Koloniale Gespenster
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DE COLO NIZE MÜN CHEN DE COLO NIZ2 E MÜN CHEN DOKUMENTATION UND DEBATTE Katalog zur Ausstellung im Münchner Stadtmuseum vom 25.10.2013 bis 23.02.2014 Eva Bahl, Sarah Bergh, Tahir Della, Zara S. Pfeiffer, Martin W. Rühlemann (Hg.) In Kooperation mit dem Münchner Stadtmuseum. Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferates der Landeshauptstadt München. IN HALT 4 VORWORTE 07 Hans-Georg Küppers EIN DISKURS AUF AUGENHÖHE 09 Eva Bahl, Sarah Bergh, Tahir Della, Zara S. Pfeiffer, Martin W. Rühlemann DECOLONIZE! DISKUSSION IN MÜNCHEN 13 Hamado Dipama DIESE GRÄUELTÄTER VERDIENEN KEINE STRASSENNAMEN 16 CHRONIK KOLONIALER STRASSENNAMEN IN MÜNCHEN 22 KONTROVERS 1 KOLONIALE STRASSENNAMEN – WIE LANGE NOCH? AUSSTELLUNGEN IM STADTMUSEUM 27 HMJokinen, Christian Kopp FREEDOM ROADS! KOLONIALE STRASSENNAMEN POSTKOLONIALE ERINNERUNGSKULTUR GESCHICHTE, KUNST UND BETEILIGUNG 53 Stephan Köhler GEORGES ADÉAGBO „L’ALLEMAGNE AVANT LA GUERRE ET L’ALLEMAGNE APRÈS LA GUERRE” 61 Zara S. Pfeiffer, Martin W. Rühlemann SPUREN · BLICKE · STÖREN DEKOLONISIEREN.MÜNCHEN DEKOLONISIEREN.MUSEUM STÄDTISCHE REFLEXIONEN 143 Isabella Fehle, Angela Dellner-Aumann, Patricia Müller, Michael Schneider-Koenig DECOLONIZE STADTVERWALTUNG 154 KONTROVERS 4 POST/KOLONIALER ALLTAG – WIE LANGE NOCH? 156 Isabella Fehle PROTOKOLL EINER HERAUSFORDERUNG DECOLONIZE MÜNCHEN. PROJEKTBERICHT. DEBATTEN 102 KONTROVERS 2 173 Joshua Kwesi Aikins WEM GEHÖRT DAS TANGUÉ? ERINNERUNGSKULTUR 104 Eva Bahl, Simon Goeke, 180 Zara S. Pfeiffer Zara S. Pfeiffer, Philip Zölls STADT MAPPING.POSTKOLONIAL.NET SPUREN | SCHICHTEN | GESPENSTER 188 Manuela Bauche MUSEUM BEGLEITPROGRAMM 202 Modupe Laja EMPOWERMENT 107 Decolonize München Bündnis OUTSPOKEN! 210 Tahir Della, Sharon Dodua Otoo PERSPEKTIVWECHSEL 114 VERANSTALTUNGEN 218 Eva Bahl REAKTIONEN VERMITTLUNG I 222 Sarah Bergh 125 Petra Spona VERMITTLUNG II „DECOLONIZE MÜNCHEN” EINE AUSSTELLUNG ALS AKTEUR ANHANG 128 Kia Vahland BESUCH AUS BENIN. 229 IMPRESSUM / TEAM UND KOOPERATIONEN MÜNCHEN FRAGT NACH SEINER 231 AUTOR_INNEN KOLONIALGESCHICHTE 235 GRUPPENBESCHREIBUNGEN 237 BILDNACHWEIS 132 Nina Bayne 238 AUSGEWÄHLTE LITERATUR ZUM WEITERLESEN DECOLONIZE MÜNCHEN – WILL IT CHANGE 240 DANKE SOMETHING IN PEOPLE´S MINDS? 138 KONTROVERS 3 AUSSTELLUNG VOR WORTE 6 EIN DISKURS AUF AUGENHÖHE Zwischen 25. Oktober 2013 und 23. Februar 2014 setzte DECOLONIZE MÜNCHEN, eine Ausstellung mit interdisziplinärem Rahmenprogramm, ein positives Zeichen in einer Stadt, die sich als weltoffen versteht, und regte zu einer Debatte über die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Auswirkungen bis in die Gegenwart an. Der vorliegende Katalog, der nun von Projektbeteiligten in Kooperation mit der Landes- hauptstadt München herausgegeben Wird, hat nicht nur die Dokumentation dieses Projekts zum Ziel. Er Will auch Wesentliche Inhalte der Ausstellung soWie die Debatten und Ergebnisse des Rahmenprogramms im Hinblick auf eine mögliche Weiterführung und EntWicklung von DECOLONIZE MÜNCHEN zugänglich machen. Dabei soll das Thema bundesWeit als Best Practice Modell präsentiert werden. Noch vor einigen Jahren kritisierte der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka in seinem Essayband „Die Last des Erinnerns“, dass in Europa bislang die Bereitschaft fehlte, sich mit der kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Doch verbunden mit der Ausbreitung der Postkolonialen Studien, die sich zunächst als neue Perspektive in der angloamerikanischen Wissenschaftslandschaft entWickelt hatten, ist ein Wachsendes Interesse an post/kolonialen Themen kaum zu übersehen. Von Kampagnen zur Rück- forderung geraubter Kulturgüter über Straßenumbenennungen bis hin zur Antirassismus- arbeit – zunehmend engagieren und vernetzen sich in Berlin, Hamburg, Bordeaux, Liverpool oder München Initiativen, um durch wissenschaftsnahe Projekte und Aktionen im öffentlichen Raum verantWortungsvoll zu einem entkolonialisierten BeWusstsein beizutragen und somit dem Rassismus den Boden zu entziehen. München stand zWar nicht im Zentrum des Kolonialismus. Dennoch ist der Stadtraum nach Wie vor geprägt von post/kolonialen Spuren – von verblassenden Inschriften an Gedenktafeln (u.a. am Alten Südlichen Friedhof) oder der Bismarckstatue des Bildhauers Fritz Behn am Deutschen Museum über koloniale Straßenbezeichnungen (wie die nach einem ehemaligen Befehls- haber der sogenannten deutschen „Schutztruppe“ in Ostafrika benannten Wißmannstraße in Bogenhausen) bis zu trendigen Möbelhäusern und Lifestyle-Shops, die unkritisch „heimelige“, koloniale Settings anpreisen. Im Kontext von DECOLONIZE MÜNCHEN verschafften Fachleute, Aktivistinnen und Aktivisten, Kreative und Kunstschaffende in der Ausstellung sowie in ergänzenden Diskus- sionen, Gesprächen, Workshops, Führungen, Stadtrundgängen, Lesungen, künstlerischen Interventionen und Filmbeiträgen verdrängtem Wissen neuen Raum und setzten eine reflexive Auseinandersetzung mit kolonialen Denkmustern und gängigen Rassismen in Gang. Dadurch sollte – wie der Germanist und frühere Kurator der DAK‘ART Biennale, Maguèye Kassé, seit Jahren fordert – ein Diskurs auf Augenhöhe fernab kolonialer Attitüden befördert werden. 8 Der multiperspektivische Ansatz des Projekts, das von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis initiiert wurde, spiegelt sich auch in der Dokumentation wider. Dabei wird klar: Es ist nicht immer konfliktfrei, wenn städtische, staatliche, aktivistische, wissenschaftliche und künstlerische Sichtweisen aufeinandertreffen. Jedoch stellt gerade dies eine Chance dar, in einen konstruktiven Diskurs miteinander zu treten und Wertvolle Synergien zu erreichen. Auch wenn wir nicht alle Positionen teilen, ist es dennoch wichtig, unter- schiedliche Perspektiven auf das Thema zu ermöglichen. Der Katalog verdeutlicht, dass sich DECOLONIZE MÜNCHEN nicht auf historische Aspekte beschränkt, sondern Geschichte als Kontinuum begreift und sich mit den Wechselbeziehungen zwischen einem aktuellen Post- und einem historischen „Kolonial“- Verständnis auseinandersetzt. Dabei richtet sich der Fokus nicht nur auf das Dekolo- nisieren des öffentlichen Stadtraums, sondern auch auf das Entkolonialisieren von Denkräumen. So formulieren Akteurinnen und Akteure ihre Vision einer dekolonisierten Stadt und diskutieren u.a., wie man Rassismus in der immer noch weitgehend kolonial geprägten Bild- und Sprachkultur der Gegenwartsgesellschaft überwinden kann. Darüber hinaus geht es auch um die Frage der Repräsentation kolonialistischer Bilder und rassistischer Darstellungen in musealen Räumen sowie um die Debatte über die Rückgabe geraubter Kulturgüter, die Westliche Museen in letzter Zeit immer mehr in den Blick öffentlicher Kritik rückt. In diesem Kontext stellt(e) sich das Münchner Stadtmuseum – als Veranstaltungsort, aber auch als kulturelles Gedächtnis der Stadt – der Herausforderung am Beispiel der eigenen Sammlungen und Ausstellungen. Herzlichen Dank an alle, die maßgeblich zum Gelingen dieser umfangreichen Dokumen- tation beigetragen haben. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern inspirierende, neue Erkenntnisse, die einen erweiterten Blick auf den Stadtraum ermöglichen. Dr. Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Landeshauptstadt München DECOLONIZE! „Wollen wir koloniale Aufarbeitung oder wollen wir Deutschlands Kultur dekolonialisieren?“ Als wir uns im Dezember 2010 zum ersten Mal trafen, ging es noch nicht um so weit reichende Fragen wie diese von Kien Nghi Ha formulierte, die später die Ausstellung einleiten sollte: Anlass für dieses Treffen diverser Münchner Gruppen und Initiativen war damals das ganz konkrete Vorhaben, die Wanderausstellung freedom roads! nach München zu holen. In einem Prozess, der letztlich drei Jahre dauerte, machten wir uns auf die Suche nach Finanzierung, Mitveranstalter_innen, passenden Räumen zur Präsentation und möglichen münchen-spezi- fischen Ergänzungen der Wanderausstellung. Nach knapp zwei Jahren der Suche entschieden sich Stadtmuseum und Kulturreferat der Landes- hauptstadt München in das Projekt einzusteigen und eine nicht ganz gewöhnliche Zusammenarbeit nahm ihren Lauf. Vom 25. Oktober 2013 bis zum 23. Februar 2014 konnte schließlich eine dreiteilige Ausstellung in den Räumen des Münchner Stadtmuseums präsentiert werden. Sie setzte sich zusammen aus der für München adaptierten Wanderausstellung freedom roads!, der Ausstellung Spuren · Blicke · Stören, die sich mit post/kolonialen Spuren in München und im Museum auseinandersetzte, und der für das Münchner Stadtmuseum erstellten Installation des Künstlers Georges Adéagbo „L'Allemagne avant la Guerre et l'Allemagne après la Guerre“. Ergänzt wurde die Ausstellung durch ein umfangreiches Begleit- und Vermittlungsprogramm. DECOLONIZE MÜNCHEN. Der Titel der Ausstellung und des gesamten Projekts entstand durch intensive Gespräche und Diskussionen. DECOLONIZE MÜNCHEN war und ist unsere Haltung zur oben stehende Frage – nicht im Sinne eines entweder/oder, sondern als Aufforderung, nicht bei der „Aufarbeitung“ Deutschlands kolonialer Vergangenheit und kolonialer Verbrechen stehen zu bleiben. Denn „Deutschlands Kultur zu dekolonialisieren“ passiert nicht alleine über die Vermittlung von historischem Wissen und der Bearbeitung von Erinnerung im öffentlichen Raum. Dies sind zWar zentrale Ziele des Projekts geWesen, aber es ist eben nicht genug. Denn wir sind überzeugt, dass Rassismus – wie er uns heute in allen seinen Ausprägungen begegnet – nicht ohne koloniale Geschichte und (gebrochene) Kontinuitäten bis in die Gegenwart gedacht werden kann. DECOLONIZE MÜNCHEN stand über drei Monate Weithin sichtbar an den Litfaßsäulen der Stadt und