Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz

Kinderrechtekonvention im Wandel der Zeit – Chancen und Risiken der Digitalisierung

Vorgelegt von Tijana KLARIĆ

Beurteilt von Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.iur. Gerd Oberleitner am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen

Graz, am 30.03.2020

1 Ehrenwörtliche Erklärung

Ich, Tijana Klarić, erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der einge- reichten elektronischen Version.

30.03.2020 Unterschrift

2 Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die mich durch mein Studium und die Verfassung dieser Diplomarbeit begleitet, unterstützt und inspiriert haben.

An erster Stelle danke ich meiner Familie, insbesondere meiner Mutter und meinem Vater, die ihre eigenen Bedürfnisse oft zurückgestellt haben, um meiner Schwester und mir eine unbeschwerte und glückliche Kindheit, Schulzeit und Studienzeit zu er- möglichen. Nie wurde ich in eine Richtung gedrängt; stets durfte ich die Entschei- dungen für meine Zukunft selbst treffen. Vielen Dank dafür, Mama und Papa.

Insbesondere möchte ich mich auch bei meiner Schwester Andrea für ihren uner- schütterlichen Glauben in meine Fähigkeiten und ihre bedingungslose Unterstützung in allen Lebenslagen bedanken.

Ich danke meinen zwei wunderbaren Nichten, Annabella und Helena, die mich nicht nur zu diesem Thema inspiriert haben, sondern mich stets daran erinnern, wie wich- tig es ist, die Welt hin und wieder mit Kinderaugen zu sehen.

Schließlich möchte ich mich herzlich bei Herrn Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.iur. Gerd Oberleitner für die hilfreichen Anregungen im Zuge der Betreuung, seine Flexibilität und vor allem für die Möglichkeit danken, mich mit diesem überaus spannenden Thema auseinander setzen zu dürfen. Frau MMaga.phil. Bernadette Knauder E.MA danke ich für ihre freundliche Mitbetreuung, ihre äußerst nützlichen Ratschläge und Literaturtipps, welche maßgeblich zur erfolgreichen Erstellung dieser Arbeit beigetra- gen haben.

3 Inhaltsverzeichnis

1 Abkürzungsverzeichnis ...... 7 2 Einleitung ...... 9 3 Die UN-Kinderrechtekonvention ...... 11 3.1 Entstehungsgeschichte der Kinderrechte ...... 11 3.1.1 Frühes 20. Jahrhundert ...... 12 3.1.2 Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes ...... 12 3.1.3 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ...... 13 3.1.4 Erklärung der Rechte des Kindes ...... 13 3.1.5 Die internationalen Menschenrechtspakte von 1966 ...... 14 3.1.6 Übereinkommen über die Rechte des Kindes ...... 15 3.2 KRK im System des internationalen Menschenrechtsschutzes ...... 17 3.2.1 Kritik an der KRK ...... 17 3.2.2 Innovationen der KRK ...... 18 3.2.3 KRK als Mindeststandard ...... 19 3.3 Wesentlicher Inhalt der UN-Kinderrechtekonvention ...... 20 3.3.1 Konzeption und Begriff der Kindheit ...... 20 3.3.2 Grundprinzipien der KRK ...... 22 3.3.2.1 Diskriminierungsverbot (Art. 2 KRK) ...... 23 3.3.2.2 Vorrang des Kindeswohls (Art. 3 KRK) ...... 24 3.3.2.3 Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung (Art. 6 KRK) ...... 25 3.3.2.4 Recht auf Beteiligung (Art. 12 KRK) ...... 26 3.3.3 Kategorien von Kinderrechten ...... 27 3.3.3.1 Versorgungsrechte („Provision“) ...... 27 3.3.3.2 Schutzrechte („Protection“) ...... 28 3.3.3.3 Beteiligungsrechte („Participation“) ...... 28 3.3.4 Monitoring ...... 29 3.4 Andere relevante Dokumente ...... 30 4 Kinderrechte und Digitalisierung ...... 31 4.1 Digitales Zeitalter und Menschenrechte ...... 32 4.1.1 Entwicklungsoffenheit der Menschenrechte ...... 33 4.1.2 Strukturelle Transformation ...... 33 4.1.3 Chancen und Risiken der Digitalisierung ...... 34 4.1.3.1 Chancen ...... 34 4.1.3.2 Risiken ...... 36 4.2 Recht auf Zugang ...... 36

4 4.2.1 Rechtsgrundlagen ...... 37 4.2.2 Diskriminierungsfreier Zugang zur digitalen Welt? ...... 37 4.2.2.1 Kinder ohne Zugang ...... 38 4.2.2.2 Folgen des fehlenden Zugangs ...... 40 4.2.2.3 Internationale Initiativen und mögliche Lösungsansätze ...... 41 4.3 Recht auf Privatsphäre und Datenschutz ...... 43 4.3.1 Rechtsgrundlagen ...... 44 4.3.2 Online-Risiken für das Recht auf Privatsphäre ...... 47 4.3.2.1 Datensammlung, -analyse und -veräußerung an Dritte ...... 47 4.3.2.2 Individualisierte Werbung ...... 48 4.3.2.3 Verwendung biometrischer Daten ...... 50 4.3.2.4 Altersüberprüfung und Identitätspreisgabe ...... 51 4.3.2.5 Verschlüsselung und Gerätesicherheit ...... 52 4.3.2.6 Staatliche Überwachungsmaßnahmen ...... 53 4.3.2.7 Elterliche Kontrolle ...... 55 4.3.2.8 Reputationsrisiken online ...... 56 4.3.3 Empfehlungen für einen effizienten Schutz der Privatsphäre ...... 57 4.3.3.1 Digitalisierung und Territorialitätsprinzip ...... 58 4.3.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen ...... 58 4.3.3.3 Selbstbefähigung durch Digital Literacy ...... 59 4.3.3.4 Maßnahmen seitens Unternehmen ...... 60 4.3.4 Exkurs: Altersgrenze in der DSGVO ...... 60 4.4 Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit ...... 62 4.4.1 Rechtsgrundlagen ...... 63 4.4.2 Formen der Ausübung...... 64 4.4.3 Hürden für die Ausübung ...... 66 4.4.4 Spannungsfeld Meinungs- und Informationsfreiheit/Schutz und Sicherheit...... 68 4.4.4.1 Illegale und schädliche Inhalte ...... 68 4.4.4.2 Förderung von verantwortungsbewusstem Umgang ...... 70 4.4.4.3 Verhinderung radikalen Extremismus ...... 71 4.5 Recht auf Bildung und Digital Literacy ...... 72 4.5.1 Rechtsgrundlagen ...... 72 4.5.2 Digitale Medien und Bildung ...... 73 4.5.3 Digital Literacy ...... 76 4.6 Recht auf Schutz und Sicherheit ...... 78 4.6.1 Rechtsgrundlagen ...... 78 4.6.2 Ausgewählte Risiken online ...... 81 4.6.2.1 Cybermobbing ...... 81 4.6.2.2 Hate Speech ...... 83

5 4.6.2.3 Cyber Grooming und Sexting ...... 83 4.6.2.4 Sexueller Kindesmissbrauch ...... 84 4.6.3 Kinder- und Jugendschutz online ...... 86 4.6.3.1 Schutzmaßnahmen ...... 86 4.6.3.2 Modell des intelligenten Risikomanagements ...... 88 4.6.3.3 UN Strategie zur Bekämpfung von Hate Speech...... 88 5 Conclusio ...... 90 6 Literaturverzeichnis ...... 94 6.1 Monographien und Sammelwerke ...... 94 6.2 Artikel ...... 95 6.3 Dokumente und Materialien ...... 96 6.4 Internetquellen ...... 97 6.5 Judikatur ...... 103

6 1 Abkürzungsverzeichnis

2. FP-KRK 2. Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie Abs. Absatz AEMR Allgemeine Erklärung der Menschenrechte AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen Art. Artikel BBC British Broadcasting Corporation bzgl. Bezüglich bzw. Beziehungsweise ca. Circa DSGVO Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung [EU] 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezo- gener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG) EMRK Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) FBI Federal Bureau of Investigation gem. Gemäß GPS Global Positioning System GRC Grundrechtecharta (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) HIV Humanes Immundefizienz-Virus idR In der Regel insb. Insbesondere IP-Adresse Internetprotokoll-Adresse IPbpR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte IPwskR Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte iS Im Sinne iSd Im Sinne des

7 iVm In Verbindung mit KRA UN-Kinderrechtsausschuss (UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes) KRK UN-Kinderrechtekonvention (UN-Konvention über die Rechte des Kindes) lit. Littera mE Meines Erachtens NGO Non-Governmental Organization OECD Organization for Economic Cooperation and Development Rsp Rechtsprechung S. Satz u.a. Unter anderem UN UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization UNICEF United Nations International Children's Emergency Fund uU Unter Umständen v.a. Vor allem WHO World Health Organization WLAN Wireless Local Area Network WWW World Wide Web Z Ziffer z.B. Zum Beispiel

8 2 Einleitung

30 Jahre ist es bereits her, dass die UN-Kinderrechtekonvention (KRK) verabschie- det wurde. Seitdem hat sich unsere Lebenswelt tiefgreifend verändert. Informationen werden überwiegend digital verbreitet, Internetzugang ist quasi omnipräsent und Smartphones/Mobiltelefone sind aus dem täglichen Leben (auch von Kindern und Jugendlichen) kaum mehr wegzudenken.1 Unsere Kommunikation und unser Privat- leben finden immer häufiger im digitalen Raum statt. Der Prozess der Digitalisierung ist fest in all unsere Lebensbereiche integriert und wirkt sich auch auf die Ausübung von Kinderrechten sowie die Gestaltung eines wirksamen Kinderrechtsschutzes aus. Untrennbar mit diesen Entwicklungen sind unzählige kontroverse Debatten über die Auswirkungen der Digitalisierung verbunden: Ist sie ein Segen für die Menschheit oder eine Gefahr für die Privatsphäre jedes Einzelnen? Diese Diskussionen sind al- lerdings rein akademischer Natur. Denn „die Frage wird nicht sein, ob wir diese Ent- wicklung aufhalten können. […] Wir werden uns mit der digitalen Transformation auseinandersetzen müssen, die nicht nur Risiken, sondern auch Chancen bietet. Wir können resignieren oder gestalten.“2

Zweifellos bringt die Digitalisierung etliche Chancen mit sich und trägt zur Förderung von Kinderrechten bei (etwa durch die einfache Informationsbeschaffung im Internet). Andererseits sind mit der Digitalisierung auch Risiken und Gefahren für Kinder und Jugendliche verbunden (etwa das Risiko der Verletzung der Privatsphäre). Vor die- sem Hintergrund ist es erforderlich, die bestehenden Kinderrechte zeitgemäß im Lichte der Digitalisierung zu beleuchten.

Basierend auf dem oben Genannten stellt sich folgende Forschungsfrage, die im Zu- ge dieser Diplomarbeit beantwortet werden soll: . Wie können Kinderrechte vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisie- rung effektiv ausgeübt und gefördert werden und welche Gefahren birgt die Digitalisierung für den Schutz von Kinderrechten?

1 Vgl. Damen Juliane/Köhler Lena/Woodard Sean, The Human Right of Privacy in the Digital Age, Staat, Recht und Politik – Forschungs- und Diskussionspapiere, Bd. 3, Potsdam (Universitätsverlag Potsdam), 2017, 1. 2 Lutz Klaus, Digitale Kindheit, in: merz medien + erziehung, 02/2018, 34. 9 Des Weiteren werden folgende Vor- und Nebenfragen behandelt: . Wie sind die Kinderrechte entstanden, welche Kinderrechte bestehen und wie sind diese im internationalen Menschenrechtssystem verankert? . Welche Entwicklungen, insb. inhaltlicher und struktureller Natur, bringt das di- gitale Zeitalter für Menschenrechte im Allgemeinen mit sich? . Wie kann ein effektiver Kinderrechtsschutz vor Gefahren, die sich für Kinder- rechte durch die Digitalisierung ergeben, sichergestellt werden?

Im ersten Teil der Arbeit (Kapitel „3 Die UN-Kinderrechtekonvention“) soll ein Über- blick über die UN-Kinderrechtekonvention gegeben werden. Zu diesem Zweck wird zunächst die Entstehungsgeschichte von Kinderrechten vom frühen 20. Jahrhundert bis hin zur Verabschiedung der Kinderrechtekonvention dar- gestellt. Danach wird erörtert, wie sich die Kinderrechtekonvention im internationalen Menschenrechtssystem einordnen lässt. Im Anschluss daran wird der wesentliche Inhalt der Kinderrechtekonvention erörtert. Die vier Grundprinzipien (Diskriminierungsverbot, Vorrang des Kindeswohls, Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung sowie Recht auf Beteiligung) sollen diskutiert sowie die Kinderrechte in drei Kategorien eingeteilt werden (Versorgungs-, Schutz- und Beteiligungsrechte). Schließlich werden die Monitoringmaßnahmen zur Überwa- chung der Einhaltung der KRK dargestellt.

Im zweiten Teil der Arbeit wird zunächst auf einer übergeordneten Ebene auf das Thema Digitalisierung und Menschenrechte und danach spezifisch auf ausgewählte Kinderrechte eingegangen (Kapitel „4 Kinderrechte und Digitalisierung“). Der Begriff „Digitalisierung“ wird geklärt sowie die Frage, inwieweit Menschenrechte als „Living Instruments“ einer Entwicklung offenstehen bzw. ob etwa die Festschrei- bung neuer Menschenrechte zweckmäßig sein könnte. Außerdem wird die sich voll- ziehende strukturelle Transformation (Verschiebung Akteure/Verantwortlichkeiten) im digitalen Zeitalter erörtert. Anschließend wird der Fokus auf fünf zentrale Kinderrechte gelegt, namentlich auf das Recht auf Zugang, auf Privatsphäre und Datenschutz, auf Meinungs- und Infor- mationsfreiheit, auf Bildung und Digital Literacy sowie auf Schutz und Sicherheit. Zu- nächst werden je Kapitel die Rechtsgrundlagen erörtert, d.h. die entsprechenden Bestimmungen der KRK dargestellt sowie – sofern vorhanden – korrespondierende

10 Bestimmungen in anderen Menschenrechtsabkommen. Danach werden je Rechts- norm ausgewählte, mit der Digitalisierung in Zusammenhang stehende Themenbe- reiche, punktuell behandelt.

Abschließend werden in der Conclusio (Kapitel „5 Conclusio“) die wesentlichen Er- kenntnisse zusammengefasst und die Auswirkungen der Digitalisierung, positiver sowie negativer Natur, auf die besprochenen Kinderrechte final gegenübergestellt.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in dieser Arbeit bewusst Anglizismen und englische Ausdrücke verwendet werden, wenn diese gebräuchlicher sind als die deutsche Begrifflichkeit bzw. Übersetzung.

3 Die UN-Kinderrechtekonvention

3.1 Entstehungsgeschichte der Kinderrechte

“There can be no keener revelation of a society’s soul than the way in which it treats its children.”3

Die Beschäftigung mit Rechten von Kindern und Jugendlichen findet in größerem Ausmaß erst seit etwas mehr als 100 Jahren statt und ist somit ein verhältnismäßig junges Betätigungsfeld.4 Im Mittelalter war an Kinderrechte freilich noch nicht zu denken, standen doch Kinder (neben Dienstboten und Frauen) unter der „Muntgewalt“, also der Herrschaft des Va- ters.5 Doch bereits im beginnenden 18. Jahrhundert schufen Vertreter der Aufklärungsphi- losophie (u.a. Jean-Jacques Rousseau und Immanuel Kant) eine Basis für die späte- re Gewährung von spezifischen Kinderrechten, indem sie „das Kind als Subjekt und die Kindheit als einen natürlichen, förderungswürdigen, aber auch störanfälligen Zu- stand verstanden.“6 Dies führte allerdings noch nicht dazu, dass das Patriarchat als

3 Zitat von Nelson Mandela. 4 Vgl. Haslinger Markus, Bewirkt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes einen neuen völker- rechtlichen oder menschenrechtlichen Status des Kindes in Österreich? in: Rauch-Kallat Maria/Pichler Johannes W. (Hg.), Entwicklungen in den Rechten der Kinder im Hinblick auf das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Wien etc. (Böhlau Verlag), 1994, 55. 5 Vgl. Wapler Friederike, Kinderrechte und Kindeswohl, Hannover (Mohr Siebeck Tübingen), 2015, 74. 6 Ebd., 75. 11 solches in Frage gestellt wurde oder gar ausdrücklich Rechte für Kinder gefordert wurden.7 Erst Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich die gesellschaftspolitische Überzeugung durchgesetzt, dass die Kindheit eine besondere Entwicklungsphase ist, welche die Basis für das weitere Leben darstellt und damit die Notwendigkeit eines rechtlich verbindlichen Schutzes für Kinder und Jugendliche begründet.8

In den nächsten Unterkapiteln sollen besonders relevante Phasen der Kinderrechts- Entwicklung erörtert werden. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit ist es naturgemäß nicht möglich, sämtliche Dokumente zu behandeln, weshalb sich hier auf die wesentlichen konzentriert wird und lediglich eine ausgewählte und beispiel- hafte Darstellung der Inhalte erfolgt.

3.1.1 Frühes 20. Jahrhundert

Vereinzelte Übereinkommen, die den Schutz von Kindern betreffen, wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschlossen. In diesem Zusammenhang sind etwa das Haager Abkommen zur Regelung der Vor- mundschaft über Minderjährige von 1902, das Internationale Abkommen zur Be- kämpfung des Mädchenhandels von 1904, das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels von 1910 sowie die Internationale Konvention über die Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels von 1921 erwähnenswert.9

3.1.2 Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes

Ein bedeutender Grundstein für die Entwicklung der Kinderrechte wurde mit der Er- klärung über die Rechte des Kindes („Genfer Erklärung“) durch den Völkerbund im Jahr 1924 gelegt. Es handelt sich hierbei um das erste Dokument einer internationa- len Organisation, in dem Kinderrechte normiert werden.10 Zwar ist begrifflich noch nicht die Rede von Rechten, faktisch wird jedoch die Basis für die spätere (Weiter-)Entwicklung der Kinderrechte gelegt.11

7 Vgl. Wapler, Kinderrechte (2015), 75. 8 Vgl. Schmahl Stefanie, Kinderrechtskonvention mit Zusatzprotokollen, Handkommentar, Würzburg (Nomos Verlagsgesellschaft), 2. Aufl., 2017, 41. 9 Vgl. ebd., 45. 10 Vgl. Van Bueren Geraldine, The International Law on the Rights of the Child, Dordrecht (Martinus Nijhoff Publishers), 1995, 6. 11 Vgl. Wapler, Kinderrechte (2015), 79. 12 Im Gegensatz zu den oben genannten Abkommen mit jeweils sehr speziellem Schutzbereich werden in der Genfer Erklärung fünf allgemeine Leitlinien formuliert. Diese sind inhaltlich von der Nachkriegszeit des ersten Weltkriegs beeinflusst und dementsprechend thematisch beschränkt12 (wie etwa der Schutz vor Hungersnot, Ausbeutung oder Vernachlässigung). Die Genfer Erklärung gesteht dem Kind keine aktive Rolle in Form von eigenen sub- jektiven Rechten zu, sondern formuliert vielmehr, welche Verpflichtungen Erwachse- ne im Umgang mit Kindern treffen.13 Sie richtet sich vornehmlich individuell an „jeden Mann und jede Frau“ und lediglich in einem Zusatz zur Erklärung auch an die Staa- ten.14 Die Genfer Erklärung blieb überdies rechtlich unverbindlich. Diese Umstände schmälern jedoch keineswegs die Bedeutung der Erklärung, handelt es sich doch, wie bereits erwähnt, um das erste Dokument, in dem allgemeine Leitlinien zum Kin- der- und Jugendschutz formuliert und international anerkannt wurden.

3.1.3 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) wurde 1948 von der Gene- ralversammlung der UN verabschiedet und enthält an sich keine speziellen Rechte für Kinder, sondern leiten sich diese vielmehr aus den entsprechenden Rechten der Eltern ab.15 Art. 25 AEMR garantiert Mutter und Kind besondere Unterstützung sowie die Gleichbehandlung von ehelichen und unehelichen Kindern. Art. 26 AEMR formu- liert das Recht auf Bildung. Die Eltern (und nicht etwa die Kinder selbst) haben das Recht zu entscheiden, welche Bildung ihre Kinder genießen dürfen.

3.1.4 Erklärung der Rechte des Kindes

Die UN-Erklärung der Rechte des Kindes wurde durch die Generalversammlung der UN im Jahr 1959 verabschiedet. Als Basis für die UN-Erklärung gilt die Genfer Erklä- rung, wobei entgegen anfänglicher Planung erstere nicht bloß eine Überarbeitung der letzteren, sondern die UN-Erklärung aufgrund des Umfangs der Ergänzungen als eigenständiges Dokument anzusehen ist.16

12 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 45. 13 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 7f. 14 Vgl. Dorsch Gabriele, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, Berlin (Duncker & Humblot GmbH), 1994, 31. 15 Vgl. Wapler, Kinderrechte (2015), 80. 16 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 46. 13 Konkret werden die folgenden Rechte normiert:  Recht auf körperliche, psychische und gesellschaftlich gesunde und normale Entwicklung (Art. 2)  Recht auf einen Namen und eine Staatsbürgerschat (Art. 3)  Recht auf soziale Sicherheit, Ernährung, Unterbringung, Erholung und medizi- nische Betreuung (Art. 4)  Recht auf besondere Behandlung für Kinder mit Beeinträchtigungen (Art. 5)  Recht auf elterliche und staatliche Fürsorge (Art. 6)  Recht auf Bildung und Spiel (Art. 7)  Recht auf primäre Schutzgewährung (Art. 8)  Schutz vor Vernachlässigung, Grausamkeit und Ausbeutung sowie vor Kin- derarbeit (Art. 9)  Schutz vor Diskriminierung (Art. 10)

Bemerkenswert ist, dass sich nun – wenn auch nur in Ansätzen – ein Paradigmen- wechsel dahingehend abzeichnet, dass das Kind als subjektiver Träger eigener Rechte verstanden wird und nicht mehr als bloßes Schutz- und Fürsorgeobjekt.17 Erstmals wird auch begrifflich von Rechten gesprochen.18 Trotz dieser Entwicklungen bleibt aber auch bei der UN-Erklärung der Rechte des Kindes der Fürsorgecharakter im Vordergrund. Das (ebenso wie die Genfer Erklärung) rechtlich unverbindliche Do- kument richtet sich wiederum primär individuell an Eltern und sonstige Erziehungsbe- rechtigte und nur sekundär an die Staaten, erzeugt aber durchaus einen gewissen gesellschaftspolitischen und moralischen Druck, da es einstimmig von der UN- Generalversammlung angenommen wurde.19

3.1.5 Die internationalen Menschenrechtspakte von 1966

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und der In- ternationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) wurden 1966 von der Generalversammlung der UN in Ergänzung zur und als Weiterentwick- lung der AEMR verabschiedet. Die Pakte enthalten – genauso wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – Rechte, die für alle Menschen gelten, somit auch

17 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 46. 18 Vgl. Wapler, Kinderrechte (2015), 80. 19 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 12. 14 für Kinder. An einigen Stellen der Pakte finden sich aber ausdrücklich auf Kinder und Jugendliche bezogene Rechte:20  Verbot der Todesstrafe für Kinder/Jugendliche unter 18 Jahren (Art. 6 Abs. 5 IPbpR)  Recht auf getrennte Unterbringung von jugendlichen Beschuldigten von Er- wachsenen sowie rasche Urteilsfindung (Art. 10 Abs. 2 lit. b IPbpR)  Verbot der öffentlichen Verkündung von Straf- oder Zivilurteilen, wenn die In- teressen des Jugendlichen dem entgegenstehen (Art. 14 Abs. 1 IPbpR)  Recht der Kinder auf Schutz bei Eheauflösung der Eltern (Art. 23 Abs. 4 S. 2 IPbpR)  Schutz von Kindern vor Diskriminierung sowie ein Recht auf Name und Staatsangehörigkeit (Art. 24 IPbpR)  Schutz vor Ausbeutung (Art. 10 Abs. 3 IPwskR)  Recht auf gesundheitliche Maßnahmen zur Senkung der Kindersterblichkeit, der Zahl der Totgeburten sowie zur Förderung der gesunden Entwicklung des Kindes (Art. 12 Abs. 2 lit. a IPwskR)  Recht auf Bildung (Art. 13 IPwskR)

Im Gegensatz zu den oben genannten Erklärungen, sind die beiden UN-Pakte völ- kerrechtlich verbindlich und somit ein weiterer Schritt für die positive Weiterentwick- lung der Kinderrechte.

3.1.6 Übereinkommen über die Rechte des Kindes

Bereits Ende der 1970er Jahre wurde eine Diskussion über eine mögliche „Umwand- lung“ der Erklärung der Rechte des Kindes in eine rechtsverbindliche Konvention angestoßen („First Polish Draft“). Dieses Ansinnen wurde von den osteuropäischen Staaten sowie den Entwicklungsländern durchaus befürwortet. Dagegen sprachen sich vor allem die westlichen Staaten aus, welche eine bloße Übernahme in eine Konvention als nicht zweckdienlich und als Rückschritt in Bezug auf die Menschen- rechtsentwicklung ansahen.21 Der polnische Entwurf scheiterte und so wurden die folgenden zehn Jahre intensiv in den Ausarbeitungsprozess einer Konvention für Kinderrechte investiert. Betrachtet

20 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 35; Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 47; Vgl. Wapler, Kinderrechte (2015), 81f. 21 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 53ff. 15 man den Entstehungszeitraum anderer, thematisch beschränkter, Konventionen (wie etwa die Folterkonvention oder die Konvention gegen die Diskriminierung der Frau), so sind zehn Jahre ein durchaus enger Zeitrahmen für ein derartig universelles Re- gelwerk.22 Am 20. November 1989 wurde das Übereinkommen über die Rechte des Kindes schließlich von der Generalversammlung der UN verabschiedet und trat (bereits) am 2. September 1990 nach Hinterlegung der 20. Ratifikationsurkunde in Kraft. Die KRK gilt als das erste universelle Kinderrechtsinstrument und enthält einen brei- ten Katalog an Rechten für Kinder.23 Erstmalig werden der Vorrang des Kindeswohls normiert und dem Kind autonome Rechte zugestanden (wie etwa die Meinungs- und Informationsfreiheit in Art. 13 KRK oder die Glaubensfreiheit in Art. 14 KRK). Eine weitere Besonderheit ist auch die kindliche Partizipation, welche in allen für das Kind relevanten Angelegenheiten normiert wird (Art. 12 KRK). Der Perspektivenwechsel vom Kind als reines Schutzobjekt hin zum Zugeständnis eigener autonomer Rechte, welcher sich im Laufe der Entwicklung immer mehr ab- gezeichnet hat, ist nun in der KRK vollzogen.24 Die KRK ist insofern ein Erfolgspro- jekt, als sie mit 196 Staaten25 das meistratifizierte Menschenrechtsübereinkommen bis dato ist.26 Der Tag der Verabschiedung der KRK wird jährlich als Internationaler Tag der Rechte des Kindes am 20. November gefeiert.27 Die Kinderrechtekonvention und ihre Grundprinzipien werden im Kapitel „3.3 Wesent- licher Inhalt der UN-Kinderrechtekonvention“ eingehend behandelt.

Im Jahr 2002 traten gleich zwei ergänzende Fakultativprotokolle zur KRK in Kraft und zwar das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes be- treffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten sowie das Fakultativ- protokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie.28 Einerseits sollte

22 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 90. 23 Vgl. Haslinger Markus, Bewirkt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes einen neuen völker- rechtlichen oder menschenrechtlichen Status des Kindes in Österreich? (1994), 66; Zum persönlichen Anwendungsbereich der KRK siehe Kapitel „3.3.1 Konzeption und Begriff der Kindheit“. 24 Vgl. Wapler, Kinderrechte (2015), 82. 25 Die KRK wurde von den USA zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. 26 Vgl. Benedek Wolfgang (Hg.), Menschenrechte verstehen, Handbuch zur Menschenrechtsbildung, Wien – Graz (NWV Neuer Wissenschaftlicher Verlag), 2017, 303. 27 Vgl. ebd., 305. 28 Vgl. UN General Assembly Resolution, Optional protocols to the Convention on the Rights of the Child on the involvement of children in armed conflict and on the sale of children, child prostitution and child pornography (2001), A/RES/54/263. 16 der Schutz von Kindersoldaten (Art. 38 KRK) verbessert werden, andererseits sollte durch die Erweiterung der Art. 34 und 35 KRK insb. auf die zunehmende Kinderpros- titution sowie Verfügbarkeit von Kinderpornographie (auch im Internet) reagiert wer- den. Das (vorerst) letzte Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend ein Mitteilungsverfahren trat im Jahr 2014 in Kraft. 29 Dieses schließt eine Lücke, war es nämlich bis dahin nicht möglich, Verletzungen der Kon- vention bei einem internationalen Gremium zu adressieren.30 Unter bestimmten Vo- raussetzungen ist nun eine direkte Beschwerde an den UN-Kinderrechtsausschuss (KRA) zulässig. Aktuelles Beispiel für die Inanspruchnahme dieses Verfahrens ist die „Fridays For Future“ Bewegung. Gemeinsam mit 15 anderen Kindern und Jugendlichen hat Greta Thunberg eine Beschwerde beim UN-Kinderrechtsausschuss eingelegt, da die Staa- ten keine geeigneten Maßnahmen treffen, um den voranschreitenden Klimawandel einzudämmen.31 Der Ausgang des Verfahrens bleibt vorerst noch abzuwarten, der gesellschaftliche Diskurs und die politische Diskussion sind jedenfalls bereits als Er- folg für die Förderung der Durchsetzung von Kinderrechten zu verzeichnen.

3.2 KRK im System des internationalen Menschenrechtsschutzes

In diesem Kapitel soll nun untersucht werden, wie sich die KRK in das Gefüge der bestehenden UN-Menschenrechtsinstrumentarien einfügt.

3.2.1 Kritik an der KRK

Einerseits werden in der KRK einige Menschenrechte normiert, die bereits in ande- ren Menschenrechtsverträgen identisch oder ähnlich enthalten sind (etwa: das Recht auf Leben und Entwicklung in Art. 6 der KRK und Art. 6 des IPbpR, der Schutz der Privatsphäre in Art. 16 der KRK und Art. 17 des IPbpR oder das Recht auf Bildung in Art. 28 Abs. 1 KRK und Art. 13 IPbpR). Außerdem wurden gewohnheitsrechtlich ver-

29 Vgl. UN General Assembly Resolution, Optional Protocol to the Convention on the Rights of the Child on a communications procedure (2012), A/RES/66/138. 30 Vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft, Handbuch Asyl und Rückkehr, Artikel 2: Die UN- Kinderrechtskonvention (KRK), https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/asyl/verfahren/hb/a/hb-a2- d.pdf (18.12.2019), 4. 31 Vgl. UNICEF, Kinderrechtsbeschwerde: Wie es geht und was es bringt, https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/kinderrechtsbeschwerde-un-greta-thunberg/199594 (18.12.2019). Gestützt ist die Beschwerde auf einer möglichen Verletzung des Rechts auf Leben und Entwicklung (Art. 6 KRK) und des Rechts auf Gesundheit (Art. 24 KRK). 17 ankerte Menschenrechte in die KRK übernommen (etwa das Verbot des Sklaven- handels in Abwandlung als Verbot des Kinderhandels in Art. 35 KRK oder das Fol- terverbot in Art. 37 lit. a KRK). Diese Doppelungen könnten, so manche Stimmen, möglicherweise zu einer Rechtsunsicherheit führen. Dem steht allerdings das Ziel und Selbstverständnis der KRK entgegen, als umfassendes Regelwerk für Kinder- rechte zu gelten, weshalb Duplizierungen in Kauf zu nehmen sind.32 Darüber hinaus entsteht eine ausdrückliche Klarstellung der Rechtsposition von Kindern und Jugend- lichen als Menschenrechtsträger33, die mE vor allem vor dem Hintergrund der patri- archalischen Historie und „Objektivierung“ sinnvoll und zweckmäßig scheint. Andererseits wurden einige Menschenrechte aus bedeutenden Menschenrechtsver- trägen nicht in die KRK übernommen. Es sind hier insbesondere das Recht auf Ar- beit sowie gerechte und günstige Arbeitsbedingungen (Art. 16 und Art. 17 IPwskR) und die Bildung von und der Beitritt zu Gewerkschaften (Art. 22 Abs. 1 IPbpR) zu nennen. Vor dem Hintergrund, dass in vielen (auch westlichen Staaten) der Welt, Kinder schon sehr früh im Arbeitsleben stehen, scheint die Argumentation, dass die- se Themen für Kinder wenig Relevanz besitzen, nicht zu überzeugen. Als umfassen- des Schutzinstrument für Kinder und Jugendliche wäre es gerade Aufgabe der Kon- vention, auch arbeitende Kinder und Jugendliche zu schützen.34 Natürlich gelten die in anderen Menschenrechtsverträgen normierten diesbezüglichen Rechte auch für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen.35 Allerdings ist es mE dennoch unbefriedi- gend, dass angesichts des universellen Anspruchs gerade jene Rechte nicht explizit aufgenommen wurden.

3.2.2 Innovationen der KRK

Nichtsdestotrotz ist aber auch die Aufnahme einiger neu geschaffener Rechte zu verzeichnen, wie zum Beispiel das Recht auf eigene Identität (Art. 7 und 8 KRK), das Recht auf angemessene und regelmäßig überprüfte Unterbringungsmaßnahmen (Art. 25 KRK) sowie das Recht auf Wiedereingliederung und Genesung (Art. 39

32 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 49. 33 Vgl. Haslinger Markus, Bewirkt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes einen neuen völker- rechtlichen oder menschenrechtlichen Status des Kindes in Österreich? (1994), 66. 34 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 191. 35 Vgl. Haslinger Markus, Bewirkt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes einen neuen völker- rechtlichen oder menschenrechtlichen Status des Kindes in Österreich? (1994), 51f. 18 KRK).36 Besonders hervorzuheben ist das Recht auf die eigene Meinung und das Recht, in Verfahren gehört zu werden (Art. 12 KRK). Der Art. 12 KRK manifestiert nun, wie weiter oben bereits erwähnt, erstmalig (neben anderen partizipatorischen Rechten) das Recht auf Teilhabe und somit das Verständnis von Kindern als vollwer- tige Träger von Rechten, die an allen für sie relevanten Sachverhalten partizipieren dürfen. Diese partizipatorischen Rechte wurden in weiterer Folge auch in die EU- Grundrechtecharta aufgenommen (Art. 24 Abs. 1 GRC). Auch hier ist festgelegt, dass alle öffentlichen und privaten Institutionen die Meinung des Kindes entspre- chend berücksichtigen müssen.37 Durch die KRK wurden darüber hinaus einige bisher unverbindliche Regelungen für verbindlich erklärt. So sind zum Beispiel Teile der sogenannten „Beijing Rules“ (UN- Empfehlung für Rahmenbedingungen betreffend die Jugendgerichtsbarkeit) in Art. 40 KRK eingeflossen.38 Aber auch die Rechte von beeinträchtigten Kindern waren vor Inkrafttreten der KRK39 (Art. 23 KRK) lediglich in unverbindlichen UN-Empfehlungen formuliert.40 Es wurden aber durch die KRK nicht nur gänzlich neue Regelungen geschaffen, sondern auch bereits bestehende in ihrem Wirkungsbereich erweitert und weiterent- wickelt. Zu erwähnen ist hier etwa Art. 30 der KRK, in dem der bereits in Art. 27 des IPbpR gewährte Minderheitenschutz für ethnische, religiöse und sprachliche Minder- heiten um jene der Ureinwohner ergänzt wird. Der Art. 37 der KRK betreffend die Garantien im Strafverfahren für Kinder und Jugendliche ist etwa auch umfangreicher gestaltet als das Äquivalent in Art. 10 des IPbpR.

3.2.3 KRK als Mindeststandard

Ziel der KRK ist es, eine Art Mindeststandard für die Rechte von Kindern und Ju- gendlichen zu schaffen, bei der die Schranken nach oben hin offen sind.41 Der KRK kommt im Vergleich mit anderen Menschenrechtsverträgen bzw. nationalen Rege-

36 Vgl. Wyttenbach Judith, Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC), in: Pollmann Arnd/Lohmann Georg (Hg.), Menschenrechte, Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart (Springer- Verlag GmbH Deutschland), 2012, 317. 37 Vgl. Schmahl Stefanie in: Grabenwarter Christoph (Hg.), Europäischer Grundrechteschutz (En- zEuR), Bd. 2, Baden-Baden (Nomos Verlagsgesellschaft), 2014, § 15, Rn 104. 38 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 51. 39 Mit Inkrafttreten 2008 wurden die Rechte von Menschen mit Behinderungen umfassend im Überein- kommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie einem Fakultativprotokoll normiert. 40 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 16. 41 Vgl. Haslinger Markus, Bewirkt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes einen neuen völker- rechtlichen oder menschenrechtlichen Status des Kindes in Österreich? (1994), 64. 19 lungen keine Vorrangwirkung zu. Sie ist nicht als „lex specialis“ zu verstehen, son- dern lässt ausdrücklich günstigere Regelungen vorgehen (Art. 41 KRK) und bedeutet die Vorrangklausel somit gewissermaßen eine Art Günstigkeitsprinzip.42 Gegenteili- ges würde die KRK auch ad absurdum führen, da es unter Umständen zu einer Ver- schlechterung der Kinderrechte kommen würde (wo etwa bereits eine bessere recht- liche Stellung als in der KRK besteht).43

3.3 Wesentlicher Inhalt der UN-Kinderrechtekonvention

In diesem Kapitel werden zunächst der persönliche Anwendungsbereich der KRK sowie die wesentlichen materiellen Inhalte dargestellt. Insbesondere werden die Grundpfeiler der KRK in Form der vier Grundprinzipien sowie die drei Kategorien von Kinderrechten (im Englischen die „drei P der Kinderrechte“: Provision, Protection, Participation) erläutert. Den Abschluss bildet ein kurzer Abriss über das Monitoring der UN-Kinderrechtekonvention.

3.3.1 Konzeption und Begriff der Kindheit

Die UN-Kinderrechtekonvention beinhaltet neben einer Präambel insgesamt 54 Arti- kel, welche sich wiederum in drei Teile gliedern lassen. Der erste Teil umfasst die materiellen Rechte, der zweite die Umsetzungsbestimmungen, wie etwa die Ver- pflichtung zur Bekanntmachung, die Einsetzung eines Kinderrechtsausschusses so- wie die internationale Überwachung der KRK. Im dritten Teil werden Schlussbestim- mungen, welche für internationale Abkommen üblich sind (z.B. Unterzeichnung, Rati- fikation und Inkrafttreten), geregelt.

Bevor weiter auf den Inhalt einzugehen ist, ist freilich die Frage zu klären, wann Kin- der als Kinder im Sinne der KRK gelten. Zu diesem Zweck definiert Art. 1 KRK den persönlichen Anwendungsbereich.44 „Kindsein“ im Sinne der KRK beginnt grundsätzlich mit der Lebendgeburt, das unge- borene Kind ist daher nicht vom Anwendungsbereich der KRK umfasst. Ein Schutz von ungeborenem Leben ist weder dem Wortlaut des Übereinkommens zu entneh-

42 Vgl. Haslinger Markus, Bewirkt die UN-Konvention über die Rechte des Kindes einen neuen völker- rechtlichen oder menschenrechtlichen Status des Kindes in Österreich? (1994), 63. 43 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 50. 44 In dieser Arbeit werden aus Gründen des besseren Leseflusses die Begriffe Kind(er), Jugendli- che(r), Heranwachsende(r), etc. synonym verwendet und beziehen sich stets auf den persönlichen Anwendungsbereich der KRK. 20 men, noch in einer Auslegung desselben feststellbar.45 Diesbezüglich konnte im Ent- stehungsprozess keine Einigung erzielt werden. So wurde etwa argumentiert, dass mit Einbeziehung des ungeborenen Lebens das Recht auf Leben in Art. 6 KRK (bei- spielsweise durch Abtreibungen) oder andere Rechte verletzt werden könnten (etwa das Recht auf Gesundheit in Art. 24 KRK durch Drogenkonsum der Mutter während der Schwangerschaft, etc.). 46 Den Vertragsstaaten steht es allerdings frei, den Schutz bereits mit der Zeugung des Kindes entstehen zu lassen. Einige Vertrags- staaten haben bei der Ratifikation diesbezügliche Erklärungen abgegeben.47 Ein Kind ist entsprechend der KRK eine Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sofern nicht die Volljährigkeit nach nationalem Recht bereits frü- her eintritt. Somit ist das Ende der Kindheit vergleichsweise hoch angesetzt, was je- doch durch die Flexibilitätsklausel abgeschwächt wird. So tritt etwa in Nepal, Kirgis- tan oder dem Iran Volljährigkeit bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres ein.48

Die Zeit zwischen dem Beginn des „Kindseins“ und dessen Ende, also die Kindheit, wird in der KRK nicht in verschiedene Entwicklungsstufen (wie Säugling, Kleinkind, Schulkind oder Jugendlicher) eingeteilt. Daraus ist aber keineswegs zu schließen, dass die verschiedenen Entwicklungsphasen in der Konvention nicht berücksichtigt werden, im Gegenteil: Das in Art. 5 KRK verankerte Konzept der „Evolving Capaci- ties“ ist (neben dem Kindeswohl) ein wesentlicher Auslegungsgrundsatz der KRK49 und verpflichtet Eltern und andere Betreuungspersonen, Kinder bei der Ausübung der in der KRK verbrieften Rechte entsprechend ihrer Entwicklung angemessen zu begleiten und zu führen. Dieses Konzept sieht in der Ausübung der Kinderrechte die individuelle Entwicklungsstufe des Kindes und nicht etwa starre Altersgrenzen als wesentlich an.50 Das Konzept berücksichtigt, dass die Kindheit nicht eine universelle Erfahrung ist, sondern Kinder und Jugendliche vielmehr – je nach Entwicklung – ein unterschiedliches Maß an Schutz, Beteiligung und Versorgung benötigen.51 Je höher

45 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 64f. 46 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 33. 47 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 64f. 48 Vgl. ebd., 63. 49 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 45. 50 Vgl. UNICEF, Innocenti Inside, The Evolving Capacities of the Child, https://www.unicef- irc.org/publications/pdf/evolving-eng.pdf (18.12.2019), vii. 51 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 50. 21 der Grad der Reife, desto geringer ist das notwendige Ausmaß an elterlicher Beglei- tung und Führung.52 Auch der Kinderrechtsausschuss nimmt in verschiedener Weise Bezug auf die Ent- wicklung und die „Evolving Capacities“ des Kindes und bestätigt in einem seiner „General Comments“, dass diese bei der Auslegung und Anwendung der Konvention zu beachten sind.53 Außerdem legt der Kinderrechtsausschuss die Phase des Über- gangs von der Kindheit zum Erwachsenenalter mit etwa zehn bis 18 Jahren fest, was auch einen gewissen Orientierungsrahmen bietet.54 Der KRA betont überdies, dass mehrere seiner „General Comments“ Themen behandeln, die speziell Jugendliche betreffen. Als Beispiele nennt er Gesundheit und Entwicklung, die Jugendgerichts- barkeit sowie insbesondere den Umgang mit digitalen Medien. 55 Darüber hinaus nimmt auch der Art. 12 KRK bezüglich der Beteiligung des Kindes auf das Alter und die Reife Rücksicht. Die „Evolving Capacities“ sind insbesondere in Zusammenhang mit der Digitalisie- rung von erheblicher Relevanz, beispielsweise wenn es um die Frage geht, ob und wie intensiv die Involvierung von Erziehungsberechtigten in den Medienkonsum ihrer Kinder zu deren Schutz (etwa vor Online-Gefahren für die Privatsphäre) angemessen ist.56

3.3.2 Grundprinzipien der KRK

Der Kinderrechtsausschuss zählt vier Artikel der Kinderrechtekonvention zu den so- genannten „General Principles“: das Diskriminierungsverbot, den Vorrang des Kin- deswohls, das Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung sowie das Recht auf Beteiligung des Kindes.57

52 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 50. 53 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 20 (2016) on the implementa- tion of the rights of the child during adolescence, CRC/C/GC/20, 3. 54 Vgl. ebd., 3. 55 Vgl. ebd., 4. 56 Siehe dazu Kapitel „4.3.2.7 Elterliche Kontrolle“ sowie Kapitel „4.6.3.2 Modell des intelligenten Risi- komanagements“. 57 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General guidelines regarding the form and the con- tent of initial reports to be submitted by states parties under article 44, paragraph 1 (a), of the conven- tion (1991), CRC/C/5, 4; Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General guidelines regarding the form and content of periodic reports to be submitted by states parties under article 44, paragraph 1 (b), of the convention (1996), CRC/C/58, 9ff. 22 3.3.2.1 Diskriminierungsverbot (Art. 2 KRK)

Das Diskriminierungsverbot ordnet die Gleichbehandlung von Kindern und Jugendli- chen an, unabhängig von deren Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Spra- che, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethni- schen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer etwaigen Beeinträchtigung, der Geburt oder dem sonstigen Status des Kindes, der Eltern oder des Vormundes. Es handelt sich hierbei um eine demonstrative Aufzählung, beispielsweise wäre unter dem sonstigen Status auch die sexuelle Orientierung oder eine etwaige HIV-Infektion zu subsumieren.58 Verboten sind die Gleichbehandlung von Ungleichem sowie die Ungleichbehandlung von Gleichem ohne sachliche Rechtfertigung. Sämtliche Menschenrechtsabkommen beinhalten Diskriminierungsverbote (bei- spielsweise Art. 2 AEMR, Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 26 IPbpR, Art. 2 Abs. 2 IPwskR und Art. 14 EMRK).

Die Begriffe „achten“ und „gewährleisten“ im Text der Konvention postulieren positive und negative Verpflichtungen für die Vertragsstaaten. „Achten“ meint das Verbot, rechtswidrig in das Recht einzugreifen; „gewährleisten“ hingegen meint die positive Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu setzen.59 Das Diskriminierungsverbot bindet die Vertragsstaaten und verbietet ihnen diskriminierende Handlungen, weshalb grundsätzlich nicht von einer unmittelbaren Drittwirkung, also einer Verpflichtung drit- ter Personen, gesprochen werden kann. Allerdings müssen die Vertragsstaaten, wie erwähnt, aktiv für die Einhaltung der KRK sorgen. Dies kann daher zu einer mittelba- ren Verpflichtung auch privater Personen führen.60

Alle in der Kinderrechtekonvention normierten Rechte sollen allen Kindern gleicher- maßen zustehen. In Hinblick auf die Digitalisierung ist diesbezüglich vor allem das Recht auf Zugang zu Medien (auch digitaler Art) betroffen, welches in Art. 17 KRK normiert ist. Zum aktuellen Zeitpunkt kann keineswegs von einem gleichberechtigten Zugang gesprochen werden. Im Kapitel „4.2.2 Diskriminierungsfreier Zugang zur digi- talen Welt?“ wird auf dieses Thema näher eingegangen.

58 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 3 (2003): HIV/AIDS and the Rights of the Child, CRC/GC/2003/3, 3f. 59 Vgl. Detrick Sharon, A Commentary on the United Nations Convention on the Rights of the Child, Dordrecht (Martinus Nijhoff Publishers), 1999, 68f. 60 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 83. 23 3.3.2.2 Vorrang des Kindeswohls (Art. 3 KRK)

Der Vorrang des Kindeswohls bildet den Leitgedanken der KRK und ist bei der Aus- legung und Anwendung aller anderen Konventionsrechte zu berücksichtigen.61 Bei allen staatlichen Maßnahmen müssen die Interessen des Kindes vorrangig beachtet sowie geschützt und gefördert werden.62 Das Kindeswohl schafft per se keine sub- jektiven Rechte, sondern ist vor allem als Leitlinie für Ermessens- bzw. Abwägungs- entscheidungen relevant.63

Der Art. 3 KRK richtet sich an alle Stellen öffentlicher und privater Natur, welche für die Fürsorge und den Schutz von Kindern und Jugendlichen verantwortlich sind. Die Vertragsstaaten haben Standards für diese Institutionen aufzustellen und zu überwa- chen. Damit sind unter anderem Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Personals sowie die Sicherstellung der Teilnahme daran gemeint.64 In Art. 3 sind die Eltern des Kindes nicht adressiert, allerdings gilt das Kindeswohl gem. Art. 18 Abs. 1 KRK als Leitprinzip für die Erziehung und Entwicklung des Kin- des.65 In erster Linie sind die Eltern (bzw. andere mit der Obsorge betraute Perso- nen) berechtigt und verpflichtet, über das Wohl des Kindes zu entscheiden. Erst sub- sidiär ist der Staat dazu berufen, bei Erziehungsversagen oder –missbrauch einzu- greifen.66

Der Anwendungsbereich des Art. 3 KRK ist weit formuliert, weshalb davon auszuge- hen ist, dass sich der Vorrang des Kindeswohls nicht bloß auf die in der KRK formu- lierten Rechte beschränkt, sondern vielmehr auch auf Maßnahmen, welche von der KRK nicht umfasst sind.67 Das Kindeswohl ist zwar vorrangig zu berücksichtigen, es besteht allerdings kein absoluter Vorrang gegenüber anderen (gleichwertigen oder

61 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 14 (2013) on the right of the child to have his or her best interests taken as a primary consideration (art. 3, para. 1), CRC/C/GC/14, 4. 62 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 91. 63 Vgl. ebd., 93. 64 Vgl. ebd., 99. 65 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 46. 66 Vgl. Art. 18 Abs. 1 S 2, 3 KRK; Vgl. Dreyer Stephan, On the Internet, nobody knows you’re a kid – Zur (Nicht-)Erkennbarkeit Minderjähriger in digitalen Medienumgebungen, in: merz medien + erzie- hung, 06/2018, 68. 67 Vgl. Detrick, A Commentary on the United Nations Convention on the Rights of the Child (1999), 90. 24 sogar vorrangigen) Belangen, beispielsweise dem Schutz Dritter vor kriminellen Ju- gendlichen oder dem Schutz der Mutter bei einem Notfall im Zuge der Geburt.68

Die Beachtung und der Schutz des Kindeswohls bedeuten insbesondere auch den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren, und zwar nicht nur vor jenen in der physischen, sondern auch vor Gefahren, die in der digitalen Umgebung existie- ren. Kinder und Jugendliche sind durch den vereinfachten Zugang zum Internet beson- ders gefährdet, Opfer sexuellen Missbrauchs und sexueller Ausbeutung/Belästigung zu werden. Insbesondere besteht auch die Gefahr, mit unangemessenen Inhalten (wie etwa Gewaltdarstellungen, rassistischen Inhalten, Pornografie, etc.) in Kontakt zu kommen oder Opfer von Cybermobbing zu werden. Auf ausgewählte Risiken, die online drohen, sowie mögliche Schutzmaßnahmen wird im Kapitel „4.6 Recht auf Schutz und Sicherheit“ eingegangen.

3.3.2.3 Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung (Art. 6 KRK)

Das Recht auf Leben ist ein angeborenes (im Englischen: „the inherent right to life“) und beinhaltet auch ein Recht auf Überleben und Entwicklung. Es ist notwendige Voraussetzung für die Geltung aller anderen Rechte der KRK. Das Recht auf Leben ist auch in anderen Menschenrechtsabkommen normiert, beispielsweise in Art. 3 AEMR, Art. 6 IPbpR, Art. 2 EMRK sowie Art. 2 GRC.

Die Vertragsstaaten sind dazu verpflichtet, das Leben und die Entwicklung von Kin- dern und Jugendlichen vor Eingriffen (wie etwa Missbrauch, Gewalt, Vernachlässi- gung und anderen schädlichen Handlungen) durch den Staat oder Dritte zu schüt- zen.69 Ebenfalls sind Maßnahmen zum Schutz des Lebens auf allen Rechtsgebieten (beispielsweise Familienrecht oder Strafrecht) zu treffen.70 Die Vertragsstaaten haben das Überleben und die Entwicklung des Kindes in größt- möglichem Umfang zu gewährleisten. Hiermit ist ein gewisser Umsetzungsspielraum normiert worden, womit auf die unterschiedlichen sozialen, kulturellen sowie wirt-

68 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 94. 69 Vgl. UN Committee on the Elimination of Discrimination against Women and UN Committee on the Rights of the Child, Joint general recommendation No. 31 of the Committee on the Elimination of Dis- crimination against Women/general comment No. 18 of the Committee on the Rights of the Child on harmful practices (2014), CEDAW/C/GC/31-CRC/C/GC/18, 5ff. 70 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 126. 25 schaftlichen Bedingungen in den jeweiligen Vertragsstaaten Rücksicht genommen wird. Dies betrifft insbesondere das Recht auf Entwicklung, welches maßgeblich von der wirtschaftlichen und damit der finanziellen Situation in den jeweiligen Vertrags- staaten abhängt.71 Gem. Art 4 KRK trifft die Vertragsstaaten bzgl. der wirtschaftli- chen, sozialen und kulturellen Rechte die Verpflichtung, sie (bloß) nach den ihnen zur Verfügung stehenden (finanziellen) Möglichkeiten umzusetzen. Das Recht auf Entwicklung beinhaltet im Übrigen nicht bloß ein Recht auf gesunde körperliche Entwicklung, sondern schließt auch die geistige, moralische, soziale und psychische Entwicklung mit ein.72

3.3.2.4 Recht auf Beteiligung (Art. 12 KRK)

Das Recht auf Beteiligung beinhaltet einerseits ein Mitspracherecht in allen Belan- gen, die das Kind betreffen und in denen es fähig ist, eine eigene Meinung zu bilden und andererseits das Recht auf rechtliches Gehör in sämtlichen Gerichts- und Ver- waltungsverfahren, die es betrifft. Den Vertragsstaaten kommt bei der Umsetzung des Beteiligungsrechts kein Ermessensspielraum zu, dies ergibt sich aus dem ein- deutigen Wortlaut der englischen Version („shall assure“).73 Der Begriff der Beteiligung/Partizipation ist in Art. 12 KRK zwar nicht enthalten, hat sich aber in der Praxis zur Beschreibung des diesbezüglichen Dialoges zwischen Erwachsenen und Kindern etabliert.74 Das durch das dritte Fakultativprotokoll einge- führte Individualbeschwerdeverfahren zum Kinderrechtsausschuss, in dem das be- troffene Kind selbst aktivberechtigt ist, stärkt umso mehr die partizipatorische Positi- on von Kindern und Jugendlichen.

Kinder und Jugendliche haben das Recht, zu entscheiden, ob sie ihre Meinung äu- ßern möchten oder nicht.75 Die Meinungsäußerung muss ohne jeglichen Druck aus- geübt werden können. Das Kind muss außerdem Zugang zu den entsprechenden Informationen erhalten, damit es überhaupt in der Lage ist, eine eigene Meinung zum entsprechenden Anliegen bilden zu können.76 Die Meinung ist darüber hinaus nicht bloß zu hören, sie ist in den Angelegenheiten, welche das Kind betreffen, auch ent-

71 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 126. 72 Vgl. ebd., 129. 73 Vgl. ebd., 188. 74 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 12 (2009): The right of the child to be heard, CRC/C/GC/12, 5. 75 Vgl. ebd., 10. 76 Vgl. ebd., 10. 26 sprechend zu berücksichtigen. Dies hat vor allem vor dem Hintergrund von Alter und Reife (Vgl. Konzept der „Evolving Capacities“) in den Entscheidungsprozess hinein- zuwirken.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist in Verbindung mit der Digitalisie- rung insbesondere bei den (auch politischen) Diskussionen betreffend den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet von Relevanz.77 Die Politik sollte sich ins- besondere bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen deren umfassende Expertise im Umgang mit dem Internet zu Nutze machen.78

3.3.3 Kategorien von Kinderrechten

Die in der KRK verbrieften Einzelrechte lassen sich in drei Kategorien einteilen:79 Die Versorgungsrechte garantieren eine Grundversorgung mit Ressourcen, Schutz- rechte sollen dagegen Kinder vor gewissen Gefahren schützen.80 Dass Kinder einer Grundversorgung bedürfen und besonders schutzbedürftig sind, entspricht dem tradi- tionellen Bild von Kinderrechten und stellt keine bahnbrechende Neuerung dar. Mit der dritten Kategorie, den Beteiligungsrechten, werden Kindern und Jugendlichen allerdings erstmals eigene Teilhaberechte als vollwertige Menschenrechtsträger zu- gestanden.

3.3.3.1 Versorgungsrechte („Provision“)

Versorgungsrechte sind in den Art. 7, 8 und 23 bis 29 KRK verbrieft.81 Es handelt sich hierbei um das Recht auf Namen, Staatsangehörigkeit, Gesundheitsversorgung, angemessene Lebensbedingungen, Ernährung, Bekleidung und Wohnung sowie auf soziale Sicherheit.

77 Vgl. Save the Children and UNICEF, Every Child’s Right to be Heard, A Resource Guide on the UN Committee on the Rights of the Child General Comment No.12, https://www.unicef.org/french/adolescence/files/Every_Childs_Right_to_be_Heard.pdf (18.12.2019), 36; Vgl. Trültzsch-Wijnen Christine, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse, Jg. 55, 01/2017, 13. 78 Vgl. Save the Children and UNICEF, Every Child’s Right to be Heard, 129. 79 Vgl. Liebel Manfred, Wozu Kinderrechte, Grundlagen und Perspektiven, Weinheim - München (Ju- venta Verlag), 2007, 42f. 80 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Kinderrechte in den Verfassungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Bezüge zur UN-Kinderrechtskonvention, https://www.bundestag.de/resource/blob/422370/b78f0dea207d83b17d4723359d9affa9/wd-3-049-14- pdf-data.pdf (18.12.2019), 4. 81 Vgl. Liebel, Wozu Kinderrechte (2007), 42f. 27

Auch das Recht auf Bildung gehört zu den Versorgungsrechten. Dieses ist insbeson- dere in Zusammenhang mit dem Prozess der Digitalisierung von Interesse, da sich durch digitale Technologien innovative Bildungsmöglichkeiten eröffnen, speziell für jene Kinder, die in Entwicklungsländern oder am wenigsten entwickelten Ländern leben und ansonsten sehr eingeschränkte bzw. keine Bildungsmöglichkeiten genie- ßen. Außerdem ist in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, ob das Recht auf Bildung auch ein Recht auf „Digital Literacy“82 beinhaltet. Diese Themen werden in Kapitel „4.5 Recht auf Bildung und Digital Literacy“ erörtert.

3.3.3.2 Schutzrechte („Protection“)

Schutzrechte enthalten die Art. 19 bis 22, 30 und 32 bis 38 KRK.83 Es handelt sich hierbei um den Schutz vor körperlicher und seelischer Gewalt, Vernachlässigung und Verwahrlosung, sexueller und wirtschaftlicher Ausbeutung sowie sexuellem Miss- brauch und Drogen. Außerdem sind der Minderheitenschutz, Schutzrechte bzgl. der Adoption, besondere Schutzrechte bei der Flucht oder Katastrophen sowie das Ver- bot der Folter und Todesstrafe erfasst.

Das Internet birgt vielzählige Risiken für die Sicherheit und physische und psychi- sche Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen (z.B. Cybermobbing, sexuelle Belästigung, etc.), weshalb auch die Schutzrechte in Verbindung mit der Digitalisie- rung besonders relevant sind. Ausgewählte Online-Risiken und mögliche Schutzan- sätze werden im Kapitel „4.6 Recht auf Schutz und Sicherheit“ dargestellt.

3.3.3.3 Beteiligungsrechte („Participation“)

Die Beteiligungsrechte finden sich in der KRK in Art. 12 bis 17 sowie in Art. 31.84 Es handelt sich um das Recht auf Beteiligung in eigenen Angelegenheiten, die Mei- nungs- und Informationsfreiheit, Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Ver- einigungs- und Versammlungsfreiheit, Schutz der Privatsphäre und Ehre, Zugang zu Medien sowie das Recht auf Beteiligung an Freizeit und am kulturellen und künstleri- schen Leben sowie auf Spiel.

82 Der Begriff „Digital Literacy“ meint die Entwicklung von digitalen Kompetenzen und Fähigkeiten. Näheres dazu findet sich in Kapitel „4.5 Recht auf Bildung und Digital Literacy“. 83 Vgl. Liebel, Wozu Kinderrechte (2007), 42f. 84 Vgl. Sax Helmut, Kinderrechte, in: Heißl Gregor (Hg.), Handbuch Menschenrechte, Wien (Facultas Verlags- und Buchhandels AG), 2009, 545; Vgl. Liebel, Wozu Kinderrechte (2007), 42f. 28

Das Internet bietet insbesondere für die Ausübung der Partizipationsrechte gänzlich neue Entfaltungsmöglichkeiten. Innerhalb dieses Themengebiets gilt der Zugang zu Medien (siehe Kapitel „4.2 Recht auf Zugang“) als notwendige Voraussetzung, um Kinderrechte in der digitalen Umgebung überhaupt realisieren zu können. Der Hauptfokus dieser Arbeit liegt auf der Beschäftigung mit dem Recht auf Pri- vatsphäre und Datenschutz. In Kapitel „4.3 Recht auf Privatsphäre und Datenschutz“ werden daher konkrete Online-Gefahren für Kinder und Jugendliche dargestellt so- wie Empfehlungen für einen effizienten Schutz der Privatsphäre besprochen. Außerdem bieten sich gänzlich neue Methoden der Meinungsäußerung sowie der Informationsbeschaffung. Insgesamt erleichtert das Internet die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, sei es am kulturellen und künstlerischen Leben oder an politi- schen und gesellschaftlichen Diskussionen. Diese Themen werden in Kapitel „4.4 Recht auf Meinungs-und Informationsfreiheit“ behandelt.

3.3.4 Monitoring

Die Einhaltung der in der KRK normierten Rechte wird durch den Kinderrechtsaus- schuss überprüft, welcher gem. Art. 43 KRK einzurichten ist und aus 18 Sachver- ständigen besteht. Die Vertragsstaaten wählen diese Sachverständigen, wobei diese allerdings unabhängig von den jeweiligen Regierungen agieren und nicht an ihre Weisungen gebunden sind.85 Der Kinderrechtsausschuss tritt gem. Art. 43 Abs. 10 KRK in der Regel einmal jährlich zusammen, de facto tagt er allerdings aktuell drei Mal jährlich. Zudem sind auch Sondersitzungen und informelle Sitzungen möglich.86 Gem. Art. 43 Abs. 11 KRK hat der UN-Generalsekretär dem KRA das für die Sitzun- gen notwendige Personal und die Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.

Die Vertragsstaaten sind gem. Art. 44 Abs. 1 und 2 KRK verpflichtet, in gleichmäßi- gen Abständen Staatenberichte (erster Bericht innerhalb von zwei Jahren nach In- krafttreten, danach alle fünf Jahre) über die getroffenen Maßnahmen, die verzeichne- ten Fortschritte sowie über Schwierigkeiten in der Umsetzung der Konvention an den KRA zu erstatten. Die Staatenberichte müssen so ausführlich und umfassend sein, dass sich der KRA ein vollständiges Bild über die Lage im jeweiligen Staat machen

85 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 279. 86 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 441. 29 kann.87 Sollte dies nicht der Fall sein, so kann der KRA gem. Art. 44 Abs. 4 KRK den Staat um Ergänzungen ersuchen. Die Prüfung der Berichte erfolgt in drei Schritten. Zunächst werden die Berichte in einer vorbereitenden Arbeitsgruppe besprochen, danach in einer öffentlichen Ver- sammlung des KRA. An der öffentlichen Versammlung sind neben den Mitgliedern des KRA auch Staatenvertreter anwesend. Daraus soll sich ein Dialog zwischen den Staaten und dem KRA ergeben. Auf Grundlage der Staatenberichte verfasst der KRA dann gem. Art. 45 lit. d KRK (rechtlich nicht verbindliche) Vorschläge und allgemeine Empfehlungen („Concluding Observations“) an die Vertragsstaaten. Die rechtliche Unverbindlichkeit der Empfehlungen des KRA ist als Schwachpunkt der Konvention zu verbuchen.88 Rechtlich unverbindlich bedeutet aber keinesfalls unbeachtlich; auch hier gilt, wie für jeden völkerrechtlichen Vertrag, das Prinzip von Treu und Glauben.89 Gem. Art. 45 lit. a und b KRK können auch UN-Spezialorganisationen (wie etwa WHO oder UNESCO)90, UNICEF, andere UN-Organe oder aber auch andere Stellen (wie etwa der Europarat oder NGOs)91 im Berichtsverfahren eingebunden werden. Dies geschieht idR im Rahmen der vorbereitenden Arbeitsgruppe.

Darüber hinaus hält der KRA über aktuelle Themen (wie etwa Kinder in bewaffneten Konflikten 1992, das Verhältnis von Kindern zu digitalen Medien 2014 oder Kinder- rechte und Umweltschutz 2016) einmal jährlich einen „General Day of Discussion“ ab. Zusätzlich verfasst der Kinderrechtsausschuss anlassbezogen „General Com- ments“, welche als Auslegungs- und Anwendungshilfe für die KRK gelten.92

3.4 Andere relevante Dokumente

(Die Digitalisierung betreffende) Kinderrechte sind freilich nicht ausschließlich in der KRK normiert. Deshalb seien hier einige wesentliche Initiativen des Europarates der Vollständigkeit halber erwähnt. Diese Initiativen werden in weiterer Folge allerdings nicht näher diskutiert. Als Basis dieser Arbeit dienen ausschließlich die in der KRK normierten Kinderrechte.

87 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 281. 88 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 447. 89 Vgl. ebd., 456. 90 Vgl. Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1994), 287. 91 Vgl. ebd., 292. 92 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 456. 30 Insbesondere zu erwähnen ist beispielsweise die Europaratsstrategie 2016-2021 („Sofia-Strategie“), welche u.a. vorrangig die Partizipationsrechte sowie die Rechte von Kindern im digitalen Umfeld behandelt. Weiters sind das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Miss- brauch sowie das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt von Relevanz. Das Übereinkom- men des Europarates über Computerkriminalität hat sich die Bekämpfung von Cy- bercrimes zum Ziel gesetzt und stellt u.a. über das Internet verbreitete Kinderporno- grafie unter Strafe. Die Leitlinien zur Achtung, zum Schutz und zur Erfüllung der Rechte des Kindes im digitalen Umfeld wurden vom Ministerkomitee des Europara- tes 2018 verabschiedet und beinhalten Empfehlungen, u.a. zum Schutz personenbe- zogener Daten sowie zur Bereitstellung kinderfreundlicher Inhalte. Schließlich hat das Ministerkomitee des Europarates auch eine Empfehlung zu Kin- derrechten im digitalen Umfeld erlassen.

4 Kinderrechte und Digitalisierung

Praktisch zeitgleich mit der Verabschiedung der Kinderrechtekonvention 1989 wurde von Tim Berners-Lee der Programmcode für das World Wide Web entwickelt.93 Heu- te stellen Kinder und Jugendliche einen erheblichen Teil der Internetnutzerinnen und -nutzer dar: Eine(r) von drei NutzerInnen ist unter 18 Jahre alt.94 Die digitale Welt ist für Kinder zu einem Ort geworden, an dem sie ihre Meinungen und Ideen äußern können, ihre Kreativität ausdrücken oder schlicht mit anderen interagieren können. Für viele Kinder ist eine digitale Kindheit also zum Normalfall geworden, einem be- trächtlichen Teil bleibt aber ein Zugang zu dieser Welt noch immer gänzlich verwehrt.

In diesem Kapitel werden ausgewählte Kinderrechte und Themen besprochen, wel- che in Zusammenhang mit dem Digitalisierungsprozess von besonderer Relevanz sind. Zunächst wird die Frage geklärt, inwiefern Menschenrechte einer Entwicklung offen stehen, welche Chancen und Risiken die Digitalisierung insgesamt birgt und wie sich

93 Vgl. Croll Jutta/Pohle Sophie, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz und Privatsphäre in der digitalen Welt, in: merz medien + erziehung, 06/2018, 30. 94 Vgl. Livingstone Sonia/Carr John/Byrne Jasmina, One in Three: Internet Governance and Children’s Rights, Office of Research – Innocenti, Discussion Paper 2016-01, https://www.unicef- irc.org/publications/pdf/idp_2016_01.pdf (18.12.2019), 7. 31 die neue Rollenverteilung der Akteure gestaltet. Danach werden Chancen und Risi- ken der Digitalisierung für ausgewählte Kinderrechte besprochen, namentlich für das Recht auf Zugang, Privatsphäre, Meinungs- und Informationsfreiheit, Bildung sowie auf Schutz und Sicherheit. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in dieser Arbeit keine umfängliche Darstellung des Themas erfolgen kann, sondern vielmehr ausgewählte Aspekte des Einflusses der Digitalisierung auf die genannten Kinder- rechte dargestellt werden.

4.1 Digitales Zeitalter und Menschenrechte

Die Digitalisierung hat, wie bereits angesprochen, all unsere Lebensbereiche, privat als auch beruflich, erreicht und tiefgreifend verändert. Digitalisierung ist dabei viel mehr als nur das Internet. „Sie umfasst alle digital vernetzten Technologien und Dienstleistungen, stationäre und mobile Endgeräte, die Netzwerkinfrastruktur, An- wendungen, Online-Spiele und Apps, soziale Medien und diesen zugrundeliegende Datenbanken und vernetzte Gegenstände, die mit dem Begriff ‚Internet of Things‘ bezeichnet werden.“95

Die Digitalisierung hat im Einfluss auf unser tägliches Leben aller Voraussicht nach noch kein absolutes Maß erreicht. Zur Verdeutlichung seien einige Zahlen aus dem Cisco96 Visual Networking Index genannt: Allein von 2016 bis 2017 stieg der mobile Datentransfer international um 71 % an. Von 2013 bis 2017 hat sich der mobile Da- tentransfer insgesamt um das 17-fache erhöht. Die durchschnittliche Smartphone Nutzung stieg in nur einem Jahr von 2016 bis 2017 um 49 % an. Bis 2022 soll die Zahl der mobilen Endgeräte pro Person der Weltbevölkerung 1,5 Stück betragen. Außerdem soll sich der mobile Datentransfer bis 2022 noch einmal um das 7-fache vergrößern.97 Wie diesen Zahlen zu entnehmen ist, erwartet uns eine weitere Inten- sivierung der Auswirkungen von digitalen Technologien. Es ist daher unerlässlich, Menschenrechte vor dem Hintergrund dieser veränderten (und sich in rasantem Tempo verändernden) Lebenswelt zu analysieren und gegebenenfalls weiter zu ent- wickeln.

95 Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 30. 96 Cisco Systems, Inc. ist ein US-amerikanisches Unternehmen in der Telekommunikationsbranche. 97 Vgl. Cisco Systems, Inc., Cisco Visual Networking Index: Global Mobile Data Traffic Forecast Up- date, 2017–2022 White Paper, https://www.cisco.com/c/en/us/solutions/collateral/service- provider/visual-networking-index-vni/white-paper-c11-738429.html (18.12.2019). 32 4.1.1 Entwicklungsoffenheit der Menschenrechte

Menschenrechte sind seit jeher Veränderungen unterworfen. So wurden etwa auf Grundlage der AEMR die dort postulierten Rechte in neuen Menschenrechtsabkom- men konkretisiert sowie vor dem Hintergrund der jeweilig aktuellen menschenrechtli- chen Herausforderungen angepasst. Künftig ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich auf Basis der bestehenden Menschenrechte in Hinblick auf die neuen Heraus- forderungen, die sich im Zuge der Digitalisierung ergeben, neue Menschenrechte entwickeln könnten. In diesem Zusammenhang wird jedoch nur vereinzelt von der Notwendigkeit gänzlich neu konzipierter Rechte gesprochen.98 Menschenrechte stellen vielmehr sogenannte „Living Instruments“ dar. Das bedeutet, dass in Menschenrechtsabkommen verbriefte Rechte keinesfalls starr und bloß vor dem jeweiligen Entstehungshintergrund zu verstehen sind, sondern diese als anpas- sungsfähige, lebende Instrumente dienen sollen. Deshalb liegt (auch der politische) Fokus gegenwärtig nicht so sehr an der Normierung neuer Menschenrechte, sondern vielmehr auf der zeitgemäßen Auslegung und Anwendung der bestehenden. Es kann also zusammenfassend festgestellt werden, dass die Menschenrechte durchaus entwicklungsoffen sind.99 Dies wird auch vom UN-Menschenrechtsrat bestätigt, der in einer Resolution festhält, dass dieselben Menschenrechte, die Personen offline zu- stehen, auch online geschützt sind.100 Auch was die in der KRK verbrieften Kinderrechte betrifft, wird sich in Richtung einer zeitgemäßen Anwendung und Interpretation der bereits normierten Kinderrechte ausgesprochen.101

4.1.2 Strukturelle Transformation

Es wird außerdem von einer neuen Rollenverteilung der Akteure gesprochen. War es in der Vergangenheit im Wesentlichen nur Staaten möglich, Menschenrechtsverlet- zungen zu begehen, so vollzieht sich dies heutzutage vermehrt durch private Wirt-

98 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Menschenrechte im digitalen Zeitalter Aktueller Forschungs- und Diskussionsstand, https://www.bundestag.de/resource/blob/568306/39edaff23c4b48b1bee67944a169df27/wd-2-107-18- pdf-data.pdf (18.12.2019), 9. 99 Vgl. Kirchmeier Felix/Krennerich Michael (Hg.), Handbuch der Menschenrechtsarbeit: Edition 2014/2015, Berlin (Friedrich-Ebert-Stiftung), 2014/2015, 24f. 100 Vgl. UN Human Rights Council Resolution, The Promotion, Protection and Enjoyment of Human Rights on the Internet (2012), A/HRC/20/L.13, 1f. 101 Vgl. Child Rights International Network, Digital Media: Towards a Charter for Children’s Rights in the Digital Context, https://archive.crin.org/sites/default/files/attachments/crin_dgd_2014.pdf (18.12.2019), 3. 33 schaftsunternehmen. Diese verfügen über enorme Datenmengen, was etwa eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre ermöglicht. Die Datensammlung und -veräußerung ist für große Konzerne eine lukrative Einnahmequelle. Die Diskussion dieses Phänomens ist vor allem deshalb relevant, weil staatliche (po- litische) und unternehmerische (wirtschaftliche) Interessen nicht selten weit ausei- nander liegen.102 Aus dieser neuen Situation, die neben staatlichen Akteuren und Interessen auch andere Akteure und neue Interessen umfasst, ergibt sich eine zu- nehmend unklare Verantwortlichkeit für den Schutz und die Durchsetzung der Men- schenrechte im digitalen Raum. In diesem Zusammenhang stellt sich einmal mehr die Frage, inwiefern Menschenrechtsabkommen neben Staaten auch private Wirt- schaftsunternehmen binden können/sollen, was ein viel diskutiertes Thema ist. Hier- zu werden und wurden bereits verschiedene mögliche Ansätze erarbeitet, auf die im Rahmen dieser Arbeit jedoch aus Kapazitätsgründen nicht näher eingegangen wer- den kann.103 Klar ist aber, dass künftig eine Koordinierung der drei wesentlichen Sta- keholder Gruppen104 („Triangle of Actors“: Gesetzgeber, private Akteure sowie die Zivilgesellschaft) sowie ein offener Dialog zwischen diesen Akteuren unabdingbar sein werden, um einen effektiven Menschenrechtsschutz in der digitalen Welt zu etablieren.105

4.1.3 Chancen und Risiken der Digitalisierung

In den nächsten beiden Unterkapiteln werden die Chancen und Risiken der Digitali- sierung für Menschenrechte allgemein kurz umrissen, wohingegen spezifische, die Kinderrechte betreffende, Chancen und Risiken in den ab „4.2 Recht auf Zugang“ folgenden Kapiteln detaillierter dargestellt werden.

4.1.3.1 Chancen

Insbesondere für den Zugang zu Informationen sowie die freie Meinungsäußerung, die Teilnahme an gesellschaftlichen Diskussionen und Debatten sowie für demokra-

102 Vgl. Karst Mike, Menschenrechte im digitalen Zeitalter, https://www.freitag.de/autoren/mike- karst/menschenrchte-im-digitalen-zeitalter (18.12.2019). 103 Ausführlich dazu: Kirchmeier/Krennerich (Hg.), Handbuch der Menschenrechtsarbeit (2014/2015), 20f. 104 Vgl. UN Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy (2016), A/HRC/31/64, 29. 105 Vgl. Damen/Köhler/Woodard, The Human Right of Privacy in the Digital Age (2017), 8f. 34 tische Prozesse106 (wie etwa Meinungsumfragen, Wahlkampf oder Online-Petitionen) bringt die Digitalisierung erhebliche Chancen mit sich.107 Insgesamt und auch international gesehen führt der Prozess der Digitalisierung zu einer verstärkten globalen Vernetzung, sei es um sich mit anderen Menschen zu ko- ordinieren, zu organisieren oder auszutauschen. Beispielhaft sei hier der sogenannte „Arabische Frühling“ erwähnt, bei dem insbesondere auf zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen wurde.108 Auch in der Ausübung der kulturellen Partizipation sowie im Bildungs- und For- schungsbereich bringt die Digitalisierung Vorteile mit sich. So wird etwa in abgelege- nen Regionen, in denen eine tatsächliche medizinische Versorgung schwer zugäng- lich ist, eine gewisse medizinische Beratung und Aufklärung ermöglicht.109 Rechtmäßige staatliche Überwachungsmaßnahmen können ebenso dem effektiven Schutz der Menschenrechte dienen. Vor allem in Hinblick auf Terrorismusbekämp- fung und Sicherheit können die heutigen Technologien durch rechtmäßige Überwa- chung elektronischer Kommunikation dazu beitragen, Menschenrechte zu schüt- zen.110

Aber nicht nur die Ausübung von Menschenrechten, sondern auch die öffentliche digitale Anprangerung von Menschenrechtsverletzungen wird als Vorzug angese- hen.111 Nicht bloß textuell, sondern auch mittels Videomaterial kann via YouTube, Vimeo etc. eine große Reichweite erzielt und somit Menschenrechtsverstöße mit ei- ner enormen Geschwindigkeit verbreitet und öffentlich Druck auf die verletzenden Personen ausgeübt werden.112

106 Vgl. Schatzmann Dominik, Meinungsfreiheit im Internet, Das WWW als Chance für mehr Demokra- tie? Wien (Verlag Österreich GmbH), 2008, 21. 107 Vgl. UN-Menschenrechtsrat, Bericht des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Das Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter (2014), A/HRC/27/37, 3. 108 Vgl. Amnesty International, Menschenrechte im digitalen Zeitalter, https://www.amnesty.de/2015/6/4/digitalisierung-und-menschenrechte (18.12.2019). 109 Vgl. ebd. 110 Vgl. Damen/Köhler/Woodard, The Human Right of Privacy in the Digital Age (2017), 1. 111 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Menschenrechte im digitalen Zeital- ter, 11. 112 Vgl. Karst, Menschenrechte im digitalen Zeitalter. 35 4.1.3.2 Risiken

Die gesellschaftliche und politische Diskussion konzentriert sich größtenteils auf die Risiken, welche mit der Digitalisierung verbunden sind, wobei der Fokus auf dem Thema Privatsphäre und Datenschutz liegt.113

Vordergründig geht es um die Möglichkeiten, die moderne Technologien bieten, von Seiten staatlicher, aber auch privater Seite (Privatpersonen sowie v.a. Wirtschaftsun- ternehmen), Daten in enormen Mengen abzufangen, zu sammeln, zu analysieren, zu bewerten sowie massenhaft zu überwachen. Dies ist heutzutage auch ohne größere finanzielle Mittel möglich, da die Speicherung von Daten sowie die Kosten für die Technologie selbst äußerst gering sind.114 Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen hält bezugnehmend auf die geringen Kosten fest: „[...] die technologischen Plattformen, auf die sich das politische, wirtschaftliche und soziale Leben weltweit zunehmend stützt, sind nicht nur anfällig für Massenüberwachung, sondern fördern diese vielleicht sogar.“115 In einigen Staaten steht Informationsmanipulation und Zensur an der Tagesordnung, um entweder die öffentliche Meinung allgemein zu beeinflussen oder den Zugang zur digitalen Kommunikation überhaupt unmöglich zu machen bzw. einzuschränken.116 Zu nennen sind hier etwa die Kontrolle des Internets durch die Volksrepublik China oder die Blockade von YouTube und Twitter durch die Türkei.117 Aber nicht nur Re- gierungen können Zugang und Informationsflüsse beeinflussen. „Big Player“, wie Facebook oder , können auf Grundlage ihrer erheblichen Marktmacht Nutze- rinnen und Nutzern die Bedingungen für die Nutzung diktieren, diese vom Zugang gänzlich ausschließen oder Inhalte beeinflussen/zensieren.118

4.2 Recht auf Zugang

In diesem Kapitel soll das Recht auf Zugang zur digitalen Welt besprochen sowie die Frage geklärt werden, inwieweit dieses international umgesetzt ist. Des Weiteren

113 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Menschenrechte im digitalen Zeital- ter, 12f. 114 Vgl. UN-Menschenrechtsrat, Bericht des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Das Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter (2014), A/HRC/27/37, 3. 115 Ebd., 3. 116 Vgl. Karst, Menschenrechte im digitalen Zeitalter. 117 Vgl. Amnesty International, Menschenrechte im digitalen Zeitalter. 118 Vgl. Kutscha Martin/Thomé Sarah, Grundrechtsschutz im Internet? Berlin (Nomos Verlagsgesell- schaft), 2013, 23. 36 werden die Folgen des fehlenden Zugangs sowie mögliche Lösungsansätze zur Stärkung dieses Rechts vorgestellt.

4.2.1 Rechtsgrundlagen

Die Basis einer jeden Inanspruchnahme von Vorzügen der Digitalisierung ist der dis- kriminierungsfreie Zugang119 zu (auch digitalen) Medien (Art. 17 KRK). Der anfängli- che Plan, lediglich einen Schutz vor negativen Auswirkungen von Medien auf Kinder und Jugendliche aufzunehmen, wurde verworfen und stattdessen ein umfangreicher Artikel formuliert, welcher neben dem Medienschutz auch die Chancen der Medien- nutzung anerkennt.120 In keinem anderen Menschenrechtsabkommen existiert eine vergleichbare Regelung, wobei jedoch Überschneidungen mit der Informationsfreiheit bestehen.121

Bei Art. 17 KRK steht die soziale und kulturelle Bildung von Kindern und Jugendli- chen im Fokus. Sie sollen zu diesem Zweck aus einer Vielzahl an nationalen und internationalen Quellen wählen können. Wissen über die Medien selbst, das Verste- hen medialer Botschaften und deren (kommerzieller) Einfluss sollen in die Schulbil- dung einfließen und Kinder dazu ermutigt werden, Medien gestalterisch zu nutzen und nicht lediglich zu konsumieren.122 Überdies sind Kinder über die Gefahren der digitalen Medien angemessen zu informieren.123

4.2.2 Diskriminierungsfreier Zugang zur digitalen Welt?

In der heutigen Zeit wachsen Kinder und Jugendliche oft begleitet von (digitalen) Medien auf. Hinsichtlich der Medienausstattung zeigt sich etwa in deutschen Fami- lienhaushalten eine praktische Vollausstattung in Hinblick auf Fernsehgerät, Han-

119 Vgl. Child Rights International Network, Digital Media: Towards a Charter for Children’s Rights in the Digital Context, 3f; Vgl. Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 30. 120 Vgl. Detrick, A Commentary on the United Nations Convention on the Rights of the Child (1999), 285f. 121 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 227. 122 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, Day of General Discussion on the child and the me- dia (1996), CRC/C/15/Add.65, 44. 123 Vgl. United Nations Committee on the Rights of the Child, Report of the 2014 Day of General Dis- cussion, Digital media and children’s rights, https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/CRC/Discussions/2014/DGD_report.pdf (18.12.2019), 20. 37 dy/Smartphone, Internetzugang sowie Computer/Laptop.124 Der eigene Medienbesitz hängt stark vom Alter ab. 51 % der Sechs- bis 13-Jährigen besitzen bereits ein eige- nes Handy oder Smartphone, bei den Zwölf- bis 19-Jährigen sind es ganze 97 %.125 Diese beeindruckenden Zahlen gelten allerdings in vergleichbarer Weise nur für In- dustriestaaten und bei weitem nicht international. Viele Kinder und Jugendliche ha- ben de facto gar keinen oder bloß beschränkten Zugang zur digitalen Welt und wer- den daher erheblich in ihrem Recht auf Zugang zu Medien und somit zu jenen Chan- cen, die die Digitalisierung bietet, beschnitten. Zur Veranschaulichung: In Industrie- ländern nutzen 81 % der Menschen das Internet, 40 % in den Entwicklungsländern und bloß 15 % in den am wenigsten entwickelten Ländern.126

4.2.2.1 Kinder ohne Zugang

Nun soll die Frage geklärt werden, wer die Kinder und Jugendlichen ohne Zugang sind. International betrachtet existieren zum Zugang und zur Nutzung des Internets von Kindern bedauerlicherweise nur wenige Daten. Viele Staaten erheben diese Da- ten nicht und wenn sie es doch tun, so variieren die Definitionen für das Kind vonei- nander, sodass sich eine Vergleichbarkeit schwierig gestaltet. Offenkundig ist aber, dass sich sozioökonomische Unterschiede in der Frage des Zugangs zum Internet widerspiegeln.127 In Zahlen ausgedrückt verfügen aus internationaler Sicht knapp ein Drittel der jungen Menschen über keinen (oder diskontinuierlichen/mangelhaften) Zugang zum Internet. Gut neun von zehn von ihnen leben in Afrika, Asien oder dem Pazifischen Raum. Afrikanische Kinder und Jugendliche sind insgesamt am stärksten betroffen: Etwa 60 % haben keinen Zugang zum Internet. Zum Vergleich: In Europa beträgt dieser Wert lediglich 4 %.128 Zugangsbarrieren bestehen aber auch in Staaten mit einer grundsätzlich hohen In- ternet-Zugangsquote. Hier kommt es stark auf das Familieneinkommen an, ob Kinder über einen Zugang zur digitalen Welt verfügen oder nicht. Eine Studie der Organiza-

124 Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, KIM-Studie 2016: Kindheit, Internet, Me- dien, http://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2016/KIM_2016_Web-PDF.pdf (18.12.2019), 8. 125 Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, KIM-Studie 2016, 8f; Vgl. Medienpäda- gogischer Forschungsverbund Südwest, JIM-Studie 2016: Jugend, Information, (Multi-) Media, https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2016/ (18.12.2019), 7f. 126 Vgl. International Telecommunication Union, ICT Facts and Figures 2016, https://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Documents/facts/ICTFactsFigures2016.pdf (18.12.2019), 4. 127 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017: Children in a Digital World, https://www.unicef.org/publications/files/SOWC_2017_ENG_WEB.pdf (18.12.2019), 45. 128 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 1, 43. 38 tion for Economic Cooperation and Development (OECD) über digitale Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen zeigt erhebliche Unterschiede betreffend den Compu- ter- und Internetzugang zwischen sozioökonomisch begünstigten und benachteiligten Schülerinnen und Schülern auf. 88 % der begünstigten Kinder haben zwei oder mehr Computer zu Hause, während dies auf benachteiligte Kinder nur bei 55 % zutrifft. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch beim Internetzugang.129 Diese Differenzen innerhalb der Staaten selbst können also bereits bestehende Benachteiligungen noch zusätz- lich verstärken.130

Eine weitere Trennlinie ist die sogenannte „Gender Gap“. Global gesehen nutzen 12 % mehr männliche als weibliche Personen das Internet.131 Künftig soll sich diese Kluft laut Expertenmeinungen noch vergrößern. Besonders markant ist die soge- nannte „Gender Gap“ in Ländern mit geringem Einkommensniveau.132 Trauriger Spitzenreiter auf Staatenebene ist Indien, wo nur gut ein Drittel aller Inter- netuser weiblich ist. Mädchen in ländlichen Gegenden müssen betreffend die Nut- zung von digitaler Technologie oft Beschränkungen aufgrund ihres Geschlechts hin- nehmen. In einer ländlichen Ortschaft in Rajasthan, einem Bundesstaat in Indien, ist es Mädchen beispielsweise verboten, Mobiltelefone oder Social Media zu nutzen. In einer anderen Ortschaft im Bundesstaat Uttar Pradesh ist es unverheirateten Mäd- chen verboten, Mobiltelefone zu nutzen, um sie – so die Argumentation des Gesetz- gebers – vor Verbrechen zu schützen.133 Im Allgemeinen erhalten Mädchen verglichen mit Jungs erst mit höherem Alter einen Zugang zu digitaler Technologie. Der Zugang von Mädchen unterliegt auch stärkeren Beschränkungen und strengerer Überwachung als jener von Jungs. Außerdem wer- den Karrieren im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien nach wie vor eher mit Jungs als mit Mädchen assoziiert.134

129 Vgl. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, Students, Computers and Learning, Making the Connection, PISA, https://read.oecd-ilibrary.org/education/students-computers- and-learning_9789264239555-en#page1 (18.12.2019), 128f. 130 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 48. 131 Vgl. ebd., 1. 132 Vgl. ebd., 48. 133 Vgl. ebd., 49. 134 Vgl. Livingstone Sonia/Nandi Anulekha/Banaji Shakuntala/Stoilova Mariya, Young adolescents and digital media, Uses, risks and opportunities in low- and middle-income countries: a rapid evidence review, https://www.gage.odi.org/wp-content/uploads/2019/01/Young-Adolescents-Digital-Media- FINAL.pdf (18.12.2019), 1. 39 Kinder und Jugendliche, welche von der digitalen Technologie am meisten profitieren könnten, verfügen also oft über keinen Zugang zu ihr. Der digitale Zugang wird somit zur neuen Trennlinie, durch die bereits bestehende Ungleichheiten weiter zugespitzt werden. Die digitale Kluft betrifft allerdings nicht nur den Zugang zum Internet. Kin- der, die Minderheitensprachen sprechen, können trotz Zugang zum Internet keine relevanten Inhalte finden. Ganze 50 % aller Webseiten weltweit sind auf Englisch verfasst.135 Auch wirtschaftliche Unterschiede werden, wie soeben dargestellt, ge- spiegelt: Die Vorteile für Kinder aus wohlhabendem Elternhaus werden verstärkt, während gleichzeitig benachteiligte Kinder weiterhin auf der Strecke bleiben. Die digitale Kluft demonstriert also die sozioökonomische Kluft zwischen arm und reich, Männern und Frauen136, aber auch zwischen städtischen und ländlichen Ge- bieten und solchen mit und ohne effektivem Bildungssystem.137

4.2.2.2 Folgen des fehlenden Zugangs

Die Gründe, welche Kinder davon abhalten, ihr Recht auf Zugang auszuüben, sind vielfältig. Sehr häufig spielen die hohen Kosten eine Rolle. Daher besitzen Kinder (bzw. ihre Familien) oft gar keine technischen Geräte oder können sich ein entspre- chendes Guthaben nicht leisten. Die meisten der Länder mit den höchsten Kosten für mobile Breitbanddienste befinden sich auch unter den am wenigsten entwickelten Ländern in Afrika, Asien und dem Pazifischen Raum.138 Aber auch die fehlende oder mangelnde Stromversorgung und Internetverbindung (vor allem in ländlichen Gebie- ten) stellen diesbezügliche Herausforderungen dar. Oft haben Kinder auch gar keine Zeit für die Nutzung des Internets, weil sie einer Arbeit nachgehen müssen.139 Ein geringer Bildungsgrad und fehlende Digital Literacy stellen ebenso Zugangsbarrieren dar.

135 Vgl. Radoykov Boyan, The Human Right to Information – the Status Quo of the Global Implementa- tion and Future Chances and Challenges, in: Kirchschläger Peter/Kirchschläger Thomas (Hg.), Menschenrechte und Digitalisierung des Alltags, 7. Internationales Menschenrechtsforum Luzern (IHRF) 2010, Luzern (Stämpfli Verlag AG Bern), 2010, 66. 136 Vgl. Facebook, State of Connectivity 2015, A Report on Global Internet Access, https://fbnewsroomus.files.wordpress.com/2016/02/state-of-connectivity-2015-2016-02-21-final.pdf (18.12.2019), 36; Vgl. Radoykov, The Human Right to Information, in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Menschenrechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 66. 137 Vgl. International Telecommunication Union, Measuring the Information Society Report 2016, https://www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Documents/publications/misr2016/MISR2016-w4.pdf (18.12.2019), 179. 138 Vgl. International Telecommunication Union, Measuring the Information Society Report 2016, 135. 139 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 52f. 40 Bei der Beschränkung des Zugangs für Mädchen kommen laut einer Umfrage in 22 Ländern mit geringem und mittlerem Einkommensniveau oft noch kulturelle Faktoren (wie beispielsweise gesellschaftliche Normen und mangelndes Selbstvertrauen) hin- zu.140

In einer vernetzten Welt nicht vernetzt zu sein, bedeutet das Vorenthalten sämtlicher Vorteile und Chancen, die die Digitalisierung bietet, u.a. neue Bildungs- und Kom- munikationsmöglichkeiten und die Entwicklung wesentlicher digitaler Kompetenzen und Fähigkeiten, die für die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts essentiell sind. Diejeni- gen, welche Zugang zu digitalen Technologien sowie die notwendigen Kompetenzen zum Umgang damit gelernt haben, werden gegenüber jenen Kindern, auf die das nicht zutrifft, bevorzugt sein.141 Aber auch Informationsbeschaffung ist, vor allem in Gesundheitsfragen (z.B. betref- fend Krankheiten, wie HIV) oder betreffend die eigene Sexualität (z.B. Verhütung und Schwangerschaft), relevant. Der fehlende Zugang kann schwerwiegende Folgen ha- ben, da in abgelegenen Gebieten oft auch eine ärztliche Versorgung unzureichend ist oder gänzlich fehlt. Aber auch andere Informationen, etwa politischer Art, bleiben diesen Kindern verwehrt.142

Somit können durch die Nichtgewährung des Zugangs zu digitaler Technologie gleich mehrere Kinderrechte verletzt werden. U.a. sind davon die folgenden betrof- fen: Art. 2 KRK (Diskriminierungsverbot), Art. 13 KRK (Meinungs- und Informations- freiheit), Art. 17 KRK (Zugang zu Medien) sowie Art. 28 KRK (Recht auf Bildung).

4.2.2.3 Internationale Initiativen und mögliche Lösungsansätze

Die Vertragsstaaten haben gem. Art. 2 KRK die in der Konvention festgelegten Rech- te jedem Kind ohne jegliche Form der Diskriminierung zu gewähren. Von einem dis- kriminierungsfreien Zugang zur digitalen Welt kann allerdings gegenwärtig, wie soeben dargelegt, nicht gesprochen werden. Vielmehr lässt sich insbesondere eine

140 Vgl. GSM Association, Bridging the gender gap: Mobile access and usage in low- and middle- income countries, https://www.gsma.com/mobilefordevelopment/wp- content/uploads/2016/02/Connected-Women-Gender-Gap.pdf (18.12.2019), 6ff. 141 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 43; Vgl. Livingstone Sonia, Method Guide 1, A framework for researching Global Kids Online, Understanding children’s well-being and rights in the digital age, http://eprints.lse.ac.uk/71254/1/Guide-1-Research-framework-Livingstone.pdf (18.12.2019), 17. 142 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 54f. 41 Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Geschlechts, der Sprache und des Ver- mögens feststellen.

Als Reaktion auf die genannten Zugangsprobleme wurden bereits einige internatio- nale Initiativen ins Leben gerufen. Speziell in Ländern mit geringem Einkommensni- veau bieten einige „Global Content Provider“143 freien Zugang zu Inhalten oder nied- rigere Tarife an. Ähnlich wie die sogenannten „Zero-Rating“ Programme, welche be- stimmte Webseiten vom Verbrauch des Datenlimits des Kunden ausnehmen144, er- möglichen diese Initiativen jenen Kindern und Jugendlichen, für welche die Zugangs- kosten unerschwinglich sind, gewisse Dienstleistungen und Inhalte kostenlos bzw. ermäßigt zu nutzen.145 Beispielsweise sind hier Google Free Zone, Wikipedia Zero oder Facebook’s Free Basics zu nennen.146 Zudem betreibt UNICEF ein Projekt namens „UNICEF’s Internet of Good Things“ (IoGT), welches bedürftigen Bevölkerungsteilen in 60 Staaten und zwölf Sprachen wesentliche Informationen, beispielsweise betreffend Kinderrechte, Internetsicher- heit, Hygiene, Epidemien und HIV/AIDS, zur Verfügung stellt.147 An diesen Initiativen wird aber auch Kritik dahingehend geübt, dass die nächsten Milliarden an Internetusern nicht zu einem partizipatorischen Internet geführt werden, welches sie selber mitgestalten können, sondern vielmehr zu einem Internet, in dem sie lediglich Social Media Posts erstellen und Medien konsumieren können, indem sie jene Plattformen nutzen, die hierzu von einigen wenigen „Big Players“ zur Verfü- gung gestellt werden. Dies würde zu einer digitalen Welt führen, in der Kinder und Jugendliche bloß Konsumenten und nicht Schöpfer von Inhalten wären, was die par- tizipatorischen Kinderrechte vollkommen außer Acht ließe.148

Eine wesentliche Zugangshürde ist, wie bereits weiter oben erwähnt, der Kostenfak- tor. Daher könnte mit der Senkung der Kosten für den Internetzugang auch benach- teiligten Kindern und Jugendlichen ein solcher ermöglicht werden. Diesbezüglich sind auch die Staaten aufgerufen, Marktstrategien und Anreizsysteme zu schaffen, um

143 Ein Content Provider kann (vereinfacht dargestellt) jeder sein, der Inhalte im Internet anbietet. 144 Vgl. McSherry Corynne/Malcolm Jeremy/Walsh Kit, Zero Rating: What It Is And Why You Should Care, https://www.eff.org/de/node/90420 (18.12.2019). 145 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 57. 146 Vgl. International Telecommunication Union, Measuring the Information Society Report 2016, 101. 147 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 57. 148 Vgl. Surman Mark/Gardner Corina/Ascher David, Local Content, Smartphones and Digital Inclu- sion, https://www.mitpressjournals.org/doi/pdf/10.1162/inov_a_00217 (18.12.2019), 65. 42 Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der Dienstleister in ihrem Land zu fördern und damit die Kosten für den Internetzugang insgesamt zu minimieren.149 Außerdem sollten die Vertragsstaaten auf Internetkonzerne einwirken, damit diese vermehrt lokale Inhalte zur Verfügung stellen.150 Dies würde insbesondere jenen Kindern, die Minderheitensprachen sprechen, in abgelegenen Gebieten aufwachsen oder zu ausgegrenzten Gruppen gehören, den Zugang zu relevanten Inhalten er- möglichen.151

Ein für alle Kinder umfassend umgesetztes Recht auf Zugang zu digitalen Medien birgt enormes Potential, generationsübergreifende Zyklen der Benachteiligung zu brechen.152 Freilich ist, wie in diesem Kapitel verdeutlicht wurde, die Realität gegen- wärtig weit von dieser Zielvorstellung entfernt, weshalb weiterhin (insbesondere in- ternational koordinierte) Maßnahmen notwendig sind, um benachteiligten Kindern und Jugendlichen den Zugang zur digitalen Welt zu ermöglichen.

4.3 Recht auf Privatsphäre und Datenschutz

Kinder werden immer jünger zu aktiven Internetusern und teilen große Mengen an persönlichen Informationen über sich selbst und andere mit der digitalen Welt. Dabei werden personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen verarbeitet, wie etwa die IP- oder E-Mail-Adresse, Angaben in Kontaktformularen oder sonstige Da- ten mit Personenbezug.153 Mit jedem Posting und bei jeder Suche nach Informatio- nen, Produkten, etc. werden ebenso unzählige Daten (über beispielsweise die Identi- tät, den geographischen Standort oder Präferenzen) erfasst und verarbeitet.154 Die digitale Technologie hat unzweifelhaft die Autonomie und Unabhängigkeit von Kindern und Jugendlichen als wesentliche Elemente des Rechts auf Privatsphäre gestärkt. Kinder können über das Internet einfacher mit Freundinnen und Freunden kommunizieren und sich Informationen beschaffen, welche in enormer Menge frei

149 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 3. 150 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 11 (2009): Indigenous chil- dren and their rights under the Convention, CRC/C/GC/11, 9. 151 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 3. 152 Vgl. Kleine Dorothea/Hollow David/Poveda Sammia, Children, ICT and Development, Capturing the potential, meeting the challenges, https://www.unicef- irc.org/publications/pdf/unicef_royalholloway_ict4dreport_final.pdf (18.12.2019), 19. 153 Vgl. Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, Kinderseiten und D S G V O: Das geht gut! Aufklärung und Hilfestellung für die Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung für Anbie- ter von Kinderonlineinhalten, https://www.fsm.de/sites/default/files/fsm-dsgvo-broschuere.pdf (18.12.2019), 3. 154 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 91. 43 zugänglich sind. Gleichzeitig haben sich aber mit der digitalen Welt auch neue Her- ausforderungen und Bedrohungen für die Privatsphäre von Kindern und Jugendli- chen entwickelt.155

4.3.1 Rechtsgrundlagen

Das Recht auf Privatsphäre wurde praktisch wortgleich aus den Art. 12 AEMR und Art. 17 IPbpR in den Art. 16 KRK übernommen. Geschützt sind fünf Lebensbereiche von Kindern: das Privatleben, die Familie, die Wohnung, der Schriftverkehr sowie die Ehre und der Ruf. Der Schutz des Privatlebens dient als Auffangtatbestand und um- fasst alle möglichen Ausdrucksformen der Persönlichkeit sowie das Recht auf Selbstbestimmung.156 Verwandte Regelungen wie jene des Art. 16 KRK finden sich etwa in Art. 8 EMRK sowie in Art. 7 GRC. Art. 8 GRC normiert ein Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten.

Das Recht auf Privatsphäre ist, basierend auf Art. 12 AEMR und Art. 17 IPbpR, auf völkerrechtlicher Ebene praktisch universell verankert. Gemeinsam mit anderen in- ternationalen sowie nationalen rechtlichen Maßnahmen, inkl. Verfassungen und Ju- dikatur, lässt sich ein umfangreicher rechtlicher Rahmen feststellen. 157 Allerdings fehlt es an einer allgemein anerkannten einheitlichen Definition für den Schutz- bereich, was auch der UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Privatsphäre mon- iert: „In some cases it may prove to be next to useless if we were to have 193 nations signed up to the principle of protecting privacy if we do not have a clear understand- ing of what we have agreed to protect.“ 158

Nichtsdestotrotz lassen sich auf Grundlage der gegenwärtigen Konzipierungen des Rechts auf Privatsphäre drei wesentliche Aspekte identifizieren:159 . Entscheidungsbezogene Privatsphäre: Diese beschreibt die Fähigkeit von Personen, autonome Entscheidungen für ihr eigenes Leben zu treffen ohne

155 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, protection of personal information and reputation rights, https://www.unicef.org/csr/files/UNICEF_CRB_Digital_World_Series_PRIVACY.pdf (18.12.2019), 4. 156 Vgl. Heißl Gregor, Recht auf Achtung des Privatlebens, des Hausrechts sowie des Brief- und Fernmeldegeheimnisses, in: Heißl (Hg.), Handbuch Menschenrechte (2009), 161. 157 Vgl. UN Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy (2016), A/HRC/31/64, 9. 158 Ebd., 9. 159 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 7. 44 dabei äußeren Eingriffen ausgesetzt zu sein. Der Schutz umfasst u.a. den Schutz vor Eingriffen in die Kommunikation, die Wohnung, die eigene Mei- nung, den Glauben und die persönliche Identität. Kommunikation meint in die- sem Zusammenhang jegliche Art von Kommunikation auf Distanz, also auch eine solche über beispielsweise soziale Netzwerke, SMS oder E-Mail.160 . Informationelle Selbstbestimmung: In jüngerer Vergangenheit hat sich das Recht auf Privatsphäre dahingehend entwickelt, dass auch ein Recht auf in- formationelle Selbstbestimmung umfasst ist, besser bekannt als das Recht auf Datenschutz. Der Datenschutz steht in Bezug auf die Privatsphäre gegenwär- tig im Fokus der politischen Diskussionen und Gesetzgebungsprozesse. Ver- einfacht gesagt, beinhaltet das Recht auf Datenschutz ein Recht darauf, selbst kontrollieren zu können, wer die eigenen Daten besitzt und was damit ge- schehen soll. Insbesondere geht es um Fragen der Erfassung, Sammlung, Veröffentlichung, Speicherung, Aufbewahrung und der Analyse von Daten.161 Das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Datenschutz sind zwar nicht deckungsgleich, enthalten aber eine beträchtliche gemeinsame Schnittmenge und werden in dieser Arbeit daher undifferenziert betrachtet.162 . Physische Privatsphäre: Die physische Privatsphäre enthält ein Recht auf privaten Raum und körperliche Integrität.

Verboten sind gem. Art. 16 KRK willkürliche und rechtswidrige Eingriffe in das Privat- leben, die Familie und Wohnung sowie den Schriftverkehr von Kindern und Jugendli- chen. Was den Schutz der Ehre und des Rufes anbelangt, so sind bloß rechtswidrige Eingriffe untersagt. Dieser abgeschwächte Schutz ist damit zu erklären, dass die Eh- re und der Ruf stärker mit Rechten anderer Personen (wie beispielsweise der freien Meinungsäußerung) in Konflikt geraten könnten.163 Das Recht auf Privatsphäre gilt also nicht absolut. Ein Eingriff muss dementspre- chend einerseits vom Gesetz vorgesehen, also rechtmäßig, sein. Die gesetzliche Vorgabe muss ihrerseits mit den Zielen der Konvention vereinbar sein. Aber auch ein gesetzlich vorgesehener Eingriff kann willkürlich und damit unzulässig sein. Willkür-

160 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 222f. 161 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 7. 162 Vgl. Lehner Andreas, Recht auf Datenschutz, in: Heißl (Hg.), Handbuch Menschenrechte (2009), 211f. 163 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 223. 45 lich ist ein gesetzlich vorgesehener Eingriff dann nicht, wenn er – angesichts der Umstände des Einzelfalls – angemessen ist. Angemessen bedeutet in diesem Sinne, dass ein Eingriff in Hinblick auf die jeweilige Zielerreichung notwendig und verhält- nismäßig sein muss.164 Schließlich stellt Art. 16 Abs. 2 KRK klar, dass den Vertragsstaaten nicht nur selbst rechtswidrige und willkürliche Eingriffe untersagt sind, sondern auch eine positive Verpflichtung zum Schutz der Privatsphäre vor Eingriffen Dritter durch aktive Maß- nahmensetzung besteht.165

In der Praxis ist die Wahrung der Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen oft ein schwieriger Balanceakt. Einerseits können Eingriffe durchaus gerechtfertigt sein, et- wa dann, wenn informierte Entscheidungen getroffen werden müssen und Kinder die Fähigkeit hierzu schlicht noch nicht entwickelt haben. Kindern und Jugendlichen pauschal eine autonome Entscheidungsbefugnis dafür einzuräumen, würde dem Prinzip des Kindeswohls widersprechen. In diesen Fällen wird es oft angemessen sein, den Eltern und mit der Obsorge betrauten Personen die Wahrung der Pri- vatsphäre ihrer Kinder anzuvertrauen. Andererseits kann sich ein „zu viel“ an elterli- cher Aufsicht als kontraproduktiv erweisen und beispielsweise durch eine notwendige Zustimmung zur Nutzung von Online-Diensten – neben einem Eingriff in die Pri- vatsphäre – auch die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, den Zu- gang zu Informationen sowie die Entwicklung einer Digital Literacy erschweren.166 Kinder müssen die notwendigen Fähigkeiten, um die Chancen sowie die Risiken der Digitalisierung zu erkennen, nämlich erst mit dem Heranwachsen erlernen.167 Kinder und Jugendliche selbst sehen ihr Recht auf Privatsphäre von privatwirtschaft- lichen Unternehmen/staatlichen Maßnahmen genauso bedroht wie von überfürsorgli- chen Eltern.168

164 Vgl. UN-Menschenrechtsrat, Bericht des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Das Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter (2014), A/HRC/27/37, 7f. 165 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 223. 166 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 10. 167 Vgl. Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 29. 168 Vgl. Third Amanda/Bellerose Delphine/Dawkins Urszula/Keltie Emma/Pihl Kari, Children’s Rights in the Digital Age, A download from children around the world, http://pandora.nla.gov.au/pan/141862/20160405-1343/www.youngandwellcrc.org.au/wp- content/uploads/2014/09/Childrens-Rights-in-the-Digital-Age_Report_FINAL.pdf (18.12.2019), 47. 46 4.3.2 Online-Risiken für das Recht auf Privatsphäre

In diesem Kapitel werden beispielhaft acht Risikobereiche für die Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen in der digitalen Welt erörtert.

4.3.2.1 Datensammlung, -analyse und -veräußerung an Dritte

Unternehmen haben ein sehr großes Interesse an Kindern und deren Daten. Einer- seits stellen diese eine (auch mit Blick in die Zukunft) besonders bedeutende Kon- sumentengruppe dar, welche auch das Kaufverhalten der eigenen Familie und der Freundinnen und Freunde beeinflussen kann. Andererseits reagieren Kinder äußerst sensibel auf Marketing- und Werbeaktivitäten und sind besonders empfänglich für Manipulation und Beeinflussung.169

Die Datensammlung, –analyse, und –veräußerung gilt mittlerweile für Unternehmen als entscheidender Faktor für den Geschäftserfolg.170 Insbesondere außerhalb Eu- ropas werden Unternehmen bezüglich des Umgangs mit Daten lediglich von einzel- nen branchenspezifischen Rechtsvorschriften und freiwilligen Selbstverpflichtungen eingeschränkt. Unternehmen mit Sitz in den USA, welche den Markt für Online-Apps, Suchmaschinen und digitale Kommunikation dominieren, sammeln, speichern und nutzen Daten in einer Weise, die es praktisch unmöglich macht, hiervon ein vollstän- diges Bild zu zeichnen.171

Die bedeutendste Form der Datensammlung beruht dabei auf Freiwilligkeit. Wenn Kinder und Jugendliche Online-Accounts anlegen, so geben sie bestimmte (perso- nenbezogene) Daten an.172 Diese Informationen werden mit dem Nutzerverhalten (auf dieser Webseite, aber uU auch auf externen Webseiten) verknüpft und die so entstandenen Datenpakete an Dritte, wie beispielsweise Werbetreibende, veräu- ßert. 173 In der Europäischen Union wird zwar etwa gem. Art. 6 Datenschutz-

169 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 11. 170 Vgl. Cooper Tim/LaSalle Ryan, Guarding and growing personal data value, https://www.accenture.com/_acnmedia/pdf-4/accenture-guarding-and-growing-personal-data-value- pov-low-res.pdf (18.12.2019), 6ff. 171 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 11. 172 Vgl. Kaiserswerth Matthias, Abenddiskussion: Garantiert die Digitalisierung des Alltags mehr Si- cherheit für alle durch Einschränkung der Freiheit von Einzelnen? in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Menschenrechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 146. 173 Vgl. Kutscha/Thomé, Grundrechtsschutz im Internet? (2013), 12f. 47 Grundverordnung (DSGVO) die ausdrückliche Zustimmung zur Weiterveräußerung von Daten gefordert. Dies verliert allerdings vor dem Hintergrund komplexer und va- ge formulierter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) an Bedeutung.174 Es be- steht freilich kein rechtlicher Zwang, Dienstleistungsangebote von etwa Google oder Facebook zu nutzen. Aufgrund der nahezu bestehenden Monopolstellung dieser An- bieter besteht aber zumindest ein faktischer sozialer Zwang zur Mitgliedschaft, da Kindern und Jugendlichen ansonsten der soziale Ausschluss droht. Dies lässt eine selbstbestimmte und freiwillige Zustimmung zumindest fraglich erscheinen.175 Bis zu ihrer Volljährigkeit werden so exorbitante Datenmengen von Kindern und Ju- gendlichen gesammelt, meist ohne ihr Wissen bzw. Bewusstsein dafür.

4.3.2.2 Individualisierte Werbung

Zusätzlich zur Veräußerung von Daten vertreiben Unternehmen Werbefläche an an- dere Unternehmen, welche damit – beruhend auf dem Einkaufs- und Surfverhalten der Kinder – gezielt Produkte oder Dienstleistungen anbieten können. Das ermöglicht Unternehmen, ihren Service zu optimieren, da sie Werbung gezielt platzieren und somit individualisieren können. Allerdings führt dies auch dazu, dass große Mengen an Daten gespeichert und für diesen Zweck genutzt werden. Außerdem können nicht nur Daten über das Surfverhalten auf der Webseite des entsprechenden Unterneh- mens gespeichert und ausgewertet werden, sondern (am Beispiel von Facebook) auch solche über das sonstige Verhalten im Internet, die Nutzung von mobilen End- geräten, den Standort (für die werbenden Unternehmen meist mit verschiedenen Auswahlmöglichkeiten, wie „Jeder an diesem Standort“, „Personen, die an diesem Standort leben“, „Personen, die sich kürzlich hier aufgehalten haben“ oder „Perso- nen, die hier reisen“), das Alter und das Geschlecht, andere demographische Merk- male (wie beispielsweise die schulische/universitäre Ausbildung) oder sonstige Inte- ressen (etwa, was Personen in ihrer Timeline posten, die Apps, die sie nutzen, die Seiten, die sie „liken“, etc.).176 Auch in Hinblick auf die erhöhte Empfänglichkeit von Kindern und Jugendlichen für Marketing- und Werbemaßnahmen entwickelt sich diese verhaltensgesteuerte Ziel-

174 Vgl. Kutscha/Thomé, Grundrechtsschutz im Internet? (2013), 44f; Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 11f. 175 Vgl. Kutscha/Thomé, Grundrechtsschutz im Internet? (2013), 44f. 176 Vgl. Van Alsenoy Brendan/Verdooth Valerie/Heyman Rob/Ausloos Jef/Wauters Ellen/Acar Güneş, From social media service to advertising network, A critical analysis of Facebook’s Revised Policies and Terms, https://www.law.kuleuven.be/citip/en/news/item/facebooks-revised-policies-and-terms-v1- 3.pdf (18.12.2019), 58ff. 48 gruppenansprache immer mehr zu einem Risiko für die Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen.177 Dazu hält die OECD fest: “Children have insufficient under- standing of how Internet content is produced and financed, which is also a reason why they have difficulty critically assessing advertising messages.”178 Der Erwägungsgrund 38 DSGVO sieht diesbezüglich etwa vor, dass die Verarbei- tung von personenbezogenen Daten von Kindern zu Werbezwecken eines speziellen Schutzes bedarf. Wie dieser Schutz konkret ausgestaltet werden soll, wird aber offen gelassen.179

Aber nicht nur das Recht auf Privatsphäre ist durch individualisierte Werbung gefähr- det, sondern auch das Recht auf Informationsfreiheit (Art. 13 KRK), da durch Wer- bende beeinflusst werden kann, welche Informationen Kinder und Jugendlichen be- kommen und wie ihre Online-Erfahrung insgesamt geformt wird.180

Zusammenfassend besteht enormes Missbrauchspotential durch Unternehmen. An dieser Stelle sei etwa der Facebook Datenskandal genannt, bei dem Daten von Fa- cebook-Usern unrechtmäßig an die Firma Cambridge Analytica (ein Datenanalyseun- ternehmen, welches u.a. für den Wahlkampf von Donald Trump tätig war) weiterge- geben wurden. Dies betraf die Daten von ca. 300.000 NutzerInnen einer Umfrage- App via Facebook sowie die Daten von deren Facebook-Freunden. Letztendlich sol- len bis zu 87 Millionen Nutzerkonten betroffen gewesen sein. Mit diesen Daten soll individualisierte Wahlwerbung entsprechend der Nutzerprofile eingesetzt worden sein.181

177 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 12. 178 Organization for Economic Cooperation and Development, The Protection of Children Online, Rec- ommendation of the OECD Council, Report on risks faced by children online and policies to protect them, https://www.oecd.org/sti/ieconomy/childrenonline_with_cover.pdf (18.12.2019), 33. 179 Vgl. Bortot Chiara, Children and data protection: Awareness and effectiveness in a connected world, http://arno.uvt.nl/show.cgi?fid=144598 (18.12.2019), 36. 180 Vgl. Viola de Azevedo Cunha Mario, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0: Challenges and opportunities for policy, Innocenti Discussion Paper 2017-03, https://www.oecd- ilibrary.org/docserver/0fd4aacb- en.pdf?expires=1562851280&id=id&accname=guest&checksum=18A9FCBB8CA4F1F7701966A244E D159E (18.12.2019), 9f. 181 Vgl. International Federation of Library Associations and Institutions, The right to privacy in the digital age, https://www.ifla.org/files/assets/faife/ochr_privacy_ifla.pdf (18.12.2019), 2; Vgl. derStand- ard, Facebook zahlt britische Strafe zu Cambridge-Analytica-Skandal, https://www.derstandard.at/story/2000110512837/facebook-zahlt-britische-strafe-zu-cambridge- analytica-skandal (18.12.2019); Vgl. Süddeutsche Zeitung, Datenmissbrauch: Was ist eigentlich bei Facebook los? https://www.sueddeutsche.de/digital/datenmissbrauch-was-ist-eigentlich-gerade-bei- facebook-los-1.3932349 (18.12.2019). 49 4.3.2.3 Verwendung biometrischer Daten

Biometrische Daten sind besonders schutzwürdige Daten. Es handelt sich dabei bei- spielsweise um den Fingerabdruck, das Gesicht oder die Stimme, welche zum Zweck der Identifikation einer Person gespeichert und ausgewertet werden.182 Soziale Netzwerke (wie z.B. Facebook) und Online-Photo-Sharing Services (wie z.B. Flickr) setzen die Gesichtserkennung bereits seit längerer Zeit ein, um Personen zu markieren und Fotos zu organisieren. Facebook ist sogar eines der weltweit führen- den Unternehmen in der Entwicklung von Gesichtserkennungstechnologien. Mit 97 %-iger Wahrscheinlichkeit kann die Facebook Software erkennen, ob zwei Perso- nen auf verschiedenen Bildern dieselben sind. Das ist akkurater als das Identifikati- onssystem des FBI.183 Künftig soll es sogar möglich sein, Personen nach ihren Haa- ren, der Körperform oder der Kleidung zu identifizieren.184

Aber auch Spielzeuge verfügen heutzutage über neue und innovative Funktionen, wie z.B. eingebaute Mikrofone, Kameras, Sensoren und andere Technologie. Einige „Internet of Things“-Spielzeuge können beispielsweise Kinder aufnehmen und mit ihnen kommunizieren. Ein Beispiel hierfür ist die „Hello Barbie“, welche sich mit dem Kind unterhalten und Fragen beantworten kann. Dafür ist sie mit dem WLAN verbun- den und speichert jegliche durch Spracherkennungssoftware erkannte Kommunikati- on mit dem Kind für zwei Jahre auf US-Servern ab. Die Eltern erhalten darüber hin- aus jede Woche eine zusammenfassende E-Mail über diese – für das Kind vermeint- lich private – Kommunikation zwischen Puppe und Kind. Dies kann als massiver Ein- griff in die Privatsphäre des Kindes qualifiziert werden.185

Die Verwendung biometrischer Daten gilt als invasiv und wird stark kritisiert. Unter anderem wäre etwa Identitätsdiebstahl denkbar oder, dass durch Fehler oder Unge-

182 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 12f. 183 Vgl. Elgan Mike, Is facial recognition a threat on Facebook and Google? Photo recognition is so good on Facebook and Google that they don't even need to see your face to ID you. Now what? https://www.computerworld.com/article/2941415/is-facial-recognition-a-threat-on-facebook-and- google.html (18.12.2019). 184 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 12f. 185 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 58. 50 nauigkeiten der Technologie der Zugang zu Produkten und Dienstleistungen blockiert werden könnte.186 Neben den Risiken, die sich durch die Nutzung biometrischer Daten ergeben, entwi- ckeln sich aber auch neue Möglichkeiten zum Schutz von Kinderrechten. Biometri- sche Daten können zum Beispiel zur Erkennung und Analyse bildlicher Darstellun- gen von sexuellem Missbrauch an Kindern187 oder zur Identifikation von Kindern in Ländern, in denen kein System der Geburtenregistrierung besteht, genutzt wer- den.188

4.3.2.4 Altersüberprüfung und Identitätspreisgabe

Für Unternehmen ist es nicht erkennbar, ob es sich bei ihren Nutzerinnen und Nut- zern um Kinder oder Erwachsene handelt. Um insbesondere Kinder- und Jugend- schutzbestimmungen gerecht zu werden, setzen daher viele Unternehmen Alters- überprüfungssysteme ein, die oftmals eine Identitätspreisgabe beinhalten.189 Eine Altersüberprüfung ist aber zum Beispiel auch innerhalb des Geltungsbereichs der DSGVO erforderlich. Ein(e) NutzerIn kann nur selbst zur Verarbeitung der Daten einwilligen, wenn sie/er mindestens 16 Jahre alt ist. Für jüngere Personen ist vom Verantwortlichen190 die Einwilligung der Erziehungsberechtigten einzuholen.

Es gibt bislang keine anerkannte „Best Practice“ für die Altersüberprüfung von Kin- dern und Jugendlichen bzw. die Einholung der Einwilligung der Eltern191. Es beste- hen vielmehr verschiedene Möglichkeiten (unter der Voraussetzung, dass sich diese Maßnahmen innerhalb des jeweiligen Rechtsrahmens bewegen):192 . Abfrage des Geburtsdatums

186 Vgl. Thür Hanspeter, Expertenpanel: Digitalisierung des Alltags – Chance oder Gefahr für die Men- schenrechte? in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Menschenrechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 108; Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 12f. 187 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 13. 188 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 9. 189 Vgl. Dreyer, On the Internet, nobody knows you’re a kid, in: merz medien + erziehung (2018), 66. 190 Verantwortlicher ist gem. Art 4 Z 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrich- tung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Ver- arbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. 191 Vgl. Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, Kinderseiten und D S G V O, 27. 192 Vgl. Polonetsky Jules, Online Age Verification for Our Children, A Report on the Tools and Re- sources Available for Safeguarding the First Generation of Digital Natives, https://fpf.org/wp- content/uploads/2009/11/madrid-presentation-online-verification1.pdf (18.12.2019), 3ff; Vgl. Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, Kinderseiten und D S G V O, 27. 51 . Semantische Analyse von bestehenden Profilen (aus der aufgrund der Aus- drucksform auf ein gewisses Alter geschlossen werden kann) . Abfrage der Sozialversicherungsnummer oder von Kreditkartendaten . Abfrage der Führerschein- bzw. Reisepassdaten . Versenden einer E-Mail mit Bestätigungslink an die elterliche E-Mail-Adresse . Offline, etwa durch ein Telefonat mit den Eltern oder Zusenden eines Formu- lars zur Retournierung per Post oder Fax

Zu bedenken ist, dass Personen durch Preisgabe ihrer Identität das Internet nicht mehr anonym nutzen können. Gerade aber durch die Anonymität des Internets ist insbesondere die Privatsphäre von Kindern und Heranwachsenden geschützt. In die- sem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass Kinder gem. Art. 8 KRK ein beson- deres Recht auf den Schutz ihrer Identität genießen. Die Anonymität kann darüber hinaus auch davor schützen, gezielt von Cyberkriminellen belästigt sowie von invasi- ven Werbeaktivitäten überflutet zu werden.193 Andererseits muss auch festgehalten werden, dass oft gerade erst die Anonymität im Internet kriminelle Handlungen ermöglicht, die Kinder online in Gefahr bringen.194 Anonymität kann die Aufdeckung und Vorbeugung von Straftaten erschweren oder gar unmöglich machen und schafft eine Basis für die Existenz von Online- Marktplätzen für den Verkauf von Material über sexuellen Missbrauch von Kindern.195

4.3.2.5 Verschlüsselung und Gerätesicherheit

Eine Verschlüsselung transformiert elektronische Daten in eine unlesbare Form für diejenigen, für welche die Information nicht bestimmt ist. Es bestehen drei verbreitete Arten der Verschlüsselung. Bei der sogenannten End-to-End-Verschlüsselung sind die Entschlüsselungscodes lediglich Sender und Empfänger bekannt. Die Gerätever- schlüsselung wird dagegen eingesetzt, um gespeicherte Daten zu schützen. Die Transport-Verschlüsselung kann schließlich das Surfverhalten verschlüsseln.196

193 Vgl. Dreyer, On the Internet, nobody knows you’re a kid, in: merz medien + erziehung (2018), 75f; Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 13f. 194 Vgl. Warburton Nigel, Free Speech, A Very Short Introduction, New York (Oxford University Press), 2009, 83. 195 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 13f. 196 Vgl. ebd., 14. 52 Verschlüsselung kann also Kommunikation, das Surfen im Internet oder Online- Transaktionen allgemein vor externer Überwachung und Eingriffen in die Privatsphä- re schützen. Sie kann aber auch dazu führen, dass rechtmäßige staatliche Überwa- chungsmaßnahmen sowie die Verfolgung von Cyberkriminellen erschwert oder un- möglich gemacht werden.197 Tatsächlich stellen Strafverfolgungsbehörden eine zu- nehmende Erschwernis der Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet durch den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien fest (Stichwort: „Darknet“198).199

4.3.2.6 Staatliche Überwachungsmaßnahmen

Für viele Regierungen spielt die (oft auch unrechtmäßige) staatliche Massenüberwa- chung mittlerweile eine wesentliche Rolle in nationalen Sicherheitsstrategien. 200 Massenüberwachung gefährdet neben dem Recht auf Privatsphäre auch andere Kinderrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Beispielsweise werden Kinder und Jugendliche oft davon absehen, ihre (politische) Meinung öffentlich kundzutun, wenn sie davon ausgehen, dass eine staatliche Überwachung stattfinden könnte.201

Meist werden Daten über bestimmte Personen, Nutzerkonten oder IP-Adressen von Behörden und Nachrichtendiensten direkt von Anbietern für Kommunikationsdienste und Internet-Mittlerdiensten (wie z.B. „Internet Service Provider“202, Suchmaschinen und Social Media Plattformen) angefordert. Diese Anfragen sind in den letzten Jahr- zehnten rapide angestiegen, allein im ersten Halbjahr 2019 gab es beispielsweise über 75.000 Ersuche um Offenlegung von Nutzerdaten an Google.203 Zu diesem Zweck müssen Telekommunikationsunternehmen sowie Internet Service Provider Daten wie Zeit, Ort, Datum, Absender und Empfänger von Nachrichten ge- nerieren und speichern. Diese Daten können zum Beispiel Informationen über Be-

197 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 14. 198 Siehe dazu Kapitel „4.6.2.4 Sexueller Kindesmissbrauch“. 199 Vgl. Cook James, POLICE: “Apple Will Become The Phone Of Choice For The Pedophile”, https://www.businessinsider.com/police-apple-will-become-the-phone-of-choice-for-the-pedophile- 2014-9?IR=T (18.12.2019). 200 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 91. 201 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 8. 202 Internet Service Provider bieten Dienste, technische Leistungen oder Inhalte an, die für die Nut- zung von Inhalten oder den Betrieb von Diensten im Internet erforderlich sind. 203 Vgl. Google, Transparenzbericht, https://transparencyreport.google.com/user- data/overview?metric=users_accounts (18.12.2019). 53 ziehungen, Bewegungen, bestimmte Verhaltensmuster oder die politische und religi- öse Zugehörigkeit enthalten.204 Oft ist es der Schutz von Kindern und Jugendlichen, welcher als Legitimation für die Massenspeicherung und Offenlegung von Daten angeführt wird. Ohne Frage ist dies ein legitimes Ziel, nichtsdestotrotz stellt eine pauschale Vorratsdatenspeicherung einen wesentlichen Eingriff in das Recht auf Privatsphäre jeder einzelnen Nutzerin und jedes einzelnen Nutzers dar.205 Besonders intensiv ist dieser Eingriff bei Kindern. Diese beginnen nämlich oft noch in ihren ersten Lebensjahren damit, mobile Geräte zu nutzen und generieren – sozusagen – ein Leben lang Daten.206 Außerdem ist an dieser Stelle nicht außer Acht zu lassen, dass die Daten nicht bloß national erhoben und genutzt werden, sondern oft grenzüberschreitend (wie etwa zum Zweck der Ter- rorismusbekämpfung) ausgetauscht werden.207

Daneben besteht auch die Möglichkeit, öffentlich zugängliche Quellen (wie etwa Presseberichte oder soziale Netzwerke) zu nutzen, um Informationen über das Pri- vatleben von Personen zu sammeln. In den letzten Jahren ist die Zahl der öffentlich zugänglichen Daten exponentiell angestiegen. Geheimdienste und Behörden sind heutzutage in der Lage, sämtliche öffentlich zugänglichen Quellen in enormer Ge- schwindigkeit zu durchsuchen.208 Dies hat naturgemäß auch Auswirkungen auf die Privatsphäre von Kindern und Ju- gendlichen. Eltern teilen immer öfter Informationen über ihre Kinder öffentlich in ihren Social Media Profilen, ihre Kinder tun es ihnen zunehmend gleich. Kinder realisieren oft nicht, dass sie Informationen mit der Öffentlichkeit teilen und können kaum ab- schätzen, wie sie verwendet werden könnten, um ihr Verhalten zu überwachen.209

204 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 15f. 205 Vgl. ebd., 16. 206 Vgl. Toppo Greg, Techie tykes: Kids going mobile at much earlier age, https://eu.usatoday.com/story/tech/2015/11/02/pediatrics-mobile-devices-study/75012604/ (18.12.2019). 207 Vgl. International Federation of Library Associations and Institutions, The right to privacy in the digital age, 2. 208 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 16. 209 Vgl. ebd., 16. 54 4.3.2.7 Elterliche Kontrolle

Elterliche Kontrolle kann ein wirksames Mittel sein, um Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, die Vorzüge der digitalen Welt zu genießen, ohne dabei ihren Risi- ken ausgesetzt zu sein. Dies kann beispielsweise in der Bestimmung von passenden Inhalten oder der Kontrolle des Surfverhaltens, des Zeitpunkts und der Dauer der Internetnutzung ihrer Kinder liegen.210

Auch hier stehen sich einmal mehr legitime Ziele, nämlich Kinder und Jugendliche vor Online-Gefahren, wie etwa sexuellen Missbrauch, schädlichen Inhalten oder der Offenlegung von persönlichen Informationen, zu schützen, und ein klarer Eingriff in die Privatsphäre dieser Kinder und Jugendlichen gegenüber. Zusätzlich wird durch ein Übermaß an Kontrolle die Entwicklung von Kindern zu eigenverantwortlichen und kritischen digitalen Bürgerinnen und Bürgern verhindert.211 Das Spannungsfeld zwischen elterlichen Kontrollmaßnahmen und dem Recht von Kindern auf Privatsphäre lässt sich am besten anhand des Konzeptes der „Evolving Capacities“ veranschaulichen.212 Während elterliche Kontrolle für junge Kinder, wel- che ihr Online-Verhalten kaum selbst steuern können, durchaus angemessen sein kann, wird diese für Jugendliche, welche Themen wie Sexualität, Politik und Religion ergründen möchten, schwieriger zu rechtfertigen sein.213 Das Online-Verhalten von Kindern und Jugendlichen ausschließlich in die Entschei- dungsgewalt ihrer Eltern zu legen, würde außerdem dem Grundprinzip auf Beteili- gung in allen Entscheidungsprozessen, welche das Kind betreffen (Art. 12 KRK), wi- dersprechen. Dadurch würde auch der Zugang zu Informationen sowie die Möglich- keit der freien Meinungsäußerung (Art. 13 KRK) beschränkt und von den Eltern ab- hängig gemacht werden.214 Überdies ist ein Eingriff in die Privatsphäre der Kinder auch durch Datensammlung der von den Eltern eingesetzten Kontrollsoftware (durch „Tracking“-Apps, wie „Pocket Nanny“ oder Apps, mit denen auf die Smartphones der Kinder zugegriffen und Funktionen deaktiviert werden können, wie „Mobiflock“)

210 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, association, access to information and participation, https://www.unicef.org/csr/css/UNICEF_CRB_Digital_World_Series_EXPRESSION.pdf (18.12.2019), 13; Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 16. 211 Vgl. ebd., 16. 212 Vgl. dazu auch Kapitel „4.6.3.2 Modell des intelligenten Risikomanagements”. 213 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 16. 214 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 15. 55 denkbar.215 Schließlich können elterliche Kontrollen Kinder und Jugendliche auch davon abhalten, externe Hilfe bei häuslichen Konflikten (wie z.B. häuslicher Gewalt) zu suchen.216

4.3.2.8 Reputationsrisiken online

Durch das Internet haben der Umfang und die Reichweite jeder Art von Informatio- nen, einschließlich diffamierender, zugenommen. Diese Informationen können poten- tiell dutzende Male dupliziert und faktisch dauerhaft gespeichert werden.217 Speziell für Kinder und Jugendliche können schädliche Informationen negative Lang- zeiteffekte haben. In Zusammenhang mit der Reputation von Kindern und Jugendli- chen lassen sich daher die folgenden Problemfelder darstellen:218 . Unberechtigte Verwendung von Kinderfotografien: Das Leben von Kindern und Jugendlichen wird oft durch die Eltern bereits von der Geburt an in Social Media Profilen digitalisiert und dokumentiert (sogenanntes „Sharenting“219). Ganze 81 % der unter Zweijährigen in zehn Industriestaaten besaßen in einer im Jahr 2010 durchgeführten Umfrage bereits einen digitalen Fußabdruck, entweder in Form eines eigenen Profils oder indem Fotos von dem Kind ge- postet wurden.220 Viele Internet-Apps ermöglichen das Veröffentlichen von Fotografien, welche (auch) Kinder abbilden, ohne dass die abgebildeten Kinder darüber informiert würden oder gar die Möglichkeit erhielten, zur Veröffentlichung einzuwilligen oder diese abzulehnen. Diese mangelnde Kontrollfähigkeit über die Verbrei- tung von Fotografien kann nicht nur Auswirkungen auf die Reputation haben, sondern vielmehr auch andere Risiken bergen, wie beispielsweise die Ver- wendung der Fotografien in Netzwerken für Kindesmissbrauchsmaterial (z.B. Nacktbilder von Kindern, die Eltern gepostet haben).221

215 Vgl. Kutscher Nadia, Zwischen Schutz und Freiheit, in: DJI Impulse, 03/2015, 30. 216 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 13. 217 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 18. 218 Vgl. ebd., 18. 219 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 10. 220 Vgl. Business Wire, Digital Birth: Welcome to the Online World, https://www.businesswire.com/news/home/20101006006722/en/Digital-Birth-Online-World (18.12.2019). 221 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 92. 56 . Cybermobbing: Vor allem unter Kindern und Jugendlichen stehen Einschüch- terung, Drohung und Belästigung in der digitalen Welt immer mehr auf der Ta- gesordnung. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass intime Fotos mit dem Vorsatz verbreitet werden, der Reputation der abgebildeten Person zu scha- den. Rechtliche Maßnahmen, um dieses Verhalten einzudämmen, erweisen sich oft als problematisch in Hinblick auf das Recht auf Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung von Kindern und Jugendlichen. Beispielsweise sehen viele Cybermobbing-Gesetze tiefgreifende Ermittlungsbefugnisse sowie die Entziehung des Internetzugangs als Strafmaßnahme vor oder sie kriminalisie- ren die einvernehmliche Veröffentlichung von Bildern.222 . Die Dauerhaftigkeit von Informationen: Die vermutlich größte Gefahr für die Reputation von Kindern im Internet ist die enorme Menge an Informationen, welche über sie verfügbar ist. Diese Informationen finden sich beispielsweise in Blogs, in Social Media Postings oder auf persönlichen Webseiten, in öffent- lich zugänglichen Prüfungsergebnissen oder auch in Veröffentlichungen von Seiten der Schulen. Sogar belanglose Aktivitäten, wie der Besuch von Konzer- ten oder das Kommentieren von Nachrichtenartikeln, können so für immer festgehalten werden. Die Auswirkungen können bis in das Erwachsenenalter reichen und sich so beispielsweise auf künftige Beschäftigungen oder Bezie- hungen auswirken.223 Potentielle Arbeitgeber durchforsten etwa oft öffentliche Profile und Suchmaschinen, um Informationen über Bewerberinnen und Be- werber zu erlangen.224

4.3.3 Empfehlungen für einen effizienten Schutz der Privatsphäre

Wie soeben dargestellt, sind die Gefahren für Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt vielfältig und machen es deshalb notwendig, den Schutz der Privatsphäre online differenziert von jenem der Erwachsenen zu adressieren. Einige Empfehlungen für einen verbesserten Schutz der Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen sollen hier deshalb überblicksmäßig vorgestellt werden, wobei keinerlei Anspruch auf Voll- ständigkeit besteht.

222 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 18. 223 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 7; Vgl. UNICEF, Dis- cussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 18. 224 Vgl. Kaiserswerth, Abenddiskussion: Garantiert die Digitalisierung des Alltags mehr Sicherheit für alle durch Einschränkung der Freiheit von Einzelnen? in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Men- schenrechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 146. 57 4.3.3.1 Digitalisierung und Territorialitätsprinzip

Die Digitalisierung stellt eine enorme Herausforderung für unsere nationalen Rechts- systeme dar, die territorial ausgerichtet sind. Das Internet kennt allerdings keine phy- sischen Grenzen und nahezu jeder Datentransfer erfolgt mittlerweile international. Staaten stehen somit vor der Herausforderung, wie der Menschenrechtsschutz, insb. das Recht auf Privatsphäre, vor diesem Hintergrund sichergestellt werden kann.225 Dies gestaltet sich umso schwieriger, als die rechtlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen für das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz international divergieren. Innerhalb der EU herrscht etwa ein vergleichsweise hohes Schutzni- veau, wohingegen etwa in den USA das Schutzniveau niedriger ist. Ziel auf völker- rechtlicher Ebene sollte es deshalb sein, darauf hinzuwirken, (völkerrechtlich verbind- liche) Minimumstandards für den Schutz der Privatsphäre, insb. für den Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten von Kindern und Jugendlichen226, zu erarbeiten und dafür zu sorgen, dass diese auch tatsächlich eingehalten wer- den.227 Wie weiter oben erwähnt, scheitert es diesbezüglich gegenwärtig bereits an einer universellen Definition des Rechts auf Privatsphäre.

4.3.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

In gesetzlichen Regelungen sollten Verletzungen des Rechts auf Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen explizit adressiert werden (zumindest aber Cybermobbing, das Verbreiten von Bildern ohne Zustimmung und die missbräuchliche Verwendung persönlicher Daten).228 Überdies sollten Regierungen klare rechtliche Rahmenbedin- gungen für die Sammlung, Nutzung und Veräußerung von Daten von Kindern und Jugendlichen erlassen.229 Jede neue gesetzliche Regelung, die den Schutz der Pri- vatsphäre in der digitalen Welt betrifft, sollte außerdem technologieneutral verfasst werden, damit sie auch künftige neue Technologien umfasst, ohne dass eine Anpas- sung erforderlich ist.230 Außerdem sind regelmäßige Schulungen für etwa Richterin- nen und Richter, Anwältinnen und Anwälte und Polizeibedienstete bzgl. der Entwick-

225 Vgl. Kutscha/Thomé, Grundrechtsschutz im Internet? (2013), 118. 226 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 25. 227 Vgl. Kutscha/Thomé, Grundrechtsschutz im Internet? (2013), 134. 228 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 25. 229 Vgl. ebd., 25. 230 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 17. 58 lungen neuer Technologien und deren Auswirkung auf Kinderrechte für die effektive Anwendung dieser Gesetze unerlässlich.231

Staatliche Überwachungsmaßnahmen machen es (auch aufgrund ihrer oftmaligen Intransparenz) für IKT-Unternehmen zunehmend schwierig, die angeforderten Daten in einer Art zur Verfügung zu stellen, welche die Achtung von Menschenrechten si- cherstellt. Auch hier besteht erhebliches Optimierungspotential: Die Überwachung regelnde nationale Gesetze müssen mit dem internationalen Recht (inkl. dem Recht auf Privatsphäre) in Einklang stehen. In der Praxis bedeutet das, dass entsprechen- de Anfragen an Anbieter für Kommunikationsdienste und Internet-Mittlerdienste ge- richtlich angeordnet, eng gefasst, basierend auf begründetem Verdacht sowie not- wendig und verhältnismäßig zur Erreichung eines gerechtfertigten Ziels sein müs- sen.232

4.3.3.3 Selbstbefähigung durch Digital Literacy

Die Sensibilisierung für das Thema Privatsphäre ist unter Kindern und Jugendlichen durchaus verbreitet und steigend.233 Das zeigen beispielhaft die Ergebnisse der in Deutschland durchgeführten DIVSI U25-Studie. 234 Die Gruppe der 14- bis 17- Jährigen versteht allerdings unter „privat“ nur das, was in die Intimsphäre fällt oder peinlich ist, wie etwa Gefühle oder Ängste. Gefürchtet wird die Verbreitung solcher Informationen. Die Verbreitung und Veräußerung von personenbezogenen Daten, wie Name, E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, wird von Kindern und Jugendlichen als weniger problematisch angesehen.235 Die Vermittlung von relevanten digitalen Kompetenzen und Fähigkeiten (Stichwort: Digital Literacy) ist daher ein wichtiger Faktor, um diesbezüglich Aufklärungsarbeit zu

231 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Privacy, 26. 232 Vgl. ebd., 25. 233 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 82f. 234 Vgl. Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI), DIVSI U25-Studie, Eupho- rie war gestern, Die „Generation Internet“ zwischen Glück und Abhängigkeit, https://www.divsi.de/wp- content/uploads/2018/11/DIVSI-U25-Studie-euphorie.pdf (18.12.2019), 72ff. 235 Vgl. Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI), DIVSI U25-Studie, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt, https://www.divsi.de/wp- content/uploads/2014/02/DIVSI-U25-Studie.pdf (18.12.2019), 163. 59 leisten und Kinder dazu zu befähigen, sämtliche Gefahren für ihre Privatsphäre onli- ne zu erkennen und angemessen damit umzugehen.236 Ein effektiver Schutz der Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen kann nämlich nicht bloß durch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen sichergestellt wer- den. Das Internet ist praktisch unkontrollierbar und es ist nicht auszuschließen, dass Kinder und Jugendliche trotzdem mit unangemessenen und schädlichen Inhalten in Berührung kommen. Das bedeutet in Zusammenhang mit der Privatsphäre vor allem, dass Kinder sich bewusst werden müssen, was Öffentlichkeit und Reichweite in Hin- blick auf das Internet bedeuten. Auf dieser Basis können sie erst selbstbestimmte Entscheidungen treffen, was sie mit welcher (Teil-)Öffentlichkeit teilen möchten und was nicht. Überdies sollen sie über die technischen Fertigkeiten verfügen, ihre Pri- vatsphäre-Einstellungen auf Internetplattformen entsprechend zu verwalten.237

4.3.3.4 Maßnahmen seitens Unternehmen

Geschäftsmodelle von Online Service Providern und die auf sie anwendbaren recht- lichen Regelungen sollten die verstärkte Transparenz von Datensammlung und -nutzung vorsehen. Außerdem sollen die diesbezüglichen rechtlichen Regelungen derart angepasst werden, dass sie den Informationsbedürfnissen und dem sprachli- chen und geistigen Verständnis von Kindern und Jugendlichen gerecht werden, da- mit sie diese auch tatsächlich verstehen können. Denkbar wäre außerdem, dass Online Service Provider eine jährliche Benachrichti- gung an Kinder und deren Eltern senden, um sie über ihre Rechte zu informieren, namentlich, dass sie ihre Daten u.a. überprüfen, aktualisieren und korrigieren lassen können. Online Service Provider sollten außerdem Datenschutzrichtlinien mit klarem Wortlaut implementieren, damit Kindern und deren Eltern bekannt ist, wie diese Un- ternehmen die Daten der Kinder verarbeiten.238

4.3.4 Exkurs: Altersgrenze in der DSGVO

Das Thema Datenschutz hat in jüngerer Vergangenheit (v.a. durch die Geltung der DSGVO seit Mai 2018) erheblich an Brisanz gewonnen. Erwähnt sei an dieser Stelle der besonders häufig diskutierte Art. 8 DSGVO, welcher auf europäischer Ebene

236 Vgl. Rosani Domenico, Child’s participation online and the General Data Protection Regulation – a dialogue between educational and legal sciences is urgently needed, in: merz medien + erziehung, 06/2018, 48. 237 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 18f. 238 Vgl. Viola de Azevedo Cunha, Child Privacy in the Age of Web 2.0 and 3.0, 17. 60 erstmalig eine Altersgrenze für die Einwilligung von Kindern und Jugendlichen zur Verarbeitung ihrer Daten vorsieht.239 Diese liegt grundsätzlich bei 16 Jahren, die Mit- gliedstaaten können allerdings eine geringere Altersgrenze vorsehen (allerdings nicht unter 13 Jahren).240 Für Kinder und Jugendliche, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, ist die Zustimmung des/der Erziehungsberechtigten einzuholen.

Der Ansatz, eine starre Altersgrenze für die Zustimmung zu normieren, wird oft kriti- siert. Dies könnte Kinder dazu ermutigen, bzgl. ihres Alters oder einer Einwilligung zu lügen. Da dies meist unentdeckt bleibt, wird Kindern und Jugendlichen dadurch ver- mittelt, dass vertragliche und gesetzliche Vorgaben praktisch belanglos sind und Ver- letzungen ohne Konsequenzen bleiben.241 Außerdem könnten sich Erwachsene, die im Wege des „Grooming“242 sexuellen Kon- takt zu Kindern suchen, darauf berufen, dass sie durch die Nutzung der Social Media Seite davon ausgehen durften, dass das Kind bereits 16 Jahre alt ist – das Alter der sexuellen Mündigkeit in vielen Staaten.243 Laut Expertinnen und Experten bestehen außerdem auch andere Möglichkeiten zum Schutz der Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen, nämlich beispielsweise die Sensibilisierung mittels Bildungsinitiativen sowie eine entsprechende Anpassung von Standard-Datenschutzeinstellungen.244 Schließlich berücksichtigt eine starre Altersgrenze nicht die unterschiedliche Entwick- lungsgeschwindigkeit von Kindern und Jugendlichen („Evolving Capacities“). Wie- wohl eine Beurteilung der Reife des Kindes für jeden Einzelfall keineswegs praktika- bel wäre, so wäre allerdings ein gradueller risikobasierter Ansatz denkbar gewesen (etwa niedrigere Altersgrenze für Zustimmung zu einer Newsletter-Bestellung als beispielsweise für die Registrierung auf einer Online-Gaming Webseite für Erwach- sene).245

239 Vgl. Bortot Chiara, Children and data protection, 25. 240 Österreich hat etwa von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und als Altersgrenze die Vollen- dung des 14. Lebensjahres festgelegt. 241 Vgl. Dreyer, On the Internet, nobody knows you’re a kid, in: merz medien + erziehung (2018), 70. 242 Zum Begriff des „Grooming” siehe Kapitel „4.6.2.3 Cyber Grooming und Sexting“. 243 Vgl. Carr John, The Point about 16: implications of the GDPR for child grooming laws, https://blogs.lse.ac.uk/medialse/2016/12/01/the-point-about-16-implications-of-the-gdpr-for-child- grooming-laws/ (18.12.2019). 244 Vgl. Jasmontaite Lina/De Hert Paul, The EU, children under 13 years, and parental consent: a hu- man rights analysis of a new, age-based bright-line for the protection of children on the Internet, https://www.researchgate.net/publication/273289011_The_EU_children_under_13_years_and_parent al_consent_a_human_rights_analysis_of_a_new_age-based_bright- line_for_the_protection_of_children_on_the_Internet (18.12.2019), 13. 245 Vgl. Rosani, Child’s participation online, in: merz medien + erziehung (2018), 46. 61

Es lässt sich daher zusammenfassen, dass die ausnahmslose Notwendigkeit einer elterlichen Zustimmung unter einer starren Altersgrenze gegen Art. 5 (Grundsatz der „Evolving Capacities“), Art. 12 (Recht auf Beteiligung), Art. 13 (Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit) und Art. 16 (Schutz der Privatsphäre) der UN- Kinderrechtekonvention verstoßen könnte. 246 Außerdem könnte auch ein Verstoß gegen Art. 28 (Recht auf Bildung) vorliegen, indem es Kindern und Jugendlichen er- schwert wird, eine Digital Literacy zu entwickeln.247

4.4 Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit

Mit der Einführung von Partizipationsrechten durch die Kinderrechtekonvention wur- den Kinder und Jugendliche erstmalig als Träger von subjektiven Partizipationsrech- ten angesehen. Für die Ausübung dieser Partizipationsrechte bieten die digitalen Technologien immer mehr und immer vielfältigere Möglichkeiten.248 So können etwa Informationen im Internet besonders rasch eingeholt oder verbreitet, öffentlich diskutiert sowie kommentiert werden.249 Die Informationsbeschaffung kann beispielsweise über Suchmaschinen oder Online-Enzyklopädien erfolgen und dabei alles Mögliche betreffen: Beispielsweise die Unterstützung bei Hausaufgaben, das Erlernen von Musikinstrumenten, aber auch Gesundheitsinformationen oder das Ver- folgen von globalen und lokalen Nachrichten.250 Kinder und Jugendliche können außerdem ihre Meinung, ihre Bedürfnisse, Interes- sen und ihr Wissen ausdrücken sowie gegenüber einer breiten Masse an Menschen kundtun und verfügen hierzu über die unterschiedlichsten kreativen Möglichkeiten (wie z.B. Blogs, Podcasts, Social Media, Foren oder Videos).251 Die heutige Generation von Kindern und Jugendlichen wächst außerdem in der Ära des digitalen Aktivismus auf. Sie nutzen Social Media und andere digitale Technolo-

246 Vgl. Jasmontaite Lina/De Hert Paul, The EU, children under 13 years, and parental consent: a hu- man rights analysis of a new, age-based bright-line for the protection of children on the Internet, https://www.researchgate.net/publication/273289011_The_EU_children_under_13_years_and_parent al_consent_a_human_rights_analysis_of_a_new_age-based_bright- line_for_the_protection_of_children_on_the_Internet (18.12.2019), 12. 247 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 92f. 248 Vgl. ebd., 22. 249 Vgl. Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 30. 250 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 14. 251 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 7; Vgl. Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 32. 62 gien, um ihrer Stimme Ausdruck zu verleihen und zu Protesten aufzurufen oder sozi- ale Anliegen zu fördern.252 So können junge Menschen bereits sehr früh am gesell- schaftlichen Leben partizipieren.

Auch für andere Partizipationsrechte birgt die Digitalisierung erhebliche Chancen. Das Recht auf Versammlung und Vereinigung gem. Art. 15 KRK erfährt etwa durch die Digitalisierung eine Erweiterung in dem Sinne, dass Versammlungen auch digital, z.B. mittels Social Media, ermöglicht werden.253 Versammlungen und Vereinigungen können aber auch großflächig digital organisiert werden. Man denke nur an die „Fridays for Future“-Bewegung, welche sich für einen besseren Klimaschutz einsetzt und praktisch ausschließlich über digitale Medien organisiert und verbreitet wird. Aber auch für das Recht auf Beteiligung an Freizeit und am kulturellen und künstleri- schen Leben sowie auf Spiel gem. Art. 31 bietet sich eine Fülle an Ausübungsmög- lichkeiten. Beispielsweise wird das Recht auf Spiel, vor allem von älteren Kindern, zu einem sehr großen Teil online ausgeübt.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in diesem Kapitel aus Kapazitätsgrün- den lediglich die Meinungs- und Informationsfreiheit dargestellt werden, wobei stel- lenweise – in einem holistischen Ansatz – auch andere Partizipationsrechte Einfluss finden.

4.4.1 Rechtsgrundlagen

Das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit kann als Fundament einer jeden Demokratie verstanden werden.254 Es ist in Art. 13 KRK verankert und schützt das Recht von Kindern und Jugendlichen, ihre eigene Meinung und Ideen frei äußern und sich Informationen frei beschaffen zu dürfen. Die beiden Rechte bedingen sich dabei gegenseitig: Kinder müssen die Möglichkeit haben, sich Informationen zu beschaf- fen, sich auf Grundlage dieser eine Meinung zu bilden und diese wiederum frei äu- ßern zu dürfen.255

252 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 22. 253 Vgl. Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 30. 254 Vgl. Härting Niko/Schneider Jochen, Das Dilemma der Netzpolitik, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, 08/2011, 234. 255 Vgl. Dreyer, On the Internet, nobody knows you’re a kid, in: merz medien + erziehung (2018), 67. 63 Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist eng mit Art. 12 KRK (Recht auf Beteili- gung) verbunden, unterscheidet sich von diesem jedoch einerseits dadurch, dass Art. 13 KRK die Meinungsfreiheit für alle Angelegenheiten normiert, Art. 12 KRK hinge- gen (bloß) für jene, welche das Kind betreffen.256 Andererseits kann Art. 13 KRK, im Gegensatz zu Art.12 KRK, Beschränkungen unterworfen werden. Art. 13 Abs 2 KRK sieht diesbezüglich vor, dass Einschränkungen möglich sind, wenn diese für die Ach- tung von Rechten oder des Rufs anderer (z.B. bei Cybermobbing)257 oder für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit o- der der öffentlich Sittlichkeit erforderlich sind. Eingriffe in das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit müssen rechtmäßig sein, also auf einer gesetzlichen Grund- lage beruhen, einen der soeben genannten Fälle betreffen und für die Zielerreichung erforderlich und verhältnismäßig sein.258

Das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit ist in etlichen anderen Menschen- rechtsabkommen enthalten, so etwa in Art. 19 AEMR, Art. 19 IPbpR, Art. 10 EMRK und Art. 11 GRC.

4.4.2 Formen der Ausübung

Eine mögliche Art, wie Kinder und Jugendliche ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben können, ist das Bloggen. Ein bekanntes (oder wohl das bekannteste) Bei- spiel ist die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai. Im Jahr 2009 begann Malala mit nur zwölf Jahren unter einem Pseudonym für BBC über das Recht auf Bildung für Mädchen in Pakistan zu bloggen. Als ihre Identität ans Licht kam, erhielt sie Morddrohungen von den Taliban, wurde angeschossen und dabei schwer verletzt. Für ihren Einsatz für die Rechte von jungen Mädchen auf Bildung erhielt Malala Yousafzai im Jahr 2014 schließlich den Friedensnobelpreis.259

Eine weitere Möglichkeit der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen ist digitaler Ak- tivismus. Für die sogenannten „Digital Natives“260 ist Aktivismus über soziale Netz- werke zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Aus der Ice Bucket Challenge 2014,

256 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 137. 257 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 12. 258 Vgl. UN Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression (2011), A/HRC/17/27, 8. 259 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 25. 260 „Digital Natives“ werden jene Personen genannt, die von Kindheit an mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. 64 bei der Jugendliche für einen unheilbar kranken Freund Spenden sammeln wollten, ist beispielsweise eine weltweite Bewegung hervorgegangen, die Millionen an Spen- dengeldern für die Krankheitsforschung sammeln konnte. Auch lokale Kampagnen für persönliche Anliegen oder politische Themen werden von jungen Menschen über das Internet gestartet. In Brasilien haben im Jahr 2013 etwa Tausende von jungen Menschen soziale Medien als Plattform zur Organisation von Protesten gegen die korrupte Regierung genutzt.261

Es bestehen außerdem bereits einige Bestrebungen, um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mittels digitaler Technologien zu fördern und zu kanalisieren. Eine nennenswerte Initiative ist die „Map Kibera“, welche im Jahr 2009 ins Leben gerufen wurde. Durch den Einsatz von GPS und auf Grundlage von OpenStreetMap262 wurde für eines der größten Slums in Afrika eine Landkarte erstellt. Neben Informationen zu Infrastrukturen (wie Krankenhäuser oder Wasserstellen) sind auch gefährliche Orte auf der Karte eingezeichnet. Außerdem bietet die „Map Kibera“, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation online in Diskussionsforen und Blogs. Überdies sind und waren bei der Erfassung des Ge- bietes und der Daten hauptsächlich junge Bewohnerinnen und Bewohner selbst be- teiligt.263

Auch die Informationsfreiheit ist für Kinder von großer Relevanz: Nach der digitalen Kommunikation sehen diese die Informationsbeschaffung über das Internet als zweitwichtigsten Nutzen der digitalen Technologien an. Diese ermöglichen einen ra- scheren, einfacheren und umfangreicheren Zugang zu Informationen als etwa eine Bibliothek, die inhaltlich begrenzt und nicht rund um die Uhr verfügbar ist. Allerdings können die Massen an Informationen auch zu einer Überforderung von Kindern und Jugendlichen führen („Information Overload“).264 Außerdem ist die Gefahr von soge- nannten „Fake News“265 gestiegen, da jede Person praktisch jegliche Informationen

261 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 25. 262 OpenStreetMap (OSM) ist eine frei zugängliche Datenbank mit Geodaten, die von jedem zur Er- stellung von Landkarten genutzt werden kann. 263 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 22. 264 Vgl. Third/Bellerose/Dawkins/Keltie/Pihl, Children’s Rights in the Digital Age, 38. 265 „Fake News“ sind (insbesondere) im Internet absichtlich verbreitete Falschmeldungen, die entwe- der politisch motiviert sind oder kriminelle oder persönliche Belange verfolgen. Vgl. Rakebrand Thomas/Nitzsche Romy, #NoHateNoFake – ein Medienkompetenz-Projekt gegen Hass und Manipula- tion im Netz, Praxisbericht über Herausforderungen und Erkenntnisse, in: merz medien + erziehung, 03/2018, 63. 65 im Internet verbreiten kann. Es besteht keine klassische Qualitätskontrolle wie etwa bei der Publikation traditioneller Medien.266 Die Phänomene „Information Overload“ und „Fake News“ unterstreichen einmal mehr die Notwendigkeit der Entwicklung einer Digital Literacy, die Kinder u.a. dazu befähi- gen soll, große Mengen an Informationen erfassen, filtern und effektiv für die eigenen Zwecke nutzen zu können.267

4.4.3 Hürden für die Ausübung

Eine wesentliche Hürde für die Ausübung der Meinungs- und Informationsfreiheit ist für viele Kinder die politische Realität in den Ländern, in denen sie aufwachsen. Ma- lala und viele andere, die online auf Kinder- bzw. Menschenrechtsverletzungen auf- merksam machen, erzeugen mit ihren Initiativen oft Spannungen in der Gesellschaft, aber auch gegenüber den jeweiligen Regierungen dieser Staaten.268 Laut Freedom House269 ist die Freiheit des Internets in den letzten Jahren kontinuier- lich zurückgegangen. Dies liegt vor allem an der steigenden Anzahl von Staaten (z.B. Volksrepublik China, Syrien oder Iran), welche Informationsflüsse auf Social Media Plattformen und in Kommunikations-Apps (beispielsweise WhatsApp oder Telegram Messenger) zensieren, insbesondere während politischen Protesten. Ganze zwei Drittel aller Internetnutzerinnen und -nutzer leben in Ländern, in welchen Kritik an der Regierung, dem Militär oder an der Herrscherfamilie zensiert wird. Besonders digitale Petitionen und Aufrufe zum Protest sowie oppositionelle politische Ansichten werden stärker als je zuvor zensiert.270 Wie auch im Kapitel „4.3.2.6 Staatliche Überwa- chungsmaßnahmen“ bereits dargelegt, stellt staatliche Massenüberwachung neben der Gefahr für das Recht auf Privatsphäre auch eine Gefahr für das Recht auf freie Meinungsäußerung dar.271

266 Vgl. Warburton, Free Speech (2009), 82. 267 Vgl. Third/Bellerose/Dawkins/Keltie/Pihl, Children’s Rights in the Digital Age, 38. 268 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 25. 269 Freedom House ist eine ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in den USA, die sich für Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte einsetzt. 270 Vgl. Freedom House, Freedom on the Net 2016: Silencing the messenger - Communication apps under pressure, https://freedomhouse.org/article/freedom-net-2016-silencing-messenger- communication-apps-under-pressure (18.12.2019). 271 Vgl. ebd. 66 Eine zweite Hürde ist, wie weiter oben bereits erläutert, der fehlende oder beschränk- te Zugang zur digitalen Welt, der als conditio sine qua non für die Ausübung von Kin- derrechten in der digitalen Welt gilt.272 In diesem Zusammenhang zeigt sich zusätzlich zu den bereits angesprochenen As- pekten der digitalen Kluft ein weiterer betreffend die Erstellung von digitalen Inhal- ten.273 Dies lässt sich am Beispiel von Wikipedia gut veranschaulichen: Die Plattform stellt mit durchschnittlich 18 Milliarden Seitenaufrufen monatlich die meistgenutzte Quelle nutzergenerierten Inhalts dar.274 Wikipedia ist eine Plattform, auf der jede Person mit Internetzugang Inhalte teilen und verändern kann – theoretisch. Denn die meisten der Artikel fokussieren sich hauptsächlich auf Orte, Ereignisse und Men- schen in Nordamerika, Europa, Australien und Teilen von Asien (wie beispielsweise Indien und Japan). Bestimmte Regionen, wie z.B. Afrika, sind deutlich unterrepräsen- tiert. Viele Artikel über asiatische und afrikanische Länder sind nicht etwa von eige- nen Einwohnerinnen und Einwohnern oder in der lokalen Sprache, sondern von ex- ternen Personen auf Englisch, Deutsch oder Französisch verfasst.275

Was die Nutzung des Internets durch Kinder und Jugendliche anbelangt, so lässt sich, trotz der vielfachen kreativen Partizipationsmöglichkeiten, oft ein bloßer Kon- sum beobachten. Kinder nutzen das Internet meist zu sozialen (etwa Kommunikati- ons-)Zwecken, zur Unterhaltung oder zum Lernen. Die wenigsten von ihnen werden im Internet kreativ und schreiben beispielsweise Blogs, drehen Videos oder üben gesellschaftliches Engagement aus. Wie Kinder und Jugendliche dazu bewegt wer- den können, sich kreativer und partizipatorischer zu betätigen, ist derzeit noch unklar und so wird es künftig eine Herausforderung für alle Beteiligten darstellen, diese jun- gen Menschen mehr in Richtung aktiver Partizipation zu leiten.276 Eine mögliche Ur- sache könnten etwa wiederum fehlende oder unzureichende digitale Kompetenzen (Digital Literacy) sein, welche jedoch unerlässlich sind, um das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit sowie digitale Teilhabe effektiv ausüben können.277

272 Vgl. Radoykov, The Human Right to Information, in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Menschen- rechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 67. 273 Vgl. ebd., 66. 274 Vgl. Anderson Monica/Hitlin Paul/Atkinson Michelle, Wikipedia at 15: Millions of readers in scores of languages, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2016/01/14/wikipedia-at-15/ (18.12.2019). 275 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 60. 276 Vgl. Third Amanda, Method Guide 6, Researching the benefits and opportunities for children online, Global Kids Online, http://eprints.lse.ac.uk/71259/1/Guide-6-Global-opportunities-for-children- Third.pdf (18.12.2019), 8. 277 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 61. 67 4.4.4 Spannungsfeld Meinungs- und Informationsfreiheit/Schutz und Sicher- heit

In einigen Fällen kann eine Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wie bereits weiter oben erwähnt, gerechtfertigt sein; etwa dann, wenn dies zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erforderlich und die Einschränkung insgesamt verhältnismäßig ist.278 Traditionell wurden Beschränkungen des Rechts auf Meinungs- und Informations- freiheit eingesetzt, um Kinder vor illegalen oder schädlichen Inhalten zu schützen. Vermehrt werden diese Beschränkungen gegenwärtig aber auch für andere Zwecke eingesetzt, nämlich zur Förderung von verantwortungsbewusstem Umgang mit digi- talen Medien sowie zur Bekämpfung des radikalen Extremismus. Kinder können in diesem Zusammenhang also in drei Rollen auftreten: Als schutzbedürfte Opfer, als „Digital Citizens“, deren Verhalten reguliert werden muss, sowie als potentielle Täte- rInnen, welche überwacht und von Straftaten abgehalten werden müssen.279 Jeder der genannten Rechtfertigungsgründe hat Auswirkungen auf das Recht auf Mei- nungs- und Informationsfreiheit. In den folgenden Unterkapiteln werden diese offen- sichtlichen Spannungen zwischen dem Recht auf Schutz und Sicherheit und dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit diskutiert.

4.4.4.1 Illegale und schädliche Inhalte

Zugangsbeschränkungen für Kinder und Jugendliche werden grundsätzlich für zwei Kategorien von Inhalten in Betracht gezogen. Einerseits geht es um illegale Inhalte (z.B. Kindesmissbrauchsmaterial), andererseits um schädliche Inhalte. Schädliche Inhalte sind zwar legal, können aber trotzdem die physische, psychische oder mora- lische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen.280 Beispiele sind

278 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 9. 279 Vgl. ebd., 11. 280 Vgl. Library of the European Parliament, Protection of minors in the media environment, EU regula- tory mechanisms, Library Briefing, http://www.europarl.europa.eu/RegData/bibliotheque/briefing/2013/130462/LDM_BRI(2013)130462_R EV1_EN.pdf (18.12.2019), 2f. 68 etwa Gewaltdarstellungen, Erwachsenen-Pornografie, Pro-Anorexia- 281 oder Pro- Suizid-Webseiten.282 Während Zugangsbeschränkungen zu illegalen Inhalten ganz klar legitim sind, ge- staltet sich die Beurteilung bei schädigenden Inhalten bereits schwieriger. Der Begriff „schädigend“ wird oftmals überschießend definiert. Dadurch kann Kindern und Ju- gendlichen ein Zugriff auf Informationen (z.B. über die sexuelle Gesundheit, Sexuali- tät an sich oder LGBT283 Themen), welche für ihre Entwicklung essentiell sind, ver- wehrt werden.284

Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor diesen Inhalten werden unterschiedli- che Maßnahmen eingesetzt. Internet Service Provider können beispielsweise dazu angehalten werden, Inhalte zu sperren oder zu filtern. Durch eine Sperre auf Netzwerkebene können so IP- Adressen, welche Kindesmissbrauchsmaterial enthalten, universell gesperrt werden. Das Filtern von Inhalten wird meist angewendet, um schädliche, aber nicht illegale, Inhalte für Kinder zu filtern. Durch diese beiden Methoden können aber auch Inhalte gesperrt oder ausgefiltert werden, welche weder illegal noch schädlich sind, da die eingesetzten Mechanismen (z.B. „Black Lists“ von Webseiten, Erkennung von Schlagworten oder Textanalysen) in hohem Maße intransparent sind. Außerdem set- zen Unternehmen oft überschießende Maßnahmen ein, um eine staatliche Regulie- rung sowie negative Reputationsfolgen zu verhindern. Somit ist ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Zugang zu Informationen durch Sperren und Filtern von In- halten möglich.285 Sogenannte „Notice and Takedown“-Verfahren werden eingesetzt, um illegale oder schädliche Inhalte aus dem Netz zu entfernen, meist auf Hinweis von anderen Nutze- rInnen. Diese Verfahren können beispielsweise von Social Media Plattformen einge- setzt werden, welche Personen, die solche Inhalte verbreiten, sperren und/oder die- se Posts löschen können. Sie bergen grundsätzlich nur ein geringes Risiko für das Recht auf Meinungsfreiheit, da retrospektiv und einzelfallbezogen vorgegangen wird.

281 Pro-Anorexia-Webseiten dienen der Verherrlichung von und gegenseitigen Ermutigung zur Mager- sucht unter (hauptsächlich) Mädchen und jungen Frauen. 282 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 11; Vgl. Warburton, Free Speech (2009), 85; Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Me- dienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 19. 283 LGBT steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender. 284 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 11. 285 Vgl. ebd., 12. 69 Der Ansatz, der sich aber gegenwärtig entwickelt, fordert von Betreiberinnen und Betreibern immer mehr die Überwachung der Plattformen dahingehend, dass bereits in erster Instanz der Upload von illegalen Inhalten verhindert wird. Dieser Ansatz führt einerseits zu Bedenken bzgl. einer Haftungserweiterung derjenigen, die nutzer- generierte Inhalte zur Verfügung stellen. 286 Andererseits wäre eine Vorabprüfung derartiger Datenmengen kaum praktikabel. 287 Eine derartige Verpflichtung könnte schließlich die Offenheit der Kommunikation und die Existenz vieler Plattformen be- drohen, welche Kindern und Jugendlichen die Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit ermöglichen.288 Eine weitere Form der Einschränkung des Zugangs zu illegalen oder schädlichen Inhalten ermöglichen Suchmaschinen. Diese spielen eine wesentliche Rolle für die Ausübung des Rechts auf Informationsfreiheit. Einige der Information, die sich Kinder über Suchmaschinen beschaffen, können zwangsläufig schädlichen Inhalts sein. Die Algorithmen von Suchmaschinen lassen sich jedoch dahingehend anpassen, dass gewisse Webseiten bevorzugt oder gar nicht angezeigt werden. So entstehen immer mehr Suchmaschinen speziell für Kinder. Obwohl diese erst in den Kinderschuhen stecken, wird bereits Kritik laut, dass sie überschießende Beschränkungen enthalten, welche es Kindern unmöglich machen, auch nützliche und unschädliche Informatio- nen zu finden.289 Beispielsweise liefert die Suche nach dem Wort „breasts“ in der Kinder-Suchmaschine „kidzsearch.com“, welche von Google entwickelt wurde, null Ergebnisse.

4.4.4.2 Förderung von verantwortungsbewusstem Umgang

Die Gesetzgebung vieler Staaten hat bereits auf die zunehmende Verbreitung von Online-Straftaten reagiert. So wurden in den letzten Jahren vermehrt Gesetze erlas- sen, welche insbesondere Cybermobbing unter Strafe stellen. Einige dieser Gesetze ermächtigen Behörden, die Entfernung schädlicher Inhalte von Plattformen zu for-

286 Der EGMR hat 2015 entschieden, dass ein Nachrichtenportal für rechtswidrige Äußerung von Nut- zern zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet werden kann. Eine Verletzung der Meinungsfreiheit liege nicht vor, durch die Betreibung einer kommerziellen Internetplattform träfen den Betreiber be- sondere Überwachungspflichten. Illegale Äußerungen müssten unverzüglich entfernt werden. Vgl. EGMR, Delfi AS v. Estonia, Urteil vom 16.06.2015, http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=001-155105 (18.12.2019). 287 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 12f. 288 Vgl. Warburton, Free Speech (2009), 85. 289 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 13. 70 dern. Das zwingt diese Unternehmen zunehmend dazu, entsprechende AGB zu im- plementieren, die das verantwortungsbewusste Verhalten auf deren Plattformen re- geln, ansonsten müssen sie mit hohen Geldbußen rechnen.

Wenngleich Cybermobbing eine reale Gefahr für die psychische Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen darstellt, so kann eine überschießende (auch gesetzgebe- rische) Behandlung des Themas das Recht auf freie Meinungsäußerung gefährden, indem etwa legitime kritische Äußerungen über Lehrerinnen und Lehrer, Eltern oder Freundinnen und Freunde untersagt werden. Solche Maßnahmen können verhin- dern, dass Kinder ihre Ansichten in einer eigenverantwortlichen Weise äußern und lernen, das Internet frei und verantwortungsbewusst als aktive „Digital Citizens“ zu nutzen.290

4.4.4.3 Verhinderung radikalen Extremismus

Digitale Technologien werden zunehmend von Extremisten und Fundamentalisten zur Verbreitung von Propaganda, extremistischen Ideologien und Hass genutzt.291 Extremistische Organisationen rekrutieren dabei ihre Mitglieder vermehrt online. Wie auch bei anderen schädlichen Inhalten, haben einige Regierungen bereits mit Maß- nahmen zur Identifikation und Beseitigung radikaler Inhalte reagiert. Kinder werden als Hochrisikogruppe angesehen, da sie idR beeinflussbarer sind als etwa Erwach- sene.292 Zahlreiche staatliche Initiativen wurden ins Leben gerufen, um Kinder und Jugendli- che von einem Anschluss an eine solche extremistische Gruppe abzuhalten. Viele dieser Initiativen betreiben Bewusstseinsförderung und unterstützen Kinder dabei, entsprechende Inhalte zu erkennen und zu melden. Einige Initiativen verfolgen aller- dings den Ansatz, dass das Verhalten von Kindern online und offline vermehrt zu überwachen und zu beschränken ist. Solche Maßnahmen beeinträchtigen das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Die strenge Überwachung des Online-Verhaltens von Kindern trägt außerdem nicht dazu bei, dass diese lernen, eigenverantwortlich mit dem Internet umzugehen. Überdies kön-

290 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 14. 291 Vgl. Akkaya Gülcan, SPECIAL Workshop: Rassismusbekämpfung im Internet, in: Kirchschlä- ger/Kirchschläger (Hg.), Menschenrechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 253. 292 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 15. 71 nen überschießende Blockaden wiederum dazu führen, dass auch nützliche Inhalte vom Zugang ausgeschlossen werden.293 Diesbzgl. hat auch der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terroris- mus bestätigt, dass jede Maßnahme, die digitale Inhalte oder Kommunikation blo- ckiert oder beschränkt, einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung dar- stellt und daher eng gefasst und gerechtfertigt sein muss.294

4.5 Recht auf Bildung und Digital Literacy

Für das Recht auf Bildung entstehen durch die digitalen Technologien unverhoffte Wege der Realisierung, wobei besonders benachteiligte Kinder in abgelegenen Ge- bieten profitieren können. Ebenso nutzen Kinder und Jugendliche digitale Medien in Klassenzimmern und zu Hause als Unterstützung beim Lernen und auch der KRA betont die positiven bildungspolitischen Effekte, die digitale Technologien mit sich bringen.295 Diese Auswirkungen werden im Kapitel „4.5.2 Digitale Medien und Bil- dung“ dargestellt. Ein zweiter Aspekt, der einer näheren Betrachtung bedarf, ist die Digital Literacy bzw. vielmehr die Frage, ob das Recht auf Bildung auch ein Recht auf das Erlernen einer Digital Literacy bzw. Medienkompetenz umfasst.296 Die Erläuterung des Be- griffs der „Digital Literacy“ sowie weitere Ausführungen finden sich in Kapitel „4.5.3 Digital Literacy“.

4.5.1 Rechtsgrundlagen

Das Recht auf Bildung und die Festlegung entsprechender Bildungsziele sind in Art. 28 und 29 KRK normiert. Der Begriff der Bildung basiert in der KRK auf einem brei- ten Verständnis und umfasst neben dem Erlernen von allgemeinen Kompetenzen auch die Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Kindes.297 Beispielsweise nennt

293 Vgl. UNICEF, Discussion paper series: Children’s Rights and Business in a Digital World, Freedom of expression, 15. 294 Vgl. UN Human Rights Council, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of human rights and fundamental freedoms while countering terrorism (2016), A/HRC/31/65, 14f. 295 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 17 (2013) on the right of the child to rest, leisure, play, recreational activities, cultural life and the arts (art. 31), CRC/C/GC/17, 14. 296 Für die Zwecke dieser Arbeit werden die beiden Begriffe synonym verwendet, obgleich sie nicht vollkommen deckungsgleich sind, sondern die Medienkompetenz umfassender ist und etwa auch analoge Medien umfasst. Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 2, 13. 297 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 331. 72 der KRA die folgenden Fähigkeiten als Basiskompetenzen: Lesen, Schreiben, Rech- nen, aber auch Alltagskompetenzen, wie das Treffen überlegter Entscheidungen, das gewaltfreie Lösen von Konflikten und die Entwicklung eines gesunden Lebensstils, das Aufbauen solider sozialer Beziehungen und kritisches Denkvermögen sowie das Ausleben kreativer Talente und anderer Fähigkeiten, welche es dem Kind ermögli- chen, sein volles Potential im Leben auszuschöpfen.298 Art. 28 Abs. 3 verpflichtet die Vertragsstaaten zur internationalen Zusammenarbeit im Bildungswesen und u.a. zur Beseitigung von Unwissenheit und Analphabetentum. Dieses Recht steht den Entwicklungsländern gegenüber den Industriestaaten zu, welche in diesem Zusammenhang zu positiven Maßnahmen verpflichtet sind.299

Das Recht auf Bildung ist auch in anderen internationalen Menschenrechtsabkom- men normiert. Beispielsweise sind die Art. 26 AEMR, Art. 13 und 14 IPwskR, Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, Art. 17 ESC sowie Art. 14 GRC zu nennen.

4.5.2 Digitale Medien und Bildung

Laut UNESCO können ca. 250 Millionen Kinder weltweit nicht schreiben, lesen oder rechnen, während 200 Millionen Kinder die Schule verlassen ohne die Kompetenzen zu erwerben, welche sie für ein berufliches Weiterkommen benötigen.300 Digitale Medien können potentiell dazu beitragen, die Realisierung des Rechts auf Bildung zu vereinfachen und diese Lücken (zumindest teilweise) zu schließen. Wie bereits weiter oben erwähnt sind die Industriestaaten gem. Art. 28 Abs. 3 KRK ver- pflichtet, insbesondere zur Beseitigung der Unwissenheit und des Analphabetentums in Entwicklungsländern beizutragen. Auf internationaler Ebene bestehen bereits zahl- reiche Projekte, die Kindern in ländlichen und abgelegenen Regionen oder sonst be- nachteiligten Kindern Bildungsinhalte zur Verfügung stellen.301 Beispielsweise wurde in Brasilien vom Bundesstaat Amazonas eine Bildungsinitiative (Centro de Mídias de Educação do Amazonas – Medienzentrum für Bildung) ge- gründet. Seit 2007 werden Bildungsinhalte für Kinder und Jugendliche in abgelege- nen Gebieten zur Verfügung gestellt. Schulklassen werden in der Hauptstadt Manaus

298 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 1 (2001): Article 29 (1): The aims of education, CRC/GC/2001/1, 4. 299 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 339. 300 Vgl. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, The global learning crisis: why every child deserves a quality education, https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000223826 (18.12.2019), 4. 301 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 14. 73 unterrichtet, via Satelliten-TV erfolgt eine Übertragung in jene Gebiete. Die Schüle- rinnen und Schüler werden zusätzlich von anwesenden TutorInnen unterstützt und können den LehrerInnen während der Übertragung Fragen in Echtzeit stellen.302 Es bestehen auch Projekte, bei denen Kinder und Jugendliche mit digitaler Techno- logie ausgestattet werden, in der Hoffnung, das allgemeine Bildungsniveau zu erhö- hen. Beispielsweise kann in diesem Zusammenhang das Projekt „One Laptop Per Child“ genannt werden, welches 2006 ins Leben gerufen wurde. Mehr als drei Millio- nen Laptops wurden an Volksschulen rund um den Globus (z.B. Argentinien, Mexiko, Peru und Ruanda) verteilt. Allerdings scheint es Studien zufolge nicht ausreichend, benachteiligte Kinder und Jugendliche bloß mit einem Zugang zu digitalen Technolo- gien auszustatten (z.B. Laptops oder Tablets), ohne sie auch gleichzeitig bei der Nutzung durch medienkompetentes pädagogisches Lehrpersonal und entsprechende Software zu unterstützen.303 In einer Studie304, die 2012 in Peru durchgeführt wurde, wurde kein gesteigertes Bildungsniveau im mathematischen oder sprachlichen Be- reich festgestellt. Genauso wenig wurde eine erhöhte Motivation, die Beeinflussung von Lesegewohnheiten und eine längere Beschäftigung mit den Hausaufgaben fest- gestellt.305 Daraus ist ersichtlich, dass eine Orientierungshilfe und Begleitung dieser Kinder bei der Benutzung unerlässlich ist.

Die Anzahl der „Open Educational Resources“, also frei lizenzierte Lehr- und Lern- materialien im Internet, ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Dies deutet grundsätzlich auf eine Verbesserung der Bildungsqualität und einen erhöhten Wis- sensaustausch, auch unter Lehrkräften, und ist somit positiv zu bewerten.306 Die Qualität der Lerninhalte variiert jedoch erheblich, weshalb es notwendig ist, diese Materialien besonders kritisch zu prüfen, um sicherzugehen, dass diese der Bildung von Kindern und Jugendlichen auch tatsächlich zuträglich sind. Wenn allerdings ein angemessenes Qualitätsniveau sichergestellt ist, überwiegen die Vorteile klar: Durch digitale Medien können solche Ressourcen einfach verbreitet werden und so etwa

302 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 15. 303 Vgl. ebd., 17ff. 304 Vgl. Cristia Julián P./Ibarrarán Pablo/Cueto Santiago/Santiago Ana/Severín Eugenio, Technology and Child Development: Evidence from the One Laptop per Child Program, IZA DP No. 6401, http://ftp.iza.org/dp6401.pdf (18.12.2019), 3. 305 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 20. 306 Vgl. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, Study on International Col- laboration on Open Educational Resources (OER), Commissioned study prepared under a consultant contract for UNESCO, https://en.unesco.org/sites/default/files/oer_study_march_2017.pdf (18.12.2019), 3. 74 Gebiete auf der Welt erreichen, welche auf traditionellem Weg bisher nicht erreicht werden konnten.307

Was die Auswirkungen auf den Lernerfolg im Schulunterricht betrifft, so sind die ver- schiedenen Ausgangslagen von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen. Gute Schülerinnen und Schüler, welche digitale Medien mit elterlicher Unterstützung nut- zen, können einen viel größeren Nutzen aus der Verwendung digitaler Technologien ziehen als lernschwache Schülerinnen und Schüler ohne elterliche Unterstützung.308 Generell kann sich der Einsatz digitaler Technologien also auch negativ auf den Lernerfolg auswirken. Insbesondere bei lernschwachen Kindern kann der Einsatz zu einer Einschränkung der Lernfähigkeit und Konzentrationsschwächen in der Schule führen.309

Außerdem verwenden viele Kinder und Jugendliche in Ländern mit hohem und mitt- lerem Einkommensniveau das Internet als Unterstützung für die Erledigung von Hausaufgaben oder zur Vertiefung des in der Schule vermittelten Lehrstoffes. Dafür nutzen sie Plattformen wie Wikipedia oder Google sowie, insb. für beispielweise ma- thematische Erläuterungen, Video-Tutorials.310

Die Digitalisierung hat längst auch den Bildungsmarkt erreicht: Kommerzielle Soft- und Hardware-Hersteller als auch Bildungsinstitute entwickeln immer mehr innovati- ve digitale Produkte und Dienstleistungen im Bildungssektor. Diese neuen Produkte und Dienstleistungen können die Motivation von Schülerinnen und Schülern erheb- lich steigern, da das Lernen dadurch interaktiver gestaltet und mit Spaß verbunden wird. Außerdem ermöglichen diese Produkte Lernmöglichkeiten auch bei limitierten Ressourcen (beispielsweise an PädagogInnen) sowie für Kinder das Lernen in ihrem eigenen Tempo.311

307 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 16. 308 Vgl. ebd., 21f. 309 Vgl. Amacker Kathrin, Expertenpanel: Digitalisierung des Alltags – Chance oder Gefahr für die Menschenrechte? in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Menschenrechte und Digitalisierung des All- tags (2010), 89. 310 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 64f. 311 Vgl. ebd., 14. 75 4.5.3 Digital Literacy

Die Generation der heute aufwachsenden Kinder und Jugendlichen wird einen gänz- lich anderen Arbeitsmarkt vorfinden als ihre Eltern. Diese Transformation – oft als vierte industrielle Revolution bezeichnet – gründet sich auf Entwicklungen in Berei- chen der künstlichen Intelligenz, des 3D-Drucks, der Robotik, der Nanotechnologie und der Biotechnologie (Digitalisierung der industriellen Produktion).312 Für ein erfolg- reiches Berufsleben ist das Erlernen einer Digital Literacy also essentiell. Aber auch für die Realisierung einer Reihe von Kinderrechten in der digitalisierten Welt ist, wie schon zuvor in den verschiedensten Zusammenhängen erwähnt, die Entwicklung einer Digital Literacy unabdingbare Voraussetzung. Zu den betroffenen Kinderrechten zählen etwa die Beteiligungsrechte in Art. 13 KRK (Meinungs- und Informationsfreiheit), Art. 15 KRK (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit), Art. 16 KRK (Schutz der Privatsphäre) und Art. 17 KRK (Recht auf Zugang) sowie die Schutzrechte in Art. 19 KRK (Schutz vor Gewalt) und Art. 34 KRK (Schutz vor sexu- ellem Missbrauch).313 Dass die Digital Literacy vom Recht auf Bildung gem. Art. 28 iVm Art. 29 KRK um- fasst ist und daher ein Recht für Kinder und Jugendliche auf Digital Literacy besteht, ist daher unstrittig.314

Inhaltlich umfasst die Digital Literacy vier Gruppen an Fähigkeiten, welche Kinder und Jugendliche entwickeln und beherrschen sollten:315 1. Sicherer und effizienter Zugriff auf und Umgang mit der digitalen Umgebung 2. Kritische Bewertung und Hinterfragung von Informationen sowie deren Ver- trauenswürdigkeit 3. Sichere, verantwortungsbewusste und effiziente Kommunikation über digitale Technologien 4. Erstellen digitaler Inhalte

312 Vgl. World Economic Forum, The Future of Jobs, Employment, Skills and Workforce Strategy for the Fourth Industrial Revolution, http://www3.weforum.org/docs/WEF_Future_of_Jobs.pdf (18.12.2019), v. 313 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 24. 314 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 24; Vgl. Rosani, Child’s participation online, in: merz medien + erziehung (2018), 48. 315 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 19f; Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 38. 76 Vereinfacht bedeutet Digital Literacy also, dass Kinder und Jugendliche mit jenen Fähigkeiten und Kenntnissen ausgestattet werden sollen, die es ihnen ermöglichen, Risiken online zu vermeiden und Chancen zu maximieren, um damit all ihre Rechte in der digitalen Welt umfassend realisieren zu können.316

Für die Entwicklung einer effektiven Digital Literacy ist es unerlässlich, alle Beteilig- ten, mit denen Kinder in Kontakt stehen, miteinzubeziehen.317 Sich hierbei lediglich auf die elterliche Erziehung zu beschränken, kann bestehende soziale Ungleichhei- ten noch verstärken. Erziehungsberechtigte verfügen oft selbst über keine adäquaten digitalen Kompetenzen oder Sensibilität für das Thema Privatsphäre bzw. fehlt ihnen oft schlicht die Zeit, diese Themen zu adressieren.318 Deshalb hat der KRA beim Day of General Discussion 2014 betreffend digitale Medi- en und Kinderrechte die Vertragsstaaten damit beauftragt, Digital Literacy in ihre Lehrpläne aufzunehmen sowie entsprechende Unterstützung für Eltern und Betreu- ungspersonal anzubieten. 319 Diese Forderung hat der Kinderrechtsausschuss in weiterer Folge auch in einem seiner „General Comments” festgehalten: “Training and support should be provided as part of the basic education curriculum to ensure the development of adolescents‘ digital, information and media and social literacy skills.“320 Eine wichtige Rolle für die Vermittlung der Digital Literacy spielen dementsprechend die Schulen, welche einen Großteil der Kinder und Jugendlichen, und zwar unab- hängig von Herkunft, sozioökonomischem Status oder Alter, erreichen können. 321 Unerlässlich ist hierfür, dass Schulen mit ausreichend geeigneten technischen Ein- richtungen ausgestattet sowie medienkompetente Pädagoginnen und Pädagogen eingesetzt werden.322

316 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 38. 317 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 24f. 318 Vgl. Rosani, Child’s participation online, in: merz medien + erziehung (2018), 49. 319 Vgl. United Nations Committee on the Rights of the Child, Report of the 2014 Day of General Dis- cussion, Digital media and children’s rights, 9. 320 UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 20 (2016) on the implementation of the rights of the child during adolescence, CRC/C/GC/20, 13. 321 Vgl. Rosani, Child’s participation online, in: merz medien + erziehung (2018), 49. 322 Vgl. Urlen Marc, Digitale Kinderrechte und Medienkompetenz, in: merz medien + erziehung, 06/2018, 87; Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 11. 77 4.6 Recht auf Schutz und Sicherheit

Die wenigsten Gefahren, die für Kinder und Jugendliche online bestehen, sind erst durch die Digitalisierung entstanden. Vielmehr erfahren traditionelle Begehungsarten durch den Einsatz von digitalen Technologien eine Intensivierung ihrer Auswirkungen und können vereinfacht ausgeführt werden.

In diesem Kapitel werden abschließend einzelne Gefahren dargestellt, welche für die psychische und physische Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen online lau- ern (Kapitel „4.6.2.1 Cybermobbing“, „4.6.2.2 Hate Speech“, „4.6.2.3 Cyber Grooming und Sexting“ und „4.6.2.4 Sexueller Kindesmissbrauch“). Im Anschluss daran werden ausgewählte Maßnahmen und Strategien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in der digitalen Welt zusammengefasst (Kapitel „4.6.3.1 Schutzmaß- nahmen“, „4.6.3.2 Modell des intelligenten Risikomanagements“ sowie „4.6.3.3 UN Strategie zur Bekämpfung von Hate Speech“). Auch illegale und schädliche Inhalte, wie beispielsweise Gewaltszenen oder Porno- grafie, können Kinder traumatisieren und schädigen.323 Diese Themen wurden be- reits in Kapitel „4.4.4.1 Illegale und schädliche Inhalte“ erläutert, weshalb an dieser Stelle an die dortigen Ausführungen verwiesen werden darf.

4.6.1 Rechtsgrundlagen

Die Verpflichtung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren, offline und online, ergibt sich bereits allgemein aus dem Vorrang des Kindeswohls, welcher in Art. 3 KRK normiert ist. Zusätzlich sind im Zusammenhang mit der Digitalisierung noch insb. die speziellen Schutznormen der Art. 19 KRK (Schutz vor körperlicher und seelischer Gewalt, Missbrauch und Verwahrlosung) und Art. 34 KRK (Schutz vor se- xuellem Missbrauch) zu nennen. Art. 17 lit. e KRK verpflichtet die Vertragsstaaten außerdem dazu, Maßnahmen zum Kinder- und Jugendmedienschutz zu treffen. Be- treffend den Vorrang des Kindeswohls darf auf die Ausführungen in Kapitel „3.3.2.2 Vorrang des Kindeswohls (Art. 3 KRK)“ verwiesen werden.

Art. 19 KRK ist weit formuliert und schützt Kinder und Jugendliche vor jeglicher Art von rechtswidriger Gewaltanwendung, Schadenszufügung, Misshandlung, Verwahr-

323 Vgl. Third/Bellerose/Dawkins/Keltie/Pihl, Children’s Rights in the Digital Age, 40. 78 losung, Vernachlässigung, schlechter Behandlung, Ausbeutung und sexuellem Miss- brauch. Die Entscheidung, wann eine Gewaltanwendung als rechtswidrig gilt, obliegt allerdings den Vertragsstaaten. So ist etwa die körperliche Züchtigung in 41 Ver- tragsstaaten rechtmäßig.324 Die Vertragsstaaten haben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen entsprechende Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungs- maßnahmen zu treffen.

Art. 34 KRK steht in engem Zusammenhang mit Art. 19 KRK, der auch vor sexuellem Missbrauch schützt. Art. 19 KRK stellt allerdings eine „lex specialis“ dar, da nur der Missbrauch innerhalb der Familie bzw. durch Aufsichtspersonen umfasst ist, Art. 34 KRK verbietet hingegen jegliche(n) sexuellen Missbrauch/Ausbeutung, auch und ins- besondere durch Dritte.325 Sexueller Missbrauch iSd Art. 34 KRK meint die Benutzung von Kindern und Jugend- lichen zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse und zu Lasten der physischen und psychischen Unversehrtheit der betroffenen Kinder.326 Die sexuelle Ausbeutung kann zwar auch sexuellen Missbrauch beinhalten, unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass die Ausbeutung einen kommerziellen Aspekt beinhaltet.327 Sexuelle Ausbeutung ist beispielsweise dann gegeben, wenn ein Dritter den sexuellen Kontakt gegen Entgelt herstellt, wie z.B. bei der Zwangsprostitution von Kindern und Jugend- lichen. Auch diese Formen der indirekten Begehung sind von den Vertragsstaaten genauso zu bekämpfen wie jene der direkten Begehung.328 Das zweite Fakultativprotokoll zur KRK betreffend den Verkauf von Kindern, die Kin- derprostitution und die Kinderpornografie hat u.a. auf die steigende Verbreitung des Sextourismus und der Kinderpornografie im Internet reagiert.329 Es beinhaltet eine Reihe weiterer Definitionen, die Art. 34 KRK konkretisieren, wie etwa Kinderprostitu- tion und Kinderpornografie in Art. 2 lit. b und c des 2. Fakultativproto- kolls zur Kinderrechtskonvention (2. FP-KRK). Die Vertragsstaaten trifft eine Verpflichtung zur Verhinderung von Kinderpornografie und –prostitution sowie sonstigen missbräuchlichen sexuellen Handlungen. Art. 3

324 Vgl. Child Rights International Network, Article 19: Protection from Abuse and Neglect, https://archive.crin.org/en/home/rights/convention/articles/article-19-protection-abuse-and-neglect.html (18.12.2019). 325 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 363. 326 Vgl. Van Bueren, The International Law on the Rights of the Child (1995), 275. 327 Vgl. UN Commission on Human Rights, Report of the Working Group on a draft convention on the rights of the child (1987), E/CN.4/1987/25, 21. 328 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 364. 329 Vgl. ebd., 365. 79 des 2. FP-KRK verpflichtet die Vertragsstaaten darüber hinaus dazu, einer Reihe von strafrechtlichen Normen im Zusammenhang mit Kinderhandel, -prostitution und -pornografie zu erlassen, und zwar für im Inland begangene, aber auch für grenz- überschreitende Straftaten. Dies ist als positiver Schritt für die Bekämpfung von se- xuellem Kindesmissbrauch zu verbuchen, da Straftaten, die online begangen wer- den, praktisch immer einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen.330

Schließlich verlangt neben Art. 19 und 34 KRK auch Art. 17 lit. e KRK den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Die Vertragsstaaten haben hierzu die Erarbeitung von geeigneten Richtlinien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Inhalten und Materialien, die ihr Wohlergehen beeinträchtigen, zu fördern.331 Viele Rechts- ordnungen sehen zu diesem Zweck spezielle nationale Schutzvorschriften für Kinder und Jugendliche im Bereich des Jugendmedienschutzrechts vor.332 Eine Möglichkeit, die Vorgaben gem. Art. 17 lit. e KRK zu erfüllen, kann außerdem in einer Anhaltung der Medien zur freiwilligen Selbstverpflichtung liegen. Denkbar wäre, dass gewalttätige Sendungen zu gewissen Tageszeiten nicht ausgestrahlt werden, vor Ausstrahlung von Sendungen über deren evtl. schädliche Inhalte klar informiert wird sowie technische Einrichtungen eingesetzt werden, welche es ermöglichen, be- stimmte Programme zu blockieren.333

Auf internationaler Ebene sind die genannten Schutzbereiche, bis auf eine Ausnah- me334, explizit nur in der KRK geregelt. Bestimmte Begehungsarten der sexuellen Ausbeutung und Gewaltanwendung könnten aber unter Art. 5 AEMR, Art. 7 IPbpR, Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedri- gender Strafe/Behandlung) oder Art. 4 AEMR, Art. 8 IPbpR, Art. 5 GRC und Art. 4 EMRK (Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit) subsumiert werden.335 Auf regionaler Ebene sind insb. die Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, zur Verhütung

330 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 365. 331 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 10. 332 Vgl. Dreyer, On the Internet, nobody knows you’re a kid, in: merz medien + erziehung (2018), 66. 333 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, Day of General Discussion on the child and the me- dia (1996), CRC/C/15/Add.65, 44; Vgl. Dreyer, On the Internet, nobody knows you’re a kid, in: merz medien + erziehung (2018), 71. 334 Vgl. Art. 3 und 7 des Übereinkommens Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der International Labour Organization (ILO). 335 Vgl. Schmahl, Kinderrechtskonvention (2017), 372f. 80 und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie über Com- puterkriminalität einschlägig.

4.6.2 Ausgewählte Risiken online

In diesem Kapitel werden nun ausgewählte Gefahren für die psychische und physi- sche Unversehrtheit der Kinder und Jugendlichen in der virtuellen Welt erläutert.

4.6.2.1 Cybermobbing

Mobbing findet im digitalen Zeitalter nicht mehr „bloß“ auf dem Schulhof statt, son- dern kann Kinder durch soziale Netzwerke, SMS, Messenger-Dienste, E-Mails, etc. bis in ihr Zuhause und rund um die Uhr verfolgen.336 Meist werden Opfer von Cyber- mobbing auch gleichzeitig offline gemobbt.337 Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen ist keineswegs harmlos und kann schwerwiegende Folgen für die psychische und physische Unversehrtheit haben. Die Geschichte von Amanda Todd veranschaulicht dies auf tragische Art und Weise. Amanda war 13 Jahre alt, als sie ein „Groomer“338 im Videochat dazu überredete, sich ihm nackt zu zeigen. Er hielt das Bild fest und verbreitete es an Amandas Fami- lie und Freunde. Die nächsten zwei Jahre wurde das Mädchen offline und online ge- mobbt, tätlich angegriffen und belästigt. Während dieser Zeit litt das Mädchen unter starken Depressionen. Mit 15 Jahren nahm sich Amanda das Leben.339

Das Cyberbullying Research Center definiert Cybermobbing als vorsätzliche und mehrfache Schädigung anderer Personen, welche durch Zuhilfenahme von Compu- tern, Mobiltelefonen oder anderen elektronischen Geräten zugefügt wird.340 Die Täte- rinnen und Täter können anonym mit nur einem Mausklick gewaltsame, bedrohende, verletzende oder erniedrigende Texte, Bilder oder Videos über bzw. von andere(n) Kindern verbreiten. 341 Gerade der unüberschaubar große Adressatenkreis macht

336 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 71. 337 Vgl. ebd., 80. 338 Zur Begriffserklärung darf auf Kapitel „4.6.2.3 Cyber Grooming und Sexting“ verwiesen werden. 339 Vgl. Stern, Erpressung mit Nacktbildern, Wie ein Cyber-Stalker ein junges Mädchen in den Tod trieb, https://www.stern.de/panorama/stern-crime/fall-amanda-todd--wie-ein-cyber-stalker-ein-junges- maedchen-in-den-tod-trieb-7379148.html (18.12.2019). 340 Vgl. Cyberbullying Research Center, What is Cyberbullying? https://cyberbullying.org/what-is- cyberbullying (18.12.2019). 341 Vgl. Warburton, Free Speech (2009), 82. 81 Cybermobbing so viel gefährlicher als Mobbing in der realen Welt.342 Schädliche In- halte lassen sich nämlich erheblich schneller und einfacher verbreiten als auf traditi- onelle Weise.343 Außerdem kann es sich als äußerst schwierig erweisen, solcherart verbreitete Texte/Bilder aus dem Internet zu entfernen.344 Das führt dazu, dass das Opfer der Opferrolle kaum entkommen kann und praktisch keine Kontrolle über diese Inhalte hat.345

Mobbing stellt eine erhebliche psychische Belastung dar. Opfer von Cybermobbing neigen oft zu Alkohol- und Drogenmissbrauch und anderen gesundheitlichen Prob- lemen. Außerdem schwänzen sie oft die Schule und haben mit einem geringen Selbstwertgefühl und Selbstzweifeln zu kämpfen. Cybermobbing führt laut Gesprä- chen mit Opfern oftmals auch zu Suizidgedanken bzw. in besonders tragischen Fäl- len zum Selbstmord.346 Die Motive, welche TäterInnen für Cybermobbing nennen, sind vielfältig. Oft werden andere Kinder aus Wut, Frust oder Vergeltung gemobbt. Aber auch Langeweile, das Bedürfnis nach Unterhaltung oder Aufmerksamkeit gepaart mit wenig Überwachung und zu viel Freizeit können Risikofaktoren darstellen.347 Speziell die sexuelle Identität von Kindern und Jugendlichen stellt oft einen Risikofaktor dar. Homo-, bi- oder trans- sexuelle Jugendliche unterliegen einem überproportional erhöhten Risiko, online ge- mobbt zu werden.348

Cybermobbing kann schließlich neben der Verletzung des Art. 19 KRK (Schutz vor Gewalt) auch eine erhebliche Verletzung des Rechts auf Privatsphäre (Art. 16 KRK) darstellen, indem etwa private Kommunikation veröffentlicht wird oder die Ehre bzw. der Ruf des Kindes durch die Verbreitung diffamierender Behauptungen verletzt wird.

342 Vgl. Warburton, Free Speech (2009), 84. 343 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 9. 344 Vgl. Thür, Expertenpanel: Digitalisierung des Alltags, in: Kirchschläger/Kirchschläger (Hg.), Men- schenrechte und Digitalisierung des Alltags (2010), 105. 345 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 75. 346 Vgl. Nixon Charisse L., Current perspectives: the impact of cyberbullying on adolescent health, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4126576/ (18.12.2019). 347 Vgl. UNICEF Egypt, What is Cyberbullying, https://www.unicef.org/egypt/protecting-children- cyberbullying (18.12.2019). 348 Vgl. Mitchell Kimberly J./Ybarra Michele L./Korchmaros Josephine D., Sexual harassment among adolescents of different sexual orientations and gender identities, http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.595.77&rep=rep1&type=pdf (18.12.2019), 6. 82 4.6.2.2 Hate Speech

International gesehen ist ein signifikanter Anstieg von Fremdenhass, Rassismus und Intoleranz, insb. in Form von Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Christenverfol- gung, zu verzeichnen. Soziale Medien und andere Plattformen bieten einen idealen Nährboden für die Äußerung und Verbreitung von hasserfüllten Inhalten. Dabei han- delt es sich nicht um vereinzelte Taten, sondern wird Hass vielmehr salonfähig – in liberalen Demokratien genauso wie in autoritären Systemen.349

Eine internationale Legaldefinition für die sogenannte „Hate Speech“ (zu Deutsch in etwa „Hassrede“) besteht nicht und auch die Frage, welche Äußerungen Hate Spe- ech darstellen, ist äußerst umstritten.350 Es lässt sich aber zusammenfassend fest- stellen, dass der Begriff jegliche(n) Abwertung, Ausgrenzung oder Hass gegen Men- schengruppen oder einzelne Angehörige dieser Gruppen umfasst, welche oft Min- derheiten darstellen oder sich für Minderheiten einsetzen. 351 Dies kann etwa auf Grundlage von Religionszugehörigkeit, Ethnizität, Nationalität, Rasse, Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht oder einem anderen Identitätsfaktor geschehen.352 Hate Speech ist im internationalen Recht nur insoweit verankert, dass Aufforderun- gen zu Diskriminierung, Gewalt und Feindseligkeit (also die Verhetzung) verboten sind.353 Aber auch Handlungen, die diese Schwelle nicht überschreiten und daher nicht völkerrechtswidrig sind, können sich auf die gesamte Zivilgesellschaft (und ins- besondere Kinder und Jugendliche) negativ auswirken. Aufgrund der Brisanz dieses Themas haben die Vereinten Nationen eine Strategie entwickelt, welche in dieser Arbeit in Kapitel „4.6.3.3 UN Strategie zur Bekämpfung von Hate Speech“ vorgestellt wird.

4.6.2.3 Cyber Grooming und Sexting

Kinder und Jugendliche sind für Pädophile über (meist ungeschützte) Social Media Profile, Chatrooms, in Spielenetzwerken oder über Messenger (wie etwa WhatsApp) äußerst leicht zugänglich. Auf diesen Plattformen werden sie gezielt von Erwachse-

349 Vgl. United Nations, United Nations Strategy and Plan of Action on Hate Speech, https://www.un.org/en/genocideprevention/documents/UN%20Strategy%20and%20Plan%20of%20Act ion%20on%20Hate%20Speech%2018%20June%20SYNOPSIS.pdf (18.12.2019), 1. 350 Vgl. ebd., 2. 351 Vgl. Rakebrand/Nitzsche, #NoHateNoFake – ein Medienkompetenz-Projekt gegen Hass und Mani- pulation im Netz, in: merz medien + erziehung (2018), 63. 352 Vgl. United Nations, United Nations Strategy and Plan of Action on Hate Speech, 2. 353 Vgl. ebd., 2. 83 nen mit sexuellen Absichten kontaktiert. Man spricht vom sogenannten „Sexual Grooming“.354 „Groomer“ geben sich oft als Gleichaltrige aus und versuchen, das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen durch beispielsweise Komplimente und besondere Einfühlsamkeit zu gewinnen. Sobald sie das Vertrauen der Kinder erlangt haben, fordern sie etwa Nacktfotos, Video-Chats oder auch Treffen im realen Le- ben.355

Neben dem Grooming ist auch das Sexting zu einer Gefahr für Kinder und Jugendli- che in der digitalen Welt geworden. „Sexting“ ist eine Wortkombination aus den Wor- ten „Sex“ und „Texting“ und meint das Versenden sexueller Botschaften und Fotos. Jugendliche sind meist in einer Entwicklungsphase, in der sie besonders anfällig da- für sind, solche Inhalte zu versenden und die Bestätigung anderer zu suchen. Sie bedenken dabei meist nicht, welche Konsequenzen sich dadurch ergeben könnten. Die Bilder und Texte könnten im Internet veröffentlicht werden und dadurch praktisch weltweit auf Dauer abrufbar sein oder auf expliziten Kinderpornografie-Webseiten genutzt werden. Oft führt eine solche Veröffentlichung in weiterer Folge auch zu (Cy- ber-)Mobbing.356

4.6.2.4 Sexueller Kindesmissbrauch

Was die Ausübungsmethoden von sexuellem Kindesmissbrauch betrifft, so haben sich gänzlich neue Methoden etabliert.357 Diese umfassen beispielsweise maßge- schneidertes, auf Bestellung produziertes, Material über sexuellen Kindesmissbrauch oder die Möglichkeit des Live-Streamings von sexuellem Missbrauch. 358 Erschre- ckend ist das Alter der Opfer von Kindesmissbrauchsmaterial: 53 % sind Kinder im Alter von zehn Jahren oder jünger.359 Aber auch die Kinderprostitution wird durch moderne Informations- und Kommunika- tionstechnologien erheblich gefördert. Kinderhändler können ihre Opfer über das In-

354 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 9f. 355 Vgl. European Police Office (Europol), Internet Organised Crime Threat Assessment (OCTA) 2016, https://www.europol.europa.eu/activities-services/main-reports/internet-organised-crime-threat- assessment-iocta-2016 (18.12.2019), 24ff. 356 Vgl. Arbeitsstab des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Missbräuchliche Verbreitung von Sexting, https://beauftragter-missbrauch.de/praevention/sexuelle- gewalt-mittels-digitaler-medien/missbraeuchliche-verbreitung-von-sexting (18.12.2019). 357 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 2. 358 Vgl. United Nations Office on Drugs and Crime, Study on the Effects of New Information Technolo- gies on the Abuse and Exploitation of Children, https://www.unodc.org/documents/Cybercrime/Study_on_the_Effects.pdf (18.12.2019), 21ff. 359 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 77. 84 ternet anlocken und Interessenten ihre Dienste anbieten. Sie können außerdem praktisch ihre gesamte Organisation kostengünstig und effizient über Computer, Mo- biltelefone und ähnliche Geräte durch Zuhilfenahme von digitalen Technologien ab- wickeln und damit ihre Netzwerke stärken und erweitern. Das schafft einen neuen digitalen Marktplatz für moderne Sklaverei. 360 Außerdem verfügen Kinderhändler mithilfe der digitalen Technologie über eine größere Kontrolle über ihre Opfer. Sie können sie durch Mobiltelefone praktisch jederzeit erreichen und durch Einsatz von GPS-Technologie jeden ihrer Schritte verfolgen.361

Kinderprostitution sowie der Verkauf von Kindesmissbrauchsmaterial werden vor- zugsweise im sogenannten „Darknet“ betrieben. Im Darknet schließen sich einzelne Computer mit dem Ziel der Anonymität zu exklusiven Netzwerken zusammen. Die Daten werden meist verschlüsselt übertragen, was eine externe Überwachung nur sehr schwer möglich macht. Solche Netze sind nicht über Suchmaschinen, wie etwa Google, zu finden. Das Darknet kann, ähnlich wie das „Clear Web“, Chats, Foren, Social Media Plattformen und auch Online-Shops (etwa für illegale Waffen, Drogen oder Kindesmissbrauchsmaterial) beherbergen. Bezahlt wird mit der Krypto-Währung Bitcoin. Bitcoins eignen sich besonders für diese Zwecke, da sie ohne den Umweg über eine Bank anonym erworben und verwendet werden können. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass das Darknet nicht nur von Kriminellen genutzt wird. Auch Journalistinnen und Journalisten, Whistleblower und Menschen, welche in autoritären Regimen leben, nutzen das Darknet, um ihre Anonymität zu wahren.362

Was die Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch betrifft, so handelt es sich meist um Mädchen und junge Frauen, Kinder aus ärmlichen Verhältnisse ohne Schulbildung, Kinder mit Beeinträchtigungen oder psychischen Problemen und allgemein Kinder aus gesellschaftlichen Randgruppen.363 Es sind also – wenig überraschend – jene Kinder online besonders gefährdet, auf welche dies offline auch zutrifft. Schließlich bleibt noch zu erwähnen, dass ungelenkter digitaler Zugang sowie mangelndes Prob- lembewusstsein für digitale Gefahren iS einer fehlenden Digital Literacy das Risiko

360 Vgl. U.S. Department of State, Trafficking in Persons Report, June 2013, https://2009- 2017.state.gov/documents/organization/210737.pdf (18.12.2019), 14. 361 Vgl. United Nations Office on Drugs and Crime, Study on the Effects of New Information Technolo- gies on the Abuse and Exploitation of Children, 20. 362 Vgl. Spiegel Online, Was ist eigentlich das Darknet? https://www.spiegel.de/netzwelt/web/waffe- des-muenchen-amoklaeufers-was-ist-eigentlich-das-darknet-a-1104549.html (18.12.2019). 363 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 80. 85 für sexuellen Missbrauch und sexuelle Ausbeutung online ebenso ansteigen las- sen.364

4.6.3 Kinder- und Jugendschutz online

Wie in den vorgehenden Kapiteln dargestellt, bestehen erhebliche Risiken für Kinder und Jugendliche online. Dabei darf aber eines nicht aus den Augen verloren werden: Kinder selbst sehen die digitalen Technologien als überwiegend positiv und wesentli- che Bereicherung ihres Lebens an. 365 Daher sollte der Fokus, neben rechtlichen Rahmenbedingungen, auch auf der offenen Kommunikation mit Kindern und Jugend- lichen und deren Sensibilisierung für die digitalen Problemfelder liegen.366 Ein Ansatz, der sich bloß auf Risiken und den Schutz davor beschränkt, kann durch überschießende Beschränkungen außerdem den Zugang zu den Vorteilen der digita- len Technologien erheblich erschweren.367 Dies würde einen Rückschritt in eine Zeit vor der Kinderrechtekonvention bedeuten, in der Kinder als bloße Schutzobjekte und nicht als eigenständige Persönlichkeiten mit spezifischen Rechten angesehen wur- den.368

4.6.3.1 Schutzmaßnahmen

Schutzmaßnahmen und Initiativen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen online wurden bereits an verschiedenen Stellen dieser Arbeit thematisiert und sollen hier noch einmal zusammengefasst dargestellt werden.

Es sind vor allem Gesetzgebungsmaßnahmen (etwa betreffend Cybermobbing, Ver- hetzung, sexuellen Missbrauch und Ausbeutung), welche zur Bekämpfung von Straf- taten online eingesetzt werden. Diesbezüglich besteht die Notwendigkeit von ver- stärkter grenzüberschreitender Zusammenarbeit und internationaler Strategien, da

364 Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 80. 365 Vgl. Byrne Jasmina/Kardefelt-Winther Daniel/Livingstone Sonia/Stoilova Mariya, Global Kids Online Research Synthesis, 2015-2016, https://www.unicef-irc.org/publications/pdf/IRR_2016_01.pdf (18.12.2019), 11. 366 Vgl. Stapf Ingrid, Kindliche Selbstbestimmung in der digital vernetzten Welt: Kinderrechte zwischen Schutz, Befähigung und Partizipation mit Blick auf „evolving capacities“, in: merz medien + erziehung, 06/2018, 9. 367 Vgl. Third/Bellerose/Dawkins/Keltie/Pihl, Children’s Rights in the Digital Age, 14f. 368 Vgl. Stapf, Kindliche Selbstbestimmung in der digital vernetzten Welt, in: merz medien + erziehung (2018), 9. 86 das Internet keine physischen Landesgrenzen kennt369. Aber wie bereits auch zuvor in Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre erwähnt, sind gesetzliche Rah- menbedingungen nicht ausreichend, um einen effektiven Kinder- und Jugendschutz sicherzustellen. Traditionelle Methoden des Jugendschutzes, wie etwa die ange- strebte gänzliche Verhinderung des Kontakts von Kindern und Jugendlichen mit ge- fährlichen oder unangemessenen Inhalten, erweisen sich als unzureichend. Kinder können etwa durch gezieltes Umgehen oder per Zufall trotzdem Zugang zu den ge- nannten Inhalten erhalten. 370 Daher müssen Kinder und Jugendliche mithilfe der Vermittlung von digitalen Kompetenzen (Digital Literacy) befähigt werden, Risiken eigenständig zu erkennen und angemessen damit umgehen zu können.371 In Zusammenhang mit dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit wurden außerdem Zugangsbeschränkungen zu illegalen und schädlichen Inhalten darge- stellt, wie beispielsweise das Sperren und Filtern, die sogenannten „Notice and Ta- kedown“-Verfahren und Kindersuchmaschinen. Diese können ebenso wirksame Mit- tel darstellen, um Kinder vor Online-Gefahren zu schützen. Auch der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie kann zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet beitragen, indem sie die Erkennung und Analyse von Kindesmissbrauchsbildern ermöglicht. Ebenso ist die rechtmäßige staatliche Über- wachung als effektive Schutzmaßnahme zu nennen. Die Verpflichtung von Anbietern für Kommunikationsdienste und Internet-Mittlerdiensten zur Speicherung und Offen- legung der Kommunikation und Nutzerdaten kann dazu führen, dass Kinderschän- der-Netzwerke aufgespürt und zerschlagen werden können. Bei all diesen Maßnahmen ist zu beachten, dass das Recht auf Schutz und Sicher- heit in seiner Bedeutung nicht über den anderen Kinderrechten steht. Der Schutz von Kindern darf daher nicht durch einen unverhältnismäßigen Eingriff in andere Rechts- positionen (insb. das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Meinungs- und In- formationsfreiheit) sichergestellt werden.372

369 Vgl. I-KiZ-Zentrum für Kinderschutz im Internet, Intelligentes Risikomanagement, Zeitgemäße Kin- der- und Jugendnetzpolitik, https://www.digitale- chancen.de/content/downloads/index.cfm/secid.137/secid2.0/key.1133/cookie.2 (18.12.2019), 16; Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 89. 370 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 18. 371 Vgl. Urlen, Digitale Kinderrechte und Medienkompetenz, in: merz medien + erziehung (2018), 83; Vgl. Dreyer Stephan, Kinder, Medien, Rechte – Komplexe Anforderungen an Zugang, Schutz und Teilhabe im Medienalltag Heranwachsender, in: merz medien + erziehung, 06/2018, 5; Vgl. UNICEF, The State of the World’s Children 2017, 89. 372 Vgl. Rosani, Child’s participation online, in: merz medien + erziehung (2018), 43. 87 Schließlich sei an dieser Stelle noch festzuhalten, dass es weder möglich, noch zweckmäßig ist, Kinder und Jugendliche vor sämtlichen Online-Gefahren zu schüt- zen. Der natürliche Entwicklungsprozess von Kindern und Jugendlichen umfasst auch das Begehen von Fehlern, damit sie aus ihnen lernen und eigenverantwortliche Mitglieder der (digitalen) Gesellschaft werden können.373

4.6.3.2 Modell des intelligenten Risikomanagements

Das Modell des intelligenten Risikomanagements wurde vom deutschen I-KiZ- Zentrum für Kinderschutz im Internet entwickelt. Es orientiert sich am Reifegrad von Kindern und Jugendlichen und den damit verbundenen Kompetenzen und Fähigkei- ten (vgl. Art. 5 KRK – Konzept der „Evolving Capacities“).374 Für unter 6-Jährige steht hierbei der Schutz vor Risiken im Vordergrund. Sie können diese selbst noch schwer abschätzen und sich kaum vor Gefahren, wie etwa sexuel- ler Belästigung, schützen. Eine sichere und altersgerechte Umgebung soll durch technische Jugendschutzmaßnahmen sowie elterliche Unterstützung sichergestellt werden. 375 Je älter Kinder nun werden, desto geringer ist die Bedeutung technischer Sicher- heitsmaßnahmen und elterlicher Begleitung. Älteren Kindern und Jugendlichen sollen Freiräume gewährt werden, damit sie die Möglichkeit erhalten, einen verantwor- tungsbewussten Umgang mit dem Internet iS einer Befähigung zum Selbst- Risikomanagement zu erlernen.376 Die Konzepte der „Evolving Capacities“ sowie „Digital Literacy“ sind also fest im Mo- dell des intelligenten Risikomanagements verankert und für alle Altersgruppen von wesentlicher Bedeutung.377 So kann ein, jeweils auf den Entwicklungsgrad des Kin- des abgestimmtes und angemessenes, Schutzniveau für Kinder und Jugendliche bis hin zur Selbstbefähigung zum Risikomanagement sichergestellt werden.

4.6.3.3 UN Strategie zur Bekämpfung von Hate Speech

Als Reaktion auf die alarmierende Zunahme von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz, insb. auch in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise und terroristi-

373 Vgl. Trültzsch-Wijnen, Ein Recht auf Medienkompetenz? in Medienimpulse (2017), 20. 374 Vgl. I-KiZ-Zentrum für Kinderschutz im Internet, Intelligentes Risikomanagement, 16. 375 Vgl. Dreyer, Kinder, Medien, Rechte, in: merz medien + erziehung (2018), 5. 376 Vgl. I-KiZ-Zentrum für Kinderschutz im Internet, Intelligentes Risikomanagement, 16f. 377 Vgl. Croll/Pohle, Stopp! Geheim – Das Kinderrecht auf Datenschutz, in: merz medien + erziehung (2018), 37; Vgl. I-KiZ-Zentrum für Kinderschutz im Internet, Intelligentes Risikomanagement, 16f. 88 schen Anschlägen, hat der UN-Generalsekräter António Guterres im Juni 2019 eine Strategie zur Bekämpfung von Hate Speech veröffentlicht.378

Hierzu sollen globale und nationale Maßnahmen implementiert sowie die Kooperati- on zwischen den entsprechenden UN-Einrichtungen gestärkt werden. Die Strategie gründet sich auf den folgenden Prinzipien:379 1. Die Strategie und Implementierung der Maßnahmen müssen in Einklang mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung stehen.380 Die Meinungsfreiheit soll gestärkt werden und als Schlüsselmaßnahme im Kampf gegen Hate Speech dienen. 2. Die Bekämpfung von Hate Speech liegt in der Verantwortung von allen – den Regierungen, Zivilgesellschaften, der Privatwirtschaft und jeder und jedem Einzelnen. 3. Im digitalen Zeitalter ist es erforderlich, die neue Generation von „Digital Citi- zens“ zu befähigen, Hate Speech zu erkennen und ihr die Stirn zu bieten. 4. Um effektiv tätig werden zu können, bedarf es mehr koordinierter Daten und Forschung, inkl. Analyse der Ursachen, Triebfedern und Bedingungen, welche Hate Speech fördern.

Um adäquate Handlungen zur Minimierung der negativen Auswirkungen von Hate Speech setzen zu können, bedarf es also vorerst der Ergründung der Ursachen und treibenden Kräfte. Außerdem müssen die Faktoren, welche Menschen zu Gewalt treiben, näher erforscht werden. Weiters sollen die Opfer von Hate Speech ange- messen unterstützt werden, insb. müssen ihre Rechte und Bedürfnisse geachtet und ihnen etwa psychologische oder rechtliche Beratung ermöglicht werden.381 Der Aktionsplan sieht weiter vor, dass Bildung als mächtiges Instrument für die Be- kämpfung von Hate Speech genutzt werden kann. Dazu soll unter anderem die Ent- wicklung einer Digital Literacy forciert werden.382 Partnerschaften mit neuen und traditionellen Medien sollen aufgebaut und gestärkt werden, um Werte wie Toleranz, Anti-Diskriminierung, Pluralismus und die freie Mei- nungsäußerung zu fördern. Überdies sollen Social Media Plattformen dazu angehal-

378 Vgl. United Nations, United Nations Strategy and Plan of Action on Hate Speech, 1. 379 Vgl. ebd., 3. 380 Vgl. Kapitel „4.4.4.3 Verhinderung radikalen Extremismus“. 381 Vgl. United Nations, United Nations Strategy and Plan of Action on Hate Speech, 3f. 382 Vgl. ebd., 4. 89 ten werden, Hate Speech zu adressieren und Maßnahmen zur Bekämpfung einzu- setzen.383 Schließlich sind auch Partnerschaften mit anderen relevanten Stakeholdern (Regie- rungen, regionale/multilaterale Organisationen, Privatwirtschaftsunternehmen und andere Akteure der Zivilgesellschaft) essentiell, da Maßnahmen gegen Hate Speech nur in Zusammenarbeit mit allen bedeutsamen Stakeholdern implementiert werden können, um das Phänomen langfristig effektiv zu bekämpfen.384

5 Conclusio

30 Jahre nach Verabschiedung der Kinderrechtekonvention ist die Thematik nicht weniger aktuell als damals. Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen ist aller- dings eine vollkommen andere als Anfang der 1990er Jahre. Die Digitalisierung hat Eingang in alle Lebensbereiche gefunden und wird sich künftig, wie in der Arbeit dar- gestellt wurde, noch intensiver auf unser tägliches Leben auswirken. Da Kinderrech- te, wie alle Menschenrechte, „Living Instruments“ darstellen, sind sie vor dem Hinter- grund dieser veränderten Bedingungen zeitgemäß auszulegen und gelten daher auch in der digitalen Welt.

Wie sich die digitalen Technologien auf die Ausübung und den Schutz von Kinder- rechten auswirken, wurde anhand von einigen ausgewählten Kinderrechten breit dis- kutiert. Dabei wurde festgestellt, dass die digitalen Prozesse einerseits gänzlich neue Möglichkeiten für die Förderung und Ausübung von Kinderrechten bieten, anderer- seits aber auch erhebliche Risiken für den Schutz von Kinderrechten damit verbun- den sind.

Insbesondere für die durch die KRK eingeführten Partizipationsrechte bergen die digitalen Technologien noch nie dagewesene Ausübungsmöglichkeiten. Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, ihre Meinungen und Interessen über soziale Netzwerke, Blogs, Podcasts, Videos und viele andere Medien einer breiten Masse an Menschen kundzutun. Sie können praktisch unabhängig von Raum und Zeit mit ihren Freundinnen und Freunden kommunizieren und sozial aktiv werden, sich im digitalen Raum versammeln und so ihrer Stimme Gehör verschaffen.

383 Vgl. United Nations, United Nations Strategy and Plan of Action on Hate Speech, 4. 384 Vgl. ebd., 5. 90 Was in der Prä-Internet-Ära noch nicht denkbar war, ist für die „Digital Natives“ All- tag: Informationen sind praktisch universell verfügbar; noch nie stand der Menschheit ein derartig geballtes Wissen zur Verfügung. Damit allerdings auch jene Kinder und Jugendliche, die Minderheiten angehören, ihr Recht auf Meinungs- und Informations- freiheit effektiv ausüben können, fordert der KRA die Vertragsstaaten dazu auf, ins- besondere lokale Inhalte zu fördern.385 Das volle Potential digitaler Technologien wird vor allem mit Blick auf das Recht auf Bildung erkennbar: Im Internet verfügbare Bildungsinhalte, aber auch global organi- sierte Bildungsinitiativen (wie beispielsweise Unterrichtsübertragungen oder E- Learning-Initiativen) könnten das Analphabetentum unter Kindern und Jugendlichen großflächig verringern und diesen Kindern einen Weg aus sozialer Ungleichheit und Armut ebnen. Könnten. Denn der Schlüssel zu all diesen Chancen ist der diskriminie- rungsfreie Zugang zur digitalen Welt, von dem gegenwärtig keinesfalls gesprochen werden kann. Viele Kinder verfügen über gar keinen oder bloß diskontinuierlichen Zugang zum Internet. Diese digitale Kluft spiegelt die sozioökonomischen Unter- schiede wider und verstärkt bereits bestehende Benachteiligungen. Auch der KRA betont in einem seiner General Comments den erheblichen Nutzen der digitalen Technologien aus bildungspolitischer Sicht und hält fest, dass die Ver- tragsstaaten dazu aufgerufen sind, die Chancengleichheit für alle Kinder sicherzu- stellen.386 Hier besteht also akuter Handlungsbedarf, um die digitale Kluft zu verrin- gern und Kindern die volle Ausschöpfung der ihnen zustehenden Rechte zu ermögli- chen.

Mit all diesen positiven Auswirkungen sind allerdings auch unweigerlich Risiken für Kinderrechte verbunden. Etwa ist das Recht auf Privatsphäre von Kindern und Ju- gendlichen durch großflächige Datenverarbeitung privater Unternehmen, aber auch durch staatliche Massenüberwachung gefährdet. Aber auch Eltern können beispiels- weise durch überschießende Kontrollmaßnahmen oder das Veröffentlichen von Bil- dern ihrer Kinder im Internet in die Privatsphäre der Kinder eingreifen. Risiken im Netz bestehen auch für die körperliche und seelische Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen, sei es durch Cybermobbing, sexuellen Missbrauch oder

385 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 11 (2009): Indigenous chil- dren and their rights under the Convention, CRC/C/GC/11, 9. 386 Vgl. UN Committee on the Rights of the Child, General comment No. 17 (2013) on the right of the child to rest, leisure, play, recreational activities, cultural life and the arts (art. 31), CRC/C/GC/17, 14. 91 Hate Speech. Das Internet erleichtert Straftaten auf vielfältige Weise und bietet Tä- tern durch die gebotene Anonymität nie dagewesenen Schutz. Im sogenannten „Darknet“ besteht eine dunkle Parallelwelt, in der illegale Handlungen in großem Stil begangen werden; meist für die Strafverfolgungsbehörden kaum oder erschwert ver- folgbar. Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche bestehen oft in Restriktionen in Form von Zugangsbeschränkungen. Dabei ist es essentiell, dass das Recht auf Schutz und Sicherheit keinesfalls über anderen Rechtspositionen steht, insbesondere kann es in diesem Zusammenhang zu Kollisionen mit dem Recht auf Meinungs- und In- formationsfreiheit und dem Recht auf Privatsphäre kommen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen darf nicht auf Kosten eines unverhältnismäßigen Eingriffs in ihre Partizipationsrechte sichergestellt werden.

Schließlich ist noch festzuhalten, dass Kindern und Jugendlichen ein Recht auf die Entwicklung einer Digital Literacy zukommt, welches sich aus dem Recht auf Bildung ableiten lässt. Diese ist u.a. zur effektiven Ausübung der Kinderrechte mithilfe der digitalen Technologien, genauso aber auch für das Erkennen von Online-Gefahren und den verantwortungsbewussten Umgang damit, erforderlich. Dies hat auch der KRA beim Day of General Discussion 2014 betreffend digitale Me- dien und Kinderrechte bestätigt, indem er die Vertragsstaaten damit beauftragt hat, Digital Literacy in die nationalen Lehrpläne aufzunehmen sowie entsprechende Un- terstützung für Eltern und andere Betreuungspersonen sicherzustellen.387

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass es sich bei den positiven und negativen Auswirkungen der Digitalisierung auf Kinderrechte um zwei Seiten einer Medaille handelt, die untrennbar miteinander verbunden sind. Um das Internet für Kinder und Jugendliche zu einem sicheren Ort zu gestalten, an dem sie all ihre Rechte ausüben können, müssen die Gefahren der Digitalisierung so gut als möglich minimiert und gleichzeitig die Chancen gestärkt werden. Dazu bedarf es der Zusam- menarbeit aller Beteiligten: Von den Eltern bis zu den Schulen und medienkompeten- ten Pädagoginnen und Pädagogen; vom (nationalen und internationalen) Gesetzge- ber hin zu privaten Wirtschaftsunternehmen; vor allem aber sollen im Sinne eines

387 Vgl. United Nations Committee on the Rights of the Child, Report of the 2014 Day of General Dis- cussion, Digital media and children’s rights, 9. 92 partizipatorischen Ansatzes Kinder und Jugendliche selbst als Expertinnen und Ex- perten im Umgang mit der digitalen Welt beteiligt werden.

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