Besuchsverbote Sind Keine Lösung
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Die Mitgliederzeitung Aktuelle Informationen, www.sovd.de/zeitung des SoVD Sozialverband Positionen und Hintergründe facebook.com/sovd.bund Deutschland zu sozialen Themen twitter.com/sovd_bund Nr. 6 Juni 2020 Kreativ im Umgang mit der Krise Zuschriften von Mitgliedern in Zeiten von Corona Seite 7 Aktiv gegen soziale Kälte Gesellschaftliches Engagement hat viele Gesichter Seite 7 Foto: Bonsales / Adobe Stock Besuchsverbote bieten höheren Schutz vor einer Infektion. Langfristig hat die soziale Isolation jedoch gravierende Nebenwirkungen. Menschen in Pflegeheimen und anderen Einrichtungen sind auf soziale Kontakte angewiesen Erste Schritte Besuchsverbote sind keine Lösung zurück zum Alltag Corona-Beschränkungen wurden gelockert Das Coronavirus führte in Kranke oder pflegebedürftige sollte dabei explizit vermieden Aus dieser Sofortmaßnahme Krankenhäusern, Pflegeheimen Menschen sowie Senior*innen werden. Genau so aber hat es darf jedoch keine Dauerlösung Seite 4 sowie in Senioren- und Behin- und Menschen mit Behinderung sich dennoch für viele angefühlt. werden: Menschen zu isolieren derteneinrichtungen zu massi- gelten als besonders gefährdet. ist kein hinreichendes Schutz- ven Einschränkungen. Wochen- Im Zuge der Maßnahmen zur Infektionsschutz auf Kosten konzept. Auf die besondere lang hatten Bewohner*innen Eindämmung des Coronavirus der Selbstbestimmung Verantwortung wies auch der und Patient*innen keinen per- einigten sich Bund und Länder Im Rahmen der gesetzlichen Pflegebevollmächtigte der Bun- sönlichen Kontakt zu ihren An- daher auf geeignete Schutz- Vorgaben sollte jede Einrich- desregierung, Andreas Wester- gehörigen. Der SoVD begrüßte maßnahmen. In Heimen und tung ein individuelles Schutz- fellhaus, hin. Er sagte, es müsse daher die Mitte Mai erfolgten Einrichtungen sollten Besuchs- konzept entwickeln und dieses abgewogen werden zwischen Lockerungen. Zur Überwindung beschränkungen Kranke und den Infektionszahlen entspre- den notwendigen Maßnahmen von Besuchsverboten fordert Pflegebedürftige sowie Ange- chend anpassen. Am schnells- zum Infektionsschutz und dem Im Netz informieren Verbandspräsident Adolf Bauer hörige und Pflegepersonal vor ten umsetzbar erschien zu Selbstbestimmungsrecht der bei Pflegebedarf jedoch weiterführende Schutz- einer Infektion schützen. Eine Beginn der Corona-Pandemie pflegebedürftigen Menschen. SoVD-Kooperation mit konzepte. soziale Isolation der Betroffenen ein pauschales Besuchsverbot. Fortsetzung auf Seite 2 Internetportal 1ACare Anzeige Seite 9 Blickpunkt In Zeiten von Corona vertiefen sich in besonderem Maße die ganz Jun- mögenssteuer wäre ein geeignetes soziale Kluften. Das belegen aktuel- gen. So erleiden Kinder aus benach- Instrument. Auch eine einmalige le Studien. Die Ergebnisse verwun- teiligten Familien durch Schul- und Vermögensabgabe für Superreiche dern wenig: Je nach sozioökonomi- Kitaschließungen erhebliche und wäre zu diskutrieren. Menschen, die Konzerte in der schem Umfeld sind die Chancen, mit längerfristige Bildungsnachteile. weitaus mehr besitzen als ande- Kinderklinik den Auswirkungen der Krise umzu- Auch Menschen mit Behinderungen re, sind in höherem Maße gefragt, gehen, ungleich verteilt. Wer kein erleben in der Krise zusätzliche Be- die Staatshilfen zu refinanzieren. Lichtblicke im Krankenhaus finanzielles Sicherheitsnetz hat, nachteiligungen und Härten. Längst Damit die Hauptleidtragenden der Seite 24 erlebt derzeit große Existenzsorgen hat die Bundesregierung Maßnah- Krise nicht am Ende diejenigen – ob durch Entlassung, Kurzarbeit men ergriffen, die Unternehmen sind, die diese große Summe allein oder als Kleinselbstständige(r). Und und Menschen auffangen sollen. stemmen müssen. Das wäre der Fall, während für die Älteren die gesund- Die Kosten dafür werden in die 100 wenn Sozialausgaben gekürzt oder heitlichen Risiken höher sind, wie Milliarden Euro gehen. Zeit, über Verbrauchssteuern erhöht würden. auch die Gefahr zu vereinsamen, eine sozial gerechte Refinanzierung Adolf Bauer trifft die Pandemie zum Teil ebenso nachzudenken. Die progressive Ver- SoVD-Präsident Seite 2 SOZIALPOLITIK Nr. 6 / Juni 2020 Menschen in Pflegeheimen und anderen Einrichtungen sind auf soziale Kontakte angewiesen Besuchsverbote sind keine Lösung Fortsetzung von Seite 1 Der SoVD begrüßte diesen sowie am Alzheimer-Telefon, Sie verunsichert neben dem Die Pressemitteilung des SoVD Schwierig stellte und stellt Schritt, da längerfristig weder über welches die Deutsche veränderten Tagesablauf und zur Lockerung der Besuchsver- sich die Lage auch für die in Telefonate noch E-Mails einen Alzheimer Gesellschaft berät. den ausbleibenden Besuchen bote sowie weitere Informatio- Heimen und Krankenhäusern persönlichen Kontakt ersetzen Menschen mit Demenz spüren vor allem auch die Begegnung nen zu diesem Thema finden Sie Beschäftigten dar. Sie infizieren können. Allerdings bleibt eine die Auswirkungen der sozialen mit Menschen, die eine Maske im Internet unter: www.sovd.de/ sich überdurchschnittlich oft mit Besuchsdauer von 20 Minuten Isolation demnach besonders. im Gesicht tragen. job corona. dem Coronavirus. Das dürfte vor pro Woche noch immer weit allem daran liegen, dass vielen hinter den Bedürfnissen der Be- Pflegekräften bis heute neben troffenen zurück. Einrichtungen Desinfektionsmitteln oftmals sollten daher mit der nötigen auch die dringend benötigte Unterstützung dazu verpflich- Interview Schutzausrüstung fehlt. tet werden, Schutzkonzepte zu entwickeln, die Besuche künftig Bestehende Besuchsverbote wieder an mehreren Tagen er- „Es geht darum, zuzuhören“ teilweise gelockert möglichen. Seit Kurzem dürfen Men- Birgit Vahldiek leitet die Abteilung Sozialpolitik beim SoVD-Landesverband Niedersachsen. Unter schen, die in Einrichtungen Menschen mit Demenz Tel.: 0180 / 20 00 872 beantwortet sie außerdem das Pflege-Notruftelefon. Im Interview schildert sie, leben, unter bestimmten Be- reagieren stark verunsichert welche Rolle dabei bestehende Besuchseinschränkungen in Heimen und anderen Einrichtungen spielen. dingungen wieder Besuch er- Bei allem Verständnis für die halten. Voraussetzung hierfür Schutzmaßnahmen äußern vor ___Hatten Sie verstärkt Anrufe ___Wie beurteilen Sie selbst ist, dass es sich um eine kon- allem Angehörige zunehmend zum Thema Besuchsverbot? den Spagat zwischen Infektions- kret benannte Person handelt, ihre Sorge. Das zeigt sich am Ja, viele Menschen wollten dabei schutz und Vereinsamung? welche die geltenden Hygiene- Pflege-Notruftelefon des SoVD wissen, wann sie ihre Angehörigen Ich denke, am Anfang war es regeln beachtet. Niedersachsen (siehe Interview) wieder besuchen können. Ihnen durchaus sinnvoll, gefährdete fehlte ein Zeitfenster, auf das sie Personengruppen für einen be- sich einstellen können: Sehen sie stimmten Zeitraum zu isolieren. die Mutter oder den Vater nur die Nur stellt sich irgendwann die nächsten Tage nicht oder dauert Frage, ob diese Isolation nicht es doch noch mehrere Wochen? vielleicht auch krank macht. Sie fühlten sich einfach alleinge- Wenn man über Wochen hin- lassen. weg auf wenige Quadratmeter Lebensraum beschränkt ist und Birgit Vahldiek ___Wie groß haben Sie dabei nur mit dem Nötigsten versorgt den Leidensdruck empfunden? wird, dann ist das für den Ge- vor Ort wenden können, damit Der war sehr hoch. Ich hatte sundheitszustand des Einzelnen sie Unterstützung bekommen das Gefühl, dass Angehörige auf sicher nicht positiv. und sich etwas verbessert. Neben beiden Seiten sehr darunter lei- Angehörigen rufen uns aber auch den. Eine Dame brach am Telefon ___Wie können Sie über das Pflegekräfte an, die auf Probleme sogar in Tränen aus, weil sie ihren Notruftelefon helfen? innerhalb von Einrichtungen auf- Ehemann nicht besuchen konn- In erster Linie geht es darum, merksam machen. Hier sind wir te. Der 63-Jährige leidet an einer zuzuhören. Die Menschen wollen dann als SoVD gefordert, diesen Foto: M.Dörr & M.Frommherz / Adobe Stock schweren Erkrankung und sie war sich austauschen und über ihre Hinweisen auf der politischen Kreative und pragmatische Lösungen sind gefragt: Um der Verein- natürlich in Sorge, dass sie ihn Sorgen mit jemandem sprechen. Ebene eine Stimme zu geben. samung in Pflegeheimen entgegenzuwirken, ermöglichen manche möglicherweise gar nicht mehr Wir sind auch Wegweiser und Einrichtungen die Begegnung mit Angehörigen am Fenster. sehen kann. schauen, an wen sich Betroffene Interview: Joachim Baars 70 Jahre seit der Geburtsstunde der Europäischen Union Tag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus jährte sich zum 75. Mal Krise nur als europäische „Wir haben nicht vergessen!“ Gemeinschaft zu meistern Mit geschätzten 60 bis 70 Millionen Toten steht der Zweite Weltkrieg – nur knapp zwei Jahrzehnte nach dem Ersten – für die größte Tragödie des 20. Jahrhunderts. Sechs Millionen Menschen fielen allein Am 9. Mai vor 70 Jahren hielt der damalige französische Außenmi- dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer. Ungezählt sind die Schicksale der Kriegswitwen nister Robert Schuman in Paris eine wegweisende Rede. Darin stell- und -waisen, der Kriegsinvaliden, der Enteigneten, Vertriebenen und der Kriegsgefangenen. 27 Natio- te er seine Idee einer neuen Art der politischen Zusammenarbeit in nen waren an dem von den Nazis ausgehenden und als rassenideologisch geführten Vernichtungs- Europa vor – die Schaffung einer überstaatlichen Institution in der krieg beteiligt. Am 8. Mai jährte sich jetzt der „Tag der Befreiung“ zum 75. Mal. Kohle- und Stahlproduktion. 1951, nur ein knappes Jahr später, wurde sein Vorschlag Realität. Schumanns Rede gilt deshalb