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Mitt. Mus. Nat.kd. Berl., Geowiss. Reihe 1 (1998), 135-138 19.11.1998

Ein Arachniden- aus dem Obervish von NW-Sachsen

Eberhard Kahlert

Mit 1 Tafel und 2 Abbildungen

Zusammenfassung

Ein aus dem Unterkarbon von NW-Sachsen stammendes Opisthosoma wird als Cryptomartus sp. beschrieben. Damit liegt stratigraphisch nach bisherigen Erkenntnissen der alteste Fund dieses Genus vor.

Schliisselworter: Arachnida, Cryptomartus sp., Opisthosoma, Bohrprobe, ObervisC

Abstract

An -Opisthosoma from the Lower of North Western Saxony An opisthosoma of Cryptomartus sp. is described from the Lower Carboniferous of North Western Saxony. That this my knowledge is the oldest record for the genus.

Key words: Arachnid, Cryptomarus sp., opisthomsoma, drill test, Lower Carboniferous, NW-Saxony

Einleitung Herkunft des Materials

Seit 1835 (Corda) wurden mehr oder weniger gut Der Arachniden-Fund befand sich in einer pelitischen Abfol- ge der Kartierungsbohrung Delitzsch 9/64 bei einer Teufe erhaltene Exemplare bzw. Reste fossiler Arach- von 231 m (Abb. 1). Aus diesem Bereich stammen auch die niden vorwiegend im geologischen Schrifttum Florenfunde, die zur stratigraphischen Einstufung der Schich- beschrieben. Die bereits betrachtlich angewach- tenfolge in das ObervisC (evtl. striatus-Zone IIIB) fiihrte (Kahlert 1975). Damit kommt diesem Fund ein besonderes sene Zahl der Fossilfunde aus dem Palaozoikum Interesse zu, da bisher aus diesem stratigraphischen Bereich (mehr als 100 Gattungen in ca. 175 Arten) cha- kein Nachweis bekannt war. rakterisiert die Vielgestaltigkeit dieser Tiergrup- Die organischen Substanzen des Fossilmaterials sind hoch inkohlt (Anthrazit-Stadium) und tragen z. T. einen GUmbelit- pe und 1aBt sie evolutionsmorphologisch als eine belag. Das Fundstuck ist im Museum fur Naturkunde der der erfolgreichsten erscheinen. In adaptiogeneti- Humboldt-Universitat zu Berlin unter der Nr. MB.A. 854 a, scher Hinsicht ist die stammesgeschichtliche Ent- b hinterlegt. wicklung dieses Taxons durchaus nachvollziehbar. Strittig dagegen ist nach wie vor sein phylogeneti- Systematik scher Ursprung. Fraglich sind nicht nur die Ab- Klasse Arachnida Lamarck, 1801 grenzungen der einzelnen Genera der Spinnen- U.Klasse Stethostomata Petrunkevitch, 1949 tiere, sondern auch die Hypothese, ob es sich bei Ordnung Trigonotarbida Petrunkevitch, 1949 ihnen um eine monophyletische Gruppe handeln Familie Anthracomartidae Haase, 1890 konnte. Bei fossilen Arachniden gibt es z. Z. Gattung Crytomartus Petrunkevitch, 1945 kaum hinreichend diagnosti-zierbare anatomische Ty p u s art : Cryptomartus hindi Pocock, 1911 Einzelheiten, um in Anwendung der zoologischen B e s c h r e i b u n g : Auf einem schwach siltigen Systematik iiberzeugende Cladogramme zu ent- Schieferton-Bohrkernstiick liegt der dorsale Ab- wickeln (Hennig 1969). Fur absehbare Zeit wird druck (mit Gegendruck) eines Opisthosoma die von Petrunkevitch (1955) eingefiihrte Klassifi- ohne Prosoma, Pedipalpi und Extremitaten. kation die Grundlage fur die taxonomische Be- Der UmriB des Opisthosoma ist langlich-oval wertung fossiler Arachnida bleiben. und deutlich in 7 Segmente gegliedert. Das erste

Museum fur Naturkunde, Institut fur Palaontologie, InvalidenstraRe 43, D-10115 Berlin, . Erhalten Marz 1998, angenommen Juni 1998 136 Kahlert, E., Arachniden aus dem ObervisC

180m -___ Ripmarirn. Appendic.s ----_ - Arliculatmwrzrln ...... Sphenophyilum .pochycautc .T...... T .?- Cordiopteridium spelsbugmre ...... - Stigmarim, Appindirw 190m - ....*...*.'...... 200m - ...... Sphcnophyllum pochycoule ...... I ...... -'".'.... 210171 .T T T 10 mm 'YYXX Tl-T TT TTT ...... ---...... 22Dm - 1--7:-. 1--7:-...... Archorocolomites rodioius --_...-_ 230m - --Y..------_-- Arachniden-Rest ----_ -Articulatenrurzcln Ootheco s~arse-zouorr~i Abb. 2. Cryptomartus su. Dorsalseite. von der Ventralseite das Anal-Operculum durchgedruckt Abb. 1. Profilausschnitt der Bohrung Delitzsch 9/64 mit pa- ~i~.2, crypromartus sp, ~~~~~l side, the arachnid is Seen laobotanischen Faziesbereichen. 1 - Grobsandstein; 2 - Mit- from the dorsal side, but an imprint of the ventral is telsandstein; 3 - Feinsandstein; 4 - Siltstein; 5 - Vulkanit; 6 visible on the dorsal surface - Tonstein Fig. 1. Section from the core drilling Delitzsch 9/64 with pa- leobotanical facies. 1 - Coarse sandstone; 2 - Middle sand- Plattenreihe gegliedert. Von der Ventral-Seite stone; 3 - Fine sandstone; 4 - Siltstone; 5 - Vulcan rock; 6 - Argillit aus ist das Anal-Operculum durchgepragt (Abb. 2 u. Taf.). Segment ist sehr breit angelegt. Die Oberflache Bemerkungen: In einer Reihe von Arbeiten ist mehr oder weniger fein granuliert. Die Quer- von Brauckmann (1984, 1985, 1987) werden pa- gliederung des Dorsal-Schildes ist wie bei allen laozoische Arachniden-Funde hinsichtlich ihrcr Anthracomartidae-Formen durch zwei Paar Lon- Stratigraphie, ihres regionalen Auftretens sowie gitudinal-Linien in eine mediane sowie beider- sie betreffende Nomenklaturfragen diskutiert. seits in je eine submarginale und eine marginale Beziiglich seiner Aussage zur Prioritat des Art- namens hofhani ware anzumerken, daB diese Architarbus hoffmani Guthorl (1934) zukommt. Tabelle 1 Die aus Ostdeutschland von Nindel (1955) und MaRe des Opisthosoma. Simon (1971) publizierten Taxa sind unberiick- Table 1 sichtigt geblieben. Weitere Arbeiten uber Arach- Measurements of the opisthosoma. niden erschienen zudem von Daber (1990, 1992) und Roljler & Schneider (1997). Lange des Opisthosoma 10,O mm Breite des Opisthosoma 8,5 mm Der Autor halt es fur notwendig, in dieser Ar- Breite des Lateralsaumes 1,0 mm beit einige korrektive Anmerkungen uber die Somiten 1,0 mm Arbeit von Nindel (1955) zu implizieren.

b Tafel. Cryptomartus sp. 1 Opisthosoma, Dorsalseite, Abdruck x5, MB. A. 8S4a; 2 Gegendruck x5, MB. A. 854b; 3 Gegendruck, deutliche Tuberkulierung, Anal-Operculum von Ventralseite durchgedruckt, durch Longitudinal-Suturen bedingte Felderung in mediane und marginale Tergite xll; 4 VergroBerter Ausschnitt von Fig. 3 des ersten Segmentes mit nicht deutbarer Quer- wulst (fossilisationsbedingt?), wulstartige Segmentgrenzen x20 Plate. Cryptomartus sp. 1 Opisthosoma, dorsal side, as imprint x5; 2 Counterpart xS; 3 Counterpart with prominent tuberculation, anal operculum as imprint from ventral view; articulation in median and marginal tergits by longitudinal sutures x 1I; 4 Sector from fig. 3 first segment with no explicable swelling (? by fossilization), thick segment-limits Mitt. Mus. Nat.kd. Berl., Geowiss. Reihe 45 (1998) 137

Tafel 1 3

2 138 Kahlert. E.. Arachniden aus dcni ObervisC

In der Arbeit von Nindel (1955) wurden u. a. - 1987. Neue Arachniden-Funde (Scorpiorridn, Trigonorirr- bida) aus dem westdeutschen Unter-Devon. -- Cieologica ein von Sterzel (1918) als cf. Anthracornnrtus be- et Palaeontologica 21: 73-85. schriebenes Spinnentier sowie zwei weitere frag- - 1987. Neue Arachniden (Ricinuleida, Trigonoturhiil~i)aus mentarisch erhaltene Reste als Anthrncomartus dem Namurium B von Hagen-Vorhalle (Ober-Karbon; West-Dcutschland). - Dortmunder Bcitriige zur Landcs- sp. abgebildet. Die Merkmalsbeschreibung von kundc, naturwiss. Mitt. 21: 97- 109. Nindel (1955) bezog sich in seiner Abb. 3 auf ein Corda, A. J. C. 1835. Ueber den in der Steinkohlenformation abdominales Dorsalschild bei dem Cephalo- bei Chomle gefundenen fossilen . - Verhandlun- gen Gesellschaft Vaterlandischen Museums Biihmen. thorax, Pedipalpi, Extremitaten und Operculum Daber, R. 1990. Arachnidenrest aus dcm Westfal D von fehlen. Dasselbe gilt fur die Darstellung in seiner Zwickau-Oelsnitz. - Zeitschrift fur geologischc Wisscn- Abb. 1. Jedoch sind hier wenigstens noch das schaften 18 (7): 679-682. Operculum und zwei Longitudinal-Linien ausge- - 1992. "Autochthone" Arachnidenreste aus den1 Stefan von Plotz (Wettiner Schichten). - Zeitschrift fur geologi- bildet. Bereits bei Sterzel (1918) gehen aus der sche Wissenschaften 20 (5/6):455-459. Beschreibung dieses Fossilrestes Zweifel an einer Dunlop, I. A. 1996. Systematics of the . - Revue Suisse dc Zoologie, s6rie 173- 184. eindeutigen ,,taxonomischen" Zuordnung hervor. GuthOrl, P. 1934. Die Arthropoden aus dein Carbon und Alle drei Fossilreste sind unter Zugrundele- Perm des Saar-Nahe-Pfalz-Gebietes. - Ahhandlungen dcr gung der Diagnose von Karsch (1882) nicht als PreuRischen Geologischen Landesanstalt NF, 164: 34-44. Anthracornartus sp. zu diagnostizieren. RoBler & Haase, E. 1890. Beitrage zur Kenntnis der fossilen Arachni- den. - Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesell- Schneider (1997) bilden erstmals den von Sterzel schaft 4 629457. (1918) dargestellten tierischen Rest fotogra- Hennig, W. 1969. Die Stammesgeschichte der Insekten. - Frankfurt am Main (Verlag von Waldemar Kramcr) phisch ab. Ohne Zweifel sind jetzt Merkmale 436 S., 143 Abb. sichtbar geworden (graphisch idealisiert), die Kahlert, E. 1975. Die Unterkarbon-Flora von Delitzsch. - Vergleiche mit nahestehenden Formen zulassen. Zeitschrift fur geologische Wissenschaften 3: 907--925. Lamarck, J. B. 1801. Systbme des Animaux sans Vertbbres, Diagnostisch sicher scheinen die Segmentgren- ou Tableau gdnCral dcs Classes, des Ordres et dcs Genres zen und die durch Langssuturen bedingten de ces Animaux. - Par J. B. Lamarck, 452 S. Felderungen in mediane und marginale Tergite Nindel, F. 1955. Die tierischen Reste aus dem Karbon von Karl-Marx-Stadt und Hainichen i. S. - Geologic 4 (7iX): sowie die diesen eigenen Skulptierungen. Auch 613-694. sind Coxa, Trochanter, Femur, Patella und Bein- Petrunkevitch, A. 1945. Palaeozoic Arachnida of Illinois. An paare erkennbar. Werden die neuerkannten inquiry into their evolutionary trends. - Sci. Pap. Illinois Merkmale von UmriB und Skulptur beriicksich- 3 (2): 1-72. - 194%. A Study of Palaeozoic Arachnida. - Academy tigt, so ware eine Ahnlichkeit mit Aphantomar- Arts Science 37: 69-315. tus sp. moglich. - L953. Paleozoic and Mesozoic Arachnida of . - The Geological Society of America 53: I - 128. Pocock, R. I. 191 I. A monograph of the terrestrial cnrbonife- rous arachnida of Great britain. Printed for the Palae- Dank ontographical Society. RoBler, R. & Schneidcr, J. 1997. Eine bemerkenswerte Paliio- biocoenose im Unterkarbon Mitteleuropas -- Fossilfiili- Die Fotos wurden von Frau Waltraud Harre, Museum fur rung und Paliioenvironment der Hainichen-Subgruppe Naturkunde, angefertigt. (Erzgebirgs-Becken). - Vertiffentlichungcn Museum fiir Naturkunde Chemnitz 20: 5-44. Sterzel, J. T. 1918. Die organischen Reste des Kulrns und Rotliegenden der Gegend von Chemnitz. - Ahhandlun- Literatur gen der mathematisch-physisclien Klasse der kiiniglichen sachsischen Gesellschaft der Wissenschaften V: 209-2 10. Brauckmann, C. 1984. Eine neue Arachniden-Art aus dem Simon, R. 1971. Neue Arthropodenfunde aus dcni Stcphan Westfalium des Saargebietes (West-Deutschland). - der Halleschen Mulde. - Berichte der Deutschen Gesell- Dortmunder Beitrage Landeskunde, naturwissenschaftli- schaft fur Geologische Wissenschaften, A Geologic und che Mitteilungen 18: 95-103. Palaontologie 16 (I): 53-62.