UNICUIQUE SUUM NON PRAEVALEBUNT

Redaktion: I-00120 Vatikanstadt Schwabenverlag AG Einzelpreis Wochenausgabe in deutscher Sprache 51. Jahrgang – Nummer 26 – 2. Juli 2021 D-73745 Ostfildern Vatikan d 2,20

Eucharistiefeier am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus Erfahrung einer Liebe, die heilt und befreit

Vatikanstadt. Papst Franziskus hat zum gerechtigkeit und vom Verlust der Hoffnung, der Hochfest der Apostel Petrus und Paulus die Be- das Leben der Frauen und Männer unserer Zeit deutung einer »freien Kirche« betont. Nur eine belastet. freie Kirche sei auch eine glaubwürdige Kirche, Fragen wir uns heute, in dieser Feier und da- sagte er am Dienstag, 29. Juni, bei der Eucha- nach, fragen wir uns: Wie sehr bedürfen unsere ristiefeier im Petersdom. Wie Petrus seien die Städte, unsere Gesellschaften, unsere Welt der Menschen berufen, frei zu sein; frei vom Ge- Befreiung? Wie viele Ketten müssen gesprengt fühl der Niederlage, von einer lähmenden und wie viele verriegelte Türen müssen geöffnet Angst und Unsicherheit. Wie Paulus seien die werden! Wir können an dieser Befreiung mitwir- Gläubigen zudem berufen, frei zu sein von ken, aber nur, wenn wir uns zuerst selbst von der heuchlerischen Äußerlichkeiten und zweifel- Neuheit Jesu befreien lassen und in der Freiheit hafter Macht, frei von der Angst, missverstan- des Heiligen Geistes wandeln. den zu werden. Heute erhalten unsere Mitbrüder Erzbischöfe Wie jedes Jahr am 29. Juni segnete der Papst das Pallium. Dieses Zeichen der Einheit mit Pe- bei der heiligen Messe auch die Pallien. Einige trus erinnert an die Sendung des Hirten, der sein der neuen Metropolitan-Erzbischöfe, die das Leben für die Herde hingibt. Indem er sein Leben Pallum als Zeichen der Verbundenheit mit Pe- hingibt, wird der von sich selbst befreite Hirte zu trus erhielten, nahmen persönlich am Gottes- einem Werkzeug der Befreiung für seine Brüder dienst teil, unter ihnen der Erzbischof von Se- und Schwestern. Bei uns ist heute die Delegation villa, Josep Ángel Saiz Meneses, und der neue des Ökumenischen Patriarchats, die zu diesem Primas von Gallien, Olivier de Germay, Erzbi- Anlass von unserem lieben Bruder Bartholo- schof von Lyon. Den anderen Metropolitan- maios entsandt wurde: Eure geschätzte Anwe- Erzbischöfen, die wegen der Reisebeschrän- senheit ist ein wertvolles Zeichen der Einheit auf kungen aufgrund der Corona-Krise nicht dem Weg der Befreiung von der Fremdheit, die persönlich teilnehmen konnten, wird das Pal- die Christen in skandalöser Weise trennt. Danke lium in ihre Diözesen gesandt. für eure Anwesenheit. In der Predigt am 29. Juni sagte der Papst: Wir beten für euch, für die Hirten, für die Kir- che, für uns alle: dass wir, von Christus befreit, in der ganzen Welt Apostel der Befreiung sein kön- Zwei große Apostel des Evangeliums und um die Türen zu öffnen, die zur Begegnung mit und »er wird mich allem bösen Treiben ent- nen. zwei tragende Säulen der Kirche: Petrus und Pau- dem Herrn führen, und die Macht, zu binden und reißen« (2 Tim 4,18). Paulus machte die Osterer- Seit über 40 Jahren kommt außerdem eine lus. Heute begehen wir ihr feierliches Gedenken. zu lösen: die Brüder und Schwestern an Christus fahrung: Der Herr hat ihn befreit. orthodoxe Delegation des Ökumenischen Pa- Schauen wir uns diese beiden Glaubenszeugen zu binden und die Knoten und Ketten ihres Le- Liebe Brüder und Schwestern, die Kirche triarchats von Konstantinopel zu den Feier- näher an: Im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht bens zu lösen (vgl. Mt 16,19). schaut auf diese beiden Giganten des Glaubens lichkeiten in den Vatikan. In diesem Jahr nah- nicht ihre Tüchtigkeit, sondern im Mittelpunkt All das war nur möglich, weil – wie die Erste und sieht zwei Apostel, die die Kraft des Evange- men der griechisch-orthodoxe Metropolit von steht die Begegnung mit Christus, die ihr Leben Lesung erzählt – Petrus zuerst befreit wurde. Die liums nur deshalb in der Welt freisetzen konnten, Chalcedon, Emmanuel (Adamakis), sowie der verändert hat. Sie machten die Erfahrung einer Ketten, die ihn gefangen halten, werden zerbro- weil sie zuvor durch die Begegnung mit Christus Metropolit Iosif (Bosch) aus Buenos Aires und Liebe, die sie heilte und befreite, und dadurch chen, und genau wie in der Nacht der Befreiung befreit worden waren. Er hat sie nicht verurteilt, Diakon Barnabas Grigoriadis als Vertreter des wurden sie zu Aposteln und Dienern der Befrei- der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten wird er hat sie nicht gedemütigt, sondern ihr Leben Patriarchats an der heiligen Messe teil. Bereits ung für andere. er aufgefordert, schnell aufzustehen, sich zu gür- mit Zuneigung und Nähe geteilt, indem er sie mit am Vortag hatte der Papst sie zu einer Privat- Petrus und Paulus sind nur deshalb frei, weil ten und seine Sandalen anzuziehen, um hinaus- seinem Gebet unterstützte und sie manchmal er- audienz empfangen. Der Vatikan seinerseits sie zuvor befreit wurden. Bleiben wir ein wenig zugehen. Und der Herr öffnet ihm die Türen weit mahnte und wachrüttelte, um eine Veränderung entsendet jeweils zum Andreasfest am 30. No- bei diesem zentralen Punkt. (vgl. Apg 12,7-10). Es ist eine neue Geschichte der hervorzurufen. Zu Petrus sagt Jesus liebevoll: »Ich vember eine Delegation zu den Feierlichkeiten Petrus, der Fischer aus Galiläa, wurde vor al- Öffnung, der Befreiung, der zerbrochenen Ket- aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht mit Patriarch Bartholomaios I. in Istanbul. lem von dem Gefühl der Unzulänglichkeit und ten, des Herauskommens aus einengender Ge- erlischt« (Lk 22,32); Paulus fragt er: »Saul, Saul, der Bitterkeit des Versagens befreit, und das ge- fangenschaft. Petrus macht die Ostererfahrung: warum verfolgst du mich?« (Apg 9,4). Jesus tut schah dank der bedingungslosen Liebe Jesu. Ob- Der Herr hat ihn befreit. dasselbe auch mit uns: Er versichert uns seiner wohl er ein erfahrener Fischer war, erlebte er Auch der Apostel Paulus erlebte diese Befrei- Nähe, er betet für uns und legt beim Vater Für- mehrmals mitten in der Nacht den bitteren Ge- ung durch Christus. Er wurde von der be- sprache für uns ein; und er weist uns sanft zu- In dieser Ausgabe schmack der Niederlage, weil er nichts gefangen drückendsten Sklaverei befreit, nämlich der sei- recht, wenn wir Fehler machen, damit wir die Generalaudienz im Damasushof des hatte (vgl. Lk 5,5; Joh 21,5), und angesichts der nes eigenen Ich, und aus Saulus, das ist der Name Kraft finden, aufzustehen und uns wieder auf den Apostolischen Palastes am 23. Juni – leeren Netze war er versucht aufzugeben; ob- des ersten Königs von Israel, wurde Paulus, was Weg zu machen. Beginn einer neuen Katechesereihe über wohl er stark und ungestüm war, wurde er oft »Kleiner« bedeutet. Er wurde auch von dem reli- Vom Herrn berührt, werden auch wir befreit. den Galaterbrief...... 2 von Angst ergriffen (vgl. Mt 14,30); obwohl er ein giösen Eifer befreit, der ihn zu einem glühenden Und wir bedürfen immer der Befreiung, denn leidenschaftlicher Jünger des Herrn war, folgte er Verfechter der überkommenen Traditionen ge- nur eine freie Kirche ist eine glaubwürdige Kir- Ausstellung im Palazzo Braschi: weiter der Logik der Welt ohne die Bedeutung des macht hatte (vgl. Gal 1,14) und zu einem gewalt- che. Wie Petrus sind wir berufen, frei zu sein Rom, Geburt einer Hauptstadt ...... 5 Kreuzes Christi zu verstehen und anzunehmen tätigen Verfolger der Christen. Er wurde befreit. von dem Gefühl der Niederlage angesichts un- Im Gespräch mit dem Postulator des (vgl. Mt 16,22); obwohl er sagte, er sei bereit, sein Die formale Befolgung der Religion und die ver- seres manchmal erfolglosen Fischfangs; frei zu Seligsprechungsprozesses von Robert

Leben für den Herrn hinzugeben, genügte schon bissene Verteidigung der Tradition hatten ihn sein von der Angst, die uns lähmt und ängstlich Schuman...... 6 die Verdächtigung, er gehöre zu Jesus, dass er starr werden lassen, anstatt ihn für die Liebe zu macht, uns in unsere Sicherheiten verschließt Audienz für die Teilnehmer an der Angst bekam und schließlich den Meister ver- Gott und zu seinen Brüdern und Schwestern zu und uns den Mut zur Prophetie nimmt. Wie Pau- Versammlung der ROACO...... 7 leugnete (vgl. Mk 14,66-72). öffnen: Er war ein Fundamentalist. Davon hat lus sind wir berufen, frei zu sein von der Heu- Ansprache von Papst Franziskus an Doch Jesus liebte ihn auch ohne Gegenleis- Gott ihn befreit; zugleich aber verschonte er ihn chelei der Äußerlichkeit; frei zu sein von der eine Delegation des Lutherischen tung und er baute auf ihn. Er ermutigte ihn, nicht nicht vor vielen Schwächen und Schwierigkei- Versuchung, uns mit der Macht der Welt aufzu- Weltbundes...... 8 aufzugeben, seine Netze erneut ins Meer zu wer- ten, die seinen Evangelisierungsauftrag fruchtba- drängen statt mit der Schwäche, die Gott Raum fen, auf dem Wasser zu gehen, mutig auf seine rer machten: vor den Mühen des Apostolats, vor gibt; frei von einer religiösen Observanz, die uns Audienz für die Priester des französischen Schwachheit zu schauen, ihm auf dem Kreuzweg körperlichen Gebrechen (vgl. Gal 4,13-14), vor starr und unflexibel macht; frei von zweifelhaf- Kollegs in Rom...... 9 zu folgen, sein Leben für seine Brüder und Gewalt, Verfolgung, Schiffbruch, Hunger und ten Verbindungen mit der Macht und frei von Audienz für die Ständigen Diakone der

Schwestern zu geben, seine Schafe zu weiden. Durst und, wie er selbst erzählt, vor einem Sta- der Angst, nicht verstanden und angegriffen zu Diözese Rom und ihre Familien...... 10 Auf diese Weise befreite er ihn von der Angst, chel im Fleisch, der ihn plagte (vgl. 2 Kor 12,7-10). werden. Ansprache von Papst Franziskus von Berechnungen, die allein auf menschlichen So verstand Paulus, dass Gott das Schwache in Petrus und Paulus liefern uns das Bild einer beim Angelusgebet Sicherheiten beruhen, von weltlichen Sorgen der Welt erwählt hat, um das Starke zuschanden Kirche, die uns anvertraut ist, aber vom Herrn mit – am 27. Juni ...... 11 und gab ihm sowohl den Mut, alles zu riskieren zu machen (vgl.1 Kor 1,27), dass wir alles durch Treue und Zärtlichkeit geführt wird – er ist es, der – am Hochfest der Apostel Petrus und als auch die Freude darüber, sich als Menschen- den vermögen, der uns stärkt (vgl. Phil 4,13), dass die Kirche führt; einer schwachen Kirche, in der Paulus am 29. Juni...... 12 fischer zu empfinden. Er berief gerade ihn dazu, uns nichts jemals von seiner Liebe scheiden kann Gott jedoch machtvoll gegenwärtig ist; das Bild ei- seine Brüder und Schwestern im Glauben zu stär- (vgl. Röm 8,35-39). Deshalb kann Paulus am ner befreiten Kirche, die der Welt jene Befreiung Kardinalstaatssekretär ken (vgl. Lk 22,32). Ihm hat er – wie wir im Evan- Ende seines Lebens – wie uns die Zweite Lesung vermitteln kann, die sie sich selbst nicht geben in Deutschland ...... 12 gelium gehört haben – die Schlüssel übergeben, berichtet – sagen: »Der Herr stand mir zur Seite« kann: Befreiung von Sünde, Tod, Resignation, Un- 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 2 Aus dem Vatikan und der Weltkirche

Generalaudienz im Damasushof am 23. Juni Ganz Feuer und Flamme für das Evangelium

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! Nach dem langen Weg, den wir dem Gebet gewidmet haben, beginnen wir heute einen neuen Katechesezyklus. Ich hoffe, dass es uns durch diesen Weg des Gebets gelungen ist, etwas besser zu beten, etwas mehr zu beten. Heute möchte ich über einige Themen nachdenken, die der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater darlegt. Es ist ein sehr wichtiger, ja ich würde so- gar sagen entscheidender Brief: nicht nur, um den Apostel besser kennenzulernen, sondern vor allem, um über einige Themen nachzudenken, die er in der Tiefe aufgreift und so die Schönheit des Evangeliums aufzeigt. In diesem Brief gibt Paulus zahlreiche biografische Daten wieder, die es uns erlauben, seine Bekehrung und die Ent- scheidung, sein Leben in den Dienst Jesu Christi Oben: Der heilige Paulus, Statue von zu stellen, kennenzulernen. Außerdem greift er Pierre-Étienne Monnot, Basilika Sankt Johannes einige Themen auf, die wichtig sind für den Glau- im Lateran, Rom. ben, wie das Thema der Freiheit, der Gnade und der Lebensweise des Christen, die äußerst zeit- Links: Bei der Generalaudienz im Damasushof gemäß sind, weil sie viele Aspekte des Lebens der des Apostolischen Palastes hat der Papst eine Kirche in unserer Zeit berühren. Dies ist ein sehr unseren Plänen abhängt, sondern die Bereitschaft neue Katechesenreihe begonnen, in der er zeitgemäßer Brief. Er scheint für unsere Zeiten ge- verlangt, sich formen zu lassen und andere Wege hemen aus dem Brief des Apostels Paulus an schrieben zu sein. zu gehen, die nicht vorgesehen waren. die Galater behandelt. Unter euch ist eine Familie, die mich begrüßt Andere Wege gehen hat: Sie sagen, dass sie Lettisch lernen müssen, und ich weiß nicht, welche Sprache noch, weil sie wirklich der Beginn eines neuen Lebens, eines Der erste Wesenszug, der aus diesem Brief als Missionare in jene Gegend gehen werden. Lebens in Freiheit. Sie hatten einen Weg begon- hervorgeht, ist die große Evangelisierungstätig- Der Heilige Geist führt auch heute viele Missio- nen, der es ihnen gestattete, endlich frei zu sein, keit, die der Apostel in Gang setzt. Er hatte die Ge- nare, die die Heimat verlassen und in ein anderes obwohl ihre Geschichte von vielen Formen grau- meinden in Galatien auf seinen Missionsreisen Land gehen, um zu missionieren. Wir stellen je- samer Sklaverei durchzogen war, nicht zuletzt mindestens zweimal besucht. Paulus wendet doch fest, dass es dem Apostel in seiner unermüd- von jener, die sie dem Kaiser von Rom unter- sich an die Christen in jener Gegend. Wir wissen lichen Evangelisierungstätigkeit gelungen war, stellte. Angesichts der Kritiken der neuen Ver- nicht genau, auf welches geografische Gebiet er mehrere kleine Gemeinden zu gründen, die in Flamme ist. Nachdem er diese Kirchen gegründet kündiger fühlten sie sich daher verloren und un- sich bezieht, und wir können auch nicht mit Ge- der Region Galatien verstreut waren. Wenn Pau- hat, wird er einer großen Gefahr gewahr – der gewiss, wie sie sich verhalten sollten: »Wer hat wissheit sagen, wann er diesen Brief geschrieben lus in eine Stadt, in eine Region kam, dann errich- Hirte ist wie der Vater oder die Mutter, die sofort denn nun Recht? Dieser Paulus oder jene Men- hat. Wir wissen, dass die Galater eine alte kelti- tete er nicht sofort eine große Kathedrale, nein. Er merken, wenn ihre Kinder in Gefahr sind –, die schen, die jetzt kommen und andere Dinge leh- sche Bevölkerung waren, die sich durch viele gründete kleine Gemeinden, die heute der Sauer- sie für ihr Wachstum im Glauben laufen. Sie ren? Wem soll ich Gehör schenken?« Es stand Wechselfälle in jener weiten Gegend von Anato- teig unserer christlichen Kultur sind. Er begann, wachsen, und es kommen die Gefahren. Jemand also wirklich viel auf dem Spiel! lien niedergelassen hatte, deren wichtigster Ort indem er kleine Gemeinden gründete. Und diese hat einmal gesagt: »Es kommen die Geier, um in Dieser Zustand ist nicht fern von der Erfah- die Stadt Ancyra, das heutige Ankara, die Haupt- kleinen Gemeinden wuchsen immer weiter und der Gemeinde ein Massaker zu verüben.« Es hat- rung, die verschiedene Christen in unseren Tagen stadt der Türkei, war. Paulus berichtet nur, dass gingen voran. Auch heute wendet man diese pa- ten sich nämlich einige Christen eingeschlichen, leben. Denn auch heute fehlt es nicht an Predi- er aufgrund einer Krankheit gezwungen war, in storale Methode in jedem Missionsgebiet an. In die aus dem Judentum kamen und hinterlistig be- gern, die – vor allem durch die neuen Kommuni- jenem Gebiet haltzumachen (vgl. Gal 4,13). Der der letzten Woche habe ich einen Brief von einem gannen, Theorien zu verbreiten, die im Gegen- kationsmittel – die Gemeinden verwirren kön- heilige Lukas findet in der Apostelgeschichte da- Missionar in Papua-Neuguinea erhalten; er be- satz zur Lehre des Apostels standen, und die so- nen. Sie präsentieren sich nicht in erster Linie, gegen eine geistlichere Begründung. Er sagt: richtet mir, dass er das Evangelium im Urwald gar seine Person verleumden. Sie beginnen mit um das Evangelium Gottes zu verkündigen, der »Weil ihnen aber vom Heiligen Geist verwehrt predigt, bei Menschen, die nicht einmal wissen, der Lehre »dies nicht, das ja«, und dann verleum- den Menschen im gekreuzigten und auferstande- wurde, das Wort in der Provinz Asien zu verkün- wer Jesus Christus ist. Das ist schön! Man beginnt den sie den Apostel. Es ist immer derselbe Weg: nen Jesus liebt, sondern um mit Nachdruck, als den, reisten sie durch Phrygien und das galati- mit der Gründung kleiner Gemeinden. Auch dem Apostel die Autorität abzusprechen. Wie wahre »Wächter der Wahrheit« – so nennen sie sche Land« (16,6). Die beiden Tatsachen stehen heute ist diese Methode die Evangelisierungsme- man sieht, ist es eine uralte Praxis, sich bei eini- sich – zu bekräftigen, welches die beste Art sei, nicht im Gegensatz zueinander: Sie verweisen thode der Erstevangelisierung. gen Gelegenheiten als die einzigen Besitzer der Christen zu sein. Und mit Nachdruck sagen sie, vielmehr darauf, dass der Weg der Evangelisie- Worauf wir unbedingt hinweisen möchten, ist Wahrheit – die Reinen – zu präsentieren und dar- dass das wahre Christentum das sei, mit wel- rung nicht immer von unserem Willen und von die Hirtensorge des Paulus, der ganz Feuer und auf abzuzielen, auch durch Verleumdung die Ar- chem sie verbunden sind, oft identifiziert mit ge- beit der anderen herabzusetzen. wissen Formen der Vergangenheit, und dass die Lösung für die heutigen Krisen darin bestehe Gehorsames Vertrauen zurückzukehren, um nicht die Echtheit des Spiderman beim Papst Glaubens zu verlieren. Auch heute, genau wie Diese Gegner des Paulus sagten, dass auch die damals, gibt es also die Versuchung, sich in Ge- Vatikanstadt. Superheld Heiden der Beschneidung unterzogen werden wissheiten zu verschließen, die in früheren Über- trifft Pontifex: Bei der General- und nach den Regeln des mosaischen Gesetzes lieferungen erworben wurden. audienz im Damasushof hat leben müssten. Die früheren Observanzen keh- Aber wie können wir diese Leute erkennen? ein als Spiderman verkleideter ren zurück, die Dinge, die vom Evangelium über- Eine der Spuren dieser Vorgehensweise ist zum Mann für Überraschung und holt worden sind. Die Galater sollten also auf ihre Beispiel die Rigidität. Angesichts der Verkündi- freudiges Aufsehen gesorgt. kulturelle Identität verzichten, um sich Gesetzen, gung des Evangeliums, das uns frei macht, uns Der Mann, der bei drückender Vorschriften und Gebräuchen zu unterwerfen, mit Freude erfüllt, sind sie rigide. Immer die Rigi- Hitze ein Ganzkörperkostüm die für die Juden kennzeichnend sind. Und nicht dität: Man muss dies tun, man muss das tun… trug, animierte anwesende nur das. Jene Gegner behaupteten, dass Paulus Die Rigidität ist diesen Menschen zu eigen. Der Schülergruppen zum Jubeln. kein wahrer Apostel sei und daher keine Auto- Lehre des Apostels Paulus im Brief an die Galater Zum Ende der Veranstaltung rität besäße, das Evangelium zu predigen. Und zu folgen, wird uns guttun, um zu verstehen, wel- begrüßte Franziskus den Spi- das sehen wir oft. Denken wir an irgendeine chem Weg wir folgen sollen. Der vom Apostel derman und erhielt eine Maske christliche Gemeinde oder Diözese: Man beginnt aufgezeigte Weg ist der befreiende und immer des Superhelden als Geschenk. mit Geschichten, und am Ende wird der Pfarrer, neue Weg des gekreuzigten und auferstandenen Hinter dem eindrucksvollen der Bischof in Verruf gebracht. Das ist der Weg Jesus; es ist der Weg der Verkündigung, der durch Kostüm verbarg sich der 27- des Bösen, jener Menschen, die spalten, die nicht Demut und Geschwisterlichkeit verwirklicht jährige Italiener Mattia Villar- Kindern und ihren Familien. bei mir im Krankenhaus vorbei- aufbauen können. Und hier im Brief an die Gala- wird. Die neuen Prediger wissen nicht, was De- dita, der mit seiner Verkleidung Und es ist ein Leiden, das ich käme, ich habe mir vorgestellt, ter sehen wir diese Vorgehensweise. mut, was Geschwisterlichkeit ist; es ist der Weg kranke Kinder in Kliniken be- am eigenen Leib kennen ge- wie er durchs Fenster in mein Die Galater befanden sich in einer Krisensitua- des sanften und gehorsamen Vertrauens; die sucht. Im vergangenen Jahr lernt habe, denn ich war 19 Zimmer klettert. Also habe ich tion. Was sollten sie tun? Das hören und befolgen, neuen Prediger kennen weder Sanftheit noch Ge- wurde er von Staatspräsident Jahre lang Patient im Gaslini- dann entschieden, mich selbst was Paulus ihnen verkündigt hatte, oder auf die horsam. Und dieser sanfte und gehorsame Weg Sergio Mattarella für sein Enga- Krankenhaus in Genua. Zum in Spiderman zu verwandeln neuen Prediger hören, die ihn anklagten? Man geht voran in der Gewissheit, dass der Heilige gement ausgezeichnet. Glück haben mir meine Familie und für diese Kinder da zu kann sich leicht vorstellen, welcher Zustand der Geist in allen Zeiten der Kirche am Werk ist. Letzt- Im Gespräch mit »Vatican und meine Freunde in dieser sein.« Im echten Leben ist Ungewissheit ihre Herzen erfüllte. Für sie war die lich bringt uns der Glaube an den Heiligen Geist, News« berichtete er: »Durch Zeit immer beigestanden. Aber Mattia allerdings Angestellter, Tatsache, dass sie Jesus kennengelernt und an das der in der Kirche gegenwärtig ist, voran und wird die Maske meines Kostüms ich habe mir damals immer ge- in Spiderman verwandelt er Heilswerk geglaubt hatten, das durch seinen Tod uns retten. sehe ich täglich das Leid von wünscht, dass Spiderman mal sich nur in seiner Freizeit. und seine Auferstehung verwirklicht wurde, (Orig. ital. in O.R. 23.6.2021) 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan und der Weltkirche 3

Mehr Transparenz und Papstaudienz zum Mutig und standhaft effizientere Verwaltung 50-jährigen Bestehen der italienischen Caritas für den Glauben einstehen

Vatikanstadt. Rund ein Jahr nach einem Vatikanstadt. Bei der Generalaudienz am entsprechenden Erlass des Papstes hat der Vati- Lebendiger Teil der Kirche Mittwoch, 30. Juni, der letzten vor der Sommer- kan überarbeitete Regeln für die Vergabe öffentli- pause, setzte Papst Franziskus im Damasushof cher Aufträge beschlossen. Ein am Dienstag, des Apostolischen Palastes seine neue Kateche- 22. Juni, veröffentlichtes Dekret des Wirtschafts- senreihe über den Galaterbrief fort. Ein Mitarbei- sekretariats setzt die Vorgaben von Papst Franzis- ter der deutschsprachigen Abteilung des Staatsse- kus in ein detailliertes Regelwerk um. Dadurch kretariats trug die folgende Zusammenfassung soll der Modus von Auftragsvergaben für die Rö- vor: mische Kurie, den Staat der Vatikanstadt und an- Liebe Brüder und Schwestern, bereits in unse- dere Einrichtungen des Heiligen Stuhls verein- rer ersten Betrachtung zum Galaterbrief hatten heitlicht werden. Ziel ist die Schaffung von mehr wir gesehen, dass sich diese Gemeinden, denen Transparenz, einer effizienteren Verwaltung und Paulus einst selbst das Evangelium gebracht fairen Wettbewerbsbedingungen für Dienstleis- hatte, in einem Konflikt befanden. Andere Mis- ter und Auftragnehmer. Auch sind erweiterte sionare hatten die apostolische Autorität des Pau- Kontrollmöglichkeiten vorgesehen. lus bestritten und entgegen seiner Lehre von der Im Dekret enthalten sind beispielsweise Vor- Freiheit der Christen die vollumfängliche Einhal- kehrungen gegen Interessenkonflikte, Wett - tung des alten jüdischen Gesetzes verlangt. Ange- bewerbsverzerrung oder illegale Geschäftsprak- sichts dieses Streits widersteht Paulus der Versu- tiken. So können Unternehmen künftig bei chung, seine Gemeinden durch oberflächliche Ausschreibungen ausgeschlossen werden, wenn Kompromisse, in denen sich alle irgendwie wie- sie ihren Verpflichtungen zur Zahlung von derfinden, möglichst rasch zu befrieden. Paulus Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen nicht hat erkannt, dass das Evangelium einen anderen nachkommen. Anspruch hat: »Geht es mir denn um die Zustim- Papst Franziskus hatte die Maßnahmen vor ei- mung der Menschen oder geht es mir um Gott?« nem Jahr mit der Möglichkeit »erheblicher Kos - (Gal 1,10). Paulus ist fest davon überzeugt, dass teneinsparungen« begründet. Vatikanische Ent- seine Sendung und Lehre ihren Ursprung in Jesus scheidungsträger müssten bei Auftragsvergaben Vatikanstadt. Als »lebendigen Teil der Kir- Viel wichtiger sei die Sicht der Armen, »weil Christus hat, in Gottes ewigem Plan. Als Beweis mit der »Sorgfalt eines Familienvaters« vorgehen, che« hat Papst Franziskus die italienische Caritas es die Perspektive Jesu ist«, so der Heilige Vater. dafür dient ihm das unerklärliche Erlebnis seiner mahnte er. Die Möglichkeit, durch das Einholen gewürdigt. Er äußerte sich am Samstag, 26. Juni, »Es sind die Armen, die den Finger in die Wunde Bekehrung. Vom pharisäischen Verfechter des mehrerer Angebote Einsparungen zu erzielen, bei einer Audienz zum 50-jährigen Bestehen der unserer Widersprüche legen und unser Gewis- Gesetzes und eifernden Verfolger der Christen sei entscheidend. Dies erscheine ihm vor allem »Caritas Italiana«. In den Vatikan eingeladen wa- sen auf gesunde Art und Weise stören.« Die Auf- war er zum hingebungsvollen Verkünder eben »bei der Verwaltung öffentlicher Güter noch drin- ren Vertreter aller 218 Diözesanverbände der ka- gabe der Caritas bestehe darin, diesen Menschen dieses Glaubens geworden – zum Apostel Jesu gender nötig«, so der Papst. tholischen Hilfsorganisation in Italien. ganzheitlich zu dienen. Das könne nur mithilfe Christi. Paulus ist immer noch davon ergriffen, Franziskus betonte in seiner Ansprache, dass einer »geistigen, materiellen und intellektuellen dass Gott sich seiner, eines sündigen und schwa- die Caritas auch in Zukunft gebraucht werde. Er Nächstenliebe« geschehen. chen Menschen, bedienen wollte, um seinen Kardinal Parolin erklärt ermutigte dazu, »die Wege der Nächstenliebe zu Der Papst rief die Caritas-Helfer auf, sich nicht Heilsplan zu verwirklichen. So dürfen auch wir verbreitern und dabei immer den Blick auf die von der wachsenden Zahl der Armen entmutigen uns getrost dem Plan Gottes überlassen, der uns Beschwerde gegen Schwächsten zu richten«. Die Wirklichkeit dürfe zu lassen. »Es sind viele und es werden immer zum Dienst am Evangelium beruft und mit seiner Anti-Homophobie-Gesetz nicht aus der Perspektive der Gewinner betrach- mehr«, sagte er. Umso wichtiger sei es, das »Virus Gnade dazu befähigt. tet werden, die sie »schön und perfekt« erschei- des Pessimismus« zu bekämpfen und den Notlei- Der Heilige Vater grüßte die deutschsprachi- Vatikanstadt. Kardinalstaatssekretär Pietro nen ließen. denden Hoffnung zu spenden. gen Gläubigen auf Italienisch. Anschließend Parolin hat nach Kritik die Hintergründe der Inter- wurde folgende deutsche Übersetzung der Grüße vention des Vatikans im Hinblick auf ein geplan- vorgelesen: tes Anti-Homophobie-Gesetz in Italien erläutert. Neue Richtlinien zur Feier der heiligen Messe Liebe Brüder und Schwestern deutscher Spra- Er habe die entsprechende vatikanische Verbal- che, heute feiern wir das Fest der ersten heiligen note persönlich genehmigt, sagte er dem Portal im Petersdom in Sammlung und Würde Märtyrer der Stadt Rom, die ihren christlichen »Vatican News« (24. Juni). Es handele sich um ein Glauben mit der Hingabe ihres Lebens bezeug- internes Dokument, das nicht für die Öffentlich- Vatikanstadt. Die Leitung des Petersdoms sen in der außerordentlichen Form des römi- ten. Der Herr schenke auch uns die Gnade, mutig keit bestimmt gewesen sei. Ziel sei es gewesen, im Vatikan hat die neue Ordnung der morgendli- schen Ritus betonte Gambetti, es müsse »alles und standhaft für den Glauben einzustehen, den über diplomatische Kanäle »Bedenken mitzutei- chen Messfeiern gegen Kritik verteidigt und zu- Mögliche getan werden, um dem Wunsch der die Apostel und die Heiligen uns weitergegeben len«. Keineswegs gehe es »um irgendeine Form gleich flexible Lösungen in Aussicht gestellt. Gläubigen und der Priester zu entsprechen«. Hin- haben. der Blockade«. Demnach soll die Anweisung, dass Priester die sichtlich der neuen Richtlininien zu den Messfei- »Wir sind gegen jede Haltung oder Geste der Eucharistiefeiern gemeinsam statt einzeln zele- ern im Petersdom und der Bevorzugung der Kon- Intoleranz oder des Hasses gegenüber Menschen brieren, sowohl die Einheit des Priestertums als zelebration gegenüber Privatmessen verwies der aufgrund ihrer sexuellen Orientierung«, betonte auch die kirchliche Gemeinschaft unterstreichen, Kardinal unter anderem auf die Lehre des Zwei- Kurz notiert Parolin. Seine Sorge gelte möglichen »Ausle- wie Kardinal , Erzpriester von ten Vatikanischen Konzils (1962-1965). gungsproblemen«, wenn ein Text »mit vagem Sankt Peter, in einem am Dienstag, 22. Juni, ver- Im März, noch vor dem Amtsantritt von Rom/Vatikanstadt. Der Dokumen- und ungewissem Inhalt« verabschiedet werden öffentlichten Schreiben darlegte. Mauro Gambetti als Erzpriester von Sankt Peter, tarfilm »Papst Franziskus – Ein Mann sei- sollte. Am Ende müsse die Justiz entscheiden, Ausnahmen könne es etwa für Pilgergruppen hatte das vatikanische Staatssekretariat Privat- nes Wortes« von Wim Wenders wird Teil was eine Straftat sei – und was nicht. geben. Auch den gelegentlichen Wünschen von messen in der Basilika unterbunden und Feiern eines Rehabilitierungsprogramms für Häft- Darum müsse im vorliegenden Regelwerk vor Priestern nach einer Einzelzelebration solle mit der lateinischen Messe nach dem alten Ritus eine linge in Italien. Für das mehrstufige Projekt allem der Begriff der Diskriminierung präzisiert Augenmaß entsprochen werden, sofern die Feier eigene Kapelle zugewiesen. Die Maßnahme war mit dem Titel »Liberare lo sguardo« (Den werden, forderte der Kardinal. So vermeide man, in Sammlung und Würde stattfinde und daraus bei unterschiedlichen Gruppen auf Kritik ge- Blick befreien) sollen Gefangene den Film unterschiedlichste Dinge »in einen Topf« zu wer- keine Regel werde, hieß es. Zu den heiligen Mes- stoßen. sehen und in Gruppen über die Inhalte dis- fen. Er sehe die Gefahr, dass im Extremfall jed- kutieren. Dies soll die soziale Wiederein- wede Unterscheidung zwischen Männern und gliederung der Häftlinge fördern. Hinter Frauen strafbar sein könnte. Dies wolle die Kirche Papst und Kardinalsrat Verheerende psychische dem Projekt stehen der Kulturverein »Of- verhindern. berieten online Folgen der Pandemie ficina Cultura e Territorio« und ein Netz- Wenige Tage zuvor war eine Verbalnote des werk lokaler Stiftungen. 2018 hatte der vatikanischen Staatssekretariats an die Medien Vatikanstadt. Papst Franziskus und sein Vatikanstadt. Papst Franziskus hat auf die deutsche Regisseur Wenders dem Nachfol- gelangt. In dem Schreiben an die Botschaft der Kardinalsrat sind am Donnerstag, 24. Juni, zu ei- gravierenden psychischen Folgen der Corona- ger Petri einen Dokumentarfilm gewid- Republik Italien beim Heiligen Stuhl heißt es, die ner virtuellen Konferenz zusammengetroffen. Pandemie aufmerksam gemacht. In einem met, in dem auch Szenen mit Gefangenen Freiheitsrechte der katholischen Kirche würden Wie der Vatikan tags darauf mitteilte, waren die Schreiben an die Teilnehmer der Nationalen Kon- gezeigt werden. ****** durch »einige Inhalte des aktuellen Gesetzent- Kardinäle Óscar Rodríguez Maradiaga (Teguci- ferenz für mentale Gesundheit in Rom wies er am wurfs« unzulässig eingeschränkt. Ein Inkrafttre- galpa), (München), Sean Patrick Freitag, 25. Juni, auf »verheerende psychologi- Vatikanstadt. Der Kaplan der Päpstli- ten könnte demnach einen Verstoß gegen den O’Malley (Boston), (Bombay) sche Auswirkungen« hin. Um so mehr müsse das chen Schweizergarde, Don Thomas Wid- Staatskirchenvertrag von 1984 darstellen. »Wir und (Kinshasa) zuge- gesellschaftliche Stigma überwunden werden, mer, beendet nach fast sechsjähriger Amts- bitten darum, dass unsere Bedenken berücksich- schaltet. Der Papst nahm von seiner Residenz das psychische Leiden oft noch mit sich brächten. zeit seinen Dienst als Gardeseelsorger. Er ̈ tigt werden«, so der Wortlaut der Note. Santa Marta aus an der Sitzung teil. Als vatikani- Es brauche eine Kultur der Gemeinschaft, um Lei- wird Ende August in die Heimat zuruck- Das nach dem Initiator Alessandro Zan (Par- sche Vertreter waren außerdem Kurienkardinal dende und Schwache besser im Blick zu haben, kehren und als Pfarradministrator in der ̈ tito Democratico) benannte Gesetzesvorhaben sowie der Sekretär des Kardi- so der Papst. Pfarrei Herz Jesu in Zurich-Örlikon wirken. soll Homo-, Bi- und Transsexuelle unter besonde- nalsrates, Bischof Marco Mellino, mit dabei. Franziskus warb dafür, nicht nur das Gesund- Widmer, geboren am 18. Juli 1984, ist im ̈ ren Schutz stellen. Kritiker des Gesetzentwurfs Papst Franziskus bekräftigte demnach in sei- heitssystem bei der Versorgung psychisch Kran- Zurcherischen Bonstetten aufgewachsen argumentieren unter anderem, dass öffentliche ner Wortmeldung die große Bedeutung der Welt- ker weiter zu stärken, sondern auch die For- und als Priester in der Diözese Chur inkar- Äußerungen zur kirchlichen Lehre über Ehe und bischofssynode und der synodalen Prozesse auf schung sowie die Hilfe von Ehrenamtlichen und diniert. Am 12. Dezember 2015 war er von Familie kriminalisiert werden könnten oder etwa diözesaner und nationaler Ebene. Die Teilnehmer Verbänden auszubauen. Die Pandemie habe die Papst Franziskus zum Kaplan der Päpstli- katholische Schulen verpflichtet werden könn- tauschten sich zudem über die Folgen der Mitarbeiter im Gesundheitswesen vor enorme chen Schweizergarde ernannt worden und ten, sich an einem nationalen Aktionstag »gegen Corona-Krise in den jeweiligen Ländern aus und Herausforderungen gestellt und gezeigt, wie war in dieser Funktion als geistlicher An- Homophobie, Lesbophobie, Biphobie und Trans- begrüßten die Fortschritte bei der vatikanischen wichtig es sei, niemanden zurückzulassen, be- sprechpartner der Gardisten tätig. phobie« zu beteiligen. Wirtschafts- und Finanzaufsicht. tonte der Papst in seinem Schreiben. 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 4 Aus dem Vatikan

VATIKANISCHES BULLETIN

Privataudienzen Aviz, mit dem Sekretär des Dikasteriums, José – zum Bischof von Malaybalay (Philippinen): Rodríguez Carballo, Titularerzbischof von Bel- Noel P. Pedregosa, vom Klerus der Diözese, bis- Staat der castro; her Diözesanadministrator und Rektor der Kathe- Vatikanstadt Der Papst empfing: – den Außenminister der Vereinigten Staaten von drale; Amerika, Antony John Blinken, mit Beglei- – zum Apostolischen Vikar von Taytay (Philippi- 29. Juni: 24. Juni: tung; nen): Broderick Soncuaco Pabillo, bisher Papst Franziskus ernannte zum Sekretär – den Präfekten der Kongregation für die Glau- Weihbischof in der Metropolitan-Erzdiözese Ma- – eine Delegation des Ökumenischen Patriar- der Dombauhütte von St. Peter: Msgr. benslehre, Kardinal Luis Francisco Ladaria nila und Titularbischof von Sitifi; chats von Konstantinopel; Orazio Pepe, ehemaliger Büroleiter in der Ferrer; – zum Weihbischof in der Diözese Karaganda (Ka- Sektion für die allgemeinen Angelegenhei- – den Apostolischen Nuntius in Syrien, Kardinal sachstan): Yevgeniy Zinkovskiy, bisher Gene- – den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskon- ; ten des Staatssekretariats. ferenz, Georg Bätzing, Bischof von Limburg ralvikar der Diözese, mit Zuweisung des Titular- (Bundesrepublik Deutschland); – den Erzbischof von Siena-Colle di Val d’Elsa- sitzes Maiuca. Montalcino (Italien), Kardinal Augusto Paolo – den Apostolischen Nuntius in Haiti, Francisco Lojudice; Päpstlicher Sondergesandter chak, Bischof von Altoona-Johnstown (Verei- Escalante Molina, Titularerzbischof von Grazi- nigte Staaten von Amerika); Dominicus Meier, ana; – den emeritierten Erzbischof von Oristano (Ita- 26. Juni: Weihbischof in der Erzdiözese Paderborn lien), Ignazio Sanna; – den emeritierten Erzbischof von Agrigent (Ita- Der Papst ernannte: (Deutschland) und Titularbischof von Castro di Sardegna; Andrea Migliavacca, Bischof von lien), Kardinal ; 30. Juni: – zu seinem Sondergesandten bei der fünften San Miniato (Italien); Pierantonio Pavanello, – den griechisch-orthodoxen Patriarchen von An- Krönung der Schwarzen Muttergottes von Oropa – die Teilnehmer der Versammlung der »Union Bischof von Adria-Rovigo (Italien); Egidio Mira- tiochien und des ganzen Orients, Seine Seligkeit im Marienheiligtum der Diözese Biella (Italien) der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen« goli, Bischof von Mondovì (Italien); (ROACO) Johannes X.; am 29. August: Kardinal , Dekan des Kardinalskollegiums; seit 1620 findet – zum Referendarius am Obersten Gerichtshof –P. Michael Anthony Perry OFM, General- – den syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antio- alle 100 Jahre am letzten Sonntag im August eine der Apostolischen Signatur: Msgr. Carlos José minister der Franziskaner; Abt Jeremias D. chien, Seine Heiligkeit Ignatius Ephräm II. feierliche Krönung der Statue statt. Errázuriz Mackenna, Professor an der Fakultät Schröder OSB, Abtpräses der der Benediktiner- für Kirchenrecht der Päpstlichen Universität vom kongregation von St. Ottilien; Abt Gregory John Bischofskollegium Heiligen Kreuz in Rom; Msgr. Patrick Valdrini, Frederick Polan OSB, Abtprimas der Benedik- Rücktritte ehemaliger Prorektor der Päpstlichen Lateranuni- tinischen Konföderation; P. Roberto Genuin versität in Rom; Paolo Gherri, Dekan der Fakul- Ernennungen Der Papst nahm die folgenden Rücktrittsge- OFMCap, Generalminister der Kapuziner; tät für Kirchenrecht an der Päpstlichen Lateran- suche an: P. Carlos Alberto Trovarelli OFMConv, Ge- Der Papst ernannte: universität in Rom; P. Ulrich Rhode SJ, Dekan neralminister der Minoriten; P. Frank Gerardo 22. Juni: der Fakultät für Kirchenrecht an der Päpstlichen Pérez Alvarado TC, Generaloberer der Kongre- 23. Juni: – von Bischof George Arthur Sheltz, Titularbi- Universität Gregoriana in Rom; P. Georges gation der Kapuziner-Terziaren von der schmerz- – zum Weihbischof in der Metropolitan-Erzdiö- schof von Hirina, von seinem Amt als Weihbi- Henri Ruyssen SJ, Dekan der Fakultät für Ost- haften Jungfrau (Amigonianer); P. Michael zese Paderborn (Bundesrepublik Deutschland): schof in der Metropolitan-Erzdiözese Galveston- kirchenrecht am Päpstlichen Orientalischen In- Brehl CSsR, Generaloberer der Kongregation Josef Holtkotte, vom Klerus der Erzdiözese, bis- Houston (Vereinigte Staaten von Amerika); stitut in Rom; P. Philippe Toxé OP, Professor an des Heiligsten Erlösers (Redemptoristen); P. Tes- her Bundespräses des Kolpingwerks, mit Zuwei- der Fakultät für Kirchenrecht der Päpstlichen Uni- faye Tadesse Gebresilasie MCCJ, General- sung des Titularsitzes Simingi; 24. Juni: versität des heiligen Thomas »Angelicum« in oberer der Comboni-Missionare vom Herzen Rom; Herr William Daniel, Professor an der Fa- 24. Juni: – von Bischof Milan Chautur von der Leitung Jesu; der Eparchie Kosˇice für die Gläubigen des byzan- kultät für Kirchenrecht an der »Catholic Univer- – zum Bischof der Eparchie Kosˇice für die Gläu- 25. Juni: tinischen Ritus (Slowakei); sity of America« in Washington. bigen des byzantinischen Ritus (Slowakei): Cyril – den Präfekten der Kongregation für die Evange- Vasil’ SJ, bisher Apostolischer Administrator die- 27. Juni: lisierung der Völker, Kardinal Luis Antonio G. ses Kirchenbezirks, unter Beibehaltung des Titels – von Bischof Piotr Skucha, Titularbischof von Apostolische Nuntiaturen Tagle; Erzbischof »ad personam«; Segisama, von seinem Amt als Weihbischof in der – den Präsidenten des Lutherischen Weltbunds, – zum Bischof der Diözese Sekondi-Takoradi Diözese Sosnowiec (Polen); Der Papst ernannte: Erzbischof Panti Filibus Musa, mit Begleitung; (Ghana): John Baptist Attakruh, vom Klerus 28. Juni: – den Großmeister-Statthalter des Souveränen der Diözese, bisher Apostolischer Administrator 28. Juni: – zum Apostolischen Nuntius im Iran: Andrzej Malteserordens, Fra Marco Luzzago, mit Be- »sede vacante et ad nutum Sanctae Sedis« dieser – von Bischof Zbigniew Kiernikowski von der Józwowicz, Titularerzbischof von Lauriaco, bis- gleitung; Diözese; Leitung der Diözese Legnica (Polen). her Apostolischer Nuntius in Ruanda. – den Apostolischen Nuntius in Malaysia und in – zum Weihbischof in der Metropolitan-Erzdiö- Osttimor sowie Apostolischen Delegaten in Bru- zese Cochabamba (Bolivien): Víctor Iván Var- Todesfälle nei Darussalam, Wojciech Zaluski, Titularerzbi- gas Galarza, vom Klerus der Erzdiözese, bisher schof von Diocleziana; Pfarrer der Pfarrei »San Ildefonso« in Quillacollo Am 24. Juni ist der Apostolische Administra- und Rektor des erzdiözesanen Heiligtums »Vír- tor der Diözese Tarawa and Nauru in Neuseeland, 26. Juni: gen María de Urkupiña«, mit Zuweisung des Ti- Paul Eusebius Mea Kaiuea, aus der Ordensge- – den Präfekten der Kongregation für die tularsitzes Bladia; meinschaft der Herz-Jesu-Missionare, im Alter Bischöfe, Kardinal ; von 81 Jahren gestorben. 26. Juni: – den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Ebenfalls am 24. Juni ist der emeritierte Bi- L’OSSERVATORE ROMANO David Maria Sassoli, mit Begleitung; – zum Bischof der Diözese Foligno (Italien): Erz- schof von Ancona-Osimo in Italien, Franco Fes- Wochenausgabe in deutscher Sprache – den Erzbischof von Chicago (Vereinigte Staaten bischof Domenico Sorrentino, Bischof von torazzi, im Alter von 92 Jahren im Krankenhaus 51. Jahrgang Assisi-Nocera Umbra-Gualdo Tadino, und hat Herausgeber: Apostolischer Stuhl von Amerika), Kardinal Blase Joseph Cupich; »Valduce« in Como gestorben. Verantwortlicher Direktor: Andrea Monda damit »in persona Episcopi« die beiden Diözesen – Mitglieder der italienischen Caritas aus Anlass vereint; des 50-jährigen Bestehens; Redaktion – zum Bischof von Concepción (Argentinien): Der Apostolische Stuhl I-00120 Vatikanstadt; 28. Juni: Tel.: 00 39/06 69 84 58 60; José Antonio Díaz, vom Klerus der Diözese Ca- Internet: http://www.vatican.va; – den Präfekten der Kongregation für die Insti- tamarca, bisher Pfarrer der Pfarrei »San Francisco E-Mail: [email protected] Römische Kurie Bilder: Foto-Service und Archiv O.R. tute geweihten Lebens und die Gesellschaften de Asís« in Andalgalá; Tel.: 00 39/06 69 84 51 47; E-Mail: [email protected] apos tolischen Lebens, Kardinal João Braz de Der Papst ernannte: – zum Weihbischof in der Erzdiözese Straßburg Verlag: Schwabenverlag AG; Vorstand: Ulrich Peters (Frankreich): Gilles Reithinger, vom Klerus der Vertrieb: Annika Wedde; Anzeigen: Angela Rössel 21. Juni: Postfach 42 80; D-73745 Ostfildern; Erzdiözese, bisher Generaloberer der Gesell- Tel.: (07 11) 44 06-0; Fax: (07 11) 44 06 138; schaft für auswärtige Missionen von Paris, mit – zu Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs der Internet: http://www.schwabenverlag.de; Aus den Zuweisung des Titularsitzes Saint-Papoul; Apostolischen Signatur für einen Zeitraum von E-Mail: [email protected] fünf Jahren: Kardinal Joseph William Tobin, Druck: Pressehaus Stuttgart Druck GmbH Orientalischen Kirchen Plieninger Straße 150, D-70567 Stuttgart; 28. Juni: Erzbischof von Newark (Vereinigte Staaten von Jahresabonnement: Deutschland e 98,50; Schweiz sFr. 135,–; restl. Europa e 102,50; Übersee e 129,50. 26. Juni: – zum Bischof der Diözese Legnica (Polen): An- Amerika); Kardinal , ISSN 0179-7387 drzej Siemieniewski, bisher Weihbischof in Erzpriester der Päpstlichen Basilika St. Paul vor Folgende Bankverbindungen gelten für die Kunden in Der Papst hat seine Zustimmung erteilt Deutschland, Österreich und der Schweiz: der Metropolitan-Erzdiözese Breslau und Titular- den Mauern; Kardinal Gerhard Müller, emeri- Deutschland: Liga Bank Regensburg; BIC: GENODEF1M05; zur entsprechend den kirchenrechtlichen bischof von Teuzi; tierter Präfekt der Kongregation für die Glaubens- IBAN: DE53750903000006486142; Normen erfolgten Wahl von Ibrahim Österreich: BAWAG P.S.K.; BIC: OPSKATWW; IBAN: AT476 lehre; Kardinal , Generalsekretär 000000007576654 Michael Ibrahim BS zum griechisch- 29. Juni: der Bischofssynode; Cyril Vasil’ SJ, Titularerzbi- Schweiz: PostFinance AG; BIC: POFICHBEXXX; IBAN: melkitischen Erzbischof von Zahlé und CH2809000000800470123 – zum Bischof der Diözese Tiruchirapalli (Indien): schof von Tolemaide di Libia, Apostolischer Ad- Abonnementgebühren sind erst nach Rechnungserhalt zahl- Furzol (Libanon) durch die Bischofssynode Savarimuthu Arokiaraj, vom Klerus der Diö- ministrator »sede plena« von Kosˇice für die Gläu- bar. Abbestellungen können nur schriftlich mit einer Frist der griechisch-melkitischen Patriarchal - von 6 Wochen zum Bezugsjahresende entgegengenommen zese, bisher Rektor der »Holy Redeemer’s Basi- bigen des byzantinischen Ritus (Slowakei); Celso werden. Bei Anschriftenänderung unserer Leser ist die Post kirche von Antiochien. Er war bisher Bi- lica« in Tiruchirapalli; Morga Iruzubieta, Erzbischof von Mérida-Ba- berechtigt, diese an den Verlag weiterzuleiten. Zur Zeit ist die schof der griechisch-melkitischen Eparchie Anzeigenpreisliste Nr. 31 vom 1. Januar 2021 gültig. Für un- – zum Bischof der Diözese Port Blair (Indien): Vi- dajoz (Spanien); Christoph Hegge, Weihbischof verlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Ge- »Saint-Sauveur de Montréal« (Kanada). suvasam Selvaraj, vom Klerus der Diözese, bis- in der Diözese Münster (Deutschland) und Titu- währ übernommen. her Diözesanadministrator; larbischof von Sicilibba; Mark Leonard Bart- 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Kultur 5

Ausstellung im Palazzo Braschi an der Piazza Navona

om, laut Legende 753 v. Chr. gegrün- det, ist eigentlich seit über 2000 Rom, RJahren Hauptstadt. Erst die des Römi- schen Reiches, dann jene des päpstlichen Kir- chenstaates. Das dritte Rom als »Capitale« ent- Geburt einer Hauptstadt steht erst 1870 nach der Einheit Italiens. Malaria grassiert und die Mehrzahl der 226.000 Einwoh- Giuseppe Boscarino, Blick auf Rom vom ner ist arm. Am 2. Oktober entscheiden sich fast Monte Mario 1911 bis 1917, Privatsammlung alle bei einem Volksentscheid dafür, künftig dem (oben links). Königreich Italien angehören zu wollen. Eine bit- tere Pille für den Papst, praktisch wird der Kir- Die Ausstellungsräume mit dem Gemälde chenstaat enteignet. Pius IX. zieht sich zurück »La breccia di Porta Pia« (Einnahme Roms am und sieht sich selbst als »Gefangenen des Vati- 20. September1870), Michele Cammarano kans«. Erst 1929, unter Papst Pius XI., erkennt der (links). Heilige Stuhl den italienischen Staat an. Es Giuseppe Primoli, Kinder an der Piazza del kommt mit den Lateranverträgen, die auch Ent- Popolo (oben). schädigungsansprüche beachten, zur Aussöh- nung. deutende neue Gebäude wie das Parlament und Eintritt in die Moderne der Justizpalast sind im Entwurf oder als Modell vertreten. Das pompöse klassizistische »Vittori- »Rom. Geburt einer Hauptstadt 1870 – 1915«, ano«, auch »Altar des Vaterlands« genannt zu Eh- diese Kinderschuhe des dritten Rom erzählt an- ren des Königs an der Piazza Venezia, heutzutage schaulich die bis 26. September dauernde Aus- mit dem Grab des unbekannten Soldaten, wurde stellung im Palazzo Braschi. Das ist seit 1952 das aber erst 1911 noch unfertig eingeweiht. Neue Städtische Museum Roms (Museo di Roma) an Stadtteile entstehen, unter anderem auch Prati der Piazza Navona. Aber auch wegen der Entste- am Fuß des Monte Mario. Das »Ghetto« wird um- hungsgeschichte des Gebäudes ist gerade dort gestaltet. Die neue Synagoge ist als Holzmodell diese Ausstellung besonders passend. 1790 wird zu sehen, die Entwürfe ihres Dekors stellte das das Grundstück im Auftrag von Fürst Luigi nen Jahrtausendwert hatten«, betonte der ange- wurde dann aber ein strikter Gegner der Einheits- Jüdische Museum von Rom zur Verfügung. Dem Braschi-Onesti, einem Neffen Papst Pius’ VI., er- sehene Corriere della Sera. bewegung und damit des neuen Königreichs. Bauboom folgte übrigens noch vor 1900 eine worben. Die Gestaltung übernimmt der Archi- Doch zunächst der Start. »La Breccia di Porta Sein Nachfolger Leo XIII., Papst von 1878 bis Baukrise. Denn viele Wohnungen waren zu groß tekt Cosimo Morelli. Der zuvor auf dem Grund- Pia« (Der Durchbruch an der Porta Pia) heißt das 1903, dachte ähnlich. Große Wertschätzung fin- und luxuriös, sie fanden keine Käufer. Arbeitslo- stück befindliche Palast aus dem 16. Jahrhundert, riesige Gemälde des Neapolitaners Michele Cam- det dieser Pontifex, der insgesamt 86 Enzykliken sigkeit breitete sich aus und schon 1903 gab es den Giuliano da Sangallo für Francesco Orsini er- marano (1835 bis 1920) im ersten Saal. Es ist das verfasste, bis heute für die erste Sozialenzyklika den ersten Generalstreik. richtet hatte, wird einfach abgerissen. Während preisgekrönte Symbol jenes Ereignisses vom der römisch-katholischen Kirche. Die Ausstellung Interessant auch die sonstige illustrierte Ge- der napoleonischen Besetzung von Rom ruht das 20. September 1870, welches das Schicksal der zeigt den Papst, wie er im Jubiläumsjahr 1900 die sellschaftsgeschichte. Noch 1892 sitzen, so auf ei- Bauvorhaben ab Februar 1798. Die dort befindli- Päpste und des Kirchenstaates nach den Einheits- Heilige Pforte öffnet. Der erste König Italiens zog nem Gemälde des Venezianers Federico Zan- chen Kunstwerke werden von den Franzosen be- kriegen radikal veränderte. Die »Bersaglieri«, übrigens 1870 in den prächtigen historischen domeneghi, bedürftige Römerinnen mit Töpfen schlagnahmt und kehren größtenteils nie zurück. Elite-Soldaten der Infanterietruppe des italieni- Quirinalspalast ein, in dem seit dem 16. Jahrhun- und Tellern auf der Treppe zur Kirche San Grego- Im Jahre 1809 bezieht Braschi-Onesti den Palast schen Heeres, durchbrechen an diesem Stadttor dert rund 30 Päpste residierten. Heutzutage ist er rio. Andere Bewohner hingegen vergnügen sich und wird Bürgermeister der Stadt Rom. Im Jah- die Mauer. Mit ihrem Einmarsch beenden sie die der Sitz des Staatspräsidenten. elegant angezogen beim Pferderennen. Beson- re 1816 stirbt er, noch bevor der Palastbau fertig weltliche Papstmacht. Es folgen weitere Schlach- ders eindrucksvoll die Fotos von 1888 bis 1903 ist. Da das Familienvermögen der Braschis er- tenbilder, auch Büsten aus Marmor, Bronze oder Urbanistische Hochphase des Grafen Giuseppe Primoli, eines Napoleon- schöpft ist, bleibt der Bau bis 1871 unvollendet. Porträts in Öl bedeutender Größen des Jahrhun- Nachfahren, die in Reportageform zusammenge- Schließlich verkauft die Familie ihn an das neue derts wie König Viktor Emanuel II., Einheits- Gleich nachdem Rom Hauptstadt des König - stellt sind und zum Teil erstmals öffentlich gezeigt Königreich Italien, das den Palast fertigstellen kämpfer Giuseppe Garibaldi, der politische Ein- reichs wurde, begann für die Architekten eine werden. Sie zeigen das pulsierende Leben in der lässt. Später wird er Innenministerium, in der Fa- heits-Vorkämpfer Camillo Benso, Graf von Cavour Zeit der Hochkonjunktur. Schnell wurde gebaut Stadt. Im großen Salon des Palazzo Braschi geht schistenzeit auch mal politisches Hauptquartier (1810 bis 1861) sowie der Komponist und Senator und gebaut. Als erstes die Gegend rund um den es dann weiter mit allerlei künstlerisch guten Ma- von Benito Mussolini. Nach dem Zweiten Welt- Giuseppe Verdi (1813 bis 1901). Bilder und Doku- heutigen Hauptbahnhof Termini, die Piazza della nifesten, Plakaten und Postern, die schon ab den krieg wohnen dort zeitweise auch Flüchtlings- mente veranschaulichen den Volksentscheid Repubblica mit Springbrunnen, die Geschäfts- 1890er-Jahren auf Hauswänden und Mauern familien – ehe der Palast mit großzügigen Mar- vom Oktober 1870. straße Via Nazionale, neue Tiberbrücken, auch klebten. In der Schau wird aber auch zitiert aus mortreppen und Sälen 1952 zum Städtischen Mit einer Marmorbüste von 1852 wird aber Uferwälle am Fluss, dessen Überschwemmun- Werken berühmter Autoren wie Gabriele d’An- Museum wird. auch an Papst Pius IX. erinnert. Er hatte seine gen seit Jahrhunderten der Stadt arg zugesetzt nunzio und Émile Zola, die sich zur baulichen Die Ausstellung, entstanden in Zusammenar- lange Amtszeit von 1848 bis 1878 zunächst mit hatten. Auch der Ripetta-Hafen wurde, wie Mo- Umgestaltung Roms, aber auch zu sozialen und beit von zahlreichen Historikern, Kunst- und liberalen Reformen im Kirchenstaat begonnen, delle und Zeichnungen zeigen, umgestaltet. Be- politischen Themen geäußert haben. Kulturexperten, führt den Besucher also zurück Ausführlich geht die Schau ein auf Roms von ins 19. Jahrhundert zur frühen Zeit des Kö- 1907 bis 1913 sehr aktiven Bürgermeister Ernesto nigreichs Italien, entstanden nach zahlreichen Nathan. Er war ein englisch-italienischer Jude, Einheitskämpfen von Nord nach Süd. Erst soll aber auch Freimaurer. Nathan sorgte für einen Florenz Hauptstadt werden, doch dann entschei- Bebauungsplan und große Infrastrukturen. det man sich doch für Rom. Gut 600 Werke, dar- Schon damals ließ er auch viele Kindergärten und unter Gemälde, Grafiken, Zeichnungen, Skulptu- Schulen bauen, sowie Museen, den Zoo und ren, Filmausschnitte und bestechend präzise, Sportstadien. Dann näherte sich der erste Welt- bisher unbekannte Schwarz-Weiß-Fotos, illustrie- krieg, in den Italien erst 1915 eintrat. Die Stim- ren, wie diese neue Hauptstadt sich zunächst mung in Rom – und damit endet die Ausstellung blühend entwickelte. Die Schau behandelt nur – fingen Maler wie Giacomo Balla ein, mit sei- die ersten 45 Jahre der jetzt gut 151 Jahre alten nem futuristischen Bild »Der Krieg«. Hauptstadt des weltlichen Rom. Doch so trat die Christa Langen-Peduto einst so beschauliche klerikale Stadt in die Mo- derne ein. Es gab Einwohnerzuwachs und Bau- Ausstellung »Rom. Geburt einer Hauptstadt boom, auch viele öffentliche Projekte, die Wirk- 1870 – 1915«, geöffnet dienstags bis sonntags lichkeit wurden und nicht – wie oft heutzutage – von 10 bis 18 Uhr. Montags geschlossen. »Museo Träume auf Papier blieben. »45 Jahre Geschichte, Federico Zandomeneghi, Die Armen auf der Treppe der Kirche San Gregorio in Rom, 1892, Leihgabe di Roma« im Palazzo Braschi, Piazza Navona 2/ die wegen ihrer Bedeutung und Intensität fast ei- aus der Pinakothek von Brera in Mailand. Piazza San Pantaleo 10, 00186 Rom. 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 6 Kirche in der Welt

Im Gespräch mit dem Postulator des Seligsprechungsprozesses von Robert Schuman Tiefer, lebendiger Glaube

Der französische Prämonstratenser Ber- dessen, was wir heute unter dem Begriff »Eu- nard Ardura, seit 2009 Präsident des Päpstli- ropäische Union« kennen. chen Komitees für Geschichtswissenschaften, ist Postulator des Seligsprechungsprozesses Robert Schuman ist jetzt »Ehrwürdiger Diener von Robert Schuman. Er spricht mit Olivier Gottes«. Welche Botschaft an die Verantwortli- Bonnel von Vatican News über die Gestalt die- chen in der Politik ist Ihrer Meinung nach darin ses Mannes, Initiator europäischer Versöh- enthalten, sowohl auf nationaler als auch auf eu- nung und Mann des Glaubens, der einer der ropäischer Ebene? Gründerväter Europas war. P. Ardura: Das bedeutet, dass politisches Wie haben Sie reagiert, als Sie vom Dekret des Handeln stets zugunsten des Menschen, der Papstes erfahren haben, mit dem der heroische menschlichen Person geschehen muss. Das hat Tugendgrad Schumans anerkannt wird? die gesamte Aktivität Schumans gekennzeichnet. Robert Schuman (1886-1963): Durch ein Dekret der Kongregation für die Selig- und Indem er für Versöhnung eintrat – im damals Heiligsprechungsprozesse wurde ihm am 19. Juni der Titel »Ehrwürdiger Diener Gottes« P. Ardura: Meine erste Reaktion ist natür- »freie Welt« genannten Westen, im Gegensatz zuerkannt. lich große Freude, denn das ist das Resultat eines zum Sowjetimperium –, hat er die Schaffung ei- langen Prozesses, der in den 1980er-Jahren in ner Gesellschaft ermöglicht, in der die Menschen der Diözese Metz begonnen hat. Dabei wurden sich entfalten können. Das waren wesentliche einer Vitrine oder als wären sie in einem Mu- Er ist ein Mann, der seinen Glauben diskret lebt. über 100 Zeugen gehört, die den christlichen Voraussetzungen dafür, dass die Gesellschaft seum. Diese christlichen Wurzeln sehen wir in Er ist nicht besonders mitteilsam, trägt seinen Aspekt des Politikers erhellten. Robert Schuman nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Aktion. Sie sind es, die einen Mann wie Robert Glauben nicht wie eine Fahne vor sich her, aber war Metzer von ganzem Herzen und ist in Scy- Beine kam, und die es erlaubt haben, so glaube Schuman inspiriert haben und auch all jene, die sein gesamtes Handeln ist von seinem Glauben Chazelles, nicht weit von Metz, gestorben, wo ich, dass wir uns auf eine Gesellschaft hinorien- ihr politisches Engagement als Dienst sehen. In inspiriert. Er hat auch dafür gesorgt, dass sein man immer noch sein Haus besichtigen kann. tiert haben, in der wir heute leben, die allerdings der Art, wie Schuman seine verschiedenen Auf- Glaube ein lernender Glaube war, der sich bilden Schuman hat vor allem dem Gemeinwohl und das großes Ideal Schumans zuweilen vergessen gaben und Ämter erfüllt hat, können wir erken- konnte. Man weiß zum Beispiel: Als er während der Gesellschaft gedient, dem Frieden und der hat, ein Ideal des Teilens und der Solidarität. Das nen, wie der christliche Glaube und die Nächs- des Zweiten Weltkriegs im Untergrund gelebt Versöhnung, insbesondere mit Deutschland ist ein wichtiger Aspekt, der im Leben der Politi- tenliebe das Leben eines Menschen verändern hat, hat er eine gewisse Zeit im Trappistenkloster nach dem Zweiten Weltkrieg. Er ist, glaube ich, ker präsent sein muss und insbesondere im Le- können und bewirken, dass sein Dienst am »Notre Dame des Neiges« oder in anderen Or- das Beispiel für einen im Dienst an der Gesell- ben derer, die Verantwortung auf europäischem Nächsten die Entfaltung und Erfüllung der Beru- denshäusern verbracht. Es ist bekannt, dass er schaft und dem politischen Leben engagierten Niveau haben. Denn die Bedeutung der Europäi- fung eines Menschen ist, der sein Leben als Ge- die Summa Theologica des heiligen Thomas von Christen. In diesem Sinne kann man sagen, dass schen Union besteht gerade darin, dass sie eine taufter bis ins Letzte leben wollte. Aquin gründlich studiert hat, dass er Latein und Schuman sicherlich ein Vorbild ist, das Vorbild Gemeinschaft ist, eine Gemeinschaft geteilten Griechisch konnte und dass er sich auch von den eines Laien, der seinen christlichen Glauben tief Lebens in der Solidarität unter allen Mitglieds - Wie könnte man den Glauben von Robert Schriften des heiligen Augustinus stark hat inspi- gelebt hat und der sein ganzes Leben in den ländern. Schuman beschreiben? rieren lassen. Schuman war demnach ein Mann Dienst der anderen gestellt hat. Sei es auf lokaler mit einem Glauben, der Einsicht und Verstehen und regionaler Ebene in Lothringen oder auf na- Ist seine Gestalt auch die Fortsetzung einer P. Ardura: Sein Glaube an Gott war ein tota- suchte. In dem Maße, wie wir Gott lieben, wol- tionaler Ebene als mehrfacher Minister, Minis- langen christlichen Tradition in Europa und sym- ler Glaube, damit meine ich, dass sein ganzes Le- len wir ihn kennen, und je mehr wir ihn kennen, terpräsident und Außenminister. Auf ihn geht bolisiert sie dessen Wurzeln? ben, sein ganzes Sein sich in Gott verliert. Er ist desto mehr haben wir die Fähigkeit, ihn wissend die Erklärung vom 9. Mai 1950 zurück, Aus- im Herzen Gottes, er lebt im Herzen Gottes. Aus zu lieben. Bei aller Bescheidenheit und Unauf- gangspunkt für die Versöhnung zwischen Frank- P. Ardura: Ganz gewiss. Die christlichen diesem Austausch der Liebe schöpft Schuman dringlichkeit ist der Glaube Robert Schumans reich und Deutschland sowie »Geburtsstunde« Wurzeln Europas darf man nicht so sehen wie in den letzten Grund seines Handelns und Lebens. sehr tief und lebendig. Ein Leben im Dienst an den Menschen

Der Ehrwürdige Diener Gottes besondere der legislativen Integration war er Finanzminister; von November Wegbereiter der europäischen Ein- seine Liebe zu den großen Klöstern, Robert Schuman wurde am 29. Juni des Elsass und Lothringens nach 1947 bis Juli 1948 war er Premiermi- heit« oder – von Paul VI. – als »uner- wo er Zuflucht suchte, um zu meditie- 1886 in Clausen (Luxemburg) geboren. ihrem Anschluss an Frankreich und nister; von Juli 1948 bis Januar 1953 müdlicher Pionier des geeinten Eu- ren und zu beten. Er wurde in christlichen Werten, der setzte sich für die Verteidigung des war er Außenminister; ab 1953 war er ropa« bezeichnet wurde. Die Arbeit Als Regierungsvertreter im Diens- Praxis der Tugenden und des Gebets, Konkordats mit dem Heiligen Stuhl so- Siegelbewahrer, ein moralischer Ori- von Schuman, Adenauer und De Gas- te eines säkularen Staates respektierte der Marienverehrung und der tägli- wie für soziale Gerechtigkeit ein. entierungspunkt für das Land. Er peri führte zum Vertrag von Rom, der Schuman die Säkularität des Staates chen Teilnahme an der heiligen Messe Seine Tätigkeit wurde durch den setzte sich nachdrücklich für die Schaf- am 25. März 1957 unterzeichnet voll und ganz, aber er war nie bereit, erzogen, studierte in Luxemburg und Beginn des Zweiten Weltkriegs unter- fung eines gemeinsamen Systems wurde. Am 19. März 1958 wurde gegen sein Gewissen zu handeln, das Metz und schloss in Straßburg das brochen. Von der Gestapo verhaftet wirtschaftlichen und sozialen Wachs- Schuman, Vorsitzender der Europäi- im Gehorsam gegenüber den Gebo- Jurastudium mit der Promotion ab. und vom 14. September 1940 bis zum tums ein. Der Diener Gottes war maß- schen Bewegung, einstimmig zum ten Gottes und der Lehre der Kirche Während seines Studiums schloss er 12. April 1941 inhaftiert, wurde er geblich an der Ausarbeitung der Er- ersten Präsidenten des Europäischen gebildet war. Der Diener Gottes war sich der von katholischen Studenten anschließend in ein Zwangsdomizil in klärung vom 9. Mai 1950 beteiligt, die Parlaments in Straßburg gewählt und beseelt von einer heroischen Hoff- gegründeten Studentenvereinigung Neustadt verlegt. Am 1. August gelang als Gründungsakt des neuen Europas im Januar 1959 in diesem Amt be- nung, die sich nicht auf die eigene »Unitas« an, die auf den Prinzipien »vir- ihm die Flucht und er lebte bis zum gilt. stätigt. 1961 erlitt er auf einem Spa- Kraft verließ und die vor allem aus tus, scientia et amicitia« basierte. Ende des Krieges im Untergrund, wo- Er kehrte 1955 in die Regierung ziergang einen Schlaganfall, von dem seinem politischen Handeln im Dien- Als er 1912 seine Tätigkeit als bei er hauptsächlich in Klöstern Zu- zurück und war bis 1956 Justizminis- er sich nicht wieder erholte. Er starb ste der Idee eines geeinten Europas Rechtsanwalt in Metz aufnahm, flucht fand. Nach Kriegsende wurde er ter. In diesen Jahren wurde er zu ei- am 4. September 1963 im Alter von sichtbar wird. Wichtige Aspekte, um wurde er von Msgr. Benzler, dem spä- 1945 und 1946 in die verfassungsge- nem Pilger des Friedens und der Ent- 77 Jahren in Scy-Chazelles (Frank- die heroisch gelebte Hoffnung des teren Bischof von Metz, mit dem Amt bende Versammlung gewählt. Danach spannung in Europa und arbeitete reich). Dieners Gottes zu verstehen, sind des Präsidenten des Diözesanverban- wurde er erneut zum Abgeordneten immer enger mit Konrad Adenauer Schuman lebte die Tugend des zweifellos die Gelassenheit und der des der katholischen Jugendvereini- gewählt und bekleidete wichtige Posi- und Alcide De Gasperi zusammen, Glaubens als Dimension, die sein ge- Friede, die von seiner Person ausgin- gungen betraut. In diesen Jahren küm- tionen in der französischen Regierung. mit denen er als »Vater, Apostel des samtes Leben bestimmte. Seine Ent- gen, die Frucht seines festen Vertrau- merte er sich außerdem um verlassene Von Juni 1946 bis November 1947 geeinten Europas, Pilger, Architekt, scheidung, sich in der Politik zu enga- ens in die Vorsehung. und straffällig gewordene Kinder. gieren, betrachtete er als Gehorsam Im Leben von Robert Schuman war Im Jahr 1913 war er an der Organi- gegenüber dem Willen Gottes. Der die der Liebe zu Gott und zum Nächs- sation des 60. Katholikentags beteiligt, Das Wohnhaus Glaube nährte und unterstützte sein ten eine beständige Übung. Mit tiefem der in jenem Jahr in Metz stattfand. Im Schumans in Scy- Engagement für ein geeintes und ver- Respekt wandte er sich den Menschen Ersten Weltkrieg war er in der Zivilver- Chazelles ist söhntes Europa. In tiefer Sammlung zu, besonders den Einfachsten. Er waltung tätig. Nach dem Krieg fiel heute ein Mu- und Stille nahm er täglich an der Eu- liebte die Armen: Keiner von denen, Lothringen endgültig an Frankreich. seum. Zum Haus charistiefeier teil. Wenn es ihm mög- die an seine Tür klopften, ging mit lee- Diese Ereignisse weckten in Schuman gehört ein großer lich war, besuchte er regelmäßig das ren Händen. Nach dem Ausbruch des den Traum von einem geeinten Eu- Garten mit einem Allerheiligste Sakrament. Ebenso emp- Zweiten Weltkriegs setzte er sich aktiv ropa, das auf Solidarität gegründet ist weiten Blick über fing er regelmäßig das Sakrament der dafür ein, den hunderttausenden aus und zur Sicherung des Weltfriedens das Tal der Versöhnung. Er war ein Mann des per- Elsass-Lothringen Vertriebenen zu hel- beiträgt. Mosel. Die Grab- sönlichen und liturgischen Gebets und fen, die ohne alles dastanden. Den Kin- Im Jahr 1919 begann er seine politi- stätte Schumans betete regelmäßig das Stundengebet. dern in den Waisenhäusern brachte er sche Karriere, die er als Sendung und befindet sich in Er war fleißig und treu in der täglichen immer eine tätige Nähe und große Verpflichtung zum Apostolat auf sich der Nähe, in ei- Betrachtung der Heiligen Schrift Güte entgegen. Mit seinem Geld un- nahm. Er wurde zum ersten Mal als ner Kirche aus und im Beten des Rosenkranzes. Ein terstützte er viele karitative Einrich- Abgeordneter für das Departement dem 12. Jahr- einzigartiger und charakteristischer tungen für Leprakranke, Flüchtlinge Moselle gewählt: Er widmete sich ins- hundert. Aspekt von Schumans Spiritualität war und Invaliden. 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 7

An die Teilnehmer der Versammlung der Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (ROACO) Zeichen des Friedens zwischen den Menschen

Ansprache von Papst Franziskus am 24. Juni

Liebe Freunde! Ich freue mich, nach Beendigung der Arbeiten eurer Vollversammlung mit euch zusammenzu- Der Papst hat zu Solidarität mit den bedrängten treffen. Ich begrüße Kardinal , Christen in Nahost aufgerufen. Noch viel zu Kardinal Zenari, Msgr. Pizzaballa, die weiteren oft verdunkelten Raketen den Himmel über Oberen des Dikasteriums – die in der Zwi- dem Heiligen Land, brächten Zerstörung, schenzeit gewechselt haben –, die Beamten des Tod und Angst, beklagte er vor Vertretern Dikasteriums und die Mitglieder der Hilfswerke, kirchlicher Hilfswerke. Es sei wichtig, Häuser aus denen sich eure Versammlung zusammen- und Kirchen wieder aufzubauen, aber noch setzt. wichtiger sei es, sich um die Verletzten und Die Tatsache, sich erneut in Präsenz versam- ertriebenen zu kümmern, appellierte der meln zu können, weckt Vertrauen und hilft eurer Heilige Vater. Anlass der Audienz war die Arbeit, während es im vergangenen Jahr nur mög- 94. Vollversammlung der Vereinigung der lich war, sich aus der Distanz miteinander zu ver- Hilfswerke für die Ostkirchen (ROACO) in binden, um gemeinsam nachzudenken. Aber wir Rom. Im Mittelpunkt des Treffens stand die wissen, dass das nicht dasselbe ist: Es ist notwen- schwierige Lage der Kirchen in Israel und dig für uns, dass wir uns treffen, dass wir Worte alästina. Auch über die Situation in Äthiopien, und Gedanken besser ins Gespräch bringen, um Georgien, Armenien sowie im Irak und Syrien den Schrei und die Fragen aufzugreifen, die uns beriet die ROACO vier Tage lang. An den aus vielen Teilen der Welt erreichen, insbeson- Gesprächen nahm unter anderen der dere aus den Kirchen und Ländern, denen eure Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Arbeit zugute kommt. Ich selbst kann dies bezeu- Kirchen, Kardinal Leonardo Sandri, teil. gen, denn genau in diesem Kontext habe ich 2019 meine Absicht angekündigt, in den Irak zu reisen, chen: Häufig sind es einfache Gläubige, Familien, andererseits nicht gleichgültig lassen, auch wenn Bundes zwischen Himmel und Erde und als Zei- und Gott sei Dank habe ich diesen Wunsch vor ei- Pfarreien, Ehrenamtliche …, die wissen, dass sie wir an die ausgestorbenen Straßen Jerusalems chen des Friedens unter den Menschen gegeben nigen Monaten verwirklichen können. Ich habe »alle Brüder« sind und die ein wenig ihrer Zeit und denken, ohne Pilger, die dorthin gehen, um ihren hat (vgl. Gen 9,12-17). Viel zu oft wurde jener mich gefreut, dass auch eine Vertreterin von euch ihrer Ressourcen jenen Wirklichkeiten zur Verfü- Glauben zu stärken. Aber auch um konkrete Soli- Himmel dagegen auch in jüngster Zeit von Ge- unter den Personen des Päpstlichen Gefolges sein gung stellen, für die ihr Sorge tragt. Man hat mir darität mit den Kirchen und der Bevölkerung vor schossen durchzogen, die Zerstörung, Tod und konnte, auch als Zeichen der Dankbarkeit für das, berichtet, dass die Kollekte für das Heilige Land Ort zum Ausdruck zu bringen. Ich erneure daher Angst bringen! was ihr getan habt und tun werdet. 2020 im Vergleich zu den vergangenen Jahren den Appell an alle, wiederzuentdecken, wie Der Schrei, der sich aus Syrien erhebt, ist im Trotz der Pandemie habt ihr im Lauf des Jahres etwa die Hälfte erbracht hat. Sicherlich haben wichtig diese Nächstenliebe ist, von der bereits Herzen Gottes stets gegenwärtig, aber es scheint, außerordentliche Versammlungen abgehalten, sich die langen Monate negativ ausgewirkt, in de- der heilige Paulus in seinen Briefen gesprochen als könne er das Herz der Menschen nicht sowohl um die Situation in Eritrea zu behandeln, nen die Menschen sich nicht zum Gottesdienst in hat und die der heilige Paul VI. 1974 mit dem rühren, in deren Händen das Schicksal der Völker als auch um die Situation im Libanon zu verfol- den Kirchen versammeln konnten, aber auch die Apostolischen Schreiben Nobis in animo, auf des- liegt. Es bleibt der Skandal eines zehn Jahre dau- gen, nach der schrecklichen Explosion im Hafen von der Pandemie verursachte Wirtschaftskrise. sen Aktualität und Gültigkeit ich aufmerksam ma- ernden Krieges: Millionen von Binnenvertriebe- von Beirut am vergangenen 4. August. Und in Wenn uns dies einerseits gut tut, weil es uns zu ei- chen möchte, neu organisiert hat. nen und Flüchtlingen, Opfer, die Notwendigkeit diesem Zusammenhang danke ich für den Ein- ner größeren Wesentlichkeit drängt, so darf es uns Bei eurer Versammlung habt ihr verschiedene eines Wiederaufbaus, der noch behindert wird satz zur Unterstützung des Libanon in dieser geographische und kirchliche von Parteiinteressen und dem Fehlen mutiger schweren Krise. Und ich fordere euch auf, zu be- Kontexte in den Blick genom- Entscheidungen zum Wohl jener gemarterten ten und auch zum Gebet einzuladen für das Tref- Die Liebe ist das men. Vor allem das Heilige Nation. fen, das wir mit den Oberhäuptern der christli- schlagende Herz des Christen: Land selbst, mit Israel und Neben der Anwesenheit des Apostolischen chen Kirchen des Landes am 1. Juli haben So wie man ohne den Herzschlag Palästina, Völker, für die wir Nuntius in Damaskus, Kardinal Zanari, hat euch werden, damit der Heilige Geist uns führen und nicht leben kann, so kann man immer den Traum hegen, dass die Teilnahme der Päpstlichen Vertreter im Liba- erleuchten möge. ohne Liebe kein Christ sein. sich am Himmel der Bogen non, im Irak, in Äthiopien, in Armenien und in Durch euch möchte ich allen Menschen dan- des Friedens zeigen möge, Georgien – die ich willkommen heiße und denen ken, die eure Projekte unterstützen und ermögli- Tweet von Papst Franziskus den Gott Noah als Zeichen des ich von Herzen danke – erlaubt, über die Situa- tion der Kirche in jenen Ländern nachzudenken. Euer Stil ist kostbar, denn er hilft den Hirten und Gläubigen, sich auf das Wesentliche zu konzen- Tagung der Hilfswerke für trieren, das heißt auf das, was der Verkündigung des Evangeliums dient, und so gemeinsam das die katholischen Ostkirchen in Rom Antlitz der Kirche zu bezeugen, die Mutter ist, mit besonderer Aufmerksamkeit für die Kleinen Vatikanstadt/Rom. Die Ver- des Staatssekretariats für die Bezie- und Armen. Zuweilen muss man die Gebäude einigung der Hilfswerke für die ka- hungen mit den Staaten, Richard und Kathedralen wieder aufbauen, einschließlich tholischen Ostkirchen (»Riunione Paul Gallagher, sowie der Päpstli- der vom Krieg zerstörten, aber vor allem müssen Opere Aiuto Chiese Orientali« / chen Vertreter in Syrien (Kardinal uns die lebendigen Steine am Herzen liegen, die ROACO) hat von Montag, 21., bis Mario Zenari), Libanon (Erzbischof verwundet und zerstreut sind. Donnerstag, 24. Juni, in Rom ihre ) und des Irak (Erzbi- Mit großer Sorge verfolge ich die Situation, die 94. Vollversammlung abgehalten. schof Mitja Leskovar) auf dem Pro- durch die gewaltsamen Auseinandersetzungen Im Fokus der viertägigen Tagung, gramm. in der Region Tigray in Äthiopien entstanden ist, stand die Situation im Heiligen Die »Riunione Opere Aiuto wissend, dass ihre Auswirkungen auch das be- Land, aber auch in Armenien, Geor- Chiese Orientali« (ROACO) ist die nachbarte Eritrea betreffen. Über die religiösen gien und Äthiopien. Vereinigung der Ostkirchenhilfs- und konfessionellen Unterschiede hinaus wird Nach einem Arbeitstreffen am werke aus verschiedenen Ländern, uns bewusst, wie wichtig die Botschaft der Enzy- Montagnachmittag wurde die Voll- die sich finanziell in unterschied- klika ist, wenn Unterschiede zwi- versammlung am Dienstag offiziell lichen Bereichen einsetzen: beim schen Ethnien und die daraus folgenden Macht- mit einem Mariengebet eröffnet, Bau von Kirchen, bei der Bereitstel- kämpfe zum System erhoben werden. das der Präfekt der Kongregation für lung von Stipendien, bei der Schaf- Zum Abschluss meiner Apostolischen Reise die Orientalischen Kirchen, Kardi- fung schulischer und sozialer Ein- nach Armenien haben wir 2016 gemeinsam nal Leonardo Sandri, leitete. Dabei richtungen. mit Katholikos Karekin II. Tauben in den Himmel wurde insbesondere für die noch Die ROACO wurde 1968 mit aufsteigen lassen – als Friedenszeichen und - lebenden und verstorbenen Wohl - Der Lateinische Patriarch von Je- geringer als in den Vorjahren ausge- dem Ziel gegründet, die Hilfe für die wunsch für die gesamte Region des Kaukasus. täter des Solidarverbundes gebetet. rusalem, Erzbischof Pierbattista Piz- fallen war, wurde dabei bespro- katholischen Ostkirchen zu bün- Leider wurden dieser Region in den vergangenen Erinnert wurde darüber hinaus an zaballa, Franziskanerkustos Fran- chen. Am Dienstagnachmittag deln und zu koordinieren. Rund ein Monaten erneut Wunden zugefügt, und daher die Länder, in denen die Hilfswerke cesco Patton sowie der Vizekanzler waren Berichte aus Äthiopien, Ar- Drittel ihrer Mitglieder kommt aus danke ich euch für die Aufmerksamkeit, die ihr tätig sind und die nach wie vor unter der »Bethlehem University«, Peter menien und Georgien an der Reihe. Deutschland. Beteiligt sind die Hilfs- Georgien und Armenien zugewandt habt, damit Gewalt sowie politischer und sozia- Bray, gaben nach der Tagungseröff- Die Situation vor Ort illustrierten die werke Missio, Misereor, Renovabis, die katholische Gemeinschaft dort weiterhin Zei- ler Instabilität leiden – Situationen, nung einen Überblick über die Si- Apostolischen Nuntien in den be- der deutsche Caritasverband, der chen und Sauerteig eines Lebens nach dem Evan- die durch die andauernde Pandemie tuation vor Ort. Auch die Kollekte treffenden Ländern, Antoine Camil- Deutsche Verein vom Heiligen gelium sein kann. noch verschlimmert würden, wie es für das Heilige Land 2020, die im leri (Äthiopien) und José Avelino Lande sowie das Erzbistum Köln, Meine Lieben, danke für eure Anwesenheit, in der Aussendung der Kongrega- vergangenen Jahr wegen der Bettencourt (Armenien und Geor- das Päpstliche Missionswerk der danke für euer Zuhören und euer Werk. Ich segne tion für die Orientalischen Kirchen Corona-Pandemie vom traditionel- gien). Kinder, der Verein PAX-Hilfe und einen jeden von euch und eure Arbeit. Und bitte hieß, unter deren Dach die ROACO len Karfreitag auf den Herbst ver- Für Mittwoch standen Referate der deutsche Zweig des Hilfswerks betet auch weiterhin für mich. Danke! angesiedelt ist. schoben worden war und deutlich des Sekretärs der Zweiten Sektion Catholica Unio. (Orig. ital. in O.R. 24.6.2021) 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 8 Aus dem Vatikan

Audienz für eine Delegation des Lutherischen Weltbundes Den Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft fortsetzen Ansprache von Papst Franzikus am 25. Juni

Liebe Brüder und Schwestern! Ein Leib. Diesbezüglich enthält die Regel von Taizé eine schöne Ermahnung: »Mach die Einheit »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, un- des Leibes Christi zu deiner eigenen leiden- serem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« schaftlich angestrebten Überzeugung.« Die Pas- (Röm 1,7). Mit diesen Worten, die der Apostel sion für die Einheit reift durch das Leiden, das wir Paulus an die Christen in Rom richtete, möchte angesichts der Wunden, die wir dem Leib Christi ich Sie, die Vertreter des Lutherischen Weltbun- zugefügt haben, empfinden. Wenn wir Schmerz des, begrüßen und willkommen heißen; insbe- über die Spaltung der Christen empfinden, sondere den Präsidenten, Erzbischof Musa, dem nähern wir uns dem an, was Jesus erlebt, wenn ich für seine Worte danke, und den Generalse- er weiterhin mitansehen muss, wie seine Jünger kretär, Pfarrer Martin Junge. Ich erinnere mich uneins sind und sein Gewand zerrissen ist (vgl. sehr gerne an meinen Besuch in Lund – erinnern Joh 19,23). Heute haben Sie mir eine Patene und Sie sich? –, der Stadt, wo der Weltbund gegründet einen Kelch aus den Werkstätten von Taizé ge- wurde. Bei diesem unvergesslichen ökumeni- schenkt. Ich danke Ihnen für diese Gaben, die schen Ereignis erlebten wir die dem Evangelium uns an unsere Teilnahme an der Passion des innewohnende Kraft der Versöhnung und wir be- Herrn denken lassen. In der Tat erleben auch wir zeugten, dass wir »durch Dialog und gemeinsa- eine Art Passion, im doppelten Sinn des Wortes: mes Zeugnis […] nicht länger Fremde« sind (Ge- einerseits empfinden wir Leid, weil es noch nicht meinsame Erklärung, 31. Oktober 2016). Nicht möglich ist, sich um denselben Altar, um densel- mehr Fremde, sondern Brüder und Schwestern ben Kelch zu versammeln; andererseits aber ver- Liebe Brüder und Schwestern, auf dem Weg spüren wir auch die Leidenschaft im Dienst an vom Konflikt zur Gemeinschaft sind Sie am Tag der Sache der Einheit, für die der Herr gebetet und des Gedenkens an die Confessio Augustana nach sein Leben hingegeben hat. Rom gekommen, damit die Einheit unter uns Der Präsident des Lutherischen Weltbundes, der nigerianische Erzbischof Panti Filibus Musa, betonte Gehen wir also mit solcher Passion auf dem wächst. Ich danke Ihnen dafür und bringe meine in seinem Grußwort, dass der gemeinsame Weg »unumkehrbar« sei. »Ich bin überzeugt, dass der Weg Weg der Krise unseren Weg vom Konflikt zur Ge- Hoffnung zum Ausdruck, dass die gemeinsame vom Konflikt zur Gemeinschaft sich immer in ein Geschenk der Gerechtigkeit und des Friedens für meinschaft weiter. Im nächsten Schritt wird es Reflexion über die Confessio Augustana im Hin- diejenigen verwandeln muss, die ein Zeichen der Hoffnung in ihrem Leben erwarten, damit dieser Weg um das Verständnis der engen Verbindung zwi- blick auf den 500. Jahrestag ihrer Verlesung am seine tiefste Bedeutung entfalten kann«, so der Erzbischof im Hinblick auf das gemeinsame karitative schen Kirche, Amt und Eucharistie gehen. Dabei 25. Juni 2030 unserem ökumenischen Weg zu- Engagement. wird es wichtig sein, mit geistlicher und theologi- gutekommen wird. Ich sagte »auf dem Weg vom scher Demut auf die Umstände zu schauen, die Konflikt zur Gemeinschaft«, und diesen Weg geht drohende Spaltung der westlichen Christenheit tende Heilung des Gedächtnisses, die versöhnte zu den Spaltungen geführt haben, im Vertrauen man nur in der Krise: die Krise, die uns dabei hilft, abzuwenden; ursprünglich als Dokument inner- und geschwisterliche Zusammenarbeit unter darauf, dass es – wenngleich die traurigen Ereig- das reifen zu lassen, wonach wir streben. Vom katholischer Versöhnung gedacht, nahm sie erst uns –, findet seine Grundlage eben in der »eine[n] nisse der Vergangenheit nicht ungeschehen ge- Konflikt, den wir über die Jahrhunderte erlebt ha- später den Charakter eines lutherischen Be- Taufe zur Vergebung der Sünden« (Nicaeno-Kon- macht werden können – dennoch möglich ist, sie ben, zur Gemeinschaft, die wir wollen. Und um kenntnistextes an. Bereits 1980, anlässlich des stantinopolitanisches Glaubensbekenntnis). Die im Rahmen einer versöhnten Geschichte neu zu das zu tun, begeben wir uns in die Krise. Eine 450-jährigen Jubiläums, stellten Lutheraner und heilige Taufe ist die ursprüngliche Gabe Gottes, sehen. Ihre Generalversammlung im Jahr 2023 Krise, die ein Segen des Herrn ist. Die Confessio Katholiken fest: »Was wir in der Confessio Augus- die all unserem religiösen Bemühen und all un- könnte ein wichtiger Schritt sein, um das Ge- Augustana stellte damals einen Versuch dar, die tana als gemeinsamen Glauben erkannt haben, serem Engagement zur Erlangung der vollen Ein- dächtnis zu reinigen und die vielen geistlichen kann uns helfen, diesen Glauben auch in unserer heit zugrunde liegt. Schätze zu würdigen, die der Herr über die Jahr- Zeit gemeinsam neu zu bekennen« (Gemeinsa- Ja, denn die Ökumene ist nicht Ausübung hunderte für alle angelegt hat. me Erklärung »Alle unter dem einem Christus«, kirchlicher Diplomatie, sondern ein Weg der Liebe Brüder und Schwestern, der Weg vom Kurz notiert Nr. 27). Gemeinsam bekennen, was uns im Glau- Gnade. Sie beruht nicht auf menschlicher Ver- Konflikt zur Gemeinschaft, auf dem Weg der ben eint. Da kommen einem die Worte des Apos- mittlung und Übereinkünften, sondern auf der Krise, ist nicht leicht, aber wir sind nicht allein: Der Lutherische Weltbund ist eine tels Paulus in den Sinn, der schrieb: »Ein Leib … Gnade Gottes, die das Gedächtnis und das Herz Christus begleitet uns. Der gekreuzigte und auf- weltweite Kirchengemeinschaft von 148 eine Taufe, ein Gott« (Eph 4, 5-6). reinigt, alle Starrheit überwindet und auf eine er- erstandene Herr segne uns alle, besonders Sie, Kirchen lutherischer Tradition, der nach Ein Gott. Im ersten Artikel bekennt die Con- neuerte Gemeinschaft hin ausrichtet. Sie zielt lieber Herr Pfarrer Junge, lieber Freund Martin, eigenen Angaben über 75 Millionen Chri- fessio Augustana den Glauben an den dreieinen nicht auf ein Herunterhandeln oder auf konzili- der Sie zum 31. Oktober Ihren Dienst als Gene- stinnen und Christen in 99 Ländern ver- Gott und bezieht sich dabei auf das Konzil von ante Synkretismen, sondern auf eine Einheit in ralsekretär beenden. Ich danke Ihnen nochmals tritt. Deren Präsident ist seit 2017 der ni- Nizäa. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa ist ein versöhnter Verschiedenheit. In diesem Sinne herzlich für Ihren Besuch und lade Sie ein, ge- gerianische Erzbischof Panti Filibus Musa, verbindlicher Ausdruck des Glaubens nicht nur möchte ich alle, die sich im katholisch-lutheri- meinsam, jeder in seiner eigenen Sprache, das Generalsekretär seit 2010 der chilenische für die Katholiken und die Lutheraner, sondern schen Dialog engagieren, ermutigen, mit Zuver- Vaterunser für die Wiederherstellung der vollen Pfarrer Martin Junge, der mütterlicherseits auch für unsere orthodoxen Brüder und Schwes - sicht im unablässigen Gebet, im gemeinsamen Einheit unter den Christen zu beten. Und wie österreichische Wurzeln hat. Ihm wird tern und für viele andere christliche Gemein- karitativen Handeln und in der Leidenschaft für das geschieht, das überlassen wir dem Heiligen am 31. Oktober 2021 die Estin Anne Burg- schaften. Es ist ein gemeinsamer Schatz. Be- die Suche nach größerer Einheit unter den ver- Geist, der kreativ ist, sehr kreativ und auch poe- hardt nachfolgen. Die 45-jährige Pfarrerin mühen wir uns darum, dass der 1700. Jahrestag schiedenen Gliedern des Leibes Christi fortzu- tisch. aus Estland ist Ökumene-Expertin und dieses großen Konzils im Jahr 2025 dem öku- fahren. Beten wir das Vaterunser. [Vater unser …] studierte in Deutschland. Derzeit ist sie menischen Weg, der ein Geschenk Gottes und für Leiterin der Abteilung für Entwicklung uns ein unumkehrbarer Weg ist, neuen Schwung am Theologischen Institut der Estnischen verleiht. Evangelisch-Lutherischen Kirche sowie Eine Taufe. Liebe Brüder und Schwestern, all Beraterin für internationale und ökumeni- das, was uns die Gnade Gottes freudig erleben sche Beziehungen. und miteinander teilen lässt – die wachsende Überwindung von Trennungen, die fortschrei-

Ausstellung für Benedikt XVI. zum 70. Jahrestag der Priesterweihe

Vatikanstadt. Der emeritierte Papst Bene- ständlich in der Früh die heilige Messe, eben mit dikt XVI. (94) wird anlässlich seiner Priester- dieser feierlichen Musik, und am späteren Nach- weihe vor 70 Jahren mit einer Ausstellung in mittag werden sechs Sänger der Regensburger der Nähe des Vatikan gewürdigt. »Es ist eine Domspatzen zu uns kommen und dann gibt es kleine Ausstellung, nichts Großes, aber sehr an- ein kleines Konzert«, sagte Gänswein im Vorfeld. gemessen. Es ist vor allem dem Alter angemes- Er glaube, dass der emeritierte Papst sich sehr dar- sen und dem Anlass. Insofern halte ich das für über freuen werde. eine sympathische, schöne und auch für eine Joseph Ratzinger wurde 1951 im Freisinger wohltuende Initiative«, sagte Erzbischof Georg Dom gemeinsam mit seinem Bruder vom damali- Gänswein dem Portal Vatican News. In der gen Münchner Kardinal Michael von Faulhaber Schau mit dem Titel »Cooperatores Veritatis« zum Priester geweiht. Der emeritierte Papst sei Zwei Geschenke hatte die Delegation mitgebracht: ein Exemplar der kürzlich erschienenen italieni- sind Erinnerungsstücke, Fotos sowie Videos aus im Kopf klar und hell, so Gänswein, aber die schen Übersetzung der »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« mit einem Vorwort des dem Priester-Leben von Joseph Ratzinger zu se- Kräfte hätten stark nachgelassen, vor allem die Generalsekretärs Martin Junge und des Präsidenten des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit hen. Stimmkraft. »Mit dem muss er leben, sagt er. Es der Christen, Kardinal . Außerdem einen Kelch und eine Patene, die die Berufung zur Ein- Zusätzlich erhielt Benedikt XVI. an seinem ist einfach ein Wenigerwerden, sozusagen, und heit darstellen sollen. Sie wurden von Brüdern und Schwestern in Taizé hergestellt, die »unaufhörlich Jahrestag der Priesterweihe, am 29. Juni, Besuch das gehört, wie man in Bayern sagt, zum Abster- für Versöhnung beten«, so Erzbischof Musa. Die Glasur der Keramikgefäße enthält Sand aus dem aus der Heimat. »Das Hauptelement ist selbstver- ben dazu«, sagte Gänswein. Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien. 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 9

Audienz für Mitglieder des Priesterkollegs San Luigi dei Francesi Die Freude als Quelle des priesterlichen Wirkens Ansprache von Papst Franziskus am 7. Juni

Liebe Brüder, der Freude, um mit dem Öl der Freude zu salben« es ist mir eine große Freude, euch, die Priester- (Predigt, 17. April 2014). Und nur dadurch, dass gemeinschaft von San Luigi dei Francesi, will- ihr in Christus verwurzelt bleibt, könnt ihr die Er- kommen zu heißen. Ich danke dem Rektor, fahrung einer Freude machen, die euch dazu Msgr. Laurent Bréguet, für seine freundlichen drängt, die Herzen zu erobern. Die priesterliche Worte. Freude ist die Quelle eures Wirkens als Missio- In einer Gesellschaft, die sich durch Individu- nare eurer Zeit. alismus, durch Selbstbehauptung auszeichnet, Schließlich lade ich euch ein, die Dankbarkeit macht ihr die Erfahrung des Zusammenlebens zu pflegen. Dankbarkeit dem Herrn gegenüber mit seinen alltäglichen Herausforderungen. Euer für das, was ihr gegenseitig füreinander seid. Bei mitten in Rom gelegenes Haus kann mit seinem all euren Begrenztheiten, den Schwächen, den Lebenszeugnis den Menschen, die es besuchen, Nöten ist da doch immer ein Blick der Liebe, der die evangeliumsgemäßen Werte einer bunt ge- auf euch ruht und euch Vertrauen einflößt. Die mischten und solidarischen Brüderlichkeit ver- Dankbarkeit »ist immer eine ›mächtige Waffe‹« mitteln, vor allem dann, wenn jemand einen (Schreiben an die Priester zum 160. Todestag des schwierigen Augenblick durchlebt. Tatsächlich Pfarrers von Ars, 4. August 2019), die uns gestat- sind euer brüderliches Leben und eure unter- tet, die Flamme der Hoffnung in Augenblicken schiedlichen Verpflichtungen dazu imstande, die der Entmutigung, der Einsamkeit und der Prüfung Treue der Liebe Gottes und seine Nähe zu vermit- am brennen zu halten. teln. Dies ist ein Zeichen, ein Signal. Ich empfehle einen jeden von euch, eure An- In diesem dem heiligen Josef gewidmeten Jahr gehörigen, das Personal eures Hauses wie auch lade ich euch ein, das Antlitz dieses Mannes des die Gemeindemitglieder von San Luigi dei Fran- Glaubens, dieses zärtlichen Vaters, eines Vorbilds cesi der Fürsprache der Jungfrau Maria und dem der Treue und der vertrauensvollen Hingabe an ken. Möget ihr euch gegenseitig immer freund- sche euch, »Hirten mit dem ›Geruch der Schafe‹« Schutz des heiligen Ludwig an. Ich segne euch Gottes Plan, neu zu entdecken. »Auch durch Jo- lich empfangen wie eine Gabe. In einer Brüder- zu sein (Predigt, 28. März 2013), Menschen, die von Herzen, und bitte euch, nicht zu vergessen, sefs Besorgnis hindurch verwirklicht sich der lichkeit, die in der Wahrheit, in der Aufrichtigkeit es fertigbringen, mit ihren Leuten zu leben, zu la- für mich zu beten, weil ich dessen bedarf. Dieses Wille Gottes, seine Geschichte, sein Plan. So der Beziehungen und in einem Leben des Gebets chen und zu weinen, in einem Wort: mit ihnen zu Amt ist alles andere als einfach. Und in den lehrt uns Josef, dass der Glaube an Gott auch be- gelebt wird, können wir eine Gemeinschaft bil- kommunizieren. Ich mache mir Sorgen, wenn Büchern zur Spiritualität gibt es ein Kapitel – in ei- deutet, daran zu glauben, dass dieser selbst durch den, in der die Luft der Freude und der Zärtlich- Überlegungen angestellt werden, Gedanken nigen Büchern, aber denken wir an den heiligen unsere Ängste, unsere Zerbrechlichkeit und keit geatmet wird. über das Priestertum, als sei es etwas aus der Re- Alfons Maria von Liguori und viele andere –, ein unsere Schwäche wirken kann« (Apostolisches Ich ermutige euch, die kostbaren Augenblicke torte: dieser Priester, jener andere Priester… Man Kapitel zu dem Thema und dann ein Beispiel, und Schreiben Patris corde, 2). Man darf die des Austauschs und des gemeinschaftlichen Ge- kann über den Priester nicht unter Ausklamme- einige sagen: »Wo der Beweis geführt wird, habe Schwächen nicht außer Acht lassen: sie sind ein bets in aktiver, freudiger Teilhabe zu durchleben. rung des heiligen Volkes Gottes nachdenken. Das ich es mit einem Beispiel gesagt«, und führen ein Ort theologischer Erkenntnis. Meine Schwäche, Auch die Augenblicke der Unentgeltlichkeit, der Weihepriestertum ist eine Folge des Taufpriester- Beispiel für ein Leben an. die Schwäche eines jeden von uns ist ein locus unentgeltlichen Begegnung… Der Priester ist ein tums des heiligen gläubigen Volkes Gottes. Das Heute, bevor ihr hereingekommen seid, hat theologicus der Begegnung mit dem Herrn. Die Mann, der im Licht des Evangeliums den Ge- darf nicht vergessen werden. Wenn ihr an ein mir P. Landousies gesagt, dass er Ende Juni dieses »Supermann«-Priester nehmen ein schlechtes schmack Gottes um sich herum verbreitet und vom Gottesvolk isoliertes Priestertum denkt, Amt hier in der Kurie verlassen wird: Er ist lange Ende, alle. Der schwache Priester, der seine den unruhigen Herzen Hoffnung vermittelt: so dann ist das kein katholisches Priestertum, nein; Zeit mein Übersetzer für Französisch gewesen. Schwächen kennt und mit dem Herrn darüber soll es sein. Die Studien, die ihr an den verschie- und auch nicht kein christliches. Entkleidet Aber ich möchte seine Persönlichkeit kurz zu- spricht, der wird gut enden. Gemeinsam mit Josef euch eurer selbst, sammenfassen. Er ist ein Vorbild. Ich habe in ihm sind wir aufgerufen, zur Erfahrung der einfachen Die »Supermann«-Priester nehmen ein schlechtes Ende, alle. legt eure vorgefass- das Zeugnis für einen glücklichen Priester gefun- Akte des Willkommens, der Zärtlichkeit, des Ge- Der schwache Priester, der seine Schwächen kennt und ten Vorstellungen den, für einen kohärenten Priester, einen Priester, schenks unserer selbst zurückzukehren. mit dem Herrn darüber spricht, der wird gut enden. ab, eure Träume der imstande war, mit bereits seliggesprochenen Im Leben in der Gemeinschaft besteht immer Gemeinsam mit Josef sind wir aufgerufen, zur Erfahrung von Größe, eure Märtyrern zu leben – von denen er jeden einzel- die Versuchung, kleine abgeschottete Grüppchen der einfachen Akte des Willkommens, der Zärtlichkeit, Selbstbestätigung, nen kannte –, und auch mit einer Krankheit zu le- zu bilden, sich zu isolieren, die anderen zu kriti- des Geschenks unserer selbst zurückzukehren. um Gott und die ben, bei der man nicht wusste, womit man es zu sieren und schlecht über sie zu sprechen, sich Menschen in den tun hatte, mit demselben Frieden, mit demselben den anderen überlegen zu fühlen, sich für intelli- denen römischen Universitäten absolviert, berei- Mittelpunkt eurer alltäglichen Sorgen zu stellen. Zeugnis. Und ich nütze diese [Gelegenheit] ganz genter zu halten. Der Klatsch ist eine Angewohn- ten euch auf eure künftigen seelsorgerischen Um das heilige gläubige Volk Gottes in den Mit- öffentlich, auch vor dem Osservatore Romano, heit geschlossener Gruppen, eine Angewohnheit Pflichten vor und gestatten es euch, die Wirklich- telpunkt zu stellen, muss man Hirt sein. »Nein, vor allen, um ihm für sein Zeugnis zu danken, das auch von Priestern, die zu männlichen alten Jung- keit besser zu schätzen, in der ihr berufen seid, ich will nur ein Intellektueller sein, kein Hirt«: mir oftmals gut getan hat. Mir hat diese Seins- fern werden: sie gehen, sprechen, reden schlecht die Frohe Botschaft zu verkündigen. Trotzdem nun, bitte darum, in den Laienstand zurückver- weise gut getan. Er geht weg, aber er geht, um in [über andere]: das ist nicht hilfreich. Und das be- geht ihr nicht zur Praxis über, um Theorien anzu- setzt zu werden, das wird besser für dich sein, Marseille seelsorgerisch tätig zu sein, und er wird droht uns alle, und ist nicht in Ordnung. Man wenden, ohne den Kontext in Betracht zu ziehen, und sei ein Intellektueller. Aber wenn du Priester viel Gutes tun mit dieser seiner Fähigkeit, jeder muss diese Angewohnheit aufgeben und auf die in dem ihr euch befindet, beziehungsweise die bist, dann sei Hirt. Du wirst als Hirte wirken, mann freundlich zu empfangen. Hier aber lässt er Barmherzigkeit Gottes schauen und an sie den- Menschen, die euch anvertraut sind. Ich wün- kannst das auf vielerlei Weisen tun, aber immer den Wohlgeruch Christi zurück, den Wohlgeruch mitten unter dem Volk Gottes. Das, woran Paulus eines Priesters, eines tüchtigen Priesters. So sage seinen geliebten Jünger erinnerte: »Denke an ich ihm vor euch Dank, danke für alles, was du ge- deine Mutter, an deine Großmutter aus dem Volk, tan hast! die dir den Glauben weitergegeben haben«. Der (Orig. ital. in O.R. 7.6.2021) Herr sagt zu David: »Ich habe dich von der Weide und der Herde weggeholt«, von dort. Liebe Brüder im priesterlichen Dienst, ich lade euch ein, stets weite Horizonte zu haben, zu träu- 130 Neupriester men, eine Kirche zu träumen, die ganz im Dienst aufgeht, eine brüderliche und solidarische Welt. in Frankreich Und dafür habt ihr als Protagonisten euren Bei- trag zu leisten. Habt keine Angst, zu wagen, zu Paris. In Frankreich werden in die- riskieren, voranzugehen, denn ihr vermögt alles sem Jahr 130 Männer zu Priestern ge- durch Christus, der euch stärkt (vgl. Phil 4,13). weiht. Das seien vier mehr als im Vorjahr, Mit Ihm könnt ihr Apostel der Freude sein, indem teilte die Französische Bischofskonferenz ihr in euch die Dankbarkeit hegt und pflegt, den mit. 74 sind demnach Diözesanpriester, Brüdern und der Kirche zu Diensten zu stehen. zwölf Ordenspriester sowie 41 aus neuen Und Hand in Hand mit der Freude geht auch der geistlichen Gemeinschaften; dazu kom- Sinn für Humor. Ein Priester, der keinen Sinn für men drei Weltpriester, die nach der außer- Humor hat, gefällt nicht, da stimmt etwas nicht. ordentlichen Form des römischen Ritus Ahmt jene großen Priester nach, die über die an- zelebrieren. deren, über sich selbst und auch über ihren eige- Von den Geweihten aus den neuen nen Schatten lachen können: der Sinn für Humor geistlichen Gemeinschaften gehören laut ist eine der Eigenschaften der Heiligkeit, wie ich Mitteilung 26 der »Communauté Saint- Besonders herzlich begrüßte Papst Franziskus im Rahmen der Audienz den Lazaristenpater Jean Lan- in dem Apostolischen Schreiben über den Ruf zur Martin« und sieben dem »Chemin Neuf« dousies, der viele Jahre lang seinen treuen Dienst in der Ersten Sektion des vatikanischen Staatssekre- Heiligkeit, , geschrieben an. Keine neuen Weltpriester gibt es 2021 tariats verrichtet hat und dem Papst als Übersetzer und Dolmetscher für die französische Sprache zur habe. Und hegt und pflegt in euch die Dankbar- in den großen Diözesen Lille, Reims, Bor- Seite gestanden ist. Ende Juni hat er seine Arbeit an der Römischen Kurie beendet und wendet sich in keit dafür, im Dienst der Brüder und der Kirche zu deaux und Marseille. seiner Heimat neuen pastoralen Aufgaben zu. stehen. Als Priester seid ihr »gesalbt mit dem Öl 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 10 Aus dem Vatikan

Audienz für die Ständigen Diakone der Diözese Rom und ihre Familien Im Dienen liegt die Macht Ansprache von Papst Franziskus am 19. Juni

Liebe Brüder und Schwestern, kreist; und offen nach außen, mit einem auf alle guten Tag und willkommen! gerichteten Blick, vor allem auf diejenigen, die Danke für den Besuch! außen vor geblieben sind, die sich ausgeschlos- sen fühlen. Gestern habe ich einen Text von Don Ich danke euch für eure Worte und für eure Orione gelesen, der von der Aufnahme der Be- Zeugnisse. Ich begrüße den Generalvikar, euch dürftigen sprach, und er sagte: »In unseren Häu- alle und eure Familien. Ich freue mich, dass du, sern«, er sprach zu den Ordensleuten seiner Kon- Giustino, zum Direktor der Caritas ernannt wor- gregation, »in unseren Häusern muss jeder den bist: Wenn ich dich ansehe, glaube ich, dass aufgenommen werden, der bedürftig ist, jegliche sie wachsen wird, denn du bist ungefähr doppelt Art von Bedürftigkeit, alles, auch wer leidet.« Und so groß wie Don Ben. Geh’ voran! [Lachen und das gefällt mir. Nicht nur die Bedürftigen aufneh- Applaus]. Und ebenso freue ich mich über die men, sondern auch den, der Leid und Schmerz zu Tatsache, dass die Diözese Rom den antiken tragen hat. Diesen Menschen zu helfen ist wich- Brauch aufgegriffen hat, eine Kirche einem Dia- tig. Das vertraue ich euch an. kon anzuvertrauen, damit sei eine Diakonie wird, Im Hinblick auf das, was ich von den Diako- wie sie es bei dir getan hat, lieber Andrea, in ei- nen Roms erwarte, möchte ich noch drei kurze nem Stadtviertel mit sozialem Wohnungsbau. Gedanken hinzufügen – aber keine Angst, ich Herzlich grüße ich dich und deine Frau, Laura. komme bereits zum Schluss –, die nicht auf das Ich hoffe, dass du nicht so enden wirst wie der ausgerichtet sind, was »getan werden muss«, heilige Laurentius, aber gehe voran! [Lachen]. sondern auf Aspekte, die gepflegt werden sol- Angesichts eurer Frage, was ich von den Dia- len. Zuallererst erwarte ich, dass ihr demütig konen Roms erwarte, werde ich euch einige seid. Es ist traurig, einen Bischof oder einen Dinge sagen, wie ich das häufig tue, wenn ich mit Priester zu sehen, der wie ein Pfau herumstol- In der Diözese Rom wurde das Diakonat 1982 eingeführt. Zur Zeit gibt es insgesamt 137 Ständige euch zusammentreffe, stehenbleibe und mit je- ziert, aber es ist noch trauriger, einen Diakon zu Diakone, das Durchschnittsalter beträgt circa 65 Jahre. Nur drei von ihnen sind nicht verheiratet. An mandem von euch einige Worte wechsle. sehen, der sich in den Mittelpunkt der Welt stel- der Audienz nahmen auch die 42 Kandidaten für das Ständige Diakonat teil, die sich derzeit in Aus- Beginnen wir, indem wir ein wenig über den len will – oder in den Mittelpunkt der Liturgie bildung befinden. Links hinter dem Heiligen Vater der Kardinalvikar für die Diözese Rom, Angelo De Dienst des Diakons nachdenken. Der einzuschla- oder in das Zentrum der Kirche. Demütig. All Donatis. gende Königsweg ist der, auf den das Zweite Va- das Gute, das ihr tut, soll ein Geheimnis zwi- tikanische Konzil hingewiesen hat: Es hat das schen euch und Gott bleiben. Und so wird es Diakonat als »eigene und beständige hierarchi- amt ist. Und Diakon bleibt man für immer. Den- wichtig sind, aber nicht zum Spezifikum des Dia- Frucht bringen. sche Stufe« verstanden. Nachdem Lumen gen- ken wir bitte daran, dass für die Jünger Jesu »Lie- konats gehören. Es sind Aufgaben der Vertre- tium das Amt der Priester als Teilhabe am pries - ben« immer »Dienen« bedeutet und »Dienen« tung. Nachdem das Konzil vom Dienst am Volk Tüchtige Eheleute terlichen Amt Christi beschrieben hat, erläutert »Herrschen« ist. Die Macht liegt im Dienen, nicht Gottes »in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und Eltern es den Dienst der Diakone, welche – so heißt es in etwas anderem. Und wie du auf das hingewie- und der Liebestätigkeit« gesprochen hat, unter- hier – »die Handauflegung nicht zum Priestertum, sen hast, was ich sage, dass nämlich die Diakone streicht es, dass die Diakone vor allem – vor al- Zweitens erwarte ich, dass ihr tüchtige Ehe- sondern zur Dienstleistung empfangen« (Nr. 29). die Hüter des Dienens in der Kirche sind, kann lem! – »den Pflichten der Liebes tätigkeit und der leute und Eltern seid. Und tüchtige Großeltern. Dieser Unterschied ist nicht unbedeutend. Das man folglich auch sagen, dass sie die Hüter der Verwaltung hingegeben« sein sollen (Lumen gen- Das wird den Ehepaaren Hoffnung und Trost Diakonat, das in der vorhergehenden Auffassung wahren »Macht« in der Kirche sind, damit nie- tium, 29). Diese Worte verweisen auf die ersten schenken, die mühsame Zeiten durchmachen als Durchgangsstufe zum Priestertum angesehen mand über die Macht des Dienens hinausgeht. Jahrhunderte, als die Diakone im Namen und und die in eurer echten Einfachheit eine ausge- wurde, erhält damit seinen Platz und seine Be- Denkt darüber nach! Auftrag des Bischofs für die Bedürfnisse der Gläu- streckte Hand finden werden. Sie werden den- sonderheit zurück. Allein die Unterstreichung bigen sorgten, insbesondere der Armen und ken können: »Schau einmal, unser Diakon! Er dieser Tatsache ist eine Hilfe, die Plage des Kleri- Das Herz der Kirche, Kranken. ist gerne mit den Armen zusammen, aber auch kalismus zu überwinden, die eine Kaste von das vor Liebe brennt Wir können auch aus den Wurzeln der Kirche mit dem Pfarrer und sogar mit seinen Kindern Priestern »über« das Volk Gottes stellt. Das ist der von Rom schöpfen. Ich denke nicht nur an den und mit seiner Frau!« Auch mit der Schwieger- Kern des Klerikalismus: eine Priesterkaste »über« Wenn das Diakonat dem Königsweg des Kon- heiligen Laurentius, sondern auch an die Ent- mutter, das ist sehr wichtig! Alles freudig tun, dem Gottesvolk. Und wenn man keine Lösung zils folgt, führt es uns so in den Mittelpunkt des scheidung, »Diakonien« einzurichten. In der ohne zu klagen: Das ist ein Zeugnis, das mehr dafür findet, wird der Klerikalismus in der Kirche Geheimnisses der Kirche. Wie ich von einer »kon- großen Kaisermetropole richtete man sieben Orte zählt als viele Predigten. Und das Meckern, raus weitergehen. Gerade weil die Diakone sich dem stitutiv missionarischen Kirche« und von einer ein, von den Pfarreien getrennt und in den Regio- damit. Ohne zu klagen. »Ich hatte so viel Arbeit, Dienst an diesem Volk widmen, erinnern sie »konstitutiv synodalen Kirche« gesprochen habe, nen der Stadt verteilt, wo die Diakone eine kapil- so viel…« Nichts. Schluckt diese Dinge hinun- daran, dass sich im Leib der Kirche niemand über so meine ich, dass wir von einer »konstitutiv dia- lare Arbeit zugunsten der gesamten christlichen ter. Weg! Das Lächeln, die Familie, offen für die den anderen erheben kann. konalen Kirche« sprechen sollten. Wenn man Familie, die Großherzig- In der Kirche muss die entgegengesetzte Lo- diese Dimension des Dienens nicht lebt, dann In der Kirche muss die entgegengesetzte Logik keit… gik herrschen, die Logik des Kleinwerdens. Alle wird jedes Amt von innen her ausgehöhlt und herrschen, die Logik des Kleinwerdens. Abschließend, das Dritte, sind wir aufgerufen, uns klein zu machen und leer, es wird unfruchtbar, es bringt keine Frucht. Alle sind wir aufgerufen, uns klein zu machen erwarte ich, dass ihr Wäch- uns hinabzubeugen, weil Jesus sich erniedrigt Und nach und nach wird es verweltlicht. Die Dia- und uns hinabzubeugen, weil Jesus ter seid: nicht nur, dass ihr hat und Diener aller geworden ist. Wenn es einen kone erinnern die Kirche daran, dass es wahr ist, sich erniedrigt hat und Diener aller geworden ist. die Fernstehenden und Ar- Großen in der Kirche gibt, dann ist er es, der sich was die kleine heilige Theresa entdeckt hat: die Wenn es einen Großen in der Kirche gibt, men zu erspähen wisst – das zum Kleinsten und zum Diener aller gemacht hat. Kirche hat ein Herz, das vor Liebe brennt. Ja, ein dann ist er es, der sich zum Kleinsten ist nicht so schwer –, son- Und alles beginnt hier, woran uns die Tatsache er- demütiges Herz, das im Dienen pulsiert. Daran und zum Diener aller gemacht hat. dern dass ihr der christlichen innert, dass das Diakonat der Zugang zum Weihe- erinnern uns die Diakone, wenn sie wie der hei- Gemeinschaft helft, Jesus in lige Diakon Franziskus den den Armen und Fernstehen- anderen die Nähe Gottes Gemeinschaft leisteten, insbesondere zugunsten den zu erkennen, während er durch sie an un- bringen, ohne sich aufzu- der »Letzten«, damit es keinen unter ihnen geben sere Türen klopft. Und auch eine katechetische, drängen, in demütigem und sollte, der Not leidet, wie es in der Apostelge- prophetische Dimension, so möchte ich sagen, freudigem Dienen. Die schichte heißt (vgl. 4,34). des Wächters, Propheten und Katecheten, der Großherzigkeit eines Dia- Aus diesem Grund hat man sich in Rom weiter zu sehen versteht und den anderen helfen kons, der sich hingibt, ohne bemüht, diese antike Tradition mit der Diakonie kann, weiter zu sehen, und auch die Armen zu an erster Stelle stehen in der Kirche des heiligen Stanislaus wiederzube- sehen, die weit weg sind. Ihr könnt euch das zu wollen, verbreitet den leben. Ich weiß, dass ihr auch in der Caritas tätig schöne Bild zu eigen machen, das am Ende der Wohlgeruch des Evangeli- seid und in anderen Einrichtungen, die den Ar- Evangelien steht, wo Jesus aus der Ferne die Sei- ums, erzählt von der Größe men nahe sind. Wenn ihr das tut, werdet ihr nie nen fragt: »Habt ihr keinen Fisch zu essen?« Und der Demut Gottes, der den den inneren Kompass verlieren: Die Diakone der Lieblingsjünger erkennt ihn und sagt: »Es ist ersten Schritt macht – im- werden keine »halben Priester« oder Priester der Herr!« (Joh 21,5.7). Welche Not auch immer mer, Gott macht immer den zweiter Klasse sein, und auch keine »Luxus- es sein mag, den Herrn darin sehen. So erkennt ersten Schritt –, um auf den Messdiener«. Nein, auf diesem Weg kommt man auch ihr den Herrn, wenn er in den vielen seiner zuzugehen, der ihm den nicht voran. Sie werden fürsorgliche Diener sein, geringsten Brüder und Schwestern bittet, Rücken zuwendet. die sich dafür einsetzen, dass niemand ausge- genährt, aufgenommen und geliebt zu werden. Heute muss man auch schlossen wird und dass die Liebe des Herrn das Das ist es. Ich möchte, dass dies das Profil der Dia- einen anderen Aspekt be- Leben der Menschen konkret berührt. Alles in al- kone Roms und der ganzen Welt sein soll. Arbei- achten. Die sinkende Zahl lem könnte man die Spiritualität der Diakone, das tet daran. Ihr verfügt über Großherzigkeit und der Priester hat dazu ge- heißt die Spiritualität des Dienens, in wenigen geht damit voran. führt, dass die Diakone Worten zusammenfassen: Verfügbarkeit inner- Ich danke euch für das, was ihr tut, und für Der Ständige Diakon Andrea Sartori erzählt von seiner Arbeit. Vor drei überwiegend in stellvertre- halb und Öffnung nach außen. Verfügbarkeit im das, was ihr seid, und ich bitte euch, weiterhin für Jahren wurde ihm im Stadtteil Cinecittà die Pfarrei des heiligen Sta- tenden Aufgaben einge- Inneren, von Herzen, bereit zum Ja, fügsam, ohne mich zu beten. Danke. nislaus anvertraut, wo der vierfache Familienvater mit seiner Frau lebt. setzt werden, die zwar dass das Leben um den eigenen Terminkalender (Orig. ital. in O.R. 19.6.2021) 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache Aus dem Vatikan 11

Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Sonntag, 27. Juni Lass Jesus dein Herz anschauen und heilen

Liebe Brüder und Schwestern, den war, und dabei hatte sie »ihr ganzes Vermö- guten Tag! gen ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer ge- Im heutigen Evangelium (vgl. Mk 5,21-43) worden« (V. 26). Wie oft greifen auch wir zu trifft Jesus auf die beiden Situationen, die für uns falschen Heilmitteln, um unseren Mangel an am dramatischsten sind: Tod und Krankheit. Und Liebe zu stillen! Wir denken, dass es Erfolg und davon befreit er zwei Menschen: ein kleines Geld sind, die uns glücklich machen, aber die Eine seit 12 Jahren an Mädchen, das gerade stirbt, während ihr Vater zu Liebe kann man nicht kaufen, sie ist unentgelt- Blutungen leidende Frau Jesus geht, um ihn um Hilfe zu bitten; und eine lich. Wir flüchten uns in das Virtuelle, aber die berührt von hinten das Frau, die seit vielen Jahren an Blutfluss leidet. Je- Liebe ist konkret. Wir können uns nicht akzep- Gewand Jesu und wird sus lässt sich von unserem Schmerz und unse- tieren, wie wir sind, und verstecken uns hinter geheilt. Frühchristliche rem Tod berühren, und er wirkt zwei Zeichen der äußerlichen Tricks, aber die Liebe ist kein Schein. Darstellung in der Heilung, um uns zu sagen, dass weder der Wir suchen nach Lösungen bei Magiern, bei Gu- Katakombe der Heiligen Schmerz noch der Tod das letzte Wort haben. Er rus, und sind dann ohne Geld und ohne Frieden, Marcellinus und Petrus. sagt uns, dass der Tod nicht das Ende ist. Er über- wie diese Frau. Sie entscheidet sich schließlich windet diesen Feind, von dem wir uns allein für Jesus und stürzt sich in die Menge, um das Ge- nicht befreien können. wand zu berühren, das Gewand Jesu. Das heißt: Konzentrieren wir uns aber in dieser Zeit, in Jene Frau sucht den direkten Kontakt, den physi- der die Krankheit noch im Mittelpunkt der Nach- schen Kontakt zu Jesus. Vor allem in dieser Zeit richten steht, auf das andere Zeichen, die Heilung haben wir verstanden, wie wichtig der Kontakt, der Frau. Mehr noch als ihre Gesundheit war es die Beziehungen sind. Das gleiche gilt für Jesus: ihre affektive Situation, die beeinträchtigt war. Manchmal begnügen wir uns damit, ein paar Re- Warum? Sie blutete und galt daher nach der da- geln zu befolgen und Gebete zu wiederholen – maligen Mentalität als unrein. Sie war eine aus- oft wie Papageien –, doch der Herr wartet darauf, gestoßene Frau, sie konnte keine festen Bezie- dass wir ihm begegnen, dass wir ihm unser Herz hungen haben, sie konnte keinen Ehepartner öffnen, dass wir wie die Frau sein Gewand haben, sie konnte keine Familie haben und sie berühren, um gesund zu werden. Denn indem konnte keine normalen sozialen Beziehungen wir in die tiefe Vertrautheit mit Jesus eintreten, haben, weil sie »unrein« war, eine Krankheit werden wir in unserer Affektivität geheilt. Nicht wie Jesus, der immer schaut, wie er uns ret- schwierig. Laut örtlichen Medienberichten ver- machte sie »unrein«. Sie lebte allein, mit einem Das ist es, was Jesus will. Tatsächlich lesen ten kann, der auf das Heute schaut, auf den guten letzten sich am Wochenende mehrere Helfer bei wir, dass er sich, obwohl er Willen und nicht auf die schlimme Geschichte, den gefährlichen Einsätzen. Franziskus sagte: von der Menge bedrängt die wir haben. Jesus geht über die Sünden hin- Ich versichere die Menschen im Südosten der Schwester, Bruder, lass Jesus dein wurde, nach der Person aus. Jesus geht über die Vorurteile hinaus, er Tschechischen Republik, die von einem schwe- Herz anschauen und heilen. umsieht, die ihn berührt bleibt nicht bei Äußerlichkeiten stehen, er er- ren Wirbelsturm heimgesucht wurden, meiner Wenn du seinen liebevollen Blick bereits erfahren hast, hat. Die Jünger sagten: »Du reicht das Herz. Und er heilt gerade sie, die von Verbundenheit. Ich bete für die Toten und Ver- ahme ihn nach, handle wie er. siehst doch, wie sich die allen verstoßen wurde, eine Unreine. Zärtlich letzten und für diejenigen, die ihre schwer be- Schenke den in ihren Herzen verwundeten Menschen, Leute um dich drängen…« nennt er sie »meine Tochter« (V. 34) – Jesu Stil schädigten Häuser verlassen mussten. denen du jeden Tag begegnest, Nein: »Wer hat mich war die Nähe, das Mitleid und die Zärtlichkeit: Ich heiße euch alle, die ihr aus Rom, aus Ita- eine Geste der Liebe. berührt?« Das ist der Blick »Tochter…« – und lobt ihren Glauben, was ihr lien und aus anderen Ländern kommt, herzlich Jesu: Da sind viele Men- wieder Vertrauen in sich selbst schenkt. willkommen. Ich sehe Polen, Spanier… So viele verwundeten Herzen. Die größte Krankheit im schen, aber er geht auf die Suche nach einem Ge- Schwester, Bruder, du bist hier, lass Jesus sind da und dort… Möge euer Besuch an den Leben, was ist das? Krebs? Tuberkulose? Die Pan- sicht und einem Herzen voller Glauben. Jesus dein Herz anschauen und heilen. Auch ich muss Gräbern der heiligen Petrus und Paulus in euch demie? Nein. Die größte Krankheit im Leben ist schaut nicht auf die Gesamtheit, wie wir es tun, das tun: zulassen, dass Jesus auf mein Herz die Liebe zu Christus und zur Kirche stärken. der Mangel an Liebe, es ist die Unfähigkeit zu lie- sondern er schaut auf die einzelne Person. Er schaut und es heilt. Und wenn du bereits seinen Ich wünsche allen einen schönen Sonntag. ben. Diese arme Frau war krank, ja, durch den macht nicht bei den Wunden und Fehlern der auf dir ruhenden zärtlichen Blick erfahren hast, Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Blutfluss, aber als Folge davon durch Mangel an Vergangenheit halt, sondern geht über Sünden ahme ihn nach und tu, was er tat. Schau dich Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen! Liebe, weil sie nicht in Gesellschaft mit anderen und Vorurteile hinaus. Wir alle haben eine Ge- um: Du wirst sehen, dass sich viele Menschen, Tüchtig die Jugendlichen der Immacolata! zusammen sein konnte. Und die Heilung, die am schichte, und jeder von uns kennt in seinem In- die in deiner Nähe leben, verletzt und allein meisten zählt, ist die der Affekte. Aber wie findet neren die schlechten Dinge seiner Geschichte fühlen. Sie brauchen es, sich geliebt zu fühlen: man sie? Wir können an unsere affektive Situa- sehr gut. Doch Jesus blickt auf sie, um sie zu hei- Mach den ersten Schritt! Jesus bittet dich um ei- Hüter und Zeugen tion denken: Ist sie krank oder ist sie gesund? Ist len. Stattdessen schauen wir gerne auf die nen Blick, der nicht beim Äußeren stehen bleibt, sie krank? Jesus ist in der Lage, sie zu heilen. schlechten Dinge der anderen. Wie oft verfallen sondern das Herz sieht; ein nicht urteilender der Ursprünge Die Geschichte dieser namenlosen Frau – wir wir dann beim Sprechen in Geschwätzigkeit, Blick… Hören wir auf, andere zu verurteilen! Je- nennen sie so: »die namenlose Frau« –, in der wir was bedeutet, schlecht über andere zu reden, an sus bittet uns um einen Blick, der nicht urteilt, des Glaubens uns alle sehen können, ist beispielhaft. Der Text den anderen »kein gutes Haar zu lassen«. Aber sondern der einladend ist. Wir wollen unser sagt, dass sie von vielen Ärzten behandelt wor- pass auf: Was ist das für ein Lebenshorizont? Herz öffnen, um die anderen anzunehmen. Vatikanstadt. Papst Franziskus hat sich in Denn nur die Liebe heilt das Leben, nur die einem Brief an die katholischen Patriarchen des Liebe heilt das Leben. Möge die Gottesmutter, Orients gewandt. In dem am 27. Juni, dem »Tag Trösterin der Betrübten, uns helfen, den im Her- des Friedens für den Orient«, veröffentlichten zen Verwundeten, denen wir auf unserem Weg Schreiben nimmt er die Einladung der katholi- begegnen, eine Liebkosung zu bringen. Und schen Patriarchen an, sich einer Gebetsinitiative nicht urteilen, über die persönliche, soziale Rea- anzuschließen. Die Patriarchen feierten zeit- lität der anderen nicht urteilen. Gott liebt jeden! gleich an verschiedenen Orten die heilige Messe Nicht urteilen, lasst die anderen leben und und weihten den Nahen Osten der Heiligen Fa- bemüht euch, ihnen mit Liebe zu begegnen. milie. In seinem Brief schrieb Franziskus, dass die Nach dem Angelus sagte der Papst: Weihe an die Heilige Familie ein Aufruf sei, als Liebe Brüder und Schwestern! Einzelne und als Gemeinschaft die Berufung der Heute, kurz vor dem Fest der heiligen Petrus Christen im Nahen Osten wiederzuentdecken, und Paulus, bitte ich euch, für den Papst zu beten. nicht nur, indem sie die gebührende Anerken- Betet auf besondere Weise: Der Papst braucht nung ihrer Rechte als Bürger dieser geliebten eure Gebete! Danke! Ich weiß, dass ihr das tun Länder einforderten, sondern auch durch ihre werdet. Sendung »als Hüter und Zeugen der ersten apos- Anlässlich des heutigen Tages für den Frieden tolischen Ursprünge«. Er selbst habe sich seit Be- im Orient lade ich alle ein, Gottes Barmherzigkeit ginn seine Amtszeit bemüht, der Region in ihrem und Frieden für diese Region zu erflehen. Möge »Schmerz und Leid« nahe zu sein, zum einen der Herr die Bemühungen all derer unterstützen, durch seine Reisen ins Heilige Land, nach Ägyp- die sich für den Dialog und das brüderliche Zu- ten, in die Vereinigten Arabischen Emirate und in sammenleben im Nahen Osten einsetzen, wo den Irak. Zum anderen habe er die Kirche zu Ge- der christliche Glaube geboren wurde und trotz bet und Solidarität auch für die Menschen in Sy- der Leiden lebendig ist. Diesen geliebten Völkern rien und im Libanon aufgerufen, die »durch Krieg Heute, da wir uns dem Fest der Heiligen Petrus und Paulus möge Gott immer Stärke, Ausdauer und Mut ver- und soziale, politische und wirtschaftliche Insta- nähern, bitte ich euch, für den Papst zu beten. Betet in einer leihen. bilität auf die Probe gestellt« würden. Die Chris - besonderen Weise, der Papst braucht eure Gebete. Anschließend richtete sich der Papst an die ten in Nahost sollten das »Salz ihrer Länder« sein Menschen in Tschechien, wo bei dem Unwetter und im Vertrauen auf Gottes heilende Kraft am Tweet von Papst Franziskus am Abend des 24. Juni fünf Menschen ums Le- Aufbau des Gemeinwohls mitwirken, gemäß den ben gekommen und rund 200 verletzt worden Grundsätzen der katholischen Soziallehre, unter- waren. Die Aufräumarbeiten gestalteten sich strich der Papst. 2. Juli 2021 / Nummer 26 L’OSSERVATORE ROMANO Wochenausgabe in deutscher Sprache 12 Aus dem Vatikan und der Weltkirche

Ansprache von Papst Franziskus am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni Mit Jesus reden

Liebe Brüder und Schwestern, bringen, in eine Beziehung mit ihm treten, den guten Tag! entscheidenden Schritt machen. Das ist es, was Im Mittelpunkt des Evangeliums der heutigen den Herrn interessiert: im Zentrum unserer Ge- Liturgie (Mt 16,13-19) stellt der Herr den Jüngern danken zu stehen, der Bezugspunkt unserer Zu- eine entscheidende Frage: »Ihr aber, für wen neigung zu werden; kurz gesagt, die Liebe unse- haltet ihr mich?« (V. 15). Es ist die entscheidende res Lebens zu sein. Nicht die Meinungen, die wir Frage, die Jesus heute erneut an uns richtet: »Wer über ihn haben: daran ist er nicht interessiert. Er bin ich für dich?« Wer bin ich für dich, der du den ist an unserer Liebe interessiert, und daran, ob er Glauben angenommen hast, aber immer noch in unserem Herzen ist. Angst hast, auf mein Wort hin aufzubrechen? Die Heiligen, die wir heute feiern, machten Wer bin ich für dich, der du schon so lange Christ diesen Schritt und wurden zu Zeugen. Der Schritt bist, aber, von der Gewohnheit ermattet, deine von der Meinung, Jesus im Herzen zu haben: erste Liebe verloren hast? Wer bin ich für dich, Zeugen. Sie waren keine Bewunderer, sondern Punkt – sie legten Zeugnis auch von ihrem Versa- von der schweren Krise, die er durchmacht, er- wenn du eine schwierige Zeit durchmachst und Nachahmer Jesu. Sie waren keine Zuschauer, gen ab. Petrus hätte zum Beispiel zu den Evange- holt und der Welt wieder sein Gesicht des Frie- dich aufrütteln musst, um neu anzufangen? Jesus sondern Protagonisten des Evangeliums. Sie listen sagen können: »Schreibt nicht die Fehler dens und der Hoffnung zeigt. fragt: Wer bin ich für dich? Geben wir ihm heute glaubten nicht mit Worten, sondern mit Taten. Pe- auf, die ich gemacht habe«, sondern macht ein Und heute ist für uns ein Jubiläum, das uns eine Antwort, aber eine Antwort, die von Herzen trus redete nicht von Mission, er lebte die Mis- Evangelium »zum Zeitvertreib«. Stattdessen nein, alle im Herzen berührt: Vor 70 Jahren wurde kommt. Wir alle: Lasst uns ihm eine Antwort ge- sion, er war ein Menschenfischer. Paulus schrieb seine Geschichte kommt unverblümt heraus, sie Papst Benedikt zum Priester geweiht. [Applaus] ben, die von Herzen kommt. keine gelehrten Bücher, sondern gelebte Briefe, geht schonungslos aus den Evangelien hervor, mit Dir, Benedikt, lieber Vater und Bruder, gilt un- Vor dieser Frage stellte Jesus den Jüngern eine während er reiste und Zeugnis ablegte. Beide ver- all ihrem Elend. Das tut auch der heilige Paulus, sere Zuneigung, unsere Dankbarkeit und unsere andere: »Für wen halten die Menschen mich?« brachten ihr Leben für den Herrn und für ihre der in seinen Briefen von Fehlern und Schwächen Nähe. Er lebt im Kloster, einem Ort, der die kon- (vgl. V. 13). Es war eine Umfrage, um Meinungen Brüder und Schwestern. Und sie provozieren berichtet. Hier beginnt das Zeugnis: bei der Wahr- templativen Gemeinschaften hier im Vatikan be- über ihn und den Ruf, den er genoss, festzuhal- uns. Denn wir laufen Gefahr, bei der heit über sich selbst, beim Kampf gegen die eigene herbergen sollte, damit sie für die Kirche beten ten, aber Berühmtheit spielt für Jesus keine Rolle; ersten Frage stehen zu bleiben: Meinungen und Doppelzüngigkeit und Falschheit. Der Herr kann können. Derzeit ist er der Kontemplative des Va- es war keine solche Umfrage. Warum hat er also Ansichten zu äußern, große Ideen zu haben und große Dinge durch uns tun, wenn wir nicht darauf tikans, der sein Leben mit dem Gebet für die Kir- diese Frage gestellt? Um auf einen Unterschied schöne Worte zu sagen, aber uns selbst nie ins bedacht sind, unser eigenes Image zu verteidigen, che und für das Bistum Rom verbringt, deren hinzuweisen, der der grundlegende Unterschied Spiel zu bringen. Jesus möchte, dass wir uns sondern transparent mit ihm und mit den ande- emeritierter Bischof er ist. Danke, Benedikt, lie- des christlichen Lebens ist. Es gibt diejenigen, die selbst ins Spiel bringen. Wie oft sagen wir zum ren sind. Heute, liebe Brüder und Schwes tern, ber Vater und Bruder. Wir danken Dir für Dein sich an die erste Frage halten, an Meinungen, Beispiel, dass wir uns eine Kirche wünschen, die fragt uns der Herr. Und seine Frage ist die gleiche: glaubwürdiges Zeugnis. Danke, dass Du Deinen und über Jesus reden; und es gibt diejenigen, die dem Evangelium treuer ist, die näher bei den Wer bin ich für dich? Diese Frage bohrt in uns. Blick immer auf den Horizont Gottes richtest: stattdessen mit Jesus reden, die ihm das Leben Menschen ist, die prophetischer und missionari- Durch seine Zeugen Petrus und Paulus fordert er Danke! scher ist, aber dann tun wir in der Praxis nichts! uns auf, unsere Masken fallen zu lassen, auf Halb- Ganz herzlich grüße ich euch alle, die Pilger Es ist traurig zu sehen, dass viele reden, kommen- heiten zu verzichten, auf die Ausreden, die uns aus Italien und aus verschiedenen Ländern; aber tieren und debattieren, aber nur wenige Zeugnis lau und mittelmäßig machen. Möge die Gottes- heute wende ich mich in besonderer Weise an die Papstgrüße ablegen. Die Zeugen verlieren sich nicht in Wor- mutter, Königin der Apostel, uns dabei helfen. Menschen in Rom, am Fest unserer Schutzheili- zum Jubiläum ten, sondern bringen Frucht. Die Zeugen bekla- Möge sie in uns das Verlangen entfachen, von Je- gen. Ich segne euch, liebe Römer! Ich wünsche gen sich nicht über die anderen und die Welt, son- sus Zeugnis zu geben. der Stadt Rom alles Gute: dass sie dank des Enga- Beim Angelus erinnerte Papst Franzis- dern fangen bei sich selbst an. Sie erinnern uns Nach dem Angelus sagte der Papst: gements von euch allen, von allen Bürgerinnen kus an einen wichtigen Jahrestag für die daran, dass Gott nicht bewiesen, sondern gezeigt Liebe Brüder und Schwestern! und Bürgern, lebenswert und einladend sein vatikanischen Medien: werden muss, durch das eigene Zeugnis; dass er Übermorgen, Donnerstag, 1. Juli, findet hier möge, dass niemand ausgegrenzt wird, dass für nicht durch Proklamationen verkündet, sondern im Vatikan ein besonderer Tag des Gebets und Kinder und alte Menschen gesorgt wird, dass es Am 1. Juli feiern wir das 160. Jubiläum durch das Beispiel bezeugt werden muss. Das der Reflexion für den Libanon statt. Gemeinsam Arbeit gibt und dass sie würdevoll ist, dass die Ar- der ersten Ausgabe des »L’Osservatore Ro- nennt man »sein Leben ins Spiel bringen«. mit den Oberhäuptern aller im Land der Zedern men und die Letzten im Mittelpunkt der politi- mano«, der »Parteizeitung«, wie ich sie Betrachtet man jedoch das Leben von Petrus vertretenen Kirchen werden wir uns von dem schen und sozialen Projekte stehen. Ich bete nenne. Herzliche Grüße und vielen Dank und Paulus, kann ein Einwand aufkommen: beide Wort der Heiligen Schrift inspirieren lassen, das dafür. Und auch ihr, liebe Gläubige von Rom, be- für euren Dienst. Setzt eure Arbeit mit waren Zeugen, aber nicht immer vorbildlich, sie sagt: »Gott der Herr hat Gedanken des Heils« ( tet für euren Bischof. Danke! Treue und Kreativität fort. Jer waren Sünder! Petrus verleugnete Jesus und Pau- 29,11). Ich lade alle ein, sich uns geistig anzu- Ich wünsche allen einen guten Festtag! Ge- lus verfolgte die Christen. Aber – und hier liegt der schließen und zu beten, dass der Libanon sich segnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.

Besuch von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Berlin Wege der Weite und Offenheit

Letztes Jahr musste die Jubiläums- Offizieller Anlass der Reise ist das odale Miteinander sei ein Weg der visite ausfallen – nun konnte Kardi- 100-jährige Bestehen der diplomati- Weite und Offenheit: »Petrus und Pau- nalstaatssekretär Pietro Parolin end- schen Beziehungen, die 1920 zwi- lus teilten das Unvorhersehbare: die lich nach Berlin kommen, um an den schen dem damaligen Deutschen Erfahrung eines Gottes, der ihre Vorha- 100. Jahrestag der Aufnahme diplo- Reich und dem Vatikan aufgenommen ben radikal veränderte und sie dazu matischer Beziehungen zwischen worden waren. Es sollte schon im ver- brachte, ihren Horizont auf unvorstell- Deutschland und dem Heiligen Stuhl gangenen Jahr gefeiert werden, wurde bare Weise zu erweitern.« zu erinnern. Bei seinem Besuch rief er aber wegen der Corona-Pandemie ver- An der Messe in der St.-Johannes- die Gläubigen in Deutschland zur schoben. Basilika nahmen neben Kardinal Paro- kirchlichen Einheit auf. In seiner Predigt ging Kardinal Paro- lin auch der Apostolische Nuntius in lin auf das wirkmächtige Zeugnis von Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola »Nach dem Fall der Berliner Mauer, Petrus und Paulus ein, die unterschied- Eterovic, der Vorsitzende der Deut- der ein Zeichen des Zusammenbruchs licher nicht hätten sein können, aber schen Bischofskonferenz, Bischof des kommunistischen Systems in Eu- letztlich doch eine Einheit im Christus- Dr. Georg Bätzing, sowie Kardinal ropa ist, konnte sich die Stadt wieder- bekenntnis gewesen seien. »Es ist in Reinhard Marx (München und Frei- vereinen und wichtige Impulse beim der Tat wichtig, sich wieder auf eine sing), Kardinal Rainer Maria Woelki Prozess der nationalen Einheit und in- Einheit zu besinnen, die nicht von der (Köln), Erzbischof Dr. Heiner Koch ternationalen Einigung geben.« Mit Zustimmung zu gemeinsamen Visio- (Berlin), Bischof Dr. Bertram Meier diesen Worten hat Kardinalstaatsse- nen und Orientierungen abhängt, wie Gruppenbild nach dem Festgottesdienst mit Kardinal Parolin und weiteren Mit- (Augsburg), Bischof Dr. Franz-Josef kretär Pietro Parolin am Dienstag, in der Politik üblich, sondern von der gliedern der Deutschen Bischofskonferenz. Overbeck (Essen), Bischof Wolfgang 29. Juni, an die Wiedervereinigung er- theologisch-spirituellen Verwurzelung Ipolt (Görlitz) und Bischof Dr. Heiner innert. Bei seinem offiziellen Besuch in in Gott«, so Kardinal Parolin. Er zitierte so werden wir keine Früchte bringen.« hinzu: »Es ist der Wunsch des Herrn, Wilmer SCJ (Hildesheim) teil. Berlin predigte Kardinal Parolin zum dabei Papst Franziskus aus dessen Ähnlich habe sich der Papst auch be- dass wir Ihm nicht nur auf Seinem Am Vormittag des 29. Juni war Kar- Fest der Apostel Petrus und Paulus in diesjähriger Pfingstpredigt: »Wir retten reits in seinem Brief an das pilgernde Weg folgen, sondern miteinander un- dinal Parolin zu einem Gespräch mit der St.-Johannes-Basilika. Dabei erin- niemanden, nicht einmal uns selbst, Volk Gottes in Deutschland vom terwegs sind, in einer Synode, gemäß Bundespräsident Frank-Walter Stein- nerte er auch an die Seligsprechung mit unseren eigenen Kräften. Wenn 29. Juni 2019 geäußert. der wörtlichen Bedeutung des Begrif- meier und Bundeskanzlerin Angela von Bernhard Lichtenberg und Karl wir unseren Projekten, unseren Struk- Kardinal Parolin rief dazu auf, die fes, und dabei die Versuchung über- Merkel zusammengetroffen. Bereits Leisner durch Papst Johannes Paul II. turen und unseren Reformplänen den Kirche im authentisch katholischen winden, dass sich das Miteinander auf tags zuvor gab es eine Begegnung zwi- vor 25 Jahren und den Besuch von Vorrang geben, verfallen wir in einen Sinne als universale Heilsgemein- nur einen bestimmten Teil reduziert, schen dem Kardinalstaatssekretär Papst Benedikt XVI. im Deutschen Funktionalismus, in ein Leistungsden- schaft wertzuschätzen. Mit Blick auf so relevant und bedeutsam er auch und den Leitern der kirchlichen Hilfs- Bundestag vor zehn Jahren. ken, in eine reine Horizontalität, und die Frage nach der Synodalität fügte er sei«, so Kardinal Parolin. Dieses syn- werke.