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HSV „Poptown“, eine nach eigener Aussage „junge, aufstrebende Kraft“ innerhalb der Fanszene des Bundesligisten Hambur- ger SV, hat sich vorgenommen, sich zukünftig verstärkt um die Realisierung von Choreografi en zu kümmern. Den Anfang machte eine Akti- on beim Heimspiel gegen Bo- russia Dortmund in der AOL Arena. Dabei war auf einem Spruch- band ein leicht abgewandeltes Goethe-Zitat zu sehen: „Nie- mand wird gekrönt, ohne ge- kämpft zu haben!“ „Damit wollten wir unsere Mannschaft zum einen für die gute Leistung im letzten halben Jahr danken und zum anderen soll es ein Ansporn sein, damit die Saison mit dem Einzug in einen internationalen Wettbe- werb gekrönt werden kann“, heißt es dazu aus der Hambur- ger Gruppe. Hamburger SV – Fotos: Stadionwelt

FC Erzgebirge Aue – RW Erfurt Foto: Sven Söllner Aue Ein Spiel, zwei Aktionen, zwei Gruppen. Oben: Weil Erzgebir- ge Aue in den letzten drei Jah- ren nur fünf Heimspiele verlor, fühlten sich die Ultras Aue veranlasst, dem Ost-Rivalen aus Erfurt den Satz zu präsen- tieren, der in Aue immer gerne zitiert wird: „Hier regiert nur einer…“ Links: Eine Aktion auf der Ge- gengeraden von der 20 Fans umfassenden Gruppe „Muh- me Supporters Crew“ aus Lößnitz. Bei der Figur auf der Fahne handelt es sich um Alex FC Erzgebirge Aue – RW Erfurt Foto: Sven Söllner aus „Clockwork Orange“.

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Hannover 96 – FC Hansa Rostock Foto: Stefan Zwing/Deister-Pics

Hannover 96 – FC Hansa Rostock Foto: suptras.de / bwd94.de Rostock Die Idee für diese Rostocker Mottofahrt mit dem Titel „Fuß- ball, Fischen, Alkohol“, angelehnt an einen Song der Ruhrpott- Punk-Legende „Lokalmatadore“, kam vom Fanclub „Barmy Army“. Eigentlich gab es die Aktion schon durch den Fanclub „Mär- sche unter die Stadionordnung tyrer“ beim Hinrunden-Spiel in fällt, und ob diese eventuell Bielefeld. Da seinerzeit nur etwa sogar als Wurfgeschoss einge- zehn Fans mitmachten, wurde stuft werden müssen. Bei den die Idee erneut, dieses Mal im Ordnern herrschte hierüber Un- größeren Rahmen, umgesetzt. einigkeit. „Einige haben ihren Viele machten mit, erschienen Fisch nicht mit rein bekommen, im perfekten hanseatischen Out- bei anderen schaute der Kopf fi t: Friesennerz, Seemannshut, noch aus der Jacke raus, und Gummistiefel. Es stellt sich die es gab kein Probleme“, erklärt 1. FC Kaiserslautern – FC Hansa Rostock Foto: suptras.de / bwd94.de Frage, ob das Mitbringen toter Fi- Hansa-Fan Andreas Arens.

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FC Magdeburg – Hallescher FC Foto: Stefan Buhtz

Halle nen“ gerecht wurden und mit ei- Rot-Weiß Essen – MSV Duisburg Foto: Titgemeyer Rot-Weiß Essen – Wacker Burghausen Foto: Phil ner Vielzahl an Fackeln die halbe Gleich zwei Mal trafen in den Kurve in ein rotes Licht tauchten. Essen geprollt werden“, amusiert sich Andre Severin von den Ultras letzten Wochen die beiden Rund 450 Fans reisten zum Liga- Essen über die Reaktionen auf das Intro. Sachsen-Anhalt Rivalen aus Hal- Spiel in Magdeburg an. Wegen Zwar sind die Blockfahne und das Spruchband, das die Fans von Ähnlich derb, dafür aber sehr präzise ist auch das Abstiegs- le und Magdeburg aufeinander. der fl achen Ränge im Heinrich- Rot-Weiß Essen im Ruhrpott-Derby gegen den Rivalen MSV Duis- kampf-Motto der Essener Fans. Das Banner mit der Aufschrift Beim Heimspiel im FSA-Pokal Germer-Stadion ist die Zettelcho- burg zeigten, nicht ganz jugendfrei, aber dafür sieht die Zeich- „Absteigen? Arschlecken!“ wird nun schon seit mehreren Spie- (rechts) zeigte der Hallenser An- reografi e nur schwer zu erken- nung aus, als hätte sie ein Siebenjähriger gemalt. len über den Zaun der Gegentribüne des Georg-Melches-Stadi- hang zunächst den willkürlichen nen. „Nur der HFC“ ergibt das „Wir haben das innerhalb von drei Stunden hergestellt. Es war ons gehalten. Ob sich die Spieler an die so drastisch formulier- Stadionverboten die rote Karte, Bild auf den Rängen“, „Nur rot, auch nicht unsere Absicht, etwas Großes und künstlerisch Wert- te Vorgabe ihrer treusten Anhänger halten, werden die nächsten bevor sie in während des Spiels nur weiß“ verkündet das Trans- volles auf die Beine zu stellen. Es sollte ja nur ein wenig rum- Wochen zeigen. ihren Ruf als „Extrem-Pyroma- parent am Zaun. Hallescher FC – FC Magdeburg Foto: Robin Koppelmann

VfL Bochum – FC Schalke 04 Foto: Ultras Gelsenkirchen Schalke Schalke-Fans beim Marsch KFC Uerdingen – Fortuna Düsseldorf Foto: Bastian Trojahn auf das Bochumer Ruhrstadi- on. Die Rekordbeteiligung von Uerdingen 3.000 Königsblauen kam auch deshalb zustande, weil wenige „Eigentlich war nur eine Aktion Tage zuvor beim Pokalspiel ge- geplant, im Endeffekt waren gen Hannover ein Spruchband es aber zwei bis drei“, sagt hing, dass mehr Leute erreich- Daniel Staude von den Ultras te, als die Aufrufe in den Foren: Krefeld, denn die 8.000 Papp- „Sa, 12.30 Uhr, BO-HBF“. tafeln, die Blockfahne und das Bei eben jenem Spiel zeigten die Spruchband sollten gleichzei- Schalker Anhänger dem DFB die tig (statt nacheinander) zu se- „rote Karte“. Ursprünglich hatte hen sein. „Blau und Rot, diese der Verband dazu aufgerufen, Farben werden niemals unter- ihm den Schiedsrichterskandal gehen“ ist der Text eines KFC- zu verzeihen und im Stadion grü- Songs und des auf dem Bild ne Karten verteilt. „Wir hatten nicht zu erkennenden Banners. noch ein paar rote Papptafeln Er drückt die Hoffnung der Uer- im Lager und nichts liegt näher, dinger Anhänger aus, denn ihr als diese für eben jene Aktion Club steht aktuell wieder ein- zu verwenden“, antworteten die KFC Uerdingen – Fortuna Düsseldorf Foto: Bastian Trojahn mal knapp vor der Insolvenz. FC Schalke 04 – Hannover 96 (DFB-Pokal) Foto: Stefan Zwing/Deister-Pics Ultras Gelsenkirchen.

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Rot-Weiß Essen – MSV Duisburg Foto: Titgemeyer Rot-Weiß Essen – Wacker Burghausen Foto: Phil Essen geprollt werden“, amusiert sich Andre Severin von den Ultras Essen über die Reaktionen auf das Intro. Zwar sind die Blockfahne und das Spruchband, das die Fans von Ähnlich derb, dafür aber sehr präzise ist auch das Abstiegs- Rot-Weiß Essen im Ruhrpott-Derby gegen den Rivalen MSV Duis- kampf-Motto der Essener Fans. Das Banner mit der Aufschrift burg zeigten, nicht ganz jugendfrei, aber dafür sieht die Zeich- „Absteigen? Arschlecken!“ wird nun schon seit mehreren Spie- nung aus, als hätte sie ein Siebenjähriger gemalt. len über den Zaun der Gegentribüne des Georg-Melches-Stadi- „Wir haben das innerhalb von drei Stunden hergestellt. Es war ons gehalten. Ob sich die Spieler an die so drastisch formulier- auch nicht unsere Absicht, etwas Großes und künstlerisch Wert- te Vorgabe ihrer treusten Anhänger halten, werden die nächsten volles auf die Beine zu stellen. Es sollte ja nur ein wenig rum- Wochen zeigen.

VfL Bochum – FC Schalke 04 Foto: Ultras Gelsenkirchen Schalke Schalke-Fans beim Marsch auf das Bochumer Ruhrstadi- on. Die Rekordbeteiligung von 3.000 Königsblauen kam auch deshalb zustande, weil wenige Tage zuvor beim Pokalspiel ge- gen Hannover ein Spruchband hing, dass mehr Leute erreich- te, als die Aufrufe in den Foren: „Sa, 12.30 Uhr, BO-HBF“. Bei eben jenem Spiel zeigten die Schalker Anhänger dem DFB die „rote Karte“. Ursprünglich hatte der Verband dazu aufgerufen, ihm den Schiedsrichterskandal zu verzeihen und im Stadion grü- ne Karten verteilt. „Wir hatten noch ein paar rote Papptafeln im Lager und nichts liegt näher, als diese für eben jene Aktion zu verwenden“, antworteten die FC Schalke 04 – Hannover 96 (DFB-Pokal) Foto: Stefan Zwing/Deister-Pics Ultras Gelsenkirchen.

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VfL Osnabrück – FC St. Pauli Foto: DV-Fabian Osnabrück es geregnet hat, war es sehr glitschig, weshalb wir sicherheitshalber einige Pappen ausgelegt haben.“ Die Beurteilung durch die ausfüh- Zum ersten Mal gab es Osnabrück eine „bewegliche“ Choreo, die vom rende Violet Crew fällt positiv aus: „Wir wissen jetzt, dass wir zukünf- Tribünendach aus gesteuert wurde. Dort hoch zu kommen, war nicht tig öfter so was machen können, und weil unser Verhältnis zum Verein leicht, denn zunächst mussten die fünf Fans über eine Leiter auf das aktuell sehr gut ist, werden wir wohl auch keine Probleme haben, das Toilettenhäuschen, dann erneut über eine Leiter auf das Dach. „Weil genehmigt zu bekommen.“

Braunschweig und der Chemnitzer FC haben nicht nur die aktuelle Ligazugehörigkeit gemeinsam. Auch die beiden Briefköpfe weisen Ähnlichkeiten auf. „Deutscher Meister 1967“ ist hier zu lesen. Braunschweig errang den Titel im Westen, , damals der FC Karl- Marx-Stadt, im Osten. „Der wahre Meister von ’67 trägt Blau-Gelb!“ meinen die Ultras Braunschweig. Wenig zufrieden waren sie, dass die Folienschals etwas zu früh und nicht zum Einlaufen hochge- halten wurden, „aber das klappt ja in den wenigsten Stadien; trotz- dem ergab es aber ein gutes Ge- samtbild“, heißt es hierzu. Eintracht Braunschweig – Chemnitzer FC Foto: Stadionwelt Bielefeld Um Bielefelds einzigen National- mitspieler Patrick Owomoyela rissen sich die Großclubs. Noch bevor sein Wechsel zu Werder Bremen feststand, forderten Bie- lefelder Fans per Spruchband sein Bleiben mit der Umdichtung des aktuellen Hits „Emanuela“ von „Fettes Brot“. Bis diese Fan- Lyrik kommerziell verwertet wur- de, dauerte es nicht lange. Durch ein Interview des Radio-Senders „Eins live“ wurden die HipHopper auf die Ostwestfalen-Version auf- merksam und sangen sie bald selber ein. Ein Heimspiel später hörten die DSC-Dichter dann ihre eigenen Zeilen über die Boxen im DSC – Hamburger SV Foto: )ö( Stadion.

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VfL Bochum – SC Freiburg Foto: Starczewski Bochum Der Dank an „Peter“ gilt nicht etwa dem VfL-Trainer Peter Neururer sondern, dem VfL-Spieler Peter Madsen. Der hatte eine Woche zuvor VfL Osnabrück – FC St. Pauli Foto: DV-Fabian seinem Dortmunder Gegenspieler das Knie in den Magen gerammt. Während die Bochumer Ostkurve ein Dankesspruchband anfertigte, Osnabrück es geregnet hat, war es sehr glitschig, weshalb wir sicherheitshalber quittierte das Frankfurter DFB-Sportgericht die Tätlichkeit mit einer einige Pappen ausgelegt haben.“ Die Beurteilung durch die ausfüh- vierwöchigen Sperre des Spielers wegen „krass sportwidrigen Verhal- Zum ersten Mal gab es Osnabrück eine „bewegliche“ Choreo, die vom rende Violet Crew fällt positiv aus: „Wir wissen jetzt, dass wir zukünf- tens.“ VfL Bochum – SC Freiburg Foto: Starczewski Tribünendach aus gesteuert wurde. Dort hoch zu kommen, war nicht tig öfter so was machen können, und weil unser Verhältnis zum Verein leicht, denn zunächst mussten die fünf Fans über eine Leiter auf das aktuell sehr gut ist, werden wir wohl auch keine Probleme haben, das Toilettenhäuschen, dann erneut über eine Leiter auf das Dach. „Weil genehmigt zu bekommen.“

Braunschweig Eintracht Braunschweig und der Chemnitzer FC haben nicht nur die aktuelle Ligazugehörigkeit gemeinsam. Auch die beiden Briefköpfe weisen Ähnlichkeiten auf. „Deutscher Meister 1967“ ist hier zu lesen. Braunschweig errang den Titel im Westen, Chemnitz, damals der FC Karl- Marx-Stadt, im Osten. „Der wahre Meister von ’67 trägt Blau-Gelb!“ meinen die Ultras Braunschweig. Wenig zufrieden waren sie, dass die Folienschals etwas zu früh und nicht zum Einlaufen hochge- halten wurden, „aber das klappt Werder Bremen – Olympique Lyonnais (Champions League-Achtelfi nale, Hinspiel) Foto: Redmann ja in den wenigsten Stadien; trotz- dem ergab es aber ein gutes Ge- samtbild“, heißt es hierzu. Eintracht Braunschweig – Chemnitzer FC Foto: Stadionwelt Bielefeld Um Bielefelds einzigen National- mitspieler Patrick Owomoyela rissen sich die Großclubs. Noch bevor sein Wechsel zu Werder Bremen feststand, forderten Bie- lefelder Fans per Spruchband sein Bleiben mit der Umdichtung des aktuellen Hits „Emanuela“ von „Fettes Brot“. Bis diese Fan- Lyrik kommerziell verwertet wur- Werder Bremen – VfL Bochum Foto: na-starowje.de Werder Bremen – VfL Bochum Foto: es97.net de, dauerte es nicht lange. Durch ein Interview des Radio-Senders Bremen – Bochum zugang Mohamed Zidan, zu sehen. Beim Aufenthalt im Ostkurven- „Eins live“ wurden die HipHopper saal nach dem Spiel versäumten sie nicht, Werder-Anhänger zu auf die Ostwestfalen-Version auf- Arabisches Flair in Norddeutschland. Die ägyptische Nationalfl ag- einem Gegenbesuch in Dänemark einzuladen. Im Gästeblock stell- merksam und sangen sie bald ge, die als Blockfahne in der Ostkurve des Weserstadion ausge- ten die Bochumer ihre Doppelhalter zu Beginn der 2. Halbzeit zu selber ein. Ein Heimspiel später rollt wurde, stammt nicht von Werder-Fans, sondern von Anhängern einem neuen Spruch zusammen: „Zu durch“ – ein Ausdruck aus hörten die DSC-Dichter dann ihre des dänischen Erstligisten FC Midtjylland. Diese waren extra per dem Bochumer Szenejargon, der so viel bedeutet wie zu kaputt/zu eigenen Zeilen über die Boxen im Bus angereist, um ihren Ex-Spieler, den Bremer Winterpausen-Neu- durch den Wind. DSC Arminia Bielefeld – Hamburger SV Foto: )ö( Stadion.

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100 Jahre Mainz 05 nerte die Haupttribüne an ehemalige Wappen und Vereinsnamen oder die „Legenden“-Tri- Zum Jubiläum organisierten die Fans nicht nur büne an bedeutende Momente, wie an den die aufwändigste Choreo, die der Bruchweg je einst nach einem verpassten Aufstieg am erlebt hat, sondern auch eine der perfekte- Boden zerstörten Präsidenten Harald Strutz. sten, die es bisher in Deutschland gab. Jede Beim Anblick der in Rot und Weiß getauch- Tribüne widmete sich hierbei einem anderen ten Ränge dürften die Tragik dieses Moments Aspekt der Clubhistorie. Beispielsweise erin- endgültig vergessen sein.

FSV Mainz 05 – FC Schalke 04 Foto: Stadionwelt

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