Zulkus Kurland. Die Grenzen Und Die Nordlichen Landschaften in 8.-13
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KURLAND. DIE GRENZEN UND DIE NÖRdlICHEN LANDSCHAFTEN IN 8. – 13. JAHRHUNDERT VLADAS ŽULKUS Kurland. Diedie Grenzen nördlichen inund 8.–13. Landschaften Jahrhundert Abstract Das kurische Territorium und die einzelne Territorien kurischer Landschaften genauer zu bestimmen ist es möglich anhand der archäologischen und historischen Informationen. VLADAS ŽULKUS Key words: Kuren, Stämmen, Balten, Landschaften, Orden. 1. Einführung Аса��с 1997; Asaris 1998; 1999; Озере����������������������������� 1986; 1987; Vasks 1997; 1999; Urtāns 1998; Apals, Mugurēvičs Im Bereich der Vor- und Frühgeschichte der Kuren gibt 2001). noch keine spezielle monografische Forschung. Einer der Gründe hierfür ist, dass das alte Kurland – ebenso Von Archäologen wurde bisher nicht versucht, einzel- wie die Gebiete der Selen und Semgallen – heute auf ne Territorien kurischer Landschaften genauer zu be- Lettland und Litauen verteilt liegt. Westlettland, dass stimmen, obwohl Historiker dies schon über ein Jahr- den halben Teil der ethnisch kurischen Gebiete ein- hundert lang machen (Bielenstein 1892; Dopkewitsch nimmt, wird seit altersher Kurland (lett.: Kurzeme) ge- 1933; Salys 1930). Das kurische Territorium aus histo- nannt. Die Erforschung der Geschichte der kurischen rischen Quellen und archäologischen Daten zu synthe- Stämme ergeht sich deswegen im Allgemeinen auf tisieren versuchte Ē. Mugurēvičs (1997, 1999; 2000a). diese Region, bestehend aus kurischem, livischem und Die südkurischen Landschaften wurden erst 1989 ge- semgallischen Kulturerbe. nauer abgegrenzt (Žulkus, Klimka 1989). Die frühmittelalterliche Küstenkultur in Litauen wurde lange Zeit nicht als eigenständiges Forschungsobjekt 2. Die Grenzen Kurlands behandelt: Historiker betrachteten sie als szemaitisch, A.Die Ostgrenze die Archäologen als allgemein-litauisch. Dass die östliche kurische Grenze so unterschiedlich ”Kuren” waren sowohl in der litauischen als auch in der festgelegt wurde, liegt zuallererst an verschiedenen westeuropäischen Geschichtswissenschaft sogar lange Methoden: Sprachwissenschaftler, die Probleme bei Zeit ein Synonym für Letten. Die historischen Kompli- der Datierung von Gewässer- und Ortsbezeichnungen kationen, in dessen Folge die Kurenstämme mit dem haben, heben sehr alte “Kulturschichten” hervor, die Gebiet des sogenannten Kurlands oder mit dem rus- sich auf die Mitte des ersten Jahrhunderts nach Chris- sischen Gouvernement Kurland gleich gesetzt wurden tus beziehen. Historiker benutzen demgegenüber spä- (analog zur Identifizierung der alten Prussen mit den tere schriftliche Quellen aus dem 13.-15. Jahrhundert. Einwohnern Ostpreußens), hatte Einfluss auch auf die In denen von ihnen präsentierten Grenzen sind deut- Archäologie. Die kurische Kultur wurde im Wesentli- lich Aufteilungen und Wanderungsbewegungen zu chen verbunden mit den nördlichen Kuren oder mit der verspüren, deren wichtigster Grund die Ordensinva- im frühen Mittelalter kolonisierten Kultur der Liven. sion war. Ein weiterer Grund liegt darin, dass Forscher Die wissenschaftlichen archäologischen Publikatio- die recht ausgedehnte unbewohnte Wildnis zwischen nen über die sind verschiedener Art: Es wurde über den Stämmen mal dem einen, mal dem anderen Stamm die Ausgrabungen verschiedener Objekte aus dem zuschreiben, also den Kuren oder den Szemaiten, und kurischen Altertum veröffentlicht, verschiedene Arten dabei das Territorium des Einen ausdehnen und des der archäologischen Objekte klassifiziert, kulturelle Anderen beschneiden. Die litauischen Forscher der er- Charakteriska der Kuren wurden gesucht und das ku- sten Hälfte des 20. Jahrhunderts wollten die Belege der rische Territorium bestimmt. Über die nordkurische politisch engagierten deutschen Forscher widerlegen, Kultur im Eisenzeitalter denken ganzheitlich letti- dass Litauens Küste nicht litauisch (bzw. szemaitisch), sche Archäologen nach (Latvijas 1974; ���������Мугуревич sondern kurisch gewesen sei - was zu jener Zeit als 1965; Mugurēvičs 1997; 1999; 2000a; Caune A. 1991; nicht litauisch galt. In ähnlichen Wirren verstrick- 88 en sich manche noch heute, wenn z. B. die kurische dâ liet bie des meres strant Landschaft Pilsats für ein „baltisch-kurischer westsze- ein gegende, heizet Kûrlant: maitischer Bezirk“ gehalten wird (Pėteraitis 1992: 51). die ist wol vumfzik mîle lanc. Eine der der unglaublichsten Einordnungen des kur- …………………………………. ischen Lebensraums stammt von Kustavi Grotenfelt. Oselêre daz sint heiden sûr, Er wies nach, dass die Kuren ein ehemalig finnischer die sint der Kûuren nâkebûr. Stamm seien und ihr Lebensort sei die Insel Ösel (est- (Livländische 351ff.; 357f.) nisch: Saaremaa) gewesen (Grotenfelt 1912: 155ff). BALTICA 6 Nach Kwauka ist es vom Kap Domesnes bis nach Sam- In keiner bekannten schriftlichen Quelle der Zeit vor land eine Strecke von 50 Meilen nach Süden (Kwauka dem Deutschen Orden sind die Grenzen Kurlands ge- 1986: 88). So müsste die terra Lamata schon zu Kur- nauer beschrieben. In der Beschreibung des Rimbert land gehört haben. Die Situation klärt sich durch ein (um 873 n. Chr.) wird indirekt auch das Territorium Dokument vom 29. Juli 1252, in dem Lamata - bis dahin Kurlands erwähnt: Am (nördlichen oder südlichen) separat vom kurischen Territorium - dem Bischofstum ARCHAELOGIA Rande Kurlands war Seeburg; in der Mitte Kurlands, Kurland zugesprochen wird (LEK Bd. �����������I,. Abt. 1, Nr. nach fünf Tagen Reise, die wichtigste kurische „Stadt“, CCXXXVI), d. h. es wird formal der Herrschaft des Apulia (litauisch: Apuolė); und Kurland bestand aus Livländischen Ordens und des Kurländischen Bischofs fünf Landschaften. Adam von Bremen (ca. 1040-1080) unterstellt. De facto wird diese Abhängigkeit auch spä- schildert Kurland als eine Insel - ”vel maxima est ter rechtlich bestätigt, obwohl zur südlichsten Land- illa, quae Churland dicitur” (Adami IIII: 190). In den schaft Pilsats Mitte des 13. Jahrhunderts die Gebiete Ordensquellen wurden 1252 und 1253 neun kurz be- südlich der Burgen Žardė-Laistai nicht gehörten und schriebene kurische Landschaften erwähnt sowie 150 der Orden sich mit dem Bischof die Wiesen an der Siedlungen in Kurland genannt (LEK Bd. ���������I, Abt. 1, Nr. Dreverna (in der Quelle Drivene), und die Wiesen zwi- CCXXXVI, CCXLVI, CCLIII). ���������������������Dennoch bleiben eini- schen den Flüssen Minge und Žardė sowie die Wälder ge Unklarheiten wegen der Grenzen besonders in den zwischen Minge und Memel nicht aufteilte (LEK Bd. Randgebieten. I, Abt. 1: Nr. CCXLIX). Was sagen dazu archäologische Quellen? Deutliche B.Das Problem der Südgrenze Unterschiede lassen sich anhand der Ausgrabungen der Gräberfelder der Kuren und ihrer Nachbarn feststellen. Besonders unklar ist dabei die südliche Grenze des von Im Mittelalter - bzw. dem Baltischen mittleren Eisen- den Kuren bewohnten Gebiets. Vor der Ankunft des zeitalter (5.-7. Jahrhundert) - wurden die Toten in den Ordens gehörte der Unterlauf der Memel nicht den Ku- Küstengebieten Litauens und Lettlands unverbrannt in ren, wie in einer Quelle von etwa 1231 zu lesen ist. Die Gräbern bestattet, die mit unregelmäßigen ovalen oder Landschaft Lamata wird separat von Kurland erwähnt rechteckigen Steinkreisen markiert waren (im südlichen (Scriptores 1, 1861: 737). Auf eine Karte von Ebstorff Teil wurde diese Sitte schon seit dem 1.-3. Jahrhundert aus dem Jahre 1235 (Stradiņš, Cēbere 2001: 331) liegt praktiziert. Weiter nach Norden kann man solche, auf Kurland aber nördlich vom Fluss Memel, Lamata ist das 5.-7. Jahrhundert datierten Gräber im Gräberfeld dort hingegen nicht namentlich erwähnt (Abb. 1). In von Ošenieki (Vērgale) finden, das eine schon von al- einer anderen Quelle aus der Mitte des 13. Jahrhunderts tersher bestehende Grenze Kurlands markiert. Weiter (1265-1260: ”Descriptiones terrarum”) steht wie folgt nach Norden breitet sich vom Fluss Tebra eine wenig geschrieben: ”Samland verbündet sich mit Kurland, das besiedelte Gegend aus, und vom Fluss Abava, einem sich weiter nach Norden hinzieht und von Süden und rechten Nebenfluss der Venta, beginnt der Lebensraum Westen vom Meer umgeben ist. Im Osten liegt bereits der Liven, der baltischen Finnen. Die Liven beerdigten ein heidnisches Land genannt Szemaiten (Samogitia). ihre Toten in Gräbern mit Steinkonstrukten; manchmal Dorthin kann ein Christ niemals ohne Schwert gehen.“ verbrannten sie ihre Toten, manchmal aber auch nicht. (zitiert nach Gorski 1981; Mugurēvičs 1995: 24). Mit (Tenisons 1994: 24; Vasks 1997; 63ff, 73f). dem von Süden umschließenden Meer ist nichts ande- res als das kurische Haff gemeint. Aus dieser Beschrei- Später breiteten sich die Liven noch nach Süden aus. bung geht hervor, dass Lamata nicht zu den Samen, Livische Hydronyme kann man entlang des Flusses sondern zu den Kuren gehörte. In einer späteren Quel- Rīva und am Oberlauf der Užava, südlich des Flusses le, der um 1290 geschriebenen Livländischen Reim- Abava und im Gebiet links des Flusses Slocene fin- chronik, werden die nördlichen Nachbarn der Kuren, den (Mugurēvičs 1987: 64, Abb. 11). Die nördliche die Liven, als Oselêre erwähnt. Die südlichen Nach- Grenze des kurischen Territoriums überschritt im 10. barn werden nicht genannt - obwohl geschrieben wird, Jahrhundert den Fluss Tebra (Mugurēvičs 1997a: 78). dass Kurland eine Länge von 50 Meilen aufweise: Zwischen den Siedlungen der Liven und der Kuren lag eine Wildnis von 6-15 km Breite. 89 C. Nordost- und Südostgrenze Im Nordosten reichten die Kuren auch nicht bis an den Mittellauf der Venta: Die östliche Grenze verlief an den Oberläufen von Virvytė und Minge, in Richtung der Szemaiten