01.02.2018

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 01.02.2018

Geschäftszahl I404 2177694-1

Spruch I404 2177694-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. , vertreten durch: RA Edward W. DAIGNEAULT gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BAG), vom 19.08.2017, Zl. 1085882908-151266702, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.01.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 04.09.2015 einen Antrag auf Internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.09.2015 gab er als Fluchtgrund an, dass er homosexuell sei und man in Nigeria deshalb verfolgt und umgebracht werde.

2. Am 09.08.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (in der Folge: belangte Behörde), niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen seiner Befragung gab er an, dass er in Enugu aufgewachsen und zur Schule gegangen sei. Er habe die Schule 1997 oder 1998 beendet und dann noch für einige Zeit seinen Eltern auf der Farm geholfen. Dann sei er irgendwann zu seiner Schwester und deren Mann nach Lagos gegangen, das sei auch schon vor langer Zeit gewesen, er könne sich nicht mehr erinnern, wann er nach Lagos gegangen sei. Seine Ausreise habe er von Enugu aus angetreten, er sei zuerst nach Lagos und dann weiter in den Norden des Landes gegangen. Es sei vor langer Zeit gewesen. Nach Beendigung der Schule sei er vielleicht noch 1 bis zwei Jahre in Enugu geblieben, dann sei er auch ca. 1 bis zwei Jahre bei seiner Schwester gewesen, bevor er nach Libyen und weiter nach Europa gegangen sei. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer seinen Schilderungen zufolge dann bereits 2006/2007 nach Österreich hätte kommen müssen, gab er an, dass er nicht gut im Rechnen sei. In Enugu habe er Probleme mit der lokalen Regierung gehabt. Er habe Probleme gehabt, weil er Christ sei. Seine Probleme hätten in der Secondary School begonnen. Es habe dort gleichaltrige Burschen gegeben und sie hätten dort etwas Homosexuelles begonnen. Er habe männliche Freunde gehabt, dies sei aber in Nigeria verboten. Wegen dieser homosexueller Dinge hätte sie die lokale Regierung festnehmen wollen. Sie hätten nicht gewollt, dass sechs oder sieben junge Männer etwas Homosexuelles tun. Daher hätten sie sie festnehmen wollen. Sie seien eine Gruppe www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 von sieben oder acht Personen gewesen und einige seien verhaftet worden. Er habe aber großes Glück gehabt, weil er nicht anwesend gewesen sei, als die anderen Personen verhaftet worden seien. Wegen der Homosexualität hätten sie alle erwischen wollen. Er habe in der Nacht einen Bus zu seiner Schwester nach Lagos genommen. Er sei dann dort geblieben, bis er alle Vorbereitungen getroffen habe, um das Land zu verlassen. Wegen seiner Homosexualität sei er noch nie in Kontakt mit den Behörden oder der Polizei gekommen. Sie hätten ihn mit seiner Gruppe immer zusammen gesehen, deshalb hätten sie angenommen, dass sie Homosexuelle seien. Die lokale Gemeinschaft habe sie deshalb verhaften und zur Polizei bringen wollen. Der Vorfall sei gegen Ende der Secondary School gewesen und danach. Er könne das Jahr, in welchem seine Freunde verhaftet worden seien, nicht nennen, es sei aber an einem Abend um 5 oder 6 Uhr gewesen. Er können die Namen seiner verhafteten Freunde nicht nennen, weil er die Namen nicht kenne. In Österreich habe er einen Freund, es sei aber nicht gut, den Namen zu nennen. Er gehe manchmal mit seinem Freund in einen "Gay-Club" und in ein "Gay-Restaurant". Er wisse weder den Namen des Clubs noch des Restaurants.

3. Mit dem Bescheid vom 19.08.2017, Zl. 1085882908-151266702, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie dass die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage beträgt (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer, vertreten durch den RA Edward Daigneault, rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und führte darin aus, dass dem Vorwurf der belangten Behörde, dass seine Angaben zu allgemein und vage seien, zu entgegnen sei, dass er sich wegen seiner Homosexualität sehr schäme. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, sei seine Angst vor einer Verfolgung, Verhaftung oder Tötung durchaus real und berechtigt. Es sei ihm auch schwer gefallen, sich zu seiner Homosexualität zu äußern, weil er durch einen Mann und nicht durch eine Frau einvernommen worden sei. Es werde daher der Antrag gestellt, ihm den Status des Asylberechtigten, zumindest des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch ein weiblich besetztes Gericht durchzuführen.

5. Am 24.11.2017 wurde die Beschwerde samt Akt dem BVwG zur Entscheidung übermittelt.

6. Am 23.01.2018 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Igbo an. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführerin reiste illegal aus Nigeria nach Österreich ein. Er hält sich seit (mindestens) 04.09.2015 in Österreich auf.

Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Schwester leben in Nigeria.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich mit einem Mann eine Beziehung führt.

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre lang die Grundschule und sechs Jahre die Mittelschule. Vor seiner Ausreise hat er auf der elterlichen Farm gearbeitet.

In Österreich geht der Beschwerdeführer keiner regelmäßigen Beschäftigung. Er bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung.

www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. So hat er keinen Deutschkurs besucht, ist in keinem Verein tätig und hat auch sonst keine besonderen sozialen Kontakte.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er homosexuell ist und deshalb aus Nigeria flüchten musste.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Nigeria verlassen hat, weil er aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde.

Der Beschwerdeführer wird im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung oder einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 19.08.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 8.5.2017: lässt 82 entführte Mädchen frei (betrifft: Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko- Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017).

Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren. Rund 50 der Mädchen konnten seinerzeit noch im Wirrwarr der Entführung fliehen. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die Mädchen gezwungen, zum Islam überzutreten und sie wurden mit Boko-Haram-Kämpfern verheiratet. Im Oktober 2016 wurden nach Verhandlungen 21 Mädchen freigelassen (DW 6.5.2017). Unterdessen fehlt von mehr als hundert der Chibok-Mädchen weiter jede Spur. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist - nicht bekannt: Augenzeugenberichten zufolge kamen zumindest einige der Mädchen während ihrer Gefangenschaft ums Leben (DS 6.5.2017).

Buharis Sprecher Femi Adesina machte keine Aussagen über die Zahl der freigelassenen Verdächtigen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP sind es mindestens drei verdächtige hochrangige Anführer. Informationsminister Lai Mohammed sagte, er könne Behauptungen, dass es sich um mindestens fünf Islamisten handele, nicht bestätigen (DW 7.5.2017).

Quellen:

- DS - Der Standard (6.5.2017): Tausch: Boko Haram ließ 82 entführte Mädchen frei, http://derstandard.at/2000057116937/Boko-Haram-laesst-Dutzende-entfuehrte-Maedchen-frei, Zugriff 8.5.2017

- DW – Deutsche Welle (7.5.2017): Buhari als Pate für Chibok-Mädchen, http://www.dw.com/de/buhari-als-pate-f%C3%BCr-chibok-m%C3%A4dchen/a-38746942, Zugriff 8.5.2017

- DW – Deutsche Welle (6.5.2017): Boko Haram lässt mehr als 80 Chibok-Mädchen frei,

www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 http://www.dw.com/de/boko-haram-l%C3%A4sst-mehr-als-80-chibok-m%C3%A4dchen-frei/a-38422617, Zugriff 8.5.2017

- FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (6.5.2017): Boko Haram lässt 82 entführte Mädchen frei, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/boko-haram-laesst-82-entfuehrte-chibok-maedchen-in-nigeria-frei- 15003793.html, Zugriff 8.5.2017

2. Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 3.12.2015; vgl. AA 3.2016a; vgl. GIZ 7.2016a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 3.2016a).

Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29. Mai 1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 3.12.2015; vgl. AA 3.2016a). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 3.12.2015).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 3.12.2015).

Die Wahlen vom 28. März 2015 (Präsident und Nationalversammlung) und 11. April 2015 (Gouverneure und Landesparlamente in 29 von 36 Bundesstaaten) haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im "All Progressives‘ Congress" (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Die seit 1999 dominierende People- s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten (AA 3.12.2015).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 28. März 2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, , den bisherigen Amtsinhaber mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2016a; vgl. auch AA 3.2016a). Die Gouverneurswahlen am 11. April 2015 gewann der APC in 20 von 29 Bundesstaaten. Er stellt in den 36 Bundesstaaten derzeit 22 Gouverneure, die PDP 13 und APGA einen Gouverneur. Unter den 36 Gouverneuren ist weiterhin keine Frau. Die Wahlen vom März/April 2015 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet. Die Spitzenkandidaten Jonathan und Buhari hatten sich in einer Vereinbarung (Abuja Accord) zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Dies und die Tatsache, dass Präsident Jonathan seine Wahlniederlage sofort anerkannte, dürfte größere gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert haben. Die Minister der Regierung Buhari wurden nach einem längeren Sondierungsprozess am 11. November 2015 vereidigt (AA 3.2016a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 3.2016a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.8.2016

- BS – Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 22.8.2016

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2016a): Nigeria – Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 22.8.2016

3. Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 3.12.2015). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013; vgl. ICG 30.5.2016).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 23.8.2016).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 23.8.2015). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 23.8.2016). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 23.8.2016).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 23.8.2016). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi) (UKFCO 16.6.2015). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 23.8.2016).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 23.8.2016) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 3.12.2015).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2015 bis August 2016 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (7,863), Benue (934), Adamawa (743), Yobe (589), Kaduna (443). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Sokoto (0), Katsina (3), Kebbi (11) und Oyo (11) (CFR 2016). Beim OSAC werden die Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Lagos, Plateau, Taraba, Yobe, Zamfara und das FCT als von der Gewalt durch Boko Haram betroffen geführt. Ethnische Gewalt betrifft v.a. Plateau, Bauchi, Benue, Kaduna und Nasarawa. Für folgende 25 Bundesstaaten wird weder ethnische Gewalt noch Gewalt durch Boko Haram berichtet:

www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kebbi, Kogi, Kwara, Niger, Ogun, Ondo, Osun, Oyo, Rivers, Sokoto (OSAC 15.4.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (23.8.2016): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 23.8.2016

- BMEIA – Außenministerium (23.8.2016): Reiseinformationen - Nigeria, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 23.8.2016

- CFR – Council on Foreign Relations (2016): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 23.8.2016

- DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Factsheet zu Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 25.8.2016

- ICG – Nnamdi Obasi/International Crisis Group (30.5.2016): Buhari’s Nigeria: Boko Haram Off Balance, but Other Troubles Surge, http://blog.crisisgroup.org/africa/nigeria/2016/05/30/buharis-nigeria-boko-haram-off-balance-but-other-troubles- surge/, Zugriff 24.8.2016

- OSAC – Overseas Security Advisory Council (15.4.2016): Nigeria 2016 Crime and Safety Report – Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=19500, Zugriff 23.8.2016

- UKFCO – United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (23.8.2016): Foreign Travel Advice – Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 23.8.2016

3.1 Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst (DACH 2.2013), sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. IEN 18.8.2016).

Die Lage im Nigerdelta ist derzeit nicht stabil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko (AA 5.2016). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 27.1.2016).

Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 3.12.2015).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer

www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Der ehemalige Präsident Jonathan setzte das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, der meistens vom Ausland aus agiert, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Jänner 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 3.12.2015). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt im Süden in letzter Zeit wieder an (AA 3.2016a) und der zerbrechliche Frieden im Nigerdelta ist dabei sich aufzulösen. Als die Regierung versuchte, den ehemaligen Rebellenführer, Government Ekpemupolo (bekannt als Tompolo) aufgrund von Korruptionsvorwürfen zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen, begannen bewaffnete Gruppen, insbesondere die wenig bekannten Niger Delta Avengers und die obskure Egbesu Mightier Fraternity, Ölanlagen anzugreifen (ICG 30.5.2016). Aufgrund dieser Reihe von Angriffen durch Aufständische, gab Präsident Buhari im Mai 2016 bekannt, dass die kontroverse Amnestievereinbarung mit Überarbeitungen bis 2018 beibehalten werden soll (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 3.12.2015). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta adressiert werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (5.2016): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 24.8.2016

- AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

- DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 19.6.2015

- FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 24.8.2016

- ICG – Nnamdi Obasi/International Crisis Group (30.5.2016): Buhari’s Nigeria: Boko Haram Off Balance, but Other Troubles Surge, http://blog.crisisgroup.org/africa/nigeria/2016/05/30/buharis-nigeria-boko-haram-off-balance-but-other-troubles- surge/, Zugriff 24.8.2016

- IEN – Industrial Equipment News (18.8.2016): Militant Sabotage Disrupting Nigerian Oil Output, http://www.ien.com/supply-chain/news/20831138/militant-sabotage-severely-disrupting-nigerian-oil- output, Zugriff 24.8.2016

- N24 – News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 24.8.2016

- NT – Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator, www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 24.8.2016

- NW – Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say ‘Hostilities ceased’ against Nigerian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian- government-494387?rm=eu, Zugriff 1.9.2016

- PT – Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta ‘Operation Pulo Shield’, http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo- shield.html, Zugriff 24.8.2016

- UKHO – UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection, and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 24.8.2016

3.2. Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 3.2016a). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Konflikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert (KAS 12.7.2013; vgl. Reuters 26.5.2015). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität” verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene” und "nicht-indigene” Bürger, oder "Gastgeber” und "Siedler”. Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch. Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zur Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten im Jahr 2015 und Anfang 2016 hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt (USCIRF 4.2016). Diese Zusammenstöße sind ein fester Bestandteil des Lebens in den Regionen Benue, Taraba, Plateau, Nasarawa und Kogi. Oft geht es bei diesen Zusammenstößen um Weiderechte. Jedoch geht der Kampf nicht nur um Ressourcen, sondern hat auch einen ethnischen und religiösen Unterton (AFP 25.5.2016). Die Gewalt zwischen Rinderhirten und Bauern stieg im Middle Belt an, woraufhin Präsident Buhari Sicherheitskräfte in die Gegend entsandt hat, um die Situation zu beruhigen (UNSC 23.6.2016).

Zuvor hatte die Regierung dem Konflikt im Middle Belt in den letzten zwei Jahren nicht genug Bedeutung zugeschrieben und somit oft die betroffenen Gemeinden nicht genug geschützt (CWI 6.2016). Im Jahr 2014 töteten bewaffnete Fulani 1.229 Menschen, im Jahr 2013 gab es im Vergleich dazu 63 Tote (IEP 11.2015; vgl. CWI 6.2016). Die bewaffneten Fulani werden

www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 beim Global Terrorism Index 2015 an vierter Stelle der tödlichsten terroristischen Gruppen aufgezählt. Es gibt allerdings viele Fulani, die nicht die Aggression der bewaffneten Fulani teilen und relativ friedlich mit den lokalen Gemeinden und Nicht-Fulani Nachbarn leben (CWI 6.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (6.2015a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 25.8.2016

- AFP – Agence France-Presse (25.5.2016): Violence hits food production, prices in Nigeria, http://reliefweb.int/report/nigeria/violence-hits-food-production-prices-nigeria, Zugriff 25.8.2016

- CWI – 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines, http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 25.8.2016

- DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Factsheet zu Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 25.8.2016

- IEP – Institute for Economics & Peace (11.2015): Global terrorism Index 2015, http://economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2015/11/Global-Terrorism-Index-2015.pdf, Zugriff 25.8.2016

- KAS – Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 25.8.2016

- Reuters (26.5.2015): Herdsmen kill at least 96 people in Nigeria's Benue state, http://uk.reuters.com/article/uk-nigeria-violence-idUKKBN0OB17120150526, Zugriff 29.8.2016

- UNSC – United Nations Security Council (23.6.2016): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1467200111_n1615838.pdf, Zugriff 25.8.2016

- USCIRF – United States Commission on International Religious Freedom (4.2016): Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1470833298_uscirf-ar-2016-tier1-2-nigeria.pdf, Zugriff 25.8.2016

- WWR – World Watch Research (30.3.2015): Migration and Violent Conflict in Divided Societies, Non- Boko Haram violence against Christians in the Middle Belt region of Nigeria, https://www.worldwatchmonitor.org/research/3777637, Zugriff 25.8.2016

3.3. Nordnigeria – Boko Haram

Der Terror der unter dem Namen Boko Haram (Jama’atu Ahlis Sunna Lidda’awati wal-Jihad) (USDOS 2.6.2016) bekannt gewordenen islamistisch-terroristischen Gruppierung stellt das größte Sicherheitsproblem des Landes dar. Präsident Buhari hat den Kampf gegen Boko Haram zur obersten Priorität seiner Regierung erklärt. Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 3.2016a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage bis Februar 2015 auch im Zusammenhang mit der Ausrufung eines "Kalifats" von Boko Haram (Juli/August 2014) und dem Wahljahr 2015 weiter verschlechtert (AA 3.12.2015). Im Jänner 2015 konnte die Gruppe durch die Einnahme der Städte Baga und Monguno im Bundesstaat Borno das unter ihrer Kontrolle stehende Gebiet vergrößern. Kämpfer von Boko Haram töteten gezielt Zivilpersonen, vor allem Männer im kampffähigen Alter, nahmen andere fest und zerstörten Gebäude. Bei der Eroberung Bagas, dem bislang vermutlich verheerendsten Angriff, wurden Hunderte Zivilpersonen getötet. Satellitenbilder zeigten, dass mehr als 3.700 Gebäude beschädigt oder zerstört wurden (AI 24.2.2016). Im März 2015 leistete Boko Haram dem IS (Islamic State of Iraq and the Levant) einen Treueschwur und der IS akzeptierte diesen Schwur (USDOS 2.6.2016).

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Die Kämpfe wurden zunehmend auch in die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad getragen. Die betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 3.2016a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 3.12.2015). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen verbreitet Boko Haram weiterhin Angst und Schrecken (AA 3.2016a). In den Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe gab es die meisten Anschläge. Von Anschlägen waren aber auch die Bundesstaaten Bauchi, Gombe, Kaduna, Kano, Niger, Plateau, Taraba und Federal Capital Territory (FCT) betroffen (USDOS 2.6.2016). Im Mai 2013 wurde über die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 28.11.2014). Dieser Ausnahmezustand wurde von der Nationalversammlung nicht verlängert, dies hatte aber kaum bis keine Auswirkung auf die Operationen in diesen Bundesstaaten (USDOS 13.4.2016). Boko Haram übte weiterhin Entführungen, Morde, Bombenanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus. Die Gruppe erhöhte Angriffe durch Selbstmordattentäter gegen zivile Angriffsziele, darunter Gebetsstätte, Märkte und Busstationen. Im Jahr 2015 töteten mutmaßliche Mitglieder der Boko Haram Sicherheitsbeamte und Zivilisten des christlichen und islamischen Glaubens (USDOS 2.6.2016).

Möglicherweise breiten sich die Aktivitäten von Boko Haram aus bzw. fusionieren kommunale und terroristische Gewalt. Bei einem Angriff von Fulani auf mehrere Dörfer im

Bundesstaat Benue sollen etwa auch Kämpfer der Boko Haram beteiligt gewesen sein (ALL 26.3.2014; vgl. TJF 16.5.2015; PT 12.1.2015). Es besteht auch die Möglichkeit, dass Kämpfer der Fulani Waffen über die Boko Haram erwerben (CWI 6.2016).

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 3.12.2015). So wurden laut NGOs im Zeitraum November 2014 bis Februar 2015 in der LGA Gwoza in Borno 500 Frauen und 1.000 Kinder entführt (USDOS 13.4.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 13.4.2016).

Die verfügbare Literatur zu Boko Haram gibt über das eigentliche Motiv für deren Gründung, Existenz und Herkunft keinen Aufschluss (KAS 12.7.2013). Insgesamt wollen die Islamisten eine strikte Auslegung der Scharia durchsetzen und die Korruption in Nigeria beenden (HRW 21.1.2014; vgl. SD 17.1.2015). Zwar haben Boko-Haram-Führer immer wieder ihre Anlehnung an die großen islamistischen Terrornetzwerke bekundet, doch die Gruppe hat weniger mit radikalem Islam zu tun, als sie selbst zugibt. Ihre Anschläge richten sich nicht vorrangig gegen Christen - die meisten Opfer sind Muslime. Boko Harams Wurzeln liegen in der Armut Nordnigerias, zusätzlichen Auftrieb erhält die Miliz durch die Ignoranz der Regierung (SD 17.1.2015). Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute überhaupt unter diesem Namen agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Die Gruppe ist weder homogen, noch verfügt sie über eine klare Hierarchie (DACH 2.2013). Zu Boko Haram zählen diverse Splittergruppen; einige von ihnen kämpfen seit mehreren Jahren im Namen des Islam. Der Chef von Boko Haram ist seit 2010 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hat, ist fraglich. Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 26.6.2015). Das nigerianische Militär behauptet, dass Shekau bei einem Luftangriff tödlich verletzt worden sei. Allerdings haben nigerianische Behörden schon mindestens dreimal behauptet, dass Shekau getötet worden sei (TWT 23.6.2016). Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016).

Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) begangen außergerichtliche Tötungen. Laut einem AI- Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischer Operation 1.200 außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 13.4.2016). Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben das in ihren verschiedenen Berichten seit mehreren Jahren massiv kritisiert und verwiesen dabei vor allem auf Fälle immer wieder auftretender Folterungen von Gefangenen durch die Polizei im ganzen Land, extra-legaler Tötungen und das Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes. Seit März 2011 sollen nach Angaben von AI (Juni 2015) im Nordosten Nigerias über 7.000 Menschen während ihrer Haft ums Leben gekommen sein, von denen seit Februar 2012 durch das nigerianische Militär mehr als über 1.200 Gefangene bewusst getötet worden wären (AA 3.12.2015).

Auch hat sich eine Civilian Joint Task Force (CJTF) als Reaktion auf die Aufständischen und das Militär im Jahr 2013 in Maiduguri gebildet (TNY 22.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Das nigerianische Militär gab den Mitgliedern der CJTF Fahrzeuge und Uniformen unter der Bedingung, dass sie bei einem Ausbildungsprogramm - geführt durchs Militär - teilnehmen. Jedoch musste das Trainingslager in ein Flüchtlingslager umstrukturiert werden und so konnte nur eine geringe Zahl der CJTF Mitglieder ausgebildet werden (TNY 22.12.2015). Laut einer NGO rekrutierte die CJTF (manchmal auch mit Gewalt) Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen. Die Regierung verbietet die Einsetzung von Kindersoldaten und veröffentlichte offizielle Stellungnahmen, die diese Praxis verurteilten. Dennoch wird die

CJTF finanziell von der Regierung des Bundesstaates Borno unterstützt (USDOS 13.4.2016).

In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 25.8.2016

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (28.11.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 26.8.2016

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- ALL – All Africa/This Day (26.3.2014): Yet Another Bloody Herdsmen Attack Claims 25 Lives, http://allafrica.com/stories/201403260277.html, Zugriff 26.3.2014

- BBC (8.6.2015): Boko Haram: Nigeria military moves HQ to Maiduguri, http://www.bbc.com/news/world-africa-33048511, Zugriff 29.8.2016

- CWI – 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines, http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 25.8.2016

- DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria, www.ris.bka.gv.at Seite 11 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 19.6.2015

- HRW – Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/267713/395047_de.html, Zugriff 19.6.2015

- KAS – Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 18.2.2014

- PT – Premium Times (12.1.2015): Fulani, Kanuri behind Boko Haram, Archbishop says in Jonathan’s presence, http://www.premiumtimesng.com/news/headlines/174730-fulani-kanuri-behind-boko-haram- archbishop-says-jonathans-presence.html, Zugriff 23.6.2015

- SD – Süddeutsche Zeitung (17.1.2015): Die Wahrheit ist der Tod, http://www.sueddeutsche.de/politik/boko-haram-terror-in-nigeria-die-wahrheit-ist-der-tod-1.2306182, Zugriff 29.6.2015

- TJF – The Jamestown Foundation (16.5.2014): Alleged Connection between Boko Haram and Nigeria’s Fulani Herdsmen Could Spark a Nigerian Civil War, http://www.jamestown.org/single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=42371&no_cache=1, Zugriff 23.6.2015

- TNY – The New Yorker (22.12.2015): The Women Fighting Boko Haram, http://www.newyorker.com/news/news-desk/the-women-fighting-boko-haram, Zugriff 26.8.2016

- TWT – The Washington Times (23.8.2016): Nigeria reports Boko Haram leader killed in airstrike as John Kerry arrives, http://www.washingtontimes.com/news/2016/aug/23/abubakar-shekau-boko-haram- leader-killed-in-airstr/, Zugriff 26.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 6 - Boko Haram, http://www.ecoi.net/local_link/324820/464517_de.html, Zugriff 25.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/306263/443535_de.html, Zugriff 25.8.2016

- VA1 – Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- VA2 – Vertrauensanwalt 2 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- Zeit (26.6.2015): Das Wichtigste über die nigerianische Terrorgruppe, http://www.zeit.de/politik/ausland/boko-haram-ueberblick, Zugriff 25.8.2016

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 3.12.2015; vgl. FH 27.1.2016). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 3.12.2015). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 13.4.2016).

Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 im Hinblick auf die Entscheidung über das anzuwendende Rechtssystem "Common Law" oder des "Customary Court Law"-Systems durch Gesetze der Gliedstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben "Sharia Courts" neben "Common www.ris.bka.gv.at Seite 12 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Law" und "Customary Courts" geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet. Bedingt durch die drei einander mitunter widersprechenden Rechtssysteme und aufgrund der schlechten Bezahlung, Überlastung und fehlenden Infrastruktur ist Korruption im Justizbereich verbreitet (ÖBA 7.2014).

Die höheren Gerichte sind relativ kompetent und unabhängig. Doch selbst sie bleiben politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 27.1.2016). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung und Ausbildung, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen. Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt. Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 13.4.2016).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 3.12.2015). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; NHRC; Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 3.12.2015).

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 3.12.2015). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. 66-69 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 3.12.2015; vgl. USDOS

13.4.2016). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 3.12.2015). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 3.12.2015).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 22.8.2016

- IOM – International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/16296710/1680075 9/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 22.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

4.1. Scharia

In neun nördlichen Bundesstaaten sowie in den mehrheitlich muslimischen Gebieten dreier weiterer Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 3.12.2015). Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, steht es frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Meist wird das Scharia-Gericht gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen (AA 3.2016a). Bestimmte, im Koran explizit genannte Vergehen (die sog. Hudud-Straftatbestände wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, Diebstahl, Straßenraub, Alkoholgenuss), können mit zum Teil drakonischen Strafen (Amputation, Prügelstrafe, Tod durch Steinigung etc.) belegt werden. Neben den genannten Körperstrafen kann der das Scharia-Strafrecht anwendende Richter auch auf "Maßnahmen" erkennen, die auf eine Art Aberkennung der Ehre hinauslaufen, z.B. "tasheer" (öffentliche Bekanntmachung von Straftat und Strafmaß) oder "hajar" (Aufruf zum sozialen Boykott) (AA 3.12.2015).

Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen allerdings ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber. Allerdings erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als noch in den ersten Jahren nach der Wiedereinführung des islamischen Strafrechts, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden (AA 3.12.2015). Die Scharia-Berufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Prügelstrafen werden regelmäßig ausgeführt, manchmal kommt es zur Zahlung von Ersatzstrafen (USDOS 13.4.2016). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel zu dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja statthaft sind (AA 3.12.2015). Urteile von Scharia-Gerichten können also auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (USDOS 13.4.2016). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 3.2016a).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

5. Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF) (AA 3.12.2015). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 13.4.2016). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 3.12.2015).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 3.12.2015). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 13.4.2016). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 7.2014).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 7.2014). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 3.12.2015). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Militäreinheiten in den Plateau State entsandt, um die Gewaltausbrüche zwischen den "Einheimischen" und den "Siedlern" zu verhindern, da die lokale Polizei nicht in der Lage war, die ethno- religiöse Gewalt einzudämmen (USDOS 13.4.2016). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- UKHO – United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/546640/CIG_-_Nigeria_- _Women_-_v2.0__August_2016_.pd, Zugriff 26.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

5.1. Vigilante Gruppen, Bürgerwehren, Hisbah

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von ethnischen Vigilantegruppen gebildet, z. B. der Odua People’s Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition (AA 3.12.2015).

Die Taten der nigerianischen Straßenbanden, bekannt als Area Boys, haben die Spannungen vor den Parlamentswahlen erhöht. Während des Wahlkampfes ließen sich Straßenbanden von jenen Auftraggebern, die am meisten zahlten, instrumentalisieren und griffen politische Wahlkampagnen an (IBT 19.3.2015).

Im Jahr 2013 wurde von der Regierung und mit Unterstützung der Armee im Nordosten im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram die sogenannte Civilian Joint Task Force (CJTF) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Art Bürgerwehr, die laut NGOs und Medien für Menschenrechtsvergehen verantwortlich ist (USDOS 25.6.2015). Es gibt Berichte, dass die CJTF über eine große Anzahl von Kindersoldaten verfügt, die auch bei verschiedenen Operationen eingesetzt werden (USDOS 13.4.2016).

In einigen Bundesstaaten (Gombe, Zamfara, Niger, Kaduna, Kano, Bauchi und Jigawa) werden Schariawächter wie die Hisbah unterhalten. Diese überwachen die Umsetzung der Scharia aber nur inkonsistent und sporadisch, führen aber Verhaftungen durch (USDOS 10.8.2016; vgl. ÖBA 7.2014). Z.B. verhafteten Mitglieder der Kano Hisbah Bewohner, die der Prostitution, des Alkoholkonsums, der Bettelei und andere Scharia-Verstöße verdächtigt wurden (USDOS 10.8.2016). In Kano wird die Hisbah direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. In Kano ist die Hisbah beispielsweise bei Homosexuellen wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe gefürchtet (AA 13.4.2016).

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Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- IBT – International Business Times (19.3.2015): Nigeria Elections: Violent Street Gangs Increase Tensions Before March 28 Vote, http://www.ibtimes.com/nigeria- elections-violent-street-gangs-increase-tensions-march-28-vote-1852528, Zugriff 19.5.2015

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS – U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/328335/469114_de.html, Zugriff 29.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/270637/399496_de.html, Zugriff 12.8.2016

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Sicherheitskräfte sind korrupt und in den vergangenen Jahren für zahlreiche Todesopfer sowie für massenhafte willkürliche Verhaftungen und andere Menschenrechtsvergehen verantwortlich. Folterung und Misshandlung von Gefangenen sind weit verbreitet (USDOS 13.4.2015; vgl. FH 27.1.2016), extralegale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte an der Tagesordnung. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) geht von mindestens 5.000 Tötungen jährlich aus, etwa die Hälfte wird der Polizei angelastet. Die Schätzungen einiger NGOs liegen deutlich höher. Die meisten Fälle werden aus dem Südosten und dem Nordosten berichtet. Insbesondere bei Raubüberfällen werden Verdächtige regelmäßig systematisch durch die Polizei getötet (AA 3.12.2015). Auch im Jahr 2014 kam es seitens der Regierung zu zahlreichen willkürlichen oder ungesetzlichen Tötungen. Dies betrifft die 7. und 3. Armeedivision, die NPF, den DSS und andere. So wurden, laut einem AI- Bericht, am 14. März 2014 622 Menschen bei der Giwa-Kaserne in Maiduguri vom Militär und CJTF außergerichtlich hingerichtet. Dies ereignete sich nach einem Angriff von Boko Haram auf die Kaserne, bei dem die Gruppe über 1.000 Häftlinge freiließ. Einwohner von Maiduguri berichteten Amnesty International, dass die Soldaten die entflohenen Häftlinge wieder einfingen, inhaftierten und anschließend hinrichteten (USDOS 13.4.2016). Hauptbetroffene sind jedoch üblicherweise Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind. Sie werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam "exekutiert". Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 3.12.2015).

Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt (AA 3.12.2015). Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extra-legalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern (AA 3.12.2015). Die NHRC hat das Mandat, Tötungen durch Sicherheitskräfte zu untersuchen. Im Dezember 2015 sollen bei einer Konfrontation zwischen Mitgliedern des Islamic Movement of Nigeria (IMN) und Soldaten etwa 350 Menschen in Zaria, Kaduna extralegal getötet worden sein (AI 22.4.2016). Bei einem anderen Vorfall brachten Viehdiebe sechs Soldaten um, und daraufhin töteten Armeetruppen im Mai 2015 dutzende Zivilisten und zerstörten viele Häuser im Distrikt Wasei, Plateau State. Vertreter der Gemeinde behaupteten auch, dass Regierungstruppen in der Vergangenheit schon mehr als 80 Menschen bei ähnlichen Angriffen getötet hatten. Das Militär versprach, die Vorfälle zu untersuchen, mit Stand Dezember 2015 gab es jedoch keine Berichte von Untersuchungen (USDOS 13.4.2016).

Am 8. April 2014 hat das NHRC erstmals eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung verlief zu Gunsten der Opfer und NHRC erklärte, dass es keine Beweise gäbe, dass die Opfer Mitglieder der Boko Haram seien. Weiter wurde angeordnet, dass der Staat den Familien der Verstorbenen 10 Millionen Naira und jedem der Überlebenden fünf Million Naira auszuzahlen hat (USDOS 25.6.2015).

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Polizei und Militär gehen bei der Bekämpfung der islamistischen Gruppe Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 3.12.2015; vgl. HRW 27.1.2016). Die Sicherheitskräfte sind in diesem Zusammenhang in zahlreiche Menschenrechtsvergehen involviert. Angebliche Unterstützer oder Mitglieder der Boko Haram werden willkürlich verhaftet, es kommt zu Folter und extralegalen Tötungen. Sicherheitskräfte zerstören auch Gebäude in Gemeinden, wo vermutet wird, dass Boko Haram Unterschlupf findet (AI 6.2015).

Allen Hinweisen zufolge gehört auch die Folter zum weit verbreiteten Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane, unter denen insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht zu leiden hat (AA 3.12.2015). Die Verfassung und Gesetze verbieten Folter (USDOS 13.4.2016). Folter durch die nigerianische Polizei und das Militär war 2015 weiterhin an der Tagesordnung. Zur gängigen Praxis zählten auch außergerichtliche Hinrichtungen, Erpressung sowie willkürliche und übermäßig lange Inhaftierungen (AI 24.2.2016). Sicherheitsbeamte foltern, schlagen und misshandeln regelmäßig Demonstranten, Verdächtige, Militante und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter angewendet, um Geständnisse zu erpressen (USDOS 13.4.2016). Zu den häufigsten Foltermethoden zählten dabei Auspeitschung, Stock– und Machetenschläge, Schüsse in den Fuß, Scheinhinrichtungen, Aufhängen in verschiedenen Positionen sowie Vorenthalten von Nahrung, Wasser und Medikamenten (AA 3.12.2015). Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der Polizei teilweise zugegeben wurden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 3.12.2015).

Im Juli 2015 kündigte die Polizei eine Überprüfung der Dienstanweisungen an. Dies betraf auch die Anweisung 237, die es Polizisten erlaubt, auf Tatverdächtige und Festgenommene zu schießen, die sich dem Zugriff entziehen wollen oder flüchten, unabhängig davon, ob sie eine lebensgefährliche Bedrohung darstellen. Der Generalinspekteur der Polizei gab außerdem bekannt, Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei hätten in den vergangenen drei Jahren Entschädigungen in Höhe von fast 1 Mrd. Naira (rund 4,6 Mio. Euro) erhalten (AI 24.2.2016). Das Antifoltergesetz, das den Einsatz von Folter verbieten und unter Strafe stellen soll, wurde im Juni 2015 vom Parlament verabschiedet. Es war zum Jahresende 2015 noch nicht in Kraft getreten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, doch halten sich Polizei und Sicherheitskräfte nicht daran (USDOS 13.4.2016). Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen insbesondere der Polizei regelmäßig das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen sich in Polizeigewahrsam befindenden Personen vor. Human Rights Watch und Amnesty International erheben diesen Vorwurf auch gegen die im Norden Nigerias agierenden Sicherheitskräfte der Joint Task Force (AA 3.12.2015). Bei der Anwendung exzessiver Gewalt durch Sicherheitskräfte (v.a. im Nordosten und im Rahmen des Vorgehens gegen Boko Haram) kommt es zu Folter, Vergewaltigungen, ungesetzlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsvergehen. NPF und Militär bleiben bei Verhaftungen, illegalen Inhaftierungen und Exekutionen von Verdächtigen weitgehend straffrei (USDOS 13.4.2016). Folglich ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat unterentwickelt (ÖBA 7.2014).

Die Regierung ist sich der Problematik grundsätzlich bewusst, spielt das Ausmaß des Problems aber herunter. Lediglich im Bundesstaat Lagos hat sich die Situation seit 2010 deutlich gebessert, nachdem dort seit Einführung des so genannten "Coroner's Law" nun jeder Todesfall in Polizeigewahrsam automatisch zu einer Obduktion führt. Ein ähnliches

Gesetz ist im Bundesstaat Cross River in Vorbereitung. Auch die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit NGOs Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Im Jänner 2013 wurde ein sogenannter Code of Conduct verabschiedet, der u.a. auf professionellere Standards und Verhaltensweisen der Polizei hinwirken soll (AA 3.12.2015). Im Dezember 2013 hat die NHRC ein eigenes Komitee eingerichtet, um Fällen von ad-hoc-Haftanstalten, die nicht amtlich bekannt gemacht wurden und denen die erforderliche Genehmigung des Innenministers fehlte, nachzugehen (USDOS 13.4.2016).

Das NHRC führte einige Menschenrechtsschulungen beim Militär durch und gab bekannt, eine Hotline für Einwohner errichtet zu haben, damit Menschenrechtsverletzungen durch die Streitkräfte gemeldet werden können (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

www.ris.bka.gv.at Seite 17 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AI – Amnesty International (22.4.2016): Nigeria: Military cover-up of mass slaughter at Zaria exposed, https://www.amnesty.org/en/press-releases/2016/04/nigeria-military-cover-up-of-mass-slaughter-at- zaria-exposed/, Zugriff 12.8.2016

- AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 29.8.2016

- AI – Amnesty International (6.2015): Stars on their shoulders. Blood on their hands: War crimes committed by the Nigerian military, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1433746540_afr4416572015english.pdf, Zugriff 23.6.2015

- FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 – Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 12.8.2016

- HRW – Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/318348/457348_de.html, Zugriff 12.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/306263/443535_de.html, Zugriff 12.8.2016

7. Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor. Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (USDOS 13.4.2016) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 7.2016a). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 136 von 168 untersuchten Staaten (TI 2015).

Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 13.4.2016). Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet; Gelderpressungen an Straßensperren sind an der Tagesordnung (AA 3.12.2015).

Die neue Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Einrichtung der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption. Als Ergebnis der Bemühungen der EFCC wurde Nigeria 2006 aus der von der Financial Action Task Force der G8/G7 geführten Liste der bei der Bekämpfung von Geldwäsche nicht-kooperierenden Staaten gestrichen (AA 5.2016).

Teilerfolge bei der Korruptionsbekämpfung sind insgesamt sichtbar. Allerdings ist die Verfolgung von aktiven bzw. ehemaligen Amtsträgern trotz zahlreicher Anklagen schwierig, Gerichtsurteile gegen hochrangige Politiker sind seltene Ausnahmen (AA 13.4.2016). Obwohl die Bemühungen der EFCC und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sich auf Regierungsbeamte mit niedrigem und mittlerem Rang konzentrierten, begannen beide Organisationen mit Ermittlungen und Anklagen gegen verschiedene hochrangige Regierungsbeamte (USDOS 13.4.2016). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während das EFCC auf Finanzdelikte beschränkt ist (USDOS 13.4.2016).

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Um sein Anti-Korruptionsversprechen zu erfüllen, initiierte Präsident Buhari eine Reihe von Reformen, darunter die Restrukturierung des intransparenten staatlichen Ölunternehmens. Nigerias Anti-Korruptionsbehörden starteten mit Ermittlungen gegen mehrere hochrangige Politiker, darunter der Senatspräsident und Beamte aus der Verwaltung des ehemaligen Präsidenten Goodluck Jonathan (FH 27.1.2016).

Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. In manchen Fällen bringen Bürger oder die

Regierung Anzeigen gegen Täter ein. Die meisten Fälle bleiben aber bei Gericht liegen oder verschwinden nach anfänglichen Untersuchungen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (5.2016): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges- amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeri a/Wirtschaft_node.html, Zugriff 11.8.2016

- FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 – Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 11.8.2016

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2016a): Nigeria – Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 11.8.2016

- TI – Transparency International (27.1.2016): Corruption Perceptions Index 2015, http://www.transparency.org/whatwedo/publication/cpi_2015, Zugriff 11.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen (ÖBA 7.2014).

Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (USDOS 13.4.2016; ÖBA 7.2014). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 3.12.2015).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 12.8.2016

www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

9. Ombudsmann

Die Aufgaben der National Human Rights Commission (NHRC) sind Förderung und Schutz der Menschenrechte sowie Menschenrechtserziehung; und die Beobachtung der Menschenrechtslage (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Derzeit konzentriert sie sich u. a. auf Gewalt der Sicherheitskräfte, Diskriminierung im Wirtschaftsleben, Gewalt gegen Frauen sowie Menschenrechtsbildung und -aufklärung. Soweit sich die Kommission Einzelschicksalen annimmt, hat ihre Arbeit lediglich empfehlenden Charakter (AA 3.12.2015). Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen) (USDOS 13.4.2016). Die Kommission hat ihre Arbeit in den letzten Jahren intensiviert und verbessert und mit eigenen Berichten z.B. zu Menschenrechtsverletzungen im Nordosten oder zu Gewalttätigkeiten während der Wahlkampfzeit 2015 wachsende Unabhängigkeit und steigendes Selbstbewusstsein bewiesen (AA 28.11.2014). Die Kommission ist mit einem eigenen Gesetz legitimiert und ihre Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben (USDOS 13.4.2016). Nigeria verfügt über keinen Ombudsmann, der die Interessen der Häftlinge vertritt. Diese Rolle sollen die Oberrichter der Bundesstaaten übernehmen und den Gefängnissen offizielle Besuche abstatten. Jedoch waren solche Besuche sehr selten (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 11.8.2016

10. Wehrdienst

Die nigerianischen Streitkräfte bestehen aus Berufssoldaten. Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht (AA 3.12.2015). Das Mindestalter für die Soldaten ist 18 Jahre (CIA 1.8.2016). Ein paramilitärisch organisiertes einjähriges "Civil Service" ist für Universitätsabgänger möglich jedoch nicht verpflichtend. Die Absolvierung ist Voraussetzung für die Erlangung der meisten Positionen im Öffentlichen Dienst (ÖBA 7.2014).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- CIA – Central Intelligence Agency (1.8.2016): The World Fact Book, Nigeria, ttps://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 11.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Auch wenn sich die Menschenrechtssituation seit Amtsantritt der Zivilregierung 1999 zum Teil erheblich verbesserte, ist sie insgesamt sehr problematisch (AA 3.2016a).

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat (AA 3.12.2015).

Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind. Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht gesichert (AA 3.2016a). Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko www.ris.bka.gv.at Seite 20 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit (AI 24.2.2016). Missbräuchliches Verhalten der Sicherheitsbehörden beschränkt sich aber nicht nur auf den Nordosten (HRW 27.1.2016). Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016). Auch das hohe Maß an Korruption wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (AA 3.2016a).

Nigeria hat folgende internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (einschließlich Fakultativprotokoll); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; Übereinkommen über die Rechte des Kindes (einschl. Fakultativprotokolle zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, -prostitution und -pornografie); ILO-Übereinkommen über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit; (Afrikanische) Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs; Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen; Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014).

Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen wurden zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Staaten, die grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist häufig die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 3.12.2015).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt (AA 3.12.2015).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 11.8.2016

- AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 11.8.2016

- HRW – Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/318348/457348_de.html, Zugriff 12.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

12. Meinungs- und Pressefreiheit

Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder (AA 3.12.2015; vgl. FH 27.1.2016). Während die Medien weitgehen frei und dynamisch sind, behält Nigeria veraltete strafrechtliche Bestimmungen bei, welche die Meinungsfreiheit beeinträchtigen (HRW 27.1.2016).

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Die nigerianischen Medien sind vielfältig (AA 3.2016b). Die Medienlandschaft Nigerias ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016; vgl. ÖBA 7.2014). Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt (AA 3.2016b).

Es kam auch zu Fällen der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung (USDOS 13.4.2016). Einige Journalisten wurden wegen strafrechtlicher "Diffamierung" angeklagt, jedoch wurden in den meisten Fällen die Anklagen schlussendlich zurückgezogen (FH 28.4.2015). Gelegentlich wurden Journalisten von Sicherheitsdiensten inhaftiert und schikaniert, wenn sie über sensible Themen wie Korruption und Sicherheit berichteten (USDOS 13.4.2016). Im Mai 2011 ist das bereits im April 2007 verabschiedete Gesetz zur Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft getreten. Es garantiert jeder Person das Recht, auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen durch die Behörden zu erhalten. Die mit diesem Gesetz verbundenen Hoffnungen auf eine offenere Informationspolitik der Regierung haben sich aber bisher nicht erfüllt (AA 3.12.2015).

Journalisten werden auch durch Boko Haram bedroht, die Medienvertreter und Journalisten einschüchtert (USDOS 13.4.2016).

Journalisten praktizieren Selbstzensur (USDOS 13.4.2016). Auch Bestechung und Korruption bleiben in der Medienindustrie ein Problem. Eine Studie aus dem Jahr 2009 in Lagos hatte ergeben, dass 61 Prozent der 184 befragten Journalisten regelmäßig im Dienst "braune Umschläge" erhalten haben. Allerdings gaben 74 Prozent der Befragten an, dass derartige Geschenke nicht zu voreingenommener Berichterstattung führen würden. Dies könnte darin wurzeln, dass diese Form der Korruption derart verbreitet ist (FH 28.4.2015). Journalisten müssen grundsätzlich "motiviert" werden, um zu berichten. Reporter von Lokalzeitungen wie dem "Pointer" verlangen in der Regel Bargeld für Artikel (zwischen 50 und 100 Euro) (ÖBA 25.4.2013).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (3.2016b): Nigeria – Kultur- und Bildungspolitik, Medien, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Kultur- UndBildungspolitik_node.html, Zugriff 11.8.2016

- FH – Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/311947/450058_de.html, Zugriff 11.8.2016

- FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 11.8.2016

- HRW – Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/318348/457348_de.html, Zugriff 11.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (25.4.2013): Ergänzungsbericht per E-Mail

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 11.8.2016

13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch weitgehend in der Praxis (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017; ÖBA 9.2016). Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahllosen NGOs geführt (AA 21.11.2016; vgl. FH 2.6.2017). www.ris.bka.gv.at Seite 22 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Auch die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird die Ver- sammlungsfreiheit gelegentlich durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane gegen politisch unliebsame Versammlungen eingeschränkt (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Regierung verbietet z.B. Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, wel-che auch zu Todesopfern und Verletzten führt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 – Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

- ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

13.1. Opposition inkl. MASSOB und IPOB

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Das gilt auch für die seit 1999 regierende PDP, die seit den letzten Wahlen im März 2015 nun zum ersten Mal in der Opposition ist (AA 21.11.2016). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkennt-nisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 21.11.2016).

Im Süden und Südosten Nigerias kommt es zu Demonstrationen, bei denen ein unabhängiger Staat Biafra gefordert wird (AI 24.2.2016). Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gingen die Sicher-heitsorgane in der Vergangenheit teilweise massiv vor (AA 21.11.2016). Weiters gibt es auch die separatistische Biafra-Bewegung Indigenous People of Biafra (IPOB), die im Jahr 2012 gegründet wurde (NZZ 30.5.2017).

Seit dem Regierungswechsel 2015 und der zwischenzeitlichen Verhaftung eines der Führer der Biafra- Bewegung, dem Direktor des in London ansässigen und inzwischen in Nigeria verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" Nnamdi Kanu im Oktober 2015, kommt es verstärkt zu politischen Demonstrationen von Anhängern der Biafra-Bewegung, denen die Regierung gewaltsam begegnet sein soll (AA 4.2017a).

Amnesty International berichtet, dass nigerianische Sicherheitskräfte mindestens 150 Men-schen töteten (AI 24.11.2016) und Hunderte willkürlich verhafteten (USDOS 3.3.2017), die im Südosten des Landes zwischen August 2015 und August 2016 für die Unabhängigkeit Biafras von Nigeria demonstrierten. Eingeschlossen ist die Zahl von Biafra-Aktivisten, die am 30.5.2016, dem Biafra-Gedenktag, getötet wurden. An dem Tag trafen sich in Onitsha im Bundesstaat Anambra rund 1.000 Unterstützer der IPOB. Sicherheitskräfte erschossen an mehreren Orten willkürlich Menschen. In der Nacht vor der Versammlung stürmten Sicher-heitskräfte Häuser und eine Kirche, in denen IPOB-Mitglieder übernachteten. Amnesty Inter-national geht davon aus, dass an den beiden Tagen insgesamt mindestens 60 Menschen getötet, 79 verletzt (AI 24.11.2016). Mit Stand Dezember 2016 wurden diese Vorfälle von der Regierung noch nicht untersucht (USDOS 3.3.2017).

Am 30.5.2017 jährte sich die Erklärung einer unabhängigen Republik Biafra im Südosten Nigerias, die den nigerianischen Bürgerkrieg ausgelöst hatte, zum fünfzigsten Mal. Gemäß AFP blieben Läden, Schulen und Geschäfte im Südosten Nigerias geschlossen, und die staatlichen Sicherheitskräfte waren sichtbar präsent. Der Anführer der Bewegung IPOB, Nnamdi Kanu, erklärte, es ginge ihm um zivilen Ungehorsam, um ein Referendum über die Selbstbestimmung der Region herbeizuführen. Die nigerianische Polizei hatte angekündigt, bei einem Bruch des Friedens oder unrechtmäßigen Protesten entschieden zu handeln. Ge-mäß einem von AFP zitierten Sprecher der Armee seien die Sicherheitsvorkehrungen im Südosten an tatsächlichen oder möglichen Krisenherden verstärkt worden. Laut Amnesty International wurden mehr als 100 Mitglieder zweier Pro-Biafra- www.ris.bka.gv.at Seite 23 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Gruppen, des MASSOB und des Biafra Independent Movement (BIM), in den Staaten Enugu, Ebonyi und Cross Rivers am 22.5.2017 während Feiern im Vorfeld des Jahrestages festgenommen (SFH 22.6.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens- 150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

- AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 13.6.2017

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (30.5.2017): Als Afrika in unseren Köpfen zum «Katastro-phen- Kontinent» wurde, https://www.nzz.ch/international/biafra-krieg-die-geburtsstunde-des- katastrophenkontinents-ld.1298225, Zugriff 13.6.2017

- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.6.2017): Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22. Juni 2017 zu Nigeria: Gefährdung von Mitgliedern der Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB), https://www.ecoi.net/file_upload/1788_1499170606_nigeria.pdf, Zugriff 28.7.2017

- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

14. Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten bleiben hart und lebensbedrohlich. Die Gefangenen, von denen viele noch gar nicht verurteilt wurden (69 Prozent sind Untersuchungshäftlinge laut Zahlen des Nigerian Prison Service aus dem Jahr 2014), sind extralegalen Tötungen, Folter, Überbelegung, Nahrungs- und Wasserengpässen, inadäquater medizinischer Versorgung, harten klimatischen Bedingungen, und absolut inadäquaten sanitären Bedingungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss oft über Angehörige und karitative Einrichtungen sichergestellt werden; immer wieder wird berichtet, dass es aufgrund dieser Verhältnisse zu Todesfällen kommt (AA 3.12.2015). Das schlecht bezahlte Gefängnis- und Wachpersonal nutzt seine Stellung aus, um von den Gefangenen Geld zu erpressen (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Zumindest in einigen Gefängnissen sind Männer, Frauen und Minderjährige zusammen inhaftiert (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Weibliche Gefangene sind der Gefahr einer Vergewaltigung ausgesetzt (USDOS 13.4.2016).

Gemäß den Angaben von Menschenrechtsorganisationen gibt es auch inoffizielle Gefängnisse des Militärs, etwa in Maiduguri (Borno) und Damaturu (Yobe). Aus diesen Anstalten kommen Meldungen über extralegale Tötungen, Folter, Schläge und unmenschliche Behandlung von Gefangenen (USDOS 13.4.2016). In einigen Militärgefängnissen schienen sich die Haftbedingungen zu bessern. Häftlinge erhielten drei Mahlzeiten am Tag, Zugang zu Waschmöglichkeiten und medizinischer Versorgung. Nach wie vor starben jedoch Tatverdächtige in Haft. Folter und andere Misshandlungen waren an der Tagesordnung und führten zu Todesfällen. Außerdem waren Verdächtige weiterhin ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert (AI 24.2.2016).

Zwar erhalten Beobachter ausländischer Menschenrechtsorganisationen seit Veröffentlichung eines Berichts von Amnesty International über die Haftbedingungen 2008 keinerlei Zugang mehr zu Gefängnissen, jedoch wurden der Deutschen Botschaft in Abuja und Vertretern einer lokalen und später einer deutschen NGO Besuche in mehreren Gefängnissen ermöglicht (AA 13.4.2016). Monitoring-Besuche durch die National Human Rights Commission (NHRC) finden statt. Obwohl das NHRC eine Bereitschaft und Fähigkeit zeigte, Vorwürfe von unmenschlichen Bedingungen zu untersuchen, wurde der letzte Prüfungsbericht 2012 veröffentlicht. Auch das Justizministerium überprüft die Gefängnisse. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte weiterhin Zugang zu polizeilichen Haftanstalten. Nach einer Änderung in der Verwaltung, erhielt das IKRK Zugang zu Einrichtungen des Nigerian Prison Service. Seit August 2015 ist das IKRK auch in der Lage, einige militärische Haftanstalten zu besuchen (USDOS 13.4.2016).

www.ris.bka.gv.at Seite 24 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Einige lokale Staatsanwälte und Gefängnisverwaltungen bemühen sich um Verbesserungen. Einzelne Gefängnisverwaltungen versuchen, Geld von NGOs und religiösen Organisationen zu sammeln (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 26.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 9.8.2016

15. Todesstrafe

Die Todesstrafe kann durch ordentliche Gerichte und erstinstanzliche Scharia-Gerichte für bestimmte Tatbestände (Mord, Hochverrat, Verrat, Quälerei mit Todesfolge, schwerer Raub) verhängt werden. Gegenwärtig ist in einigen südlichen Bundesstaaten der Trend zu beobachten, den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf weitere Straftatbestände (v. a. Entführung) auszuweiten. Die 2012 angenommene Änderung zum sog. Terrorism (Prevention) Act 2011 sieht die Todesstrafe als Strafmaß für terroristische Verbrechen vor (AA 3.12.2015).

Nigeria hält also weiterhin an der Todesstrafe fest. Ein seit 2006 faktisches Vollstreckungsmoratorium wurde am 24. Juni 2013 mit vier Hinrichtungen im Bundesstaat Edo aufgehoben (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Nach offiziellen Angaben des Nigerian Prison Service (NPS) warteten im Oktober 2014 1.588 Gefangene auf die Vollstreckung der Todesstrafe (AA 3.12.2015). Im Jänner und März 2015 verurteilten Militärgerichte 66 Soldaten wegen Meuterei und anderen Anklagepunkten zum Tode. Die Todesurteile wurden im Dezember 2015 in zehnjährige Haftstrafen umgewandelt. Soweit bekannt, fanden keine Hinrichtungen statt (AI 24.2.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty Report 2016, Nigeria, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2016/nigeria#todesstrafe, Zugriff 9.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

16. Religionsfreiheit

Laut der Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und ist vorgesehen, dass jeder die Freiheit hat seine Religion auszuwählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 10.8.2016). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 3.12.2015).

Die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit gestaltet sich schwierig (GIZ 6.2016b). Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren gegen Mitglieder von Minderheitenreligionen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖBA 7.2014). www.ris.bka.gv.at Seite 25 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch. Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen christlichen Gruppen und seit 1900 zugezogenen muslimischen Gruppen im zentralnigerianischen Jos im Jänner 2010 und seit Jänner 2014, die zu blutigen Konfrontationen mit insgesamt über 1.000 Toten und mehreren hundert Verletzten führten. Hier wie anderswo liegen den lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch vor allem wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde (AA 3.12.2015). Der Bundesregierung mangelt es bei der Verhinderung oder Unterdrückung von Gewalt, welche in den nordöstlichen und zentralen Regionen Nigerias häufig einen religiösen Hintergrund hat, an Effektivität. Nur gelegentlich wurden Vergehen untersucht und Schuldige verurteilt (USDOS 10.8.2016).

Es gibt Berichte über gesellschaftliche Vergehen oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Orientierung, des Glaubens oder aufgrund der Religionsausübung. Es kann zur Ächtung aber auch zur Bedrohung von Konvertiten – sowohl Christen als auch Muslime – kommen (USDOS 10.8.2016).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 12.2013).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 9.8.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- UKHO – United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 9.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/328335/469114_de.html, Zugriff 29.8.2016

16.1. Religiöse Gruppen

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 7.6.2017; vgl. GIZ 7.2017b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 21.11.2016). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. In Zentralnigeria, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 10.8.2016).

Die Muslime sind größtenteils sunnitisch, aufgeteilt auf verschiedene sufische Gruppierungen. Die Minderheiten an Schiiten und Salafisten wachsen stetig (USDOS 10.8.2016). Zwei Strömungen des Islam [Anm.: des Sufismus] sind vertreten: die Bruderschaft der Qadiriyya in Sokoto und der Tijaniyya, der alteingesessenen Hausa in Kano. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u.a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 7.2017b).

Das Christentum unterteilt sich in Katholiken (13 Prozent), Protestanten (15 Prozent) und synkretistische afrikanische Kirchengemeinschaften (17 Prozent) - einer Vermischung von traditionellen Religionen und Freievangelisten, meistens Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Über tausend dieser neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern gibt es bereits in Nigeria, Tendenz steigend. Dabei sind die meisten dieser Kirchen stark profitorientiert (GIZ 7.2017b).

www.ris.bka.gv.at Seite 26 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- CIA - Central Intelligence Agency (7.6.2017): The World Factbook – Nigeria, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 14.6.2017

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

- USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/328335/469114_de.html, Zugriff 14.6.2017

16.2. Spannungen zwischen Muslimen und Christen

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen (GIZ 7.2017b). Der islamische Extremismus ist in Nigeria die wesentliche Triebkraft für Verfolgung, allerdings tragen auch "Exklusives Stammesdenken" und "Organisiertes Verbrechen und Korruption" zur Verfolgung bei. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist. Die Verfolgung von Christen in Nordnigeria wird meistens mit Boko Haram in Verbindung gebracht. Das Verfolgungsmuster insgesamt ist jedoch viel komplexer und darf nicht auf gewaltsame Übergriffe und Ermordungen von Christen (und gemäßigten Muslimen) seitens militanter islamistischer Gruppen reduziert werden. Das trifft besonders auf die zwölf nördlichen Scharia-Staaten zu, in denen die örtlichen Behörden und die Gesellschaft den Christen kaum Raum zum Leben lassen (OD 2017).

Auch wenn sich die meisten religiösen Führer beider Seiten für Toleranz und Mäßigung öffentlich aussprechen, wurde berichtet, dass das Misstrauen zwischen christlichen und muslimischen Führern interreligiöse Bemühungen bedroht (USDOS 10.8.2016).

In Nigeria sind drei Kategorien von einheimischen Christen (historisch gewachsenen Kirchen, protestantische Freikirchen, und Gemeinden mit Christen muslimischer Herkunft) anzutreffen. Alle drei erleiden in den nördlichen Staaten Verfolgung. Besonders in den Scharia-Staaten ist eine Abkehr vom Islam hin zum christlichen Glauben gefährlich und kann viele Nöte nach sich ziehen. Christen werden in den Ausbildungseinrichtungen oft als Bürger zweiter Klasse betrachtet und dementsprechend behandelt. Christliche Mädchen stehen ständig in der Gefahr, entführt und zwangsverheiratet zu werden. Berichten zufolge haben einige der Scharia-Staaten sogar Organisationen zu dem Zweck der Entführung und Zwangsbekehrung von christlichen Mädchen gegründet (OD 2017).

In Nigeria hat die Terrormiliz Boko Haram offenbar weit mehr Menschen getötet als bislang angenommen. Das berichtet die Online-Zeitung Premium Times unter Berufung auf Aussagen des Gouverneurs des Bundesstaates Borno, . Er schätzt, dass in den vergangenen Jahren 100.000 Menschen bei Überfällen und Anschlägen ums Leben kamen. Dabei geht die islamistische Bewegung vor allem gegen Christen vor. Bislang waren internationale Organisationen von 20.000 Opfern ausgegangen (EAD 15.2.2017). Trotz des Erfolgs im Kampf gegen Boko Haram, welche maßgeblich für die Gewalt gegen Christen in den letzten Jahren verantwortlich war, bleibt die anhaltende Gewalt gegen Christen im zentralen Gürtel Nigerias weiter bestehen. Wie von der Open Doors-Forschungsabteilung World Watch Research (WWR) berichtet, hat sich im zentralen Gürtel Nigerias im Schatten von Boko Haram eine Gewaltspirale entwickelt: Angriffe der muslimischen Hausa-Fulani Viehhirten und Siedler haben mutmaßlich zum Tod Tausender Christen und zur Zerstörung Hunderter Kirchen und Gemeindegebäude geführt (OD 2017). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fürchten, sollten in der Lage sein, Schutz bei Behörden zu suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen (UKHO 8.2016).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, die in den Jahren 2000/2001 die strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia wiedereingeführt haben, wird die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in der Praxis teilweise beschränkt, da viele Verwaltungsvorschriften ohne Rücksicht auf die jeweilige Religionszugehörigkeit erlassen www.ris.bka.gv.at Seite 27 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 und durchgesetzt werden (z.B. Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Neubau von Kirchen etc.) (AA 21.11.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- EAD - Die Evangelische Allianz in Deutschland (15.2.2017): Nigeria: Mehr Tote durch Boko Haram-Terror als angenommen, http://www.ead.de/nachrichten/nachrichten/einzelansicht/article/nigeria-mehr-tote-durch-boko-haram- terror-als-angenommen.html, Zugriff 14.6.2017

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

- OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

- UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016): Country Information and Guidance, Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 14.6.2017

- USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): 2015 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/328335/469114_de.html, Zugriff 13.6.2017

16.3. Naturreligionen und Juju

Im nigerianischen Englisch bezieht sich der Begriff "Juju” auf alle religiösen Praktiken, die mehr oder weniger auf traditionellem Animismus basieren. Die Angst vor okkulten Kräften ist selbst bei christlichen und muslimischen Gemeinden sehr verbreitet (DACH 2.2013). Die traditionellen Religionen erleben derzeit eine Art Renaissance. Je nach Volksgruppe glaubt man an Erdgeister, Wassergötter, Ahnengeister, Gottheiten, Magie und Zauberei. Ausgeprägt bei den Volksgruppen im Süden Nigerias ist der "Juju-Glaube", in dessen Zentrum Juju als magische Zauberkraft steht. Erscheinungsformen sind Juju-Wälder, Juju-Flüsse, Juju-Pflanzen, Juju-Bäume oder auch Gegenstände wie Amulett und Talisman. Trotz der Akzeptanz von Christentum und Islam sucht die breite Mehrheit der nigerianischen Bevölkerung im Juju Schutz vor fremden Mächten. Die nominelle Zugehörigkeit zu einer etablierten Religion bedeutet für viele Nigerianer/innen keineswegs die Aufgabe ihrer traditionellen Religion (GIZ 7.2017b).

Gemäß einem Wissenschaftler der Heinrich Böll Foundation ist eine Verweigerung sehr schwierig und kann auch gefährlich sein, wenn eine Person die Rolle eines Priesters, Kräuterkundigen oder ähnliches übernehmen soll. Jedoch sind keine Fälle bekannt, dass das Priestertum irgendwem aufgezwungen wurde, oder dass die Verweigerer bedroht oder Gewalt ausgesetzt wurden. Ein Nachfolger, der das Interesse und die Eignung für solch eine Rolle hat, ist erwünscht. Die Rekrutierung für solche Positionen kann unterschiedlich ablaufen, impliziert jedoch eine lange Zeit des Lernens und der Ausbildung, für die nötigen Qualifikationen damit die Aufgaben dieser Positionen ausgeübt werden können. Laut einem Professor muss es nicht notwendigerweise der älteste Sohn sein, der die Rolle des Oberpriesters übernimmt. Eine Verweigerung der Nachfolge des Oberpriesters wird auch nicht als ein Affront gegen den Schrein gesehen (EASO 6.2017).

Quellen:

- DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 21.6.2017

- EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria- june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

www.ris.bka.gv.at Seite 28 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

16.4. Kulte und Geheimgesellschaften

Der Begriff "Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013, EASO 6.2017), die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Spannweite reicht von den berühmten Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten. Kulte und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Die geheimen Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013; vgl. EASO 6.2017). Mitglieder dieser Kulte sind auch hochrangige Nigerianer, Beamte, Unternehmer, Politiker und sogar Sicherheitskräfte (DT 18.6.2016). Es wird in Nigeria weithin angenommen, dass Personen an der Macht geheime Netzwerke bilden, bei welchen der Missbrauch okkulter Kräfte zur Routine gehört (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013). Viele treten Kulten bei, da diese mit Macht, Reichtum und Ansehen in der Gesellschaft verbunden werden. Es gibt auch eigene Kulte für Frauen (DT 18.6.2016; vgl. EASO 6.2017).

Gewalt, die von Kulten ausgeht, ist ein fester Bestandteil des sozialpolitischen Umfelds im Bundesstaat Rivers. Insbesondere in diesem Bundesstaat dienen Kulte als Gateway für diverse Arten von Kriminalität, Gewalt und Militanz. Solche Gruppen haben einen weitreichenden geographischen Wirkungskreis und sind sehr gut bewaffnet. Im Bundesstaat Rivers sowie in anderen Bundesstaaten überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten, Jugendverbänden und Milizen (FFP 11.2015).

Bewaffnete Jugendliche terrorisieren die Bevölkerung. Kulte sind de facto Banden, deren Mitglieder anonym bleiben und durch einen Schwur gebunden sind. Früher standen die Kulte für den Schutz und die Emanzipierung der Menschen im Nigerdelta. Heute sind sie eines der am meisten gefürchteten Elemente der Gesellschaft. Eine Mitgliedschaft bei einer (studentischen) Bruderschaft zurückzulegen ist schwierig. Es wurden auch schon Mitglieder getötet, die dies versucht hatten. Die einst geachteten Bruderschaften sind zu Kult-Banden verkommen, die Studenten und Professoren gleichermaßen terrorisieren (FFP 10.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Die Aktivitäten der Studentenkulte sind üblicherweise auf die betroffene Universität beschränkt, manche unterhalten aber Zweigstellen an mehreren Universitäten. Nach ex-Mitgliedern wird selten gesucht und wenn doch, dann wird eine erfolglose Suche nach zwei oder drei Monaten abgebrochen (VA1 16.11.2015). Auch religiösen Kulten kann man sich durch Flucht entziehen, sie sind nicht in der Lage, eine Person in ganz Nigeria zu verfolgen (VA2 16.11.2015).

‚Mafiöse Kulte‘ prägen – trotz Verboten – das Leben auf den Universitäts-Campussen, etwa mit Morden und Serienvergewaltigungen in Studentenheimen. Diese Kulte schrecken auch vor Menschenopfern nicht zurück, was zu häufigen Meldungen über den Fund von Körperteilen bei ‚Ritualists‘ führt (ÖBA 9.2016).

Kulte greifen generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist (VA1 16.11.2015; vgl. IRB 3.12.2012). Angriffe auf Anti-Kult-Aktivisten können vorkommen (IRB 3.12.2012). Die Bundesregierung hat die Rektoren angewiesen, gegen die Kult-Gewalt an den Universitäten Maßnahmen zu setzen, darunter z. B. Sanktionen gegen Kult-Mitglieder und Sensibilisierungskampagnen (IRB 3.12.2012; vgl. EASO 6.2017). Das "Secret Cult and Similar Activities Prohibition" Gesetz aus dem Jahr 2004 listet offiziell ca. 100 Kult-Gruppen auf, die verboten worden sind. Diese Kulte umfassen kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasserwege, Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren (UKHO 1.2013; vgl. EASO 6.2017).

Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch derartige Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

Quellen:

- DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013): D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria, https://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 21.6.2017

- DT - Daily Trust (18.6.2016): Cult killings: States in grip of deadly rise, http://www.dailytrust.com.ng/news/general/cult-killings-states-in-grip-of-deadly-rise/151640.htmlZugriff 21.6.2017 www.ris.bka.gv.at Seite 29 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

- FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants: Assessing Conflict in Nigeria, http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

- IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (3.12.2012): The Black Axe confraternity, also known as the Neo-Black Movement of Africa, including their rituals, oaths of secrecy, and use of symbols or particular signs; whether they use force to recruit individuals (2009-November 2012), http://www.refworld.org/docid/50ebf7a82.html, Zugriff 21.6.2017

- ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

- UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 21.6.2017

- UKHO - United Kingdom Home Office (1.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1359554590_nigeriaogn.pdf, Zugriff 21.6.2017

- VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

17. Ethnische Minderheiten

Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie sind durch die Verfassung verboten (AA 3.12.2015). Gemäß der Verfassung muss die Regierung einen "föderalen Charakter" haben, was bedeutet, dass Kabinetts- und andere hochrangige Positionen so vergeben werden müssen, dass die 36 Bundesstaaten oder die sechs geopolitischen Regionen vertreten sind. Traditionelle Beziehungen wurden benutzt, um Druck auf Regierungsbeamte auszuüben, damit bestimmte ethnische Gruppen bei der Verteilung von wichtigen Positionen einen Vorteil bekommen (USDOS 13.4.2016). Die Zusammensetzung der bisherigen Regierung spiegelt einen fein austarierten Proporz zwischen den verschiedenen Ethnien wider (AA 3.12.2015).

Außerdem unterscheidet die Verfassung bei der Bevölkerung in den Bundesstaaten zwischen "Einheimischen" ("indigenous") und "Zuwanderern" ("settlers"). Diese Unterscheidung sollte ursprünglich die einheimische Bevölkerung schützen, hat aber angesichts der wachsenden Mobilität auch in der nigerianischen Bevölkerung immer weniger Sinn (AA 3.12.2015). Zwar hätten nämlich alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohnsitz nicht eigentlich indigen sind (USDOS 13.4.2016; vgl. ÖBA 7.2014). In einigen Bundesstaaten ist die Lage von Minderheiten deshalb problematisch, zumal selbst den Nachfahren der Zuwanderer, die häufig gleichzeitig einer anderen Ethnie als die einheimische Bevölkerung angehören, regelmäßig die Teilnahme an Wahlen (aktiv wie passiv) verwehrt wird und sie nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie etwa Subventionen und öffentlichen Aufträgen, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätzen haben (AA 3.12.2015). Manchmal werden Einzelpersonen sogar dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukehren, obwohl sie dorthin keinerlei persönliche Verbindungen mehr haben. Fallweise veranlassen Bundesstaats- und LGA-Verwaltungen Nicht-Indigene durch Drohungen, Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder die Zerstörung von Häusern zur Abwanderung. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst). Dies betrifft beispielsweise die Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau (USDOS 13.4.2016).

Angehörige aller ethnischen Gruppen praktizieren Diskriminierung, vor allem hinsichtlich der Anstellung im privaten Sektor und bezüglich einer Segregation in urbanen Gebieten. Zwischen einigen Gruppen existieren historisch verwurzelte Spannungen (USDOS 13.4.2016). Nigeria hat eine lange und traurige Geschichte kommunaler Konflikte und ethnisch-religiöser Gewalt. Seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1999 gibt es beispielsweise im Plateau State in Nigerias "Middle Belt? regelmäßig Ausbrüche blutiger

Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen. Ebenso gibt es Unruhen in den nördlichen Städten Kaduna und Kano und seit mehreren Jahrzehnten wiederkehrende Konflikte im Tafawa Balewa District in Bauchi (KAS 12.7.2013). Das häufige Aufflackern von gewalttätigen Auseinandersetzungen ist also kennzeichnend für das oft schwierige Zusammenleben von Mehrheitsethnie und Minderheiten, insbesondere in Plateau State. Die Konflikte sind vordergründig religiös, tatsächlich aber häufig ethnisch, politisch bzw. wirtschaftlich motiviert (AA 3.12.2015). Im März 2015 griffen Fulani-Hirten aus Nasarawa das Dorf Egba, Agatu LGA, Benue an, töteten 80 Menschen und entführten eine unbestimmte Anzahl der Dorfbewohner. Konflikte über Landnutzungsrechte gibt es auch zwischen den Tiv, Kwalla, Jukun, Fulani und Azara in den www.ris.bka.gv.at Seite 30 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Bundesstaaten Nasarawa, Benue und Taraba. Die Regierung reagiert auf Spannungen zwischen Ethnien üblicherweise mit einer Konzentration an Sicherheitskräften. Die National Orientation Agency organisiert Konferenzen, um die Toleranz zu fördern (USDOS 13.4.2016).

Im Niger-Delta ist die Lage der Minderheiten seit Beginn der Ölförderung vor 50 Jahren kritisch. Die dortige Bevölkerung klagt über jahrzehntelange Benachteiligung sowie kaum vorhandene Infrastruktur und Bildungseinrichtungen. Korruption, insbesondere auf Ebene der Bundesstaaten, hat zu einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Region geführt, obwohl die Delta-Staaten durch die Vorabüberweisung von 13 Prozent der Öleinnahmen deutlich mehr Geld aus der Bundeskasse erhalten als die übrigen Bundesstaaten (AA 3.12.2015).

Diskriminiert werden auch Albinos, die als Unglück erachtet werden. Sie werden manchmal bei der Geburt weggelegt, andere für Hexerei-Zwecke ermordet (USDOS 13.4.2016; vgl. OHCHR 14.3.2014).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- KAS – Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 21.5.2015

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 4.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 4.8.2016

17.1. Minderheitengruppen

In Nigeria gibt es je nach Zählweise mehr als 250 (AA 21.11.2016; vgl. ÖBA 9.2016) oder sogar mehr als 500 Ethnien (IOM 8.2014). Keine dieser Gruppen stellt landesweit eine Mehrheit. Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Ge-samtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Eine vierte große, durch den Konflikt im Niger- Delta ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Ethnie, die Ijaw, der auch der ehemalige Präsident Jonathan angehört, lebt überwiegend in den ölreichen Regionen des Deltas (AA 21.11.2016). Zu den weiteren großen Gruppen zählen Tiv, Ibibio, Ijaw, Kanuri, Nupe, Gwari, Igala, Jukun, Idoma, Fulani, Itsekiri, Edo, Urhobo (IOM 8.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/1729790 5/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

- ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

18. Relevante Bevölkerungsgruppen

18.1. Homosexuelle

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und www.ris.bka.gv.at Seite 31 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Straf-verfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverlet-zungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).

In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getre-ten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homose-xueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehun- gen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship”). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichge-schlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deut-schen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz ge-kommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).

Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftun-gen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität – weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).

Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei invol-viert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeit-raum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).

Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der General-inspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).

Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden www.ris.bka.gv.at Seite 32 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).

Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft frei zukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).

Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homo-sexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).

Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" frei-zukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).

Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015).

Quellen:

www.ris.bka.gv.at Seite 33 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

- AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

- AA - Auswärtiges Amt (5.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreise-warnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 5.7.2017

- CNN (16.1.2014): Group: Nigeria arrests gay 'suspects' under new law banning homo-sexuality, http://edition.cnn.com/2014/01/16/world/africa/nigeria-anti-gay-law-arrests/, Zugriff 2.8.2017

- DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS2 - Diplomatic Source 2 (19.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS3 - Diplomatic Source 3 (18.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- DS4 - Diplomatic Source 4 (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria – Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

- HL1 - Human Rights Lawyer 1 (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 – Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/334700/476453_de.html, Zugriff 2.8.2017

- HRW - Human Rights Watch (20.10.2016): "Tell Me Where I Can Be Safe”, https://www.hrw.org/report/2016/10/20/tell-me-where-i-can-be-safe/impact-nigerias-same-sex-marriage- prohibition-act, Zugriff 6.7.2017

- HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/295453/430485_de.html, Zugriff 2.8.2017

- HRW - Human Rights Watch (15.1.2014): Nigeria - Anti-LGBT Law Threatens Basic Rights, http://www.ecoi.net/local_link/267303/394560_de.html, Zugriff 2.8.2017

- IO1 - International Health and Development Research Organisation (20.11.2015): Inter-view im Rahmen einer Fact Finding Mission

- LLM - Representative of the Lawyers League for Minorities (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

- MSMA - MSM-related NGO, Abuja (17.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

- MSMK - MSM-reltated NGO, Kaduna (19.11.2015): Gruppendiskussion im Rahmen einer Fact Finding Mission

- NBC - NBC News (20.4.2017): 53 Arrested in Nigeria for Celebrating Gay Wedding, Po-lice Say, http://www.nbcnews.com/feature/nbc-out/53-arrested-nigeria-celebrating-gay-wedding-police-n748931, Zugriff 6.7.2017

- ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

- PT - Premium Times (7.6.2017): Nigeria: Court Adjourns Gay Marriage Trial of 53 Per-sons, http://allafrica.com/stories/201706080056.html, Zugriff 6.7.2017

- Reuters (31.7.2017): Mass arrest of 40 gay men in Nigeria may harm HIV fight: activist, http://www.reuters.com/article/us-nigeria-gay-idUSKBN1AG21W, Zugriff 2.8.2017

- TIERs - The Initiative for Equal Rights (1.2017): 2016 Human Rights Violations Report, www.ris.bka.gv.at Seite 34 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 https://drive.google.com/open?id=0B6uhCtKOrVJdZk1vYTVrLUM2UWM, Zugriff 2.8.2017

- TIERs - The Initiative for Equal Rights (03.2016): 2015 Report on Human Rights Violations based on perceived sexual orientation and gender identity in Nigeria, http://www.theinitiativeforequalrights.org/resources1/2015-Report-on-Human-Rights-Violations-Based-on-Real- or-Percieved-Sexual-Orientation-and-Gender-Identity-in-Nigeria-.pdf, Zugriff 2.8.2017

- TT - The Telegraph (14.1.2014): Nigeria begins arrests after anti-gay law passed, http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/africaandindianocean/nigeria/10571788/Nigeria-begins-arrests- after-anti-gay-law-passed.html, Zugriff 2.8.2017

- UKHO - UK Home Office(3.2015): Country Information and Guidance Nigeria: Sexual orientation and gender identity, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1429090981_nga-cig-sogi-15-3-19-v-1-0.pdf, Zugriff 2.8.2017

- VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

19. Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa, aufgrund der Operationen gegen Boko Haram. Auch in anderen Bundesstaaten gab es Ausgangssperren als Reaktion auf Vorfälle, wie zum Beispiel ethnisch-religiöse Gewalt. Es gibt auch weiterhin sogenannte "Stopp- und Durchsuchungsoperationen", bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen (USDOS 13.4.2016).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 13.4.2016). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 10.8.2016). Es ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der "Kern"-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa, Yoruba, Igbo) durch Wanderungsbewegungen sowie aufgrund inter-ethnischer Heirat stattgefunden hat. So ist insbesondere eine starke Nord-Südwanderung, mit den sichtbaren Zeichen von vielen neuen Moscheen, feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖBA 7.2014).

Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten ohne ein solches soziales Netz , erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 3.12.2015).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- UKHO – United Kingdom Home Office (10.8.2016): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, www.ris.bka.gv.at Seite 35 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 29.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 2.8.2016

19.1. Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

Im "Sheriffs and Civil Process Act” Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 7.2014).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

IOM erstellte in Zusammenarbeit mit der Regierung eine Displacement Tracking Matrix (DTM), damit nationale und staatliche Akteure ein umfassendes System für die Erfassung und Verbreitung von Daten über die Binnenvertriebenen herstellen können (IOM 1.5.2015; vgl. IDMC 31.12.2015). Die DTM-Teams bestehen aus Vertretern der National Emergency Management Agency (NEMA) und State Emergency Management Agency (SEMA). Es wird von USAID, ECHO und NEMA finanziert. Die meisten IDPs, die vom DTM erfasst wurden, leben bei Aufnahmegemeinden, Freunden und Verwandten, oder in Mietshäusern. Die Daten zeigen, dass 86,46 Prozent in Aufnahmegemeinden und 13,54 Prozent in Lagern leben. Das DTM-Projekt wird derzeit in 13 nigerianischen Bundesstaaten durchgeführt. Laut dem letzten DTM-Bericht gibt es in Nigeria 2.066.783 IDPs aus den Gegenden Adamawa, Bauchi, Benue, Borno, Gombe, Kaduna, Kano, Nasarawa, Plateau, Taraba, Yobe und Zamfara (IOM 1.7.2016). 1.808.021 IDPs (87,5 Prozent der gesamten nigerianischen IDPs) sind aufgrund von Unruhen geflohen (IOM 30.6.2016). Die DTM-Ergebnisse zeigen, dass 55 Prozent der IDPs im Nordosten Nigerias Kinder sind. 53 Prozent der IDPs sind Frauen und Mädchen (IOM 6.2015).

Mit Stand Juli 2016 sind 663.485 IDPs und Flüchtlinge in Askira/Uba () und sieben LGAs des Adamawa State zurückgekehrt. In diese Zahl sind 40.707 also 7,33 Prozent nigerianische Flüchtlinge aus Tschad, Niger und Kamerun mitberechnet (IOM 7.2016).

Die Notwendigkeit für sofortige humanitäre Hilfe verschärfte sich weiter, da das nigerianische Militär mehr Gegenden, die zuvor von Boko Haram kontrolliert wurden, im Bundesstaat Borno befreien konnte. Zwei weitere LGAs sind im Borno State nun zugänglich, was die Zahl der zugänglichen LGAs auf 17 der insgesamt 27 LGAs bringt (IOM 30.6.2016).

Im Jahr 2015 hatten das IKRK genug Nahrungsmittel für drei Monate an 538.000 IDPs in Adamawa, Borno, Gombe, Yobe, Plateau und Edo ausgeteilt. Während des Jahres 2015 hat das IKRK 1.400 Witwen in Maiduguri mit Gutscheinen für Nahrung ausreichend für sechs Monate versorgt (ICRC 1.2.2016).

Für Vertreibungen gibt es in Nigeria zahlreiche Ursachen: Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen; die Reaktionen der Regierung sind ungleich und vom betroffenen Bundesstaat abhängig. Die National Commission for Refugees, Migrants, and Internally Displaced Persons (NCRMIDP) hat aber nicht www.ris.bka.gv.at Seite 36 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlinge und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 13.4.2016). Die zuständige Behörde ist die NCRMIDP und die NEMA. NEMA leitete die IDP-Reaktion der Regierung und war weitgehend für die Betreibung der IDP-Lager in mehreren Bundesstaaten verantwortlich. Die Bundesregierung hatte keine Integrationsprogramme und keine Planungen für die Umsiedlung der IDPs in sichere Gebiete des Landes. Ende August 2015 erklärte NEMA, dass sich der Status seiner Intervention im Nordosten des Landes von Soforthilfe auf Rehabilitation, Wiederaufbau und Wiederherstellung geändert hat. NGOs standen dieser Ankündigung kritisch gegenüber, da sie diese als verfrüht ansehen, weil die meisten Gebiete unsicher seien und keine Dienstleistungen verfügbar wären. Laut UNHCR beherbergt Nigeria etwa 1.300 Flüchtlinge (einschließlich über 1.100 städtische Flüchtlinge) und über 900 Asylwerber. Die Personen stammen hauptsächlich aus DR Kongo, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Elfenbeinküste, Togo, Mali, Sudan und Guinea. Einigen hunderten weiteren Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

- ICRC – International Committee of the Red Cross (1.2.2016): Nigeria: Facts and figures, 2015, https://www.icrc.org/en/document/nigeria-facts-and-figures-2015, Zugriff 14.7.2016

- IDMC – Internal Displacement Monitoring Centre (31.12.2015): Nigeria IDP Figures Analysis, http://www.internal-displacement.org/sub-saharan-africa/nigeria/figures-analysis, Zugriff 14.7.2016

- IOM – International Organization for Migration (7.2016): IDPs and Refugees Return Assessment, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Nigeria%20return%20IOM.pdf, Zugriff 27.7.2016

- IOM – International Organization for Migration (1.7.2016): Nearly 1.7 Million Displaced in Northeast Nigeria: IOM, https://www.iom.int/news/nearly-17-million-displaced- northeast-nigeria-iom, Zugriff 14.7.2016

- IOM – International Organization for Migration (30.6.2016): Displacement Tracking Matrix | DTM | Round 10 Report - June 2016, http://reliefweb.int/report/nigeria/displacement-tracking-matrix-dtm-round-10-report-june-2016, Zugriff 1.8.2016

- IOM – International Organization for Migration (1.5.2015): Nigeria, http://nigeria.iom.int/over-14-million-now-displaced-six-states-northeast-nigeria, Zugriff 14.7.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.htmlZugriff 2.8.2016

- USDOS – U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/306263/443535_de.html, Zugriff 2.8.2016

21. Grundversorgung/Wirtschaft

Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen, die seit zwei Jahren stark zurückgegangen sind (AA 5.2016). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US- Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 6.2016c).

Seit 2014 gilt Nigeria als die größte Volkswirtschaft Afrikas. Laut einer im April 2014 veröffentlichten Statistik des National Bureau of Statistics (NBS) übertraf Nigeria das Bruttoinlandsprodukt Südafrikas (GIZ 6.2016c; vgl. www.ris.bka.gv.at Seite 37 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

AA 5.2016). Die zentralen Treibkräfte der nigerianischen Wirtschaft, die als Grundlage dieser Berechnung dienten, sind – neben der Ölindustrie - die Unterhaltungsindustrie (Nollywood), die Informationstechnologie und der Handel (GIZ 6.2016c). Mit einem Wachstum des BIP von mehr als 6 Prozent im Jahr gehört Nigeria zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften des Kontinents (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5.2016).

Nigeria ist der zehntgrößte Erdölproduzent der Welt und der größte Erdölproduzent Afrikas. Über 70 Prozent der Staatseinnahmen und 90 Prozent der Exporterlöse stammen aus der Erdöl- und Erdgasförderung. Neben den Erdöl- und Erdgasvorkommen verfügt Nigeria über umfangreiche natürliche Ressourcen (z.B. Zinn, Eisen-, Blei- , und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine und Posphat), die gesamtwirtschaftlich gesehen jedoch von geringer Bedeutung sind (GIZ 6.2016c).

Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 5.2016). Der Sektor erwirtschaftete 2013 etwa 35,4 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 6.2016c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 5.2016).

Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft – mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 5.2016). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 6.2016c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde – durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 5.2016). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 7.2014).

Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 24,9 Prozent des BIP im Jahr 2014 aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 6.2016c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 6.2016c; vgl. AA 28.11.2014). Von den landesweit insgesamt 200.000 Straßenkilometer sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Die Eisenbahnlinie Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde 2013 mit chinesischer Hilfe modernisiert (GIZ 6.2016c).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2016). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2016; vgl. 3.12.2015) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz-) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert (AA 3.12.2015).

Über 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2016). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 6.2016b).

Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2014). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit (BS 2016). Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen www.ris.bka.gv.at Seite 38 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2016c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 3.12.2015).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 7.2014).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (5.2016): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges- amt.de/sid_3F520728A4894ACD7F861F33D62DF9E8/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeri a/Wirtschaft_node.html, Zugriff 13.7.2016

- BS – Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 13.7.2016

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.7.2016

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016c): Nigeria – Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung.html, Zugriff 13.7.2016

- IOM – International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe?func=ll&objId=16801531&objAction=Open&nexturl=%2Fmilop%2Fliv elink%2Eexe%3Ffunc%3Dll%26objId%3D16800759%26objAction%3Dbrowse%26viewType%3D1, Zugriff 13.7.2016

www.ris.bka.gv.at Seite 39 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

- TD – This Day (2.5.2016): PenCom DG: Monthly Pension Contribution Hits N25 Billion, http://www.thisdaylive.com/index.php/2016/05/02/pencom-dg-monthly-pension-contribution-hits-n25-billion/, Zugriff 13.07.2016

- TE – The Economist (25.10.2014): Fewer ghosts, more savings, http://www.economist.com/news/finance-and-economics/21627721-after-unpromising-start-nigeria- beginning-encourage-local-saving-and, Zugriff 12.6.2015

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

22. Medizinische Versorgung

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die

Koordination der Angelegenheiten in den medizinische Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).

Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die

Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von 20-50 Naira (0,1-0,25 Euro) ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 7.2014).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 13.7.2016). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 6.2016b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 7.2014).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). www.ris.bka.gv.at Seite 40 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 3.12.2015; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 3.12.2015). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 3.12.2015). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 3.12.2015). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 6.2016b). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 3.12.2015). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 3.12.2015). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 13.4.2016).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 3.12.2015). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 3.12.2015).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 3.12.2015).

Im Vergleich zu den anderen westafrikanischen Ländern hat sich Ebola in Nigeria nur begrenzt ausgebreitet. Insgesamt gab es 20 bestätigte Ebola-Fälle, 8 davon verliefen tödlich. Präsident Goodluck Jonathan erklärte in der UN-Vollversammlung vom 25. September 2014, dass Nigeria Ebola-frei sei. Damit hatte Nigeria bewiesen, dass das Ebola-Virus kontrollierbar ist. Am 20. Oktober 2014 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Nigeria offiziell für Ebola-frei. Nigeria gilt somit als Vorbild bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Ebola (GIZ 6.2016b).

Quellen:

www.ris.bka.gv.at Seite 41 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- AA – Auswärtiges Amt (13.7.2016): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 13.7.2016

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2015b): Nigeria – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.7.2016

- IOM – International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/1729790 5/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 13.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (22.1.2014): Nigeria: Psychiatrische Versorgung, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1391265297_document.pdf, Zugriff 13.7.2016

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.htmlZugriff 2.8.2016

- VN – VisitNigeria (14.9.2015): Nigeria Healthcare System – The Good and the Bad, http://www.visitnigeria.com.ng/nigeria-healthcare-system-the-good-and-the-bad/, Zugriff 13.7.2016

- WPA – World Psychiatric Association (o.D.): Association of Psychiatrists in Nigeria (APN), http://www.wpanet.org/detail.php?section_id=5&content_id=238, Zugriff 12.6.2015

23. Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 3.12.2015).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 3.12.2015). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return www.ris.bka.gv.at Seite 42 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die

Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33". Vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitskräfte Verdächtige misshandeln oder extra-legal töten, statt sie vor Gericht zu stellen, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass Polizei und Militär auch "Decree 33" noch als Legitimationsgrundlage für Repressalien sehen, trotz dessen offizieller Nichtanwendung (AA 3.12.2015). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 7.2014).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 3.12.2015).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

24. Dokumente und Staatsangehörigkeit

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Die Beantragung eines Passes bei den nigerianischen Passbehörden folgt nicht europäischen Standards. Es ist einfach, einen neuen Pass unter Vorlage eines nationalen, nicht auf Echtheit und inhaltliche Richtigkeit überprüften Dokuments (z.B. Geburtsurkunde) zu erhalten. Damit ist es für jede Person möglich, ihre wahre Identität zu verschleiern und mit gefälschten Personaldaten nach Europa zu gelangen (AA 3.12.2015). Infolge des Fehlens eines geordneten staatlichen Personenstandswesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden nicht möglich (ÖBA 7.2014).

Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch - inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014).

Die Verfassung knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt in Nigeria oder – im Ausland – an die Abstammung von einem nigerianischen Elternteil (Art. 25). Mit Dekret 69/92 vom 14.12.1992 wurde die Registrierung von Geburten der Nationalen Bevölkerungskommission (National Population Commission, NPC) übertragen. Die Registrierungspraxis ist landesweit unterschiedlich und weist zum Teil erhebliche Lücken auf (AA 3.12.2015). Es ist nicht vorgeschrieben, Geburten registrieren zu lassen (USDOS 13.4.2016). So wird www.ris.bka.gv.at Seite 43 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018 landesweit nur jede dritte Geburt ordnungsgemäß registriert. Der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit ist theoretisch möglich (Art. 29 der Verfassung), jedoch nur nach Registrierung durch den Präsidenten wirksam. Praktisch macht diese Durchführungsvorschrift den Verzicht unmöglich, da der Präsident die Registrierung nicht vornimmt und eine Delegierung auf eine andere staatliche Stelle nicht vorgesehen ist (AA 3.12.2015).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember- 2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

- ÖBA – Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

- USDOS – U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/322449/461926_de.html, Zugriff 7.7.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Konfession ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Befragung vor der belangten Behörde am 09.08.2017 und wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bestätigt.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Die Feststellungen zur Schulausbildung des Beschwerdeführers und seiner Tätigkeit auf der elterlichen Farm wurden aufgrund der übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und dem BVwG getroffen.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich bzw. zu seiner Familie in Nigeria beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer eine Partnerschaft mit einem Mann führt, basiert auf folgenden Überlegungen: Der Beschwerdeführer hat angegeben, seit ca. 1 Jahr mit einem österreichischen Staatsbürger namens "Nora" in einer Partnerschaft zu sein. Er war auf Nachfrage des Gerichts nicht in der Lage von seinem Partner den Nachnamen oder die Wohnadresse zu nennen. Darüberhinaus hat er auf Vorhalt der Richterin, dass in Österreich der Vorname "Nora" ein Frauennamen ist, angegeben, dass er auf Englisch "Bernhard" heiße, ihn seine Freunde aber "Nora" nennen würden.

Auffallend war zudem, dass er in der Verhandlung angegeben hat, seinen Freund vor einem Jahr in dem "Schwulenclub Sofa" kennengelernt zu haben. Vor der belangten Behörde am 09.08.2017 war er jedoch nicht in der Lage, der Behörde auch nur ein Lokal der Schwulenszene zu nennen, in welches er mit seinem Freund geht.

Die erkennende Richterin hat daher der Aussage des Beschwerdeführers, dass er mit einem Mann in einer Partnerschaft steht, keinen Glauben geschenkt. Im Übrigen schenkt das Gericht dem Vorbringen des Beschwerdeführers, homosexuell zu sein, keinen Glauben, wie unter Punkt 2.2. näher ausgeführt wird.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

www.ris.bka.gv.at Seite 44 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

2.2.1. Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Im gegenständlichen Fall war das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er homosexuell ist und deshalb in Nigeria Verfolgung ausgesetzt war, nicht glaubhaft. Dies aus den folgenden Erwägungen:

Zunächst hat der Beschwerdeführer die zeitliche Abfolge seiner Flucht bei sämtlichen Befragungen gänzlich unterschiedlich beschrieben:

Bei der Erstbefragung am 5.9.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass er im April 2015 sein Heimatland Nigeria verlassen habe. Er sei mit einem Lastwagen in den Tschad und von dort weiter nach Libyen, Tripolis, gereist. Er habe sich in Tripolis ca. zwei Monate aufgehalten, Ende August sei er dann in Italien, Lampedusa, angekommen. Das Camp in Lampedusa habe er nach einigen Tagen verlassen und er sei in die nächste Stadt, den Namen kenne er nicht, gegangen. Von dort habe ihn ein Schlepper mit dem Auto nach Österreich gebracht.

Vor der belangten Behörde gab er am 9.8.2017 dazu in Widerspruch an, dass er Nigeria zwischen 2001 und 2002 verlassen habe, er sei zuerst durch Benin durchgefahren und dann durch den Niger. Dann sei er in Libyen für ca. zwei Jahre und ein paar Monate aufhältig gewesen. In Italien sei er dann zwischen zwei und drei Jahren gewesen.

Vor dem BVwG gab der Beschwerdeführer hingegen an, Nigeria zwischen 2000 und 2002 verlassen zu haben und dann für ca. acht Jahre in Libyen gelebt zu haben. In Italien sei er nur einige Monate aufhältig gewesen. Was in den fehlenden 4-5 Jahren gewesen sei, dazu könne er keine Angaben machen. Er könne nur sagen, dass er sehr lange in Libyen gewesen sei.

Widersprüchlich waren auch die Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu seinen bisherigen Lebensgefährten in Nigeria. Der Beschwerdeführer hat dazu in der Verhandlung folgendes angegeben:

"RI: Und wann hatten Sie Ihre erste homosexuelle Beziehung?

BF: Ich hatte meine erste Beziehung zu einem Mann in Nigeria.

RI: Und wie alt waren Sie da?

BF: Wie gesagt, war ich über 15 Jahre alt, wie alt genau, kann ich nicht sagen.

RI: Wo haben Sie ihren Freund kennen gelernt?

BF: Wir haben uns an der Schule kennengelernt.

RI: Wie lange ging diese Beziehung?

BF: Angefangen hat die Beziehung in der ersten Klasse der Oberstufe der Mittelschule. Und dann haben wir in der dritten Klasse noch einmal begonnen. Wir haben ja am selben Ort gewohnt, uns aber immer heimlich getroffen - wegen der Situation in Nigeria.

RI: Hatten Sie danach noch weiter Beziehungen zu Männern in Nigeria?

BF: Ja, jaja. Nach Abschluss der Mittelschule ist das weitergegangen. Wir waren eine Gruppe von Freunden und wir mochten es nicht, wenn sich uns jemand anschließen wollte, sondern bleiben lieber unter uns.

RI: Und Ihr erster Freund, war er auch Teil dieser Gruppe?

BF: Ja, wir waren alle zusammen.

www.ris.bka.gv.at Seite 45 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

RI: Sie sprechen immer von einer Gruppe. Heißt das, nach der ersten Beziehung, hatten Sie keine speziellen Partner mehr?

BF: Ja, mein erster Freund war auch in der Gruppe und wir waren immer noch zusammen. Die anderen Leute haben uns gemieden, weil sie sagten, wir wären schwul.

RI: Ich bitte Sie, dass Sie meine Fragen beantworten! Von wann bis wann hatten Sie nunmehr Ihre erste Beziehung und hatten Sie danach noch andere fixe Lebensgefährten?

BF: Ich war mit ihm in der Mittelschule zusammen und danach waren wir beide auch zusammen, als wir Teil dieser Gruppe waren. Wir haben dort alles zusammen gemacht.

RI: Ich habe Sie gerade aufgefordert, dass Sie meine Fragen beantworten! Ich habe Sie nach Ihrem ersten Lebensgefährten gefragt, und ob Sie danach noch in einer weiteren Beziehung waren, nicht nach einer Gruppe.

BF: Ich hatte in Nigeria niemals Beziehungen mit anderen Männern, sondern nur mit diesem einen Freund.

RI Vorhalt: Oben haben Sie angegeben, dass Sie noch weitere Beziehungen in Nigeria hatten!

BF: Ja, Ihre Frage hat alles verkompliziert. Ich meinte, dass ich zusammen mit meinem Freund in der Gruppe war. Dort gab es noch andere Leute die zusammen waren."

Widersprüchlich war auch die Angabe des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 9.8.2017, wonach er die Namen der Personen, die in Nigeria verhaftet worden seien, nicht kenne. In der mündlichen Verhandlung gab er diesbezüglich an, dass auch sein ehemaliger Lebensgefährte, den er nach Aufforderung auch namentlich dem Gericht nannte, unter den Inhaftierten gewesen sei.

Äußerst unglaubwürdig erscheint auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer noch nicht einmal das Jahr nennen konnte, in welchem die Inhaftierung seiner Freunde stattgefunden habe und welche seinen Angaben zufolge Auslöser für seine Flucht nach Lagos und dann weiter nach Libyen und Europa gewesen sei.

Schließlich war der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage dem Gericht die gesetzliche Grundlage oder das angedrohte Strafmaß für die Vornahme von homosexuellen Handlungen in Nigeria zu nennen.

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen dem Gericht glaubhaft darzulegen, dass er tatsächlich homosexuell ist und aufgrund dessen in Nigeria Verfolgungshandlungen ausgesetzt war oder in Zukunft ausgesetzt sein wird.

Andere Gründe für seine Flucht aus Nigeria hat der Beschwerdeführer nicht angegeben.

2.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 19.08.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Diese Feststellungen beruhen auf den im Bescheid wiedergegebenen Länderinformationen und den dabei angeführten Quellen.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten; die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde wurden daher übernommen. Der Beschwerdeführer ist diesen Feststellungen weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde entgegen getreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

www.ris.bka.gv.at Seite 46 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, konnte der Beschwerdeführer dem Gericht nicht glaubhaft machen, dass er homosexuell ist und daher in Nigeria Verfolgung ausgesetzt war. Andere Gründe hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

www.ris.bka.gv.at Seite 47 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua.). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua.).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Nigeria 12 Jahre die Schule besucht und dann auf der elterlichen Farm mitgearbeitet.

Er wird sich daher auch bei einer Rückkehr nach Nigeria seinen Lebensunterhalt finanzieren können. Er hätte zumindest die Möglichkeit, wieder auf der elterlichen Farm mitarbeiten zu können. Außerdem hat er auch noch Verwandte in Nigeria, die ihn unterstützen können. So sind seine Eltern und seine Schwester in Nigeria aufhältig.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im www.ris.bka.gv.at Seite 48 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr iSd § 46a Abs. 1 Z 1 oder 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 04.09.2015 bis zum Datum der Entscheidung der belangten Behörde im August 2017 zwar eine gewisse Dauer. Der seit 04.09.2015 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Daher des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR www.ris.bka.gv.at Seite 49 von 50 Bundesverwaltungsgericht 01.02.2018

11.04.2006, 61.292/00, Useinov). Der Beschwerdeführer führt - wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung dargelegt - keine Lebensgemeinschaft oder eine "familienähnliche" Beziehung in Österreich.

Zwar hat der Beschwerdeführer in einem Zeitraum seines rund zweieinhalb jährigen Aufenthaltes entstandene – unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevante –Interessen, er weist jedoch keinerlei Sprachkenntnisse auf und hat auch keine maßgeblichen sozialen Beziehungen in Österreich. Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. zB. VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit seine persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 57 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG und § § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG abzuweisen war.

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Nach § 55 Abs. 2 FPG (2) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Solche besonderen Gründen wurden weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde vorgebracht, weshalb die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 55 FPG als unbegründet abzuweisen war.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2018:I404.2177694.1.00

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