Kultur- und Technikgeschichte

Dufour Map – Spitzenkartografie in der vierten Dimension Eine Zeitreise mit Guillaume-Henri Dufour

Am 8. Oktober 2003, dem Vorabend zur Eröffnung der OLMA, wurde der Öffent- lichkeit im sehr schön ausgestalteten Stand des Bundesamtes für Landestopografie das neueste Produkt des Hauses vorgestellt: die Dufour Map, das erste Multimedia- Produkt aus eigener Schmiede. Die als Gastinstitution an dieser bekannten Ostschweizer Ausstellung schätzte sich sehr glücklich, an diesem würdigen Anlass den Medienvertretern einen hochkarätigen Referenten präsentieren zu können: General Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) höchstpersönlich gab sich die Ehre und schil- derte den Anwesenden seinen Bezug zu diesem modernen Produkt. Um der Leser- schaft der «Geomatik Schweiz» einen Eindruck von diesem denkwürdigen Auftritt vermitteln zu können, wird seine Rede im Folgenden vollständig wiedergegeben.

Le 8 octobre 2003, la veille de l’ouverture de l’OLMA à St Gall, le CD Dufour Map, un nouveau produit maison de swisstopo, a été présenté au public dans le très beau stand de l’Office fédéral de topographie. Dufour Map est le premier produit multimédia conçu et réalisé entièrement dans nos locaux. swisstopo était particulièrement fière de pouvoir présenter, dans le cadre de cette exposition de Suisse orientale très ré- Abb. 1: Der über die Wiedergeburt sei- putée, un orateur de grande valeur. Le Général Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) nes Werkes in Form der Dufour Map s’est offert, en personne, l’honneur de présenter à la presse son sentiment face à ce erfreute General Guilllaume-Henri produit très moderne. Afin de permettre aux lecteurs de «Géomatique Suisse» de par- Dufour alias Jean-Philippe Amstein, ticiper à cette apparition mémorable, voici la version intégrale de son discours. Stellvertretender Direktor von swiss- topo, bestaunt am OLMA-Stand in L’8 ottobre 2003, alla vigilia dell’apertura dell’OLMA di San Gallo, al bellissimo stand St. Gallen die dort ausgestellte gigan- dell’Ufficio federale di topografia (Swisstopo) è stato presentato al pubblico il CD della tische Vergrösserung der Siegfried- Dufour Map. La Dufour Map è il primo prodotto multimediale concepito e realizzato karte (Foto: Hans-Uli Feldmann). completamente dal nostro Ufficio. Nell’ambito di questa esposizione di grande presti- gio della Svizzera orientale, Swisstopo è stato particolarmente fiero di proporre un relatore di spicco. Il Generale Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) si è personalmente messo a disposizione per illustrare alla stampa le sue impressioni su questo modernissimo pro- dotto. Per permettere ai lettori di «Geomatica Svizzera» di partecipare a questa me- morabile apparizione, qui di seguito pubblichiamo la versione integrale del suo discorso.

M. Rickenbacher Auszug aus der Fachzeitschrift Geomatik Schweiz Heft 12/2003 ISSN 1660-4458

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Dufour Map – Spitzenkartografie in der vierten Dimension Eine Zeitreise mit General Guillaume-Henri Dufour

Am 8. Oktober 2003, dem Vorabend zur Eröffnung der OLMA, wurde der Öffent- lichkeit im sehr schön ausgestalteten Stand des Bundesamtes für Landestopografie Abb. 1: Der über die Wiedergeburt sei- das neueste Produkt des Hauses vorgestellt: die Dufour Map, das erste Multimedia- nes Werkes in Form der Dufour Map Produkt aus eigener Schmiede. Die swisstopo als Gastinstitution an dieser bekannten erfreute General Guilllaume-Henri Ostschweizer Ausstellung schätzte sich sehr glücklich, an diesem würdigen Anlass den Dufour alias Jean-Philippe Amstein, Medienvertretern einen hochkarätigen Referenten präsentieren zu können: General Stellvertretender Direktor von swiss- Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) höchstpersönlich gab sich die Ehre und schil- topo, bestaunt am OLMA-Stand in derte den Anwesenden seinen Bezug zu diesem modernen Produkt. Um der Leser- St. Gallen die dort ausgestellte gigan- schaft der «Geomatik Schweiz» einen Eindruck von diesem denkwürdigen Auftritt tische Vergrösserung der Siegfried- vermitteln zu können, wird seine Rede im Folgenden vollständig wiedergegeben. karte (Foto: Hans-Uli Feldmann). Le 8 octobre 2003, la veille de l’ouverture de l’OLMA à St Gall, le CD Dufour Map, un nouveau produit maison de swisstopo, a été présenté au public dans le très beau stand ner beneidenswerten Lage sind: Wird ih- de l’Office fédéral de topographie. Dufour Map est le premier produit multimédia re Karte einmal durch eine neue Version conçu et réalisé entièrement dans nos locaux. swisstopo était particulièrement fière ersetzt, so verliert das alte Werk nicht an de pouvoir présenter, dans le cadre de cette exposition de Suisse orientale très ré- Wert, denn es vermag den nachfolgen- putée, un orateur de grande valeur. Le Général Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) den Generationen als Beleg dafür zu die- s’est offert, en personne, l’honneur de présenter à la presse son sentiment face à ce nen, wie die Landschaft seiner Zeit aus- produit très moderne. Afin de permettre aux lecteurs de «Géomatique Suisse» de par- gesehen hat. Ich würde mich nicht gera- ticiper à cette apparition mémorable, voici la version intégrale de son discours. de zum Begriff einer «ewigen Jugend» versteigen, aber es hat aus meiner Optik L’8 ottobre 2003, alla vigilia dell’apertura dell’OLMA di San Gallo, al bellissimo stand schon etwas sehr Bewegendes, wenn ich dell’Ufficio federale di topografia (Swisstopo) è stato presentato al pubblico il CD della sehe, dass das, was wir damals unter vie- Dufour Map. La Dufour Map è il primo prodotto multimediale concepito e realizzato len Mühsalen, ätzender Kritik und auch completamente dal nostro Ufficio. Nell’ambito di questa esposizione di grande presti- Neid erschaffen haben, heute nicht zum gio della Svizzera orientale, Swisstopo è stato particolarmente fiero di proporre un relatore alten Eisen gehört, sondern als Grundla- di spicco. Il Generale Guillaume-Henri Dufour (1787–1875) si è personalmente messo ge neuer Produkte verwendet werden a disposizione per illustrare alla stampa le sue impressioni su questo modernissimo pro- kann. Ich bin deshalb der Einladung mei- dotto. Per permettere ai lettori di «Geomatica Svizzera» di partecipare a questa me- ner heutigen Kollegen sehr gerne gefolgt morabile apparizione, qui di seguito pubblichiamo la versione integrale del suo discorso. und habe die Reise von Genève nach St. Gallen auf mich genommen, auch wenn natürlich, dass meine heutigen Kollegen mir die ungewohnte Umgebung im Nei- M. Rickenbacher von swisstopo – ich komme später noch gezug auf der Jurasüdfusslinie schon et- auf dieses Kürzel zurück – unsere nun was seltsam vorgekommen ist. Wenn ich Meine sehr verehrten Damen und Herren schon 150 Jahre alte Arbeit immer noch mir vorstelle, dass wir in unseren Zeiten derart hoch schätzen, dass sie unserem auf unseren stunden-, oft gar tagelangen Es freut mich sehr, dass Sie zu dieser Me- Werk, der altehrwürdigen «Topographi- Schüttelfahrten in Postkutschen von Zita- dienorientierung hierher nach St. Gallen schen Karte der Schweiz 1:100 000», in ten Gotthelfs, Kellers oder anderer gereist sind und mit Ihrer Anwesenheit ei- Form der Dufour Map nun auch eine Wei- Schriftsteller begleitet worden wären, nem Produkt die Ehre erweisen, an wel- terexistenz im digitalen Zeitalter ermögli- dann kann ich Ihnen nur sagen, dass mir chem ich – zusammen mit meinen zahl- chen. Dies ist doch der beste Beweis, mei- meine Zeitreise nach St. Gallen schon in reichen damaligen Mitarbeitern – stark ne sehr verehrten Damen und Herren, diesem Punkt grossen Spass bereitet hat. beteiligt bin. Ebenso sehr freut es mich dass die Vermesser und Kartografen in ei- Nun sind Sie vermutlich nicht hierher ge-

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schaffenden Karte festgelegt hatten. Doch der Start des Unternehmens stand unter einem unglücklichen Stern: Schon einen Monat später, am 4. Juli 1832, er- eignete sich nicht weit von hier, auf dem Säntis nämlich, eine grosse Katastrophe: Ingenieur Buchwalder aus Delsberg, einer der fähigsten Ingenieure jener Jahre, mass mit seinem Gehilfen Pierre Gobat auf dem Gipfel Winkel für das Dreiecksnetz, als die beiden abends um 7 Uhr von einem fürch- terlichen Unwetter überrascht wurden und im Zelt Schutz suchen mussten. Der Sturm tobte ununterbrochen die ganze Nacht hindurch und auch am folgenden Tag. Plötzlich – es war morgens um 10 Abb. 2: Zeitreisen am Bildschirm über anderthalb Jahrhunderte an jedem be- Uhr – wurde Gobat vom Blitz getroffen. liebigen Punkt in der Schweiz: Mit einer raffinierten, stufenlosen Überblend- Er war auf der Stelle tot. Buchwalder, den technik können die Dufourkarte und die aktuelle Pixelkarte 1:100 000 gleich- der Blitz ebenfalls erwischt und am linken zeitig betrachtet werden, wobei die Benützer entscheiden können, welcher Bein gelähmt hatte, begann um 11 Uhr, Stand deutlicher dargestellt werden soll. Auf diese Weise können die Verän- nachdem er seinen toten Gefährten so derungen der Landschaft sichtbar gemacht werden, beispielsweise hier die gut als möglich gegen das Unwetter ge- grosse Rheinkorrektion bei Diepoldsau (© swisstopo). schützt hatte, unter grössten Schmerzen den Abstieg Richtung Toggenburg. Rut- kommen, um meine aktuelle persönliche modern, und er war für viele von uns der schend, kriechend, halb tot vor Erschöp- Befindlichkeit zu erfahren, sondern Sie Kern ihrer Motivation. Zwar hatte die Tag- fung, langte er gegen 2 Uhr nachmittags wollen sicher etwas von den bereits an- satzung schon wenige Jahre nach der Hel- bei den ersten Hütten der Alp Gräppelen getönten Mühseligkeiten, aber auch von vetik grünes Licht zu trigonometrischen an. Zwei Männer stiegen sofort hinauf unseren Freuden hören. Von beidem Vermessungen als Voraussetzung für die zum unglücklichen Gobat. Buchwalder möchte ich Ihnen im Folgenden etwas er- Erstellung einer Karte gegeben, welche selbst schleppte sich hinunter nach Alt St. zählen, weil ich davon ausgehen darf, das ganze Land darstellen sollte. Man Johann, wo er um 3 Uhr fast sterbend ein- dass ausser mir keiner von Ihnen, meine brauchte solche Grundlagen, um mit fort- traf und sofort zu Bett gebracht werden sehr verehrten Damen und Herren, sei- schreitender Entwicklung und Industriali- musste. Acht Tage lang rang der Jurassier nerzeit anwesend war. sierung eine Basis für Planungen vielfäl- im Gasthaus zum Rössli mit dem Tod, und tigster Art zur Verfügung stellen zu kön- als er endlich wieder transportfähig war, nen. Doch diese Arbeiten kamen nicht brachte man ihn ins Bad Pfäffers, wo die Stürmische Zeiten recht vom Fleck, hauptsächlich, weil man Lähmung in seinem linken Bein allmäh- Als ich im September 1832 das Amt des seitens der nicht die nötigen lich verschwand und sein Lebensmut und Oberstquartiermeisters – so nannte man finanziellen Mittel bereitstellen wollte seine Energie wiederkehrten. Es ist nach- den Generalstabschef damals – über- und zudem eine klare zentrale Führung fühlbar, dass Buchwalder nach diesem nahm, herrschten politisch stürmische fehlte. So gingen denn einzelne Kantone schrecklichen Erlebnis nicht mehr im Ge- Zeiten. Die Schweiz in der heutigen Form wie oder daran, ihr Kantons- birge arbeiten wollte. als Bundesstaat existierte damals noch gebiet auf eigene Kosten vermessen zu Kurze Zeit danach musste mein Vorgän- nicht. Vielmehr musste man von einem lassen. Das förderte dann nach und nach ger Wurstemberger wegen einer politi- losen Staatenbund sprechen, dessen ein- auch auf Stufe Eidgenossenschaft das Be- schen Affäre zurücktreten, und ich wur- zelne Kantone als souverän handelnde dürfnis, dass nun etwas in dieser Richtung de am 20. September 1832 als sein Teilstaaten sich immerhin gelegentlich zur zu geschehen habe. Nachfolger zum Oberstquartiermeister so genannten «Tagsatzung» trafen. Dort Im Juni 1832 war in Bern von meinem gewählt. Am 3. November teilte mir die wurden Aufgaben angegangen, welche Amtsvorgänger Ludwig Wurstemberger eidgenössische Militäraufsichtsbehörde die Gesamtheit der Kantone betrafen und die erste Sitzung der Kommission für Lan- mit, dass ich in dieser Funktion auch für zum Gemeinwohl der Eidgenossenschaft desaufnahme einberufen worden, an die Leitung der Arbeiten für die eid- beitragen sollten. Der Begriff «Gemein- welcher verschiedene Experten teilge- genössische Karte zuständig sei. Wir ahn- wohl» war damals hoch angesehen und nommen und die Grundzüge der zu ten damals kaum, dass uns das Unter-

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noch jüngeren Mitarbeitern Rudolf Wolf, Vielfalt der kantonalen Masse gar nicht dem späteren Professor für Astronomie in erst zu sprechen kommen. Doch zurück Bern und in Zürich, und Johannes Wild, zur Basismessung, welche nicht so ein- welcher später den Kanton Zürich kar- fach war, wie das für eine heutige, mit Sa- tierte und nach dessen Gründung erster tellitennavigation ausgestattete Gesell- Professor für Topografie am eidgenössi- schaft tönen mag: Die Messung der 13 schen Polytechnikum, der heutigen ETH, Kilometer langen Strecke dauerte näm- wurde, eine der wichtigsten Operationen lich vom 22. September bis zum 10. No- des ganzen Projekts: Damit wir die Grös- vember 1834. Es war mir sehr peinlich, se unseres Triangulationsnetzes – und so- dass die Tagsatzung nicht genügend Mit- mit auch die Grösse der Schweiz – festle- tel dafür bereitstellen wollte. Kurz vor En- Abb. 3: Schnelle Navigation am Bild- gen konnten, musste in unserem Drei- de der Messungen ging uns nämlich das schirm: Mit Übersichtskarten können ecksnetz, welches wir «Triangulation Geld aus, und wenn Wild und Wolf nicht sich die Benutzer sehr rasch an ihren primordiale» nannten, die Länge einer acht Louisdor aus ihrer privaten Kasse vor- Wunschort begeben, um die Land- Seite bekannt sein. Eschmann mass zu gestreckt hätten, wären sie nicht einmal schaftsvergleiche vorzunehmen (© diesem Zweck im Grossen Moos zwischen so weit gekommen. Eschmann, der mich swisstopo). Walperswil und Sugiez eine so genannte ständig auf dem Laufenden hielt, schrieb «Basis», welche 13 Kilometer lang war mir, dass er und seine Operateure sogar nehmen während der nächsten 32 Jahre und anschliessend mit Winkelmessungen genötigt wären, ihre Uhren zu versetzen, beschäftigen würde. Wir hatten viel an- auf die 38 Kilometer lange Seite Chas- nur schon um ihre Heimreise bezahlen zu deres zu tun, ich habe Ihnen schon ge- seral-Rötifluh übertragen wurde. Wenn können. Irgendwie scheint mir dieses Er- sagt, jene Zeiten waren stürmisch. In ei- ich übrigens «13 Kilometer» sage, so ha- lebnis typisch für unser ganzes Unter- nigen Kantonen brodelte es, beispiels- be ich diesen Wert für Sie grob auf das nehmen gewesen zu sein: Meine Mitar- weise in Schwyz und in Basel, wo sich die heutige Masssystem umgerechnet; für beiter – den Damen unter Ihnen gegen- Landschaft von der Stadt trennen wollte. uns war die Basis nämlich exakt 1724 Toi- über möchte ich präzisieren, dass diese So kam es, dass ich als Kommandant der sen, 8 Zoll und 8.3 Linien lang, Bezeich- Bezeichnung damals politisch korrekt eidgenössischen Truppen im August 1833 nungen, die für Sie vermutlich sehr un- war, denn wir hatten leider kein weibli- die Stadt Basel militärisch besetzen muss- vertraut tönen, damals aber zu unserem ches Wesen in unserer Mitte – waren mit te, denn sie hatte am 3. August mit ihrer festen Wortschatz gehörten. Um Sie nicht viel Idealismus und Enthusiasmus am Standestruppe die Landschaft überfallen. vollends zu verwirren, möchte ich auf die Werk, aber die Geringschätzung, die sie Dabei war sie vernichtend geschlagen worden, was schliesslich zur Bildung des Kantons Basel-Landschaft führte. Bei sol- chen Einsätzen konnte ich mein Bezie- hungsnetz immer mehr erweitern, denn ich war auf die Mitarbeit der Kantone an- gewiesen, damit ein solches gesamteid- genössisches Werk überhaupt angegan- gen werden konnte. Zunächst legten wir für unsere Karte einen vermessungstech- nischen Rahmen fest, wozu wir ein lan- desweites Triangulationsnetz messen mussten, denn vor uns hatte dies noch niemand gemacht.

Harziger Start Wir kamen anfänglich nur langsam vor- wärts, vieles war sehr mühsam. Gott sei Abb. 4: Das Lexikon der Dufour Map enthält Kurzangaben zu verschiedenen Dank hatte ich im jungen Zürcher Geo- Themen, hier zum Messtisch. Mittels Animationen kann beispielsweise der Ab- däten Johannes Eschmann einen tatkräf- lauf eines Arbeitstages des Bündner Topografen Johann Coaz mitverfolgt oder tigen Nachfolger für Buchwalder gefun- die Übertragung der im Grossen Moos gemessenen Basis auf die Seite Röti- den. Er unternahm zusammen mit seinen fluh-Chasseral der «Triangulation primordiale» studiert werden (© swisstopo).

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aus den fehlenden finanziellen Mitteln zu spüren glaubten, liessen sie mehr als ein- mal beinahe verzweifeln, und nicht viel hätte gefehlt, und sie hätten die Arbeit hingeworfen. Doch irgendwie schienen alle zu spüren, dass sie hier an einem na- tionalen Werk arbeiteten. Doch ich möchte unsere damalige Situa- tion nicht allzu sehr idealisieren, denn ne- ben Gobat forderte unser Werk auch noch ein weiteres Todesopfer, das in ehrendem Andenken zu halten ich Sie hiermit bitte: Im heutigen OLMA-Gastkanton Grau- bünden musste eines meiner hoffnungs- vollsten Talente, der Luzerner Peter Anton Glanzmann, erst neunzehnjährig sein jun- ges Leben lassen, als er bei topografischen Abb. 5: Bildschirmdarstellung von Dufours Heimatstadt Genf in Form seiner ei- Aufnahmen am 25. Juni 1845 am Piz genen Karte und in der heutigen Landeskarte: Die Stadt ist noch von den Schan- Mundin im Unterengadin abstürzte. Wir zen umgürtet, welche nach der Gründung des Bundesstaates überflüssig wur- mussten damals den Gefahren unseres den (© swisstopo). Berufes und unserer Berufung klar ins Au- ge blicken, und ich denke, dass uns das zwischen dem Entstehen unseres Karten- nicht wie heute zum angloamerikani- in einem gewissen Sinne auch zusam- werkes und jenem der Nation zu ihrem schen Sprachraum. Sie sehen, meine Da- mengeschweisst hat. Wir waren zwar nie Forschungsgegenstand gemacht haben; men und Herren, wenn man so lange lebt eine eigentliche Truppe, aber wenn wir wir haben seinerzeit in erster Linie unse- wie ich, stellt man fest, dass sich bei ge- schon bei einem derart militärischen Be- re Aufgabe wahrgenommen, nämlich die nauer Betrachtung herzlich wenig ändert griff sind, so darf ich nicht ohne Stolz da- Vermessung und Kartierung des Landes, im Lauf der Dinge: Die Fragestellungen rauf hinweisen, dass im Sonderbunds- aber wenn wir heute als die «Kartogra- bleiben immer dieselben, aber die Mittel, krieg, bei dem ich von der Tagsatzung fen der Nation» bezeichnet werden, so ist mit denen diese Fragen beantwortet wer- erstmals mit der Aufgabe eines Generals das nicht ganz unzutreffend. den können, ändern sich. betraut wurde, einige meiner fähigsten Als wir mit der «Triangulation primordia- So spricht man doch heute viel von «Glo- Leute in meiner unmittelbaren Umge- le» die Alpen überquert und erstmals die balisierung». Die hatten wir damals auch bung wirkten: so war Buchwalder bei- Südschweiz vermessungstechnisch mit schon: Weil in unseren Zeiten in der spielsweise der Chef meines Generalsta- dem Rest des Landes verbunden hatten, Schweiz nur wenig kartografisches bes, und Coaz, ein sehr begabter Bünd- fing der Hauptteil unserer Arbeit erst an, Know-how vorhanden war, mussten wir ner Forstingenieur, welcher als Topograf denn wir hatten erst das vermessungs- unser Augenmerk in der Anfangsphase einige Sektionen aufgenommen hatte, technische Gerüst für die topografischen aufs Ausland richten. In der Schweiz war mein persönlicher Sekretär. Er bestieg Aufnahmen geschaffen. Damit ich diese herrschte ein akuter Mangel an guten später als Erster den Piz Bernina, taufte Aufnahmen und die kartografischen Ar- Kupferstechern. Rinaldo Bressanini bei- den bis anhin noch namenlosen Piz Quat- beiten optimal leiten konnte, gründete ich spielsweise, der aus dem Südtirol stamm- tervals im Oberengadin, und nach seiner im Jahre 1838 in Genf das «Eidgenössi- te und 1838 als Flüchtling in die Schweiz Topografenzeit wirkte er als Eidgenössi- sche Topographische Bureau». Zehn Jah- gekommen war, stellte uns sein Können scher Oberforstinspektor. re vor dem Gründungsjahr der modernen für den Stich der Karte zur Verfügung. Schweiz bildete es eine der ersten Zellen Von seiner Erfahrung profitierten schwei- der späteren Zentralverwaltung des Bun- zerische Fachleute wie Heinrich Mühl- Die Kartografen der Nation des. Wenn ich die heutige Bezeichnung haupt und andere Kartografen. Ich habe Es ist übrigens bemerkenswert, dass der der swisstopo in Betracht ziehe, dann darf mir sagen lassen, dass, wenn heutzutage Sonderbundskrieg und das nachfolgende ich mit etwas Schmunzeln feststellen, ein Flüchtling für ein derart hochrangiges Geburtsjahr 1848 der modernen Schweiz dass sich in diesen 165 Jahren ziemlich helvetisches Schlüsselwerk angestellt ziemlich genau die Mitte unseres Unter- wenig verändert hat, denn wir waren da- würde, ein Teil der schweizerischen Par- nehmens markierten. Es schmeichelt uns mals schon die «suissetopo», und wie es teienlandschaft vermutlich entrüstet rea- natürlich schon ein bisschen, wenn die die Zeitumstände geboten, richteten wir gieren würde. Wir konnten seinerzeit modernen Historiker die Parallelitäten uns halt eher nach Frankreich aus und nicht anders, wir strebten stets nach dem

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Besten, und nationale Unterschiede wa- dieses Vorgehen schon sehr seltsam, und te ich direkt neidisch werden: Im gleichen ren für uns zweitrangig. Auch unter den es hat in seiner Art und Weise nichts mehr Augenblick zwei Kartenwerke gleichzei- Topografen hatte es übrigens Ausländer, mit der Kritik selbst zu tun. Mich hat in tig anschauen zu können, das wäre uns wie beispielsweise Jules Anselmier oder erster Linie geärgert, dass der Wirbel, der seinerzeit nicht im Traum eingefallen. Wir Adolphe-Marie-François Bétemps. Ich dabei entstand, mich zu vielen Erklärun- hätten ja auch keine Vergleichsgrundlage darf im Nachhinein sagen, dass wir auf gen nötigte und mir viel Zeit und Kraft gehabt, denn unsere Vorgängerkarten diesen ausländischen Support angewie- raubte, die ich lieber in das Kartenwerk waren dermassen verzerrt, dass sie nicht sen waren, und wenn Sie heute die Du- selbst gesteckt hätte. mit unserem ersten geometrisch genau- fourkarte als nationales Werk der Schweiz Aber neben diesen Leiden gab es natür- en Bild des Landes hätten in Beziehung betrachten, so gebührt ein Teil dieser Eh- lich auch die Freuden. Diese stellten sich gebracht werden können. Wir haben re auch meinen aus dem Ausland zu uns allerdings erst gegen den Abschluss des auch nie an die zeitliche Dimension un- gestossenen Mitarbeitern. Werkes ein. So hat mich der Bundesrat serer Arbeit gedacht, unsere Aufgabe war sehr geehrt, als er die «Höchste Spitze» es einfach, den aktuellen Landschaftszu- unseres Landes in «» umbe- stand möglichst genau darzustellen. Die- Leiden – und Freuden nannte. Und auch die zahlreichen Ehrun- sem Leitsatz sind auch meine Kollegen Doch wie es leider so oft ist, die Kritik, die gen, die vor allem aus dem Ausland ein- bisher immer nachgekommen, aber ich kam aus den eigenen Reihen. Kaum wa- gingen, und die Auszeichnungen unserer möchte sie doch herzlich dazu ermuntern, ren die ersten Blätter erschienen, richte- Karte an mehreren Weltausstellungen, ihre Funktion doch noch etwas zu erwei- ten Studer und Durheim, zwei hochran- haben mich bewegt und für die vielen tern: Die swisstopo ist nämlich zugleich gige Berner Wissenschafter, im April 1846 Mühsale entschädigt, die wir zu erleiden auch das Landschaftsgedächtnis unseres ihren ätzenden Zorn auf uns, indem sie hatten. Landes, und das, was Sie, meine verehr- im «Schweizerischen Beobachter» – auch ten Damen und Herren, auf der Dufour diesen Namen gab es damals schon – ih- Map zu sehen bekommen, ist nur ein äus- re «Unmassgeblichen Bemerkungen über Zeitreisen serst kleiner Teil des Kartenschatzes, der die eidgenössische trigonometrische Mi- Umso mehr freut es mich nun, dass – wie in Wabern gehortet wird. Es ist zu hoffen, litärkarte» veröffentlichten. Das «un- ich schon eingangs erwähnt habe – un- dass nach dieser CD-ROM, die wir heute massgeblich» kam mir damals schon serem Werk nun eine weitere Zukunft er- feiern, noch viele weitere derartige Pro- ziemlich scheinheilig vor, denn es wurde schlossen wird. Meine Damen und Her- dukte folgen werden. In diesem Sinne plötzlich sehr massgeblich. Es bewirkte ei- ren, die Marketingleute von swisstopo wünsche ich der Dufour Map eine gute ne weitere, diesmal anonyme Schmäh- nehmen den Mund nicht zu voll, wenn sie Aufnahme bei einem breiten Publikum schrift, die nach einer Anzahl kleinlicher von «Spitzenkartografie in der vierten Di- und Ihnen viel Spass und Freude bei der Vorwürfe in der Forderung gipfelte, dass mension» sprechen! Ich habe Ihnen ein- Anwendung. die «Tagsatzungsgesandten für diese für gangs von meiner Zeitreise im Neigezug die ganze Eidgenossenschaft so wichtige erzählt. Mit der Dufour Map ist eine ähn- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! und äusserst kostbare Arbeit auf eine ge- liche Zeitreise möglich, weil sich mit die- naue Untersuchung durch sachverständi- ser CD-ROM die Landschaft, wie wir sie Martin Rickenbacher TMS 01 03 CHd ge Ingenieure den Antrag stellen möch- seinerzeit aufgenommen haben, mit der dipl. Ing. ETH ten». Meine Damen und Herren, um in aktuellen Landeskarte 1:100 000 verglei- swisstopo Ihrer neuzeitlichen Sprache zu reden, es chen lässt. Es freut mich zutiefst, dass die Seftigenstrasse 264 wurde hier also etwas Ähnliches wie eine Keimzelle, die wir damals setzten, heute CH-3084 Wabern PUK gefordert. Bei allem Verständnis für zu einer Pflanze mit wunderschönen Blü- [email protected] Kritik – ich hielt mich immer für kritikfähig, ten ausgewachsen ist, darf sich doch auch aber nicht für jede Form – darf ich schon das moderne Landeskartenwerk der sagen, dass mich das Ganze ziemlich stark Schweiz eines ausgezeichneten Weltrufs getroffen hat. Einige Punkte waren be- erfreuen. Ich wünsche deshalb meinen Die Dufour Map ist auf Mac- und rechtigt, und ich bin froh, dass wir sie in Kollegen von swisstopo, dass sie weiter- Windows-Systemen (ab MacOS 8.6 der Folge verbessern konnten. Aber hin auf die Unterstützung der politischen bzw. ab Windows 98SE) lauffähig. wenn man blosse Schreibfehler – eine Verantwortlichen zählen dürfen und dass Sie ist dreisprachig (deutsch/franzö- Höhenangabe war irrtümlicherweise mit ihnen die finanziellen Mittel grosszügiger sisch/ englisch) ausgelegt. Sie ist im 4700 m statt 1700 m angeschrieben wor- zur Verfügung gestellt werden, als es sei- Fachhandel oder unter www.swiss- den – dazu verwendet, um ohne vorheri- nerzeit die Tagsatzung mit uns machte. topo.ch/de/digital/DM.htm erhält- ge Kontaktaufnahme mit mir gleich an die Auch wenn ich an die heutigen techni- lich und kostet Fr. 148.–. Öffentlichkeit zu gelangen, dann finde ich schen Möglichkeiten denke, dann könn-

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