Steuern Und Entwicklung
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INFORMATIONSBROSCHÜRE STEUERN UND ENTWICKLUNG Wie die Steuerflucht die Entwicklung behindert – und was die Schweiz daran ändern kann Mark Herkenrath, Olivier Longchamp und Andreas Missbach Eine Informationsbroschüre von Alliance Sud und der Erklärung von Bern STEUERN UND ENTWICKLUNG © EvB_Alliance Sud_ Ju ni 2012 // 2 INHALT Übersicht – Was die Schweiz tun kann 3 1. Einleitung – Steuern und Entwicklung 4 2. Internationale Steuerflucht: Die Rolle der Schweiz 5 3. Doppelbesteuerungsabkommen 7 4. Einfache Steuerinformationsabkommen (TIEA) 9 5. Quellenbesteuerung – mit oder ohne Abgeltung 11 6. Automatischer Informationsaustausch 13 7. Steuervermeidung von Unternehmen 14 8. Steuern und Entwicklung: Die internationale Agenda 16 9. Fazit: Umsteuern! 18 ACHTUNG FACTSHEETS! Weiterführende Informationen und ein ausführliches Literaturverzeichnis zu den Themen dieser Broschüre finden Sie in unseren Online-Factsheets unter www.alliancesud.ch/de/ep/steuerpolitik oder www.evb.ch/factsheet steuern. IMPRESSUM Autoren: Mark Herkenrath, Olivier Longchamp und Andreas Missbach Herausgebende: Alliance Sud und Erklärung von Bern Zitation: Alliance Sud/Erklärung von Bern. 2012. Steuern und Entwicklung: Wie die Steuerflucht die Entwicklung behindert – und was die Schweiz daran ändern kann. Bern: Alliance Sud/Zürich: Erklärung von Bern. Juli 2012 Fotos: panos pictures Gestaltung: Clerici Partner Design, Zürich STEUERN UND ENTWICKLUNG © EvB_Alliance Sud_ Ju ni 2012 // 3 ÜBERSICHT – WAS DIE SCHWEIZ TUN KANN Durch die Steuerhinterziehung von Privatpersonen und die Steuervermei- dungspraktiken multinationaler Unternehmen fliessen jedes Jahr Milliarden- beträge aus den Entwicklungsländern ins Ausland ab. OECD-Schätzungen, auf die sich inzwischen auch der Bundesrat abstützt, beziffern diesen jährlichen Verlust auf rund 850 Milliarden Dollar. Das ist fast das 7-Fache der weltweiten öffentlichen Entwicklungs hilfe. Die vorliegende Broschüre zeigt auf, wie die Schweiz die Entwicklungsländer in ihrem wichtigen Kampf gegen die inter nationale Steuerflucht unterstützen kann und sollte. Automatischer Informationsaustausch: BürgerInnen seit 2005 einen Steuerrückbehalt. Damit Mittelfristig wird auch die Schweiz nicht umhin kom- fliessen sogar dann Steuereinnahmen an die betroffe- men, den automatischen Informationsaustausch zwi- nen Staaten zurück, wenn undeklarierte Vermögen in schen Steuerbehörden einzuführen. Sie sollte diesen der Schweiz trotz der erweiterten Amtshilfe unentdeckt Schritt allerdings nicht auf politisch einflussreiche bleiben. Eine vorsorgliche Quellenbesteuerung von Länder beschränken. Mit dem automatischen Infor- Zinseinnahmen und anderen Kapitalerträgen sollte des- mationsaustausch würden auch Steuersünder aus Ent- halb dringend auch den Entwicklungsländern angebo- wicklungsländern effektiv von ihrem Tun abgeschreckt. ten werden. In Ländern mit hoher Korruption oder un- Das Bankgeheimnis gegenüber neugierigen Nachbarn demokratischer Regierungsführung müssten die Erträge und Arbeitgebern hingegen bliebe genauso geschützt allenfalls in Entwicklungsfonds statt in die allgemeine wie in anderen Ländern. Staatskasse fliessen. Einfache Steuerinformationsabkommen (TIEA): Rückwirkende Besteuerung undeklarierter Vermögen: Auf dem Weg zum automatischen Informationsaus- Aus entwicklungspolitischer Sicht gibt es keinen ver- tausch sollte die Schweiz mit den Entwicklungsländern nünftigen Grund dafür, eine Quellensteuer auf zukünf- rasch die erweiterte Steueramtshilfe vereinbaren. Im tige Kapitalerträge mit einer Abgeltungsklausel zu ver- April 2012 hat sich der Bundesrat erfreulicherweise sehen. Das gilt auch für Länder mit korrupten oder bereit erklärt, dies zukünftig nicht nur über komplexe diktatorischen Regimes. Hier würde die Anonymität, Doppelbesteuerungsabkommen zu tun, sondern auch welche die Schweizer Abgeltungssteuer vorsieht, vor über einfache Steuerinformationsabkommen (TIEA: Tax allem Elitezirkel schützen, die mit diesen Regimes Information Exchange Agreements). Diese Bereitschaft unter einer Decke stecken. Sinnvoll wäre allerdings sollte er nun zügig in die Praxis umsetzen. eine rückwirkende Besteuerung undeklarierter Vermö- gen aus der Vergangenheit. Eine solche rückwirkende Grosszügige Quellensteuersätze Besteuerung wird auch von der deutschen Opposition in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): gegen das Abgeltungssteuerabkommen unterstützt. Sie Die Schweiz sollte einfache TIEA entgegen der aktuel- sollte den Entwicklungsländern nicht vorenthalten len Praxis des Bundesrates auch jenen Entwicklungs- werden. ländern anbieten, mit denen bereits Doppelbesteue- rungsabkommen bestehen. Ausserdem sollte sie bei der Länderweise aufgeschlüsselte Konzernbilanzen Neuverhandlung von DBA darauf verzichten, auf eine (Country-by-Country Reporting): Senkung der Quellensteuersätze für firmeninterne Li- Multinationale Konzerne sollten ihre Gewinne dort ver- zenz- und Zinszahlungen der Schweizer Konzerne zu steuern, wo die Wertschöpfung tatsächlich stattfindet drängen. Solche Quellensteuern bringen den Entwick- und sie für ihre Produktion staatlich finanzierte Infra- lungsländern dringend benötigte öffentliche Einnah- struktur und Bildung in Anspruch nehmen. Um zu ver- men. Gleichzeitig bieten sie einen gewissen Schutz hindern, dass Konzerne ihre Gewinne stattdessen in die davor, dass multinationale Unternehmen überhöhte steuergünstigsten Schweizer Kantone verlagern, sollte konzerninterne Lizenz- und Zinszahlungen nutzen, um sich die Schweiz für eine länderweise Aufschlüsselung Gewinne ihrer Tochtergesellschaften in die steuergüns- der Konzernbilanzen einsetzen. Dies gilt insbesondere tigere Schweiz zu verlagern. gegenüber Unternehmen, die von besonderen staatli- chen Leistungen (z.B. Investitionsschutzabkommen oder Quellenbesteuerung undeklarierter Kapitalerträge: DBA) profitieren. Die steuerlichen Sonderregeln für Im Rahmen des Zinsbesteuerungsabkommens mit der Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften soll- EU erhebt die Schweiz auf die Zinseinkünfte von EU- ten abgeschafft oder stark eingeschränkt werden. STEUERN UND ENTWICKLUNG © EvB_Alliance Sud_ Ju ni 2012 // 4 1. EINLEITUNG – STEUERN UND ENTWICKLUNG Effektive internationale Entwicklungszusammenarbeit Jahren stagniert haben. Sie liegen heute im Durch- ist für die globale Armutsbekämpfung unabdingbar. Sie schnitt weiterhin bei rund 17 % (gegenüber durch- genügt aber nicht. Die Entwicklungsländer brauchen schnittlich 35 % bei den OECD-Ländern). In den meis- zusätzlich zur Hilfe aus dem Ausland auch dringend ten Ländern mit einem sehr tiefen Einkommen machen höhere eigene Steuereinnahmen. Nur so können sie die die Steuererträge sogar weniger als 15 % des BIP aus. nötigen einheimischen Mittel aufbringen, um die Fol- Das ist gemäss dem internationalen Währungsfonds zu gen des Klimawandels zu bewältigen und darüber hin- wenig, um auch nur die allernötigsten Staatsaufgaben aus nachhaltige soziale und wirtschaftliche Fortschrit- zu finanzieren.2 Während Industrieländer wie Deutsch- te zu erzielen. Das ist auch die Grundaussage des land fast 90 % der Staatseinnahmen aus Steuern bezie- Monterrey-Konsens der Vereinten Nationen, den die hen, sind es bei Uganda lediglich knapp 30 %. Schweiz im Jahr 2002 mitunterzeichnet hat. Der Hauptgrund, dass die Entwicklungsländer ihre Wie wichtig die Mobilisierung einheimischer Res- Staatseinnahmen über das letzte Vierteljahrhundert sourcen für die Entwicklungsfinanzierung ist, zeigt kaum steigern konnten, ist die Handelsliberalisierung. der African Economic Outlook 2010. Er kommt zum Sie hat zu massiven Einbussen bei den Importzöllen ge- Schluss, dass die Länder des südlichen Afrika innert führt. Öl exportierenden Ländern ist es inzwischen weniger Jahre rund vier Millionen zusätzliche Lehr- knapp gelungen, diesen Ausfall wichtiger Einnahmen kräfte einstellen müssten, um allen Kindern der Region durch zusätzliche Rohstoffsteuern wettzumachen, aber eine Grundausbildung zu gewährleisten. Solche wichti- eine nachhaltige Steigerung der Steuereinnahmen hat gen Staatsaufgaben lassen sich weder durch Privatin- auch hier nicht stattgefunden. Rohstoffarme Länder vestitionen noch alleine durch ausländische Entwick- hingegen haben den Ausfall nur bedingt kompensieren lungshilfe finanzieren. Forschungen des UN Millennium können, trotz der Einführung von Konsumsteuern, die Project haben ergeben, dass die Millenniumsentwick- tendenziell zu grösserer Einkommensungleichheit ge- lungsziele eine Verdoppelung der Ausgaben für Ar- führt haben. mutsbekämpfung, Bildung und Gesundheitswesen vor- Sollen die Steuereinnahmen der ärmeren Länder aussetzen. In den ärmsten Ländern wäre dafür eine weiter gesteigert werden, kommen dafür vor allem di- Erhöhung der Staatsausgaben (gemessen an der gesam- rekte Steuern in Frage: Einkommenssteuern für Privat- ten Wirtschaftsleistung) um mindestens 4 Prozentpunk- personen und Gewinnsteuern für inländische und aus- te notwendig.1 ländische Unternehmen. Häufig fehlen den lokalen Steuern sind also ein wichtiges Mittel zur autono- Behörden allerdings die nötigen finanziellen und perso- men Finanzierung von Entwicklung. Langfristig wer- nellen Kapazitäten, um wirksame Steuersysteme aufzu- den höhere Steuereinnahmen die Entwicklungsländer bauen und zu unterhalten. Entwicklungshilfe, die den dazu befähigen, sich aus der Abhängigkeit von der Aus- Ausbau der Steuerbehörden in ärmeren Ländern be- landhilfe und vom politischen Diktat einzelner Geber- zweckt, ist darum durchaus sinnvoll. Eine Studie der länder zu befreien. Ausserdem sind Steuern ein wichti- Oxford University