SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (L.) ZEITUNG SÜDDEUTSCHE Verbündete Strauß, Kirch (1983): Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit Männerfreunde Kirch, Kohl (1993): „Jetzt haben

KARRIEREN In dubio pro Leo Ohne seine guten Kontakte zur Politik ist Leo Kirchs Aufstieg vom Filmhändler zum Herrn über Deutschlands größten TV-Konzern nicht denkbar. Auf die Hilfe seiner konservativen Freunde konnte er sich verlassen. Doch jetzt gehen sie auf Distanz oder sind Männer von gestern – wie .

er Kanzler? Leo Kirch war nicht be- diensystem grundlegend zu verändern: musste. Bekam er Ärger mit den europäi- geistert. „Ach“, stöhnte er, als ein Kirch wurde vom Filmhändler zum Herrn schen Wettbewerbskontrolleuren in Brüs- DFreund wieder einmal von Helmut über Deutschlands größten TV-Konzern, sel, griff sein Buddy, der Kanzler, persön- Kohl schwärmte, „hör mir auf mit dem das Kabinett Kohl und viele – nicht nur lich zum Telefon. Die konservativen Ver- Sandalentyp.“ konservative – Länderchefs machten ihm bündeten in den Ländern besorgten ihm Der Filmhändler? Helmut Kohl war den Weg frei. die Frequenzen und später, als sein Geld- nicht begeistert. „Die zwei hatten keiner- Spötter sprechen von einer „medien- hunger immer größer wurde, die nötigen lei persönliches Verhältnis zueinander“, politischen k. u. k. Monarchie“, Kritiker Kredite – mochten sie auch noch so ris- sagt Gerd Bacher, der beiden eng ver- wie der Medienexperte Lutz Hachmeister kant sein. bunden ist: als langjähriger Generalinten- von einem „erstaunlichen Fall von Elite- Kirchs Aufstieg ist ohne seine guten dant des Österreichischen Rundfunks und Versagen“. Kontakte zu führenden Politikern von Großkunde dem einen, als Wahlkampf- Weitgehend tatenlos sahen die Auf- CDU und CSU kaum zu erklären. Doch berater dem anderen. Tatsächlich hielt der sichtsbehörden zu, wie sich Kohl-Freund zuletzt konnte ihm niemand mehr helfen: CDU-Chef den Münchner für einen Spe- Kirch – teils offen, teils verborgen über Sein Freund Helmut Kohl ist ein Mann zi seines verhassten Rivalen Franz Josef Strohmänner – ein gewaltiges Medienim- von gestern, und Edmund Stoiber geht ei- Strauß. perium aufbaute. Gedeckt von seinen lig auf Distanz – die Krise seines Verbün- Erst 1987 gelang es Bacher, die beiden mächtigen Verbündeten in der Politik, deten belastet seine Kanzlerkandidatur. zusammenzubringen. „Schau ihn dir mal mochte ihn niemand aufhalten. Zu tief ist die halbstaatliche Bayerische näher an“, sagte er zu Kohl, „das ist einer Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Landesbank mit ihren unzureichend gesi- der wenigen Europäer, die in der Weltliga Die CDU und ihre bayerische Schwester- cherten Milliardenkrediten in das Kirch- spielen.“ partei CSU fühlten sich von Kirchs Medien Deaster verstrickt. Wenig später wurde Kirch nach Bonn in meist gut behandelt; musste ein Partei- Und so steht Leo Kirch am Ende seiner den Kanzlerbungalow gebeten. „Es funk- freund elegant entsorgt werden, reichte oft beispiellosen Karriere allein da. Wer möch- te sofort“, erinnert sich Bacher: „An die- ein Anruf beim Patriarchen in München, te schon gern mit Verlierern gesehen wer- sem Abend entstand eine Freundschaft, um eine adäquate Jobalternative anbieten den? Der Mythos, den er in vier Jahr- die bis heute hält.“ zu können. „Der Leo“ half, wo er konnte. zehnten um sich verbreitet hat, ist längst In den folgenden elf Jahren bis zu Kohls Im Gegenzug durfte er – fast immer – dem Mitleid gewichen. Das politische Netz- Wahlniederlage im Oktober 1998 gelang es machen, was er wollte. Die Mediengesetze werk aus konservativen Gesinnungsfreun- den beiden Freunden, das deutsche Me- fielen so lau aus, dass Kirch selten leiden den – bedeutungslos, der einst so mächti-

114 15/2002 J. H. DARCHINGER (M.); BERNHARD HOFAUER / ACTION PRESS (R.) / ACTION (M.); BERNHARD HOFAUER H. DARCHINGER J. wir die Macht“ Partner Stoiber, Kirch (1998): Das Pleite-Virus könnte die Kanzlerkandidatur infizieren

ge und gefürchtete Unternehmer – ein ein- Und so bleibt zunächst auch im Verbor- Willen, das Monopol der öffentlich-recht- samer, gescheiterter, alter Mann. genen, dass sich Kirch nach der konserva- lichen Sender zu brechen, kann ihm nur Endgültig vorbei sind die Zeiten, als tiven „Wende“ 1982 in Bonn – für seine die Union den Weg zum eigenen TV-Sen- Kirch mit seiner gewaltigen Ballung von Vertrauten überraschend – plötzlich für Po- der frei machen. Geld- und Meinungsmacht manchen Kriti- litik interessiert. Schneller als andere hat er Für Kohl war die knappe Wahlnieder- kern schon als zweiter Alfred Hugenberg begriffen, dass sich in seinem Fall Kom- lage 1976 gegen die sozial-liberale Koali- erschien, der in den zwanziger Jahren mit merz und Weltanschauung aufs Frucht- tion unter Helmut Schmidt ein prägendes seinen deutschnationalen Blättern Adolf barste verbinden lassen. Erlebnis gewesen. Er verlor, obwohl ihm Hitler gesellschaftsfähig gemacht hatte. Seine Mitarbeiter erstaunt er bereits die Prognosen einen Sieg vorhergesagt Kirch selbst ist nicht unschuldig daran, kurz nach Kohls Amtsantritt mit einem hatten. Seine demoskopische Beraterin dass seine Gegner oft so hysterisch und freimütigen Geständnis: „Jetzt haben wir Elisabeth Noelle-Neumann erfand darauf- übertrieben reagieren. Schon zu Beginn die Macht“, soll Kirch gesagt haben, „und hin ihre berühmte Theorie von der seiner Karriere betreibt er seine Geschäf- wir werden dafür sorgen, dass wir sie so „Schweigespirale“, wonach die Meinung te am liebsten im Verborgenen. Zu viel schnell nicht wieder verlieren.“ Mochte der Wähler durch linke Medien beeinflusst Aufmerksamkeit ist schädlich, denn sofort ihm der neue Kanzler auch damals noch worden sei. könnte seine fast monopolartige Stellung unsympathisch sein, eines hat der katho- Für den CDU-Chef war klar, wo der als Filmlieferant für ARD und ZDF ins Ge- lisch-konservative Winzersohn aus Fran- Gegner zu suchen war: bei den verhassten rede kommen. ken sofort erkannt: Mit ihrem erklärten Blattmachern aus Hamburg und den „ro-

Kirchs Kartenhaus Der Aufbau der Kirch-Gruppe

Familie Silvio Rewe-Gruppe, Prinz Walid, Rupert Kirch Leo Kirch Leo Kirch Berlusconi Lehman Brothers, zusammen Murdoch 79,2% 4,8% Capital Research 13,5% 69,8% 100%

KirchPay-TV KirchBeteiligung wichtigster Bestandteil ist Kernstück ist die Beteiligung 2,5% 22% der hochdefizitäre Abo- am Axel Springer Verlag. Zentraler Baustein des Kirch-Imperiums. Er um- Sender Premiere. Das Kirch- Springer-Chef Mathias Döpf- fasst den Rechtehandel, zahlreiche Film- und Fern- Sorgenkind verursacht täg- ner fordert von Kirch 767 Mio. sehproduktionsfirmen, die Beteiligung an der Pro- lich Verluste von mehr als Euro für die Rücknahme der SiebenSat.1-Senderkette, den Sender DSF sowie 2 Millionen Euro. Zudem will Springer-Anteile an ProSie- die Beteiligung beim spanischen Pay-TV-Sender Murdoch die Option einlö- benSat.1Media. Telecinco. Kaum Liquidität, um anstehende Zah- sen, seinen 22%-Anteil an Weitere wichtige Beteiligung: lungen für Fußball- und Filmrechte zu leisten. KirchPay-TV im Oktober für Formel-1-Vermarkter SLEC 1,8 Milliarden Euro an Kirch zurückzugeben. 52,5%

ProSiebenSat.1 Media AG 40,3% Fernsehsender: ProSieben, Sat.1, 11,5% Kabel 1, N24, Neun Live Axel Springer Verlag

der spiegel 15/2002 115 Medien HEINZ GEBHARDT (L.); WERNER BAUM / DPA (R.) (L.); WERNER BAUM / DPA HEINZ GEBHARDT Konkurrenten Kirch (1976), Springer (l., mit Ehefrau Friede 1982): Lebenstraum vom konservativen Medienverbund ten“ Polit-Magazinen „Report Baden-Ba- Kirch, der sonst gern betont, er sei „kein der Kanal in konservativ regierten Län- den“, „Panorama“ und „Monitor“. In den Politiker“ und handle allenfalls als „Un- dern problemlos die besten Frequenzen öffentlich-rechtlichen Anstalten seien in ternehmer, aber mit politischem Gewis- bekommt. den siebziger Jahren von neun Chefredak- sen“, passt sich schnell an die neuen Zei- Schon bei seinem ersten Sender bedient teuren sieben bis acht „Linke“ gewesen, ten an: Sat.1, die Keimzelle seines späteren sich Kirch dabei einer Methode, die er spä- behauptet Christian Schwarz-Schilling, der Senderimperiums und der erste Privat- ter immer wieder anwendet und die ihm als Kohls Postminister ab 1983 die Republik kanal der Republik, wird in der rheinland- wie kaum eine andere den Mythos des si- verkabeln lässt und so erst die technische pfälzischen Staatskanzlei konzipiert. Grün- nistren Medienpaten verschafft: Er steigt Voraussetzung für neue Kanäle und damit dungsgeschäftsführer wird der Sprecher nicht offen ein, sondern über eine weitere auch private Fernsehsender schafft. der Landesregierung. Kein Wunder, dass Gesellschaft, die er zudem von einem „Wir wussten“, sagt der Christdemokrat aus Hessen, „dass wir das Monopol der öf- Film ab Chronologie des Kirch-Imperiums fentlich-rechtlichen Nachrichtengebung nur durch Wettbewerb brechen konnten.“ 1956 Leo Kirch gründet sein erstes 1996 Gründung und Start des digitalen Dann, so die Überlegung, sei es vorbei mit Unternehmen zur Verwertung Fernsehens DF1; Kirch erwirbt von Filmrechten die Rechte an den Fußball- den „Schutzzonen“ für politische Sendun- Weltmeisterschaften 2002 gen: „Die Leute sollten endlich sehen kön- 1968 Eine Produktionsgesellschaft und 2006 nen, was sie wollten: Unterhaltung statt für Kino- und Fernsehfilme wird politischer Indoktrination.“ gegründet 1997 Kirch übernimmt die Mehrheit Das ist die Stunde des Filmhändlers Leo an Sat.1; Börsengang von Pro- Kirch, der in seinem gekühlten Hochre- 1984 Beteiligung am Axel Springer Sieben Media gallager im Münchner Vorort Unterföhring Verlag mit zunächst 10 Prozent; 1999 Januar Neustrukturierung der kurzweilige Ware ohne Ende aufbewahrt. Start der PKS (Vorläuferin von Kirch-Gruppe in die Dachgesell- Bisher macht er seine Deals vor allem mit Sat.1), dem ersten überregio- schaften KirchMedia, Kirch- dem ZDF, unter tätiger Mithilfe seiner nalen Privatfernsehen PayTV und KirchBeteiligung März Nach Canal Plus steigt Unionsfreunde in den Aufsichtsgremien 1988 Sendestart des bereits seit 1984 des Mainzer Senders: 1972 übernimmt auch Bertelsmann bei Premiere in der Schweiz laufenden Pay-TV- aus (bis auf 5 Prozent), Kirch Schwarz-Schilling von Kohl den Vorsitz des Senders Teleclub in Deutschland hält nun 95 Prozent schwarzen „Freundeskreises“ im Fern- Oktober Premiere und DF1 ver- sehrat, dem unter anderen auch der ein- 1989 Start von ProSieben schmelzen zu Premiere World flussreiche CSU-Politiker Friedrich Zim- Dezember Überkreuzbeteiligung 1990 Gründung von Premiere ge- mermann angehört, einer der engsten mit BSkyB – Rupert Murdoch meinsam mit Bertelsmann Kirch-Vertrauten, der unter Kohl zum In- erwirbt 24 Prozent an KirchPayTV nenminister aufsteigt. und Canal Plus Mit Macht drängt Kirch nun ins Pri- 2000 März Gründung einer zentralen 1991 Gründung der Internationalen Holding-Gesellschaft vatfernsehen. Es ist seine große Chance. Sportrechte-Verwertungs- Endlich muss er seine wertvolle Film- Juni Zusammenschluss von Sat.1 gesellschaft ISPR zusammen und ProSieben, Springer hält und Serienware nicht mehr fremden Pro- mit dem Springer-Verlag und 11,48 Prozent (Verkaufsoption grammdirektoren überlassen, endlich kann Erwerb der Senderechte für Anfang 2002) er sie selbst auswerten – nach eigenem die Fußball- Mai Kirch kauft TV-Rechte an der Gutdünken und vor allem auf eigene Fußball-Bundesliga für weitere Rechnung. 1994 Die EU-Kommission untersagt vier Jahre Doch in dem neuen Geschäftsfeld geht eine PayTV-Allianz von Bertels- mann, Deutscher Telekom und 2001 März Leo Kirch steigt in die nichts ohne die Politik. Das Privatfern- Formel 1 ein; sehen ist heftig umstritten, die staatliche Kirch-Gruppe Premiere kommt trotz weiterer Regulierung mehr als unklar, Frequenzen 1995 Präsentation des digitalen Fernse- Investitionen nicht voran, die können nicht gekauft, sondern müssen hens und des Decoders „d-box“ Banken werden unruhig beantragt werden.

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Treuhänder verwalten lässt. Erst Jahre Der Kanzler weiß, dass seine Loyalität des Bruders mit. Vom Bayerischen Rund- später bekennt er sich öffentlich zu seinem zu Kirch keine Einbahnstraße ist. Kirch funk ist Wilhelm Fritz, der mächtige Vor- Engagement bei Sat.1. dankt ihm auf seine Weise. sitzende des Rundfunkrats, erschienen. Mal ist es ein Bankier, der für ihn die Er wirbt Heinz Klaus Mertes vom Bayeri- Und Edmund Stoiber, der durch die Ami- Anteile hält, mal ist es sein Sohn Thomas, schen Rundfunk ab, der es gerade geschafft go-Affäre gehetzte Nachwuchsmann der mal sein italienischer Geschäftspartner Sil- hat, mit seinen jüngsten Bildschirmattacken CSU, schafft es erst zum Ende des Haupt- vio Berlusconi. Bei Sat.1 will er vor allem gegen Brandenburgs Ministerpräsident gangs nach Tutzing. verschleiern, dass er inzwischen Konkur- Manfred Stolpe („Treten Sie zurück“) oder Bald meldet sich ein noch Mächtigerer rent seines besten Kunden geworden ist – den linken „Bild“-Kritiker Günter Wallraff bei ihm. „Sie haben ja so Recht, die linke des ZDF, das unter dem Intendanten Die- nicht nur Gewerkschaften, Linke und die ARD zu verlassen“, gratuliert Kohl, von ter Stolte – auch er CDU-nah – mit seinen Restmedien der Republik gegen sich auf- Kirch am Telefon durchgestellt, seinem Be- Filmeinkäufen im Laufe der Jahre Hun- zubringen – das ist normal –, sondern auch wunderer Mertes zum Jobwechsel. Eine derte von Millionen in Kirchs Kassen ge- die eigenen Anhänger im Rundfunkrat des Woche später hatte der neue Sat.1-Mann spült hat. Senders nachhaltig zu verstören. seinen Termin in Bonn. Später treibt ihn nicht mehr die Furcht Im Sommer 1992 steht der stark sehbe- Der Kanzler empfängt abends um halb vor seinem Freund Stolte um, später hinderte Kirch beim Geburtstagsempfang neun bei gedämpftem Licht in seinem unterläuft er mit seinen Tricks und Treu- der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier in Bungalow. Mertes teilt sich mit den beiden händern das geltende Medienrecht. Vir- der Schlange am Büfett hinter dem kon- Kohl-Vertrauten Eduard Ackermann und tuos umgeht Kirch mit immer ausgebuff- servativen Chefeinpeitscher und erkennt Andreas Fritzenkötter eine Flasche Wein teren Beteiligungsstrategien die gesetz- den CSU-Mann an der Stimme. und eine Kasserolle mit Kassler und lichen Konzentrationsbestim- Bratkartoffeln. Am Kopfende mungen. sitzt der Patriarch in Polohemd Die Politik kommt ihm dabei und Schlappen und konsumiert nur selten in die Quere. Ge- ebenfalls eine Kasserolle und meinsam mit den Kollegen des eine Flasche Wein – allein. konkurrierenden Bertelsmann- Man zieht ein wenig über Konzerns sorgen Kirchs Lobby- die Kohl-Kritiker bei ARD und isten dafür, dass die Medien- ZDF her, um dann schnell zum politik immer mehr zur blo- Thema zu kommen. „Zur Sa- ßen Wirtschaftsförderung ver- che, Kanzler“ soll die Interview- kommt: Lässt du hier meinen serie bei Sat.1 heißen, mit der Kirch gewähren, dann kommt Mertes den Regierungschef bis dort dein Bertelsmann zum zu den Bundestagswahlen 1994 Zuge. ausführlich zu Wort kommen So werden die Werberichtli- lassen will. nien immer weiter gelockert und Die Sendereihe erreicht in- die Konzentrationsregeln den nerhalb kürzester Zeit Kultsta- Bedürfnissen der Konzerne an- tus. Mertes’ knallharte Inter- gepasst. Endlich darf Kirch sei- viewtechnik („Wie geht es Ih- ne Sender offen besitzen. Die nen?“) steigert sich („Geht es Treuhänder haben ausgedient. Ihnen montags anders als im Dabei hatte er jahrelang jeden Rest der Woche?“) und kulmi- mit Klagen überzogen, der be- niert, nachdem Gewerkschafter hauptet hatte, der Kirch-Sohn auch kritische Fragen stellen Thomas diene dem Vater als durften, in seiner Hauptsorge: Strohmann bei ProSieben. „Herr Bundeskanzler, wie geht Selten nur muss Kirch wider- es Ihnen nach den jetzt 70 Mi- spenstigen Landesmedienan- nuten Hearing?“ Antwort Kohl: stalten oder Politikern offen dro- „Mir geht es gut.“ hen. Im Kanzleramt regiert Kirchs Wahlkampfhilfe für schließlich Helmut Kohl, der den Kanzler gerät zur unfrei-

stets ein offenes Ohr für seinen DDP willigen Satire. Doch Kohl hält Freund in München hat – und Kirch-Filmlager in Unterföhring: Kurzweilige Ware ohne Ende ihm die Treue, denn er weiß, bei Problemen bisweilen auch dass Kirchs Imperium längst eine helfende Hand. In seiner Amtszeit gilt „Herr Mertes, was ich Ihnen schon im- nicht mehr nur aus Filmrechten und Ab- die Devise: in dubio pro Leo. mer sagen wollte“, flötet der Franke, ein spielstationen besteht. An einen besonders brüsken Auftritt Meister des Schmeichelns: „Es gibt keinen Um seinem Lebenstraum von einem des Bonner Kanzlers erinnert sich der Journalisten in Deutschland, vor dem ich konservativen Medienverbund näher zu frühere Brüsseler Wettbewerbskommissar so eine Hochachtung habe wie vor Ihnen. kommen, kauft sich der Filmhändler seit Karel Van Miert in seinen Memoiren. Als Wir müssen uns treffen.“ Mitte der achtziger Jahre mit seiner er- die Kommission die Strategie von Kirch Der kurze Partytalk hat Folgen. Keine probten Treuhänder-Taktik nach und nach und Bertelsmann, eine gemeinsame tech- sechs Monate danach ist Mertes Pro- in den Springer-Verlag („Bild“, „Welt“, nische Norm für das Digitalfernsehen gramm-Direktor Information bei Sat.1 und „Hörzu“) ein – gegen den erklärten Willen einzuführen, untersagen will, meldet sich bringt den Kirch-Sender auf Kanzlerkurs. des 1985 verstorbenen Gründers Axel Cä- Kohl persönlich bei Kommissionspräsi- Zu Hause, in Tutzing am Starnberger sar Springer, der Kirch für einen „Krimi- dent Jacques Santer. Er solle den Plan See, empfängt er Kirchs konservative Seil- nellen“ hielt, mit dem er keine Geschäfte doch bitte abnicken. Als Santer hart bleibt, schaft. Die Tomatenessenz mit Scampis hat machen wollte. erwidert Kohl knapp: „Das bedeutet Hobbykoch Mertes selbst gemacht, die Widerwillig hatte er ihm zwar zuge- Krieg.“ Kirchs bringen zwei Kisten vom Weingut billigt, maximal 10 Prozent an Europas

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ne Männerfreundschaft mit Kohl be- schreibt. Er habe den Kanzler zwar auf den „Verein in Brüssel“ angesprochen, dessen Intervention bei der Kommission habe ihm jedoch „nur Ärger“ eingebracht: „Kohl hat nie Ahnung von geschäftlichen Dingen gehabt.“ Der Alt-Kanzler ist nicht der Einzige, der sich auf seine Hilfe verlassen kann. Auch zu den CSU-Fürsten in seiner Heimat unterhält er engste Kontakte. Sie sind es schließlich, die mit dafür gesorgt haben, dass sein steter Geldhunger mit immer neu- en Krediten der Bayerischen Landesbank gestillt werden kann. Hat ein CSU-Mann ein Problem, Onkel Leo sorgt für Abhilfe. So findet etwa der ehemalige Sprecher von Ex-CSU-Chef Theo Waigel, Maximilian Schöberl, ein Auskommen als Geschäftsführer einer

ISTVAN BREZNITZ ISTVAN Kirch-Tochterfirma. Auch Wilfried Schar- Geschäftsfreunde Berlusconi, Kirch (1993): Mythos des sinistren Medienpaten nagl, Ex-Chef des Parteiorgans „Bayern- kurier“, wird versorgt: Als „Berater in größtem Zeitungshaus zu übernehmen – daktion nicht so parieren wie seine einge- publizistischen Fragen“ soll er dem Vor- am Ende aber hält Kirch über 40, die ihm schüchterten Beamten im Kanzleramt? stand der ProSiebenSat.1 Media AG zu- vor allem sein Vertrauter und Anwalt Joa- Mag Kirch seinen Freund in diesem arbeiten. chim Theye besorgt. Punkt auch nicht völlig zufrieden stel- Doch Kirchs Amigo-System kann seinen Damit beginnt eine konfliktträchtige len – er hilft ihm an anderer Stelle. Mehr- Absturz nicht verhindern. Verbindung, eine „Partnerschaft mit vor- fach nutzt er als Ex-Kanzler später Kirchs Der schleichende Kollaps kündigt sich gehaltenem Revolver“, wie es der ehema- Firmenairline Transalpina zu privaten seit Mitte der neunziger Jahre an. Kirch ist lige Springer-Chef Peter Tamm treffend be- Zwecken. besessen von der Idee, das digitale Be- schreibt – mit regelmäßigen Showdowns in Im vergangenen Jahr muss Kirch einen zahlfernsehen allein zu beherrschen. Um den Springer-Aufsichtsratssitzungen. seiner raren öffentlichen Auftritte absol- mögliche Konkurrenten wie Bertelsmann Immer wieder versucht Kirch, seinen vieren. Der ehemalige Kohl-Berater Horst vom Markt zu drängen, kauft er zu Höchst- Anteil zu nutzen, um die Springer-Blätter Weyrauch sagt vor der Bundesgeschäfts- preisen alles zusammen, was er zusam- zur Promotion seiner Sender einzusetzen. führung der CDU aus, Kirch habe zu den menraffen kann. Zu abenteuerlichen Kon- Und auch auf den politischen Kurs der Zei- anonymen Spendern Kohls gehört und der ditionen schließt er langjährige Verträge tungen hätte er gern mehr Einfluss. Partei Mitte der neunziger Jahre 900000 mit allen wichtigen Hollywood-Studios. Sein Geschäftsführer Gottfried Zmeck Mark zukommen lassen. Der Unterneh- Sein neues Management-Team um den ist mit dem damaligen „Bild“-Politikchef mer wird vor den Parteispenden-Untersu- Kronprinzen Dieter Hahn, der zuvor das Kai Diekmann und Kohls Medienberater chungsausschuss nach Berlin geladen. Deutsche Sportfernsehen geleitet hat, Fritzenkötter befreundet. Mehrmals in der Erwartungsgemäß bestreitet er die Spen- überzeugt Kirch davon, dass im Sport die Woche telefonieren die drei miteinander – de. Zwar habe er in den vergangenen 15 Zukunft liegt. Auch hier greift er ab, was über dies und das und auch über Politik. Jahren mehrere Parteien bedacht, aber nur er kann: Die Fußball-WM 2002 und 2006, Doch Kohl ist unzufrieden. Regelmäßig mit Summen unter 20000 Mark – also un- Bundesliga, Formel 1 – alles gehört Kirch. ruft er seinen Freund Leo in München an terhalb der Veröffentlichungspflicht. Doch die teure Programmware und das und jammert. Beschwert sich über diese Nur eine Spende wird öffentlich. Kirch ebenso teure Marketing bringen nichts – Sendung und über jene „Bild“-Schlagzei- gehört zu den 30 Unterstützern, die es Kohl die Abo-Zahlen von Premiere bewegen le. Kirch, fordert er immer wieder, solle ermöglichen wollen, seine Schadensersatz- sich kaum von der Stelle. Kirchs Traum doch endlich durchgreifen. Doch der hat Zahlungen an die CDU zu begleichen. entwickelt sich zum Milliardengrab, in das inzwischen selbst realisieren müssen, dass Kirch gibt eine Million Mark – die größte schließlich das ganze Imperium abrutscht. TV-Sender und Zeitungen nicht auf Knopf- Einzelspende. Lange kann er sich immerhin auf seine druck reagieren. Der Kanzler ist unein- Vor dem Untersuchungsausschuss sorgt Bayerischen Partei-Spezis verlassen. Wann sichtig. Warum, bitte schön, kann eine Re- der Unternehmer für Heiterkeit, als er sei- immer Kirch Geld braucht, die Bayerische

Stationen des Abstiegs Die wichtigsten Etappen der Kirch-Krise 11. Februar HypoVereinsbank-Chef Albrecht Schmidt bietet Kirch 1,1 Milliarden Euro für seine Springer-Beteiligung an. Damit verschafft er Kirch 7. Dezember 2001 Erste Spekulationen über ei- 4. Februar Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer stellt für einige Wochen wieder finanziell Luft. ne feindliche Übernahme der Kirch-Gruppe durch öffentlich die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe den Medienmogul Rupert Murdoch. in Frage. 20. März KirchMedia und der TV-Konzern Pro- SiebenSat.1 Media sagen ihre geplante Fusion ab. 11. Dezember Murdoch dementiert. 8. Februar Murdoch ruiniert Kirchs Kreditwürdig- keit endgültig, indem er erklärt, dass er seine Be- 25. März Leo Kirch ist zum Rückzug aus seinem 30. Januar 2002 Springer-Chef Mathias Döpf- teiligung am Bezahlsender Premiere im Wert von Kerngeschäft bereit. Gegenüber Banken und Kirch- ner fordert für seine Beteiligung an der ProSie- 1,6 Milliarden Euro abschreiben wolle. Nach eige- Managern melden auch die Investoren rund um benSat.1 Media rund 770 Millionen Euro von nen Angaben will er sich auch nicht mehr weiter die Medienkonzerne von Murdoch und Silvio der Kirch-Gruppe zurück. Die Forderung löst die bei der Kirch-Gruppe engagieren und seine Inves- Berlusconi ihr Interesse an der KirchMedia an. akute Finanzkrise der Kirch-Gruppe aus. titionen in Premiere im Herbst zurückfordern. Die Banken stimmen grundsätzlich zu.

124 der spiegel 15/2002 Landesbank steht bereit. Insgesamt über zwei Milliarden Euro pumpt das halbstaat- liche Kreditinstitut in das chronisch klam- me Unternehmen. Mit an der Spitze der Bank steht Stoibers Ex-Staatskanzleichef Rudolf Hanisch, beaufsichtigt wird sie von Finanzminister Kurt Faltlhauser und Stoi- bers halber Kabinettstruppe. Selbst als Kirch 1,1 Milliarden Euro braucht, um seinen hochriskanten Einstieg in die Formel 1 zu finanzieren, winkt die Bank nicht ab. Alle Kredite für Kirch, beteuert Stoi- bers Staatskanzleichef Erwin Huber stets, seien nach strengen und banküblichen Kriterien vergeben worden. Zudem finde er es keinesfalls anstößig, wenn die Lan- desbank einen Unternehmer mit 10000 Be- schäftigten und „großem Potenzial“ un- terstütze. Von „Potenzial“ ist inzwischen keine Rede mehr. Kirch ist am Ende, und seine letzten Getreuen setzen sich von ihm ab. Während sein Name früher in der Münch- ner Staatskanzlei alle Türen öffnete, wird er heute besser verschwiegen. „Wenn Sie bei uns das K-Wort aussprechen“, sagt ein CSU-Mann, „dann schlägt Ihnen eine Kälte entgegen, dass es Sie friert.“ Das System Kirch hat sich überlebt. Vie- le seiner Getreuen sind inzwischen tot, Kohl hat nichts mehr zu melden, und Stoi- ber setzt sich ab, weil er zu Recht fürchtet, seine Kanzlerkandidatur könne von Kirchs Pleite-Virus infiziert werden. Kirchs System – das war die Welt eines Patriarchen, den eine verschworene Ma- nagertruppe verehrte: weil er für sie sorg- te, wenn sie in Schwierigkeiten kamen; zahlte und half, wenn die Ehefrau er- krankte. Und weil er selbst dann noch ei- nen Platz für sie hatte, im dritten oder vier- ten Glied, wenn sie an vorderster Front versagten. Der Preis dafür: Schweigen. Und der Verzicht auf allzu große Unab- hängigkeit. „Ihn interessiert nur, was er alleine hat“, sagt Gerd Bacher, seit über 30 Jahren ein enger Freund: „Er will Herr im Hause sein. Alles andere widerspricht seiner Menta- lität.“ Jetzt hat er alles verloren. Konstantin von Hammerstein, Frank Hornig, Marcel Rosenbach

27. März Die Banken wollen der Kirch-Gruppe nur dann einen Überbrückungskredit bewilligen, wenn sich die Investoren daran beteiligen.

28. März Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) meldet Bedenken gegen einen Einstieg von Berlusconi auf dem deutschen Medien- markt an.

3. April Die Verhandlungen zwischen Gläubiger- banken und Investoren stecken fest. Die Kirch- Gruppe erwägt einen Insolvenzantrag für ihr Kerngeschäft.

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