Man Kann Keine Demokratie Aufbauen Ohne Demokraten
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SCHLESWIG-HOLSTEIN Demonstration kurdischer Farbenkombina- Nach den Feiern gehen im Schatten der die Stellung des Militärs durch den andau- tionen gab, verliefen die Newroz-Feiern in aktuellen Regierungskrise die Repressionen ernden türkisch-kurdischen Konflikt gestärkt Diyarbakir mit 500 000 TeilnehmerInnen in den kurdischen Gebieten weiter. Gegen und legitimiert. ruhig. Die kurdische Politikerin Leyla Zana zahlreiche DTP-Vorsitzende und kurdische sprach von dem Wunsch der KurdInnen, BürgermeisterInnen laufen Strafverfahren. Der Nationalismus erhält auch Auftrieb gleichberechtigt in der Türkei zu leben. Sie In den Bergen operiert das Militär trotz des durch die abwehrende Haltung Europas. bezeichnete Abdullah Öcalan, Massoud von der Guerilla eingehaltenen Waffenstill- Enttäuscht zeigten sich Menschenrechts- Barsani und Jamal Talabani als die Führer stands. Die Zahl der Toten steigt ständig. und kurdische Organisationen über das des kurdischen Volkes und betonte dabei Scheinbar hat die aktuelle Auseinander- Desinteresse der EU, sich für eine Demokra- die Einigkeit der KurdInnen über bestehen- setzung der AnhängerInnen des Kemalis- tisierung in der Türkei einzusetzen. Auch de Staatsgrenzen hinweg. Ein deutliches mus und der Militärs mit der islamischen die Kriminalisierung kurdischer Vereine in Signal auch an die türkische Regierung. In Regierungspartei AKP nichts mit dem Deutschland diene nicht der Demokrati- den Grenzregionen wie Sirnak oder Van Kurdenkonflikt zu tun. Dennoch zeugt sie sierung, sondern führe dazu, dass sich die standen die Feiern im Zeichen massiver von einem Erstarken des Nationalismus, der türkische Regierung in ihrer repressiven Militär- und Polizeipräsenz. Nach dem Fest sich gegen ethnische Minderheiten ebenso Haltung bestätigt sehe. gab es zahlreiche Verhaftungen. richtet wie gegen VertreterInnen verschie- dener religiöser Gruppen. Außerdem wird Man kann keine Demokratie aufbauen ohne Demokraten Die niederländische Parlamentarierin Farah Karimi berichtet im Kieler Landeshaus über die Situation in Afghanistan Harm Ede Botje Welche Fortschritte machen internatio- nale Bemühungen, Afghanistan durch Geld Afghanisches Parlament (Foto: Sumit Dayal) und politische Hilfen bei der Entwicklung demokratischer Strukturen zu unterstützen? Was ist von innenpolitischen Behauptungen hierzulande zu halten, eine Rückkehr in ihre weiter von Gewalt beherrschte und weithin ruinierte „Heimat“ sei den afghani- schen Flüchtlingen inzwischen zumutbar? Diesen und weiteren Fragen wollten der Flüchtlingsrat und der Landesflüchtlings- beauftragte Schleswig-Holsteins auf den Grund gehen, als sie am 21. Mai 2007 die ehemalige niederländische Parlamentsabge- ordnete Farah Karimi zu einer Vortragsver- anstaltung ins Kieler Landeshaus einluden. Farah Karimi erhielt als politisch Verfolg- te aus dem Iran Anfang der 80er Jahre Asyl in Deutschland. Von Kiel aus, wechselte sie 1989 in die Niederlande. Dort vertrat sie von 1998 bis 2006 die Partei GroenLinks im Karimi besuchte Afghanistan zum ersten änderungen.“ notiert Karimi. Die ehemalige niederländischen Parlament - als Sprecherin Mal im Jahre 2000. Während vier weiterer Abgeordnete weiß also womit sie beginnt, für Außenpolitik, Verteidigung, Menschen- Reisen kam sie viel herum in allen Tei- als sie Ende Januar dieses Jahres in Kabul rechte, Konfliktgebiete und europäische len des Landes und sprach mit Politikern, ankommt. Trotz allem hofft sie im Parlament Integration. Zuletzt war Frau Karimi im Entwicklungshelfern, Mullahs und Warlords. auch gleichgesinnte „Demokraten in Herz Auftrag der Vereinten Nationen drei Mo- 2006 erscheint ihr Buch „Schlachtfeld und Nieren“ zu treffen, mit denen sie sich nate als Beraterin im jungen afghanischen Afghanistan“. Darin beschreibt Karimi, wie geistesverwandt fühlt. Parlament tätig gewesen. Den Teilnehme- sie zusehends ihren Glauben an die Im Dezember 2005 fand die erste Sitzung rInnen im Kieler Landeshaus bot sich eine militärische Intervention in Afghanistan ver- des Parlaments statt, nach nationalen Wah- seltene Gelegenheit, sich authentisch über liert. len, die laut internationalen Beobachtern den Fortschritt des UNO-Projektes eines Das afghanische Parlament - ihren neuen redlich verlaufen waren. Im Parlament sitzen demokratischen Nation Building in Afgha- Arbeitsplatz - beurteilt Karimi in ihrem Buch 249 Abgeordnete in der Wolesi Jirga - dem nistan zu informieren. Der niederländische nicht sehr optimistisch. Warlords mit Blut an Bundestag - und 102 Abgeordnete in der Me- Journalist Harm Ede Botje hatte Farah den Händen konnten zu den Parlamentswah- shrano Jirga - eine dem Bundesrat ähnlichen Karimi zuvor in Kabul besucht. Hier sein len 2005 kandidieren, ohne dass die interna- Kammer. Die Abgeordneten wurden alle auf (gekürzter) Bericht: tionale Gemeinschaft dagegen etwas unter- persönlichen Titel gewählt. Das Parlament nahm. Viele von ihnen wurden gewählt. Die hat schier endlos über die eigene Geschäfts- Harm Ede Botje ist Journalist in den Amerikaner meinten diese Kriegsherren zu ordnung, interne Prozeduren und Ernennun- Niederlanden. Abdruck dieses Artikels mit brauchen in ihrem Krieg gegen den Terror. gen der Kommissionsvorsitze getagt. In den freundlicher Genehmigung der Zeitschrift „Die Wahlen wurden kein Vehikel für Ver- letzten anderthalb Jahren ist es so kaum zu „Vrij Nederland“. X Der Schlepper Nr. 39 · Sommer 2007 www.frsh.de www.frsh.de Der Schlepper Nr. 39 · Sommer 2007 XI SCHLESWIG-HOLSTEIN neuer Gesetzgebung gekommen. „Die Parla- rat in der niederländischen Tweeden Kamer. „Das Parlament ist eher eine Bremse für mentsdebatten sind hier schon sehr ermü- - Bis jetzt jedoch leider ohne Erfolg.“ Gleich- Veränderungen in Afghanistan, als dass es dend.“ sagt Karimi. „Da es keine Fraktionen zeitig werden die Frauen im Parlament kaum diese befördert.“ Schon an ihrem ersten gibt, bekommt hier jeder und jede das Wort. ernst genommen von ihren männlichen Arbeitstag beim Kabuler Parlament traf Farah Die Sitzungen sind endlos. Das Parlament Kollegen.“ Karimi mit dieser Feststellung ins Schwar- befindet sich wirklich noch in den Kinder- ze. Es wurde nämlich die viel diskutierte schuhen.“ Polizeireform und Amnestiegesetz Amnestieresolution angenommen, nach der Kriegsverbrecher künftig nicht mehr verfolgt Frauenangelegenheiten Korruption und Inkompetenz der Polizei werden sollen. Die Protagonisten des Bürger- sind ein großes Problem in Afghanistan. Vor kriegs fühlten sich zunehmend in die Ecke Die frisch gewählte Kommissionsvorsitzen- allem in den Drogenanbaugebieten stecken gedrängt durch eine Reihe aktueller Ereig- de Ghadria Yazdanparast wohnte fünf Jahre all zu oft Polizeichefs unter einer Decke nisse: Die Hinrichtung Saddam Husseins, in den Niederlanden, 2003 kehrte sie zurück mit den Drogenbaronen. Das soll ein Ende dem Bericht der Menschenrechtsorganisation nach Afghanistan. Die Kommission Frau- haben und darum werden jetzt Polizeikom- Human Rights Watch, in dem afghanische enangelegenheiten, Menschenrechte und mandanten ernannt auf Basis von Diplomen Kriegsverbrecher mit Vor- und Zunamen Gesellschaftliche Organisationen besteht und Sachkenntnis. Die internationale Ge- genannt wurden, und die Präsentation des ausschließlich aus Frauen. Die vergangenen meinschaft steht dem sehr positiv gegenüber. Präsidenten Karzai eines „Aktionsplans für Monate haben sie mit der Debatte über den Die Abgeordneten sehen die Sache jedoch Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung“. Vorsitz der Kommission verbracht. Schließ- ganz anders. „Warum werden Männer, die Ehemalige Kommunisten und Warlords, die lich ist es Yazdanparast geworden. Ihre immer gut gearbeitet haben, immer gute sich gegenseitig nach dem Leben trachteten, Kontrahenten beschimpfen sie als „Jihadi“. Muslims waren, nun auf einmal an die Seite trafen stillschweigend eine Vereinbarung: Sie hat enge Kontakte mit dem Warlord geschoben?“ fragt ein Abgeordneter den Ver- Die beiderseitigen Greueltaten sollten ge- Nurridin Rabbani, der jahrelang afghanischer treter des Innenministeriums in der Sitzung geneinander aufgerechnet beziehungsweise Präsident war und der von der Menschen- der Kommission für die Polizeireform. Ein weggestrichen werden. rechtsorganisation Human Rights Watch anderer pflichtet ihm bei: „Ihr tut doch nur, Dieser Deal wurde, ohne dass die interna- für beschuldigt wird, an Kriegsverbrechen was die Ausländer wollen und nicht, was die tionale Gemeinschaft die Tragweite dessen beteiligt gewesen zu sein. Aus Protest gegen Bevölkerung will.“ gleich erkannte, an einem stillen Nachmittag ihre Wahl boykottieren progressive Abgeord- Mit den Ausländern meint er die Ameri- durch das Parlament gejagt. Karimi kann sich nete wie Malalai Joya, die für ihre deutliche kaner und die Deutschen, die den Aufbau immer noch darüber aufregen: „Die dunk- Stellungnahme gegen die Warlords Aufsehen und die Reformen der Polizei unterstützen. len Kräfte profitieren am meisten von den erregte, die Kommissionssitzungen. Die Abgeordneten sind alle in ihren eigenen demokratischen Institutionen. Die Warlords In afghanischen Verhältnissen fällt eine Wahlkreisen gewählt und haben ihre lokalen nutzen das Parlament, um Angelegenheiten Kommission, in der nur Frauen sitzen, kaum Interessen zu vertreten. Oft haben sie selbst für sich selbst zu regeln.“ ins Gewicht. „Es ist eine sehr schwache die korrupten Polizeichefs ernannt. Oder Um der internationalen Gemeinschaft Kommission. Die männlichen Abgeordneten die Kommandanten gehören zu ihrem entgegen zu kommen, brachte Präsident haben gedacht: Wir fassen all die Themen, eigen