Rudolf Olden. Journalist Gegen Hitler – Anwalt Der Republik
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DNB Dialog_2_2010_sicher:DNB Dialog.qxd 27.09.2010 16:16 Uhr Seite 63 Zeitpunkte Sylvia Asmus Rudolf Olden. Journalist gegen Hitler – Anwalt der Republik Eine Ausstellung des Deutschen nes August Oppenheim). Aufgrund der guten Exilarchivs 1933 - 1945 der Überlieferungslage war es möglich, Oldens Leben Deutschen Nationalbibliothek von den frühen Kindertagen bis zu seinem letzten Lebensjahr mit Dokumenten, Briefen und Fotogra- Mit der vom Deutschen Exilarchiv 1933 - 1945 fien zu belegen. kuratierten Ausstellung erinnert die Deutsche Briefe aus der frühen Kindheit, handschriftliche Nationalbibliothek (DNB) an einen deutschen Aufzeichnungen der Mutter, Schulzeugnisse bele- Liberalen, der als Journalist schon zu einem frühen gen die Zeit bis zum Abitur. Zeitpunkt vor Hitler warnte und als Jurist in der Nach dem Schulabschluss begann Olden 1903 Weimarer Republik für Demokratie eintrat. Als mit dem Studium der Rechtswissenschaften in Mitbegründer und Sekretär des deutschen PEN- Freiburg i. Br., Berlin und Marburg, das er 1908 Clubs im Exil setzte sich Rudolf Olden (1885 - mit der ersten Staatsprüfung abschloss. Die 1940) in seinem Asylland Großbritannien dafür zweite Staatsprüfung legte Rudolf Olden im August ein, den exilierten deutschsprachigen Schriftstel- 1914 – aufgrund des Beginns des Ersten Weltkrieges lern eine Stimme in der Welt zu geben, und arbei- – als Notprüfung in Berlin ab. tete aktiv an der Rettung gefährdeter Schriftsteller Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem Rudolf Olden mit. als Kriegsfreiwilliger teilnahm, wandte er sich in Die von der FAZIT-Stiftung, der Dr. Marschner- Wien dem Journalismus zu. Seinen ersten Artikel Stiftung, der Hessischen Kulturstiftung und der »Einiges über den Dichter« veröffentlichte er im Gesellschaft für das Buch geförderte Ausstellung Wiener »Fremdenblatt«. Erfolgreich arbeitete dokumentiert mit rund 300 Exponaten Oldens Olden für die Wochenschrift »Der Friede« und den Lebensweg, sein politisches Engagement, seinen »Neuen Tag«, beide herausgegeben von Benno Kar- Kampf für die Demokratie und gegen den Natio- peles. Olden selbst beschreibt diese Zeit in seinem nalsozialismus bis zu seinem tragischen Tod bei der Nachruf auf Karpeles: »In der Redaktion des Torpedierung des Schiffes »City of Benares« im ›Neuen Tag‹ war ich zusammen mit Alfred Polgar, September 1940. R. A. Bermann, – bekannter als Arnold Höllriegel Mit einem Teilnachlass Rudolf Oldens, dem Archiv – mit Karl Tschuppik, Egon Erwin Kisch, dem des Deutschen PEN-Clubs im Exil, dessen Sekretär Zeichner Carl Josef, Karl Otten. Oft kam spät Rudolf Olden war, sowie dem Archiv der American abends ein sehr magerer und sehr stolzer junger Guild for German Cultural Freedom / Deutsche Mensch, dessen kurze Manuskripte Tschuppik mit Akademie im Exil und dem Teilnachlass von zur Schau getragenem Respekt übernahm. Auch er Gabriele Tergit verfügt das Deutsche Exilarchiv war ein eben abgerüsteter Offizier. Man wusste 1933 - 1945 der Deutschen Nationalbibliothek nichts von ihm, als dass er auf eine besondere Art über ausgezeichnete Quellen zu Oldens Leben und sah und schrieb und Joseph Roth hiess. Wenn er Werk. Hinzu kommen Leihgaben, u. a. aus dem uns verliess, pflegte er auf dem nahen Stefansplatz Deutschen Literaturarchiv Marbach, dem Bundes- beim ›Würstel-Sacher‹, der dort seine Bude hielt, zu archiv, dem University College London sowie aus Mittag zu essen. Ich zweifle, ob wir wirklich eine Privatbesitz. gute Zeitung gemacht haben. Aber ich weiss, dass Die Ausstellung setzt ein mit Oldens Herkunft, der es die einzige Redaktion gewesen ist, die mir jemals Vorstellung seiner Eltern, der Schauspielerin Rosa Spass gemacht hat, und das bisschen, was ich jour- Olden, geb. Stein, und dem Schauspieler, Schrift- nalistisch kann, habe ich dort von Karpeles und steller und Übersetzer Hans Olden (urspr. Johan- Bermann gelernt [...].«1) Dialog mit Bibliotheken 2010/2 63 DNB Dialog_2_2010_sicher:DNB Dialog.qxd 27.09.2010 16:16 Uhr Seite 64 Zeitpunkte Gemeinsam mit Hugo Bettauer gab Olden 1924 Phänomen Adolf Hitler psychologisch zu ergrün- die Zeitschrift »Er und Sie. Wochenschrift für den. Nach seiner Emigration im Februar 1933 ver- Lebenskultur und Erotik« heraus. In dieser Zeit- öffentlichte Olden zunächst – als erstes Buch des schrift greifen sie aktuelle, auch brisante Themen emigrierten Malik-Verlags in Prag – die Broschüre auf. Das erfolgreiche Unternehmen endete in »Hitler der Eroberer«, 1935 folgte seine politische einem Prozess vor dem Wiener Landesgericht. Biografie »Hitler« bei Querido, Amsterdam. In Bettauer und Olden wurden beschuldigt, »das dieser psychologischen Skizze unternimmt er den Vergehen gegen die öffentliche Sittlichkeit […] und Versuch, Hitlers reale Biografie zu rekonstruieren das Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und und kontrastiert seine Ergebnisse mit den Darstel- Ordnung […]«2) begangen zu haben. Der Prozess lungen Hitlers in »Mein Kampf«. Er kommt dabei endete mit dem Freispruch der beiden Herausge- zu folgender Charakterisierung: »Wer [Hitler] am ber. Hugo Bettauer fand dennoch ein tragisches 24. März 1933 sieht und hört, ohne ihn sonst zu Ende, er wurde 1925 von einem Nationalsozialisten kennen, der kann nicht daran zweifeln, daß ein ermordet. Demagog in der Minute, da er am Ziel ist, die Pressekarte für Rudolf Olden, 1927/28 In diesen Jahren verfasste Olden hunderte von verführten Massen preisgibt, die ihn emporge- Artikeln, viele davon Leitartikel. Sein Themenspek- tragen haben, und sich Denen in die Arme wirft, trum war breit, Olden griff juristische Themen auf, die er bisher gereizt, gekitzelt, herausgefordert, – nahm Stellung zur politischen und gesellschaft- auch umschmeichelt, aber nie bekämpft, – hat, bis lichen Lage und kommentierte das allgemeine Zeit- sie ihm den ersten Platz einräumten: ein lästiger und geschehen. Mit einer Figur der Zeitgeschichte setz- frecher Agent, aber endlich doch nur ein Agent der te sich Rudolf Olden besonders intensiv und über Macht, die er nie antasten wollte. [...] viele Jahre hinweg auseinander: mit Adolf Hitler. Wer die Stimme hört, die mühsam dem Hoch- Schon 1923 warnte er in der Zeitung »Der Tag« deutsch der Gebildeten angepaßte Klangfarbe des erstmals vor ihm. 1932 versuchte er in der Zeit- oberösterreichischen Kleinbürgers, die gequetschte diagnose »Propheten in deutscher Krise«, das Ehrfurcht, die verschmierte Ergebenheit, die süßli- 64 Dialog mit Bibliotheken 2010/2 DNB Dialog_2_2010_sicher:DNB Dialog.qxd 27.09.2010 16:16 Uhr Seite 65 Zeitpunkte che Hochachtung, wenn er von den ›geheiligten Der Frage, die heute auf Vieler Lippen brennt: ›Was Räumen‹ der potsdamer Garnisonkirche, von ›der ist von ihm zu erwarten?‹ ist damit zugleich die Bahre seines größten Königs‹, Friedrichs des Zwei- Antwort gegeben: Alles. [...]«3) ten, spricht, Der glaubt, sicher sein zu können in Neben dem politischen Biografen und dem Jour- der Beurteilung der Person des Redners. [...] nalisten wird auch der Jurist Rudolf Olden in der Es ist das immerwährende quälende Bedürfnis nach Ausstellung dokumentiert. Bekannt wurde Olden Verehrung, Liebe, Anbetung, das Hitler erfüllt. vor allem als Verteidiger von Carl von Ossietzky, Hier liegt auch der Grund seiner Fähigkeit, sich in der 1931 als Herausgeber der »Weltbühne« ange- Andere einzufühlen, sie zu gewinnen, ja Viele zu klagt worden war, weil er in seiner Zeitschrift einen bezaubern. Artikel über die verbotene Aufrüstung der Reichs- Die echte Dämonie, die vielen großen Politikern wehr veröffentlicht hatte. Ein zweites Mal wurde er eigen ist, muß dem deutschen Diktator durchaus 1932 in der Haft angeklagt, diesmal wurde er für die abgesprochen werden. [...] Man erinnere sich an in der »Weltbühne« veröffentlichte Aussage Kurt den Eindruck der Amerikanerin Dorothy Thomp- Tucholskys »Soldaten sind Mörder« verantwortlich son, die nach vierzig Sekunden wußte: ein kleiner gemacht. Gemeinsam mit Max Alsberg, Alfred Mann. [...] Apfel und Kurt Rosenfeld übernahm Olden die Die krampfhafte Gier nach Bestätigung ist verur- Verteidigung im ersten Weltbühne-Prozess, im zwei- sacht von der inneren Leere, dem negativen Zug, ten verteidigte er Ossietzky erfolgreich gemeinsam dem Mangel, von dem wir sprachen. [...] mit Alfred Apfel. Oldens Plädoyer schildert Apfel Aber Hitlers Gemütsleere ist nichts gegen seine in seinem Bericht in der »Weltbühne«: »Rechtsan- geistige Leere. Nicht daß seine Intelligenz unentwi- walt Olden trug die Masse der Zitate vor, von Laot- ckelt ist, sie funktioniert durchaus normal. Aber se, Erasmus, Friedrich dem Großen, Voltaire, Kant, wie wenig vermag sie zu umfassen! Jenes Wort aus Goethe, Klopstock, Herder, Schubert, Hoffmann ›Mein Kampf‹, daß schon, als er Wien verließ, die Weltanschauung des Jünglings feststand, daß sie später nur in wenigen Einzelheiten ergänzt zu werden brauchte, – ach, es ist wahr. Ein Dreiund- ) zwanzigjähriger, – dazu mit solcher Jugend! – ein fauler Schüler, ein unnützer Lungerer, dann ein hungernder Asylist, – und nun ist der Mann im +% Geistigen fertig, der Deutschland regieren wird. [...] (#! Die Psychologie weiß von Zuständen, die man !$' # Infantilismus oder auch Infantile Regression nennt. !%#(#(&# Nicht, daß Verstand und Intellekt gelitten hätten, ist damit gemeint; [...] Sondern Trieb und Reak- $+!3#+ ( $($(- + ,,(- , tion, die Seele des Erwachsenen, ist kindlich-barba- (" )-($&$)-# %,'- +$& risch geblieben, oder sie ist in die Kindlichkeit /$ .#,-2( + ,#+$!-.(" ( zurückgefallen. (!)+'-$)(,,1,- ' Das ist die Erscheinung, mit der wir es zu tun -+ ((.(" (+),* %-.( haben, bei dem nationalsozialistischen