Kalter Krieg Auf Dem
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22 NATIONAL HOCKEY LEAGUE 28. August 2012 Von den Sowjets lernen: Was die Serie veränderte Kanada hatte die „Summit Series“ zwar gewonnen und seine Position als weltweite Nummer eins damit verteidigt, doch das knappe Ergebnis öffnete vielen in der NHL trotzdem die Augen. Die Behauptung, in Euro- pa werde zweitklassiges Eishockey gespielt, war von den Sowjets ein- deutig widerlegt worden. Europä- ische Spieler wurden damit auch für NHL-Clubs interessant – als erste wechselten 1973 die beiden Schwe- den Börje Salming and Inge Ham- marström nach Nordamerika zu den Toronto Maple Leafs. Heute kommt rund ein Drittel der NHL-Spieler aus dem Ausland. Die enorme Fitness, die die Sowjets während der „Summit Series“ an den Schock für die Kanadier: Im ersten Spiel der Summit Series wurden sie von der UDSSR in Montreal mit 3:7 gedemütigt. Tag gelegt hatten, führte außerdem zu Foto: HHOF-Images einem Umdenken bei den Trainings- methoden. Vor allem das Sommertrai- ning gewann an Bedeutung. Zu jener Kalter Krieg auf dem Eis Zeit nutzten viele NHL-Spieler die Off-Season für Urlaub und Freizeit, UDSSR zerstört den Mythos der unschlagbaren kanadischen Profis trainiert wurde nur wenig. Fred Shero, Bei der legendären „Summit Series“ Brüdern Peter und Frank Mahovlich den Mythos nicht mehr.“ der Coach der Philadelphia Flyers, war trafen vor 40 Jahren die kanadi- und Torhüter Ken Dryden (alle Montre- Mit Pfiffen wurden die Kanadier vom einer der ersten, die das sowjetische schen NHL-Stars auf die sowjeti- al) – um nur einige zu nennen – immer Eis verabschiedet. Phil Esposito, Cen- Trainingskonzept kopierte. Mit Erfolg: sche Nationalmannschaft. noch genug Stars im Kader. ter der Boston Bruins und am Ende der 1974 und 1975 holten die Flyers die Es geschah das völlig Unerwartete: Serie mit sieben Toren und sechs Vor- ersten beiden Meistertitel ihrer Ver- Nach sechs Minuten war die Welt für Noch vor der ersten Drittelpause des lagen der Top-Scorer, war davon so einsgeschichte. die Kanadier noch in Ordnung. 2:0 führ- ersten Spiels hatten die Russen aus- enttäuscht, dass er zu einer Brandrede Damals unterschied sich das nord- ten die NHL-Stars zu diesem Zeitpunkt geglichen. Am Ende siegten sie im ansetzte: Er sei sehr enttäuscht über die amerikanische Eishockey aus der im Auftaktspiel der 1972er „Summit brütend heißen Forum in Montreal Buh-Rufe, die Mannschaft habe 150 NHL noch gravierend von der euro- Series“ gegen die Sowjets und alle mit 7:3. Der Schock saß tief in Kanada. Prozent gegeben und hätte ein solches päischen Spielart. In Kanada setzte Erwartungen aus dem Vorfeld schie- Eishockey war Nationalsport – und nun Verhalten nicht verdient. Gleichzeitig man auf Härte, in der Sowjetunion und nen sich zu bestätigen. Es war das erste kamen die Sowjets daher und ließen dämmerte ihm die Bedeutung dieses anderen europäischen Ländern auf Mal in der Geschichte, dass ein kanadi- die NHL-Stars wie Anfänger aussehen! kanadisch-sowjetischen Gipfeltref- genaues Passspiel und Geschwindig- sches Team bestehend aus den Profis Reihenweise scheiterten die Kana- fens. In einer Fernseh-Dokumentation keit. Nach der „Summit Series“ kam es der National Hockey League auf die dier an Torhüter Vladislav Tretjak und sagte er Jahre später: „Die Leute haben über die Jahre zu einer Vermischung besten Spielern der UdSSR traf – und vorne wirbelten Alexander Yakushev, mir zugerufen, der Kommunismus sei beider Spielstile. Das Eishockey, das die einheimischen Medien glaubten Vladimir Shadrin und Valeri Kharla- überlegen – und ob ich das nicht end- heutzutage in der NHL gespielt wird, an einen ungefährdeten Sieg. In einer mov die gegnerischen Abwehrreihen lich auch zugeben würde. Und das in ist sozusagen „das Beste aus beiden Umfrage von The Hockey News kurz durcheinander. Vancouver! Da habe ich gemerkt: Das Welten“, so der russische Sporthisto- vor dem Start der Serie über acht Spiele Die Lage besserte sich auch mit dem hier ist kein Spiel. Das ist Krieg!“ riker Arthur Chidlovski. tippte nicht ein Experte auf einen sow- kanadischen 4:1-Sieg in Spiel zwei in Philip Häfner Philip Häfner jetischen Erfolg. Die meisten glaubten Toronto nur vorrübergehend. Schon in sogar, dass Kanada alle acht Partien für der darauffolgenden Partie in Winnipeg sich entscheiden würden. (Endstand 4:4) hatten die Gäste spiele- Die acht Spiele der Summit Series Doch die Kanadier hatten die Mann- risch erneut die Oberhand. Die Gastge- (ph) Die Summit Series 1972 war der erste Wettbewerb zwischen professionel- schaft der Sowjetunion unterschätzt. ber hingegen konnten den russischen len Mannschaften aus der damaligen Sowjetunion und Kanada. Sowjetische Die meist von ZSKA und Spartak Puckstafetten oft nur unnötige Härte Spieler spielten damals noch nicht in der NHL, bei den Olympischen Spielen Moskau stammenden Spieler waren entgegensetzen. „Zu diesem Zeit- waren nur Amateure spielberechtigt. Vor dem achten Spiel am 28. September technisch exzellent ausgebildet, sie punkt waren sie das bessere Team“, in Moskau hatten beide Mannschaften je drei Siege. Ein Spiel hatte unentschie- funktionierten als Team – und vor allem sagte Bobby Clarke. Das kanadische den geendet. Durch das Siegtor von Paul Henderson 34 Sekunden vor dem waren sie topfit. Denn die „Sbornaja“ Publikum – zugleich enttäuscht von Ende entschied Kanada die Serie ganz knapp für sich. hatte sich akribisch auf die Begegnung der eigenen Mannschaft und fasziniert mit den Nordamerikanern vorberei- von den Spielkünsten der Sowjets – Spiel 1 Datum Ort Paarung Ergebnis tet. Kanadas Profis dagegen waren begann, sich auf die Seite des Gegners Spiel 1 02.09.1972 Montreal Kanada – Sowjetunion 3:7 nach der Sommerpause außer Form; zu schlagen. Besonders deutlich wurde Spiel 2 04.09.1972 Toronto Kanada – Sowjetunion 4:1 außerdem fehlten mit Bobby Orr (ver- dies im vierten Spiel in Vancouver, das Spiel 3 06.09.1972 Winnipeg Kanada – Sowjetunion 4:4 letzt) und Bobby Hull (spielte in der neu die UdSSR erneut für sich entschied, Spiel 4 08.09.1972 Vancouver Kanada – Sowjetunion 3:5 gegründeten WHA und durfte deshalb diesmal mit 5:3. „Wir hatten den Mythos Spiel 5 22.09.1972 Moskau Sowjetunion – Kanada 5:4 nicht teilnehmen) zwei der besten von den unschlagbaren kanadischen Spiel 6 24.09.1972 Moskau Sowjetunion – Kanada 2:3 Spieler jener Zeit. Allerdings standen Profis zerstört“, erinnert sich Vladimir Spiel 7 26.09.1972 Moskau Sowjetunion – Kanada 3:4 mit Bobby Clarke (Philadelphia), den Petrov. „Und nach vier Spielen gab es Spiel 8 28.09.1972 Moskau Sowjetunion – Kanada 5:6 28. August 2012 NATIONAL HOCKEY LEAGUE 23 Schläger gegen Pistolen Kanada rettet in Moskau die eigene Ehre Nach zwei Wochen Pause zog die tete zudem von nächtlichen Anrufen im „Summit Series“ für die Spiele fünf bis Hotel. acht nach Moskau in den Sportpalast Entsprechend hoch kochten die Emo- Luschniki um. Die Kanadier hatten tionen, als am 28. September 1972 die etwas gutzumachen. Sie hatten ihren Entscheidung anstand. „Es war wie Ruf zu wahren. Doch das Desaster Krieg”, sagte Ron Ellis (Toronto Maple nahm zunächst weiter seinen Lauf. Bei Leafs). „Demokratie gegen Kommu- der Spielervorstellung vor der fünften nismus.“ Nach dem 5:5 der Kanadier Partie rutschte Phil Esposito auf dem drohte die Situation zu eskalieren: Blumenstängel eines Willkommens- Obwohl der Puck nach dem Schuss straußes aus. So hatten sich die NHL- von Montreals Yvan Cournoyer klar Stars die Begrüßung nicht vorgestellt. die Linie überschritten hatte, weigerte Im Spiel machte die „Sbornaja“ unter sich der Torrichter, die Torlampe anzu- den Augen von Staatschef Leonid Bre- schalten. Alan Eagleson, der Chef der schnew dann erneut kurzen Prozess Spielergewerkschaft NHLPA, protes- mit Team Kanada. Nach dem 5:4-Erfolg tierte, doch sowjetische Sicherheits- fehlte den Sowjets nur noch ein Sieg, kräfte hielten ihn fest. Erst als Peter um die Serie für sich zu entscheiden. Mahovlich, den Schläger schwingend, Doch dazu kam es nicht. In den Spie- über die Bande sprang und die Polizis- len sechs und sieben schlugen die ten bedrohte, wurde Eagleson freige- Dustin Brown ist einer jener Spieler, die sich mit fragwürdigen Aktionen Vorteile für sich und das Team verschafft haben. Foto: Imago Nordamerikaner zurück und siegten lassen. „Sie hatten Pistolen, wir hatten zweimal, mit 3:2 und 4:3. Stürmer Phil Eishockeyschläger“, so Esposito. Esposito sagte später, die Sowjets Und diese Waffe wussten die Kanadier Einen Pranger für die NHL? hätten zwar von ihren Fähigkeiten einzusetzen. 34 Sekunden vor Schluss Provokateure sollen künftig geächtet werden her mithalten können – „aber unserer traf Torontos Paul Henderson zum Einen Pranger für die NHL? Diese durch- mehr, als davon, dass die entsprechen- Intensität und unserer Leidenschaft 6:5-Endstand. Seinen ersten Schuss aus fragwürdige Idee ist das spekta- den Akteure – gemäß dem NHL-Re- konnten sie nichts entgegensetzen“. hatte Tretjak noch abwehren können, kulärste Ergebnis eines sogenannten gelbuch durchaus möglich – direkt Ähnlich bewertete es auch der russi- doch gegen den Abpraller war er macht- „Regelgipfels“, der im Schatten der Tarif- diszipliniert würden. Suspendierungen sche Nationaltrainer Anatoli Tarasov: los. Während im Luschniki-Sportpalast gespräche Mitte vergangener Woche auf diesem Weg seien von den Spielern „Die Kanadier kämpften mit der Bissig- entsetzte Stille einkehrte, lagen sich die stattfand. Colin Campbell, als Vize-Prä- weniger gewünscht, so Campbell. Diese keit und der Intensität eines in die Ecke Menschen auf der anderen Seite des sident der NHL Herr über die Regeln setzten vielmehr