In Dubio Pro Leo Ohne Seine Guten Kontakte Zur Politik Ist Leo Kirchs Aufstieg Vom Filmhändler Zum Herrn Über Deutschlands Größten TV-Konzern Nicht Denkbar
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (L.) ZEITUNG SÜDDEUTSCHE Verbündete Strauß, Kirch (1983): Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit Männerfreunde Kirch, Kohl (1993): „Jetzt haben KARRIEREN In dubio pro Leo Ohne seine guten Kontakte zur Politik ist Leo Kirchs Aufstieg vom Filmhändler zum Herrn über Deutschlands größten TV-Konzern nicht denkbar. Auf die Hilfe seiner konservativen Freunde konnte er sich verlassen. Doch jetzt gehen sie auf Distanz oder sind Männer von gestern – wie Helmut Kohl. er Kanzler? Leo Kirch war nicht be- diensystem grundlegend zu verändern: musste. Bekam er Ärger mit den europäi- geistert. „Ach“, stöhnte er, als ein Kirch wurde vom Filmhändler zum Herrn schen Wettbewerbskontrolleuren in Brüs- DFreund wieder einmal von Helmut über Deutschlands größten TV-Konzern, sel, griff sein Buddy, der Kanzler, persön- Kohl schwärmte, „hör mir auf mit dem das Kabinett Kohl und viele – nicht nur lich zum Telefon. Die konservativen Ver- Sandalentyp.“ konservative – Länderchefs machten ihm bündeten in den Ländern besorgten ihm Der Filmhändler? Helmut Kohl war den Weg frei. die Frequenzen und später, als sein Geld- nicht begeistert. „Die zwei hatten keiner- Spötter sprechen von einer „medien- hunger immer größer wurde, die nötigen lei persönliches Verhältnis zueinander“, politischen k. u. k. Monarchie“, Kritiker Kredite – mochten sie auch noch so ris- sagt Gerd Bacher, der beiden eng ver- wie der Medienexperte Lutz Hachmeister kant sein. bunden ist: als langjähriger Generalinten- von einem „erstaunlichen Fall von Elite- Kirchs Aufstieg ist ohne seine guten dant des Österreichischen Rundfunks und Versagen“. Kontakte zu führenden Politikern von Großkunde dem einen, als Wahlkampf- Weitgehend tatenlos sahen die Auf- CDU und CSU kaum zu erklären. Doch berater dem anderen. Tatsächlich hielt der sichtsbehörden zu, wie sich Kohl-Freund zuletzt konnte ihm niemand mehr helfen: CDU-Chef den Münchner für einen Spe- Kirch – teils offen, teils verborgen über Sein Freund Helmut Kohl ist ein Mann zi seines verhassten Rivalen Franz Josef Strohmänner – ein gewaltiges Medienim- von gestern, und Edmund Stoiber geht ei- Strauß. perium aufbaute. Gedeckt von seinen lig auf Distanz – die Krise seines Verbün- Erst 1987 gelang es Bacher, die beiden mächtigen Verbündeten in der Politik, deten belastet seine Kanzlerkandidatur. zusammenzubringen. „Schau ihn dir mal mochte ihn niemand aufhalten. Zu tief ist die halbstaatliche Bayerische näher an“, sagte er zu Kohl, „das ist einer Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Landesbank mit ihren unzureichend gesi- der wenigen Europäer, die in der Weltliga Die CDU und ihre bayerische Schwester- cherten Milliardenkrediten in das Kirch- spielen.“ partei CSU fühlten sich von Kirchs Medien Deaster verstrickt. Wenig später wurde Kirch nach Bonn in meist gut behandelt; musste ein Partei- Und so steht Leo Kirch am Ende seiner den Kanzlerbungalow gebeten. „Es funk- freund elegant entsorgt werden, reichte oft beispiellosen Karriere allein da. Wer möch- te sofort“, erinnert sich Bacher: „An die- ein Anruf beim Patriarchen in München, te schon gern mit Verlierern gesehen wer- sem Abend entstand eine Freundschaft, um eine adäquate Jobalternative anbieten den? Der Mythos, den er in vier Jahr- die bis heute hält.“ zu können. „Der Leo“ half, wo er konnte. zehnten um sich verbreitet hat, ist längst In den folgenden elf Jahren bis zu Kohls Im Gegenzug durfte er – fast immer – dem Mitleid gewichen. Das politische Netz- Wahlniederlage im Oktober 1998 gelang es machen, was er wollte. Die Mediengesetze werk aus konservativen Gesinnungsfreun- den beiden Freunden, das deutsche Me- fielen so lau aus, dass Kirch selten leiden den – bedeutungslos, der einst so mächti- 114 der spiegel 15/2002 J. H. DARCHINGER (M.); BERNHARD HOFAUER / ACTION PRESS (R.) / ACTION (M.); BERNHARD HOFAUER H. DARCHINGER J. wir die Macht“ Partner Stoiber, Kirch (1998): Das Pleite-Virus könnte die Kanzlerkandidatur infizieren ge und gefürchtete Unternehmer – ein ein- Und so bleibt zunächst auch im Verbor- Willen, das Monopol der öffentlich-recht- samer, gescheiterter, alter Mann. genen, dass sich Kirch nach der konserva- lichen Sender zu brechen, kann ihm nur Endgültig vorbei sind die Zeiten, als tiven „Wende“ 1982 in Bonn – für seine die Union den Weg zum eigenen TV-Sen- Kirch mit seiner gewaltigen Ballung von Vertrauten überraschend – plötzlich für Po- der frei machen. Geld- und Meinungsmacht manchen Kriti- litik interessiert. Schneller als andere hat er Für Kohl war die knappe Wahlnieder- kern schon als zweiter Alfred Hugenberg begriffen, dass sich in seinem Fall Kom- lage 1976 gegen die sozial-liberale Koali- erschien, der in den zwanziger Jahren mit merz und Weltanschauung aufs Frucht- tion unter Helmut Schmidt ein prägendes seinen deutschnationalen Blättern Adolf barste verbinden lassen. Erlebnis gewesen. Er verlor, obwohl ihm Hitler gesellschaftsfähig gemacht hatte. Seine Mitarbeiter erstaunt er bereits die Prognosen einen Sieg vorhergesagt Kirch selbst ist nicht unschuldig daran, kurz nach Kohls Amtsantritt mit einem hatten. Seine demoskopische Beraterin dass seine Gegner oft so hysterisch und freimütigen Geständnis: „Jetzt haben wir Elisabeth Noelle-Neumann erfand darauf- übertrieben reagieren. Schon zu Beginn die Macht“, soll Kirch gesagt haben, „und hin ihre berühmte Theorie von der seiner Karriere betreibt er seine Geschäf- wir werden dafür sorgen, dass wir sie so „Schweigespirale“, wonach die Meinung te am liebsten im Verborgenen. Zu viel schnell nicht wieder verlieren.“ Mochte der Wähler durch linke Medien beeinflusst Aufmerksamkeit ist schädlich, denn sofort ihm der neue Kanzler auch damals noch worden sei. könnte seine fast monopolartige Stellung unsympathisch sein, eines hat der katho- Für den CDU-Chef war klar, wo der als Filmlieferant für ARD und ZDF ins Ge- lisch-konservative Winzersohn aus Fran- Gegner zu suchen war: bei den verhassten rede kommen. ken sofort erkannt: Mit ihrem erklärten Blattmachern aus Hamburg und den „ro- Kirchs Kartenhaus Der Aufbau der Kirch-Gruppe Familie Silvio Rewe-Gruppe, Prinz Walid, Rupert Kirch Leo Kirch Leo Kirch Berlusconi Lehman Brothers, zusammen Murdoch 79,2% 4,8% Capital Research 13,5% 69,8% 100% KirchPay-TV KirchBeteiligung wichtigster Bestandteil ist Kernstück ist die Beteiligung 2,5% 22% der hochdefizitäre Abo- am Axel Springer Verlag. Zentraler Baustein des Kirch-Imperiums. Er um- Sender Premiere. Das Kirch- Springer-Chef Mathias Döpf- fasst den Rechtehandel, zahlreiche Film- und Fern- Sorgenkind verursacht täg- ner fordert von Kirch 767 Mio. sehproduktionsfirmen, die Beteiligung an der Pro- lich Verluste von mehr als Euro für die Rücknahme der SiebenSat.1-Senderkette, den Sender DSF sowie 2 Millionen Euro. Zudem will Springer-Anteile an ProSie- die Beteiligung beim spanischen Pay-TV-Sender Murdoch die Option einlö- benSat.1Media. Telecinco. Kaum Liquidität, um anstehende Zah- sen, seinen 22%-Anteil an Weitere wichtige Beteiligung: lungen für Fußball- und Filmrechte zu leisten. KirchPay-TV im Oktober für Formel-1-Vermarkter SLEC 1,8 Milliarden Euro an Kirch zurückzugeben. 52,5% ProSiebenSat.1 Media AG 40,3% Fernsehsender: ProSieben, Sat.1, 11,5% Kabel 1, N24, Neun Live Axel Springer Verlag der spiegel 15/2002 115 Medien HEINZ GEBHARDT (L.); WERNER BAUM / DPA (R.) (L.); WERNER BAUM / DPA HEINZ GEBHARDT Konkurrenten Kirch (1976), Springer (l., mit Ehefrau Friede 1982): Lebenstraum vom konservativen Medienverbund ten“ Polit-Magazinen „Report Baden-Ba- Kirch, der sonst gern betont, er sei „kein der Kanal in konservativ regierten Län- den“, „Panorama“ und „Monitor“. In den Politiker“ und handle allenfalls als „Un- dern problemlos die besten Frequenzen öffentlich-rechtlichen Anstalten seien in ternehmer, aber mit politischem Gewis- bekommt. den siebziger Jahren von neun Chefredak- sen“, passt sich schnell an die neuen Zei- Schon bei seinem ersten Sender bedient teuren sieben bis acht „Linke“ gewesen, ten an: Sat.1, die Keimzelle seines späteren sich Kirch dabei einer Methode, die er spä- behauptet Christian Schwarz-Schilling, der Senderimperiums und der erste Privat- ter immer wieder anwendet und die ihm als Kohls Postminister ab 1983 die Republik kanal der Republik, wird in der rheinland- wie kaum eine andere den Mythos des si- verkabeln lässt und so erst die technische pfälzischen Staatskanzlei konzipiert. Grün- nistren Medienpaten verschafft: Er steigt Voraussetzung für neue Kanäle und damit dungsgeschäftsführer wird der Sprecher nicht offen ein, sondern über eine weitere auch private Fernsehsender schafft. der Landesregierung. Kein Wunder, dass Gesellschaft, die er zudem von einem „Wir wussten“, sagt der Christdemokrat aus Hessen, „dass wir das Monopol der öf- Film ab Chronologie des Kirch-Imperiums fentlich-rechtlichen Nachrichtengebung nur durch Wettbewerb brechen konnten.“ 1956 Leo Kirch gründet sein erstes 1996 Gründung und Start des digitalen Dann, so die Überlegung, sei es vorbei mit Unternehmen zur Verwertung Fernsehens DF1; Kirch erwirbt von Filmrechten die Rechte an den Fußball- den „Schutzzonen“ für politische Sendun- Weltmeisterschaften 2002 gen: „Die Leute sollten endlich sehen kön- 1968 Eine Produktionsgesellschaft und 2006 nen, was sie wollten: Unterhaltung statt für Kino- und Fernsehfilme wird politischer Indoktrination.“ gegründet 1997 Kirch übernimmt die Mehrheit Das ist die Stunde des Filmhändlers Leo an Sat.1; Börsengang von Pro- Kirch, der in seinem gekühlten Hochre- 1984 Beteiligung am Axel Springer Sieben Media gallager im Münchner Vorort Unterföhring Verlag mit zunächst 10 Prozent; 1999 Januar