und Gesellschaft, hrsg. von Alexandra Margarete Freund, Marc-Thorsten Hütt und Milo Vec, Köln/Weimar/Wien (Böh- 2 Es anderen ermöglichen. lau) 2006. 20 Self-Organisation: Counter-Economic Strategies, hrsg. von Nifca, Will Bradley, Mika Hannula, Cristina Ricuperon und 3 Die/der Handelnde entscheidet. Superflex, New York/Berlin (Sternberg Press)2006 . 21 Six Mois Un Lieu — 6M1L | www.6m1l.com 22 James Suro- wiecki: Die Weisheit der Vielen. Warum Gruppen klüger sind als Einzelne, München (Goldmann) 2007. 23 The Public School | http://thepublicschool.org 24 TkH — Centre for Performing Arts Theory, Belgrad | www.tkh-generator.net. Siehe die folgenden Ausgaben des TkH Journal for Performing Arts Theory (hrsg. von TkH — Centre for Performing Arts Theory and Practice & Bitef thea- ter): No. 11: Self-organization, Belgrad 2006; No. 14: Self-education: Self-managed Educational System in Art (s-o-s project), November 2007; No. 14: Self- education: Goat Tracks of Self-education, Januar 2008. 25 Paolo Virno: Grammatik der Multitude. Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensformen, aus dem Italienischen von Klaus Neundlinger, hrsg. und eingeleitet von Klaus Neundlinger und Gerald Raunig, Wien (Turia & Kant) 2008. 26 Dokumentation einer misslungenen Revolution. Internationale Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt, 23. August Berno Odo Polzer (*1974 in Bregenz) ist Kurator und Dramaturg in den bis 4. September 1970 (D 1971). WDR-Fernsehdokumentation von Hans G Helms (aus rechtlichen Gründen leider gesperrt). 27 Seite Bereichen zeitgenössische Musik, Tanz und Performance. Zuletzt Künst- »Peer-to-peer (meme)«. In: Wikipedia, The Free Encyclopedia (http://en.wikipedia.org). Bearbeitungsstand: 17. April 2010. 28 lerischer Leiter des Festivals Wien Modern, ist er derzeit als freischaf- Seite »Selbstorganisation«. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (http://de.wikipedia.org) Bearbeitungsstand: 24. April 2010. fender Kurator (Alte Oper Frankfurt, Festival Dialoge Salzburg) mit Sitz 29 Diese sind dem »Performing Art Forum« PAF in St. Erme, Frankreich, entlehnt, das im Jahr 2006 von Jan Ritsema, einem der Gäste in Brüssel und Wien tätig und betreibt ein Forschungsprojekt zur Phäno- des »Open Space«, ins Leben gerufen wurde (www.pa-f.net). 30 Seite »Desiderat«. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (http:// menologie der Zirkularität. de.wikipedia.org). Bearbeitungsstand: 1. Februar 2010. OPEN SPACE 24 25 lichen Kunstfertigkeit am Werk ist, er wird wissen, dass ein Mensch immer die Rede eines an- deren Menschen verstehen kann.6 […] Was ein Emanzipierter wesentlich kann, ist, Emanzipierender zu sein: nicht den Schlüssel Jacques Rancière zum Wissen geben, sondern das Bewusstsein davon, was eine Intelligenz kann, wenn sie sich der unwissende Lehrmeister allen anderen gleich und jede andere als ihr gleich betrachtet. Die Emanzipation ist das Be- wusstsein von dieser Gleichheit, dieser Gegenseitigkeit […] 7 Die Fähigkeit lässt sich nicht teilen. Es gibt nur eine Kraft, diejenige, zu sehen und zu sagen, aufmerksam zu sein darauf, was man sieht und was man sagt. Man lernt Sätze und wieder Sät- ze; man entdeckt Fakten, das heißt Verhältnisse zwischen den Dingen und wieder andere Ver- hältnisse, die alle von derselben Natur sind; man lernt die Buchstaben, die Wörter, die Sätze, die Ideen zu kombinieren. Man wird nicht sagen, dass man die Wissenschaft erworben hat, dass man die Wahrheit kennt oder dass man ein Genie geworden ist. Aber man wird wissen, dass man auf intellektuellem Gebiet alles kann, was ein Mensch kann. Das soll heißen Alles ist in allem: die Tautologie der Fähigkeit.8 […] Die Intelligenz ist Aufmerksamkeit und Suche, bevor sie Kombination von Ideen ist. Der Wille ist die Fähigkeit, sich zu bewegen, nach seiner eigenen Bewegung zu handeln, bevor er Instanz der Wahl ist. […] Es ist diese grundlegende Umkehrung, die die neue Ausrichtung der Definition des Menschen verzeichnet: Der Mensch ist ein Wille, dem eine Intelligenz dient.9 […] d e r U N W i s s e n d e Was uns interessiert, ist die Erforschung der Macht jedes Menschen, wenn er sich allen an- deren gleich und alle anderen ihm gleich schätzt. Unter Wille verstehen wir diese Rückwen- LEHRMEISTER dung des vernünftigen, sich als handelnd wissenden Wesens auf sich selbst. Es ist dieser Herd der Vernünftigkeit, dieses Bewusstsein und diese Selbsteinschätzung als vernünftig handeln- Auszüge aus Jacques Rancières Fünf Lektionen des Wesen, die die Bewegung der Intelligenz nährt. Das vernünftige Wesen ist zuerst ein We- über die intellektuelle Emanzipation1 sen, das seine Fähigkeit kennt, das sich darüber nicht belügt. 10 […] Man kann so von einer Gesellschaft von Emanzipierten träumen, die eine Gesellschaft von Die Logik der Erklärung beinhaltet also das Prinzip eines unendlichen Regresses: Die Ver- Künstlern wäre. Eine solche Gesellschaft würde die Trennung zwischen denen, die wissen, dopplung der Gründe hat keinen Grund, jemals aufzuhören. Was die Regression beendet und und jenen, die nicht wissen, zwischen denen, die über Intelligenz verfügen, und jenen, die dem System seine Grundlage gibt, ist ganz einfach, dass der Erklärende als Einziger entschei- nicht über sie verfügen, ablehnen. Sie würde nur tätige Geister kennen: Menschen, die etwas det, an welchem Punkt die Erklärung selbst erklärt ist. Er ist der einzige Richter in dieser machen, die darüber sprechen, was sie machen, und somit alle ihre Werke in Mittel umfor- Frage, die in sich selbst schwindelerregend ist: Hat der Schüler die Gedankengänge verstanden, men, Menschlichkeit zu signalisieren, die ihnen wie allen eignet. Solche Menschen wüssten, die ihn lehren, die Gedankengänge zu verstehen? 2 […] dass niemand mit mehr Intelligenz geboren wird als sein Nachbar, dass die Überlegenheit, die Die Offenbarung, von der Joseph Jacotot erleuchtet wurde, fasst sich darin zusammen: Man jemand zeigt, nur die Frucht des Fleißes ist, Wörter zu handhaben, dem leidenschaftlichen muss die Logik des Erklärsystems umdrehen. Die Erklärung ist nicht nötig, um einer Ver- Fleiß eines anderen vergleichbar, seine Werkzeuge zu handhaben; dass die Unterlegenheit ständnisunfähigkeit abzuhelfen. Die Unfähigkeit ist im Gegenteil die strukturierende Fik- dieses anderen die Folge von Umständen ist, die ihn nicht gezwungen haben, weiterzusuchen. tion der erklärenden Auffassung der Welt. Der Erklärende braucht den Unfähigen, nicht um- Kurz, sie wüssten, dass die Perfektion, die dieser oder jener in seiner eigenen Kunst zeigt, nur gekehrt. Er ist es, der den Unfähigen als solches schafft. Jemandem etwas erklären heißt, ihm die besondere Anwendung der Macht ist, die allen vernünftigen Wesen gemein ist, diejenige, zuerst zu beweisen, dass er nicht von sich aus verstehen kann. Bevor die Erklärung ein Akt des die jeder erfährt, wenn er sich in den geschlossenen Bereich des Gewissens zurückzieht, wo die Pädagogen ist, ist sie der Mythos der Pädagogik, das Gleichnis einer Welt, die in Wissende und Lüge keinen Sinn mehr hat. 11 […] Unwissende geteilt ist, in reife Geister und unreife Geister, fähige und unfähige, intelligente Die Vernunft beginnt da, wo die Diskurse aufhören, die nur den Zweck haben, Recht zu und dumme. […] Der pädagogische Mythos teilt, so sagten wir, die Welt entzwei. Man muss haben, da, wo die Gleichheit anerkannt ist: nicht als per Gesetz oder durch Macht dekretierte genauer sagen, dass er die Intelligenz zweiteilt. Es gibt, sagt er, eine niedrigere und eine höhere Gleichheit, nicht als passiv erhaltene Gleichheit, sondern als tätige Gleichheit, die verifi- Intelligenz. Die erste nimmt durch Zufall wahr, behält, interpretiert und wiederholt empi- ziert wird von jedem Schritt dieser Marschierenden, die durch ihre konstante Aufmerksam- risch im engen Kreis der Gewohnheiten und Bedürfnisse. […] Die zweite kennt die Dinge keit gegenüber sich selbst und ihrem endlosen Kreisen um die Wahrheit geeignete Sätze fin- durch Gründe, sie geht methodisch vor, vom Einfachen zum Komplexen, vom Teil zum Gan- den, um von anderen verstanden zu werden.12 […] zen. Sie erlaubt es dem Lehrmeister, seine Kenntnisse zu übermitteln, indem er sie den intel- lektuellen Fähigkeiten des Schülers anpasst und überprüft, ob der Schüler wohl verstanden hat, was er gelernt hat. Das ist das Prinzip der Erklärung. Das wird von nun an für Jacotot das Prinzip der Verdummung sein.3 […] Müsste man nicht die etablierte Ordnung der intellektuellen Werte umdrehen? Ist diese schimpfliche Methode des Ratens nicht die wahre Bewegung der menschlichen Intelligenz, die ihre eigene Macht in Besitz nimmt?4 […] Es gibt Verdummung da, wo eine Intelligenz einer anderen Intelligenz untergeordnet ist. Der Mensch […] kann einen Lehrmeister benötigen, wenn sein Wille nicht stark genug ist, um ihn auf seinen Weg zu bringen und ihn dort zu halten. Aber diese Unterwerfung besteht rein zwischen Wille und Wille. Sie wird verdummend, wenn sie eine Intelligenz an eine andere Intelligenz bindet. Im Lehr- und Lernakt gibt es zwei Willen und zwei Intelligenzen. Man Nachweise 1 Jacques Rancière: Der unwissende Lehrmeister. Fünf Lektionen über 5 wird ihr Zusammenfallen Verdummung nennen. […] die intellektuelle Emanzipation, aus dem Französischen von Richard Steurer, hrsg. von Peter Engel- Wer lehrt, ohne zu emanzipieren, verdummt. Und wer emanzipiert, hat sich nicht darum zu mann, Wien (Passagen) 2007. Seitenangaben der Zitate 2 S. 14f. 3 kümmern, was der Emanzipierte lernen muss. Er wird lernen, was er will, nichts vielleicht. Er S. 16f. 4 S. 21 5 S. 23 6 S. 28f. 7 S. 53 8 S. 38 wird wissen, dass er lernen kann, weil dieselbe Intelligenz in allen Produktionen der mensch- 9 S. 69 10 S. 72 11 S. 88f. 12 S. 90. OPEN SPACE 26 27 Die Einheit, von der die Multitude ausgeht, konstituiert sich durch die »Gemeinplätze« des Bewusstseins, durch die sprachlich-kognitiven Vermögen, die der menschlichen Spezies ge- mein sind, durch den General Intellect. Es handelt sich um eine Einheit bzw. Universa- Paolo VIRNO lität, die sich sichtlich von der staatlichen unterscheidet. Es sei noch einmal deutlich unter- DIE MULTITUDE strichen: Die sprachlich-kognitiven Fähigkeiten rücken nicht deshalb in den Vordergrund, weil jemand das so beschließen würde, sondern aus schierer Notwendigkeit, weil sie eine Form des Schutzes in einer Gesellschaft darstellt, die über keine substanziellen Gemeinschaften mehr verfügt (und daher auch über keine »spezifischen Gesichtspunkte«).9 […] Der General Intellect stellt sich heute vor allem als Kommunikation, Abstraktion und Selbstreflexion lebendiger Subjekte dar.10 […] Das »Leben des Geistes« ist das Eine, das der Seinsweise der Multitude untersteht. […] Das In-den-Vordergrund-Rücken des Intellekts als solchen, die Tatsache, dass die allgemeinsten und abstraktesten sprachlichen Strukturen zu Instrumenten werden, die das eigene Verhalten auszurichten erlauben, stellt meines Erachtens eine der Hauptbedingungen, die die zeitgenös- sische Multitude bestimmen, dar.11 […] Der öffentliche Intellekt ist die einheitliche Wurzel, aus der sowohl schreckliche Formen des Schutzes als auch solche Formen, die imstande sind, wirkliches Wohlergehen zu erzeugen (insofern sie uns […] vor den Ersteren bewahren), entstehen können. Der öffentliche Intellekt, aus dem die Multitude schöpft, ist Ausgangspunkt für höchst unterschiedliche Entwicklun- d i e gen. Das In-den-Vordergrund-Rücken der grundlegenden Fähigkeiten des menschlichen Da- seins (Denken, Sprache, Selbstreflexion, Lernfähigkeit) kann einen beunruhigenden und be- MULTITUDE drückenden Aspekt annehmen, oder aber es kann daraus eine neue Form der öffentlichen Sphäre bzw. Öffentlichkeit entstehen, eine nichtstaatliche Öffentlichkeit, die sich Auszüge aus Paolo Virnos Grammatik der M u lt i t u d e . fernab von den Mythen und Riten der Souveränität konstituiert.12 […] Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensformen1 Das Öffentlichsein des Intellekts, die Tatsache, dass alle an ihm Anteil haben, wirft zwar einerseits jede strenge Arbeitsteilung über den Haufen, fördert aber andererseits die persön- Multitude ist die soziale und politische Existenzform der Vielen als Vieler: eine bleibende liche Abhängigkeit. »General Intellect«, Ende der Arbeitsteilung, persönliche Abhän- Form, keine vorläufige oder vorübergehende.2 […] gigkeit: Diese drei Aspekte hängen zusammen. Das Öffentlichsein des Intellekts geht, wenn es Die zeitgenössische Multitude […] besetzt einen Bereich, der zwischen dem »Individuellen« sich nicht in einer Öffentlichkeit artikuliert, in eine unkontrollierte Ausbreitung von und dem »Kollektiven« liegt; für sie hat die Unterscheidung zwischen »öffentlich« und »pri- Hierarchien über, die ebenso willkürlich wie robust sind. Die Abhängigkeit ist im doppel- vat« keinerlei Bedeutung. Gerade aufgrund der Auflösung dieser so lange Zeit für offensicht- ten Sinn eine persönliche: In der Arbeit ist man von dieser oder jener Person abhängig, lich gehaltenen Begriffspaare kann man nicht mehr von einem Volk sprechen, das in der staat- nicht von Regeln, die eine anonyme Verfügungsgewalt ausüben; darüber hinaus wird die eige- lichen Einheit zusammenfinde. Um nicht eigenartig postmoderne Gesänge anzustimmen (»das ne Person in ihrer Gesamtheit unterworfen, ihre grundlegenden kommunikativen und kogni- Vielfältige ist das Gute, die Einheit ist das Übel, vor dem man sich in Acht nehmen muss«) gilt tiven Fähigkeiten. Hierarchien, die sich rasch ausbreiten, minutiös funktionieren und auf die es jedoch einzuräumen, dass die Multitude sich dem Einen nicht entgegensetzt, sondern dieses einzelne Person abgestimmt sind: So sehen die negativen Konsequenzen des Öffentlichseins neu bestimmt. Auch die Vielen brauchen eine Form der Einheit, ein Eines: diese Einheit je- bzw. der Teilhabe am Intellekt aus. Die Multitude, betonen wir es noch einmal, ist eine doch, und hier liegt der Unterschied, ist nicht mehr der Staat, sondern die Sprache, der Intel- ambivalente Seinsweise.13 […] lekt, die den Menschen gemeinsamen Vermögen. Das Eine ist kein Versprechen (promes- sa) mehr, sondern eine Vorbedingung (premessa). Die Einheit ist nicht mehr etwas (der Staat, der Souverän), in dem alle sich nach Möglichkeit vereinen, wie im Falle des Volkes, sondern vielmehr etwas, das man hinter sich lässt, wie einen Hintergrund oder eine Vorausset- zung. Die Vielen müssen als Individuation des Universellen, des Allgemeinen, des Gemeinsa- men verstanden werden. Auf diese Weise gilt es umgekehrt, ein Eines zu konzipieren, das, weit davon entfernt, sich als Abschließendes zu geben, die Grundlage bildet, die Differenzierungen zulässt und die politisch-soziale Existenz der Vielen als Viele ermöglicht.3 […] Die Vielen als Viele sind diejenigen, denen das »Un-zuhause« gemeinsam ist und die diese Erfahrung in den Mittelpunkt ihrer sozialen und politischen Praxis stellen.4 […] Das Fremdsein, also das »Un-zuhause«, stellt heute die unausweichliche und gemeinsame La- ge der Vielen dar. Daher müssen diejenigen, die sich nicht heimisch fühlen, auf die Gemein- plätze, d. h. auf die allgemeinsten Kategorien des sprachlichen Intellekts zurückgreifen, um sich zu orientieren und sich zu schützen.5 […] Die Multitude der »Heimatlosen« vertraut sich dem Intellekt, den Gemeinplätzen an: Sie ist auf ihre Weise eine Multitude von DenkerInnen (auch wenn diese nur die Grundschule besucht und nie im Leben ein Buch gelesen haben sollten).6 […] Die »Heimatlosen« können sich nur als DenkerInnen verhalten. Nicht, weil sie etwas von Biologie oder höherer Mathematik verstünden, sondern weil sie auf die grundlegendsten Kate- gorien des abstrakten Intellekts zurückgreifen, um den Zufällen des Lebens zu begegnen und 7 sich gegenüber der Kontingenz und dem Unvorhergesehenen in Schutz zu nehmen. […] Nachweise 1 Paolo Virno: Grammatik der Multitude. Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensformen, aus dem Der Intellekt als solcher, der reine Intellekt, wird dort zur konkreten Orientierungshilfe, wo Italienischen von Klaus Neundlinger, hrsg. und eingeleitet von Klaus Neundlinger und Gerald Raunig, Wien (Turia + Kant) 2008. die substanziellen Gemeinschaften verschwinden und man immer mehr der Welt in ihrer Ge- Seitenangaben der Zitate 2 S. 26 3 S. 31f. 4 S. 42 5 S. 47 6 S. 48 8 samtheit ausgesetzt ist. […] 7 S. 47f. 8 S. 45 9 S. 54 10 S. 88 11 S. 46 12 S. 50f. 13 S. 52f. open Space 28 29

Bernhard Pörksen Das dialogische Prinzip

Bernhard Pörksen d a s d i a LO g i s c h e PRINZIP

Was geschieht, wenn man Theorien der Selbstorganisation in eine Praxis des Lehrens und Lernens verwandelt? ein essay über Kon­ struktivismus und Kommunikation, Varianten des Zuhörens und die Normalität des Missverständnisses.

Vom Lehr- Pa r a d i g m a zum Lern- Paradigma

Die erste und vielleicht wichtigste Umorientierung eines Lehrenden, der die Selbstorganisations- theorie des Konstruktivismus ernst nimmt und in eine fundamentale Maxime der Kommunikation verwandelt, besteht darin, dass das Lehr-Paradigma durch das Lern-Paradigma ersetzt wird. Das Lehr-Paradigma sieht vor, dass ein Wissender das unwissende Publikum allmählich in eine wissende Gemeinschaft verwandelt. Er weiß, welchen Stoff er vermitteln will, er kennt den optimalen Weg zu seiner Präsentation, er zergliedert die Wissensbestände in verdauliche Portionen, hebt allmählich das Niveau und schraubt sich von einfachen Überlegungen zu komplizierten Ge- dankengängen empor. Der Lernende hat diesem Spiel die Rolle des passiven Rezipienten; er hört zu, er macht sich Notizen und versucht nachzuvollziehen, was der Lehrende sagt und meint. Schließ- lich wird das Gewusste wiederholt, es folgt der unvermeidliche Test, die Prüfung, dann die Note. Die verborgene Epistemologie eines solchen Vorgehens besteht darin, dass man glaubt, es gebe all- gemeine Prinzipien optimaler Stoffvermittlung; man meint, Wissen ließe sich — vergleichbar mit einer Substanz wie Kaffee oder Zucker — dem Unwissenden einflößen, um ihn auf diese Weise aus seinem rohen, noch ungebildeten Zustand zu erlösen; Aufgabe des Lernenden sei es, dieses von Personen und Handlungen abgetrennte Wissen in seinem Gedächtnis zu speichern. Wissen ist hier, so zeigt sich unmittelbar, ein übertragbares, verdinglichtes Denkergebnis und nicht ein Denkereig- nis, es ist nicht gebunden an Menschen, nicht gekoppelt an einen Beobachter, nicht bezogen auf eine besondere Situation oder Atmosphäre, die dieses Wissen überhaupt erst lebendig und damit brauchbar werden lässt (foerster/Pörksen 1998, S. 65ff.). Der Konstruktivismus widerspricht einer solchen Auffassung, die von einem schlichten, einem 30 31 Die Universalisierung wohlportionierten Wissenstransfer handelt, fundamental: Derjenige, der lernen soll, rückt in den des dialogischen Prinzips Vordergrund und erscheint als der aktive und autonome Konstrukteur; Lernen kann nicht erzeugt, so lautet eine seiner zentralen Annahmen, sondern nur ermöglicht werden. Der Lehrende schafft Mein Vorschlag ist es überdies, das Gespräch radikal zu kultivieren und zur Grundlage allen Spre- eine Umgebung, er kreiert Bedingungen, in denen sich, wenn etwas gelingt, eigentlich auch faszina- chens und Schreibens zu machen. Der Grund besteht darin, dass mir eine dialogische Wissens- tionsresistente Menschen begeistert zeigen. Das Prinzip des Wissenstransfers, das einen aktiven Sen- schöpfung sehr effektiv zu sein scheint und dass der Geist des Gesprächs zu der Erkenntnistheorie der und einen passiven Empfänger einander modellhaft gegenüberstellt, wird ersetzt durch die des Konstruktivismus und dem Modus der Selbstorganisation besonders gut passt. Denn was ist ein ziemlich unangenehme Einsicht, dass sich Wissen einfach nicht übertragen, sondern nur individu- Gespräch? Ein Gespräch ist, wenn es denn gelingt, immer auch Ausdruck der konstruktivistischen ell erschaffen lässt. Es erscheint einem unmöglich zu erwarten, dass ein Satz, den ein Mensch sagt, Grundthese, dass es die Wirklichkeit nicht gibt, sondern nur ein Multiversum unterschied- in einem anderen genau jene Gedanken und Begriffsnetze erweckt, die der Sprecher mit seiner Äu- licher Deutungen. Man kann sich widersprechen und streiten, man kann eine Einsicht, die sonst, ßerung verbindet. Kommunikation ist nie Transport (Glasersfeld 2002, S. 63f.). Übertragung, wenn ein Einzelner sie vertreten würde, im Anschein des Allgemeingültigen stehenbliebe, von ver- Sendung und Empfänger sind irreführende Metaphern, sofern es sich um den begrifflichen schiedenen Seiten aus umspielen, ohne auf eine endgültige Harmonie und eine die Widersprüche Inhalt handelt. Gelingende Kommunikation bekommt aus konstruktivistischer Sicht etwas hoch- verbergende Synthese zu zielen. Der Prozess der Entstehung und Verfertigung von Gedanken wird gradig Unwahrscheinliches, zu rechnen ist stets mit einer unentrinnbaren Subjektivität von Bedeu- selbst zum eigentlichen Fixpunkt dessen, was erreicht werden soll. Der Gestus der allumfassenden, tungen. Das Nichtverstehen ist — so gesehen — eigentlich der unbemerkte Normalfall; man gleitet der ungebrochenen Darstellung, den letztgültige Wahrheiten und monolithische Gedankengebäu- einfach so dahin, ohne auch nur zu bemerken, wie wenig man von einem anderen weiß und be- de stets benötigen, wird so gestört. »Die Form«, so bekommt man bei Heinz von Foerster zu lesen, greift. Erst wenn wir uns erkennbar nicht verstehen, verstehen wir überhaupt, dass wir uns nicht »ist die Botschaft und die Botschaft ist die Form: In einem Dialog, den man nur als Form akzeptiert, verstanden haben. Für die Lehre heißt dies, dass man Mittel und Wege finden muss, um die Un- wenn eben auch eine bestimmte Botschaft erzeugt werden soll, wird die wechselseitige Verbunden- wahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation zumindest wahrscheinlicher zu machen. Es gilt, heit und die Fülle möglicher Wirklichkeiten zur Erfahrung; man ist kein scheinbar neutraler Be- sich an der Realität der Lernenden zu orientieren, von ihr auszugehen, in einer Mischsprache aus obachter mehr, der von einem merkwürdigen Locus observandi aus — frei von persönli- notwendiger Anpassung und ebenso notwendiger fachlicher Eigenständigkeit zu formulieren. Die chen Einflüssen und seinem individuellen Geschmack — eine von ihm getrennte und unveränder- zentrale Frage lautet: Wie sind — trotz der Autonomie des Erkennenden — funktionsgerechte lich erscheinende Wirklichkeit betrachtet. Das, was man Wirklichkeit nennt, wird zur Gemein- Inspirationen und Irritationen möglich? Die Antwort muss notwendig bescheiden ausfallen: Mög- samkeit und zur Gemeinschaft, die man zusammen mit anderen kreiert.« (Foerster 2002, S. 14). lich ist es allein, dem Studierenden in seiner Sprache, an seine Logik anschließend, Anlässe vorzu- Natürlich soll in einer womöglich etwas utopisch anmutenden Universität, die ich mir hier geben, so dass er Gründe geliefert bekommt, sich selbst auf neue Umstände einzustellen, sich somit ohne Rücksicht auf die Realität eines Massenbetriebes herbeidenke, nicht nur wie in einer endlo- selbst zu verändern (Bardmann/Groth 2001, S. 15). sen Gruppentherapie fortwährend geredet werden. Aber ich plädiere für eine Universalisie- rung des dialogischen Prinzips, um die Unkultur des stummen Lauschens, des depres- siven Schweigens und des unbeteiligten und ängstlichen Zuschauens aufzubrechen, die in so vielen Varianten Seminaren verbreitet ist (FLOYD 1996). Mit der Rede von der Universalisierung des dialo- des Zuhörens gischen Prinzips ist gemeint, dass auch unvermeidlich monologische Formen der Präsentati- on — z. B. Vorlesungen, das Verfassen von Aufsätzen, Büchern etc. — als sprecherseitige Dialoge, als Als ein Lehrer, der diese Anlässe zur Selbstveränderung in der direkten Interaktion kreiert, muss Elemente eines übergeordneten und eben in der Universität anzusiedelnden Gesprächs verstanden man lernen auf eine sehr spezielle Weise zuzuhören. Oft hört man ja auf eine Weise zu, die sich von werden sollten. Denn wer vom ersten Satz an auf das Gespräch zielt, der spricht und schreibt anders; der Frage leiten lässt, ob man mit dem anderen übereinstimmt, ob einem das, was er sagt, gefällt, er provoziert strategisch, er greift die Einwände seines Publikums auf, er orientiert sich an seinem sympathisch ist, als wahr und plausibel erscheint etc. Eine solche Spielform des Zuhörens, die jede Horizont und bemüht sich erkennbar um sein tatsächliches oder imaginäres Gegenüber. Ganz ver- Aussage auf ihre subjektiv empfundene Richtigkeit hin untersucht, ist hier natürlich nicht gemeint, schiedene Wirklichkeiten sind es, die in seiner Darstellung ihre legitime Präsenz besitzen. denn man hört dann genau genommen eigentlich nicht dem anderen zu, sondern vor allem oder nur sich selbst. Das eigene System und das jeweilige mentale Modell der Vorlieben, Interessen und Abneigungen funktionieren als Filter: Je stärker die Übereinstimmung mit dem eigenen Modell der Die Verfeinerung eigener Wirklichkeitskonstruktion, desto brauchbarer und wahrer erscheint einem dann das Gehörte und Ko m m u n i k at i o n s fä h i g k e i t desto größer ist dann auch der Grad der Harmonie im Gespräch. Die konstruktivistisch geprägte Art zuzuhören geht nicht mehr primär von der Frage aus, ob das, was der andere sagt, mit den ei­ In diesen verschiedenen Versuchen, konstruktivistische Postulate und didaktische Praxis zu ver- genen Gedanken übereinstimmt. Übereinstimmung ist nicht mehr zentral. Man möchte vielmehr knüpfen, ist, wenn auch in Form einer recht grob gewirkten Skizze, eine kommunikative Matrix in einem Akt nicht-egozentrischer Aufmerksamkeit herausfinden, in welchem Bereich das, was der enthalten, die im Idealfall ein Klima intellektueller Kreativität begünstigt. Zu den Kernelementen andere sagt, gültig ist. Unter welchen Bedingungen stimmt es? In welcher Welt ist es relevant? Wie dieser Matrix gehören: das wechselseitige Zugeständnis kognitiver Autonomie, der Abschied von sehen die internen Kriterien aus, um über die Gültigkeit des Gesagten zu entscheiden? Stimmt das einem trivialen Konzept des Informations- und Wissenstransfers, eine andere Form des Zuhörens, Gesagte, wenn man eben diese Kriterien zur Validierung zugrunde legt? Wer auf diese Weise zu- die sich — je nach Situation und Erfordernis — auch an den intern relevanten Kriterien des jewei- hört und fragt, der lernt den anderen kennen und erfährt auch, wie dieser andere zuhört oder auch ligen Gegenübers orientiert. Bedeutsam erscheint schließlich auch die Zurückweisung einer em- warum er sich vielleicht verweigert. Auch hier treibt man die Beobachtung noch etwas weiter, phatisch-realistischen Konzeption von Wahrheit und die generelle Orientierung an Gespräch und spannt den Begriff des Zuhörens in eine reflexive Denkfigur ein und trainiert sich in einem nächs- Dialog, verstanden als Modi der Rücksichtnahme auf kognitive Selbstorganisation. Was sich — ten Schritt, dem Zuhören zuzuhören, um jene Bedingungen ausfindig zu machen, die gege- wiederum im Idealfall und unabhängig von spezifischen Themen und einzelnen Disziplinen er­- ben sein müssen, damit ein anderer überhaupt bereit ist, das Gesagte zur Kenntnis zu nehmen. Das gibt — ist eine Verfeinerung von Kommunikationsfähigkeit, die für Hochschullehrer (und Hoch- bedeutet: Man lernt den, dem man etwas beibringen soll, kennen, indem man ihm — auf einer schulabsolventen in rapide fluktuierenden Arbeitswelten) gleichermaßen bedeutsam ist. Eine so ver- konstruktivistischen Grundlage — zuhört und seinem Zuhören zuhört, um die Bedingungen even- standene Kommunikationsfähigkeit ist unvermeidlich eine Kompetenz zweiter Ordnung, sie ba- tueller Kommunikationsblockaden zu eruieren (Maturana/ Pörksen 2002, S. 136ff.). siert auf der Beobachtung eines Beobachters, der man auch selbst sein kann. Man reflektiert die in- dividuellen Voreingenommenheiten und Ziele, holt sich die eigenen Leitunterscheidungen vor das innere Visier, erkennt die intern angelegten Konsequenzen jeweiliger Wirklichkeitswahrnehmung. Man orientiert sich an dem Horizont des Gegenübers, beobachtet die Form der Realitätskonstruk- tion, die von diesem praktiziert wird — und variiert seine eigenen Kommunikationsangebote ent- sprechend, um möglichst anschlussfähig zu formulieren, Aufmerksamkeit zu binden, einen Dialog zu initiieren und zu verstetigen. Natürlich klingt dies alles reichlich idealistisch, vermutlich gerade für Leser, die die Realität des 32 33 hiesigen Hochschulbetriebes aus der Innenansicht kennen. Es scheint wenig bis gar nichts mit der gegenwärtigen universitären Situation (im deutschsprachigen Raum) zu tun haben, die sich mit hekti- schen Reformbemühungen und widersprüchlichen Zieldefinitionen notwendiger Energieressour- cen für Forschung und Lehre systematisch beraubt. Derartige Beobachtungen sind jedoch kein Grund für resignatives Verstummen, sie verändern allerdings den Charakter jeder mehr oder min- der programmatisch gemeinten Beschreibung: Sie bekommen etwas Utopisches. Sie werden zu einer Möglichkeit des Denkens und Handelns, die ihre Kraft gerade aus der Differenz zu dem beziehen, was man alltäglich als Wirklichkeit erfährt.

Literatur Theodor m. Bardmann/torsten Groth (2001): »Die Organisation der Organisation. Eine Einleitung.« In: Zirkuläre Po- sitionen 3. Organisation, Management und Beratung, hrsg. von Theodor M. Bardmann und Torsten Groth, Wiesbaden (Westdeutscher Verlag), S. 7–20. christiane Floyd (1996): »Choices about Choices.« In: Systems Research. Vol. 13 No. 3, S. 262–270. heinz von foerster (1993): Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke, hrsg. von Siegfried J. Schmidt. Frankfurt/Main (Suhrkamp). heinz von foerster/Bernhard Pörksen (1998): Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme). heinz von foerster (2002): »Wirklichkeit entsteht im Dialog«. [Interview von Bernhard Pörksen]. In: die tageszeitung (7.10.2002). Berlin, S. 14. ernst von Glasersfeld (2002): »Was im Kopf eines anderen vorgeht, können wir nie wissen.« In: Bernhard Pörk- sen: Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche für Skeptiker. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme), S. 46–69. wilhelm von humboldt (1956): »Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin.« In: Die Idee der deutschen Universität. Die fünf Grundschriften aus der Zeit ihrer Neugründung durch klassischen Idealismus und romantischen Realismus. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchge- sellschaft), S. 377–386. heinz L. Kretzenbacher (1995): »Wie durchsichtig ist die Sprache der Wissenschaften?«, in: Linguistik der Wissenschaftssprache, hrsg. von Hein. L. Kretzenbacher und Harald Weinrich. Berlin/New York (de Gruyter), S. 15–39. Humberto R. Maturana/Bernhard Pörksen (2002): Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme). bernhard Pörksen (2002): Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche für Skeptiker. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme). wilhelm Rotthaus (2000): Wozu erziehen? Entwurf einer systemischen Erziehung. 3. Aufl. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme).

Bernhard Pörksen (*1969) ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Seine Bücher

über Kybernetik, Konstruktivismus und Selbstorganisationstheorien (u.a. Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, gemeinsam mit Heinz von Foerster, Die Gewissheit der Ungewissheit, Vom Sein zum Tun, gemeinsam mit Humberto Maturana) wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. SCHREIBWERKSTATT 34 35

PIERANGELO MASET SCHREIBEN ÜBER ZEITGENÖSSISCHE KUNST

P i e r a n g e lo Maset s c h r e i b e n ü b e r ZEITGENÖSSISCHE KUNST

Gegen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte Charles Bau- delaire wichtige Überlegungen zur Begründung der modernen Kunstkritik eingeleitet. So war er nicht nur der Überzeugung, dass, die unterhaltsame, poetische Beurteilung von Kunst die bes- te sei, da die »kalte, algebraische Kritik, die unter dem Vorwand, alles zu erklären, weder Liebe noch Hass kennt«1 — sondern er führte auch programmatisch aus, welche Mentalität einer zeitge- nössischen Kunstkritik angemessen wäre: »Hinsichtlich der Kri- tik im eigentlichen Wortverstand hoffe ich, die philosophischen Köpfe werden mich verstehen: um gerecht zu sein, das heißt, um ihre Daseinsberechtigung zu haben, muss die Kritik parteiisch, leidenschaftlich, politisch sein, das heißt, sie muss unter einem ausschließlichen Gesichtspunkt erfolgen, unter einem Gesichts- punkt jedoch, der möglichst viele Horizonte eröffnet.«2 Das Werk soll in diesem Sinne über die subjektive Betrachtung und Einstel- lung zu seinem objektivierbaren Inhalt führen — eine poetolo- gisch gestimmte Haltung, die weniger wissenschaftlich als künst- lertheoretisch fundiert ist. Es ist eine Haltung, die sich tief in der modernen Kunstkritik verwurzelt hat und die noch in vorgeb- lich »wissenschaftlich« vorgetragenen Texten immer wieder durch- scheint. Es ist deshalb zu fragen, ob der Subjektivismus der Kunst- kritik heute überwunden ist oder ob er sich nicht vielmehr in ei- ner Zeit, in der der Kunstdiskurs die Kunstausübung weitgehend zu dominieren scheint, nicht in neuen Schattierungen erhalten hat. In der Frage liegt bereits ein Teil der Antwort, der noch nicht beantwortete Teil soll im vorliegenden Text mit Blick auf die Kon­stitution des heutigen Kunstsystems folgen. V o r a u s s e t z u n g e n d e r 36 37 Kunstfeld- Textproduktion zur Kunst Konditionen

Zunächst möchte ich nach den Bedingungen der Möglichkeit Voraussetzungen für die Entwicklung von Fragestellungen im Für Kunst, die sich nicht nur aufs Anfertigen unwahrscheinli- des Schreibens über zeitgenössische Kunst fragen. Zu Baudelaires Bereich der Gegenwartskunst sind sicherlich Kenntnisse und cher Gegenstände beschränkt, sondern sich im Kern als repräsen- Zeit waren dies sicherlich vollkommen andere als heute, der viel- Betrachtungen folgender Bereiche: 1)Kunstgeschichte; 2) Kunst- tationskritisch (im Sinne der Kritik an Ideen, Begriffen, Zeichensyste- fältig begabte Autor konnte noch ein recht offenes Feld von begriffe und deren Entwicklung; 3) Kunsttheorien; 4) Kenntnis men) versteht, ist es schwierig geworden, sich in einem Kunstfeld Kunstbegriffen betreten und hatte gleichzeitig mit dem Akade- der »Kunstszenen« sowie 5) Kontextwissen. Zumindest kann ein zu behaupten, das konstitutive Leitmotive, an denen sich die mismus einen klaren Gegner vor Augen. Die Unterscheidung in »professionelles« Schreiben über Kunst nicht auf diese Elemente Kunst historisch abgearbeitet hatte, drastisch umgewertet hat. Freund und Feind ist hingegen im heutigen Kunstfeld, in dem verzichten, was nicht heißen soll, dass ein »unprofessionelles« War die Kunst der neunziger Jahre bestimmt durch institu- Trends sich kurzfristig ablösen und der ökonomische Utilitaris- Schreiben über Kunst keine interessanten Fragen und Antworten tionskritische, partizipatorische und interventionistische Ansät- mus sich durchgesetzt haben, weitaus schwieriger geworden; die generieren könnte. Eine kontextuelle Reflexion ist aber unent- ze, die ihre Handlungsfelder und Verbreitungsformen mit pro- meisten Opfer sind heute durch friendly fire zu beklagen. behrlich für die kritische Einstellung und einen angemessenen duzierte, so hat sich im einundzwanzigsten Jahrhundert erneut Alain Badiou hat dies eindrücklich beschrieben: »Überzeugt da- Grad an Differenziertheit und Präzision. ein Wechsel vollzogen, der eine stärkere Verschränkung von Kunst von, den gesamten Bereich des Sichtbaren und des Hörbaren Das Schreiben über Kunst setzt die inhaltliche Auseinander- und Institutionen betrifft. Das ist einerseits theoretischen An­ durch die kommerziellen Gesetze der Zirkulation und die demo- setzung über differierende Kunstbegriffe voraus, und da es sich sätzen geschuldet, die die Annahme eines »Außen« der Kunstpra- kratischen Gesetze der Kommunikation zu kontrollieren, braucht beim Schreiben über etwas stets um eine Vermittlungsform han- xis negieren, andererseits aber die Folge einer durchgängigen die heutige Macht keine Zensur mehr. Sie sagt: »Alles ist mög- delt, ist die Frage Was soll mit welchem Ziel an wen Ökonomisierung des Kunstfeldes, die nicht nur im Sinne der »In- 4 lich«, was gleichermaßen besagt, dass nichts möglich ist. Sich vermittelt werden? ebenfalls zentral. stitutionentheorie der Kunst« (Vgl. Dickies 1997 und 2001 ), sondern 5 dieser Erlaubnis, zu genießen, hinzugeben, ist zerstörerisch für Um aber einen Text zu schreiben, der im Kunstfeld Anerken- auch im Sinne der »Feldtheorie« (Vgl. Bourdieu 2001 ) in den Kun- jede Kunst und jedes Denken.«3 nung findet, ist das Verständnis von den das Kunstfeld konstituie- stinstitutionen die entscheidenden Agenten der symbolischen renden Regeln und Ritualen notwendig, da die Feldkräfte ent- und ökonomischen Wertschöpfung des Kunstwerkes ausmachen. sprechend selektiv wirken. Entscheidende Effekte des Schreibens Interessanterweise geht dieser Wechsel mit deutlichen Anleihen über Kunst sind deshalb zwangsläufig Selektionen — »passt/ an frühere künstlerische Positionen bzw. mit einer ausgeprägten passt nicht« — und zwar hinsichtlich von Künstlern und ihren Copy-and-Paste-Methodik einher. Arbeiten ebenso wie von Bestandteilen des Diskurses. Unterschied- Die Position der Künstlerin/des Künstlers zur Kunstinstitu- liche Perspektiven in der Betrachtung von Kunst führen dabei zu tion kann heute nicht von dem grundlegenden Widerspruch be- jeweils anders gearteten Fragestellungen und Motivationen, aus freit werden, mit der repräsentationskritischen künstlerischen denen sich Inhalte und Formen des Schreibens über Kunst entwi- Arbeit die Repräsentation bzw. Reproduktion der Institution ckeln. innerhalb des Kunstfeldes mit zu generieren. Eine (ausufernde) So resultiert aus der stärker von der subjektiven Perspektive »kritische« Textproduktion kommentiert diesen Widerspruch. bestimmten Annäherung an Kunst das Schreiben als Ver- Beständig und mit wachsender Tendenz erscheinen dem gemäß mittlungsform, das wiederum in unterschiedlichsten öf- in zahlreichen Verlagen und Internetforen Texte zur Gegen- fentlichen und privaten Ausprägungen — vom Feuilletonbeitrag wartskunst und ihren Intentionen. Aus unterschiedlichsten wis- bis zum heutigen Blog — vorkommt und sich gemäß den jeweils senschaftlichen Perspektiven der Genderforschung, der technisch möglichen Distributionsformen weiter ausdifferenziert. Postcolonial Studies oder der World Art Studies Hingegen werden­ lexikalische Lemmata und Artikel werden mit Bezügen zu Autorinnen und Autoren wie Michel deutlicher von einer sachlich-objektivierenden Informationsver- Foucault, Judith Butler, Jacques Derrida, Julia Kristeva, Gilles mittlung bestimmt, ebenso — in der Regel — in Katalogbeiträge. Deleuze und vielen anderen unglaublich viele präzise konstru- Die kunstmarktspezifische Kunstkritik wiederum ist stärker ierte Aufsätze und Monographien verfasst, die das Kaleidoskop interessegeleitet. Hier werden künstlerische Arbeiten mittels des heutigen Diskurses über die Kunst bilden. Es gibt eine enor- kunsttheoretischer Ansätze in Fragestellungen dekliniert, die me Menge an kritischer Theorieproduktion im Kunstfeld, deren durchaus durch Trends, Szene-Attitüden und Marktmechanis- Wirkung hat vorwiegend einen legitimierenden Charakter, in- men eingefärbt sind. Die Kunsttheorie sollte sich — im Ide- dem z.B. Kuratoren ihre Ausstellungsprojekte mit Theorie-Ver- alfall — hierdurch nicht beeinflussen lassen, sondern ihre be- satzstücken begründen: Auch die »kritischsten« Positionen erzeu- grifflichen Entwicklungen unabhängig voranbringen, doch ge- gen innerhalb der Kunstfeld-Hermetik Effekte, die hochgradig nau hier besteht die aktuelle Problemlage. Wir haben es in unse- repräsentativen Charakter­ haben. rer Zeit mit einer weitgehenden Vermengung von Kunstkritik Zeitgenössische Kunst setzt sich zum Teil der neoliberalen und Kunstmarkt zu tun, die dem Umstand geschuldet ist, dass Immanenz nicht nur aus, sondern geht mit dieser häufig kon- sich die Kunst in einem mittlerweile recht hermetischen Feld be- form und konterkariert damit das, was die künstlerische bzw. äs- wegt, in dem eine überschaubare Anzahl an Sammlern, Kurato- thetische Mentalität eigentlich ausmacht: Ihr Insistieren auf das ren, Kritikern und Theoretikern die Regeln bestimmen und da- Potenzial von Freiheit, das Erreichen von Freiheitsgraden durch mit auch den Gang der Kunst nachhaltig beeinflussen. Weder das differenzielle Denk- und Gestaltungsformen. Einerseits bringt Kunstsystem ist wirklich autonom, noch seine Subsysteme. Der Kunst Andersheiten gegenüber rein zweckrationalen Produktio- Grad seiner ökonomischen Durchdringung ist so weit fortge- nen hervor, andererseits ist sie seit der Moderne damit beschäf- schritten, dass auch Kritik diesen nicht-künstlerischen Interes- tigt, ständig Differenz zu sich selbst zu erzeugen und neue »Pro- sen dienen muss, wenn sie überhaupt zum Zuge kommen will. gramme« zu entwickeln. Es liegt der Gedanke nahe, dass Kunst zum differenziellen Faktor werden kann, was ihr tatsächlich öfters gelungen ist, um die gesellschaftliche Repräsentation des Sinns zu perforieren. Doch diese Funktion hat sich in der heuti- gen Medien-Gesellschaft verwandelt. Der Störfaktor ist selbst zum disziplinierenden Mainstream-Phänomen geworden. Alles, was im Kunstfeld sichtbar wird, ist in das System integriert. sich mit immer neuen Abhängigkeiten auseinandersetzen müs- SCHREIBWERKSTATT Alle autonomen Zonen sind entweder im Mainstream aufgegan- sen und — pointiert ausgedrückt — zum unwichtigsten Faktor gen oder sie existieren in den Vorstellungen und Diskursen derer, der Kunstproduktion geworden sind, denn auch hier scheint die die heutige Gegenwartskunst verwalten, nicht als »avancier- mittlerweile am Anfang aller Werke das Wort zu stehen. MICHAEL REBHAHN te« Kunst und werden dem entsprechend abgewertet, z.B. dem Heute können die Agenten des Kunstsystems im eigenen ZUM ADJEKTIV VERURTEILT? Kunstgewerbe zugerechnet. Objektive Kriterien für das Passende Feld so autokratisch regieren, wie es ansonsten nur Angehörige bzw. Unpassende gibt es jedoch nicht; die Sortierung hängt viel- mafioser Clans vermögen. Darüber hinaus können sie sich gleich- mehr an Interessen und kunsttheoretischen Neigungen. zeitig als »avantgardistisch« wähnen, weil nur sie bestimmen, was Der Kultur des »Fakes« sind durch diese Situation Tür und im Kunstsystem als avancierte Kunst angesehen werden kann. Tor geöffnet. Man kann das als eine coole Logik der Kunstent- Hier hat das kunstsoziologische Denken Niklas Luhmanns einen wicklung betrachten, es ist aber gleichzeitig auch ein Problem für Effekt gezeitigt, den es vermutlich nicht intendiert hatte. Der die Fortsetzbarkeit von Kunst, die heute weniger durch das Ver- Soziologe hatte in Die Kunst der Gesellschaft 7 das inzwischen ver- sickern des kreativen Potenzials als vielmehr durch die Politiken breitete Credo geprägt, dass die Bestimmung dessen, was Kunst einflussreicher Interessengruppen einseitig im Sinne jeweils gän- ist, einzig dem Kunstsystem zu überlassen sei. — Ein folgenrei- giger Mainstreams gesteuert wird. ches Dogma, denn damit entscheiden nur die als »zugehörig« De- Die moderne und postmoderne Entgrenzung der Kunst finierten darüber, was Kunst ist bzw. sein könnte, womit eine ist stets doppelbödig gewesen. Adorno konstatierte am Anfang völlige Abhängigkeit von den so genannten »Profis« und ihren seiner Ästhetischen Theorie 6, dass das »Meer des nie Geahnten« — Spekulationen entstanden ist. Das Schreiben über Kunst erzeugt die nicht mehr begrenzten Gestaltungs- und Darstellungsmög- dann die Effekte, die im Sinne der Interessen von im Kunstfeld lichkeiten der Kunst seit dem 20. Jahrhundert — zu neuen Eng- dominanten Akteuren die jeweils gewünschte self-fullfil- m i c h a e L führungen der Kunst geführt hätten. Tatsächlich ist diese Ent- ling-prophecy verwirklichen. Es ist ein in sich hermetisches wicklung heute abgeschlossen: Alles kann zur Kunst werden, alle System entstanden, dass letztlich eine unabhängige kritische Be- Materialien, alle Vorstellungen können in eine künstlerische Ar- trachtung von Kunst eher als Ausnahmefall erscheinen lässt. Die r e b h a h n Z U M beit eingehen, entscheidend ist lediglich, dass eine Zuschreibung Kunst ist zum Spielball verdeckter Politiken geworden. Nur der von legitimierten Profis vorgenommen wird. Hierbei hat eine offene politische Diskurs kann dem etwas entgegensetzen, um merkwürdige Verkehrung der ästhetischen Autonomie stattge- verlorene Autonomie zurückzugewinnen, in dem Sinne, den Jac- ADJEKTIV VERURTEILT ? funden: Sie ist von den Künstlern und Werken auf die Lenker des ques Rancière wie folgt formuliert hat: »Damit die Kunst Kunst Kunstsystems übergegangen, die diese usurpierte Autonomie — ist, muss sie politisch sein […].«8 Um diese Anforderung an die eine Folge der totalen Ökonomisierung — dazu nutzen, Wert- Kunst im Zeitalter ihrer fortschreitenden Selbstreflexion erfül- Diese Töne sagen etwas Herrliches, schöpfung in eigener Sache vorzunehmen. Dabei werden sie von len zu können, ist aber wieder eines notwendig: das Schreiben aber ich weiSS nicht was. 1 denen unterstützt, die bislang eher skeptisch auf die Freiheitsgra- über Kunst. Wie auch dieser Aufsatz zeigt, ist für dieses Schrei- Ludwig Wittgenstein de der Kunst blickten: die Vertreter der Expertenkulturen, die ben eine ständige Selbstvergewisserung über seine Effekte und stets einsatzbereiten Diskurs-Produzenten. So nimmt es nicht Bedingungen erforderlich, insofern ist die subjektive Stimme wunder, dass seit den neunziger Jahren die Rolle der Kuratoren vonnöten, um die objektiven Gehalte in den Diskurs einsickern und Kunstkritiker immer stärker wurde, während die Künstler zu lassen. Literatur 1 Charles Baudelaire: »Wozu Kritik?«, in: Ders.: Sämtliche Wer­ ke/ Briefe, Bd. 1, München 1977, S. 196. 2 Ebd., S. 196. 3 alain Badiou: Dritter Entwurf eines Manifestes für den Affirmationismus, Berlin 2007. 4 George Dickie: The Art Circle: A Theory of Art, Chicago 1997, sowie Ders.: Art and Value, Malden/ Oxford 2001. 5 Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst, Frankfurt/Main 2001. 6 Theodor. W. Adorno: Ästhetische Theorie, Frankfurt/Main 1973. 7 Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/Main 1996. 8 Jacques Rancière: Ist Kunst widerständig?, Berlin 2008.

Die Verklärungen, Binsenweisheiten und Aperçus, wonach der verbale Zugriff aufs Musikalische eine Quadratur des Kreises versuche, sind mit der Geschichte des Sprechens und Schreibens über Musik untrennbar verbunden. Angefangen bei frühromantischen Lesarten, die die Tonkunst zur unübersetzbaren »Sprache der Engel« 2 erhoben, über die Trivialisierung der Musik als »universale Sprache«, die keiner Erläuterung bedürfe, bis hin zur lakonischen Einschätzung, die das Sprechen über Musik einem »Tanzen über Architektur«3 gleichstellt, gehört derlei Skepsis zum Kollektivbe- wusstsein — selbst noch in Sphären, in denen man erwartungsgemäß die dezidierte Widerlegung Pierangelo Maset (*1954 in Kassel), Studium Kunst/Visuelle Kommunikation, Philosophie, Anglistik und So- einer solchen Auffassung vermuten würde: in der Musikwissenschaft. So bezeichnet etwa Hans ziologie in Kassel, Göttingen, Berlin und Hamburg. Seit 2001 Professor für Kunst und ihre Vermittlung an Heinz Stuckenschmidt die Musik als eine »Materie, die eigentlich gar nicht beschrieben werden 4 5 der Universität Lüneburg. Seit 2006 Chefredakteur der Kulturzeitschrift DAS PLATEAU. 2007 Roman: »Laura kann« , Carl Dahlhaus spricht vom »unabweisbaren Gefühl, dass die Sprache unzulänglich bleibt« oder die Tücken der Kunst«, nominiert für den Deutschen Buchpreis. Zahlreiche Publikationen in den Berei- und Günter Kleinen stellt apodiktisch fest: »Musik ist, da sie kein Vokabular mit lexikalischer Be- 6 chen Kunst, Ästhetik, Kunstvermittlung. deutung hat, unübersetzbar.« In der Tat scheint der Blick auf die Praxis der historischen Musikwissenschaft dergleichen Beden- 40 41 ken zu bestätigen, denn zweifellos ist dort, wo der Zugriff auf den Gegenstand sich weder an quel- lenkundlichen Systematisierungen noch an der Reduktion auf handwerkliche Fakturen abarbeiten kann, die Sprachlosigkeit enorm. Umso erstaunlicher nimmt sich daher die Indifferenz aus, mit der spätestens nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Regression in Richtung eines materialfixierten Positivismus (vulgo: Stoffhuberei) vorangetrieben wurde; eine Entwicklung, die im Bereich der his- torischen und philologischen Wissenschaften beispiellos sein dürfte. Zum einen mit der obsessiven Konzentration auf die editorische Aufbereitung von Notentexten, zum anderen mit der Etablie- rung eines analytisch-methodischen Apparats, der die schiere Identifizierung innermusikalischer Sachverhalte zur Ultima ratio erklärt, hat sich die Musikologie isoliert: die gegenwärtigen Diskurs­ potenziale des Fachs könnten bescheidener kaum sein. Die Warnungen vor einer solchen Degeneration blieben allerdings keineswegs aus. So monierte Walter Wiora bereits 1970 den »Ersatz des Denkens durch Edieren« und stellte klar, dass »über das Ermitteln hinaus [...] die Musikwissenschaft Methoden des Begründens, Verstehens und Erklärens, Lässt man den Tonfall nicht weniger Kritiken, Rezensionen, Werkkommentare und Portraits auf kurz: des Denkens auszubauen«7 habe. Hans Heinrich Eggebrecht wiederum bemerkte im gleichen sich wirken, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Barthes’ düsteres Szenario in der Jahr, dass das Fach »in der Uferlosigkeit beliebiger Details endlose Fäden spinnt und der Gefahr Musikpublizistik seine Kreise gezogen hat und zu Höchstleitungen anspornt: dem Horror vacui erlegen ist, in unreflektierten Fragestellungen und Stoffbereichen im Schatten tradierter Motivatio- wird mit einer Sprache begegnet, die, mit beherztem Willen zum Euphemismus, als »blumig« zu nen geschäftig zu sein und in leerer Betriebsamkeit und Bürokratisierung Material zu häufen und bezeichnen wäre. zu verwalten.«8 »Tänzerische Petitessen mit dem sublimen Gout des Amateurhaften. Evokationen einer pro- Mahnungen dieser Art verhallten leider weitgehend ungehört, weshalb bis heute an musikwis- teushaft wandlungsfähigen Figur von harlekinesker Würde. Luftakte von lyrisierender Equilibris- senschaftlichen Instituten das Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, skrupulös nach Motiven, The- tik über bodenloser Tonalität. Luzide Lamenti, die ihre Materialschichten in ätherisch ziselierte men und Perioden zu suchen, Klauselpläne zu erstellen und Zwölftonreihen auszuspähen oder, was Gleitströme gießen. Am Ende bleiben Erinnerungsspuren — tastend, im geräuschhaft Unausge- den absurden Höhepunkt positivistischer Selbstreferenz markieren dürfte, Chiffren in Chiffren zu sprochenen haftend, obgleich von ephemeren Trauergesten angeweht: das Sfumato einer sich im übersetzen, indem Notentexte durch die Beigabe abenteuerlicher Gebilde aus Buchstaben und Zah- Verlieren findenden Linearität.« len »analysiert« werden. Der Verzicht auf eine Sprache, die einen veritablen Diskurs in Gang setzen Was wie eine Passage aus einem Lyrikband im Selbstverlag klingt, entstammt einem im Grunde könnte, erscheint hierbei nur folgerichtig: Wozu über etwas spekulieren, was sich so trefflich »ding- recht prosaischen Genre: die attributgesättigten Zeilen sind ein Patchwork aus Kritiken Neuer Mu- fest« machen lässt? sik, sämtlich renommierten deutschen Tageszeitungen entnommen und — zugegeben — vorsätz- Womöglich mag ein Musikforscher, der seine Berufung darin erkennt, die Liqueszenzen im lich aus dem Zusammenhang gerissen. Zum Adjektiv verurteilt? Es sieht ganz danach aus. Und ostfränkischen Choraldialekt zu explorieren oder der Funktion des verkürzten Dominantseptnon- mehr noch: Über die Vorliebe zur üppigen Prädikation hinaus bedienen sich allzu viele musikpub- akkords in den Streichquartetten Felix Draesekes nachzuspüren, eine solche Wissenschaftspraxis lizistische Arbeiten stilistischer Bizarrerien, die bisweilen Verunsicherung darüber entstehen las- nicht als defizitär erleben. Derjenige allerdings, der sein Berufsleben der publizistischen Betrach- sen, ob man es nun gerade mit einem seriösen Text oder mit einer virtuosen Persiflage zu tun hat. tung von Musik widmen möchte, der abseits akademischer Medien über Musik schreiben und spre- Zum Fundus gehören hier u.a. der Hang zu Alliterationen und angestaubten Qualitativen 15 oder chen will, wird rasch erkennen, dass der musikologische »Technikerjargon«9 sich allenfalls fürs das Bemühen um eine möglichst »originelle« Syntax; dazu kommt der Einsatz auratischer Begriffs- gelehrte Tuning der ein oder anderen Parenthese anbietet, ansonsten aber kaum hilfreich ist. Wäh- hülsen, in die sich letztlich jeder beliebige Inhalt pressen lässt. rend die methodisch-terminologischen Apparate anderer Geisteswissenschaften durchaus publizis- Vielleicht gelänge es ja, über die einschlägigen Schrullen und Nebelhaftigkeiten hinwegzuse- tisch adäquate »Nebenformen« zulassen 10, entziehen sich die tradierten Arbeitstechniken der Mu- hen, käme dem Genre »Musiktext« das gleiche Rezeptionsverhalten zu wie etwa einem Gourmet- sikwissenschaft weitgehend einer Anwendung außerhalb ihres angestammten Kontexts. reiseführer durch die Provence; wäre nicht ein wesentlicher Teil der Außenwahrnehmung einer Wie ist es indessen um jene Sprache bestellt, die Musik jenseits eines selbstbezüglichen Positi­ Kunstform an das Schreiben und Sprechen über Musik geknüpft. Insoweit erweist sich die Kontin- vismus, jenseits von Faktur und Historie zu fassen versucht? — »Wie stellt es nun die Sprache an, genz von Floskeln und Topoi, die eine diskursive Verständigung über den Gegenstand nachhaltig wenn sie die Musik interpretieren soll?«, fragt Roland Barthes in seinem Essay Die Rauheit der unterminieren, als besonders fatal — zumal dort, wo es nicht um die aus historischer Distanz erfol- Stimme und liefert die lakonische Antwort umgehend nach: »Anscheinend leider sehr schlecht.«11 gende Bespiegelung eines kanonisierten Repertoires geht, sondern um die Beurteilung und Darstel- Schuld daran sei die Neigung zum Adjektiv, jener »ärmsten sprachlichen Kategorie« 12, die im ver- lung einer gegenwärtigen, einer im Entstehen begriffenen Kunst. Eine poetisierende Indifferenz, balen Zugriff aufs Musikalische obligat scheint: »Das Adjektiv ist unvermeidlich: Diese Musik ist die Komponisten und Interpreten immerfort auf irgendwelchen »Gratwanderungen« antrifft oder dies, dieses Spiel ist jenes. Sobald wir eine Kunst zum Sujet (eines Artikels, eines Gesprächs) erheben, sie in »Grenzbereichen« verortet, wo sie wahlweise »Tiefenschichten ausloten«, »innere Räume er- bleibt uns vermutlich nichts anderes übrig, als sie zu prädikatisieren [...].« 13 Folgt man Barthes, ist schließen« oder »Hörgewohnheiten hinterfragen«, um mit solchem Tun am Ende »lyri­sierend- diese Zwangslage existenzieller Natur — lässt man die Attribute außen vor, drohe als Konsequenz equilibristische Sfumati« hervorzubringen, dürfte wohl kaum dazu beitragen, den Eindruck einer das Schweigen: »Sind wir zum Adjektiv verurteilt? Sind wir wirklich in diesem Dilemma gefangen: Kunst zu erwecken, deren Erleben einen nennenswerten Erfahrungszugewinn in Aussicht stellt. Prädikation oder Unsagbarkeit?«14 Die Antithese zur »angewandten Dichtkunst« besteht in einem Schreiben über Musik, das ex- plizit ästhetische Konzepte und Motivationen exploriert, das Sinnlichem mit Begrifflichem begeg- net, anstatt akustische Oberflächen verbal zu doppeln versucht oder sich per terminologischer Dut- zendware in die Vieldeutigkeit flüchtet. Herausgefordert von einer Gegenwartsmusik, deren Inno- vationsvermögen nicht länger in der Perpetuierung eines vermeintlichen »Materialfortschritts« bestehen kann, verwirkt ein sprachlicher Zugang, der sich mit Illustrierung bescheidet, seine Legi- timation. Mit Blick auf das von Harry Lehmann eingeführte Theoriemodell der »gehaltsästheti- schen Wende« 16, demgemäß die Überbietungslogik einer kontinuierlichen Materialdifferenzierung zugunsten einer Emphase des konzeptuellen Entwurfs suspendiert wird, gerät die metaphorische Prädikation des Hörbaren, die bloße »Nacherzählung« des sinnlichen Erlebnisses vollends trivial. Lehmann fordert daher eine Form der Reflexion über Kunst, die für die Kunst selbst konstitutiv ist — eine »immanente Kunstkritik«, deren Funktion darin besteht, ein Werk auf seine Welthaltig- keit hin zu befragen: »Der immanenten Kunstkritik geht es um die Erforschung möglicher Welt­ bezüge im Werk und nicht um eine direkte Beurteilung der jeweiligen Werke.«17 In diesem Sinne verlagert sich der Fokus von der Frage nach dem Wie der Faktur zum Wozu des 42 43 ästhetischen Gehalts eines Werkes — zur Frage nach dessen Signifikanz außerhalb eines esoteri- schen Bezugssystems. Die Konsequenz ist eine Form des Qualitätsurteils, wonach ein innovatives Kunstwerk ein solches ist, das sich begrifflich weiterführen lässt, das einer Verbalisierung jenseits wohlfeiler Attribuierungen standhält: »Nur die Kunst, die kritisierbar ist, ist gelungene Kunst.«18 Ein Schreiben über (Neue) Musik, das sein Sujet ernst nimmt, muss es sich demnach zur ersten Auf- gabe machen, die Potenziale dieser Kunst — das Angebot alternativer Wirklichkeitswahrnehmun- gen — diskursrelevant zu kommunizieren. Es gilt, »eine sprachliche Brücke aus dem Zentrum des kulturellen Selbstverständnisses hin zu dem exzentrischen Beobachtungsposten zu schlagen, den ein Kunstwerk konstruiert«.19 Eine solche »Brücke«, die den Gehalten des künstlerischen Entwurfs Rechnung trägt, bedarf der Etablierung präziser begrifflicher Instrumente, anhand derer die jeweils konstitutiven Bedeu- tungen und Referenzen eines Werkes versprachlicht werden können. Eine connaisseurhafte Pro- duktlyrik dürfte sich dabei kaum als tauglich erweisen; allenfalls in der Umwidmung ihrer Funk­ tion läge womöglich ihre Zukunftsfähigkeit: Während Floskelcluster der Couleur »subkutane Son- dierungen tönender Tiefenschichten« gegenwärtig noch den schaurigen Ritualen feuilletonisti- schen Brauchtums angehören, könnten sie im Zuge einer Revision musikpublizistischer Kommu- nikationsformen zu »Alarmcodes« avancieren, die unmissverständlich anzeigen, dass von einem Gegenstand die Rede ist, der — in puncto Welthaltigkeit — unbesorgt vernachlässigt werden kann.

Literatur 1 Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, § 610, Frankfurt/Main 1977, S. 251. 2 Vgl. Wilhelm Heinrich Wackenroder/Ludwig Tieck: Phantasien über die Kunst (1799), hrsg. von Wolfgang Nehring, Stuttgart 1994, S. 67. 3 »Talking about music is like dancing about architecture.« — Die Autorschaft des Satzes ist ungesichert; u.a. werden Laurie Anderson, William S. Borroughs, Elvis Costello, Steve Martin, Thelonius Monk und Frank Zappa als mögliche Urheber angeführt. 4 Hans Heinz Stucken- schmidt: »Was ist Musikkritik?«, in: Kritik — von wem/für wen/wie. Eine Selbstdarstellung deutscher Kritiker, hrsg. von Peter Hamm, München 31970, S. 79. 5 Carl Dahlhaus: Klassische und romantische Musikästhetik, Laaber 1988, S. 68. 6 Günter Kleinen: Zur Psychologie musikalischen Verhaltens, Frankfurt/Main 1975, S. 67. 7 Vgl. Walter Wiora: »Methodik der Musikwissenschaft«, in: Enzyklopädie der geisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden, 6. Lieferung: Methoden der Kunst- und Musikwissenschaft, München/Wien 1970, S. 97. 8 Hans Heinrich Eggebrecht: »Konzeptionen«, in: Bericht über den internationalen musikwissenschaftlichen Kongreß Bonn 1970, hrsg. von Carl Dahlhaus u.a., Kassel 1971, S. 649. 9 Dahlhaus: Klassische und romantische Musikästhetik, S. 69. 10 Beispielsweise ikonographische Methoden der Kunstgeschichte. 11 Roland Barthes: »Die Rauheit der Stimme« (1972), in: Ders.: Der entgegenkommende und der stump- fe Sinn. Kritische Essays III, Frankfurt/Main 1990, S. 269. 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd., S. 270. 15 Man denke z.B. an die Scheußlichkeiten »stupend« und »fulminant«, die abseits musikbezogener Texte wohl ein Recht auf Artenschutz geltend machen könnten. 16 Vgl. Harry Lehmann: »Avantgarde heute. Ein Theoriemodell der ästhetischen Moderne«, in: Musik & Ästhetik, Heft 38, Stuttgart 2006, S. 28ff. 17 Harry Lehmann: »Zehn Thesen zur Kunstkritik«, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Heft 714, Stuttgart 2008, S. 991. 18 Ebd. 19 Ebd.

Michael Rebhahn (*1972 in Seligenstadt am Main) studierte Musikwissen- schaft, Kunstgeschichte und Philosophie und wurde mit einer musikäs- thetischen Arbeit über John Cage promoviert. Er arbeitete in der Redakti- on der Neuen Zeitschrift für Musik, als Autor für 3sat-Kulturzeit und als

Lehrbeauftragter für Musikwissenschaft. 2007 leitete er die Redaktion für Neue Musik bei hr2-kultur. Zur Zeit lebt er als freier Musikpublizist und Kurator in Frankfurt am Main. Atelier 44 45 elektronik

ORm Finnendahl & björn gottstein vom sperrmüll in die schatzkammer

Vom Sperrmüll in die Schatzkammer

Orm Finnendahl im Gespräch mit Björn Gottstein über die Bedeutung der groSSen Studios und seinen eigenen Weg zur elektronischen Musik

Ich möchte mit dir vor allem über die Aufgabe und die Bedeu- Das liegt bei mir weit, weit zurück. Ich bin in einer Zeit groß ge- tung großer Studios sprechen, die ja seit einigen Jahren unter ei- worden, in der elektronische Musik noch nicht alltäglich war. nen gewissen Legitimitätsdruck geraten sind, vor allem infolge Früher habe ich meine jugendliche Technikbegeisterung immer schnellerer Rechner und leistungsfähigerer Software. Du bist für normal gehalten, aber jetzt merke ich, dass das keine Selbst- selbst Leiter eines Studios und entwickelst deine eigenen Werke verständlichkeit war. Meine Eltern haben eher Unterhaltungs- aber primär am Laptop, sodass du mit beiden Aspekten des Prob- musik gehört. Es gab da eine Platte von Emerson, Lake & Palmer, lems vertraut bist. Um deine Perspektive besser einordnen zu die ich immer und immer wieder gehört habe, nur weil ich die können, aber auch um einmal eine Biografie exemplarisch auf ih- Synthesizerklänge so erregend fand. Dann habe ich alte Radios re Elektrifizierung hin abzuhorchen, möchte ich zunächst über vom Sperrmüll präpariert und rückgekoppelt. Heute würde man deine musikalische Sozialisation und den Umgang mit elektroni- das einen No-Input-Mixer nennen. Die Radios haben irgend- schen Speichermedien sprechen. Wo liegen denn die Anfänge des wann angefangen zu pfeifen. Ich habe diese Klänge einfach ge- Interesses an elektronischen Klangerzeugern? mocht. Mit 14 habe ich mir dann einen Traum erfüllt und einen Korg MS 10 gekauft. Das war 1977. Und in dem Ort, wo ich ge- wohnt habe, war ich wahrscheinlich der einzige, der überhaupt einen Synthesizer besaß. Meine Vorbilder hießen damals Gene- sis und ich habe die Soli auf dem Synthesizer nachgespielt. Es war also nicht so, dass ...... du Avantgarde-Musik damit gemacht hättest. Überhaupt nicht. Null. Erst als ich die Platten von Brian Eno 46 Es gibt47 ja Gegenbeispiele. Bernd Alois Zimmermann begann, so- Dabei halte ich sein Stück Tratto für grandios. Aber tendenziell kennen lernte, habe ich dann auch mit Tonbandgeräten und Ta- bald er den Maschinen auch nur nahe kam, heftig an zu zittern, finde ich Stücke, die professionell produziert wurden und beson- pe-Loops gearbeitet. Das war schon sehr viel experimenteller offenbar aus Nervosität. Er war auf Techniker angewiesen. ders clean klingen, immer ein bisschen langweilig. Für mich war bzw. es kam uns damals so vor. Wahrscheinlich klang es wie eine das Studio einfach ein Ort, an dem Geräte standen, nach denen Mischung aus Tangerine Dream und Eno. Von zeitgenössischer ich Sehnsucht hatte, weil ich sie mir nie leisten konnte. Wie eine Musik hatte ich damals wirklich keine Ahnung. Ich bin erst im Schatzkammer oder das Paradies. Früher hatten nur die Kompo- Studium, mit 18, erstmals damit in Berührung gekommen, und sitionsprofessoren der HdK Zugang zum elektronischen Studio damals hat es mir nicht einmal besonders gefallen. Während der Berliner TU und keine Studenten. Das war eine der ersten meines musikwissenschaftlichen Studiums habe ich mich dann Änderungen, die Folkmar Hein Ende der Siebziger Jahre gegen aber mehr und mehr der klassischen Musik zugewandt. einigen Widerstand einführte. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass es keinen Sinn ergibt, wenn ich den Studiorechner einmal Und da hast du immer noch Musik gemacht? Ich bin damals wegen der Punk-Bewegung nach Berlin gezogen. pro Woche für eine halbe Stunde nutzen kann. Deshalb habe ich Punk und New Wave. Ich habe da auch gleich Kontakte geknüpft mir Mitte der Achtziger Jahre einen Apple II gekauft und habe und habe Musik gemacht und bin z.B. auf Samplern der Tödli- dann mit dem Programmieren angefangen. Nicht, dass man da- chen Doris zu hören. Ich hatte ein kleines Studio und einen Syn- mit Computermusik hätte machen konnte. thesizer und habe damit die verrücktesten Sachen gemacht. Aber dann habe ich angefangen, mich auf die Aufnahmeprüfung im Das Studio war also ein Ort, an dem sehr viel möglich war, aber Genau. Ich meine, ich habe als Kompositionsstudent dort meine Fach Komposition vorzubereiten. Und je mehr man sich dann unter extrem eingeschränkten Bedingungen. Stücke machen können. Einmal oder zweimal pro Woche hatte mit Komposition beschäftigt, desto mehr stellt man ganz viele ich da meinen Termin, aber ich habe immer das Bedürfnis gehabt, Dinge, die man vorher für selbstverständlich gehalten hat, infra- so etwas zu Hause zu haben, also einfach nicht fragen zu müssen ge. Das war für mich ein schmerzhafter Prozess, weil ich mit vie- und mich nicht an einem Terminkalender halten zu müssen. len Freunden einfach nicht mehr über Musik reden konnte. Gleichzeitig gab es immer eine Distanz zu meinen Kommilito- Konntest du denn zu Hause Musik machen? Hätte ich wohl gekonnt, habe ich aber nie getan. Meine Stücke nen an der Hochschule, weil ich das furchtbar bürgerlich fand habe ich dann doch im Studio realisiert. Zu Hause habe ich pro- und ich glaubte, dass sie viel von dem, was ich damals für »die grammiert. Ich habe Zwölftonreihen errechnen lassen, alle All- Welt« hielt, gar nicht gesehen hatten. Aber das hat jetzt mit elek- intervallreihen suchen lassen, Suchalgorithmen entwickelt und tronischer Musik erst mal nichts zu tun. mich ganz allgemein mit algorithmischen Kompositionsverfah- ren auseinandergesetzt und habe so Programmieren gelernt. Ich Na, es begleitet diese Erfahrung ja immerhin. Der erste Kontakt mit elektronischer Musik war ein Seminar im habe damals auch gar nicht so viel elektronische Musik gemacht. TU-Studio gleich zu Beginn meines Studiums. Da gab es eine 1985 ein Stück für Cello und Zuspiel, 1986 das Stück Jericho. Da Vorlesung, ich glaube über C-Music. Da habe ich eigentlich zum habe ich manchmal ein Jahr lang dran gearbeitet, weil ich ja nur ersten Mal gehört, was Computermusik ist und wie das Ganze ein- bis zweimal die Woche ins Studio konnte. Ich habe mich funktioniert und das war für mich ein sehr wichtiger Punkt. Ich damals eigentlich hauptsächlich dafür interessiert, wie man mit war nachts in der Clubszene unterwegs und tagsüber habe ich Instrumenten umgeht. Irgendwann kam dann MIDI. Und bei Musikwissenschaft studiert und mich gleichzeitig privat auf das meinem nächsten Stück habe ich den Computer verwendet, um Kompositionsstudium vorbereitet. Damals habe ich sehr viel klangliche Prozesse algorithmisch zu entwickeln und dann di- Musik gehört. rekt ein MIDI-Keyboard angesteuert, um diese abspielen zu las- sen. Erst dann bin ich ins Studio gegangen und habe das dort pro- Es geht ja auch darum, wie sich der Horizont entwickelt. Ich weiß noch, dass ich, als ich die Aufnahmeprüfung bestanden duziert. Die Sounds kamen von meinem billigen Roland-Teil. habe, sofort ins TU-Studio gegangen bin und damals Isabel Das war sehr low-tech. Ab Mitte der Neunzigerjahre bin ich nur Mundry mitgeschleppt habe, die in meinem Semester war. Da- noch ins Studio gegangen bin, um die Stücke abzumischen. mals wurde noch mit analogen Tonbändern gearbeitet, die von Hand geschnitten und montiert wurden. Folkmar Hein, der das Jetzt hast du ja ein eigenes Studio in Freiburg. Da habe ich einmal ein achtkanaliges Stück abgehört, ansonsten Studio damals leitete, hat den Komponisten einen Techniker zur nutze ich es für meine Arbeit nicht. Eigentlich mache ich meine Seite gestellt. Aber mit denen hat die Zusammenarbeit meist nicht Stücke, das mag jetzt blöd klingen, meist mit den eingebauten funktioniert, weil ich sehr genaue und eigene Vorstellungen hatte. Lautsprechern in meinem Laptop oder Kopfhörern. Meistens reicht mir das auch, denn wenn es dort gut klingt, kann ich rela- Du wolltest dir vielleicht auch nichts sagen lassen. Ich habe einfach extreme Klänge gesucht. Ich weiß noch, dass tiv sicher sein, dass es auf großen Lautsprechern auch gut klingt. ich mit meinem billigen Korg-Synthesizer damals Rauschen ge- Und dann gehe ich nur noch ins Studio, um zu verifizieren, dass filtert habe. Das klang sehr eigenartig und sehr fragil. Und dann da nicht irgendein Mist drauf ist, den ich auf den kleinen Laut- habe ich den sehr hochwertigen TU-Studio-Filter benutzt, aber sprechern nicht höre. Das empfehle ich allerdings nicht meinen der war superstabil, also nichts mehr mit Fragilität. Das war Studenten: So etwas sollte man eigentlich nur machen, wenn klanglich für mich völlig uninteressant. Und ich weiß noch, dass man jahrelange Erfahrung im Umgang mit großen Systemen ich meinen Synthesizer mit ins Studio gebracht habe und mich hatte und weiß, wie sich der Klang verändert, sonst kann das damals furchtbar gestritten habe, weil die Techniker meinten, es auch furchtbar schief gehen. sei doch das gleiche, und ich gesagt habe, dass da Welten zwi- schen lägen. Es hat lange gedauert, bis ich die ursprünglichen Aber als Professor einer Hochschule, der ein elektronisches Stu- Ich habe mir diese Frage sehr intensiv gestellt, als ich dort ange- Korg-Klänge habe verwenden dürfen. Und irgendwann hatte ich dio leitet, muss man sich schon fragen lassen, wozu das da ist. fangen habe. dann das Vertrauen erworben, dass ich dann auch die Studiogerä- te selbst bedienen durfte. Und ich finde das bis heute wichtig, Ich versuche mir gerade deinen Unterricht vorzustellen. Alle Im Prinzip ist es auch so. dass man als Komponist die Geräte selber in der Hand hat. bringen ihren Laptop mit und man sitzt dann im Kreis und alle arbeiten gemeinsam an ihren Computern? Das Studio ist nur noch ein Raum? Als ich das Studio übernommen habe, war genau das die Überle- 48 49 tenen Vorsicht, sind eher keine grundlegenden Innovationen — gung. Was ist eigentlich heutzutage noch ein Studio? Alles was zumal im Zusammenhang mit der ästhetischen Reflexion von ich gemacht habe, ist, das Studio leer zu räumen. Ich habe mit Elektronik — zu erwarten. Wenn ein Studio aber darauf ausge- meinem Anfangsetat hochwertige Beschallungslautsprecher ge- richtet ist, dass vor allem Komponisten mit solch traditionellen kauft, die überall hin verschoben werden können. Dann gibt es Vorstellungen dort arbeiten können, geht der innovative Aspekt einen sehr langen Tisch an der Wand und das Mischpult, aber das der Studios verloren. Unfreiwillig komisch oder vielmehr trau- wird nur genutzt, um Mikrofone anzuschließen, mit denen man rig wird es dann, wenn in Ermangelung ästhetischer Kriterien dann im Rechner aufnehmen kann bzw. um vom Rechner aus für den Umgang mit Elektronik die Verwendung von Verfahren, das Ausgangssignal auf die Lautsprecher zu routen. Dann gibt es die mitunter seit Jahrzehnten in der elektronischen Musik oder einen zweiten Tisch mit zwei Bildschirmen und eine fest instal- sogar der Popmusik gebräuchlich sind, als das Nonplusultra und lierte Projektionsleinwand mit Beamer. Ansonsten ist das Studio ästhetisch wegweisend dargestellt wird. Dies sehe ich übrigens ein leerer Raum. Für mich gibt es eine Abstufung im Hinblick ganz unabhängig davon, dass es natürlich grundsätzlich begrü- auf die Brauchbarkeit des Studios. Es geht nur noch um das, was ßenswert und wichtig ist, dass auch Komponisten, die eher in der man zu Hause nicht haben kann, z.B. eine hochwertige Mehrka- Ensemble- und Orchestermusik zu Hause sind, im Studio arbei- nalabhöre. Ansonsten versuche ich einen möglichst nahtlosen ten können und es sind ja auch großartige Werke in den großen Übergang zwischen der Arbeit zu Hause und der Arbeit im Stu- Studios entstanden. dio zu schaffen. Es ist kein Produktionsstudio. Der Raum ist akustisch auch gar nicht gut aufbereitet, ich verstehe ihn zusam- Nono ist ein Paradebeispiel ...... oder Stockhausen. Das waren Glücksgriffe. Und es ist Musik, men mit den völlig überdimensionierten Beschallungslautspre- auf die ich auch nicht verzichten möchte. chern eher wie ein Übezimmer in der Hochschule, wo ein Flügel steht, der für den Raum vielleicht zu groß ist, aber der das Instru- ment ist, auf dem man nachher das Konzert auch spielt.

Glaubst du denn trotzdem, dass die großen Studios, nehmen wir Ich tendiere mehr und mehr dazu, das zu bejahen. Natürlich mal das Experimentalstudio in Freiburg, eine Existenzberechti- gibt es viele Gründe dafür, so ein Studio — zumindest in dieser gung haben? Form — abzuschaffen. Und vor zehn Jahren hätte ich diese Posi- tion auch noch entschieden vertreten. Aber die großen Studios Orm Finnendahl (*1963 in Düsseldorf) studierte Komposition und Musikwissenschaft bei Frank Michael Bey- begünstigen doch bestimmte Innovationen. er, Gösta Neuwirth und Carl Dahlhaus in Berlin sowie bei Helmut Lachenmann in Stuttgart. Er unterrichte- te u. a. am elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin und dem Institut für Neue Musik der Mehr als das die Gerätehersteller tun oder eine Softwarefirma Natürlich. Eine Software wie Ableton Live ist in ihren Anwen- Universität der Künste Berlin, deren Leiter er von 1996 bis 2001 war. In den Jahren 2000 bis 2004 übte er eine wie Ableton? dungsmöglichkeiten äußerst begrenzt. Wo haben denn die gro- Lehrtätigkeit am Institut für Computermusik und elektronische Medien (ICEM) der Folkwang-Hochschule in ßen Innovationen stattgefunden? Das waren in Frankreich die Essen aus. Seit 2004 hat Finnendahl eine Professur für Komposition und die Leitung des Studios für elekt- staatlich geförderten Stellen, GRM, IRCAM und UPIC. Und es ronische Musik an der Musikhochschule Freiburg inne. waren die amerikanischen Universitäten. Das Experimentalstu- Björn Gottstein (*1967 in Aachen) studierte Musikwissenschaft, Germanistik und Volkswirtschaft in Köln. dio in Freiburg hat sich beispielsweise eigene Mischpulte bzw. Seine Arbeitssschwerpunkte sind die Musik der Avantgarde und die elektronische Musik. Er moderiert beim sehr hochwertige Controller bauen lassen, und das finde ich na- WDR und realisiert Musikfeatures für den BR, den SWR, den HR und Deutschlandradio Kultur. Er ist als Kriti- türlich erst einmal gut. Problematisch wird es in meinen Augen, ker für die taz tätig und veröffentlicht Fachtexte und Rezensionen u.a. in der Neuen Zeitschrift für Musik, wenn die Nutzung dieser Geräte dazu führt, dass Stücke nur noch den MusikTexten und den Positionen. dort realisiert werden können und zumeist gar nicht mehr auf- führbar sind, wenn die Studios oder die Geräte nicht mehr exis- tieren. Das ist die Achillesferse einer solchen Einrichtung.

Das hat natürlich etwas von Klassenkampf. Man schirmt sich ab Ich hatte schon immer große Probleme damit, wenn Studios den gegen den Pöbel und die breite Masse, indem man diese Art der Zugang limitieren. Damals, als es nicht anders ging, konnte ich es Distinktion schafft. noch akzeptieren. Aber wenn diese Exklusivität heute forciert wird, obwohl sie eigentlich nicht notwendig wäre, dann ist das genau das Gegenteil von dem, was ich mir eigentlich wünsche. Ich finde, auch aus kompositorischer Sicht, die Arbeit ander Software viel interessanter, als sich auf eine spezifische Hardware zu fixieren. Ein Programm wie PD ist kostenlos, flexibel und es steht jedem zur Verfügung. Das Problem mit elektronischer Mu- sik und den großen Studios ist aber allgemeiner und eigentlich grundsätzlicher Natur. Die Instanzen, die festlegen, wer ein ernst zu nehmender Komponist ist, gehen nach sehr traditionellen Maßgaben vor. Die Verlage nehmen darauf Einfluss, und die möchten Partituren verkaufen. Die Rundfunkanstalten möchten ihre Orchester beschäftigen. Das heißt, es müssen Partituren ge- schrieben werden. Und die Komponisten, die das können, wer- den bekannt. Auch wenn es natürlich nicht bedeutet, dass es schlechte Komponisten sind, ist es doch ein sehr eingefahrenes Spiel. Und von solchen Komponisten, ich sage das mit der gebo- ENSEMBLE 50 51 scheint sich im Gegenteil immer weiter zu diversifizieren: Bei einigen Ensembles begründet 2010 nicht bestehendes Repertoire die Wahl ihrer Kernbesetzung, sondern das Interesse an einer bestimmten Klanglichkeit, für die neue Kompositionen angeregt werden sollen. SYLVIA FREYDANK In den letzten Jahren sind zahlreiche junge, profilierte Ensembles für Neue Musik interna- tional in Erscheinung getreten: Einige von ihnen wie Asamisimasa (gegr. 2002, Oslo), Nadar En- semble (gegr. 2006, Gent), ICE (gegr. 2001, New York und Chicago), Jack Quartet (New York), En­ semble Nikel (gegr. 2006, Tel Aviv) und Ensemble Cairn (gegr. 1997, Montreuil) werden erstmals bei den Internationalen Ferienkursen zu Gast sein und ihre Arbeit in Konzerten vorstellen. Zugleich werden sie sich mit einigen bereits fest etablierten Ensembles wie Ictus, dem Arditti Quartett und ensemble recherche in einen engen Dialog begeben um von deren Erfahrungen zu profitieren sowie gemeinsame Projekte zu realisieren. Die gastierenden Ensembles werden neben ihren Konzerten auch in andere Bereiche der Ferienkurse hineinwirken: Jedes dieser Ensembles hat Werke von KursteilnehmerInnen für eine offene Reading Session ausgewählt: konzentrierte Leseproben in informellem Rahmen. In diesem Arbeitslabor geht es weniger um aufführungsreife Darbietungen als um eine — hof- fentlich — fruchtbare Arbeitssituation mit Feedback von den Ensembles und Austausch zwi- schen allen Beteiligten. In Ergänzung der Kompositions- und Interpretationsklassen bei den Ferienkursen bietet das Projekt ENSEMBLE 2010 erstmalig auf breiter Basis Ausbildungsinhalte an, die auf die SYLVIA FREYDANK Arbeit von jungen Ensembles für Neue Musik zugeschnitten sind. Verfolgt wird ein integraler Ansatz, bei dem Fragen der Interpretation, Technik, Ästhetik, Aufführungspraxis usw. zusam- ENSEMBLE 2010 menfließen und von unterschiedlichen Beteiligten (Musikern, Komponisten, Dirigenten, Mentoren) reflektiert werden. Die angestrebte Vernetzung der verschiedenen Projektbereiche soll allen Mit ENSEMBLE 2010 steht bei den diesjährigen Ferienkursen ein modular beteiligten Musikern und Ensembles einen intensiven Erfahrungsaustausch über interpretato- gedachtes und nach verschiedenen Seiten durchlässiges Projekt im Zen- risch-ästhetische, aber auch praktisch-administrative Felder der Ensemblearbeit ermöglichen. trum. Es trägt der Entwicklung Rechnung, dass die Variabilität von Spe- Aus einem »Call for Young Ensembles«, der für alle Besetzungen offen war, wurden sieben zialensembles ein immer wichtigerer Faktor für nahezu alle Bereiche Formationen für die Teilnahme an den Ferienkursen ausgewählt: Omnibus Ensemble (Tasch- der Neuen Musik wird. kent, Usbekistan), Ensemble Nostri Temporis (Kiew, Ukraine), Ensemble Modelo62 (Den Haag, Nie- derlande), Ensemble Interface (Frankfurt/Main, Deutschland), Ensemble Dal Niente (Chicago, USA), In vielen Städten sind sie der Motor für eine lebendige Auseinandersetzung mit heutiger Mu- sonic.art Saxophonquartett (Berlin, Deutschland), Fathom String Trio (Freiburg, Deutschland). sik. Sie veranstalten Konzertreihen, initiieren Vermittlungsprojekte, geben ihre Erfahrung Jedes dieser jungen Ensembles präsentiert in Darmstadt ein Konzertprogramm mit eigenem anderen Musikern weiter und sind nicht zuletzt Partner der Komponisten bei der Entwick- Repertoire sowie Werken junger Komponisten aus einem eigens ausgelobten »Call for Scores«. lung neuer Projekte. Allein in Deutschland sind laut Website des Deutschen Musikinformati- Dabei bekommen sie die Gelegenheit, über einen längeren Zeitraum mit einem Team von onszentrums (www.miz.org) derzeit um die 200 Ensembles mit Schwerpunkt Neue Musik aktiv. Mentoren — Komponisten, Dirigenten und erfahrenen Ensemblemusikern — und anderen Ihre flexiblen Organisationsformen sowie ihre ebenso flexiblen Besetzungen mit hoch spezia- Ensembles zu arbeiten, Ergebnisse in offenen Proben vorzustellen und zu diskutieren. lisierten Musikern sichern einerseits qualitätvolle Aufführungen von bestehendem Repertoire Besonderen Herausforderungen stellen sich die Stipendienpreisträger der Ferienkurse 2008: und geben andererseits entscheidende Impulse für die Entstehung von neuem. In unterschiedlichen Formationen erarbeiten die Musiker neu komponierte Werke der vier Anliegen von ENSEMBLE 2010 ist es, während der zweiwöchigen Internationalen Ferien- Kompositionsstipendiaten Joan Arnau Pàmies, David Brynjar Franzson, Clinton McCallum kurse eine inspirierende und nachhaltige Arbeitssituation für Ensembles zu schaffen und eine und Bruno Ruviaro. Für diese bestand die Herausforderung darin, mit klaren Besetzungsvor- praxisorientierte Diskussion grundlegender Fragen heutiger Ensemblearbeit sowie Zugangs- gaben umzugehen. Aus der Zusammensetzung der Instrumentalstipendiaten wurden drei cha- und Schreibweisen der Ensemblekomposition anzuregen. Dabei sollen in verschiedenen Pro- rakteristische Problemstellungen herausgearbeitet: Joan Arnau Pàmies komponierte für eine jektmodulen möglichst viele Problemstellungen aufgegriffen werden. Beteiligt sind Ensemb- Besetzung, die an ein Schlüsselwerk der Ensembleliteratur, Boulez’ Le Marteau sans maître, les mit ganz verschiedenen Profilen, regionaler Prägung und unterschiedlich ausgeprägter In- angelehnt ist. Clinton McCallums neues Werk für Saxophon, Schlagzeug und Gitarre widmet stitutionalisierung: Ensembles, die gerade erst gegründet wurden oder am Anfang ihrer Karri- sich einer Besetzung, die eher mit dem Jazz in Verbindung gebracht wird. Losgelöst von ere stehen sowie solche, die bereits international wahrgenommen werden bis hin zu den erfah- solchen Bezugnahmen auf Besetzungstypen ist Bruno Ruviaros Komposition für Schlagzeug, renen, fest etablierten Ensembles für Neue Musik. Hinzu kommen außerdem lockere Formati- Viola und Violoncello. onen von Preisträgern, die nur für jeweils ein Stück zusammenarbeiten. Aus all diesen verschiedenen Konfigurationen unterschiedlicher Akteure, Perspektiven und Als erste Schlüsselwerke für die Ensemblemusik werden häufig Schönbergs Kammersympho- Fragestellungen ergibt sich ein überaus reiches Projektnetzwerk, dass die Vielseitigkeit der nie op. 9 (1906) und Pierrot lunaire (1912) sowie Strawinskys L’Histoire du Soldat (1918) genannt, Ensemblearbeit spiegelt, und das auch über die Dauer der Ferienkurse hinaus nachhaltige die Geschichte fester, solistisch besetzter Spezialensembles begann erst etwa 50 Jahre später. Wirkung entfalten kann. Unterschiedliche Motivationen stehen im Hintergrund, anfangs vor allem die Notwendigkeit, neue Werke in qualitätvollen Aufführungen bekannt zu machen — so etwa beim Pariser Do- maine musicale (1954–1964) oder beim 1958 gegründeten Ensemble Die Reihe in Wien. Daran anschließend gründeten sich zahlreiche weitere namhafte Ensembles, die mittlerweile in ho- hem Maße institutionalisiert sind: 1965 Asko Ensemble, 1968 London Sinfonietta, 1974 Schön- berg Ensemble und Arditti String Quartet, 1976 Ensemble InterContemporain, 1980 Ensemble Modern, 1985 Klangforum Wien und ensemble recherche, 1987 Kammerensemble Neue Musik Berlin, 1990 musikFabrik, 1993 Studio für Neue Musik Moskau, 1994 Ictus und viele weitere. Bei den meisten Ensembles gibt es eine Kernbesetzung, die je nach Projekt durch weitere Mu- siker erweitert werden kann. Feste Besetzungskonventionen lassen sich bisher weder im Re- pertoire noch in der Zusammensetzung der Ensembles ausmachen. Die Ensemblelandschaft ENSEMBLE 52 53 2010

TOMI MÄKELÄ der klang der gesellschaft

TOMI MÄKELÄ d e r K L a n g d e r g e s e LL s c h a f t s e i t » PIERROT LUNAIRE«

Wechselwirkungen zwischen Mentalität, Ensemble- formation und kompositorischer Produktion

Die vorherrschende oder als Neuheit markante Ensemblekultur einer Ära bildet sich nicht zufällig. Ihre ästhetischen und semantisch-soziologischen Implikationen fordern die Musikwissenschaft he- raus. Allein die Frage, inwieweit auch andere Werke als Arnold Schönbergs Pierrot lunaire (1912) sich auf die Avantgarde (auch über die Kammermusik hinaus) ausgewirkt haben, verdient eine Klärung, ähn- lich wie die Frage, was die mit diesem Stück assoziierte Öffnung der Besetzungsnormen bedeutet. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht vom innovativen Potenzial einer anderen »Aufführungs- praxis« bis hin zur »Gängelung« der Produktion durch einen eng gesetzten Auftragsrahmen.1 Nicht jeder Komponist hat die Kraft, den gegebenen Rahmen zu sprengen, um vielleicht gerade durch diesen Gewaltakt in kreative Ekstase versetzt zu werden. Sogar die Urheberschaft bröckelt, wenn das Ensemble als Auftraggeber dem Komponisten wesentliche Dinge diktiert. Die Individuation der neuen Ensemblekultur (leichter als bei traditionsreichen Genres) kann zu »geteilter Autorschaft« führen.2 Ob eine Übersättigung des Ensemblesektors bereits erreicht oder die Suche nach neuen Spe­ zialformationen jenseits der sukzessiven Verfeinerung und Perfektionierung der Aufführungs­ standards sinnvoll ist 3, könnte auch die Markt- und Zukunftswissenschaften interessieren. Der tiefere »Sinn« hängt vom sozialen Auftrag der Kunst ab, den die Künstler definieren. Die akademi- sche Ästhetik sollte nicht von sich aus um Dogmen bemüht sein, das erkannte schon Carl Dahl- haus: »Die Ambiguität ist in der Ästhetik, im Unterschied zur Logik, eine legitime Eigenschaft, kein störender Mangel.«4 Die Hölle, die rechtsseitige Tafel in Hieronymus Boschs Garten der Lüste (vor 1500), denunziert die aus der Sicht des Malers (oder vielleicht sogar eher seines Auftraggebers) fragwürdigen Spalt- klänge der mondänen Praxis. Verdammte und Quälgeister bilden ein unkoordiniertes Ensemble aus Drehleier, Flöte, Zink, Bombardon, Sackpfeife, Trompete, Triangel, Trommel sowie einer virtu- ellen Laute mit eingebauter Harfe. Dazu wird gesungen. Wer um 1500 himmlisch musizierte, muss- te auf diese Charakteristik und Heterogenität verzichten. Was in der Kirche und Kunst lange Aus- nahme blieb, bildete sonst (in der traditionellen Musik etwa) eher die Norm: effektvolles Musizieren mit verschiedenen, von Aufführung zu Aufführung eigens gewählten Klangkörpern. Nach dreihundert Jahren mehrstimmig notierter Instrumentalmusik war die Zeit für die Emanzi- 54 55 pation des Charakteristischen reif. Nach dem Zweiten Weltkrieg schritt diese (als Reaktion auf eine Stagnationsphase nach etwa 1930) in großen Schritten fort. Bereits in der frühen Neuen Musik ging es aber um mehr als die Akzentuierung von Missklang oder die Darstellung der Hölle auf Erden, etwa des Teufels in Strawinskys Histoire du Soldat oder Pierrots melancholischen Wahnsinn. Die Klang- parameter, deren Individuation und Integration, waren für die Zusammensetzung des Spezialen- sembles maßgeblich. Ähnlich wie Haydns Quartett zum Labor der harmonieorientierten Techni- ken wuchs, waren die Ensembles bei Schönberg nicht zuletzt Modellbaukasten für die Arbeit mit Klängen und Linien. Das Spezialensemble übernahm in der Emanzipation der Klangpolyphonie, ungeachtet der Impulse aus der Orchestermusik (Gustav Mahler u.a.), eine Vorreiterrolle. Spannungen zwischen ungebändigtem Individualismus (auch Anarchie) und übermächtigen Kollektiven prägten das 20. Jahrhundert von Anfang an. Ähnlich wie Georg Lukács die Entwick- lung des Solokonzerts mit der Entstehung des Heldenromans verglich, können Analogien für die neue Ensemblekultur gefunden werden.5 Verschiedene Formen der Kammermusik propagieren entsprechend unterschiedliche Formen des Miteinanders. Gewagter ist es (wie sehr oft geschehen), das Spezialensemble (nicht nur das Kammerorchester) als ein Zeichen des Verfalls, als (u.a. aus finanzi- ellen Gründen) geschrumpftes Orchester, zu betrachten. Ob die neuen Satztechniken die Emanzipa- tion einer Besetzungspraxis bedingten oder neue Besetzungen die Komposition beeinflussten, ist von Fall zu Fall zu prüfen.6 Die Befreiung von Klängen und Linien, die mit der Entfaltung der Atonalität (als Prinzip der bedingungslosen Suche nach Zusammenhängen) einherging, intensivierte das kammermusikalische Denken in der Neuen Musik nachhaltig. Wenn sich für die 60 Blätter für Streichtrio (1992) wünscht, »die Spieler könnten sich in die Verfassung von ›vor-sich-hin-spielenden‹ Musikern versetzen, mal weniger voneinander entfernen, aber zwischendurch (auch rhythmisch, Das Interesse für Spezialensembles kommt in allen Stilrichtungen vor. Die integrative Kraft des 7 im Ausdruck) zusammenkommen« , geht es um eine spielerische Heterophonie — wie 1920 (wenn- offenen Prinzips reicht weit. Innovationen jenseits des abendländischen Instrumentariums sind gleich ironisch) bei Arthur Bliss in Conversations für Flöte, Oboe, Violine, Viola und Violoncello, nicht selten: ungewöhnliche Instrumenten der Volksmusik (Hackbrett bei Strawinsky, »thunder insbesondere im wilden Finale Committee meeting. Nicht die Ideen des Tonsatzes, sondern Analogi- sticks« in Henry Cowells Ensemble von 1923) genauso wie Sirenen und Ondes Martenot. Nicht alle ha- en zum kommunikativen Handeln beeinflussen hier die Formfindung. ben die Gefahr des Klangfetischismus ernstgenommen. Carl Dahlhaus’ kritische Anmerkung zu Wie würden wir allerdings über das Thema sprechen, wenn es keinen Pierrot lunaire gäbe? Als Hector Berlioz’ Tonsatz lässt sich daher (leider) auf etliche Spezialensemblewerke übertragen: »Die Harrison Birtwistle und andere 1965 The Pierrot Players gründeten, ging es um Aufführungen die- Abhängigkeit des Tonsatzes von der Instrumentation zeigt sich umso krasser, je ungewöhnlicher, ses Stückes (später wurden sie The Fires of London genannt), und auch das Pierrot Lunaire Ensemble also auffälliger die Instrumentation und je ungefestigter und darum strukturell schwächer die Har- Wien ist kein spezielles Schönberg-Ensemble. Wenn der Begriff »Pierrot-Ensemble« für Flöte, Kla- monik ist.«13 »Donnerstöcke« gibt es in der 1956er-Version von Cowells Ensemble nicht. Gleichwohl rinette, Violine, Violoncello und Klavier über diese Gruppen hinaus als Gattungsbegriff benutzt ist auch die »Gefestigtheit« der Harmonik kein absolutes Kriterium der Ästhetik. wird, wirkt die Pierrot-Besetzung fast »gängelnd«. Freilich wäre dann auch Haydns Streichquartet- Ein Unterschied zwischen den Ensemblekulturen um 1920 und 1950 ist der im Laufe der Jahre te zu kritisieren, weil sie zur Bildung einer Konvention, einer Schablone für unzählige Gründun- abgenommene Widerstand und Einfluss der alten Gattungstraditionen. Nur auf den Konzertbüh- gen, beitrugen (was ja absurd wäre). Meisterwerke wirken nun Mal autoritär. nen gab es um 1950 noch immer mehr Streichquartette als Spezialensembles. Die Idee von typischer Klangfarbendifferenzierung, die auf die direkte ästhetische Wirkung der diskursiven Superpo- »Nachkriegskunst« — »Y-a-t-il une musique d’›Après-guerre‹?«14 — lenkt von den Unterschieden sitionierung hinzielt und dabei in der Präzision weit über frühere Errungenschaften hinausgeht, ab. Möglich ist jedoch, dass zumindest in den im Krieg unterlegenen Regionen eine künstlerische 8 wurde unterschiedlich erklärt und gewertet. Begriffe wie Guido Adlers (pejorative) »Polyodie« und Individuation und Gemeinschaftsbildung (Gruppe 47, Darmstadt usw.) ausgelöst wurde, die der En- Johannes Thilmans an Ernst Kurth angelehnte »Polylinearität«9 deuten auf etwas hin, was im her- semblekultur zumindest ähnelt. kömmlichen Kontrapunkt in der Tat nebensächlich ist. Das klangfarbliche Principium individua- Die delikate Frage, inwieweit gesellschaftliche Prozesse formal-musikalische Konsequenzen tionis sowie die übergeordnete dramaturgische Konsequenz der Stimmführung in vielen Komposi- sogar nach sich ziehen, wagte Hermann Erpf 1922: 15 »Jeder geschlossene Abschnitt der Musikge- tionen machten die Hörer auf etwas aufmerksam, was mit der Idee des »reinen Satzes« nicht zu er- schichte steht unter dem Einfluss eines bestimmten Klangideals, eines Klanginstruments, das als klären war — auch nicht mit Robert Mayrhofers Satz: »Jede Melodie ist die nachzeitige Darstellung führend angesehen wird, das nach Kräften vervollkommnet wird und dessen Klangcharakter und einer Harmonie.«10 Ausdrucksmöglichkeit allen anderen zum Vorbild dient. […] Die Zeit des Individuums und seines Die für viele prominente Künstler seit Bach und durchaus auch in der Neuen Musik für Spezi- Gegensatzes, der Masse, ist vorbei. Die gesellschaftliche Ordnung ist anders geworden: nicht mehr alensembles typische Gratwanderung zwischen Heterophonie und Polyphonie (mit vielen Schwan- Individualismus, […] sondern Gruppenbildung, Gemeinschaften Gleichgesinnter, Vereinigungen kungen) war nach 1910 auch Ausdruck der Ablösung des klassizistisch-romantischen Stiles durch ein Suk- Gleichstrebender sind ihre Bausteine.« 11 zessivdenken (nach dem Vorbild älterer Mehrstimmigkeit, wie es vielfach erklärt wurde ), aber sie drück- Hermann Scherchen konkretisierte ein Vierteljahrhundert später Erpfs Ideen: »Die Vollen- te auch das Bedürfnis nach einem differenzierten Klangempfinden aus, das angesichts des »musika- dung des polyphonen Stils ist die Vollendung eines Gesellschaftsideals. Nie ist ein Bild gleich hoher lischen Mammutismus« und »Gigantentums«!2 um 1900 plausibel war. Diese Tradition brach den- Sozietät vor den Menschen gestellt worden als in dem sechsstimmigen Ricercare des ›Musikali- noch nicht ab, dafür sorgten die Nachkriegssymphoniker. Protest gegen Überschäumung des Klan- schen Opfers‹.«16 Zumindest aus der Sicht des Jahres 1922 folgte die Verschiebung des Kontrastes ges war und ist wohl auch zukünftig möglich. Heute findet das orchestrale Titanentum u.a. in Par- von Masse und Individuum sowie (deutlich nachhaltiger) die Bildung Gruppierungen aus »Gleich- tituren von Magnus Lindberg ein farbenfreudiges Gesicht. Unvermeidbar ist die Größe, wenn Be- strebenden« dem Zusammenbruch der Kaiserreiche, aber das Ideal war nicht wirklich neu. setzung Programm wird. Georg Katzers D-Dur-Maschine von 1974 würde mit einem Pierrot-Ensem- Heute würde Erpf anstatt »geschlossener Abschnitt« gewiss »offene Stränge der Musikgeschichte« ble erst gar nicht anlaufen — genau so wie Amériques eine andere Besetzung benötigt als Ionisation, formulieren; am Kern seines Gedankens würde das nichts ändern. Die neue Gemeinschaftlichkeit Tapiola ein anderes als Voces intimae oder Taras Bulba ein anderes als Intime Briefe. bedingte die Entwicklung einer »instrumentalen Gruppenmusik«. Inwiefern die der Entwicklung der Orchestermusik im modernen Sinne vorausgehende Ensemblemusik — Ernst Hermann Meyer zufolge insbesondere in England 17 — Vergleiche zwischen Gesellschaftsidealen im England des frühen 17. Jahrhunderts und beispielsweise Deutschland nach dem ersten Weltkrieg motiviert, bleibt an dieser Stelle offen. Welches »Gesellschaftsideal« war es, dessen »Vollendung« Bachs Polyphonie darstellt?18 Kann es 56 57 das gleiche gewesen sein, das sich in Schönbergs »Wunsch«, »jeder Stimme eine Farbe zu geben, die sich neben jeder anderen mitwirkenden zu behaupten vermag« — oder womöglich bereits in Pier- rot lunaire — niederschlug?19 Viele Kritiker vermissten die sofort hörbare Ordnung und attackier- ten die Individuation, die Bachs harmoniesüchtige Fugen radikal überbietet, schonungslos. Natür- lich geht um zwei grundverschiedene Gesellschaften: 1) um eine, in der die Einigkeit nicht gefähr- det wird (eine anspruchsvolle Konsensgesellschaft, dessen Modell Bach ist, aber mit der gerade Schön- berg gewiss nicht im offenen Konflikt steht — schon eher der junge Paul Dessau mit seinem Concertino für Violine, Klarinette und Horn von 1924); 2) um eine andere, in der das Individuum »selbstherrlich«, »rücksichtslos« und ohne »regelrechte Führung« wirkt — so Guido Adler (unangemessen) zu Schön- berg.20 In der Letzteren bewegt sich das Individuum mit solcher Freiheit, dass es den Eindruck er- weckt, sich selbst zu genügen, ohne dem Rechnung zu tragen, was um es herum geschieht. Bevor eine Stimme in diesem Sinne ein anarchisches Selbst wird, bedarf es in der Tat mehr als einer freien Besetzung: einer raffinierten Integration und Individuation.21 Wer die Gesellschaftsideale hinter den Ensembleklängen bei König Jakob in England, Bach, Dessau oder Gottfried Michael Koenig vergleichen will, benötigt raffinierte Analysetechniken. Die Schwierigkeit des positiven Nachwei- ses bedeutet jedoch nicht, dass Erpf und Scherchen Unrecht hatten. Die Möglichkeit, dass die Epo- chen sich ihre Klangideale und dementsprechend ihre Besetzungskonventionen selbst schaffen, ist aufregend. Was heute »Soziologie musikalischer Gattungen« heißt,22 wäre bald ein Angebot im Po- litologiestudium.

Literatur 1 Elaboriert werden Michael Rebhahns Ideen, mit denen er im März 2010 das Ziel des in Auftrag gegebenen Essays setzte. Der Autor dankt für wertvolle Anregungen. 2 Diesem Problem widmet sich gegenwärtig ein Forschungsprojekt der Wihuri-Stiftung unter der Leitung des Autors. 3 Vgl. Anm. 1. 4 Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität, Kassel 1988 (1967), S. 273. 5 Vgl. Ferenc Fehér: »Is the Novel Problematic? A Contribution to the Theory of the Novel«, in: Reconstructing Aesthetics of the Budapest School, hrsg. von Agnes Heller und Ferenc Féher, Oxford 1986, S. 23–59. 6 Siehe Tomi Mäkelä, Klang und Linie von Pierrot lunai- re bis Ionisation. Studien zur Wechselwirkung von Spezialensemble, Formbildung und Klangfarbenpolyphonie, Frankfurt/Main 2004, S. 20ff. 7 Vgl. Oliver Schneller: »Klangschicht und Zeitharmonik. Begegnung mit dem Komponisten Gottfried Michael Koenig«, in: Programmheft für das 3. Magdeburgische Concert, Magdeburg 2003, S. 5. 8 Der Stil in der Musik, Leipzig 1911, S. 253f. 9 Probleme der neuen Polyphonie, Dresden 1949, S. 57. 10 Der Kunstklang, Wien 1910, S. 104. 11 Vgl. Mosco Carner: Contemporary , Bd. 2, London 1942, S. 7f. 12 August Spanuth: »Musikalischer Mammutismus«, in: Signale für die musikalische Welt 8 (21.2.1912), S. 243–245. 13 »Zur Theorie der Instrumentation«, in: Die Musikforschung 38, 3 (Juli–September 1985), S. 162. 14 Jean Chantavoine: »Y-a-t-il une musique d’›Après-guerre‹?«, in: Le Courrier Musical 27, 4 (1924), S. 95f. 15 Entwicklungszüge in der zeitgenössischen Musik, Karlsruhe 1922, S. 17 und S. 28. 16 Vom Wesen der Musik, Zürich o. J. (1946), S. 81. 17 Die mehrstimmige Spielmusik des 17. Jahrhunderts in Nord- und Mitteleuropa, Kassel 1934, S. 16ff.: »harmonische Massenwirkungen« in Italien, »kammermäßiges Musizieren« und »Verfolgbarkeit der Einzelstimmen« in England. 18 Vgl. Scherchen: a.a.O., S. 81. 19 »Analyse der 4 Orchesterlieder op. 22« (1932), in: Stil und Gedanke. Aufsätze zur Musik. Gesammelte Schriften, Bd. 1, hrsg. von Ivan Vojte ˇch, München 1976, S. 299. 20 Adler: a.a.O., 253f. 21 Siehe ausführlich in Mäkelä: Klang und Linie. 22 So heißt ein der »Sozialgeschichte der Musik« untergeordneter BA-Baustein der Musikwissenschaft an der MLU Halle-Wittenberg.

Tomi Mäkelä (*1964 in Lahti) studierte Klavier und Klavierpädagogik in Lahti und Wien, Musikwissenschaft in Wien, Helsinki und Berlin, wo er

1988 mit einer Arbeit zur Virtuosität im 19. Jahrhundert promovierte. Seit 1994 arbeitet er in Deutschland, zunächst in Essen, dann als Professor in Köln und Magdeburg sowie seit 2009 in Halle/Saale. Seine wichtigsten Veröffentlichungen sind »Poesie in der Luft. Jean Sibelius — Studien zu Leben und Werk« (Breitkopf 2007) und »Klang und Linie« (Peter Lang 2004). STIMMUNGSSYSTEME 58 59

TIM MARIË N STIMMUNGSSYSTEME

Tim Mariën s t i m m U n g s s y s t e m e i n DER ZEITGENÖSSISCHEN MUSIK Wenn man die Stimmung ändert, ändert man ALLES Salvatore Sciarrino an den Autor, 2002

Stimmung kann als Justierung eines Tonhöhenintervalls im Verhältnis zu einem Ausschnitt aus der Obertonreihe betrachtet werden. Ein systematischer Umgang mit Stimmung entstammt dem Bedürfnis nach einer Form (Architektur der GröSSenordnung) im Sinne einer bestimmten Musikpra- xis. Obwohl Stimmungssysteme im Laufe der Geschichte immer nur vorübergehend fixiert waren, bleiben sie — abhängig von ästhetischen bzw. ethischen Fragen — notwendig und flexibel. Man könnte sich den Blick in ein riesiges Reservoir vorstellen, aus dem hin und wieder etwas ausgesucht wird, das der momentanen Musikpraxis entspricht. Aus historischer Sicht könnte man meinen, ein Teil des Reichtums eines pluralistischen Ansat- zes aus der Antike sei im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen. Aufgrund einer scheinbaren »Langsamkeit« in der musikalischen Entwicklung hing Konsonanz von der »Reinheit« der verwen- deten Intervalle ab. Der Klang statischer oder schwebungsloser Intervalle wurde in einer Gesell- schaft bevorzugt, die vielleicht ebenfalls statisch bzw. schwebungslos war. Als die Musik sich ent- wickelte und flexibler wurde, folgten Veränderungen in den kulturellen Sitten, welche auch die Verwendung verschiedener Intervalle betrafen. Bedeutend ist, dass Stimmungsfragen scheinbar im- mer an Wendepunkten in der Musikkultur zum Vorschein kommen. Als man anfing, neue Inter- valle als konsonant zu betrachten, gab es das Bedürfnis nach einem Stimmungssystem mit einer festen Grundlage. Es mag für die »Ohren des 21. Jahrhunderts« überraschend sein: Es gab einen ge- schichtlichen Augenblick, in dem es kein adäquates Stimmungssystem gab, das zum Stimmen kon- sonanter Terzen oder Sexten in der Lage war. Später entwickelte sich die Kultur so exponentiell, dass bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts ein wesentlicher Teil des Gesamtvorrats an Möglich- keiten sich schon bewährt hatte. Seltsamerweise fingen Komponisten kurz nachdem die Stimmung mit zwölf Tönen in genau glei- 60 61 einer Unterteilung der Oktave in 38 Töne gestimmt ist, die sich aus überlagerten Ausschnitten aus chen Abständen endlich perfektioniert war (wodurch man frühere »Färbungen« der Tonarten vermied) der Obertonreihe ergeben. Zum Beispiel: man geht von den ersten 15 ungeradzahligen Obertönen damit an, mit anderen Stimmungssystemen zu experimentieren. Als Pionierleistungen in der Ex- auf C aus, wobei jeder dieser Töne selber zu einem neuen Grundton mit einer eigenen Obertonrei-­ ploration so unterschiedlicher Auffassungen von Stimmung seien hier unter anderem die Werke he werden kann. Dieser Prozess ergibt viel mehr als 38 Töne; deshalb wähle ich eine bestimmte und Theorien von Harry Partch, Ivan Wyschnegradsky, Julián Carillo und Alois Hába genannt. Anzahl von Tönen aus, die mir erlaubt, das Klavier auf diese Weise zu stimmen. Eines der Kriterien, Die Veröffentlichung von Partchs Theorien inspirierte jüngere Komponisten dazu, die Möglich­ die meiner Auswahl zugrunde liegen, ist die relative Entfernung zum »Super-Grundton« C. Da- keiten eines erweiterten »reinen« oder schwebungslosen Stimmungssystems zu erkunden.1 Es ist durch sind die Obertöne des dritten Grundtons stärker vertreten als z. B. diejenigen des entfernte- Interessant­ festzustellen, dass die Neueinführung einer uralten Idee wie die reine Intonation einen ren 13. Grundtons. Ein weiteres Kriterium war die Verwendung von mindestens drei Obertönen in Schock in der (amerikanischen) Kunstmusik in der Mitte des letzten Jahrhunderts verursachte. einer Tongruppe, um eine eigene Identität zu etablieren. Dieser Ansatz ist in manchen Aspekten Noch interessanter ist allerdings der Entwicklungsprozess, der den Pionierleistungen folgte. Je- deutlich anders als derjenige von Partch, der niemals an die Verwendung des Klaviers in seiner des System impliziert ein starres oder festgelegtes Format, das der inhärenten Flexibilität künstleri- Musik dachte, während er in seinem Stimmprozess auch Ausschnitte aus der Untertonreihe ver- scher Bemühungen auf gewisse Weise widerspricht. So gab es eine geradezu hegelianische Entwick- wendet. Offensichtlich versuchte er, das »Hier und Jetzt« der Musiktheorie zu überwinden. lung im Zusammenprall der reinen und temperierten Stimmungssysteme. Durch diese Kollision Dieser harmonische Ansatz, wenngleich »idealistisch«, brachte interessante Ergebnisse hervor. entstanden neue Ideen in der Musik, zum Beispiel von James Tenney, der Intonation als »komposi- In The Letter gibt es eine Hauptfigur, die aus dem Wechsel zwischen einem reinen Dur-und einem torische Variable« betrachtete, und damit eine nichtexklusive Einstellung gegenüber verschiede- reinen Moll-Dreiklang in mikrotonalem Abstand. Die Figur wurde ursprünglich für eine von nen Stimmungssystemen begründete. Partch entworfene große Zither komponiert. Bei der Transkription für »normale« (umgestimmte) Jene verschiedenen Stimmungssysteme lassen sich auf wenige allgemeine Tendenzen zurück- Zither konnte ich eine perfekte Entsprechung finden zwischen Ausschnitten aus zwei Oberton- führen. Im Hinblick auf akustische/instrumentale Stimmung gab es erstens die Verwendung reiner gruppen, indem ich die ersten drei ungeradzahligen Teiltöne für den Dur-Akkord und den Aus- Intervalle auf Grundlage der Obertonreihe (erweiterte reine Intonation, Obertonstimmung, transkul- schnitt 10:12:15 für den reinen Moll-Akkord nahm. turelle Stimmungen), und zweitens die gleichtemperierte Stimmung mit einer beliebigen Anzahl Als Pionierleistung in der Einführung von Mitteln, anhand deren man mit reinen Intervallen von Unterteilungen. Im Hinblick auf elektronische Anwendungen ist eine andere Einstellung komponieren kann, besteht Partchs System aus Sechsergruppen; diese werden für Dur- oder »oto­ zu beobachten, die von der virtuellen Unbegrenztheit der Mittel herrührt: Tendenzen zur Anglei- nale« Harmonien unter den ersten sechs ungeradzahligen Stellen in der Oberteinreihe gebildet, chung von Klangfarbe und Stimmung sowie die Erforschung inharmonischer Klangfarben bzw. während eine Spiegelung dieser Töne für Moll- oder »utonale« Versionen verwendet wird. Er stellte Stimmungen. diese strukturellen Beziehungen anhand einer rautenförmigen Figur dar, die er als »Tonality Dia- 2 Heute, wo verschiedene Stimmungssysteme sich in ihrer Komplexität begegnen, und wo immer mond« bezeichnete (siehe ABBILDUNG). mehr intervallische Unterteilungen der Reinheit natürlicher Intervalle nahe kommen, finden wir Der ist eine Schlüsselfigur zum Verständnis von Partchs System. Es enthält uns in einer Situation, in der keines dieser Systeme einen Autoritätsanspruch geltend machen kann. alle Verhältnisse zwischen den ersten sechs ungeraden Zahlen von der Obertonreihe und ihren Da dies in der Welt der Instrumente und Orchester auf die eine oder andere Weise schon immer die Umkehrungen. In dieser Hinsicht stellt es ein geschlossenes System dar, das eine Vereinigung von Realität gewesen ist, könnte die Befürwortung einer bewussten, gleichzeitigen Verwendung kontras- einer melodischen bzw. harmonischen Struktur. Allerdings könnte die Gestalt durch die Einbezie- tierender Stimmungssysteme in der zeitgenössischen Komposition durchaus verteidigt werden; so- hung kleinerer bzw. größerer Zahlen entsprechend verringert bzw. vergrößert werden. Partch mit würde der reiche Vorrat an Stimmungssystemen voll ausgenutzt werden. Dies ist bisher eher selbst hat dies in der Tat erkannt, und erwägte eine Zeit lang eine Erweiterung, welche die ersten eine europäische Einstellung zur Stimmung gewesen, während amerikanische Komponisten — zu- neun ungeradzahligen Teiltöne in der Obertonreihe enthalten hätte.3 mindest bis ins späte 20. Jahrhundert — die Präzision der reinen Intonation bevorzugten. Was meine eigene Erforschung dieses Themas angeht, fühlte ich mich stets wohl bei der Arbeit mit Intervallen auf Grundlage der Obertonreihe in einer akustischen Umgebung. Diese Vorgehens- weise entspricht meinen Absichten am ehesten, weil es mir einen intuitiven Umgang mit Stimmun- gen und Mikrotonalität ermöglicht. Es fällt mir schwer, meine Musik im Rahmen von Intervallen zu konzipieren, die durch eine Spiegelung der Obertonreihe erreicht werden, obgleich eine erwei- terte reine Intonation dies impliziert. Ich finde es nicht nur schwierig; ich nehme auch einen klang- lichen Unterschied wahr in der sinnlichen Übereinstimmung der beiden — möglicherweise, weil es keine psychoakustischen Beweise dafür gibt, das eine »Untertonreihe« in einer realen Klangum- gebung existiert. Andererseits scheint mir dieses Argument nicht stark genug, um den künstleri- schen Wert musikalischer Kompositionen in Frage zu stellen; ich fühle mich aber bei einem direk- teren Umgang mit Harmonik wohler. Bei einer solchen harmonischen Herangehensweise gibt es drei Hauptfaktoren. Erstens wird die Darstellung von Intervallen vereinfacht, da es nicht mehr nötig ist, sich auf einen Nenner im Verhältnis zwischen Frequenzen in Richtung eines einzigen Grundtons zu beziehen. Zweitens ist Partchs Tonality Diamond anzumerken, dass das Prinzip von Untertönen manchmal verwendet wurde, um eine Äquivalenz zwischen Moll- und Dur-Akkorden herzustellen. Indem man dieses Prinzip vermeidet, werden stattdessen neue Erkundungen von Klangfarbenbeziehungen betont; somit ist es möglich, (histori- sche) tonale Implikationen zu umgehen. Der dritte Faktor ist die Konstruktion von akustischen Die große Bedeutung dieser Figur liegt nicht nur in ihrer zentralen rolle als strukturelle Grundlage Musikinstrumenten, auf denen mikrotonale Tonleitern gespielt werden können. Gleichzeitig kann von Partchs System, sondern auch darin, dass sie die Form eines seiner Schlaginstrumente, die tref- auch das Modifizieren vorhandener Instrumente überaus anregend sein. fend benannte »Diamond Marimba«, wesentlich beeinflusste. Und schließlich betreffen die Unter- Der Schritt von der Theorie zur Praxis erfordert eine zunehmende Transzendenz, die wahr- schiede zwischen seinen theoretischen und praktischen Leistungen lediglich einige Mutationen, scheinlich in keine Theorie hineinpasst. In diesem Zusammenhang würde ich gerne auf Grundlage die es ermöglichen, die verschiedenen Töne statt einer horizontal-modalen Anordnung als Folge persönlicher Erfahrung The Wayward von Harry Partch analysieren, das im Rahmen der diesjähri- von aufsteigenden »Terzen« zu disponieren. gen Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt aufgeführt wird. Die Suche nach einer adäquaten Alternative in der Theorie sowie in der instrumentalen Wirk- Partch baute und stimmte seine Instrumente nach den Prinzipien erweiterter reiner Stimmun- lichkeit der Diamond Marimba stellte sich als eine der größten Herausforderungen bei der Tran- gen, und je nach Konstruktion des jeweiligen Instruments war eine mehr oder weniger mikrotonale skription von USHighball heraus. Aufgrund der verzahnten Beziehungen ist es unmöglich, genaue Unterteilung der Oktave möglich. In meiner Transkription von The Wayward verwende ich selbst- Entsprechungen in Ausschnitten der Obertonreihe zu finden. Nachdem mir aber deutlich wurde, entworfene mikrotonale Instrumente wie ein Pianino, das nach einer Haupttonleiter auf C mit dass es mir gar nicht um solche Übereinstimmungen ging, entschied ich mich für eine andere Vor- gehensweise. Infolgedessen analysierte ich den Tonality Diamond weiter und wandte verschiedene 62 63 Strategien an. Zunächst akzeptierte ich G als Grundton (1/1 im Tonality Diamond, oder dritter Teilton auf C). Dann transkribierte ich die erste größere Sechsergruppe, die einem Ausschnitt aus der Ober- tonreihe entsprach. Daraus entwickelten sich weitere Arbeitsmethoden: Zum Beispiel beachtete ich die »Terz«-Relationen, akzeptierte keine Tonverdopplungen innerhalb einer Sechsergruppe, und suchte Untergruppen, um so etwas wie »poly-rein intonierte« Sechsergruppen zu produzieren. Das Ergebnis war eine deutliche Veränderung in der Klangfarbe der Sechsergruppen, welche dem ur- sprünglichen Tonality Diamond-Modell ähnlich blieb, und lediglich in dieser Hinsicht einer Art von »wohltemperierter Einstellung« ähnelte. Aus praktischen Gründen, und mit Rücksicht auf die Wichtigkeit, die Partch der Oktave beimaß, transponierte ich diejenigen Töne, die mehr als ein Viertelton auseinander waren. Auf ähnliche Weise fügte ich die Töne der Partch-Bassmarimba hin- zu. Die gesamte Tonleiter wurde letztendlich auf einer Fünf-Oktaven-Marimba realisiert. In meiner Komposition Toeënwâs war ich daran interessiert, Tonleiterbeziehungen auf all­ gemeinerer Ebene zu entwickeln. Die Anfangsskala von acht Tönen »erschien« mir beim Impro­ visieren am mikrotonalen Pianino und nahm die etwaige Form einer melodischen Moll-Tonlei­- ter an. Durch die extreme Härte der Hammerköpfe führt die Enharmonik in der Klangfarbe zu mehrdeutigen Oktavbeziehungen; aus irgendeinem Grund zog mich das an. Die strukturelle Ton- leiter enthält also solche gestimmten Pseudo-Oktaven. Ihre Architektur weist eine unerwartete Symmetrie zwischen zwei unverbundenen Tetrachorden auf — trotz der Unregelmäßigkeit ihrer Unterteilungen. Ich betrachtete diese Intervalle als Zeitintervalle und vergrößerte sie, um die Länge der Ab- schnitte und schließlich des gesamten Stücks zu bestimmen. Jeder Abschnitt bezieht die gleichen Kombinationsmöglichkeiten auf eine andere Ebene: Zeit, Rhythmus, Lage usw. zudem konstruier- te ich Tonleitern, die von einer eng gestauchten mikrotonalen Ebene zu einer vergrößerten »makro- tonalen« Ebene führen. Jede Stauchungsgruppe wird anschließend auf jeden der anfänglichen acht Skalentöne transponiert. Dadurch ergaben sich verschiedene Tonleitern aus den »gleichen« Inter- vallstrukturen, die ich gemäß den tonalen Möglichkeiten der jeweiligen Instrumente verteilen konnte. Dabei musste auch beachtet werden, dass ein »Zwischenton« auf einer Flöte immer unge- nauer ist als eine gestimmte Tonhöhe am Klavier (eine Realität, die meines Erachtens groSSe Heraus­ forderungen mit sich bringt). An der äußersten Oberfläche, wie an der Oberfläche eines Ozeans, ist die Musik größtenteils in ständiger Bewegung; verdeutlicht wird dies durch die verschiedenen Triller, die zwischen den Ins- trumenten hin- und herwandern. Gegen Ende des Stücks spielen Marimba und Klavier die gleiche notierte Figur, wobei ihre unterschiedlichen Stimmungen ein chaotisches Element ins Spiel brin- gen, das ich unmöglich weglassen konnte. In diesem Zustand endet die Komposition in einem Ab- schnitt, der sich auf einer strukturellen Ebene »jenseits« der Skalenarchitektur befindet. Die Musik ist also in einer Schleife gefangen, bis die Tonleiter oder die Komposition sich wiederholt. Scheinbar bildet die zeitgenössische Musik einen Teil eines pluralistischen Erlebnisses, bei dem die möglichen Anwendungen von Stimmungssystemen geradezu unbegrenzt sind, wenn auch die Grundprinzipien konstant bleiben. Die oben angeführten Versuche, einige Beispiele in der Pra- xis zu beschreiben, können als Einladung zum Austausch solcher Ideen verstanden werden. Ich hoffe, diese Einladung wird die Ohren des aufmerksamen Zuhörers erreichen.

Literatur 1 Harry Partch, Genesis of a Music: An Account of a Creative Work, Its Roots and Its Fulfillments, New York 1974. 2 Ein weiteres Beispiel einer geome­ trischen Darstellung erweiterter reiner Intonation findet sich in Erv Wilsons . 3 Der erste Teil von Riccardo Novas Komposition Primes (2010) ist eines der jüngsten Beispiele der Verwendung des erweiterten »Tonality Diamond« mit den ersten zehn ungeraden Obertönen.

Tim Mariën (*1975) ist seit seiner frühen Jugend, als er mit individuellen Experimenten in verschiedenen Stilrichtungen begann, eines unbewussten Zugangs zur Musik ledig. Während des Musikwissenschafts­ studiums unternahm er intensive Forschungen zum theoretischen Werk des amerikanischen Komponisten

Harry Partch. Als Komponist ist Tim Mariën in erster Linie Autodidakt; 2002 studierte für kurze Zeit bei Salvatore Sciarrino. TABULA RASA 64 65

KONRAD BoeHmer TABULA RASA ODER FABULA RAPAX?

K O n r a d B O e h m e r d a r m s ta d t: t a b UL A RASA ODER FABULA RAPAX ?

Mythologien werden ersonnen, um einer Sache die Wurzeln wachsen zu lassen, die ihren Initiatoren opportun erscheinen. Sie mögen eine Weile wirken, doch schlagen sie letztendlich auf die Sache selber zurück. Spätestens dann muss man sie gründlichst sezieren. Dass die Darmstädter Ferienkurse mit dem Urknall einer »Tabula rasa« begonnen hätten, gehört genauso ins Reich der Legende, wie die My- thologien einer »Kölner« oder gar »Darmstädter Schule« (die es beide nie gegeben hat). Neue Musik sollte ohnehin niemals von Mythologien zehren, sondern aus- schlieSSlich von der Kraft ihrer Aussage.

Als »Darmstadt« im Spätsommer 1946 aus der Taufe gehoben wurde, erweckte schon der Anzeigen- teil der Broschüre den Eindruck, dass alles wie gehabt weiter ginge. Die Parfümerie Thiemé war wieder »an alter Stelle«, Georg Bechthold vertrieb weiter »Sanitär- und Heizungsanlagen« sowie »Badeeinrichtungen«, Hans Heldmann beriet beim »Wiederaufbau« und dessen Finanzierung, die Großwäscherei Ludwig Hering wusch »schonend« schon seit 1856 und tat das auch weiter »für die Darmstädter Bevölkerung«. E. May sorgte schon damals für eine »exakte Charakteranalyse« von »Partitur, Rhythmus und Handschrift« und Fissan warb mit einem futuristischen Foto, um seine Cremes zu verkaufen. Bei all denen gab es keine »Stunde Null«. Bei den ersten Ferienkursen gab es sie auch nicht. Manchen der ersten Dozenten kann man nicht nachsagen, ihr Abstand zum nationalsozialistischen Musikleben sei heldenhaft groß gewesen (Erich Sehlbach, Parteigenosse Wolfang Fortner, Hermann Reutter oder Hermann HeiSS, dem Schöpfer der Nazi-Kantate Wir sind des Reiches leibhaftige Adler). Auch die Konzertprogramme des ersten Jahres zeu- gen nicht gerade von einer Tabula rasa: Hindemith ist der absolute Spitzenreiter, Heiß und Fortner: je 4 Aufführungen, Orffs Die Kluge tut mit, als ob es dessen Olympische Festmusik niemals gegeben hätte. Ein Konzert »Zeitgenössische Chormusik« (schon im ersten Programmheft taucht der subtile Unterschied zwischen »neu« und »zeitgenössisch« auf ...) ergötzt uns mit Werken von Hugo Distler und Armin Knab, die beide einst Wach auf Du Deutschland vertont hatten. Ganz zu schweigen vom Chorstück An die Freunde von Gerhard Schwarz: auch er hatte mit Unter der Fahne schreiten wir 66 67 et d’intensités hinein geflattert war, und ’ — ebenfalls nicht ganz schlüssige 6 — »se- einst braune Furchen gedüngt. Die Frage, die die ersten Studenten im Anmeldungsbogen ausfüllen rielle« Klaviersonate 1952 für etwas Wirbel — unter anderem bei Prof. Adorno — gesorgt hatte, mussten (»Haben Sie der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört?«) hätte man wohl besser man- konnte auch zu jenem Zeitpunkt von einem radikalen Bruch kaum die Rede sein. Gewiss: »serielle« chem Dozenten oder aufgeführten Komponisten vorgelegt. Für die mag jedoch eher jener Limerick Werke tauchten in den Programmen der folgenden Jahre immer häufiger auf. Darunter waren die gegolten haben: »Und als man sie dann wiederfand, da waren sie im Widerstand«. So unterschied wenigen überzeugenden Kompositionen und die gar vielen, die sich selbst in den Mülleimer der sich denn Darmstadt kaum vom Rest der Republik: man log sich aus der Vergangenheit heraus, so Musikgeschichte hinein komponiert hatten. Auch dass hellwache Studenten der Kurse wenige Jah- gut man konnte, oder man wandelte sich in Blitzesschnelle vom Saulus zum Paulus. re später als Dozenten auftraten, ist ein ganz natürlicher Vorgang, wie er zum Beispiel in jeder Mu- Wiewohl die beiden Hauptdozenten der ersten Jahre — Fortner und Heiß — vor 1933 von Ar- sikhochschule vorkommt. nold Schönbergs Reihentechniken erfahren hatten (HeiSS adaptierte nicht Schönberg sondern Josef Als die jungen »Seriellen« sich in Darmstadt profilierten, konnte also wiederum von einer Matthias Hauers zwölftönig-modale Glasperlenspiele), können beide in dieser Sache wohl kaum als Stunde Null keine Rede sein. Es sei denn für die Studenten, die die Lehren der jungen Meister als Zeugen aus erster Hand betrachtet werden. Wo Heiß — dessen abrupte Wende vom Partei-Dorisch Erweckungssignal begriffen. Vom Ende der fünfziger Jahre — ich war damals noch Gymnasiast zur elektronischen Musik schon, wie mir Zeugen der ersten Jahre erzählt haben, manch Jüngeren (aber ganz und gar nicht »unschuldig«) — erinnere ich mich, dass Studenten eines Stockhausen-Kur- ein Dorn im Auge war — von Anbeginn an die »Zwölftontechnik« so dürr lehrte wie Fux’schen ses verzweifelt mir auf den Leib rückten — ich kam ja aus »Köln« — um zu erfahren, wie man eine Kontrapunkt, musste die Erfahrung mit dieser »Technik« für manchen Studenten eine doppelte Reihe permutiert und wie man da die Dauernreihe drunter kriegt. Einem hab ich das in einer hal- Erleichterung gewesen sein: ihre Anwendung versprach den Anschluss an die »Moderne« und ihre ben Stunde vorgemacht. Am nächsten Tage war es schon ein unsterbliches Meisterwerk für Solo- rein technische Präsentation (Reihe, Umkehrung, Krebs) war faktisch Entlastung von harmonischem Flöte. Bei Stockhausen studieren, um sich letztendlich an den primitiven seriellen Techniken der Denken. Fortner hat, was er immer grauenhaft den »Zwölfton« genannt hat, kaum jemals theore- I von Boulez zu orientieren, war eher ein Rückfall als eine Stunde Null. Auch hier fand tisch durchleuchtet sondern immer nur im praktischen Kompositionsunterricht als neuen Pfad eine kompositorische »Entlastung« statt. Und wem noch die zu schwierig war, der entlastete sich kompositorischer Tugend empfohlen. Es würde sich die Mühe lohnen, erste »Zwölfton«-Werke vom — meist vollkommen falsch verstandenen — Serialismus durch die Heraufkunft, die »Ema- Darmstädter Provenienz (ganz sicher auch die Fortners!) einmal darauf hin zu untersuchen, in wel- nation« des amerikanischen Entertainers John Cage. Wer da gestern noch Reihen permutiert und chem Maße in ihnen sich jener hölzerne »lineare Kontrapunkt« damals neuerer deutsch-neobaro- das Resultat mechanisch in Dauern- oder welche Reihen auch immer transformiert hatte, ging nun cker Musik bruchlos mit einer falsch verstandenen Reihentechnik verband. Das war keine Tabula mit Würfeln, Mikado Stäbchen oder anderen Techniken des I-Ching wurschteln. rasa sondern ein verzweifelter Spagat. Von Friedrich Schlegels Diktum, das »Gesetz muss Neigung Auf diese Weise schufen die Epigonen Darmstadts sich ihre — stets schneller einander folgen- werden«, war in Darmstadts Jahr Null keine Rede: der Modernismus war exogen. Ganz zu schwei- den — »Tabulae rasae«. Wiewohl man diese Darmstadt nicht vorwerfen kann, hat Darmstadt es gen von jener Beschwörungsformel ersten Broschüre, die da meldet, hinter uns läge »eine Zeit, in damals schon verpasst, ihnen die kritische Gegennote entgegen zu setzen. Unter Wolfgang Steine- der fast alle wesentlichen Kräfte aus dem deutschen Musikleben ausgeschaltet waren«, um dann zu cke war das auch nicht möglich, denn der schwang sich auf jeden abfahrenden Schnellzug der »Mo- behaupten: »Zwölf Jahre lang waren Namen wie die Hindemiths und Strawinskys, Schönbergs und dernität« in tiefer Angst darüber, dass anders seine eigene Vergangenheit vielleicht wieder Ge- Kreneks, Milhauds, Schostakowitschs und Prokofjews, Bartóks, Weills und vieler anderer verpönt«. sprächsthema werden könne. Sein Nachfolger Ernst Thomas (Mary Bauermeister zufolge nicht mehr Für Hindemith und den Mussolini-Bewunderer Strawinsky (»ich erzählte ihm, dass ich mich selbst als »eine ausglühende Nachtkerze«) stieg auf Steineckes Wagen, ohne auch nur ein einziges Mal kri- 1 als Faschist fühle« ) gilt das gewiss nicht. tisch über »Darmstadt« nachzudenken. Auch daraus ist — bei seinen Nachfolgern — eine Traditi- Wiewohl schon das zweite Jahr 1947 den Dozentenbestand (mit Scherchen und Stucken- on entstanden. Das »Neue« tröpfelte herein. Und Jahr um Jahr beglückten neue Dozenten neue do- schmidt) auffächert, ist die Stunde Null noch immer nicht in Sicht. Gewiss nicht im Konzertpro- zile Studenten mit ihren Lehrmeinungen, die dann wieder in musikwissenschaftliche Seminare gramm, in dem wieder Orff und gar Egk vertreten sind und auch zweimal der Mussolini-Faschist hinausgetragen wurden, nicht in das Leben der Menschen oder zumindest von deren kulturellen 2 Casella vertreten war. Im dritten Jahr ( H indemith ist n o ch immer der meistges p i e lt e Ko m po n i s t i m Eliten. Bis nahezu in unsere Tage hat sich in der (musikwissenschaftlichen) Literatur jenes infantile Programm), bereichern René Leibowitz und Rolf Liebermann die Kurse. Mit Leibowitz erhält die Bild der »seriellen« Musik behauptet, das es ihren Kritikern so leicht gemacht hat, sie als reine Zwölftonmusik ihre höheren Weihen: Ähnlich wie Adorno sah auch er in der Wiener Schule den buchhalterische Maßnahme zu brandmarken. Schaut man jedoch auf die Genese dieser Technik Gipfel europäischer Kunstmusik und hielt auch in Darmstadt eisern an dieser Vision fest 3. Wo der zurück, so gibt es selbst dort keine Tabula rasa: Goeyvaerts’ Serialität ist so franko-flämisch wie et- Mitinitiator Darmstadts, die amerikanische Militärregierung, sich ob der »Überbetonung der wa Ockeghems Missa Prolationum, in Boulez steckte von Anfang an der Messiaen drin, in Stockhau- Zwölftonmusik« erbost und folgert: »Allgemein herrschte Übereinstimmung darüber, dass vieles sen das Glasperlenspiel, in Pousseurs Ansatz immer das Verlangen nach einer ästhetisch »erfüllten 4 7 dieser Musik wertlos sei und besser nicht gespielt worden wäre« , mögen wohl eher die amerikani- Chromatik« , und die drei Italiener (Maderna, Berio, Nono) suchten und fanden ihren ganz anderen schen Idiosynkrasien gegen alle Musik eine Rolle gespielt haben, die mehr als »Entertainment« ist. Einstieg, der mehr an die Abenteuer der italienischen Renaissance gemahnt. Stunde Null, Urknall, Selbst im Programm von 1949 war die Zwölftonmusik nur spärlich vertreten. oder Rückbesinnung auf vortonale kompositorische Verfahren? Sinnvoll ist es noch immer, auch Da Maderna erst ab 1949 an den Kursen teilnimmt, Boulez, Nono und Stockhausen erst ab 1952, die Genese der seriellen Musik in ihren geschichtlichen Zusammenhang zu rücken, anstatt ihr den Evangelisti, Ferrari und Metzger erst ab 1953, lässt die Tabula rasa immer noch auf sich warten. Wer Fetisch des Urknalls anzudichten. Fortner gekannt hat, weiß, dass von ihm die Zwölftonmusik gewiss nicht als Frohbotschaft aus- Anstatt verzweifelt nach einer Darmstädter Tabula rasa oder seiner Stunde Null zu suchen, strahlen konnte; gewiss auch nicht von Heiß, über den schon zu jener Zeit mancher Witz kursierte wäre es fruchtbarer, das einzigartige Phänomen der Ferienkurse in vielfacher Hinsicht in seinen (etwa der, er habe in seinem elektronischen Studio das »braune Rauschen« erfunden). Auch Leibowitz musiksoziologischen Zusammenhängen zu untersuchen. Gar zäh zog sich die Stunde Null hin und konnte keine Alleinherrschaft ausüben: zu heftig waren damals schon u.a. Boulez’ Attacken gegen die Tabula rasa war von Anfang an bemoost. Was das Ei und was das Huhn war, wird nur der erhel- ihn. Mir scheint, dass manche Kursteilnehmer, die sich voll Eifer auf die Reihen, ihre Krebse und len können, der die Patina von falschen Legenden kratzt. In Bezug auf Darmstadt könnte dies zu Umkehrungen stürzten, eher dem bösen Verdikt Eislers verfallen waren, der einmal gespottet hatte, einer umfassenden historischen Analyse führen, denn Darmstadt hat — gewiss ohne sich dessen es sei »für jeden Klippschüler leicht, eine Zwölftonreihe aufzuschreiben und mechanisch auf dem bewusst zu sein – an der Wiege einer gesellschaftlichen Haltung zur neuen Musik gestanden, die – Papier die drei anderen Grundformen herzustellen«5. Verdankte sich dieser kollektive Tiefflug in bei immer verzweigteren Initiativen ihrer Fürsorger — zu einer dramatischen Isolierung des Zög- die Zwölftontechnik einem allgemeinen kompositorischen Entlastungsbedürfnis? Schien er den lings geführt hat. 60 Jahre nach dem Beginn — die »neue« oder »moderne« Musik ist inzwischen Studenten als Versicherungspolice für Modernität, oder verdankte er sich wirklich dem intrinsisch- zur »zeitgenössischen« heruntergekommen, der allerdings die Zeitgenossen abhandenkommen — ästhetischen Bedürfnis, das einst die Wiener Schule bewegt hatte? wäre eine kritisch-historische Aufarbeitung der Ferienkurse sowie des gesamten Umfelds, zu dessen So Entlastungsbedürfnis (Psychologie) oder Versicherungspolice (Opportunismus) dominant ge- Genese sie beigetragen haben, eine existentielle Aufgabe. Sie könnte zu einer fundamentalen Erneu- wesen sind — das intrinsische Motiv schließe ich aus — stellt sich erneut die Frage, ob die Zwölf- erung Darmstadts selbst beitragen, denn — so Ernst Bloch in den Spuren 8: »Ich bin. Aber ich habe tontechnik nun die Stunde Null gewesen sei? Wo selbst damals schon amerikanische Filmkompo- mich nicht. Darum werden wir erst.« nisten sie anwendeten, halte ich das für übertrieben. Denkt man jedoch von dieser Technik aus Mag dies Darmstadts Leitsatz für seine Zukunft werden, denn die neue Musik hat sich — und weiter, so entsteht ein anderes Bild: Darmstadt scheint sich seine eigenen Tabulae rasae selbst her- uns — noch lange nicht. Sie bedarf keiner »Tabula rasa« sondern muss ihr »Werden« erst noch beigeträumt zu haben. Nachdem dort Messiaens putzige poly-modale Klavieretüde Mode de valeurs kräftig in Angriff nehmen. Raus aus dem betriebsamen Ghetto und rauf auf das Seil. Klappt das nicht, dann gilt halt Nietzsches Satz: »Was fällt, das soll man auch noch stoßen!« 9. Vielleicht kann Darmstadts neue Schreibwerkstatt sich so kritisch auf die Strukturen von Darmstadts Geschichte ENGLISH PART konzentrieren, dass das Schlimmste, dass Darmstadt seine Tabula rasa erst noch bevorstehe, verhin- dert werden kann. Ein Beitrag zu einer kritischen Sozialgeschichte der »zeitgenössischen« Musik, von Darmstadt selbst initiiert, täte Darmstadt und der Welt da draußen wohl.

Literatur 1 IGOR Strawinsky in der Zeitung Il Piccolo (27. Mai 1935) über eine Begegnung mit Mussolini. 2 Vgl. Harvey Sachs: Music in Fascist Italy, New York 1988, S. 135ff. 3 Leibowitz’ Buch Introduction à la musique de douze sons (Paris 1949) behauptet (S.13), dass »außergewöhn- liche Genie Schönbergs« habe die »partiellen Lösungen« der Musik des 20 Jahrhunderts »umfassend zu lösen verstanden«. 4 Vgl. Francis Stonor Saunders: Who Paid the Piper? — The CIA and the Cultural Cold War, London 1999, S. 23. 5 Hanns Eisler: »Arnold Schönberg«, in: Reden und Aufsätze, Leipzig o.J., S. 121. 6 Siehe zu dieser Sonate die Analyse in: Herman Sabbe: Het muzikale Serialisme als Techniek en als Denkmethode, Gent, 1977, S. 43ff. 7 Wer Pousseurs Buch Die Apotheose Rameaus (Darmstadt 1987) liest, kann erfahren, in welchem Maße er seinen Traum zu systematisieren versucht hat. Das ist Konsequenz des Seriellen, ganz und gar nicht »Post-Serialismus«. 8 Ernst Bloch: Spuren, Frankfurt/Main 1959, S. 7. 9 Friedrich Nietzsche: »Also sprach Zarathustra«, in: Das Hauptwerk III, München 1990, S. 231.

Konrad Boehmer (*1941 in Berlin) hat Darmstadt zum ersten Mal 1959 heimgesucht (auf Einladung Stockhausens zu dessen Kompositionskursus). An keine der Darm-

städter »doxa« hat er sich jemals gehalten. Von 1971 bis 2006 war er Professor an der Königlichen Hochschule in Den Haag und Leiter des dortigen »Instituut voor Sonologie«; derzeit lebt er als freischaffender Komponist in Amsterdam. F r o m t h e M ayo r P r e fa c e 70 71

Welcome to the 45th International Summer Course for New The Darmstadt Summer Course is a hybrid—today perhaps more witness the fruits of this overhaul, which is still in its beginnings. is the »daily bread« of todays’ composers, conductors, and inter- Music. This institution has been setting the standard as a meeting than ever. Neither a pure »festival« nor simply a summer acade- One might well speak of a »glut« of activities this year, of too preters. We thus felt it was important to make the platform place for composers and performers since 1946. Every other year, my, neither symposium nor instrumental course, neither educa- many projects happening at once, of too many activities to choose »Darmstädter Ferienkurse« available in particular to young en- in the summer, the Darmstadt Courses are one-of-a-kind event tional center nor new music bazaar, neither lecture series nor fo- from. But this seeming plethora was our express intention. sembles selected through an internationally advertised call, and for participants from Germany, Europe, and all over the world. rum for the next generation—but rather: all these things at once. This reader collects the different themes, threads, and special ask them to include in their programs works not only by compos- The International Summer Courses for New Music remain a More than 350 young people from 47 different nations come here projects of the Summer Course, and is not so much understood as ers that have had an impact upon their development but also point of convergence for rich creative exchanges, making them at the end of July for two weeks, to learn more about the music of a classic program booklet—commentary to individual works are pieces by course participants, in order to present the results at the one of the most important international forums for contempo- our, their own time, to exchange ideas, work together, learn, completely excluded—than as a source for information about end of the course period. rary music. One hallmark of this musical network is the courage persent themselves, form networks, and jointly develop projects the many facets of the course. Whoever holds the reader in their An undertaking like the Darmstadt Summer Course can only and openness toward following new paths. for the future. The composition and performance workshops, the hand is presumably already in medias res, and so it could be help- succeed with a strong team of collaborators, which is why on The same will be true this year as well. This is the first course lectures, the concerts, and the projects and performances represent ful to obtain a few introductory and deepening thoughts about the occasion of my first stint as leader of the courses I would under the artistic directorship of Thomas Schäfer, the new direc- the »official« Darmstadt program, but no less important—and in ENSEMBLE 2010, one of the central projects of the courses; about like to take the opportunity to thank the spiritual and financial tor of the International Music Institute (IMD). In addition, this the opinion of some, even more important—are the informality the Writing Workshop; and about Open Space (both are new backers of the 45th international Summer Course for New Music course will for the first time be based on a new concept which, and spirit which course participants develop of their own accord. projects this year); about the Electronics Atelier; about the ques- Darmstadt: first my team at the IMD—namely Jürgen Krebber, while building on what has come before, also substantially broad- There is no recipe for success, neither for each individual nor for tion of whether composition can be taught at all; or about the Claudia Mayer, Denise Mietlewski and Brigitte Niepoth—who en the offerings with several special projects, such as Ensemble the »official« Darmstadt, but if many of the participants can leave three thematic discussions which will play a role in the seminar approached this »new beginning« with great energy and enthusi- 2010, a Writing Workshop, and Open Space. The focal point will after two weeks with the impression that we have worked on the »Rückblick nach vorne« (»Looking backward at the future«) led asm; our production team littlebit from , without whose be new ideas, openness, and the fostering of talent. Even this »Darmstadt project« together, then much will have been gained. by Ulrich Mosch and Yuval Shaked. Anyone who deals with the professionalism and experience the courses could not exist in their program booklet has changed its face: it needs to be seen more as On the basis of this ideal we have designed this year’s Darmstadt present-day Darmstadt Summer Course must—in my experience current form; MBM Music Production which will record also a reader, which offers the opportunity to better reflect on the ma- program in such a way that several new formats will be presented, at least—also investigate the history of the courses. Thus we asked this Summer Course in usual quality and in entirety; Susanne terials of new music and the issues of this year’s course. As always, other more established ones are pursued as a matter of course, and ourselves: which elements played an important role in Darmstadt Laurentius, who has advised us from the get-go in many areas; stylistic diversity is the greatest asset. most importantly, several activities tend to happen in parallel, so half a century ago? Reaching back »50 years« may require a bit of Sylvia Freydank for her support to the project ENSEMBLE 2010, Without the IMD the International Summer Courses for that everyone has the opportunity to get involved in different explanation: even back then there was a discussion at Darmstadt and Michael Rebhahn, who curated this reader. Of course I must New Music would not be what they are. The IMD is an interna- projects, to participate, to witness new ideas here and there which under the heading »new music 50 years ago«. Today we ask: which finally thank the entire team of tutors who through two weeks of tionally renowned information center for contemporary forms may only be fruitful at the second glance. To a certain degree, we contexts of 50 years ago seemed so interesting to us that they could round-the-clock service help to ensure that this course will be a of music-making and an indispensable promoter and sponsor of would like to use the potential that course participants bring to still be discussed in the present day? As the seminar title, with its memorable experience for everyone. this event. It has also helped guarantee that the Summer Courses Darmstadt themselves, giving that potential a chance to unfold. reference to Berio, »Rückblick nach vorne«, makes clear, we are Considering the ever shrinking municipal budgets, we cannot have, for 65 years, been consistently re-inventing themselves. That can only succeed, however, when many of them show initia- less concerned with reminiscence for its own sake, but to ask overstate our indebtedness to the city of Darmstadt, as well as the I wish the connoisseurs and pioneers of new music an inter- tive. In this way the »Network Darmstadt« that we envision can whether the questions of the past are still relevant for composers considerable support from the Kulturfonds Frankfurt RheinMain esting and rich sonic experience in the concerts of the 2010 come to fruition—now and for the future. working today: those brought up in Pierre Boulez’s great 1960 lec- and the Ernst von Siemens Musikstiftung. Our special gratitude Darmstadt Summer Course, and to the course participants a In the last 18 months we have thought about what it is that ture Penser la musique aujourd’hui, which envisions a music that goes out to these three institutions as well as the contributions pleasant and stimulating sojourn in our city. distinguished the Darmstadt Summer Course, without assuming has been reconceived from the ground up; the questions that Alois from state and federal sources and to our many patrons in the the need to reinvent the wheel. A change of leadership is com- Hába outlined one year earlier (1959) in his course on Modal, aton- private sector. monly understood as an welcome reason for this, providing the al, and bichromatic Melody and harmony—that is, questions about Walter Hoffmann opportunity to look at the inner workings of the »institution« highly differentiated, coexistent tuning systems; and the ques- Mayor of Darmstadt, City of Science from the outside and to undertake an aesthetic and structural tions on musical expression which Henri Pousseur and Bruno Thomas Schäfer overhaul. The current program of the courses is the first chance to Maderna considered in 1960. Are they still worth discussing? Director of the Darmstadt International Institute for Music The concert program of the courses mirrors the thematic areas to a great extent: the first two projects conceived around Gérard Grisey’s fascinating cycle Les Espaces Acoustiques, which surely counts among the most important works of spectral music, with its instrumental forces ranging from solo viola through ensem- bles to the full orchestral forces; and the peculiar musical think- ing of Harry Partch, presented by the Brussels-based Ensemble Ictus in the idiosyncratic, curiously wavering »song cycle« The Wayward, which combines »musical« and experimental sounds. It hardly needs to be emphasized that ensemble- and chamber music represent two of the most important domains of contempo- rary composing. And so with the project ENSEMBLE 2010, which consists of several overlapping modules and has been prepared through different calls, these domains are drawn quite intention- ally into the center of this year’s course offerings: chamber music CLEMENS GADENSTÄtTER 72 73 T h e t e a c h i n g a n d l e a r n i n g o f composition

The unopposed, uncritically accepted, hollow »Beauty« continues, here and now to haunt and to constrain. Friedl Dicker-Brandeis, Theresienstadt, 1942

With this text, I hope to develop a poetics of teach- this notion of »grasping«, which has received strong support from line between style and personality is just as important a dimen- idioms, in their role as sound producers, could, for example, be- ing/learning that runs parallel to one of composi- recent brain research, then what is at stake is precisely this sen­ sion of the work of teaching as a frank discussion of the condi- come a point of departure for work on sound. Sound could allow tion. It is based on my experience as a learner, as a suous, surprising experience, namely that one materiality can be tions they will encounter on the art market. itself to be reshaped purely on the basis of instrumental idiom. teacher, but also as a composer, and is thus inspired transformed into another—and that I can bring about this trans- The instrument would thus act not so much as a medium of pres- by my own teachers and by colleagues who are learn- formation, this surprise. Material is thus not just selections from 6 The »idea« of an arrangement or treatment of material should entation, but as a topic. The thematization and compositional ing under my guidance. an available pool of elements. be to investigate the particular qualities of the chosen material in treatment of music’s conditions would no longer permit any sin- an as yet unknown manner. The creative approach thus begins gle element to act as the mere representation of another. The 1 Art is not a closed system; it is defined by constantly being in 4 The haptic quality of material: its nature comes about in most from a specific perspective, and develops a transformation strate- meanings inscribed into sound events would become legible as motion. Its motor is artistic work, which applies its forces to the cases through the context wherein it appears. Sugar in coffee tastes gy, a method of connecting materials, from there. The end result such through the compositional treatment, that is, they would status quo of the moment. »Learning« and »teaching«—if one un- differently than the famous spoonful of sugar in Viennese salad represents a changed view of the original materials. Creation is no longer act subcutaneously, but rather be laid bare and trans- derstands these terms as meaning the conveyance and reception of dressing, and in many cases a dash of salt is what brings out the thus not just placing elements into a scene, accentuating their ap- formed into the realm of the possible. knowledge—can only include that which has already been said, natural sweetness of a vegetable. Trying out what connotations titudes and inherent forces. This is where art differs from mere thought, and created. Yet a pedagogy that is in motion must en- the materials have in a familiar context, experiencing the way in design. Teaching/learning thus also means: developing a sensibil- 10 I find it important to regard the historical consciousness, as it courage the discovery of paths that lead away from the defining which these meanings come about, experimenting with the mean- ity for such inherent forces, and simultaneously recognizing that is being cultivated, as the interaction of personal and collective zeitgeist to possibilities of art-making that is of its time. To do this, ings of these materials when the contexts change—that is the pur- artistic force can only come about when these inherent qualities modes of interpretation of »that which is«, which is itself already one must use knowledge to foster a sensitivity for what art of the pose of »exercises.« This must be tried and emphasized in private pass through the »vision« which is shaping them, and emerge something reconstructed, previously interpreted. Students bring present moment could mean. Only through an art concept that is lessons: the student takes an important step away from the ability from their »naturalness« or self-evident character in a constantly along their own specific kind of musical socialization, often a cul- »of its time« can one develop and encourage the inner drive to see to incorporate pre-formed things, to let one’s natural talents play, self-reflexive dialogue between the shaping subject, the object to tural predisposition very far from my own. The active compari- that concept as a point of departure, to literally »depart« from and toward specificity, which is called forth through a personally be shaped, and the resulting shapes themselves. son between personal and collective (music) history, up to and in- there, and to not just produce a variant of that which already sub- defined notion of context. Style imitation, arrangement, composi- cluding the »history/ies of new music« (this very particular phe- sists. tion under the yoke of one’s influences, fashions, the creation of 7 So practicing sensitivity is crucial: sensibility for the tactility, nomenon of modernism, of the avant-garde, but also of postmodern music under the spell of the zeitgeist, the absorption of »craft« as the feel of sound qualities, their kinesthetic energy, the relation tendencies, etc.) should become historical consciousness and must 2 To paraphrase Plato, I claim that a poetics or a theory of crea- knowledge of the traditional instrumental and instrumentational between sound and time; experimentation in guiding the listeners’ also become self-consciousness. The question is: what sort of his- tion—an essential prerequisite to any creativity—can only de- idioms—these »anthropological« techniques of sound manipula- attention. That which is perceived obtains a kind of magnetism torically formed and history-forming entity am I? velop through dialogue. A motion away from familiarity can only tion are essential to the learning process, but on the other hand through its treatment. One can thus create a kind of skin or a succeed with proper reflection. And a rejection of the familiar are precisely what needs to be shed during the learning process if hand, with specific functions, with which to grasp inherent quali- 11 Exactitude of listening, absorption, working-out, thinking; through my own particular viewpoint succeeds only when un- the goal is to compose »music« which seeks to give a »voice« to ties. One retraces body-oriented choreographies, in order to expe- valuing all aspects of the chosen medium; testing ones sensory im- critically adopted perspectives have been set aside. This requires a something specific in the material, and thereby re-define its tools rience their inscribed patterns of meaning. The study of »under- pressions, achieving as comprehensive an awareness as possible of stronger ability to both listen to one’s own impulses and regard and techniques. standing« of sonic events is practiced as a type of mimesis. Em- that which one wishes to »say« through one’s treatment—and them with continual skepticism. Reflection reveals the materials bodied memory of the experience is simultaneously awakened what one actually »says«; a lucid relationship with »instinct«; a and their meaning, but also changes them and myself through 5 Back to the crucial matter of »personal reflection«: the indi- and transformed (through new contexts) by re-living it directly. rapprochement with ones awareness of the »sub-, pre-, and juxta- my particular method of rejection. Thus reflection needs to be vidual takes existent music and reflects it back in his own way, The direct influence of sound, the bodily awareness of sound conscious« ... all of these should be aspects of the »attitude« of a practiced and trained through dialogue. The more sparring part- subjecting it and himself to transformation. Ideally, this leads to a movement and quality, the retraced bodily movement of sound composing individual. To develop such an attitude, and not mere- ners are available in this discipline, the better. There cannot, after personalized compositional approach. This should not, however, production, gesture—this is one side of sense-oriented musical ly adopt it, is for me almost an ideal definition of compositional all, be any such thing as a static notion of reflection, nor of any- be confused with what we like to call »personal style.« Style can perception. On the other hand, the »tactility« and the »feel« will »ethos«. Such an ethos would accept nothing as given, no sound thing else in art. So the term »reflection« would signify a person’s be nothing more than a calcification of the search for what is pos- (synaesthetically) stimulate recall of other levels of comprehen- element, no technique, no structure. Some »radical« steps in this cognitive and sensitive interaction with the elements that sur- sible, a neutralization of the friction between the subject and its sion; between these runs the central axis of shaping, which must direction might seem small with twenty years of hindsight, while round us. Such reflection aims for »esprit«—a joyfully experi- environment. The friction turns to persiflage, a kind of meta-his- be recognized and rendered. other more inconspicuous changes can even after a long time enced form of one’s own person as creation and creator. tory attached to the surface like a bubble, and all rough surfaces come to be regarded as epoch-making redefinitions of existent are eliminated—and along with them, the energy of friction and 8 One must give the same degree of attention to grasping the questions. 3 Let us say this: the musical means are »material« both on a of change. Teaching ought to foster continuous self-reflection and temporal dimension. Here, the act of arranging takes the body’s sensory level (in the sense of exhibiting qualities, etc.), and on a keep the individual flexible. An obligatory discussion of the no- sense of time into account. Here one would practice a kind of de- 12 A part of this question of attitude, both in composition and in cognitive level (in the sense of the inscribed connotations of sonic tion of style would imply a discussion of how one sees one’s own marcation of this experience—not demarcation in order to teaching, is the relation between the composer and the interpreter. events). Change can thus only come about when the means are creativity, and the attitude one adopts when relating to the world achieve a »higher« plane, but in relation to the possibilities that To see the performers as collaborators on the project of a piece is seen not as means to an end but made palpable as a source of fric- and to music. Style and the label are (seemingly) compulsory ele- the human body has to offer. very different from seeing them as mere executors. If the »use« of tion for the mind and for the hand/handling, when the way in ments in the economic life cycle of the »art market« like a sort of an instrument is no longer an option, if instead the instrument which they change during the act of handling is attained and ex- corporate design, but in the field of art it means stasis, and mass 9 The type of understanding discussed above implies a develop- and its »playing mode« become agents for questioning the nature perienced. Composing is a »handling of sounds«. When I adopt production. Thus heightening the students’ sensitivity to the thin ment of music out of its own conditions. Instruments and their of sound, then an interpreter becomes that kind of collaborator. 74 75 E xpression?

T h e 19 5 0 ’ s w e r e — pa r t i c ul a r ly in the mi l i e u o f t h e ventionalized expression should therefore also involve addressing that reaction could be—I have no influence over it. I’m invested Darmstadt Summer Courses—a time when fundamen- earlier ways of avoiding expression. in bewilderment. ta l q u e s t i o n s, a b ou t w h at c o m po s i t i o n a n d m u s i c For the reasons outlined above, I see little direct use in search- Martin Schüttler (b.1974 in Kassel), studied composition at the Folk- w e r e a n d w h at t h e y c ould b e , w ere addressed. Th e ing for a particular form of expressivity and restricting oneself to wang-Hochschule with Nicolaus A. Huber and Ludger Brümmer. From complex phenomenon of »musical expression« was it from the outset; this can only lead to conventional expression. 2001 to 2004 he held a stipend at the Center for Arts and Media in also subjected to scrutiny and re-evaluation. Sixty We should not start from a particular idea of expression, but rath- Karls­ruhe. Since 2001 he teaches and composition at the years later we are attempting to reckon with the er develop a piece’s expressivity within the piece itself. Expression Musikhochschule Frankfurt. Schüttler has worked with internatio- problem anew: what role does »expression« play in can only be convincing as such if it goes beyond what we are able nally renowned musicians, among them the Ensemble Modern, musik- contemporary composing? Five composers, all o f to imagine at the start of the compositional process. Fabrik and the hr-Sinfonieorchester. His CD »Pelze & Restposten« ap- Considering the state of new music today (fantastic interpreters, them winners of the Kranichstein Prize between 2000 Sebastian Claren (b.1965 in Mannheim) studied musicology, philosophy, peared in the series Edition Zeitgenössische Musik of the German Mu- chamber ensembles, even a few orchestras, approaching newly and 2008, reflect on the meaning of this multifacet- and art history in Heidelberg and Berlin. 1990–95 Doctoral dissertati- sic Council. Martin Schüttler is a freelance composer living in Berlin. composed music with the fresh enthusiasm of discovery), devel- ed term from their own perspectives. on on the complete works of Morton Feldman. 1993 one-year study ab- oping this kind of sense seems to be a particularly significant as- road in New York. 1994–2001 Composition studies with Walter Zimmer­ HANS THOMALLA pect of education. mann and Mathias Spahlinger. 2000 Publication of »Neither – Die Musik SEBASTIAN CLAREN Morton Feldmans«. Claren is a freelance composer living in Berlin. Who is expressing what? The composer his thoughts? His feel- 13 An attitude which regards hierarchic organization as obsolete, ings, the thoughts of others, a text? Is society expressing itself in because it is unable to develop a reflexive-transformative dialogue, I have always considered it a fundamental mistake to view the MARTIN SCHÜTTLER musical structure? Or history? Is the composition itself speak- would be the foundation on which a relationship between the stu- music of as expressionless and unemotional. In fact, seri- ing? Is sound itself expressing something? dent and the instructor should be built. A process of interaction/ alism used precisely those elements which, in previous musical »What you feel, that wasn’t stolen from anywhere, that’s simply Musical expression cannot be reduced to a single term. There communication intended to encourage change cannot be organ- styles, stood for heightened expression, and made these its exclu- you. The same thing applies to your voice: it comes straight from is no such thing as THE musical expression. The ways in which ized one-sidedly. sive material. In terms of its expressive qualities, then, the core of your heart.« Who would ever contradict such a claim? This Die­ music attains meaning are as multifarious as music itself. Despite serialism is an almost obsessive insistence on a constantly high ter Bohlen quote, spoken to a DSDS (»Deutschland sucht den Super- the incommensurable depth and breadth of the topic, expression 14 For me the most important question of all, one which thus level of expressive effort that, if anything, is more likely to result star« = German equivalent to »American Idol«) contestant, is the aes- —or more precisely: meaning—is the musical category most in should predominate during lessons as well, is the question of why. in a frozen state of expression than a complete lack thereof. thetic of expressivity in a nutshell, appealing in its universality:­ need of a detailed definition. No discussion is more rife with stu- Honing the sense for that which »one wants to say«, simply think- For this reason, it strikes me as misleading to argue that music when someone speaks from the heart, then there can be no deceit. pidity and imprecision than the one about expression in music ing—or just woolgathering—about what it really means to write based—like serialism—on abstract principles of order is remote Feelings don’t lie! Our titan of pop music is formulating some- (even when the composers themselves are involved). music, why one does it, to ask what a piece of music is, what it has from expression, while music that falls back on expressive ele- thing which is closely bound up with the construction of indi- Two kinds of simplification dominate the discourse about ex- to offer to a listener. Is the necessity to »say« something really so ments from the nineteenth century has an affinity for expression. vidual identity. The more authentic a budding superstar appears, pression: the complexity of music’s discursive potential either gets self-evident? What about the urge to write this exact piece and Here distinctions should be made according to a different criteri- the more powerfully expressive his presentation will be. And the reduced to the mere exposition of stereotypical expressive clichés no other? Especially in consideration of trying to »justify« the on: music whose expressive means are essentially based on tradi- opposite holds true also: as the recipient, I am able to project my (dense clusters as symbol of menacing or aggression; soft string or- luxury of confronting musical problems in the world we inhabit, tional topoi of music history on the one hand, and music that at- feelings on him, adjust my mood to match his utterances. He suf- chestra consonances as the ever-available idyll), or musical mean- when indeed far more concrete existential problems are abun- tempts to invent new expressive means on the other. It is clear fers, and I’ve been there, too, etc. Furthermore, this experience al- ing is strictly ignored: by remaining in the realm of technical- dantly in evidence, it is crucial to make art that at least attempts that these two categories cannot be neatly separated, and that re- lows me to make use of musical codes that are inscribed into the acoustic aspects of the sound and of form, questions of their mean- to contribute to basic epistemological research (in the area of aes- course to historical topoi, for example, can also lead to new ex- western cultural consciousness and that are perpetuated through ing are circumvented or categorically denied. thetic experience). If we don’t want art to devolve into being one pressive results; as a fundamental criterion, however, I would con- our media. To decode them and connect them to the sung text af- But anyone who listens to music, regardless of their education, of many »wellness products«, an island of pleasures for people sider this division productive and helpful. fords me the sensation of truly understanding the singer. Yet in their professional background, experience, or expectation, under- who simply want to feel validated in their artistic or intellectual The question of whether music is intentionally or uninten- order to bring about expression, not even the use of musical pat- stands that something is speaking to them. And in order to coun- credibility, when in fact the situation seems urgently to call for tionally expressive or non-expressive strikes me as a secondary terns is strictly compulsory. Imagine the chamber music hall of teract the aforementioned two tendencies, which essentially lead self-scrutiny, then a sharpening of ones sense for sensemaking problem; it is indeed likely that the serialists did not consider the Berlin Philharmonic: a string quartet is interpreting a serial to speechlessness, those who make, study, and produce music pro- ought to be the goal. their music expressive, but this does not mean that it is actually composition. The performance venue exudes much ceremony fessionally must take on the task of investigating that which is expressionless. The same could be said about John Cage’s work. and meaning. The musicians produce grand gestures. They are speaking, collect clues, uncover layers of meaning. This is beyond A far more important question is whether conventional re- full of highly expressive pathos—but thereby they undermine the scope of the present essay, for such investigations can’t be un- course to historical means of expression can be expressive at all, or the de-subjectivization intended by the composer. Musical ex- dertaken in general terms, but only on a case-by-case basis, in the whether it automatically results in a fundamental dilution of the pression is a natural ingredient in the cultural process of senti- study of a single score, a single sonic idiom. Listening is the per- original expressive potential of those means, ultimately leading— mentalization, powerfully inscribed into society. Not just indi- ception of meaning—but meaning that determines itself within almost always unintentionally—to a non-expressive music. Con- vidual sounds or turns of phrase, which are, after all, stylized ver- an unmeasurable landscape of expression, or in the expressive fab- versely, a deliberate avoidance of expression or the creation of a sions of human utterances, bear an emphatic charge. The very ric of the here and now. Clemens Gadenstätter (b.1966 in Zell am See) studied flute (Wolfgang non-expressive music, which ultimately always involves a con- idea of an artist expressing himself reflects the desire of a sensitive The directly linguistic quality of Kurtag’s Parlando; the pure- Schulz) and composition (Erich Urbanner) at the Vienna Conservatory, scious exclusion of conventional expressive means, leads almost individual for meaningful self-expression. The search for feeling ly self-referential (and yet so rhetorical-sounding) structures in and thereafter at the Musikhochschule Stuttgart with Helmut La- inevitably to a new, particular form of expression; this would sug- infuses all material, sneaks into every performative act. As a com- Stockhausen’s Studie II; the expressive leaps of the Adagio from chenmann. Since 2003 he is a professor of music theory and analysis gest that one is more likely to create music with a high expressive poser, I am also not immunized against evoking feelings through Mozart’s String Trio; Webern’s »Langsam, mit bewegtem Aus- and a teacher of composition at the Musikuniversität Graz. His works potential of its own by consciously dispensing with expression my music. While I have no particular stake in denouncing this druck«; »So donnert nicht« and the bellowing strings in Lachen- have been commissioned by, among others, the Musikbiennale Berlin, than by trying to achieve it through force. fact in a didactic manner, it is no more worthwhile to aim for mann’s Zwei Gefühle; his assertion: »music gave up her linguistic the Donaueschinger Musiktage, the Neue Vocalsolisten Stuttgart and One should be careful here, however: in the course of the some affective consensus with a self-sufficient musical rhetoric. I character and saw her own speechless—but no less eloquent, in- Klangforum Wien. Since 1992, various collaborations with Joseph San- twentieth century, the renunciation of expression degenerated isolate details of my day-to-day acoustic experience, and consider deed in an uncomfortable manner indirectly loaded with expres- tarromana (Video installation), Rose Breuss, Toni Kay (Media, concep- into almost as conventionalized an expressive pattern as the ex- their various emotional predispositions to be material character- sion once again—structure«; the concept of »phonemically trans- tual, and video artist) and Lisa Spalt (Author and Film-maker). pressive topoi that preceded it. Genuinely working through con- istics. Whether the listener has an emotional reaction, and what ferable music« with its inherent rejection of music as code, in 76 77 Berno Odo Polzer s Pa c e s

Evan Ziporyn’s Who cares if you listen?; Adorno’s distinction be- genuinely experienced within, transpires as false: it is precisely tions. This flexibility implies that a wide range of emotions can be of Action tween terms and vocabulary (e.g., the tonal chords) in his Frag- their non-identity that forms the precondition for communica- attributed to a particular piece of music. Here, the use of text pro- ment on Musik and Language; the reference to the 16 deleted words tion. Research by Holodynski and Friedlmeier reported in the vides an opportunity to cross the borderline of the purely musical. E i g h t s paces in the m O r n e w e g s c h ul e i n D a r m s ta dt, from George W. Bush’s speech to justify the invasion-in-progress Süddeutsche Zeitung on March 23rd 2008, leads to the conclusion: Bach’s practice of assigning secular texts to melodies that were stereo systems, a piano, a video beamer, blackboards, of Iraq in Jason Eckhard’s 16; the sudden E-flat major of Wolfgang only in the course of the communicative process, through the initially used for religious purposes shows that he himself did not music stands, tables and chairs, as well as a public Rihm’s Klavierstück 7; Ferneyhough’s concept of the figure as a play of expressive signifier and signified, are emotions differenti- believe that a specific melody conveyed an intrinsically religious calendar system0 —this would be the most rudimen- gestalt temporarily imbued with meaning, which, due to oppos- ated and learned. »Emotions are the products of experiences!« feeling, but that this was rather achieved by association, an asso- tary, material description of the project »Open Space.« ing forces, glows forth for just a moment, like a breaking wave If, therefore, outward frigidity does not necessarily rule out a ciation that can be also achieved through the use of images. A (thus distinguishing itself from, on the one hand, the reproduced deeply-felt emotional involvement, and hot-bloodedly presented rather vivid example can be found in Stanley Kubrick’s screen ad- rhetorical gesture that has devolved into a mere label, and on the acts of persuasion are possibly motivated by fearful timidity, if aptation of the novel A Clockwork Orange, wherein Beethoven’s Between July 17 th and 31 st 2010, these resources will be available other hand from a rigidly hierarchical notion of structure); such a precisely the divergence of emotion and emotional expression is 9th symphony is forcefully associated with violence. The conflict every day from 9 a.m. to 9 p.m. to anyone who desires encounters figure, formed out of a circular motion and registral filters in his what makes emotional life and experience so variable and multi- is aggravated by the fact that for Alex (the main character) Beet­ and an unregulated, self-organizing exchange of ideas, knowledge composition Lemma-Icon-Epigram; the mimetic recitative in the faceted—why should art then be interested in an agreement be- hoven’s music was »…bliss! Bliss and heaven!« so projecting vio- and experiences. The spaces available for the project simultane- first movement of Beethoven’s Tempest Sonata, as well as the pro- tween the two? Should it not rather emphasize their divergence, lent images while playing Beethoven created within him a con- ously constitute the catalyst and the desideratum: a catalyst found structure that precedes and follows it; the pregnant pauses and highlight their non-identity through the interplay of expres- flict that was tantamount to torture. Exploring the possibilities of in functioning as a means of simplifying and accelerating knowl- of the Pastorale; and even John Cage’s fundamental abrogation of sion signifiers and signifieds? musical association at this level can be also a means of exploring edge transfer, and a desideratum in the sense of »a required object all musical meaning in his conversation with Richard Kostelan- If so, this could form the basis for a reevaluation of artistic the depths of the human psyche. The traditional approach to mu- that is absent from a given environment and more or less urgently etz—these all form a little collection of randomly chosen edge means favoring those that tend towards divergence. The initial sical expression is that of »emotivism«, which explores the possi- desired.«30 and node points in that fabric of expression, and could act as a situation proves extremely favorable for music, especially through- bilities of musical expression mainly by observing its effects on Time and again in the history of the Darmstadt Summer point of departure for further discussion in Darmstadt (perhaps composed instrumental music! The distances found within it are the listener. »Cognitivism«, however, (developed by Peter Kivy of Course, a need has been expressed for a forum independent of the still the best place—despite all the opportunism and deformation particularly far-reaching. The encoding and decoding of music; Rutgers University) states that the properties of music are intrinsic hierarchies and planning constraints of standard teaching struc- professionelle—for this kind of discursive work to take place among the distinction between composer and performer; the performer’s to music itself and are not dispositions to be aroused in the emo- tures, and generally for a higher degree of self-determination on composers, theorists, and performers): transferal of the musical idea to the mechanics of the instrument, tions of the listener. Although I feel more inclined to the latter, the students’ part—not only in 1970, when the conflict between »I’m always amazed when people say, ›Do you mean it’s just whose mastery requires a specialized learning process; the tempo- both are equally troubling to me. How can we determine what is students and professors culminated in a »failed revolution«26 that sounds?‹ How they can imagine that it’s anything but sounds is ral and spatial distance between sonic invention, formulation and intrinsic without human observation? This would be possible if decisively influenced the decision to adjust the course to a biennial what’s so mysterious.« realization—these lead to a gain in expressive differentiation. Even we were to isolate the properties of music from musical experi- rhythm. Even though the idea and conception of »Open Space« Hans Thomalla (b.1975 in Bonn) studied composition at the Conserva- in the case of singing, body and instrument are only seemingly ence, but I am afraid there is no way to achieve this. If we admit draw on other, as it were non-Darmstadt practices and discourses, tory of Music and the Performing Arts, Frankfurt. Afterwards he form a unity; this is equally true of author and performer in the that human observation is indispensable for determining the and even though my suggestion to Thomas Schäfer to realize an worked as a dramaturg and musical advisor for Stuttgart Opera, bet- case of improvisation, or of sonic invention and sonic result in properties of music, we face the inevitable risk of contaminating autonomous space precisely within the newly conceived ween 1999 and 2002. In 2002–2007 he continued his composition stu- . The distances are simply smaller. our assessment by the introduction of the human element with Darm­stadt Summer Course was unconnected to this background, dies as a DAAD laureate, working with Brian Ferneyhough at Stanford What applies in general reveals itself paradigmatically in mu- all its flaws, prejudices, expectations and associations. On the oth- this project can nonetheless be understood as an indirect response University, where he received his D.M.A. Since September 2007 he is a sic: expression does not exist in an immediate form. Expression is er hand, if we fully embrace emotivism, we are also faced with its to a latent Darmstadt desideratum. professor of composition at Northwestern University in Chicago. always mediated and indirect. The (present) emotional experience all-encompassing relativism. Music is an incredibly broad mani- The paradox inherent in the project lies in the fact that, apart of art results from (past) experiences! festation and it does not have a set of narrow codes like languages from its material properties, it eludes any advance description. ROBIN HOFFMANN Robin Hoffmann (b.1970 in Bielefeld) studied composition and guitar do. The act of creating, reproducing and listening to music cannot What will happen in »Open Space,« which processes it will cata- in Essen and in Frankfurt am Main. Since 2005 he is a lecturer in music be compared to a process of communication as understood by lin- lytically enable or support, cannot and should not be determined Having Expression—Making an Impression What is in- theory at the Conservatory of Music and the Performing Arts, Frank- guists, for whom the main purpose is to transmit a single message in advance. Entirely devoted to the generative, it is initially open volved in creating a »good impression« on someone? Is it impor- furt. Along with compositions for various instrumental and vocal as clearly as possible from a source to a receiver. In music, the in its content and form. Its content and forms will only be gener- tant (to me)? What expression do I use to »make« an impression? forces he has produced interdisciplinary works with visual artists, source (composer), message (musical composition) and receiver (lis- ated through its use—or they will not. In this sense one can list What do I find impressive? Do I doubt my presence—am I ex- writers, and dancers. Last but not least engaged as speaker, noisema- tener) can function independently, and although we are certain further metaphors: »Open Space« understands itself as a gener- pressive (enough)? We train our own expression through acting ker, or whistler (with Klangforum Wien, Ensemble Modern, Frankfurt that something is being transmitted or expressed, there is no cer- ator that converts »encounter energy« into other forms of ener- exercises—and what impression »sticks«…! Opera, and others). Co-founder and current chair of the Frankfurter tainty that an agreement will be reached over what it is that is gy, and as an instrument that can be used to achieve the most This online course description of a life, image and style con- Gesellschaft für Neue Musik. being expressed. It cannot be denied that music does indeed trans- varied (sonic) results or lend presence to their absence. sultancy firm quoted above may leave some readers with a bitter mit something, that it expresses something. Taking the opposite aftertaste due to its technocratic approach to elements of commu- JIMMY LÓPEZ stance is counter-intuitive and is based more on rational con- nication for the sake of optimizing emotional profit. Ultimately, structs than on direct experience. Music’s power of expression ap- Position however, it simply exploits a phenomenon adults deal with on a The act of musical creation is an act of expression regardless of peals to me greatly, but the question of what it does express will daily basis: the decoupling of emotion and emotional expression, whether the creator wants to express something or not. The com- very likely remain with more than one answer. Despite its openness, which specifically emphasizes potentiality, and the accompanying, socially indispensable emotional control. poser is not always conscious of what it is he wants to express; he Jimmy López (b.1978 in Lima) studied with Enrique Iturriaga at the Nati- »Open Space« has a clear conceptual and methodological position. Only for an infant do hunger and crying, a feeling and its ex- might not be even aware that he wants to express anything at all. onal Conservatory in Lima (1998–2000) and with Veli-Matti Puumala In order to embed the project referentially, I shall list a series of pression, form a unity. Very soon, however, it learns to use the Regardless of the composer’s intention or lack thereof, the listener and Eero Hämeeniemi at the Sibelius Academy in Helsinki (2000–2007). terms whose development is indebted to political philosophy, In- expression independently of the feeling: it cries without being might experience an emotional reaction while listening to his His works have been performed by the Chicago Symphony Orchestra, ternet culture and artistic as well as scientific discourses: hungry, precisely because its mother is there! At that moment, music—in which case one could reach the conclusion that music the Saint Paul Chamber Orchestra and the National Symphony Orches- Open Source: intended here in a wider sense (beyond the 14 expression becomes a communicative tool. It is no longer identi- is capable of expressing something all on its own. If the composer tra Perú. He founded the kohoBeat music collective in Finland. López narrower meaning of open source software) as a practice-relevant cal with the feeling it purports to convey. embarks on a mission to deliberately express a specific idea or is a doctoral student of Edmund Campion at the University of Califor- stance that propagates public and free access to knowledge and The common notion of »personal authenticity,« a equivalence emotion through music alone, he will most likely fail, because nia, Berkeley. information, as well as realizing participatory models of produc- of externally perceptible emotional reactions and the feelings music is flexible enough to allow for a great number of interpreta- tion and collaborative development. 78 79

Peer-to-peer (P2P) : likewise taken from the field of compu- ly constitutive, shaping and limiting influences start from the ele- that is supported by communications technology. 1, 23 Forms of ar- T h e P r o g r a m ter science, this term refers to a specific form of relational dynam- ments of the self-organizing system itself; order and increasing tistic cooperation based on self-organizing models of production o f » O p e n s Pa c e « ic. This dynamic is based on non-linear hierarchies and a free co- complexity are likewise born from within themselves. and decision-finding, finally, are becoming increasingly impor- operation between autonomous parties with equal rights with For a closer description of the general properties of self-organ- tant. 5, 6, 15, 21 The »Open Space« project positions itself at the intersection, so to reference to a shared, non-commercial goal. P2P practices mani- ized systems I shall quote from a medium that, as a user-generated The theoretical and practical exploration of the self-organiza- speak, of the philosophical, scientific, artistic, political, social and fest themselves primarily in three social processes: 27 peer pro- encyclopedia, is itself the result of self-organized editorial proc- tion phenomenon is involuntarily confronted with the both fun- educational concepts and practices outlined here. One of its cen- duction as an open, collaborative production of freely accessi- esses—Wikipedia: Self-organized systems normally have four damental and dizzying principle of reflexivity and circularity. tral concerns is to raise, in the most diverse possible ways, the ques- ble utility values; peer governance, the way in which these properties: Thinking about self-organization naturally means thinking about tion of how far these concepts and practices might be usable and production processes are managed; and peer property, which sub- 1. cOmplexity: they are complex if their parts are interconnected circuits, and about causal chains that lead back into themselves; applicable in the context of contemporary musical production. sumes the modes of distribution of peer products, as well as new through reciprocal, constantly changing relationships. The parts it is thus a circulation-oriented thought that not only deepens our At the start of this text we spoke of the undefined content of forms of non-exclusive property, while recognizing individual themselves can equally change at any time. […] understanding of complexity, but has also changed our own self- »Open Space«—this is only partly true. To give the project a di- 3, 10 authorship. The term P2P is also applied to egalitarian socio- 2. self-referentiality: self-organizing systems are self-referential image as humans. Breaking open the classical subject-object rela- rection in keeping with its initial conceptual considerations, a 2 political networks enabled by Internet technology. and operationally closed. This means that »all system behavior af- tion, it makes the individual become an observer who, through number of impulses have been planned that are to lead to further A further term associated with the concerns of »Open Space« fects the system itself and becomes the starting point for further his self-observation—pardon the inescapable tautology—, be- reflections and activities. Thus the project will feature guest pro- is that of collective intelligence. This refers to the emer- behavior.« Operationally closed systems do not act on the basis of comes an observer of the observer, and thus an observer of the tagonists whose work is located within the space of thought and gent appearance of intelligent modes of behavior in a »superor- external environmental influences, but independently and on their observer observing himself, ad infinitum. The effects of this per- action described here. The program, intended as a stimulus for ganism« comprising numerous individuals, be they humans or own responsibility. […] spective, with its increasing awareness of circularity, cannot be »Open Space,« will consist of workshops, lectures, conversations 22 other animals, bacteria or artificial agents in computer networks. 3. redundancy: in self-organizing systems there is no fundamental overestimated in their significance. Whether in ecology, mathe- and presentations that will be announced in due time. The true Because of its overarching properties, the systems-theoretical separation between organizing, shaping or guiding parts. All parts of matics, biology, computer technology, neuroscience or philo- program of »Open Space« will only be inscribed upon it dur- concept of self-organization is especially relevant to the the system potentially shape it. sophical concepts like Constructivism, there are numerous traces ing the course itself, however. The true content of this project— »Open Space« project. It will therefore be examined more closely 4. aUtonomy: self-organizing systems are autonomous if the rela- of the thought that, one could say, emerged with the (re-)discov- the concrete manifestations of its potentiality—will be evident at in the following. tionships and interactions that define the system as a unity are only ery of the self-organization principle in the late 1940s. the end of each day, as it were a posteriori: as the result of the Finally, »Open Space« is rooted in two philosophical texts: The determined by the system itself. Autonomy only concerns particular The justification for these remarks—which, given the com- self-organizing initiatives, interests and needs of all participants 17 Ignorant Schoolmaster by Jacques Rancière and A Grammar of the criteria, as a relationship of material and energetic exchange with plexity of the matter, are negligently short—is that they seek to of the Darmstadt Summer Course. But, whatever happens, the 25 28 Multitude by Paolo Virno. While Virno’s concept of the multi- the environment continues to exist. clarify a connection that is of immediate relevance to the »Open events that will have taken place in »Open Space« by August 1st tude offers elaborated analytical tools for an understanding of cur- Space« project: all the aforementioned concepts and practices in- will be a sort of fingerprint of the 45th International Summer rent living and working conditions in post-Fordism, Rancière’s The exploration of self-organization was one of the central con- forming this project are based on a current, contemporary Course for New Music and its internal dynamics. Five lessons in intellectual emancipation constitute a possible philo- cerns of cybernetics after the Second World War, 4 and underwent understanding of the properties of complex systems as self-organ- sophical foundation for a different way of thinking about train- differentiation and expansion via the systems theory of the 1960s izing phenomena. In other words, they are characterized by a ing, education and self-education. Both texts are eminently im- before arriving today’s theory of complex dynamical systems. 13 mentality that comes from a differentiated understanding of Organizational Aspects portant, not least for current artistic and intellectual practice, and The transfer of the term to artistic and political contexts, however, the complex relationship between the system and its parts—a of »Open Space« will therefore be discussed in »Open Space« and presented, in resulted in a metaphorization which makes it difficult to provide mentality that attempts to reevaluate autonomy and dependency fragments, in the appendix to this text. a strict definition. Being highly context-dependent, self-organiza- of the individual in a complex systemic context, and to draw Principles of self-organization will be applied in the operative tion as a thought model becomes both the point of departure and proactive conclusions from this. Looking at chemo-physical, bio- handling of the eight spaces in the Mornewegschule: all resour­- the goal of very different projects and initiatives. In the political logical, societal, social and mental phenomena in the light of self- ces of »Open Space« are freely available and open to temporary Self-Organization context, for example, self-organization often refers to a way of or- organization—as an affirmative hypothesis could posit—makes appropriation for activities of every legal kind—thought experi- as a Space of Action dering one’s life according to flexible, self-determined agreements, new connections and contexts visible, and creates an altered ments, conversations, discussions, lectures, presentations, film and overlaps in some areas with the concept of autonomy. In the awareness of the human individual and its embeddedness in com- showings, rehearsals and concerts are just some of the possible Introduced into the modern scientific discourse during the late context of social and artistic networks, the term usually applies to plex systemic contexts that enables different ways of viewing and ways to exchange knowledge and experience that »Open Space« 1940s, self-organization has developed from a technical term in the organizational form of groups or initiatives that are independ- acting. 8, 11, 12 For the term »self-organization« directs the attention seeks to enable and encourage. »Open Space« exists through the cybernetics to a central concept in the natural sciences, the social ent of institutional or corporate structures, are non-hierarchically not least to the »self« in relation to organization. The con- activities that take place within it. science and the humanities 19 that is also exerting increasing influ- organized, and carry out participatory decision-making process- text described here—and thus the »Open Space« project to which »Open Space« is non-institutional, which means that no »staff« ence on artistic discourses and practices. The concept is at the es. 20 In the education context, the term usually relates to alterna- it belongs—thus invites participants to think in different ways are assigned to the spaces. Information and marginal assistance center of a wide-branched formation of theories that attempts de- tive, non-school models for learning and training based on and about organization itself: about the way we organize ourselves, are offered, but the organization, announcement and realization scriptively to do justice the properties of complex systems. As a geared towards the self-motivation, self-determination and self- our discourses, our activities and our surroundings. But organ- of activities is exclusively the responsibility of the respective ini- central term in systems theory, self-organization refers to the de- empowerment of the individual.17, 24 In the contemporary term izing—and this is where one of countless circles closes—means tiators. »Open Space« is public, meaning that all activities organ- velopment of increasingly complex structures in systems of what- »self-education,« the somewhat isolationist nimbus of traditional acting.11 In this sense, »Open Space« understands itself as a space ized within it will be publicly announced in a calendar system, 0 ever kind, without any identifiable external determinant: formal- autodidacticism gives way to an interactive practice of learning of action. and will be open to the public. 80 81 The Ignorant S c h ool m a s t e r

Extracts from Jacques Rancière’s Five Lessons in what an intelligence can do when it considers itself equal to any Intellectual Emancipation1 other and considers any other equal to itself. […] 7 Power cannot be divided up. There is only one power, that of saying and speaking, of paying attention to what one sees and says. So the logic of explication calls for the principle of a regression ad One learns sentences and more sentences; one discovers facts, that infinitum: there is no reason for the redoubling of reasoning ever is, relations between things, and still other relations that are all of to stop. What brings an end to the regression and gives the system the same nature; one learns to combine letters, words, sentences, »Open Space« is non-hierarchical. This means that the hierarchy a foundation is simply that the explicator is the sole judge of the ideas. It will not be said that one has acquired science, that one between teachers and learners does not exist within it. point when the explication is itself explicated. He is the sole judge knows truth or has become a genius. But it will be known that, in There are three simple rules for the use of »Open Space«: 29 of that, in itself, dizzying question: has the student understood the the intellectual order, one can do what any man can do. This is 1 dOn’t leave traces. reasonings that teach him to understand the reasonings? 2 […] what everything is in everything means: the tautology 2 make things possible for others. The revelation that came to Joseph Jacotot amounts to this: of power. 8 […] Intelligence is attention and research before being a 3 the doer decides. the logic of the xplicative system had to be overturned. Explica- combination of ideas. Will is the power to be moved, to act by its tion is not necessary to remedy an incapacity to understand. On own movement, before being an instance of choice. It is this fun- the contrary, that very incapacity provides the structuring fiction damental turnaround that the new reversal of the definition of 9 Further reading, associated projects, notes 0 The calendar for 1991). 18 Jacques Rancière: The Emancipated Spectator, trans. Richard Steurer, of the explicative conception of the world. It s the explicator who man records: man is a will served by an intelligence. […] »Open Space Darmstadt 2010« can be viewed at www.internationales-musikinstitut.de. ed. Peter Engelmann (London & New York: Verso Books, 2009). 19 Selbstorganisation: needs the incapable and not the other way around; it is he who What interests us is the exploration of the powers of any man 1 AAAARG.ORG | http://a.aaaarg.org: During the writing of this text, the Internet Ein Denksystem für Natur und Gesellschaft, ed. Alexandra Margarete Freund, Marc-Thorsten constitutes the incapable as such. To explain something to some- when he judges himself equal to anyone else and judges everyone platform AAAARG was taken down; hence this note acts as an epitaph in the hope of a reactiva- Hütt and Milo Vec (Cologne/Weimar/Vienna: Böhlau, 2006). 20 Self-Organisation: one is first of all to show him that he cannot understand it by else equal to him. By the will we mean that self-reflection by the tion of this wonderful online library, or the foundation of a similar one. 2 Michel Counter-Economic Strategies, ed. Nifca, Will Bradley, Mika Hannula, Cristina Ricupero and himself. Before being the act of the pedagogue, explication is the reasonable being who knows himself in the act. It is this thresh- Bauwens, P2P and Human Evolution. Peer to peer as the premise of a new mode of civilization Superflex (New York & Berlin: Sternberg Press, 2006). 21 Six Mois Un Lieu — myth of pedagogy, the parable of a world divided into knowing old of rationality, this consciousness of and esteem for the self as a (http://www.networkcultures.org/weblog/archives/P2P_essay.pdf). 3 C r e at i v e 6M1L | www.6m1l.com 22 James Surowiecki, The Wisdom of Crowds. Why the minds and ignorant ones, ripe minds and immature ones, the ca- reasonable being acting, that nourishes the movement of the in- Commons | http://creativecommons.org 4 Cybernetics | Kybernetik. The Macy-Con- Many Are Smarter Than the Few and How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies pable and the incapable, the intelligent and the stupid. […] The telligence. The reasonable being os first of all a being who knows 10 ferences 1946–1953, vol 1: Transactions/Protokolle; vol. 2: Essays and Documents/Essays und Doku- and Nations (New York: Doubleday Books, 2004). 23 The Public School | http:// pedagogical myth, we said, divides the world into two. More pre- his power, who doesn’t lie to himself about it. […] mente, ed. Claus Pias (Zurich & Berlin: diaphanes, 2003/2004). 5 everybodys | thepublicschool.org 24 TkH — Centre for Performing Arts Theory, cisely, it divides intelligence into two. It says that there is an infe- We can thus dream of a society of the emancipated that would www.everybodystoolbox.net 6 everybodys self interviews, ed. Mette Ingvartsen and Belgrad (www.tkh-generator.net), in particular the following editions of the TkH Journal for rior intelligence and a superior one. The former registers percep- be a society of artists. Such a society would repudiate the division Alice Chauchat. (Everybodys Publications, 2008, ISBN 978-1-4092-5669-4). 7 Heinz Performing Arts Theory (published by TkH — Centre for Performing Arts Theory and Practice tion by chance, retains them, interprets and repeats them empiri- between those who know and those who don’t, between this who von Foerster, Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke, ed. Siegfried J. Schmidt (Frank- & Bitef Theater): No. 11: Self-organization (2006); No. 14: Self-education: Self-managed Educational cally, within the closed circle of habit and need. […] The superior possess and those who don’t possess the property of intelligence. furt/Main: Suhrkamp, 1993). 8 Heinz von Foerster, Zirkuläre Kausalität. Die System in Art (s-o-s project) (November 2007); and No. 14: Self-education: Goat Tracks of Self-educa- intelligence knows things by reason, proceeds by method, from It would only know minds in action: people who do, who speak Anfänge einer Epistemologie der Verantwortung. In: Kybernethik (Berlin: Merve, 1993). 9 tion (January 2008). 25 Paolo Virno, A Grammar of the Multitude. For an Analysis the simple to the complex, from the part to the whole. It is this about what they are doing, and who thus transform all their Heinz von Foerster & Bernhard Pörksen, Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners: of Contemporary Forms of Life, trans. Isabelle Bertoletti, James Cascaito and Andrea Casson (Los intelligence that allows the master to transmit his knowledge by works into ways of demonstrating the humanity that is in them as Gespräche für Skeptiker (Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag, 2008). 10 GNU Op- Angeles: Semiotext(e), 2004). 26 Dokumentation einer misslungenen Revolution. Interna- adapting it to the intellectual capacities of the student and allows in everyone. Such people would know that no one is born with erating Systems | www.gnu.org 11 Humberto M. Maturana & Bern- tionale Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt, 23. August bis 4. September 1970 (D 1971), WDR televi- him to verify that the student has satisfactorily understood what more intelligence than his neighbor, that the superiority that hard Pörksen, Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens (Heidelberg: sion documentary by Hans G. Helms (unfortunately not viewable for legal reasons). he learned. Such is the principle of explication. From this point someone might manifest is only the fruit of as tenacious an appli- Carl-Auer-Systeme Verlag, 2002). 12 Humberto M. Maturana & Francisco 27 Article »Peer-to-peer (meme)«, in Wikipedia, The Free Encyclopedia (http://en.wikipe- on, for Jacotot, such will be the principle of enforced stulti- cation to work with words as another might show to working 3 J. Varela, Tree of Knowledge. The Biological Roots of Human Understanding (Boston & London: dia.org). Date of last revision: 17. April 2010. 28 Article »Selbstorganisation« fication. […] with tools; that the inferiority of someone else is the consequence Shambhala Publications, 1998). 13 Melanie Mitchell, Complexity: A Guided Tour (German), in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (http://de.wikipedia.org.). Date of last revision: Wasn’t it necessary to overturn the admissible order of of circumstances that didn’t compel him to seek harder. In short, (Oxford University Press, 2009). 14 Open Source Initiative | www.opensource. April 24th 2010. 29 These are based on those of the Performing Art Forum intellec­tual values? Wasn’t that shameful method of the riddle they would know that the perfection someone directs toward his org 15 PAF (Performing Arts Forum) | www.pa-f.net 16 Bern- (PAF, www.pa-f.net) in St. Erme, France, founded in 2006 by Jan Ritsema, one of the guests at the true movement of human intellicence taking possession of its own art is no more than the particular application of the power 4 hard Pörksen: Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche für Skeptiker. (Heidelberg: Carl- »Open Space«. 30 Article »Desiderat« (German), in Wikipedia, Die freie Enzyklo­ own power? […] common to all reasonable beings, the one that each person feels Auer-Systeme Verlag, 2002). 17 Jacques Rancière, The Ignorant Schoolmaster: pädie (http://de.wikipedia.org). Date of last revision: February 1st 2010. There is stultification whenever one intelligence is subordi- when he withdraws into that privacy of consciousness where ly- 11 Five Lessons in Intellectual Emancipation, trans. and intr. Kristin Ross (Stanford University Press, nated to another. A person […] may need a master when his own ing makes no sense. […] will is not strong enough to set him on track and keep him there. Reason begins when discourses organized with the goal of be- But that subjection is purely one of will over will. It becomes stul- ing right cease, begins when equality is recognized: not an equality tification when it links an intelligence to another intelligence. In decreed by law of force, not a passively received equality, but an the act of teaching and learning there are two wills and two intel- equality in act, verified, at each step by those marchers who, in ligences. We will call their coincidence stultification. 5 […] their constant attention to themselves and in their endless revolv- Whoever teaches without emancipating stultifies. And who- ing around the truth, find the right sentences to makes themselves 12 Berno Odo Polzer (b.1974 in Bregenz) is a curator and dramaturg in ever emancipates doesn’t have to worry about what the emanci- understood by others. […] the areas of contemporary music, dance, and performance. Most re- pated person learns. He will learn what he wants, nothing maybe. cently artistic director of the festival Wien Modern, he now works He will know he can learn because the same intelligence is at work REFERENCE 1 Jacques Rancière, The Ignorant Schoolmaster. Five Lessons in In- out of Brussels and Vienna as a freelance curator (among others, in all the productions of the human mind, and a man can always tellectual Emancipation, trans., with an Introduction, by Kristin Ross. Stanford University Press, 6 with the Alte Oper, Frankfurt, and the Dialogues Festival Salzburg). understand another man’s words. […] Stanford 1991. Page numbers of quotations 2 p. 4f.; 3 p. 6f.; He is currently at work on a research project around the phenome- Essentially, what an emancipated person can do is be an eman- 4 p. 10; 5 p. 13; 6 p. 18; 7 p. 39; 8 p. 26; nology of circularity. cipator: to give, not the key to knowledge, but the consciousness of 9 p. 54; 10 p. 56f.; 11 p. 71; 12 p. 72. Bernhard Pörksen T h e t h e d i a LO g i c Multitude PRINCIPLE

Extracts from Paolo Virno’s A Grammar of the tive faculties common to the species, by the general intel- W h at h a pp e n s w h e n o n e t r a n s f o r m s t h e o r i e s o f inescapable subjectivity of meanings. Viewed in this manner, Multitude. For an Analysis of Contemporary Forms lect. It has to do with a unity/universality which is visibly un- s e l f - o r g a n i z at i o n i n to a p r a c t i c e o f t e a c h i n g a n d non-understanding is really the unnoticed rule; one simply floats of Life1 like that of the state. Let us be clear: the cognitive-linguistic habits learning? An essay on constructivism and commu- along, not even realizing how little one knows and understands of of the species do not come to the forefront because someone de- n i c at i o n , v a r i a n t s o f l istening and the n o r m a l i t y another. Only when we visibly fail to understand one another do Multitude is the form of social and political existence of the many, cides to make them come to the forefront; they do so out of neces- of misunderstanding. we understand that we have not understood one another. For seen as being many: a permanent form, not an episodic or intersti- sity, or because they constitute a form of protection in a society teaching, this means that one must find means and ways to make 2 9 tial form. […] devoid of substantial communities (or of »special places«). […] the improbability of successful communication at least more The contemporary multitude […] occupies a middle region be- The general intellect manifests itself today, above F r o m t h e T e a c h i n g Pa r a d i g m probable. It is important to take one’s cues from the learner’s real- tween »individual and collective;« for the multitude, then, the all, as the communication, abstraction, self-reflection of living to the Learning Paradigm ity, to take that as the point of departure, and to formulate ideas in distinction between »public« and »private« is in on way validated. subjects. 10 […] a mixed language based on necessary adaptation and equally nec- And it is precisely because of the dissolution of the coupling of The »life of the mind« is the one that lies beneath the mode of The first, and perhaps most important, reorientation necessary for essary technical independence. The central question is: how, de- these terms, for so long held to be obvious, that one can no longer being of the multitude. […] The movement to the forefront on the a teacher who takes the constructivist theory of self-organization spite the autonomy of the realizer, are functionally adequate in- speak of a people converging into the unity of a state. While part of the intellect as such, the fact that the most general and ab- seriously and transforms it into a fundamental maxim of com- spirations and irritations possible? The answer is by necessity a one does not wish to sing out-of-tune melodies in the post-mod- stract linguistic structures are becoming instruments for orient- munication comes from the replacement of the teaching para- modest one: all that is possible is to give the student, following his ern style (»multiplicity is good, unity is the disaster to beware of«), it ing one’s own conduct—this situation, in my opinion, is one of digm by the learning paradigm. In the teaching par- language and his logic, opportunities that present him with rea- is necessary, however, to recognize that the multitude does not the conditions which define the contemporary multitude. 11 […] adigm, someone in a position of knowledge gradually changes sons to adjust to new circumstances, and thus change himself clash with the One; rather, it redefines it. Even the many need a The public intellect is the unifying base from which there the unknowing audience into a knowing community. He knows (Bardmann/Groth 2001, p. 15). form of unity, of being a One. But here is the point: this unity is can spring forth either forms of ghastly protection or forms of what content needs to be communicated, he knows the best way no longer the State; rather, it is language, intellect, the communal protection capable of achieving a real sense of comfort (according to present it, he breaks up the store of knowledge into digestible faculties of the human race. The One is no longer a promise, it to the degree in which […] they safeguard us from the former forms portions, gradually raises the level, and climbs from simple reflec- Variants is a premise. Unity is no longer something (the State, the sover- of protection). The public intellect which the multitude draws tions to complex trains of thought. In this game, the learner plays of Listening eign) towards which things converge, as in the case of the people; upon is the point of departure for opposing developments. When the part of the passive recipient; he listens, takes notes and tries to rather, it is taken for granted, as a background or a necessary pre- the fundamental abilities of the human being (thought, language, follow what the teacher says and means. Finally the knowledge is As a teacher who creates these opportunities for self-change condition. The many must be thought of as the individualization self-reflection, the capacity for learning) come to the forefront, repeated, with the inevitable test, the examination, and then the through direct interaction, one must learn to listen in a very par- of the universal, of the generic, of the shared experience. Thus, in the situation can take on a disquieting and oppressive appearance; grade. The hidden epistemology of such an approach consists in ticular fashion. One often listens in a way influenced by whether a symmetric manner, we must conceive of a One which, far from or it can even give way to a non-public public sphere, to a non- the belief that there are general principles of dictating the best one agrees with the other person, whether one finds what he being something conclusive, might be thought of as the base governmental public sphere, far from the myths and rituals of way to communicate material; one assumes that knowledge—in says pleasing, agreeable, true, plausible, etc. This kind of listening, which authorized differentiation or which allows for the politi- sovereignty. 12 […] the manner of substances like coffee or sugar—can be instilled in which examines each statement according to its subjectively felt cal-social existence of the many seen as being many. 3 […] The publicness of the intellect, that is to say the sharing of the the unknowing listener in order thus to save him from his raw, correctness, is naturally not what is meant here, for strictly speak- The many, in as much as they are many, are those who intellect, in one sense causes every rigid division of labor to fall still uneducated state. The task of the learner, then, is to store this ing, one is listening not so much to the other person as primari- share the feeling of »not feeling at home« and who, in fact, place flat on its back; in another sense, however, it fosters personal de- knowledge, separated off from all persons and acts, in his memory. ly—or exclusively—to oneself. One’s own system and the respec- this experience at the center of their own social and political prax- pendency. General Intellect, the end of the division of labor, per- Here knowledge, as immediately becomes apparent, is a transfer- tive mental model of preferences, interests and aversions act as is. 4 […] sonal dependency: the three facets are interrelated. The public- able, reified thought result, not a thought event; it is not tied to filters: the greater the agreement with one’s own model for con- Being a stranger, that is to say »not-feeling-at-home« is today a ness of the intellect, when it does not take place in a public sphere, human beings, not connected to an observer, nor related to a par- structing reality, the more usable and true one then finds what condition common to many, an inescapable and shared condition. translates into an unchecked proliferation of hierarchies as ticular situation or atmosphere that gives this knowledge life, and one hears, and the greater the degree of harmony in the conver­ So then, those who do not feel at home, in order to get a sense of groundless as they are thriving. The dependency is personal in thus real use in the first place( Foerster/Pörksen 1998, pp. 65ff.). sation. The constructivistically informed way of listening is no orientation and to protect themselves, must turn to the »common two senses of the word: in the world of labor one depends on Constructivism fundamentally goes against such a view, longer based primarily on how far what the other person says places,« or to the most general categories of the linguistic intellect this person or on that person, not on rules endowed with with which deals with a simple, well-proportioned knowledge transfer: corresponds to one’s own thoughts; agreement is no longer cen­- […] 5 anonymous coercive power; moreover, it is the whole person who the one who is meant to learn moves to the foreground as the tral. Instead, in an act of non-egocentric attentiveness, one seeks The multitude of those »without a home« places its trust in is subdued, the person’s basic communicative and cognitive hab- active, autonomous constructor. One of constructivism’s central to find out in what area the other person’s statements are valid. the intellect, in the »common places:« in its own way, then, it is a its. 13 […] tenets is that learning cannot be produced, only enabled. The Under what conditions do they apply? In which world are they multitude of thinkers (even of these thinkers have only an elemen- teacher creates an environment, creates conditions in which even relevant? What are the internal criteria for deciding on the valid- tary school education and never read a book, not even under people generally resistant to fascination can show enthusiasm if ity of what is said? Is it true based on these exact criteria of vali­ 6 torture). […] REFERENCE 1 Paolo Virno, A Grammar of the Multitude. For an Analysis of something succeeds. The principle of knowledge transfer, which dation? By listening and asking in this manner one becomes ac- Those »without a home« have no choice but to behave like Contemporary Forms of Life, trans. from the Italian: Isabelle Bertoletti, James Cascaito, Andrea schematically places an active transmitter opposite a passive re- quainted with the other person, the way they listen, or also why thinkers: not in order for them to learn something about biology Casson. Semiotext(e), Los Angeles 2004. Page numbers of quotations 2 p. ceiver, gives way to the rather unpleasant realization that knowl- they might refuse to engage. Here too one takes the observation a or advanced mathematics, but because they turn to most essential 21; 3 p. 25; 4 p. 35; 5 p. 38; 6 p. 39; 7 p. 38; edge cannot simply be transferred, only individually created. It little further, embeds the concept of listening in a reflexive categories of the abstract intellect in order to protect themselves 8 p. 37; 9 p. 42; 10 p. 65; 11 p. 37; 12 p. 40; seems impossible to expect that a statement made by one person thought figure, and, in a further step, trains oneself to listen from the blows of random chance, in order to take refuge from 13 p. 41. will produce exactly the same thoughts and conceptual networks to listening in order to find the conditions that must be given contingency and from the unforeseen. 7 […] which the speaker associates with it in another person. Commu- before another person is prepared to acknowledge what is said. The intellect as such, the pure intellect, becomes the concrete nication is never transport (Glasersfeld 2002, pp. 63f.). Transfer- This means that one becomes familiar with the person to whom compass wherever the substantial communities fail, and we are ence, transmission and receiver are misleading meta- one is supposed to teach something by—on a constructivist ba- always exposed to the world in its totality. 8 […] phors if one is dealing with conceptual content. From a construc- sis—listening to him and his listening in order to find out the The unity which the multitude has behind itself is constitut- tivist perspective, successful communication takes on an extreme- conditions for possible communicational barriers (Maturana/Pörk- ed by the »common places« of the mind, by the linguistic-cogni- ly improbable character; one constantly has to reckon with an sen 2002, pp. 136ff.). 84 85 Pierangelo Maset W r i t i n g a b ou t c O n t e m po r a r y A r t

T h e U n i v e r s a l i z at i o n mate of intellectual creativity. The core elements of this matrix York: de Gruyter), pp. 15–39. Humberto R. Maturana/Bernhard Pörksen Around the middle of the nineteenth century, Charles of the Dialogic Principle include the mutual concession of cognitive autonomy, the aban- (2002): Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens (Heidelberg: Carl-Auer-Sys- Baudelaire initiated important reflections on the donment of a trivial concept of information and knowledge trans- teme). Bernhard Pörksen (2002), Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche für justification of modern art criticism. He not only be- Moreover, I would suggest radically cultivating dialogue and fer, a different way of listening that—depending on the situation Skeptiker (Heidelberg: Carl-Auer-Systeme). Wilhelm Rotthaus (2000): Wozu er- lieved that an entertaining, poetic assessment of art making it the foundation for all speaking and writing. This is be- and needs—also adapt to the internally relevant criteria of the ziehen? Entwurf einer systemischen Erziehung (Heidelberg: Carl-Auer-Systeme). was the best, as »cold, algebraic criticism, under the cause a dialogic creation of knowledge strikes me as very effective, respective conversational partner. What is ultimately also signifi- pretext of explaining everything, knows neither love and because the spirit of conversation is especially congruent with cant is the rejection of an emphatic-realistic conception of truth nor hatred«1 —, but also offered a programmatic ex- the epistemology of constructivism and the mode of self-organi- and the general orientation towards conversation and dialogue, Bernhard Pörksen (B. 1969) is Professor of Media Science at the Univer- position of the mentality that would be appropriate zation. For what is a conversation? A conversation, when it suc- understood as modes of consideration for cognitive self-organiza- sity of Tübingen. His books on cybernetics, constructivism and theo- for a contemporary art criticism: ceeds, is always also the expression of the fundamental construc- tion. This results—in an ideal case, once again, and independently ries of self-organization (including Wahrheit ist die Erfindung eines tivist premise that there is no reality, only a multiverse of dif- of specific topics and individual disciplines—is a refinement of Lügners, written in collaboration with Heinz von Foerster, Die fering interpretations. One can disagree and argue, one can circle communicational ability that is equally significant for university Gewissheit der Ungewissheit and Vom Sein zum Tun, written in collab- »Concerning criticism in the true sense of the word, I hope the an insight that would otherwise, if presented by a single person, teachers and graduates in rapidly fluctuating employment sur- oration with Humberto Maturana) have been translated into numer- philosophical minds will understand me: to be justified, that is, to retain the appearance of general validity, from different angles roundings. This form of communicational ability is inevitably a ous languages. have a reason to exist, criticism must be partial, passionate and without aiming for a final harmony or a synthesis that conceals second-order skill; it is based on the observation of an observer, political; it must be practiced from one exclusive perspective, but its contradictions. The genesis and formulation of thoughts itself who can also be oneself. One reflects upon individual prejudices a perspective that opens up multiple horizons.«2 In this sense, the becomes the true standard for what is to be achieved. The gesture and aims, subjects one’s own basic distinctions to scrutiny, and work should lead via subjective observation and attitude to its ob- of an all-encompassing, unbroken presentation, which is always recognizes the internal consequences of the respective perception jectifiable content—a poetologically oriented stance whose basis necessary for ultimate truths and monolithic conceptual edifices, of reality. One follows the horizon of one’s conversational part- is less academic than artist-theoretical. It is a stance that has grown is thus disturbed. »The form,« as Heinz von Foerster writes, »is the ner, observes the ways in which he constructs reality—and varies deep roots in modern art criticism, and which shines through message and the message is the form: in a dialogue that one only one’s own communicational offers accordingly in order to formu- time and again in allegedly »scientific« texts. One must therefore accepts as a form if a particular message is meant to be produced, late as productively as possible, capture attention, and to initiate ask whether subjectivism in art criticism has now been overcome mutual connection and the wealth of possible realities become ex- and consolidate a dialogue. or whether, in a time when the art discourse seems largely to perience; one is no longer a neutral observer viewing a reality Naturally this all sounds very idealistic, perhaps especially for dominate the practice of art, it has rather survived in new guises. separated off from oneself and seemingly unchanging from a pe- readers who know the reality of academic life in this country Part of the answer is already contained in the question; the rest culiar locus observandi, free of personal influences or indi- from the inside. It seems to have little or nothing in common shall follow in the present text with reference to the constitution vidual taste. What we call reality becomes commonality, and sub- with the current university situation (in German-speaking coun- of today’s art system. sequently a community created together with others. (Foerster tries), which systematically deprives itself of necessary energy re- I would like to begin by inquiring as to the conditions of the 2002, p. 14). sources for research and teaching through hectic reform efforts possibility of writing about contemporary art. These were cer- Naturally the perhaps somewhat utopian university I am im- and contradictory definitions of goals. Such observations are no tainly very different in Baudelaire’s time; this writer of many tal- agining here, without regard for the reality of a mass industry, is reason for resigned silence, however, though they do change the ents was able to enter a fairly open field of artistic concepts, and not meant to be the site of constant conversations in the manner character of any more or less programmatically intended descrip- had a clear opponent in his sights in the form of academicism. In of a never-ending group therapy. I am, however, advocating a tion: they take on a utopian quality. They become one possibility today’s art field, however, where trends follow one another in universalization of the dialogic principle in or- of thinking and acting that draws its strength precisely from the quick succession and economic utilitarianism has established it- der to break up the harmful culture of mute listening, depressive contrast to what one experiences as reality on an everyday basis. self, the distinction between friend and foe has become far more silence and indifferent, fearful observation found in so many sem- difficult; it is »friendly fire« that has claimed the most victims. inars (Floyd 1996). In speaking of the universalization of Alain Badiou has described this impressively: »Contemporary the dialogic principle, I mean that even inevitably mon- Bibliography Theodor M. Bardmann/Torsten Groth (2001): »Die power, in the assurance it has of being able to control the entire ologic forms of presentation—such as lectures, essays, books, Organisation der Organisation. Eine Einleitung«, in: Theodor M. Bardmann/Torsten Groth expanse of the visible and the audible through commercial laws etc.—should be understood as dialogues from the speaker’s side, (eds.): Zirkuläre Positionen 3. Organisation, Management und Beratung (Wiesbaden: Westdeutscher of circulation, and democratic laws of communication, no longer as elements of an overarching conversation taking place in the Verlag), pp. 7–20. Christiane Floyd (1996): »Choices about Choices«, in: Systems has need of censorship. It says: ›Everything is possible,‹ which is university. Whoever looks for dialogue from the first sentence Research vol. 13 no. 3, pp. 262–270. Heinz von Foerster (1993): Wissen und Gewis- also to say that nothing is. To abandon oneself to this authoriza- 3 speaks and writes differently; he provokes strategically, he picks sen. Versuch einer Brücke, ed. Siegfried J. Schmidt (Frankfurt/Main: Suhrkamp). tion to enjoy is done to the detriment of art and of thought.« up his audience’s objections, acts within its horizon and noticea- Heinz von Foerster/Bernhard Pörksen (1998): Wahrheit ist die Erfindung eines bly seeks to engage his actual or imagined conversational partner. Lügners. Gespräche für Skeptiker (Heidelberg: Carl-Auer-Systeme). Heinz von Fo- The realities that have a legitimate presence in his presentation erster (2002): »Wirklichkeit entsteht im Dialog«, [interview by Bernhard Pörksen], in: die P r e c o n d i t i o n s f o r t h e are highly diverse ones. tageszeitung (October 7, 2002), Berlin, p. 14. Ernst von Glasersfeld (2002): Production of Texts on Art »Was im Kopf eines anderen vorgeht, können wir nie wissen«, in: Bernhard Pörksen: Die Gewissheit der Ungewissheit. Gespräche für Skeptiker (Heidelberg: Carl-Auer-Systeme, 2002), pp. Preconditions for the development of inquiries in the field of con- T h e R e f i n e m e n t o f O n e ’ s O w n 46–69. Wilhelm von Humboldt (1956): »Über die innere und äußere Organisa- temporary art are undoubtedly knowledge of and reflections on c O m m u n i c at i o n a l A b i l i t y tion der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin«, in: Die Idee der deutschen Universität. the following areas: 1. art history; 2. artistic concepts and their Die fünf Grundschriften aus der Zeit ihrer Neugründung durch klassischen Idealismus und romanti­ development; 3. theories of art; 4. knowledge of »art scenes« and These various attempts to connect constructivist postulates and schen Realismus (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft), pp. 377–386. Heinz 5. knowledge of contexts. Any »professional« writing on art can, didactic practice contain, albeit in the form of a rather crude L. Kretzenbacher (1995): »Wie durchsichtig ist die Sprache der Wissenschaften?«, in: at least, not do without these elements—which is not to say sketch, a communicative matrix that, in an ideal case, favors a cli- Heinz L. Kretzenbacher/Harald Weinrich (eds.): Linguistik der Wissenschaftssprache (Berlin/New that an »unprofessional« approach cannot generate any interest- 86 87

ing questions or answers. But contextual reflection is indispensa- closer intertwining of art and institutions. This is due on the one trolled one-sidedly by the policies of influential interest groups in ble for the critical attitude, and for an adequate degree of differen- hand to theoretical angles that negate the assumption of anything keeping with the respective mainstreams. tiation and precision. »outside« artistic practice, but on the other hand to a thoroughgo- The modern and postmodern of dissolution of art’s limits has Writing about art assumes an engagement with the content of ing economization of the art field; these are the decisive agents always been an ambiguous affair. Adorno noted at the start of his differing concepts of art, and, as writing about anything is a form in creating the symbolic and economic value of works of art in Aesthetic Theory 6 that the »sea of the formerly inconceivable«— of mediation, the question of what is to be conveyed to art institutions, not only in the sense of the »institutional theory the no longer limited possibilities of design and representation in 4 whom, and with what aims is equally central. of art« (see Dickie 1997 & 2001 ) , but also that of »field theory« (see art since the twentieth century—had led to new constraints. This 5 To write a text that receives recognition in the field of art, Bourdieu 2001 ) . Interestingly enough, this change is accompanied development is now complete: anything can become art, any ma- however, one must understand the rules and rituals that consti- by clear borrowings from earlier artistic positions, often with pro- terial or idea can become part of an artistic work; the only require- tute that field, as they are correspondingly selective in their ef- nounced cut-and-paste methods. ment is for it to be certified by established professionals. Here we fects. The decisive effects of writing about art are therefore by ne- Today the position of the artist in relation to the art institu- see a peculiar inversion of aesthetic autonomy: it has shifted from cessity selections—«fits/does not fit«—, regarding artists and their tion cannot be freed from a fundamental contradiction: that of the artists and works to those who control the art system, who use works as well as components of the discourse. Differing perspec- co-generating the representation or reproduction of the institu- this usurped autonomy—a consequence of total economization— tives in the examination of art result in differing inquiries and tion within the art field through artistic work that is critical of to create value in their own interests. They are supported in this motivations, which subsequently give rise to subjects and forms representation. There is a vast array of »critical« texts comment- by those who previously viewed the freedom of art with skepti- of writing about art. ing on this contradiction. Accordingly, numerous publishers and cism: the representatives of expert cultures, the ever-available dis- An approach to art defined more strongly by the subjective internet forums constantly and increasingly disseminate texts on course producers. It is hardly surprising, then, that curators and perspective thus leads to writing as a form of media- contemporary art and its intentions. One finds an incredible art critics have taken on increasing importance since the 1990s, tion, which in turn manifests itself in the most diverse public number of precisely constructed texts and monographs from the while artists are constantly confronted with new dependencies and private forms—from the feature article to the blogs of to- most varied academic perspectives—gender studies, postcolonial and—to put it harshly—have become the least important factor day—and is differentiated further according to the forms of dis- studies or world art studies—with references to such authors as of artistic production; for here too, it would meanwhile seem that tribution that are technically possible in each case. Lexical Michel Foucault, Judith Butler, Jacques Derrida, Julia Kristeva, before all works came the word. lemmata and articles, on the other hand, are more clearly Gilles Deleuze and many others; these form the kaleidoscope of Today the agents of the art system can rule their field with an defined by a neutral and objectifying mode of transmitting infor- today’s discourse on art. There is an enormous amount of critical autocracy matched only by members of Mafia clans. In addition, mation, likewise—as a rule—in catalogue articles. Art criti- theoretical production in the art field; its effects mostly contrib- they can simultaneously view themselves as »avant-garde,« as cism specific to the art market, however, is more strongly guided ute to its validation, for example when curators use theoretical they alone decide what can be considered advanced art in the art by interests. Here artistic works are declined using art-theoretical clichés to support their exhibition projects. Within the hermetic system. In this context the art-sociological thought of Niklas Luh- approaches in inquiries that are very much colored by trends, realm of the art field, even the most »critical« positions produce mann had an effect that was presumably unintended. In Die Kunst 7 scene attitudes and market mechanisms. Art theory should effects that have an extremely representative character. der Gesellschaft (The Art of Society) the sociologist formulated the —ideally—not allow itself to be influenced by such factors, but In part, contemporary art not only exposes itself to neo-liberal meanwhile widespread credo that defining what art is should be advance its conceptual developments independently; but this is immanence, but often actually conforms to it, thus counteracting left entirely to the art system. This was a dogma of far-reaching exactly where the current problem lies. In our times, we are deal- the very thing that characterizes the artistic-aesthetic mentality: importance, for it meant that only those who are defined as »be- ing with a widespread merging of art criticism and the art market its insistence on the potential for freedom, the achievement of dif- longing« decided what art is or could be, which has led to a com- resulting from the circumstance that art is now located within a ferent degrees of freedom through differential forms of thought plete dependence on the so-called »professionals« and their specu- fairly hermetic field in which a limited number of collectors, cu- and design. On the one hand, art yields othernesses in compari- lations. Writing about art then produces the effects required for rators, critics and theorists make the rules, and thus also have a son to purely instrumental products; on the other hand, it has oc- whatever self-fulfilling prophecy suits the interests of the domi- lasting influence on the development of art. Neither the art sys- cupied itself since modernity with constantly producing differ- nant actors in the art field. This has given rise to a hermetic sys- tem nor its subsystems are truly autonomous. The extent of its ence to itself and developing new »programs.« It would seem fea- tem where any independent critical examination of art ultimately Bibliography 1 Charles Baudelaire, »A quoi bon la critique?«, published economic permeation is so advanced that criticism must likewise sible for art to become a differential factor—and it has often ac­ seems the exception; art has become the pawn of hidden agendas. in German (no full English translation has been published) as »Wozu Kritik?«, in: Sämtliche serve these non-artistic interests if it is to have any chance at all. tually achieved this—to perforate the societal representation of Only an open political discourse can act against this and regain Werke/Briefe, vol.1 (Munich: Hanser, 1977), p. 196. 2 Ibid. 3 Alain Badi- meaning. This function has changed in today’s media society, lost autonomy, in the sense formulated by Jacques Rancière: »For ou: Polemics, trans. Steve Corcoran (London: Verso, 2006), p. 148. 4 George Dick- 8 however: what was once an interference factor has itself become a art to be art, it must be political.« To meet this standard for art in ie: The Art Circle: A Theory of Art, Chicago 1997 and Art and Value, Malden/ Oxford 2001. c O n d i t i o n s o f disciplining mainstream phenomenon. the age of its advancing self-reflection, however, a further thing is 5 Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst, Frankfurt/Main 2001. 6 the Art Field Whatever becomes visible in the art field is integrated into the required: writing about art. As this essay also shows, such writing Theodor W. Adorno: Aesthetic Theory, trans. Robert Hullot-Kentor (New York: Continu- system. All autonomous zones have either been absorbed into the demands a constant self-assessment in terms of its effects and con- um, 2004), p. 1. 7 Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft (Frankfurt/Main: For art that does not restrict itself to manufacturing improbably mainstream or exist in the ideas and discourses of those who man- ditions. In this sense the subjective voice is necessary in order to Suhrkamp, 1996). 8 Jacques Rancière: Ist Kunst widerständig? (Berlin: Merve, objects, but defines itself essentially as critical of representation age today’s contemporary art, not as »advanced« art, and are de- allow objective content to seep into the discourse. 2008). (in the sense of a critique of ideas, concepts and sign systems), it valued accordingly (put in the category of arts and crafts, for ex- has become difficult to assert itself in an art field that has drasti- ample). There are no objective criteria for what does or does not fit, Pierangelo Maset (b.1954 in Kassel), Studied art and visual communi- cally revaluated leitmotifs which art had worked through histori- however; the selection depends rather on interests and art-theo- cation, philosophy, English literature, and sociology in Kassel, Göt- cally. retical inclinations. tingen, Berlin, and Hamburg. Since 2001 he is a professor or art and While the art of the 1990s was defined by approaches that were This opens the doors for the culture of the »fake.« One can art curation at Lüneburg. Editor-in-Chief of the cultural periodical critical of institutions, participatory and interventionist, and pro- view that as the hip logic of art’s development, but it is simultane- DAS PLATEAU since 2006. In 2007 his novel »Laura oder die Tücken der duced their own fields of action and forms of distribution, the ously a problem for the sustainability of art, which is not so much Kunst« was nominated for the German Book Prize. Numerous publica- twenty-first century has brought another change with regard to a threatened by the dwindling of creative potential as rather con- tions in the areas of art, aesthetics, and curatorship. MICHAEL REBHAHN 88 89 C O n d e m n e d TO a d j e c t i VA L s tat U S ?

18 These tones say something wondrous, translation of one code into another, whereby the score is »ana- adjectival status? It looks that way. Even worse: in addition to the be criticized is successful art.« A (new) music criticism that takes but I know not what.1 lyzed« through the most adventurous-looking diagrams of letters fondness for exuberant predicates many journalistic efforts incor- its topic seriously is one which communicates the potential of Ludwig Wittgenstein and numbers. By dispensing with language, which could poten- porate bizarre stylisms which leave us uncertain whether they’re this art—the alternative perceptions of reality that it has to offer tially bring a discussion in gear, the conclusion is instead pre-or- to be taken as serious observations or as virtuosic persiflage. The —in a way that encourages debate. »A verbal bridge« is needed The transfigurations, platitudes, and surmises, which verbal ap- dained: what is the use of speculation, when such thorough dia- tools of this trade are, among others, the hankering for allitera- which »leads away from the central self-image of a culture to that proaches to music employ in attempts to square the circle, are in- grammatic »proofs« are possible? tion and dusty qualitatives 15 or attempts at as »original« a syntax ›fringe‹ where the artwork has constructed its vantage point.«19 separably connected to the history of talking and writing about Perhaps the music researcher who sees his calling in exploring as possible; in addition, there’s the implementation of suggestive Such a »bridge«, which stays abreast of the artwork’s content, music. Beginning with early romantic interpretations, which ele- the liquescences of the dialect of east Franconian chorales, or in yet hollow terms, which in the final analysis can come to mean calls for the establishment of precise terminological instruments, vate music to an untranslatable »language of angels«,2 and such assessing the function of the incomplete dominant ninth chord in both everything and nothing. with which the respective constitutive meanings and references of trivializations of music as a ›universal language‹ that needs no ex- the string quartets of Felix Draeseke, will not regard such scien- Perhaps it would be possible to overlook these quirky and the work can be verbalized. A connoisseurship of product-orient- planation, up to the laconic supposition that talking about music tific methods as deficient. But if the author is concerned with the vague formulations if the genre »music text« called forth the same ed lyricism will prove itself woefully inadequate; at best, it could is like »dancing about architecture«3, we see that such skepticism medial presence of musical discussions, and wishes to write and expectations as a gourmet travelogue of the Provence; if only the remain applicable by furnishing a counterexample: as long as this is part of our collective consciousness—even in those realms speak about music outside of academic circles, he will quickly re- external reception of the art form weren’t so closely connected to flowery phraseology that »plumbs the subcutaneously throbbing where one might have expected a firm dismissal: the realm of alize that the »technical jargon«9 is perhaps useful for giving a cer- writing and speaking about music. But that is why the contribu- layers of depth« persists in broadsheet rhetoric, it could evolve musicology. Hans Heinz Stuckenschmidt, for example, refers to tain erudite air to the occasional aside, but otherwise has little to tion of such decorative prattle, which undermines any opportu- into a system of »alarm codes« whose mere presence signals an art music as »a matter that actually defies description«4, Carl Dahl- offer. While the methodologies and terminologies of other hu- nity for meaningful discourse, proves so fatal—especially in those object which—at least in regard to its worldly relevance—can haus speaks of »the unshakable feeling that language remains in- manist disciplines allow for a certain degree of broader applicabil- places where more is at stake than merely revisiting an already safely be neglected. sufficient« and Günter Kleinen apodictically concludes that: »Mu- ity 10, the traditional practices of musicology are largely resistant canonized repertoire from a historical distance, where for exam- sic has a vocabulary without lexicographic meaning, and is thus to use outside of their original context. ple a contemporary artistic practice must be appraised and pre- 6 untranslatable.« So what is the fate of language which does attempt to express sented during its genesis. A writing plagued by such poeticizing Bibliography 1 Ludwig Wittgenstein: Philosophical Investigations, § 610, Indeed, when we look at the body of historical musicological something about music without resorting to self-referential posi- indifference, which always seems to encounter composers and Frankfurt/Main 1977, p. 251. 2 cf. Wilhelm Heinrich Wackenroder/ research, such misgivings seem to be confirmed: once the limits of tivism, jargon, or historicism?—»How does language go about it, performers in the act of »bending genres« or locates them in Ludwig Tieck: Phantasien über die Kunst (1799), ed. Wolfgang Nehring, Stuttgart 1994, p. 67. source-derived systematization and reductive applications of tech- then, when it is tasked with interpreting music?« asks Roland »boundary areas«, where they selectively »plumb layers of mean- 3 »Talking about music is like dancing about architecture.«—The authorship of this nical terminology have been reached, speechlessness seems to be Barthes in his essay The Grain of the Voice, and immediately deliv- ing«, »excavate internal spaces« or »question habits of listening« sentence is uncertain; attributed to, among others, Laurie Anderson, William S. Borroughs, 11 the rule. In light of this, it seems all the more amazing how indif- ers the succinct answer: »Obviously, rather badly.« What’s at in order to ultimately bring forth »lyric-acrobatic sfumati« seems Elvis Costello, Steve Martin, Thelonius Monk and Frank Zappa. 4 Hans Heinz ferently the musicological trade reacted to the apparent regression fault is the tendency to employ adjectives, the »poorest of linguis- unlikely to contribute to the sense that a given artistic endeavor Stuckenschmidt: »Was ist Musikkritik?«, in: Peter Hamm (ed.): Kritik — von wem/für 12 into material-oriented positivism (»woolgathering«, in the ver­ tic categories.« , which seem to be an obligatory part of each at- has even a modicum of meaningful experience to offer. wen/wie. Eine Selbstdarstellung deutscher Kritiker, Munich 31970, p. 79. 5 Carl Dahl- nacular) that dominated musical discourse by the end of World tempt to grasp musical matters in words: »The adjective is una- The antithesis of such an »applied poetics« would be writing haus: Klassische und romantische Musikästhetik, Laaber 1988, p. 68. 6 Günter War II—a development which lacked parallels in the historical voidable: the music is this, this interpretation is that. Once we el- about music which expressly investigates aesthetic concepts and Kleinen: Zur Psychologie musikalischen Verhaltens, Frankfurt/Main 1975, p. 67. 7 cf. and philological fields. Musicological research was characterized evate an art form to a topic (of an article, a conversation), then we motivations, and encounters the sensory with the conceptual, in- Walter Wiora: »Methodik der Musikwissenschaft«, in: Enzyklopädie der geisteswissenschaftli- by obsessive concentration on the editorial preparation of scores apparently are incapable of anything other than nesting it in stead of simply recounting the acoustic surface of the work or em- chen Arbeitsmethoden, 6th issue : Methoden der Kunst- und Musikwissenschaft, Munich/Vienna 1970, 13 and the establishment of an analytic-methodical apparatus that predicates [...].« If we believe Barthes, this situation is existen- ploying inflated terminology in order to flee into the realmof p. 97. 8 Hans Heinrich Eggebrecht: »Konzeptionen«, in: Bericht über den in- took the sheer identification of intramusical relationships to be tially compulsory—if we omit such attributes, then the only al- equivocation. Challenged by a contemporary music whose inno- ternationalen musikwissenschaftlichen Kongreß Bonn 1970, ed. Carl Dahlhaus et.al., Kassel 1971, p. its highest objective. This contributed to musicology’s increasing ternative is reticence: »Are we condemned to adjective? Are we vative potential can no longer just consist of the perpetuation of 649 9 Dahlhaus: Klassische und romantische Musikästhetik, p. 69. 10 14 isolation: the discursive potentials of the field could not be more really caught in this dilemma: predication or unspeakability?« an alleged »material progress«, there is no value in a descriptive For example, iconography methods in art history. 11 Roland Barthes: »Le modest than they are today. It is not uncommon to find critiques, reviews, work commen- approach that exhausts itself in mere illustrative prose. Consider grain de la voix« (1972), in: Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays Warnings about such degeneration were hardly lacking. As taries, or artists’ portraits whose tone leads us to suspect that Bar- Harry Lehmann’s theoretical model of a »new aesthetics of con­ III, Frankfurt/Main 1990, p. 269. 12 Ibid. 13 Ibid. 14 Ibid. p. 270. 16 early as 1970 Walter Wiora admonished his peers for »the substi- thes’s gloomy scenario has made the rounds in music journalism, tent« , according to which the oneupmanship of progressive ma- 15 Consider, for example, such revolting terms as »stupendous« and »fulminating«, tution of editing in place of thinking« and declared that »musicol- pushing them to new heights of athletic achievement: the authors terial hyperdifferentiation is suspended in favor of an emphasis which are rare enough outside of music-related texts to merit placement on an endangered spe- ogy must go beyond identification and seek to develop methods counter their horror vacui with a language which, to employ a on conceptual clarity. In comparison, the metaphorical predica- cies list. 16 cf. Harry Lehmann: »Avantgarde heute. Ein Theoriemodell der äs- 7 of reasoning, understanding, explaining, in short: of thinking.« well-meaning euphemism, could be described as »flowery.« tion of the music, the mere »recounting« of the sensory experi- thetischen Moderne«, in: Musik & Ästhetik, issue 38, Stuttgart 2006, p. 28ff. 17 Harry In that same year, Hans Heinrich Eggebrecht remarked that the »Terpsichorean bagatelles with the sublime flavor of the ama- ence, is utterly trivial. Lehmann calls for a form of reflection Lehmann: »Zehn Thesen zur Kunstkritik«, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches field, by »spinning endless threads in the boundless sea of arbi- teurish. Evocations of a protean, ambulating figure with harle- about art which is fundamental to the art itself—an »immanent Denken, issue 714, Stuttgart, 2008, p. 991. 18 Ibid. 19 Ibid. trary detail,« had »succumbed to the dangerous habit of posing quinesque dignity. Airborne beauties in lyrical equilibrium over art criticism« whose function is to question the artwork as to its self-referential questions and pursuing topics in the shadow of an- a chasm of tonality. Lucid laments whose layers of material pour worldly content: »Immanent art criticism is concerned with un- tiquated motivations—thus becoming populated by busybodies down in ethereally chiselled streams. Only traces of memory are covering the possible relationships between the work and the and bureaucrats who simply hoard and administer piles of arbi- left behind—groping, clinging to the whispered, the unspoken, as world, and not with a direct judgment of the work itself.« 17 8 trarily organized material.« if wafted along by ephemeral gestures of sorrow: the sfumato of a Thus the focus of the question shifts from the how of art- Michael Rebhahn (b.1972 in Seligenstadt am Main) studied musicology, Warnings of this kind unfortunately went unheeded, which linearity, finding itself in the act of becoming lost.« making to the for what of the work’s aesthetic content—to art history, and philosophy, finishing with a doctoral dissertation is why up until the present day the musicological institutions ex- What reads like a passage from a self-published pamphlet of the question of its significance outside of an esoteric network of on the musical aesthetics of John Cage. He worked as assistant editor pend the majority of their energies toward the meticulous search lyric poetry actually stems from a relatively prosaic genre: these relationships. The consequence is a kind of qualitative judgment for the Neue Zeitschrift für Musik, as an author for the TV program for motives, themes, and periods; the construction of clausula pat- attribute-soaked lines are a mosaic of critical reviews of new mu- wherein the innovative art work is one from which a further dis- 3sat-Kulturzeit and as a lecturer in musicology. In 2007 he was editor- terns; the divination of dodecaphonic rows; or—and this is where sic, all taken from reputable German dailies and—admittedly course could be extrapolated, one which withstands critical scru- in-chief for new music at hr2-kultur. He is a freelance music journal- the absurd climax of positivistic self-reference is reached—the —taken out of context for the sake of example. Condemned to tiny beyond the language of colorful attributes: »only art that can ist and curator in Frankfurt am Main. 90 91 FROM THE JUNKYARD TO t h e t r e a s U r e t r OV E

Orm Finnendahl in conversation with Björn Gott­ s t e i n , o n the missi o n o f m a j o r e l e c t r o n i c s t u d i o s and on his own path to electronic music

I’d like to talk with you in particular about the functions whom I couldn’t talk about music anymore. At the same time I me the studio was simply a place to use equipment that I coveted But as a professor in a conservatory, who runs an electronic and duties of the major studios, which have been under increas- always felt alienated from my schoolmates because I considered but couldn’t afford. Like a treasure trove, or paradise. In the early studio, you must surely ask yourself what it’s all good for. ing pressure to assert their legitimacy, especially in the face of ever all that so bourgeois and believed that they were out of touch days only composition professors had access to the electronic stu- I asked myself this question very seriously, when I start- faster personal computers and ever more versatile software. You with what I considered to be »the world«. But that hasn’t much to dio at the Hochschule der Künste, never the students. That was ed there. yourself are the director of a studio, but develop your own works do with electronic music. the first change that Folkmar Hein made at the end of the 1970’s, primarily on your laptop—in other words, you’re familiar with against considerable resistance. At the same time, I noticed that it I’m trying to imagine your group lessons. Everyone brings both sides of this problem. To place your perspective in context, Well, it is part and parcel of your experience. made no sense for me to be allotted a studio computer for a half- in their laptops, you sit in a circle, and everyone works on their but also to provide a biographical dimension to the conversation, Sure. My first contact with electronic music was in a sem- hour each week. That’s why in the mid-1980’s I purchased an Ap- own computer? I’d like to begin by discussing your own musical socialization and inar in the TU studio, right at the start of university. There was a ple II and started programming. Not that one could make compu- That’s basically what it’s like. your contact with electronic media. Where did your interest in lecture, I think about C-music. That’s when I first learned what ter music with it yet. electronic sound production begin? computer music sounded like, and how everything works, which The studio is really just a room like any other? For me, that is in the far, far distant past. I grew up at a was an important moment. At night I was busy in the club scene The studio was a place, then, where a lot was possible, but When I took over the studio, that was exactly the idea, yes. time when electronic music was not yet an everyday phenome- and during the day I studied musicology while privately prepar- under highly restricted circumstances. What is a studio nowadays, anyway? The only thing I did was non. I used to think of my youthful enthusiasm for technology as ing to begin a composition degree. I listened to a lot of music dur- Exactly. I mean, I was able to make my pieces there as a com- empty the studio out. With my initial budget allotment, I bought normal, but now I realize that it was hardly a self-evident thing. ing that time. position student. Once or twice a week I had a time slot there, but high quality speakers that could be moved around at will. Then My parents were more accustomed to popular music. They had an I always wished to have something like that at home, and to not there was a long table against the wall and a mixing board, but album of Emerson, Lake & Palmer, which I listened to over and It’s also about the way in which you expanded your hori- have to ask, or coordinate with an appointment calendar. that is only used to connect microphones (with which to record over, only because I was so excited by the synthesizer sounds I zons, after all. straight to the hard drive) or to route the computer outputs to the heard there. Then I took old radios from the junkyard and ma- I remember when I passed the composition entrance exam Were you able to make music at home? speakers. Then there’s a second table with two monitors, and a nipulated them and did some circuit-bending on them. Today and dragged Isabel Mundry along, who was in the same class as I. I’m sure I could have, but I never did. I ended up making permanent screen and projector setup. Other than that, the studio that would be called a no-input mixer. The radios would eventu- At the time, people worked with analog tape, which was cut and my pieces in the studio after all. At home I was a programmer. I let is an empty room. For me, there are different gradations of useful- ally start whistling, and I just liked those sounds. At age 14 I had montaged by hand. Folkmar Hein, who directed the studio back the computer calculate twelve-tone rows, search for all-interval ness in a studio. It’s all about what one can’t have at home, such as a dream come true when I bought a Korg MS 10. This was 1977. then, had brought in a technician to work side by side with the rows, develop search algorithms, and invent algorithmic composi- a high quality multi-channel playback system. Besides that, I And in the town in which I lived, I was probably the only guy composer. But for me that collaboration was never fruitful, be- tion techniques—that’s how I learned to program. I didn’t make strive for as smooth a transition from home work to studio work who owned a synth. My idols back then were called Genesis, and cause I had very specific and personal notions of how things ought all that much electronic music in those days. In 1985 I made a piece as possible. It isn’t a production studio, the space is not well-suited I imitated all their solos on the synthesizer. So it wasn’t as if ... to proceed. for cello and playback, and in 1986 I made Jericho. In some cases I acoustically. With those giant loudspeakers it’s more like a prac- worked for a full year on projects, since I could only get into the tice room where a grand piano is standing, one that’s perhaps a bit ...you immediately started making avant-garde art with it. Perhaps you simply weren’t interested in being told studio once or twice a week. Back then I was primarily interested too large for the room, but one which will later be used to per- Not at all. Zero. Only when I got to know Brian Eno records what to do. in the way the instruments were used. At some point, along came form the concert. did I start working with cassette players and tape loops. That was I was simply searching for extreme sounds. I remember MIDI. And in my next piece I used the computer to develop sound much more experimental, or at least it seemed that way to us. It how I used to filter noise with my cheap Korg synth. That sound- processes algorithmically and controlled these directly with the Do you nevertheless believe that the existence of large probably sounded something like a mix of Tangerine Dream and ed very unusual, very fragile. But then I came to the high-quality MIDI keyboard, then simply played back the sounds. Only after studios, for example the Experimentalstudio in Freiburg, is justi- Eno. At that time I really had no idea about contemporary music. TU studio’s filter, which was extremely stable, and the fragile that did I go into the studio to produce the results. The sounds fied? It wasn’t until I was a student, around 18 years old, that I came in quality vanished. I completely lost interest in the result. And I came from my cheap Roland—very low-tech. Starting in the mid- I am gradually coming around to saying yes. Of course contact with it, and it didn’t even particularly appeal to me. But recall the day I brought my synthesizer into the studio and had a 1990’s, I only went into the studio to do the mixing. there are many reasons to do away with studios, at least in this during my musicology studies I began to take an increasing inter- bitter dispute there, because while technicians felt that the results form. And ten years ago I strongly favored such a position. But est in classical music. were the identical, I insisted that there was a world of difference. And now you have your own studio in Freiburg. the big studios can tend to encourage certain kinds of innovation. It took a long time before I was permitted to use the original Korg I listened to an eight-channel piece there one time, And you continued to make music? sounds. And at some point further along they trusted me enough otherwise I don’t use it for my own work. I actually make my piec- More than the equipment manufacturers or a software At that time I moved to Berlin because of the punk rock to let me handle the studio gear myself. To this day I consider it es—this is going to sound rather laughable—using the built-in company like Ableton can? movement. Punk and New Wave. I immediately established con- vital that the composer takes personal control of the equipment. speakers in my laptop or using headphones. That’s usually enough Definitely. A software like Ableton Live is of fairly lim- tacts and made music—you can hear me on Die Tödliche Doris for me, because if something sounds good there, chances are that it ited utility. Where have the big innovations taken place? That records, playing the sampler. I had a small studio and a synthe- There are counterexamples, naturally. Bernd Alois Zim- will also sound good on the big speakers. And then I only go into was in France, in the government-sponsored places, GRM, IR- sizer and did the craziest things. But then I began to prepare my- mermann would start shaking uncontrollably as soon as he got the studio to verify that there isn’t a bunch of junk on there that I CAM, and UPIC. And the American universities. The Experi- self for the entrance exam in composition. The more one gets in- close to the machines, presumably due to nerves. He was depend- couldn’t hear on my little speakers. I don’t recommend that to my mentalstudio in Freiburg, for example, had its own mixing desks volved with composition, the more one questions a number of ent on technicians. students, though: it’s the kind of thing you ought to only do after and high-quality controllers build and that’s certainly a good things that had once seemed self-evident. For me that was a pain- And yet I find his piece Tratto terrific. But I tend to find years of experience with the larger systems, so you can predict how thing. In my view it only gets problematic when the use of such ful process, because I found there were a number of friends with professionally produced, immaculate pieces a little boring. For sounds will change—otherwise things can go horribly wrong. devices leads to a situation in which pieces can only be made on Sylvia Freydank (2006, Ghent), ICE (2001, New York and Chicago), Jack Quartet (New York), Ensemble Nikel (2006, Tel Aviv) and Ensemble Cairn (1997, E n s e m b l e Montreuil) will be visiting the Darmstadt Summer Course for the first time and presenting their work in concerts. They will also be 2010 engaging in dialogue with veteran ensembles such as Ictus, the Ar- ditti Quartet, and ensemble recherche, both to profit from their T his year’s s U m m e r c O U r s e w i ll r e volv e a r ou n d experience and to work on joint projects. ENSEMBLE 2010, a project modular in its concep- The visiting ensembles will, along with their concerts, also be tion and open in many directions. active in other areas of the Summer Course: each group has cho- sen works by course participants for an open reading session: con- It is in part a reaction to a recent trend which sees specialized en- centrated readings in an informal setting. This laboratory envi- sembles becoming an ever more important factor in nearly every ronment is less concerned with polished performances than with sector of the new music scene. In many cities they are the engine a—hopefully—fruitful work situation, including feedback and these instruments, and for the most part are no longer performa- for a vibrant discursive exchange about today’s music. They pro- interaction between all parties. ble once those studios and those instruments no longer exist. That duce concert series; initiate outreach projects; pass their experi- ENSEMBLE 2010 will complement the more traditional com- is the real Achilles’ heel of such an arrangement. ence on to other musicians; and, last but not least, act as partners position and performance modules by pursuing, for the first time for composers in the creation of new projects. According to the at the Summer Course, a more integrated concept were questions There’s a bit of the class struggle implied in what website of the German Music Information Center (www.miz.org) of interpretation, technique, aesthetics, performance practice, etc., you say: we can isolate ourselves from the masses, the common there are some 200 active, specialized new music ensembles in flow together. Many different constituencies (performers, compos- folk, by creating this kind of distinction. Germany alone. Their fluid organizational structure and their ers, conductors, mentors) will reflect and act upon these questions. I’ve always had problems with studios that restrict access. equally flexible instrumentations with expert performers ensure By interweaving these different project areas, it is hoped that all Back then, when it didn’t work any other way, I could see it. But both high-quality performances of extant repertoire and a deci- participating musicians and groups will enjoy an intensive ex- when the exclusivity is forced, the way it is today, even though sive impetus for the creation of new repertoire. change of ideas about interpretative-aesthetic as well as practical- it’s not necessary, then that’s exactly the opposite of what I’d wish ENSEMBLE 2010 intends to create an inspiring and enduring administrative topics in ensemble work. for. I also think, from the perspective of a composer, that working work situation for ensembles during the International Summer An initial »Call for Young Ensembles«, which made no restric- with software is much more interesting than being tied to specific Course, at the same time promoting a discussion about the prac- tions on instrumental forces, resulted in the invitation of seven hardware. A program like PD is free, flexible, and available to eve- tice of contemporary ensemble work and about strategies for in- formations to the Summer Course: Omnibus Ensemble (Tashkent, ryone. The problem with electronic music and the big studios is teracting with and writing for these groups. Several project mod- Uzbekistan), Ensemble Nostri Temporis (Kiev, Ukraine), Ensemble of a more general and actually a more fundamental nature. The ules are planned in which as many problem areas are addressed as Modelo62 (Den Haag, Netherlands), Ensemble Interface (Frankfurt entities that decide who is a composer to be taken seriously still possible. The project involves ensembles with many different pro- am Main, Germany), Ensemble Dal Niente (Chicago, USA), sonic.art proceed along very old-fashioned lines. The publishers have a big files, regional provenances, and organizational structures: some Saxophone Quartet (Berlin, Germany), and Fathom String Trio influence, since they want to sell scores, after all. The radio net- newly-formed ensembles at the start of their careers; others with (Frei­burg, Germany). works need to keep their orchestras busy. That means that scores limited international recognition; and experienced, well-estab- Each of these young ensembles will present a concert program need to be written, and the composer who do that are promoted lished groups. Also included are looser groups of prize winners, in Darmstadt that includes some works from their own repertoire disproportionately. That doesn’t automatically mean they’re bad who only collaborate for a single work. and one work selected through a special »Call for Scores«. The composers, but it is a rather predetermined game. From such Schönberg’s Chamber Symphony, op. 9 (1906) and Pierrot Luna- groups have an opportunity to work closely with a team of men- composers—and I say this with all due caution—real innovation ire, op. 21 (1912), along with Stravinsky’s The Soldier’s Tale (1918) are tors—composers, conductors, and experienced ensemble players is scarcely to be expected, especially in connection with the aes- usually identified as the key works of ensemble music, though the —as well as with other ensembles for an extended period, present- thetic considerations of electronic media. But when a studio is history of established ensembles of soloists started some 50 years ing their results in open rehearsals and participating in discussions. dedicated to fostering these traditional modes of operation, then later. These formations were motivated by a variety of factors, but The stipend laureates of the 2008 course will face a particu- the innovative aspect of the studio gets lost. The results are unin- primarily by the necessity of making new works better known larly daunting challenge: in various formations the musicians tentionally risible, or perhaps just sad when, due to a lack of aes- through quality performances—see for example the Parisian Do- will prepare new works by four composition stipend winners, thetic criteria in working with electronics, a composer draws up- maine musicale (1954–1964) or the Ensemble Die Reihe, estab- Joan Arnau Pàmies, David Brynjar Franzson, Clinton McCallum on procedures that have been around in electronic music or even Orm Finnendahl (b.1963 in Düsseldorf) studied composition and musi- lished in Vienna in 1958. A number of other renowned ensembles and Bruno Ruviaro. The difficulty for these composers lay in hav- pop music for over a decade—but then touts these as the pioneer- cology with Frank Michael Beyer, Gösta Neuwirth and Carl Dahlhaus emerged shortly thereafter which by now have become firm insti- ing to work with clear instrumentational specifications. From the ing aesthetic ne plus ultra. Independently of that, I still believe in Berlin, as well as with Helmut Lachenmann in Stuttgart. He taught tutions: the Asko Ensemble (1965), London Sinfonietta (1968), given pool of instrumentalists, three characteristic challenges that composers who are generally more at home in ensemble and among others in the electronic studio of the Technische Universität Schönberg Ensemble and Arditti String Quartet (1974), Ensemble were formulated: Joan Arnau Pàmies composed for an instrumen- orchestra music should be allowed and encouraged to work in Berlin and the Institute for New Music of the Universität der Künste InterContemporain (1976), Ensemble Modern (1980), Klangforum tation closely resembling a key work of the literature, Boulez’s Le studios, and masterpieces have certainly been composed in the Berlin, which he also directed from 1996–2001. From 2000–2004 he Wien and ensemble recherche (1985), Kammerensemble Neue Marteau sans maître. Clinton McCallum’s new work is for saxo- large studio environment. taught at the Institute for Computer Music and Electronic Media Musik Berlin (1987), musikFabrik (1990), Studio for New Music phone, percussion, and guitar, which brings jazz to mind. Bruno (ICEM) of the Folkwang-Hochschule in Essen. Since 2004 Finnendahl Moscow (1993), Ensemble Ictus (1994) and numerous others. Most Ruviaro’s work is for viola, cello, and percussion, an ensemble Nono is the example that’s often cited... is professor of composition and director of the studio for electron- of these groups have a core membership which can be expanded without clear generic precedent. ...or Stockhausen. Those were great strokes of luck. And it’s ic music of the Musikhochschule Freiburg. as needed. Neither the repertoire nor the lineups of these groups These configurations of participants, perspectives, and ques- music that I wouldn’t want to be without. Björn Gottstein (b.1967 in Aachen) studied musicology, German litera- reveal consistent trends. On the contrary: the ensemble scene tions combine to create a very rich network of projects, which re- ture, and social sciences in Cologne. His areas of interest are the mu- seems to become more and more diversified over time. Several en- flects the multifaceted nature of ensemble work, whose lessons sic of the avant-garde and electronic music. He moderates at the West sembles were formed not with a particular extant repertoire in and impressions will last beyond the duration of the course. German Radio and produces music features for Bavarian, Southwest mind, but out of interest in a particular sonic profile that would German, Hessian Radio and Deutschlandradio Kultur. He works as a itself inspire new compositions. critic for the tageszeitung and publishes specialist texts and reviews In the last several years numerous young, successful ensembles in, among others, the Neue Zeitschrift für Musik, the MusikTexte, and for new music have attained international recognition. Some of Positionen. these, such as Asamisimasa (founded 2002 in Oslo), Nadar ensemble Tomi Mäkelä 94_ 95 T h e s O U n d o f a s O c i e t y s i n c e »Pierrot lunaire«

Interactions between Mentality, Ensemble Forma- tion and Compositional Production

The dominant ensemble culture of an era, or that which is con- of the special ensemble. Just as Haydn’s quartet grew into the lab- »polyody«8 and Johannes Thilman’s »polylinearity,«9 the latter from the differences. It is possible, however, that, at least in the spicuous for its newness, is not coincidental. Its aesthetic and se- oratory for harmony-oriented techniques, the ensembles in following Ernst Kurth, point to something that is indeed second- countries defeated in the war, the situation triggered an artistic mantic-sociological implications are a challenge to musicology. Schönberg’s music were not least model kits for work with sounds ary in conventional polyphony. The timbral principium individ- individuation and a formation of communities (Gruppe 47, Darm- The mere question of how far other works than Arnold Schön- and lines. In the emancipation of sonic polyphony, the special en- uationis and the overarching dramaturgical consistency of the stadt etc.) at least resembling the ensemble culture. berg’s Pierrot lunaire (1912) affected the avant-garde (and not only in semble, regardless of impulses from orchestral music (that of Gus- voice-leading in many compositions drew the listeners’ attention In 1922, Hermann Erpf ventured to pose the delicate question chamber music) merits clarification, as does the question of what tav Mahler and others), took on a pioneering role. to something the could not be explained with the idea of »purity of how far social processes even have formal musical consequen­ the expansion of available instrumental combinations associated Tensions between unfettered individualism (even anarchy) and of composition« (»der reine Satz«, sometimes also translated as »clar- ces: »Every completed phase of music history is marked by the with this piece might mean. The spectrum of possibilities extends dominant collectives characterized the twentieth century from ity of line«)—nor with Robert Mayrhofer’s statement that »every influence of a particular sonic ideal, a sonic instrument, that is from the innovative potential of a different »performance practice« the start. Just as George Lukács compared the development of the melody is the successive presentation of a harmony.«10 placed above others, perfected as far as possible, and whose sonic to a »domineering« of production through restrictive commission- solo concerto to the genesis of the heroic novel, one can also find After 1910, the balancing act between heterophony and poly­ character and expressive capacity act as a model for all others. […] 1 5 ing terms. Not every composer has the power to break out of the analogies to the new ensemble culture. Different forms of cham- phony (with many fluctuations) typical for many prominent art- The times of the individual and its opposite, the mass, are over. given frame and thus, perhaps through this very act of force, reach ber music propagate similarly varied forms of interaction. It is ists since Bach, and indeed in New Music for special ensembles, The social order has changed: its building blocks are no longer creative ecstasy. Even authorship crumbles if the ensemble, as the somewhat bolder to view (as is very often the case) the special en- was also a symptom of the replacement of the Classical-Romantic individualism […] but group formation, communities of like- 15 commissioning body, dictates substantial aspects to the composer. semble (not only the chamber orchestra) as a sign of decay, as an style by a diachronically oriented approach (following the model minded people, and unions of those with the same goals.« 11 The individuation of the new ensemble culture can—more easily orchestra that has been shrunk (for financial reasons, among other of earlier polyphony, as has often been declared ); but it also ex- A quarter of a century later, Hermann Scherchen gave Erpf’s 2 than in traditional genres—lead to »split authorship.« things). Whether the new compositional techniques conditioned pressed the need for a differentiated sonic sensibility that was ideas a more concrete form: »The perfection of polyphonic art was The matter of whether an over-saturation of the ensemble sec- the emancipation of instrumentational practice or vice versa must plau­sible in the face of the »musical mammothism« and »gi­ the perfection of a social ideal. A more valuable example than that tor has already been reached, or whether the search for new, spe- be assessed individually in each case.6 gantism«12 around 1900. That tradition did not break off, however, presented in the six-voice ricercare from Bach’s Musical Offering cial formations is productive other than for the successive refine- The liberation of sounds and lines that accompanied the un- thanks to the post-war symphonists. Protest against a bubbling could not be imagined.«16 From the 1922 perspective, at least, the 3 ment and perfection of performance standards, could also be of folding of (as the guiding principle in the unconditional over of the sound was, and will probably continue to be, possible. shifting of the contrast between mass and individual, as well as interest for studies of the market and the future. The deeper search for contexts) lastingly intensified chamber-musical thought Today, musical titanism finds a colorful face in scores such as (with a substantially more lasting effect) the formation of groups »sense« depends on the social mission of art, which is defined by in New Music. When Gottfried Michael Koenig expresses the those of Magnus Lindberg. Size is inevitable when instrumenta- consisting of members »with the same goals« followed the col- the artists. Academic aesthetics should not seek to lay down dog- wish for his 60 Blätter für Streichtrio (60 Pages for String Trio) (1992) tion becomes programmatic. Georg Katzer’s D-Dur-Maschine (D lapse of empires, though the ideal was not exactly new. mas itself, as Carl Dahlhaus already understood: »In aesthetics, that the players »might each imagine they are musicians ›playing Major Machine) of 1974 would never get started with only a Pierrot Today Erpf would no doubt speak of »open threads of music unlike logic, ambiguity is a legitimate property, not a troublesome to themselves,‹ sometimes diverging less, but coming together (al- ensemble—just as Amériques requires a different line-up from history« rather than »completed phases«; but it would leave the 4 7 deficiency.« so rhythmically and expressively) from time to time,« he is aiming Ionisation, Tapiola a different one from Voces intimae or Taras Bulba core of his idea unchanged. The new communality conditioned »Hell,« the right-hand panel of Hieronymus Bosch’s Garden for a playful heterophony—as Arthur Bliss did (albeit ironically) a different one from Intimate Letters. the development of an »instrumental group music.« The question of Earthly Desires (before 1500), denounces the mixed (»broken«) in his Conversations (1920) for flute, oboe, violin, viola and cello, Interest in special ensembles can be found in all styles; the in- of how far the ensemble music preceding the development of or- sounds of sophisticated musical practice, which Bosch (or perhaps especially in the wild finale »Committee Meeting.« The discovery tegrative power of the open principle is far-reaching. Innovations chestral music in its modern form—especially in England, accor­ 17 his patron) considered questionable. Damned and malicious spir- of forms is determined here not by the compositional ideas, but beyond the confines of Western instruments are no rarity, wheth- ding to Ernst Hermann Meyer —encouraged comparisons be- its form an uncoordinated ensemble of hurdy-gurdy, flute, cor- rather by analogies to communicative action. er unusual folk instruments (cimbalom in Stravinsky or »thunder tween social ideals in early seventeenth-century England and in nett, bombardon, bagpipes, trumpet, triangle and drum, as well as But how would we speak about this if there had been no sticks« in Henry Cowell’s Ensemble of 1923) or sirens and Ondes Mar- Germany after the First World War, for example, will remain a virtual lute with built-in harp; these instruments serve to ac- Pierrot lunaire? When Harrison Birtwistle and others founded tenot. Not everyone took the danger of sonic fetishism seriously; open here. company a song. Whoever wished to make divine music around The Pierrot Players in 1965, they were initially concerned with Carl Dahlhaus’s critical remark about Berlioz’s compositional What »social ideal« is represented in its »perfection« by Bach’s 1500 had to abstain from such characteristic, heterogeneous sounds. performances of said piece, but later branched out (and subse- technique can thus (unfortunately) be applied to many works for polyphony? Could it be the same one manifested in Schönberg’s Something that long remained an exception in the church and in quently renamed themselves The Fires of London); nor is The Pierrot special ensembles: »The dependence of the compositional fabric desire »to give each voice a color that can assert itself alongside all 18 art was the norm elsewhere (in traditional music, for example): strik- Lunaire Ensemble Vienna a specialized Schönberg ensemble. The on instrumentation becomes all the more glaring the more unu- others involved« —or perhaps already in Pierrot lunaire? Many ing musical textures using different sound sources especially cho- general use of the term »Pierrot ensemble« for the combination of sual, and hence conspicuous the instrumentation, and the more critics missed an immediately audible order and mercilessly at- sen for each individual performance. flute, clarinet, piano, violin and cello almost makes the Pierrot unstable, and hence structurally weak, the harmony.«13 The 1956 tacked this individuation, which radically surpasses Bach’s har- After three hundred years of polyphonically notated instru- line-up seem »domineering.« Then, admittedly, one should also version of Cowell’s Ensemble does not feature »thunder sticks.« mony-seeking fugues. Naturally two fundamentally different so- mental music, the time was ripe for the emancipation of the char- criticize Haydn’s string quartets for contributing to the founding Nonetheless, the »stability« of the harmony is no absolute aesthet- cieties are involved here: [1] a society in which unity is not endan- acteristic. After the Second World War (as a reaction to a period of of a convention, a stencil for countless further establishments ic criterion either. gered (a consensual society with high standards whose model is stagnation after c. 1930), this emancipation progressed rapidly. (which would be absurd). Masterpieces simply have an authoritari- One difference between the respective ensemble cultures Bach, but with which Schönberg in particular is not in open con- Even early New Music, however, aimed for more than the accen- an effect. around 1920 and 1950 is the resistance and influence of old genre flict—one could sooner point to the young Paul Dessau in his Con- tuation of disharmony of the representation of hell on earth, for Timbral differentiation that aims for the immediate aesthetic traditions, which decreased over the years. Even in 1950, how­- certino for violin, clarinet and horn from 1924); [2] a different soci- example the devil in Stravinsky’s Histoire du soldat or Pierrot’s effect of discursive superpositioning, and thus goes far beyond ever, there were still more string quartets than special ensembles ety in which the individual is »autocratic,« »inconsiderate« and melancholy insanity. The different sonic parameters, their indi- earlier achievements in its precision, has been explained and on the concert stage. The idea of typical »post-war art«—«Y-a-t-il without any »proper leadership«—as Guido Adler (unreasonably) 14 19 viduation and integration, were central factors in the constitution judged in different ways. Terms such as Guido Adler’s (pejorative) une musique d’›Après-guerre‹?« —diverts our attention away said of Schönberg’s music. In the latter, the individual moves Tim Mariën T U n i n g s y s t e m s i n C O n t e m PO r a r y MUSIC

I f you c h a n g e t u n i n g , you change everything. Salvatore Sciarrino to the author, 2002 about with such freedom that it could give the impression of be- t U ning can be v i e w ed as the adj u s t m e n t o f a p i tc h e d Those different tuning systems find their origins in a few general ing content with itself, without regard for what goes on around it. interval in relation to a section in the harmonic tendencies. Considering acoustical/instrumental tuning: first, the Before a voice becomes an anarchic self in this sense, it indeed re- series. A systematic approach to tuning is the result use of pure intervals based on the harmonic series (extended just quires more than a free assignment; it requires skillful integration of a need for a form (architecture of the scale) ac- intonation, overtone tuning, trans-cultural tunings); second, equal and individuation.20 Comparing the social ideals underlying the cording to a certain musical practise. temperament with any number of subdivisions. Considering elec- respective ensemble sounds of King James of England, Bach, Des- tronic applications we see a different attitude resulting from hav- sau or Gottfried Michael Koenig demands sophisticated analyti- Despite the fact that tuning systems have been at times in history ing virtual no limits: tendencies to match timbre and tuning or cal techniques. The difficulty of finding positive evidence does temporarily fixed, they remain essential and flexible, depending explore amongst others inharmonic timbres/tuning. not mean that Erpf and Scherchen were wrong, however. the pos- on aesthetic/ethic considerations. One could imagine looking in- Today, as different tuning systems are meeting each other car- sibility that each period creates its own sonic ideals and conven- to a vast reservoir in which from time to time a selection is made ried through complexity, and as more subdivisions of an interval tions of instrumentation is a stimulating one. What is known to- to suit the musical practice of the moment. approach the purity of natural intervals, we’re finding ourselves day as »sociology of musical genres«21 could soon form part of the Historically, we could have the impression that some of the in a situation where there can be no authority claim in regard to political science curriculum. richness of an ancient pluralistic approach was lost during sub­ any particular system. Since this has been always in one way or sequent centuries. Caused by an apparent »slowness« in musical another a reality in the instrumental/orchestral world, the pro- Bibliography 1 This text elaborates on ideas provided by Michael Rebhahn development, consonance depended on the amount of »purity« of motion of a conscious use of simultaneous contrasting tuning sys- when he outlined the aim of the requested essay in March 2010. The author is grateful for his the intervals involved. The sound of static or beatless intervals tems in contemporary composition could be defended, therefore valuable suggestions. 2 This problem is currently being examined in a research was preferred in what was perhaps a static/beatless society. While making full use of the rich reservoir of tuning systems. Indeed, project of the Wihuri Foundation, under the direction of the author. 3 See note 1. music was developing and becoming more flexible, cultural cus- this has been more of a European attitude towards tuning, while 4 Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität (Kassel: Bärenreiter, toms changes followed, affecting the use of different intervals. It American composers, at least until the end of last century, showed 1988), p. 273 (English edition: Studies on the Origin of Harmonic Tonality, trans. Robert O. Gjerdin- is significant that tuning issues always seem to come to the surface preference towards the precision of a system. gen [Princeton University Press, 1990]). 5 See Ferenc Fehér, »Is the Novel Prob- at turning points in musical culture. At times when new intervals As for my own explorations of the subject, I have always felt lematic? A Contribution to the Theory of the Novel,« in: Reconstructing Aesthetics of the Buda- became considered consonant there was a need for a solid founda- comfortable working with intervals derived from the harmonic pest School, ed. Agnes Heller and Ferenc Féher (Oxford: Blackwell, 1986), pp. 23–59. 6 tion of a tuning system. It might be astonishing for »21st century’s series in an acoustical environment. This procedure suits me best See Tomi Mäkelä, Klang und Linie von Pierrot lunaire bis Ionisation. Studien zur Wechsel- ears« to discover that at a moment in history there was no ade- because it allows me to deal with tunings and wirkung von Spezialensemble, Formbildung und Klangfarbenpolyphonie (Frankfurt/Main: Lang, quate tuning system capable of tuning consonant thirds or sixth on an intuitive level. I find difficult to think in terms of intervals 2004), pp. 20ff. 7 See Oliver Schneller, »Klangschicht und Zeitharmonik. Be- intervals. Later on, culture developed exponentially in such a way derived from mirroring the harmonic series, although both im- gegnung mit dem Komponisten Gottfried Michael Koenig,« in the program book for the Third that by the beginning of the last century a considerable portion of plied in extended just intonation. Not only do I find it difficult, Magdeburgisch Concert (Magdeburg, 2003), p. 5. 8 Der Stil in der Musik (Leipzig: the reservoir of possibilities was given the test of times. but I also perceive an aural difference in the sensory consonance Breitkopf & Härtel, 1911), pp. 253f. 9 Probleme der neuen Polyphonie (Dresden: Dres- Peculiarly enough, shortly after the technique of tuning ex- between the two, possibly because psycho-acoustically there is no dener Verlagsgeselleschaft, 1949), p. 57. 10 Der Kunstklang (Vienna: Universal Edition, actly twelve equally spaced tones was finally brought to perfec- direct proof of an »undertone series« to exist in a real sound envi- 1910), p. 104. 11 See Mosco Carner, Contemporary Harmony (London: Joseph Wil- tion (thus avoiding previous »key-coloration«), composers began to ronment. On the other hand, I do not consider this argument liams, 1942), vol. 2, pp. 7f. 12 August Spanuth, »Musikalischer Mammutismus,« experiment with other tuning systems. As pioneers in the explo- strong enough to question the artistic value of musical composi- in Signale für die musikalische Welt 8 (February 21, 1912), p. 243–245. 13 »Zur Theorie ration of such different views on tuning we shall mention the tions; what I do feel more at ease with, is using a more direct har- der Instrumentation,« in Die Musikforschung 38, 3 (July–September 1985), p. 162. 14 work and theories of Harry Partch, Ivan Wyschnegradsky, Julián monic approach. Jean Chantavoine, »Y-a-t-il une musique d’›Après-guerre‹?« in Le Courrier Musical 27, 4 (1924), Carrillo, Alois Hába amongst others. The publication of Partch’s Attributed to such harmonic approach, we acknowledge three pp. 95f. 15 Entwicklungszüge in der zeitgenössischen Musik (Karlsruhe: Braun, 1922), theories inspired subsequent composers to explore the possibili- main factors. First: the representation of the intervals is simplified pp. 17 & 28. 16 The Nature of Music, trans. W. S. Mann (London: Dobson, 1950), p. 74. Tomi Mäkelä (b.1964 in Lahti) studied piano and keyboard pedagogy in ties of an extended »pure« or beatless tuning system of just intona- because there is no more need to refer to a denominator in the re- 17 Die mehrstimmige Spielmusik des 17. Jahrhunderts in Nord- und Mitteleuropa (Kassel: Lahti and Vienna, as well as musicology in Vienna, Helsinki and Berlin, tion. It is interesting to indicate that the re-introduction of an an- lationship between frequencies towards a single fundamental. Bärenreiter, 1934), pp. 16ff.: »mass harmonic effects« in Italy, »chamber-like music-making« in where he received his doctorate for a work on 19th-century virtuos- cient idea such as just intonation caused a shock to (American) art Second: the idea of undertones has been used to equal minor to England. 18 »Analyse der 4 Orchesterlieder op. 22« (1932), in Stil und Gedanke. Auf- ity (1988). Since 1994 he has been working in Germany, initially in Essen, music in the middle of the last century. major chords. Avoiding this idea, emphasis shifts towards new ex- sätze zur Musik. Gesammelte Schriften, ed. Ivan Vojteˇch, vol. 1 (Frankfurt/Main: S. Fischer, 1976), then as a professor in Cologne and Magdeburg, and since 2009 in But the development after the pioneering work is even more plorations of timbre relationships, thus escaping from (historical) p. 299. 19 Adler, op. cit., pp. 253f. 20 For more detailed discussion see Halle on the Saale. His most prominent publications are »Poesie in der interesting. Any system implies a rigid or fixed format which tonal implications. Third: the construction of acoustic musical Mäkelä, Klang und Linie. 21 This is the name of a module in the topic »Social History Luft. Jean Sibelius—Studien zu Leben und Werk« (Breitkopf 2007) and somehow contradicts the inherent flexibility of artistic endeav- instruments capable to play microtonal scales. At the same time, of Music,« part of the BA musicology course at the MLU Halle-Wittenberg. »Klang und Linie« (Peter Lang 2004). ours. In this way, an almost Hegelian development occurred in the adapting already existing musical instruments can be extremely clash between just and tempered tuning systems. As a result of this inspiring. clash new ideas in music emerged such as James Tenny’s view, Working from theory to practice demands an increasing tran- who regarded intonation as a »compositional variable,« thus estab- scendence, which is probably impossible to fit any theory. In this lishing a non-exclusive attitude towards different tuning systems. context, I would like to analyze through personal experience the 98 99 Konrad Boehmer D a r m s ta dt: T a b ul a r a s a o r Fabula rapax?

M y t h olo gies are in v e n t e d i n o r d e r to e n c ou r a g e a thing to grow the sort of roots that seem op- portune to its initiators. These may remain func- t i o n a l f o r a w h i l e , b u t e v e n t u a lly t h e y w i ll s t r i k e transcription of Harry Partch’s The Wayward for microtonal en- sidered an expansion which included the first nine odd numbered scale. Because of extreme hardening of the piano’s hammer heads, back against the thing itself. B y then they w i ll semble, performed during the present International Summer partials out of the harmonic series.3 the in the timbre causes ambiguity in the re- need to have been thoroughly dissected. The no- Course for New Music Darmstadt. lationships; what for some reason attracts my attention. The struc- t i o n that the D a r m s ta dt s U m m e r c O U r s e s b e g a n Partch built and tuned his instruments according to the prin- tural scale therefore includes such tuned pseudo-. The ar- w i t h t h e B i g B a n g o f a » c l e a n s l at e « b e lo n g s i n ciples of extended just intonations which, depending on the con- chitecture of the scale displays an unexpected symmetry between t h e r e a l m o f l e g e n d, to the same degree as the struction of the instrument in question, were able to play a more two disjoint , despite their irregularities of divisions. m y t h o f a » c O LOg n e s c hool« o r e ve n a »Da r m s ta dt or less microtonal division of the octave. In my transcription of I considered these intervals as time intervals, enlarging them school« (neither one of which ever existed). N e w m u s i c The Wayward I use and write for microtonal instruments of my so that the sections and eventually the total duration were reached. ought not nourish itself with myths in the first own design such as an upright piano, tuned in a main scale which Every section receiving a different view of the same way of possi- place, but solely with the persuasiveness of its starts from C and divides the octave in 38 tones resulting from su- ble combinations: in time, in rhythm, in register and so forth. In own utterance. perimposed sections of harmonic series. For example: starting addition, I constructed tone scales increasing from a very com- from the first 15 odd harmonics of C, each one of these may be- pressed microtonal to an enlarged »macrotonal« level. Each com- When »Darmstadt« was christened in the late summer of 1946, come a new fundamental with a new set of overtones. This pro­ Partch’s Tonality Diamond plete set of compressions is then transposed to each different tone even the advertisement section of the brochure conveyed the cess involves far more than 38 tones; therefore a selection should of the initial eight tone scale. By doing this, I obtained different sense that everything was set to continue as before. The perfum- be made allowing me to tune the piano in such way. One of the This figure finds its importance not only in the structural ba- scales of »the same« interval structures, which I could distribute ery Thiemé was back »at its old location«; Georg Bechthold con- criteria on which I’ve based my selection is the relative distance sis of Partch’s system, but also because it significantly inspired the according to the tonal possibilities of each instrument, keeping in tinued to trade in »sanitation and heating units« as well as »bath towards the »super fundamental« C. In this way the harmonics of layout of one of his percussion instruments which was suitable mind that an »in between« tone on a flute is always less precise furnishings«; Hans Heldmann offered his services as an advisor the third fundamental become more privileged than, for example, called the »Diamond Marimba«. Finally, the differences between than a tuned pitch on a piano (a reality that I believe creates great for the financial aspects of »reconstruction«; the laundry service the harmonics based on the more remote 13th fundamental. An- his theoretical and practical achievement dwell merely on a few challenges). of Ludwig Hering had been providing »gentle« washing services other criterion was the presence of at least three harmonics in a set mutations enabling the different tones to perform ascending On the very surface, as on the surface of an ocean, the music is to the »Darmstadt population« since 1856 and would continue to establishing an identity. This approach shows a few striking dif- »thirds« rather than a more horizontal/modal presentation. mainly in a constant motion as is made clear by the various trills do so. E. May was responsible even back then for an »exact charac- ferences compared to Patch’s, who never considered the use of a The search for an adequate alternative for both the theory and which are communicated between the instruments. Towards the ter analysis« of »score, rhythm, and handwriting«, while Fissan piano in his music, whereas his tuning process also involves sec- the instrumental reality of the Diamond Marimba proved to be end of the piece the marimba and piano play the same written advertised with a futuristic photo in order to sell his creams. For tions of undertone series. Clearly seeking to transcending the one of the main challenges in transcribing USHighball. Because figure, their difference in tuning causing a chaotic element which all these individuals there was no »zero hour.« »here and now« of musical theory. of the interlocking relationships it is impossible to find perfect I couldn’t help including. In this atmosphere, the composition The first Summer Courses didn’t have one, either. One could, This harmonic approach, although »idealistic«, proved to matches in sections of harmonic series. Realising that those per- ends in a section been on a structural level »beyond« the scalar in the case of some of the first teachers, describe their distance have some interesting results. In The Letter there is a main figure fect matches were not what I was looking for, I focused my atten- architecture. Hence, it is trapped in a loop until the scale or com- from Nazi-era musical life as hardly heroic (Erich Sehlbach, party which consists of an alternation between a just tion on a different approach. Consequently, I analysed the Tonal- position repeats itself. member Wolfgang Fortner, Hermann Reutter or Hermann HeiSS, the triad separated by a microtonal interval. This figure was original- ity Diamond further and aimed for different strategies; I started As it seems, contemporary music is part of a pluralistic experi- creator of the Nazi cantata Wir sind des Reiches leibhaftige Adler (»We ly written for a large zither, one of Partch’s own designs. In tran- with accepting G as a fundamental basis (1/1 in the Tonality Dia- ence where there is virtually no limit in the applications of tuning are the true eagles of the Reich«). Nor did the concert programs of scribing the part for »ordinary« (re-tuned) zither, I was able to mond, or third harmonic of C). I then transcribed the first major systems, although basic ideas remain unchanged. The above at- the first year give any evidence of a tabula rasa: Hindemith is the find a perfect match in a section of two sets of harmonics using the hexad to match a section in the overtone series. From this last I tempts to describe a few practical examples may be seen as an in- best-represented composer, followed by Heiß and Fortner with first three odd harmonics for the just major and the section10 :12:15 elaborated other ways of working: for example respecting the vitation to share some of these ideas. At last, I hope this invitation four performances apiece. Orff’s Die Kluge joins in too, as if his for the just minor chord. »third« relations, not accepting doubling of tones within one hex- will reach the attentive listener’s ear. Olympische Festmusik had never existed. A concert of »contem- As a pioneer in introducing the possibilities of composing ad, and looking for subsets to establish a kind of »poly-just-into­ porary choral music« ( t h e s u b t l e difference bet w e e n » n e w« a n d with the pure intervals of just intonation, Partch’s system consists nation« hexads. The result was a distinctive shift in colour of the Bibliography 1 Harry Partch, Genesis of a Music: An Account of a Creative »contemporary« is already in evidence in the first program booklet...) of hexads formed between the first six odd members of the over- hexads, this last remaining similar to the original Tonality Dia- Work, Its Roots and Its Fulfillments, (New York: Da Capo Press, 1974). 2 Another ex- offers for our delectation works by Hugo Distler and Armin Knab, tone series for major or »Otonal« , while mirroring mond model awarding only in this sense a resemblance to a kind ample of a geometrical representation of extended just intonation is to be found in Erv both of whom had set Wach auf Du Deutschland (»Wake up, Germa- those tones to create minor or »Utonal« versions. He visualised of »well temperament attitude«. For practical reasons and keeping Wilson’s Hexany. 3 The first part of Riccardo Nova’s composition Primes ny«) to music. To say nothing of the choral piece An die Freunde these structural relationships in a diamond shaped figure which into consideration the respect that Partch accorded to the octave, I (2010) is one of the most recent manifestations of using such an expanded Tonality Diamond, (»To Friends«) by Gerhard Schwarz: he, too, had earlier been 2 he referred to as the »Tonality Diamond« (see FIGURE). transposed the tones which were further apart than a quarter-tone. involving the first 10 odd harmonics. spreading brown manure with Unter der Fahne schreiten wir (»Un- The Tonality Diamond is a key figure in understanding In this same way I reviewed and added the tones of the Partch der the banner we march»). The question which the first registrants Partch’s system. It contains all the relationships between the first bass marimba. The whole scale was finally realised on a five-oc- Tim Mariën (b.1975) was freed from an unconscious musical approach for the courses had to answer on the application form (»Were you a six odd numbers of the harmonic series and its inversions. In this tave marimba. since his early teens when he started to experiment individually with member of the National Socialist party or any of its affiliations?«) respect it is a closed system, establishing a marriage between a me- Concerning my composition Toeënwâs, I was interested in devel- different styles. During his studies in musicology he undertook in- ought to have been posed to the teachers or the represented com- lodic and/or harmonic structure. Then again, the shape could be oping scale relations on a more general level. The initial scale of depth research of the music theory of the American composer Harry posers. For them, however, the well-known limerick will have reduced or enlarged by including lower or higher numbers re- eight tones »appeared« to me while improvising at the microtonal Partch. He is mainly self-taught as a composer, although he studied been apropos: »Und als man sie dann wiederfand, da waren sie im spectively. Indeed, Partch himself recognised it and formerly con- upright piano and adopted the shape of »a kind of« melodic minor for a short time with Salvatore Sciarrino in 2002. Widerstand« (»By the time they resurfaced, they had long since 100 101

joined the resistance«). This is how Darmstadt distinguished her- consensus, that much of this music was worthless and would just half-hour demonstration to that effect. The next day it was al- surely without being aware of it—at the cradle of a new societal self from the rest of the republic: one lied one’s way out of the past as well have never been played« 4, it is likely that the idiosyncratic ready an immortal masterwork for solo flute. To study under attitude toward new music, which—considering the increasingly as well as one could, or undertook an abrupt transformation from American aversion to any music seeking go beyond mere »enter- Stockhausen, in order to ultimately orient oneself to the pri­mitive dendritic initiatives of its caretakers—led to the unprecedented Saul to Paul. tainment« played a decisive role. Even in the program from 1949 serial method of Boulez’s Structures I was more of a regression than isolation of the orphan. 60 years after the beginning—the »new« Though both of the top instructors of those first years—Fort- twelve-tone music is only sparsely represented. a zero hour. Here, too, the guiding principle was the disavowal of or »modern« music has meanwhile devolved into the »contempo­ ner and Heiß—had learned of ’s row tech- Since Maderna doesn’t participate in the courses until 1949; compositional responsibility. And for those who found even this rary«—a historically grounded critical assessment of the Summer niques before 1930 (to be precise, HeiSS had adapted not Schönberg’s Boulez, Nono, and Stockhausen not before 1952; and Evangelisti, too difficult, there was the additional absolution from serialism Courses, and the entire periphery that brought them about, has method but rather the modal-dodecaphonic glass bead games of Josef Ferrari, and Metzger not until 1953; the »clean slate« remains elu- itself—usually completely misunderstood to begin with—as prom- become an existential task. It could contribute to a fundamental 8 Matthias Hauer), they could hardly be counted as firsthand wit- sive. Those who knew Fortner know that he was hadn’t the capac- ised by the rise, the »emanation« of the American entertainer John renewal of Darmstadt herself. As Ernst Block wrote in Traces : »I nesses of the matter. And although Heiß—whose abrupt shift ity to spread the twelve-tone technique like a gospel; the same Cage. Those who just yesterday had been recombining rows and am. But I have myself not. Thus we have yet to become.« from party-faithful to electroacoustic artist was, according to re- went for Heiß, about whom a few jokes were making the rounds translating the results in an arbitrary fashion into duration rows Let this be Darmstadt’s guiding principle for its future, be- ports from eyewitnesses, something of a thorn in the flesh of the even then (such as the one which claimed that his electronic studio and the like, now fumbled about with dice, yarrow sticks, and cause new music has itself—and us—not. Not by a long shot. Mu- younger generation—taught the »twelve-tone technique« from is where »brown noise« was first discovered). Leibowitz was equally other I Ching techniques. sic needs no tabula rasa, but rather needs to tackle its »becoming« the very beginning with the same aridity as Fuxian counterpoint unable to take command on his own: the attacks against him from, In this manner the epigones of Darmstadt devised their »tabu- with due vigor. Begone from the busy ghetto and get on the tight- lessons, the experience of working with this »technique« would among others, Boulez were already too vehement. It seems to me lae rasae«—often several in quick succession. Although one can- rope. If that doesn’t work, then Nietzsche’s quote is what counts: have been a twofold source of relief for some students: its applica- that some course participants, those who fervently devoured these not blame them squarely on Darmstadt, the courses missed all »What falleth, that shall one also push!« 9 Perhaps Darmstadt’s tion promised an easy link-up with »modernist« tendencies, and rows, their retrogrades and inversions, had simply fallen victim opportunities to counter these developments with a critical coun- new »Writing Workshop« could concentrate on the structures of its purely technical presentation (original, inversion, and retro- to the harsh verdict of Eisler, who once jeered that »any second- ter-appraisal. Under Wolfgang Steinecke it wasn’t possible either, Darmstadt’s history so critically, that the worst case, namely that grade) was a de facto absolution from the obligations of harmonic ary school pupil can write a twelve- and mechanistically for he leapt onto the departing express train »Modernity«, out Darmstadt’s tabula rasa still lies ahead, can be prevented. A con- thinking. Fortner never undertook an incisive analysis of the derive the three other basic forms on paper.« 5 Could this collec- of fear that his own biography might again become a topic of tribution to the critical social history of »contemporary« music, method he gruesomely called »the twelvenote«, but merely en- tive nosedive into the twelve-tone technique be attributed to a conversation. His successor Ernst Thomas (dubbed by Mary Bauer- initiated by Darmstadt herself, would do Darmstadt—and the dorsed it in the practical composition lessons as a new path of vir- general desire for compositional absolution? Did it appear to the meister as »a sputtering candle in the night«) jumped on the same world out there—a world of good. tuous composition. It would be worthwhile to investigate the first students as an insurance policy for modernism, or was it really bandwagon, without even once critically »reflecting« on Darm- »twelvenote« works of Darmstadt provenance (those of Fortner as the result of an intrinsic aesthetic motivation, such as is seen in stadt. This, in turn, became a tradition among his own successors. well, surely) to find out just how seamlessly they combined the the »«? The »new« only dribbled in gradually. From year to year new in- Bibliography 1 igor strawinsky in the newspaper Il Piccolo (May 27th 1935) clunky »linear counterpoint« of the recent German neo-baroque Insofar as desire for absolution (psychology) or insurance po­ structors bestowed their professional opinions on new docile stu- about a meeting with Mussolini. 2 cf. Harvey Sachs: Music in Fascist Italy, New trends with a misunderstood serial technique. That was no »clean licy (opportunism) were dominant factors—I hereby exclude the dents, which were then carried out into the musicology seminars, York 1988, pp. 135ff. 3 Leibowitz’s book Introduction à la musique de douze sons slate« but rather a desperate attempt to do the splits. Friedrich intrinsic motive—the question again arises as to whether twelve- rather than into the lives of the people or at least into those of the (Paris 1949) claims (p.13), that the »extraordinary genius of Arnold Schoenberg« was able to Schlegel’s dictum, whereby »the law must become the inclina- tone technique was indeed the zero hour. Given that at that time cultural elite. Virtually up to the present day this infantile pic- solve »comprehensively the half-solutions of the music of the 20th century«. 4 cf. tion«, was nowhere to be found in Darmstadt’s zero hour: mod- the technique had even been adopted by American film com­ ture of »serial« music has persisted in the (musicological) litera- Francis Stonor Saunders: Who Paid the Piper?—The CIA and the Cultural Cold War, ernism was exogenic. To say nothing of that mystical mumbo- posers already, it seems to be an exaggeration. If one extrapolates ture, making it easy for its critics to brand it as nothing more than London 1999, p. 23. 5 Hanns Eisler: »Arnold Schoenberg«, in: Reden und Aufsätze, jumbo from the first brochure, which reported that we were from the technique, however, a different picture emerges: Darm- a bookkeeping endeavor. If one looks back upon the genesis of Leipzig, no date, p. 121. 6 Compare the analysis of this sonata in: Herman Sabbe: emerging from »a time, in which most of the significant forces of stadt seems to have dreamed up its tabulae rasae out of thin air. this technique, however, then even there no tabula rasa is to be Het muzikale Serialisme als Techniek en als Denkmethode, Ghent 1977, pp. 43ff. 7 Read- German musical life had been neutralized«, and then claimed After Messiaen’s twee polymodal piano study Mode de valeurs et found: Goeyvaerts’s seriality is as franco-flemish as Ockeghem’s ers of Pousseur’s book Die Apotheose Rameaus (Darmstadt 1987) can discover the degree to that »for twelve years such names as Hindemith and Stravinsky, d’inten­sités had fluttered in and Karel Goeyvaerts’—equally inde- Missa Prolationum, Boulez was inhabited by Messiaen from the which he tried to systematize his dream. The consequences of seriality, certainly not »post-seri- 6 Schönberg and Krenek, Milhaud, Shostakovich and Prokofiev, cisive —»serial« piano sonata caused a minor uproar in 1952— outset, Stockhausen thrived on Hesse’s Glass Bead Game, Pous- alism«. 8 Ernst Bloch: Spuren, Frankfurt/Main 1959, p. 7. 9 Fried­ Bartók, Weill, and others were roundly ridiculed.« In the cases of from Prof. Adorno, among others—one could hardly speak of a seur’s approach was governed by the persistent longing for an aes- rich Nietzsche: Thus spake Zarathustra, Chapter LVI., sec. 20. 7 Hindemith and the Mussolini admirer Stravinsky (»I told him, radical break even then. To be sure: »serial« works became a more thetically »fulfilled« chromaticism , and the three Italians (Mad- 1 that I felt myself to be a fascist, too« ) this was definitely untrue. frequent sight in the concert programs from those years. Among erna, Berio, Nono) sought and found their own very different point Although the second year, 1947, shakes up the teaching staff them were the few truly convincing serial composers and the of entry, one which was more reminiscent of the adventures of somewhat (with the inclusion of Scherchen and Stuckenschmidt), masses of others, who had composed their own way into the gar- the Italian Renaissance than anything else. Zero hour, big bang, the zero hour is still not in sight. Definitely not in the concert bage can of music history. The fact that the more alert students of or reminiscence of pre-tonal compositional procedures? It is still programs, where once again Orff and even Werner Egk appear the courses later returned as teachers is a quite natural process, worthwhile to bring the genesis of serial music into its historical along with the Mussolinian fascist Alfredo Casella 2. In the third such as is familiar from any conservatory. context, rather than saddle it with the Big Bang fetish. year (where Hindemith is still the most-played composer), the courses As the young »serialists« were on the rise, then, one could still Instead of searching in vain for a Darmstadt tabula rasa or its are enriched by René Leibowitz and Rolf Liebermann. With Lei- not speak of a true zero hour, except insofar as a few students took zero hour, it would be more fruitful to study the unique phenom- bowitz the twelve-tone technique attains its highest degree of con- the teachings of the young masters as a wake-up signal. From enon of the Summer Courses in its sociological context. The zero Konrad Boehmer (b.1941 in Berlin) first attended the Darmstadt Cours- secration: like Adorno he saw the »Viennese school« as the peak of the end of the 1950’s—I was a schoolboy at the time (though most hour dragged on interminably, and the »clean slate« was mossy es in 1959 (on an invitation from Stockhausen to his composition European art music and adamantly maintained this viewpoint at certainly not »innocent«)—I remember how students of a Stock- from the very beginning. Which was the chicken and which the course). He never subscribed to any of Darmstadt’s »dogmas«. Be- 3 the courses . When Darmstadt’s co-initiator, the American mili- hausen course came to me in desperation—I was from »Cologne«, egg can only be determined by someone who scrapes away the tween 1971 and 2006 he was a professor at the Royal Conservatory in tary regime, becomes indignant about the »over-emphasis on after all—in order to be told how row permutations work and patina of false legends. In the case of Darmstadt this could turn Den Haag and Director of its »Institute for Sonology«; he is currently twelve-tone music« and concludes that »there existed a general how a duration series can be derived. For one of them I provided a into a comprehensive historical analysis, for Darmstadt stood— a freelance composer in Amsterdam. Impressum EDITORIAL INFORMATION 102 103 Förderer Patrons | Sponsoren Sponsors | Projektpartner P r o j e c t Pa r t n e r s

45. Internationale Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt 2010 Förderer PATRONS ...... Wissenschaftsstadt Darmstadt 45th International Summer Course for New Music Darmstadt 2010 ...... Kulturfonds Frankfurt RheinMain ...... Ernst von Siemens Musikstiftung Künstlerische Leitung Artistic Director ...... Thomas Schäfer ...... Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst ...... Der Beauftragte der Bundesregierung Projekte Projects ...... für Kultur und Medien Konzeption Concept ...... Jürgen Krebber ...... Sparkasse Darmstadt Jubiläumsstiftung ...... Thomas Schäfer ...... Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen ...... Impuls Neue Musik ENSEMBLE 2010 ...... Lucas Vis (Künstlerische Leitung Artistic Director) ...... HEAG MOBILO ...... Sylvia Freydank ...... Jürgen Krebber Preisträgerforum Prizewinners’ Forum ...... Lucas Vis (Künstlerische Leitung Artistic Director) Projektsponsoren Project sponsors ...... Sylvia Freydank Abschlusskonzert der 45. Internationalen Ferienkurse für Neue Musik . Walter Fink ...... Jürgen Krebber Final Concert of the 45th International Summer Course for New Music Schreibwerkstatt Writing Workshop ...... Stefan Fricke Atelier Elektronik Electronics Atelier ...... Merck ...... Björn Gottstein Schreibwerkstatt Writing Workshop ...... Fazit-Stiftung ...... Frank Hilberg Ensemble-in-Residence Studio for New Music Moscow ...... Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) Open Space ...... Berno Odo Polzer ...... Pro Musica Viva Maria Strecker-Daelen Stiftung Konstellationen Constellations ...... Stefan Fricke ENSEMBLE 2010 ...... Goethe-Institut Rückblick nach vorne Looking backward at the future ...... Ulrich Mosch ...... Konzert des Deutschen Musikrats (KDMR) ...... Yuval Shaked ...... ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE Assistenz Atelier Elektronik Assistance Electronics Atelier ...... David Rädler Staubach Honoraria ...... Harry and Alice EILER Foundation Ausstellung Exhibition Wolfgang Steinecke ...... Michael Custodis Blonay in Darmstadt ...... Pro-Bio Foundation (Regine und Leo Hepner) ...... Jürgen Krebber Ausstellung Exhibition Wolfgang Steinecke ...... Darmstädter Förderkreis Kultur ...... Sparkasse Darmstadt Koordination Coordination Lectures ...... Michael Rebhahn Fahrradprojekt Bicycle Project ...... Entega Übersetzungen Translations ...... Philipp Blume ...... Evonik ...... Wieland Hoban ...... Fraport Assistenz Assistance ...... Till Sauter ...... HEAG Holding Stipendien Stipends ...... Breitkopf & Härtel Redaktion Editor Reader ...... Michael Rebhahn Medienpartner Media Partner ...... hr2-Kultur Jury Kranichsteiner Musikpreis Music Prize ...... James Clarke ...... Bernhard Günther ...... Barbara Maurer Projektpartner Project PARTNERs...... Maritim-Konferenzhotel Darmstadt Produktionsleitung Production Management ...... littlebit. Produktionsbüro für zeitgenössische Kunst ...... Jugendherberge Darmstadt ...... (Armin Leoni, Martin Schmitz, See-Hyoung Chang) ...... 603qm Aufnahmeleitung und Tontechnik ...... MBM Mielke Bergfeld Musikproduktion ...... Centralstation Recording Producer and Audio Engineering ...... Schader-Forum Produktionsassistenz und Sekretariat ...... Claudia Mayer ...... Darmstadtium Production Assistance and Administration ...... Denise Mietlewski ...... Orangerie ...... Brigitte Niepoth ...... Staatstheater Darmstadt Pressebüro Public Relations ...... Susanne Laurentius ...... Mornewegschule Assistenz Assistance ...... Tuula Simon ...... Akademie für Tonkunst ...... Aylin Leysieffer ...... Edith-Stein-Schule Klavierstimmer ...... Piano Berg ...... Lichtenbergschule Fotos Photos ...... Albrecht Haag ...... Staatsoper Stuttgart ...... Jens Steingässer ...... Automobil-Verkaufs-Gesellschaft Joseph Brass Grafische GestaltungGraphic Design ...... Novamondo Design ...... Paiste Herstellung und Druck Production and Print ...... Ph. Reinheimer Darmstadt ...... Yamaha Music Europe Textnachweise Text Credits ...... Alle Texte für diesen Reader sind Originalbeiträge...... Headroom Media Service ...... All texts for this reader are original contributions. Übersetzungen ins Englische ...... Philipp Blume Translations into English ...... Wieland Hoban Bildnachweise Photo Credits ...... Sämtliche Vorlagen für die Abbildungen in diesem ...... Reader sind dem Archiv des IMD entnommen. All photos ...... in this reader are taken from the archive of the IMD.

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