Franz Müller Der Werkkatalog der Gemälde von Cuno Amiet – räsonierte Rezeption

Separatum aus: Franz Müller, Viola Radlach, Cuno Amiet. Die Gemälde 1883–1919, Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft / Scheidegger & Spiess, 2014 (Œuvrekataloge Schweizer Künstler und Künstlerinnen 28) 10 Der Werkkatalog der Gemälde von Cuno Amiet – räsonierte Rezeption Franz Müller

Der vorliegende Werkkatalog der Gemälde von Cuno Amiet fügt sich in eine lange kunst- historische Tradition ein: «Bezogen auf die wissenschaftlich-kritische Beschäftigung un- seres Faches mit dem einzelnen Bild liesse sich [Lukas Gloor zufolge] – wenigstens für die Entwicklung der letzten hundert Jahre – die etwas verkürzte Feststellung wagen: Am An- fang aller kunsthistorischen Forschung stand der Sammlungskatalog, an ihrem Ende steht das monografisch einem Künstler geltende Werkverzeichnis.»1 Auch wenn die Gattung des Werkkataloges im Verlauf ihrer Geschichte einem Wandel unterworfen war, handelt es sich dabei nach wie vor um ein kunsthistorisches Leitmedium, nicht zuletzt weil der «Beitrag der Kennerschaft zur Kunstgeschichte [ . . . ] sich selten so deutlich wie im Werkverzeichnis» offenbart.2 Die primäre Aufgabe eines Werkkataloges ist es, die Authentizität eines Kunst- werkes zu bestätigen. Dies geschieht auf der Grundlage der systematischen Erfassung der Werke nach Kriterien wie Entstehungszeit, Technik und Materialien, Format, Ikonogra- fie, Standort und Herkunft, Literatur- und Ausstellungsnachweisen. Jeder Werkkatalog strebt dabei Vollständigkeit an. Sein Ziel ist es darüber hinaus, die einzelnen Arbeiten «einem Leben und Werk eines Künstlers berücksichtigenden Gesamtgefüge» einzuord- nen 3 und so die Existenz eines Gesamtwerks oder Œuvre als einer in sich abgeschlossenen Einheit zu evozieren. Pointiert ausgedrückt: Ein Künstler schafft Werke, ein Œuvre erhält er aber erst durch den Werkkatalog. Die Objektivität des positivistischen Zusammentra- gens materieller Fakten steht aber in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zur Kon- struktion eines Ordnungsgefüges, das Ausdruck von spezifischen Werturteilen ist. Zum einen dient die Erstellung eines Werkverzeichnisses stets der Promotion eines Künstlers, dessen Werk damit im Gegensatz zu demjenigen eines Kollegen der eingehenden Erfor- schung als würdig gekennzeichnet wird – Antoinette Roesler-Friedenthal weist in diesem Zusammenhang auf die «durch ein Werkverzeichnis gegebene faktische Wertsteigerung des betreffenden Künstlers» hin4 –, und zum andern bedeutet die Beschreibung der Wer- ke immer auch ihre Hierarchisierung, ganz abgesehen von der kunsthistorischen und kom- merziellen Disqualifizierung der ausgeschiedenen Arbeiten. Werkkataloge sind denn auch bisweilen der Kritik der akademischen Kunstwissenschaft ausgesetzt, die seit jeher vor allem deren Nähe zum Kunsthandel mit Unbehagen betrachtet. Abb. 1 | Fotograf unbekannt, Ausstellung Cuno Amiet und August Macke im Jenaer Zwar sind die Begriffe Werkverzeichnis bzw. Werkkatalog und Catalogue raisonné Kunstverein, 1912 in der Praxis austauschbar geworden und werden oft auch nicht mehr strikt gegen den

11 der Monografie abgegrenzt. Dennoch kann man analog zur traditionellen Unterteilung von Sammlungsverzeichnissen in Inventar und Katalog 5 bei Werkkatalogen zwischen ein- fachem Werkverzeichnis und Catalogue raisonné unterscheiden. Das Räsonnement in Form der Kommentare zu den einzelnen Werken macht aus dem schlichten Werkverzeich- nis einen Catalogue raisonné, einen kommentierten oder kritischen Werkkatalog. Es prägt somit die Gestalt des Œuvre und unterzieht es zugleich einer Analyse. Für Dieter Schwarz stellt das Räsonnement, das kritische Unterscheiden, Auswählen und Deuten denn auch nicht erst die «abschliessende Handlung [ . . . ], mit der die Verfasser den Catalogue raison- né abrunden» dar, vielmehr beginne es schon «mit der Konzeption des Verzeichnisses, mit der Definition des Objekts, mit dem Sichten der so definierten Objekte, und jede Ent- scheidung, die Form, Umfang und Inhalt des Kataloges angeht, ist Teil davon.»6

Zweiteiliges Katalogkonzept als Spiegel der Rezeption Ein so umfassend verstandenes Räsonnement führte zum hybriden Konzept des vorlie- genden Werkkataloges. Hybrid ist der Katalog, weil das im engeren Sinn aufgefasste Räsonnement, die kritische Bearbeitung des Œuvre, sich auf Cuno Amiets Gemälde der Jahre 1883 bis 1919 beschränkt, während die Arbeiten der Jahre 1920 bis 1961 als einfache, unkommentierte Werkliste zur Verfügung gestellt werden. Die Differenzierung der separierten Œuvrebereiche betrifft nicht nur die Bearbeitungstiefe, den Informations­ gehalt und die Beurteilung, sondern erstreckt sich auch auf die Publikationsmedien. Nur der kritische Katalog der Gemälde der früheren Werkphase erscheint in Buchform, der zweite Teil, die Gemälde von 1920 bis 1961, hingegen ausschliesslich in einem online zugänglichen digitalen Verzeichnis, das im Gegensatz zum vorliegenden Buch das gesam- te gemalte Werk umfasst. Datenbank und Internet gestatten – trotz der unterschiedlichen Gewichtung der Œuvresegmente –, dem Anspruch der Vollständigkeit eines Werkver- zeichnisses gerecht zu werden. Darüber hinaus erlauben die verschiedenen Such- und Ordnungsmöglichkeiten des digitalen Katalogs gleichsam die Generierung einer Vielzahl differierender Œuvres, was die traditionelle Form des «autoritativen» Werkkataloges in- frage stellt und zugleich erweitert.7 In der erwähnten Zweiteilung des Amiet-Werkkataloges kommt eine für Werkver- zeichnisse unübliche Hierarchie von Werkphasen zum Ausdruck. Dahinter stehen prag- matische Überlegungen. Der Umfang des fast acht Jahrzehnte umfassenden gemalten Schaffens von Cuno Amiet kann auf mindestens 3000 Bilder geschätzt werden:8 rund 1100 in der von der vorliegenden gedruckten Publikation berücksichtigten Phase bis 1919, rund 2000 von 1920 bis 1961. Weil insbesondere die Werke der späteren Zeit in sehr verstreuten Privatbesitz gelangten, sind ein vollständiges Inventar und ein darauf gründendes Räson- nement in vernünftiger Frist und mit vertretbarem Aufwand nicht zu leisten; eine Buch- publikation wäre auf längere Sicht ausgeschlossen. Eine online einsehbare Datenbank ist für diesen Bereich hingegen die angemessene Form, da laufend Ergänzungen und Korrek- turen vorgenommen und publiziert werden können. Für das frühe Werk ergibt sich ein anderes Bild. Seit den 1970er Jahren ist es vom Schweizerischen Institut für Kunstwissen- schaft kontinuierlich inventarisiert worden,9 so dass für diese Schaffensphase mit nur ge- ringfügiger Unschärfe von einem Œuvre complet ausgegangen werden kann, das eine ein- gehende systematische Bearbeitung und die Publikation in gedruckter Form zulässt. Der genannte Fokus der bisherigen Inventarisierung auf die früheren Werke und als Konsequenz daraus die Gestalt des Werkkataloges reflektieren die unterschiedliche kunst-

12 historische Bewertung der Werkphasen, die sich in der Rezeption von Amiets Schaffen durchgesetzt hat. Ein Blick auf einige der grösseren Amiet-Ausstellungen der letzten Jahrzehnte macht dies deutlich. In der gemeinsamen Schau von Amiet und anlässlich ihres hundertsten Geburtstages 1968 im Kunstmuseum Bern reprä- sentierten von den 71 gezeigten Gemälden bloss drei Arbeiten aus den Jahren 1921 bis 1923 das Schaffen nach 1919. Die 1973/1974 durch mehrere amerikanische Städte reisende Aus- stellung über Amiet, Giovanni und Augusto Giacometti zeigte ein ähnliches Bild, integ- rierte mit einer Winterlandschaft von 1951 und der zweiten Fassung des Paradieses von 1958 aber immerhin zwei Spätwerke. 1979 fand in Zürich und Berlin die Ausstellung «Cuno Amiet und die Maler der Brücke» statt. Gezeigt wurden dem Thema entsprechend Arbei- ten ausschliesslich aus der Zeit vor 1914. In der Retrospektive im Kunstmuseum Bern von 1999/2000 befanden sich unter den 154 Exponaten nur vier, die nach 1919 entstanden waren. Eine Ausstellung im Jahr 2005 im Kunstmuseum war «Frühen Arbei- ten auf Papier» gewidmet. In Jena wurde 2007 auf die 1912 am gleichen Ort präsentierte Doppelausstellung von August Macke und Amiet (Abb. 1) zurückgeblickt, und es waren dementsprechend nur frühe Werke zu sehen. Eine der Künstlerfreundschaft zwischen Amiet und geltende Schau 2011/2012 in Solothurn und Hamburg beschränkte sich ebenfalls auf die Jahre bis 1918. Einzig André Kamber präsentierte 1986 in Solothurn den «späten Amiet», das heisst, einen Querschnitt durch das Werk von 1950 bis 1961. Das Schaffen der mehr als dreissig Jahre zwischen 1918 und 1950 wurde hingegen stets stiefmütterlich behandelt. Herausragende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang George Mauner zu. Der amerikanische Kunsthistoriker, der sich seit den 1970er Jahren um die Amiet- Forschung grosse Verdienste erwarb, konzentrierte sich in seinen für die Wahrnehmung Amiets heute verbindlichen Schriften und den von ihm verantworteten Ausstellungen konsequent auf das Schaffen des Malers vor dem Ersten Weltkrieg10 bzw. behandelte seine spätere Entwicklung sehr viel summarischer.11 Eine Ausnahme stellt sein Aufsatz zur Technik von Amiets Spätwerk dar.12 Für den ursprünglich von ihm geplanten, aber bis zu seinem Tod 2004 nicht vorgelegten Werkkatalog beabsichtigte er ebenfalls, die Grenze im Jahr 1914 zu setzen.13

Abb. 2 | Fotograf unbekannt, 19. Biennale von Venedig, Ausstellung Cuno Amiet und Hermann Haller. Vor dem Schweizer Pavillon auf der Isola di Sant’Elena, in der Amiets Rezeption und die Kanonisierung der Moderne Bildmitte Cuno Amiet (mit weissem Kinnbart), 1934 Diese Sicht auf Amiets Werk hat sich nicht erst postum seit den 1960er Jahren – wie Kamber annahm14 – als Standard der Rezeption herausgebildet, sondern noch zu Lebzei- ten des Künstlers in der frühen Nachkriegszeit. Ein Vergleich der zwei Einzelausstel- lungen Amiets an den Biennalen von 1934 und 1954, als er jeweils auf Einladung der Eidgenössischen Kunstkommission (EKK) die Schweiz in Venedig vertrat, ist in dieser Hinsicht aufschlussreich.15 1934 waren im Schweizer Pavillon 38 Gemälde von ihm aus den Jahren 1892 bis 1934 ausgestellt (Abb. 2). 18 stammten aus der Zeit nach 1920 mit einem Schwergewicht auf der jüngsten Produktion der Jahre 1932 bis 1934.16 Zwanzig Jahre spä- ter, 1954, waren fast gleichviel, nämlich 37 Gemälde zu sehen (Abb. 3). Sie umfassten den annähernd identischen Zeitraum, beginnend mit Amiets Aufenthalt in Pont-Aven 1892, endend hingegen schon mit dem Jahr seiner folgenreichen Retrospektive im Münchner Abb. 3 | Maria Netter, 27. Biennale von Venedig, Glaspalast 1931, wobei aber bloss drei der gezeigten Bilder nach 1918 entstanden waren (je Ausstellung von Cuno Amiet im Schweizer Pavillon, 1954, 17 Nachlass Maria Netter, Schweizerisches Institut eines 1919, 1924 und 1931). Die gut 1500 Gemälde umfassende Produktion der dreieinhalb für Kunstwissenschaft, Zürich Jahrzehnte von 1920 bis 1954 blieb ausgeschlossen zugunsten der frühen Werkphase bis

13 1918. Dass ein immer noch unermüdlich produzierender Künstler wie Amiet im Hinblick auf eine so bedeutsame Ausstellung zu einer solch restriktiven Auswahl, die seine un- mittelbar zurückliegenden 35 reichen Schaffensjahre radikal negierte, Hand bot, ist bemerkenswert. Er akzeptierte damit die Absicht der EKK – das heisst ihres bis 1953 am- tierenden Präsidenten und ehemaligen Amiet-Schülers Ernst Morgenthaler und des EKK- Mitglieds und ebenfalls ehemaligen Amiet-Schülers und Amiet-Sammlers Josef Müller –, dem 85-jährigen Doyen der Schweizer Kunst mit der Beschränkung auf «auserwählte Werke seiner fauve-Periode» das scharfe kunsthistorische Profil eines Protagonisten der frühen Avantgarde – als deren einziger noch lebender Schweizer Repräsentant Amiet galt 18 – zu verleihen.19 Gemeint war damit hauptsächlich die Spanne zwischen 1905, als sich Amiet mit farb­intensiven, stilistisch heterogenen Gemälden vom Vorbild Ferdinand Hodler emanzipiert hatte, und 1918, mithin die Zeit, die Josef Müller als die entscheiden- de des Malers ansah und auf die er sich bei seinen Ankäufen konzentrierte. Ihm oblag die Auswahl, und der überwiegende Teil der Exponate stammte schliesslich aus seinem Be- Abb. 4 | Cuno Amiet, Der rote Acker (Bretonische Landschaft), 1892, Öl auf Leinwand, 38,5 × 45 cm, sitz sowie aus der Sammlung seiner Schwester Gertrud Dübi-Müller. Amiets Biennale- Privatbesitz, Kat. 1892.22 Auftritt von 1954 spiegelt also Müllers und Morgenthalers persönlichen Blick auf das Werk ihres ehemaligen Meisters, bei dem sie just in den Jahren in der Lehre waren, denen sie nun exklusive Bedeutung zumassen, nicht zuletzt wohl, weil sie für ihre eigene Entwick- lung als Maler bzw. als Sammler ausschlaggebend waren.20 Die Ausstellung stand jedoch auch in einem weiteren kunsthistorischen Kontext. Mit gross angelegten Schauen zu Tendenzen und Stilen vom Impressionismus bis zum Surrealismus trugen die Nachkriegsbiennalen von 1948 bis 1956 entscheidend zur Historisierung und Kanonisierung der klassischen Moderne bei.21 Zu diesen Strömungen zählt der Fauvismus, und Amiet wurde wegen seiner starkfarbigen, expressiven Gemälde ab 1905 mit Fug und Recht als sein wohl bedeutendster und frühester Schweizer Reprä- sentant angesehen. Der Umstand, dass er seine Initiation in die Moderne und die für sein ganzes späteres Schaffen grundlegende Erkenntnis über die Farbe als primären Ausdrucks- träger schon Anfang der 1890er Jahre in der nachimpressionistischen Atmosphäre des Gauguin-Kreises von Pont-Aven erhalten hatte, bewog Gotthard Jedlicka 1948, ihn gar als «Fauve vor dem Fauvismus» zu bezeichnen,22 eine Einschätzung, die Matthias Frehner in jüngster Zeit mit Blick auf eine Pont-Aven-Landschaft von 1892 (Kat. 1892.22, Abb. 4) bekräftigte.23 Schon 1943, fünf Jahre vor Jedlicka, hatte Albert Baur darauf hingewiesen, dass Amiet um 1900, und damit gut ein Jahrzehnt vor den französischen Fauvisten, die Farbe «vom Zwang der Form» befreit hätte.24 Wiederholt wurden nach dem Zweiten Welt- krieg einzelne Gemälde Amiets aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg denn auch in Ausstellungen zum europäischen Fauvismus integriert, so 1950 in Bern, 1959 in Schaff- hausen und Berlin sowie 1969 in Mechelen.25 Die Kompromisslosigkeit in der zeitlichen Eingrenzung der Exponate sowie die Prominenz des Anlasses und die eminente Bedeu- tung der Nachkriegs-Biennalen für die Konsolidierung der Entwicklungsgeschichte der Moderne aber liessen Amiets Auftritt in Venedig von 1954 zum richtungsweisenden Ereignis für seine langfristige Rezeption werden. In der damaligen Werkauswahl kulmi- nierten frühere Versuche, ihn nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Verweis auf die europäische Dimension und den innovativen Charakter seiner Kunst aus der nationalen Abb. 5 | Maria Netter, Lydia Thalmann, Cuno Amiet Vereinnahmung während der Zeit der Geistigen Landesverteidigung zu lösen. Jedlicka und Arnold Rüdlinger in der Amiet-Retrospektive in der hatte in seiner Monografie von 1948 noch Amiets nachimpressionistische Arbeiten von Kunsthalle Basel, Oktober 1960, Nachlass Maria Netter, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Mitte der 1890er Jahre vor Augen, als er «von Meisterwerken der europäischen Malerei» Zürich sprach, durch welche die Schweiz – wie durch die Kunst Ferdinand Hodlers – «künstleri-

14 sche Weltgeltung» erlangt habe und die seiner Meinung nach sogar spätere avantgardis- tische Tendenzen vorwegnahmen.26 Mit der Biennale von 1954 verschob sich die Perspek- tive in Bezug auf Amiet nun auf den frühen französischen Expressionismus. Er bot sich als Referenz-Stil für dessen Promotion als Pionier der Moderne besonders an, da die zeit- genössische Avantgarde nach dem Krieg erneut die subjektive malerische Geste bevorzug- te. Analog dazu konnte mit der Feststellung des historischen Ranges seiner Malerei vor dem Ersten Weltkrieg ihre Bedeutung für die Gegenwartskunst suggeriert werden. Nicht zuletzt war es diesem künstlerischen Zeitgeist geschuldet, dass Arnold Rüdlinger, der den französischen und amerikanischen abstrakten Expressionismus vehement förderte, Amiet 1960 in der Kunsthalle Basel eine Retrospektive ausrichtete (Abb. 5). Wie erfolgversprechend – und schlüssig – die enge Assoziierung Cuno Amiets mit dem Fauvismus war, wird durch die Schwierigkeit belegt, ihn trotz seiner Mitgliedschaft in der deutschen Künstlervereinigung «Brücke» in den expressionistischen Kontext aus- serhalb Frankreichs einzugliedern. In den Ausstellungen zum Expressionismus in der

Abb. 6 | Cuno Amiet, Die gelben Mädchen, 1905, Öl, Schweiz von 1975 und 1990 war er zwar mit etlichen Werken vertreten, fand aber in den 27 91 × 98 cm, 1931 in München verbrannt, Kat. 1905.08 betreffenden Katalogen nur marginale Erwähnung. Da seiner Kunst jede ätzende Gesell- schaftskritik, jeder utopische Entwurf und jede exaltierte Emotionalität wesensfremd sind, verbindet sie inhaltlich und formal tatsächlich nur wenig mit deutschen Ausprägun- gen des Expressionismus, auf die der Begriff ab 1914 mit wachsender Ausschliesslichkeit angewendet worden ist. Auch widerspricht seiner ungebrochen lebensbejahenden Kunst der Grundzug der expressionistischen Bewegung in der Schweiz, der Ausdruck von Leiden, Verlust und Schmerz, und seine eigene «expressionistische» Phase war beendet, bevor die Bewegung ab Mitte der 1920er Jahre mit der Gruppe «Rot-Blau» in der Schweiz ihren Höhepunkt erlebte.28 Immerhin bleibt es in diesem Kontext ein interessantes Fak- tum, dass sich mit den «Rot-Blau»-Künstlern Albert Müller und Werner Neuhaus zwei ehemalige Amiet-Schüler Ernst Ludwig Kirchner in Davos anschlossen. Dieser war 1905 einst selbst von Amiets Kunst begeistert gewesen. Die gelben Mädchen (Kat. 1905.08, Abb. 6) und Das gelbe Mädchen (Lydia), Kat. 1907.14, sollen noch in Kirchners Mädchenakten von 1910 (Abb. 7) und 1913 nachgewirkt haben,29 als er seine Amiets fauvistischen Stil als mo- derat erscheinen lassende Malerei schon entwickelt hatte. Amiet selbst stand der Kunst Abb. 7 | Ernst Ludwig Kirchner, Das blaue Mädchen in der Sonne, 1910, Öl auf Leinwand, 71 × 81 cm, der «Brücke», seit er 1907 die ersten Bilder im Original gesehen hatte, distanziert gegen- Stiftung Moritzburg. Kunstmuseum des Landes über. Er brachte seine Reserviertheit, ja sein Unverständnis noch 1947 zum Ausdruck,30 Sachsen-Anhalt, Halle a.d.S., Sammlung Hermann liess einige Jahre später aber die Möglichkeit offen, 1905 allenfalls indirekt eine Rolle bei Gerlinger der Gründung der «Brücke» gespielt zu haben.31 Sowohl in den 1930er Jahren als auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb für ihn allein die französische Malerei massgebend, und er referierte nach dem Ersten Weltkrieg nie mehr auf den Stil der «Brücke». So erstaunt es nicht, dass weder Baur noch Jedlicka in ihren Monografien von 1943 und 1948 die «Brücke» erwähnten. Dass Josef Müller in seinem im Nachgang zur Biennale von 1954 publizierten Band über Amiet ebenfalls nicht darauf einging, ist vor dem Hintergrund des Gesagten konsequent. Erst Adèle Tatarinoff streifte in ihrem Buch zu Amiets neun- zigstem Geburtstag von 1958 beiläufig den deutschen Expressionismus. Das Ausblenden des «Brücke»-Kontextes hatte aber schon eine längere Tradition. Auch Eckart von Sydow und Conrad von Mandach waren in ihren frühen Amiet-Monografien von 1913 bzw. 1925 – notabene als Zeitgenossen des Expressionismus – mit keinem Wort auf Kirchner und seine Malerkollegen eingegangen. George Mauner widmete 1979 schliesslich als erster dem kurzzeitigen, aber bedeutungsvollen künstlerischen Austausch zwischen Amiet und den «Brücke»-Malern eine Ausstellung und eine bis heute nicht überholte Studie.32 In der

15 16 von ihm mitverantworteten Amiet-Retrospektive 1999/2000 im Kunstmuseum Bern rich- tete er unter dem sprechenden Titel «Von Pont-Aven zur ‹Brücke›» den Blick dann selbst wieder auf den französischen Ursprung von Amiets expressionistischer Malerei und unterstrich mit der Kennzeichnung der zwei avantgardistischen Referenzpunkte seine Fähigkeit zur Synthese und Vermittlung sowie – Jedlickas ein halbes Jahrhundert früher geäusserte Gedanken variierend – seine in der Schweizer Kunst um 1900 singuläre euro- päische Dimension. 2014 wurde im Kunsthaus Zürich die Chance vertan, Amiets eminente Rolle innerhalb des frühen Expressionismus erneut herauszustellen. In der dem «Expres- sionismus in Deutschland und Frankreich» gewidmeten grossen Ausstellung, die mit dem Titelzusatz «Von Matisse zum Blauen Reiter» Amiets kunsthistorische Stellung präzis umriss, wurde seinem Werk nur eine sachlich kaum zu begründende geringe Aufmerk- samkeit zuteil.33

Abb. 8 | Cuno Amiet, Lueg, 1930, Öl auf Leinwand, 59 × 73 cm, Kunstmuseum Bern Amiets Malerei nach 1920: Retour à l’ordre Cuno Amiet erfuhr also 1954 in Venedig seine bis heute – allerdings fast nur in der Schweiz – wirksame Kanonisierung als bedeutender Protagonist der frühen Moderne. Vorausset- zung dazu war der Ausschluss seines Werks ab den 1920er Jahren. «Es ist nichts vorge­fallen als dass ich immer weiter gemalt habe.» Amiets lakonische Mitteilung an die Redaktion des Künstlerlexikons der Schweiz vom 13. Oktober 1945 darf wörtlich verstanden werden, und sie könnte als Motto für sein lebenslanges künstlerisches Selbstverständnis stehen.34 Sie kann aber auch als Ausdruck seiner damaligen Skepsis gegenüber den fundamentalen Kriterien der Moderne wie Innovation, Experimentierfreude und Originalität interpretiert werden. Als Zeitgenosse hatte Albert Baur Anfang der 1940er Jahre Amiets rückwärts ori- entierte Entwicklung nach 1920 noch durchaus positiv beurteilt, da seine Malerei nun Farbbrillanz mit zeichnerischer Genauigkeit der plastisch gesehenen Formen verband und die Abstraktion zugunsten grösserer Naturtreue zurückdrängte (Abb. 8 und 9). Der Bild- hauer und Maler Ernst Gubler versuchte 1946, das Wesen der aktuellen Schweizer Malerei und somit auch dasjenige von Amiets Kunst «in einem klassischen Fauvismus» zu fassen, und betonte mit dieser Fügung sowohl die Orientierung an der französischen Tradition als auch den konservierten Zustand einer ehemals avantgardistischen Haltung.35 Was bei Gubler anerkennend gemeint war, die Disziplinierung des expressiven Impetus zuguns- ten einer formal gebändigten peinture, taxierte Martin Rabe aus der Perspektive des externen Beobachters zwei Jahre später dann aber als «Meltau der ‹neuen Sachlichkeit›», die sich ab den 1920er Jahren auf viele gute Saat nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Abb. 9 | Cuno Amiet, Der Maler im Garten, 1936, Europa gelegt habe.36 Hinsichtlich Amiets Entwicklung nach den Obsternte-Gemälden von Öl und Tempera auf Leinwand, 100 × 75 cm, 1912 sprach er von einer blauen Blume, die zu einer grauen Frucht geworden sei.37 Matthias Kunstmuseum Bern Frehner definierte aus grosser zeitlicher Distanz den tatsächlich nicht zu übersehenden konservativen Zug in Amiets Kunst nach 1920 schliesslich als klassischen Realismus bzw. als «souverän beruhigten modernen Realismus mit Schweizer Lokalkolorit».38 Bis in die frühen 1920er Jahre trifft diese Einschätzung aber nur bedingt zu. Mauner sah damals den Höhepunkt von Amiets 1918 einsetzender Phase einer ausgesprochen expressiven Landschaftsmalerei erreicht, die durch ein leuchtendes Kolorit und vor allem einen äusserst impulsiven Pinselgestus gekennzeichnet ist (Abb. 10 und 11).39 Sie wurde Abb. 10 | Cuno Amiet, Oschwand im Winter, 1921, von zwei so unterschiedlichen Kritikern wie Georg Schmidt und Wilhelm Schäfer rasch Öl auf Leinwand, 73,5 × 59,5 cm, Privatbesitz 40 Abb. 11 | Cuno Amiet, Blühende Bäume, 1922, Öl auf in ihrer Qualität erkannt. Einig waren sie sich, dass Amiet erst mit diesen Oschwander Leinwand, 86 × 66,5 cm, Privatbesitz Landschaften ganz zu sich selbst gefunden habe. Die Malerei bis 1918, die später als

17 kunsthistorisch bedeutsamste Phase des Künstlers betrachtet worden ist, war für sie «Amiet vor Amiet»; Schmidt sprach mit dem Blick auf Amiets irritierende stilistische Rich- tungswechsel in der Phase seiner unverkennbaren Auseinandersetzung mit Gauguin, van Gogh, Hodler und Cézanne statt von Pioniergeist unverhohlen von Epigonalität. Meister- schaft attestierte er ihm ausschliesslich für die damals jüngste Landschaftsmalerei, hier reiche «in der Elementarität der Farbe» kein Schweizer Kollege an ihn heran und hier ste- he er «als Wesensverwandter neben, nicht mehr als Epigone hinter van Gogh».41 Wenn Schmidt «Ursprünglichkeit» als positive Eigenschaft Amiets hervorhob, die sich erst jetzt von Vorbildern unverstellt äussere – hatte zwei Jahre zuvor formuliert, Amiet male «so, wie der Vogel singt»42 –, so argumentierte Schäfer vordergründig ähn- lich mit der «heiteren Naturnähe» und vor allem mit der jedem analytischen Zugriff und jeder intellektuellen Experimentierlust abholden «Instinktsicherheit» Amiets. Ihm ging es im Gegensatz zu Schmidt jedoch nicht um die Frage der Eigenständigkeit im Kontext der Avantgarde, sondern er beurteilte Amiets aktuelle Landschaftsmalerei als vorbildhaft für die europäische Kunst, weil er in ihr seine eigene auf völkischen Überzeugungen be- Abb. 18 | Cuno Amiet, Abstraktion (Löwenzahnwiese), ruhende prinzipielle Ablehnung der Avantgarde bestätigt zu finden glaubte. 1905, Tempera auf Asbestfaserplatte (Eternit), Schmidts und Schäfers Ansichten von 1921 bzw. 1924 zeigten keine längerfristige Wir- 118 123 cm (Lichtmass), Privat­besitz, Kat. 1905.10 × kung. Sie wurden in Unkenntnis von Amiets späterer Entwicklung hin zu einer konven- tionelleren Bildsprache geäussert. Vor deren Hintergrund muteten in der Zwischenkriegs- zeit seine expressiven Landschaften der Jahre um 1920 zu ungestüm an, für die nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend auf die frühe Avantgarde fokussierte Rezeption Amiets hingegen zu wenig innovativ. Beide Kritiker, die der heute vorherrschenden kunsthisto- rischen Beurteilung von Amiets früher Werkphase diametral widersprachen, postulier- ten aber – und das ist im Hinblick auf den vorliegenden Werkkatalog von Interesse – schon damals einen Wendepunkt um das Jahr 1918, den sie, wenngleich mit umgekehrten Vor- zeichen, ebenfalls mit seinem Verhältnis zur Avantgarde begründeten. Der Einbezug späterer Gemälde Amiets in seine letzten Retrospektiven zu Lebzeiten 1958 in Bern und 1960 in Basel relativierte das Bild des «modernen» Künstlers, das weni- ge Jahre zuvor in Venedig so prägnant entworfen worden war, nicht. Es wurden vorran- gig die Werke der 1950er Jahre berücksichtigt, mit denen Amiet wieder an Gestaltungs- prinzipien seiner Frühzeit anknüpfte – Primat der Farbe, Monochromie, starke Kontraste, Auflösung der Form, variantenreicher Divisionismus –, wodurch er deren Abb. 19 | Cuno Amiet, Skispuren, 1904, Öl auf Bedeutung und die zu diesem Zeitpunkt bereits etablierte Sicht auf sie mit seiner letzten, Asbestfaserplatte (Eternit), 60 × 62 cm, Privatbesitz, abschliessenden Werkphase gleichsam selbst bestätigte. «Der späte Amiet» nach 1950, Kat. 1904.21 um nochmals die Solothurner Ausstellung von 1986 zu zitieren, lenkte den Blick zurück Abb. 12 | Cuno Amiet, Bildnis Anna Amiet im Profil, auf den frühen vor 1918 (Abb. 12 und 13, 14 und 15, 16 und 17). 1905, Öl auf Leinwand, 40,5 × 34 cm, Privatbesitz, Kat. 1905.01 Abb. 13 | Cuno Amiet, Bildnis Anna Amiet, grün, 1950, Öl auf Holzfaserplatte, 55 × 45,5 cm, Privatbesitz Ikonen der Avantgarde oder private Experimente? Abb. 14 | Cuno Amiet, Anna Amiet im Garten, 1909, Der Werkkatalog der Gemälde von Cuno Amiet folgt mit seiner spezifischen Gestalt Öl auf Leinwand, 182,5 × 122 cm, Kunstmuseum somit der Entwicklungsgeschichte der Moderne, wie sie sich noch zu Lebzeiten des Künst- Solothurn, Kat. 1909.04 Abb. 15 | Cuno Amiet, Garten mit drei Figuren, 1960, lers herausbildete und die seine Rezeption nachhaltig geprägt hat. Auf ihrem zentralen Öl auf Leinwand, 191 × 218 cm, Privatbesitz Kriterium der Innovation gründet die exklusive Wertschätzung seiner frühen Werkpha- Abb. 16 | Cuno Amiet, Paradies, 1894–1895, Tempera se. Seine zeitgleiche oder mindestens zeitnahe Übernahme nachimpressionistischer und auf Leinwand, 102 × 95 cm, Privatbesitz, Kat. 1894.24 frühexpressionistischer Stilmittel ohne sogenannte «provinzielle Stilverspätung» lässt Abb. 17 | Cuno Amiet, Paradies, 1958, Öl auf Lein- wand, 192 × 182 cm, Kunstmuseum Bern, Leih­gabe es tatsächlich zu, ihn im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg als Fauvisten bzw. Pionier aus Privatbesitz der europäischen Malerei des 20. Jahrhunderts zu sehen, als den ihn insbesondere

18 19 George Mauner in seinen Studien exemplarisch dargestellt hat. Es soll hier an einigen Beispielen aber auch kurz auf den historischen Charakter und somit auf die Wandelbar- keit einer solchen Kontextualisierung hingewiesen werden. Der Gelbe Hügel von 1903 (Kat. 1903.15) gehört seit den 1970er Jahren zu den populärs- ten Bildern Amiets. Es war seither in mindestens zehn Ausstellungen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland zu sehen, wohl kaum ein anderes wurde so häufig repro- duziert. Es war eines der Gemälde, die 1905 in Dresden die jungen Maler beeindruckt hat- ten, welche sich im gleichen Jahr zur Vereinigung der «Brücke» zusammenschlossen und Amiet im Jahr darauf die Mitgliedschaft antrugen. In der Folge wurde es still um das Werk. Zwischen 1914 und 1948 stellte er es nie mehr aus, von 1914 bis 1972 fand es überhaupt kei- ne Erwähnung in der Literatur und erst 1948 gelangte es aus dem Besitz Amiets in die Sammlung von Gertrud Dübi-Müller, wurde aber trotz seiner geradezu offensiven Modernität von Josef Müller nicht für die Biennale 1954 ausgewählt. Erst einige Zeit nach Abb. 20 | Cuno Amiet, Selbstbildnis in Gelb, 1907, Öl dem Tod des Malers erfuhr das Bild eine Wiederentdeckung als – Mauner zufolge – «eines auf Leinwand, 61,5 × 55 cm, Privatbesitz, Kat. 1907.01 der stärksten Glieder in der stilistischen Kette, die im Jahre 1905 zwischen Deutschland und Frankreich geschmiedet wurde».43 Für Amiet selbst und die meisten seiner Zeitge- nossen besass es – dies erhellt der Apparat zu seinem Eintrag im Werkkatalog – aber wohl keineswegs die ihm heute zugeschriebene grosse Bedeutung. Kann sich beim Gelben Hügel die postume Bedeutungszuweisung noch auf eine kurze frühe Wirkungsgeschichte stüt- zen, so fällt diese Legitimation bei Abstraktion (Löwenzahnwiese), Kat. 1905.10, Abb. 18, weg. Die Tafel wurde vor 1979 überhaupt nie ausgestellt oder auch nur erwähnt und ihre Apo- strophierung als «eine der frühesten Abstraktionen des Jahrhunderts» ist problematisch.44 Die Malerei ist auf der Rückseite eines unvollendet gebliebenen Werkes (Kat. 1905.11) ausgeführt, sie ist weder monogrammiert noch datiert, was bei Amiet nur sehr selten vor- kommt, und selbst die Ausrichtung der fast quadratischen Eternittafel steht nicht zwei- felsfrei fest. Man hat wohl von einem kunsthistorischen Wunschdenken George Mauners

Abb. 21 | Cuno Amiet, Selbstbildnis in Weiss, 1907, auszugehen, der gleichsam durch die Brille der Moderne diesem formalen Experiment Öl auf Leinwand auf Holzfaserplatte, 60 × 55,5 cm, auf einem ausgedienten Bildträger Werkstatus zuerkannte, der ihm vom Künstler kaum Privatbesitz, Kat. 1907.02 zugedacht war, und Amiet damit gleich noch in den Rang eines Erfinders der Ungegen- ständlichkeit erhob.45 Ganz ähnlich verhält es sich mit den ebenfalls auf einer Asbestfa- serplatte gemalten Skispuren (Kat. 1904.21, Abb. 19). Die Kühnheit der scheinbaren Vorweg- nahme futuristischer Bewegungsdarstellungen ist hier mit dem Umstand zu erklären, dass Amiet die Arbeit schon im frühen Stadium der skizzenhaften Bildanlage aufgab. Die Zweitfassung der Gelben Mädchen (Kat. 1907.28) wurde von Mauner – ähnlich wie schon der Gelbe Hügel – aus stilistischen Gründen mit Gauguin und Kirchner, also mit Pont-Aven und der «Brücke» in Verbindung gebracht.46 Der Primitivismus des Bildes, das bezeich- nenderweise ebenfalls weder monogrammiert noch datiert ist, ist aber wohl vor allem auf Amiets intensive Beschäftigung mit der Malerei van Goghs zurückzuführen, was Richard Kisling zum Kauf des Werks bewog. Es hat offensichtlich den Charakter einer forcierten stilistischen Etüde über ein bewährtes Sujet. Das gleiche gilt erst recht für die Studie Kat. 1905.09. Eine wie bei diesen Beispielen vergleichbar spät oder gar erst postum einset- Abb. 22 | Cuno Amiet, Selbstbildnis in Rosa, 1907, Öl auf Leinwand, 61 × 55 cm, Privatbesitz, zende Rezeption lässt sich etwa auch bei der Reihe der Selbstbildnisse (Kat. 1907.01, Kat. 1907.03 Kat. 1907.02, Kat. 1907.03, Abb. 20, 21, 22) und den weiblichen Halbakten Kat. 1907.23 und Kat. 1907.24 von 1907 (Abb. 23, 24) feststellen. Zu begründen ist sie nicht wie bei anderen Gemälden, die eine ähnliche Chronologie der öffentlichen Präsenz aufweisen, mit der fehlenden Verfügbarkeit der Werke für Ausstellungen, denn sie verblieben alle bis zu Amiets Tod in seinem Atelier. Vielmehr lag es gerade an ihrem ausgesprochen experimen-

20 tellen Charakter, dass Amiet weder eine Präsentation noch einen Verkauf in Betracht zog.47 George Mauner hingegen nahm die formalen Wagnisse und Extravaganzen in der Phase von Amiets künstlerischer Selbstfindung nach dem Bruch mit Hodler, ungeachtet der den Arbeiten vom Künstler zugedachten Funktion, als Belege für seinen avantgardistischen Ehrgeiz. Erst die akribische Katalogarbeit vermag solche Diskrepanzen zwischen Fakten und Interpretationen, die Spannungen zwischen dem Selbstverständnis des Künstlers und der retrospektiv wertenden kunsthistorischen Konstruktion aufzuzeigen und im Werkkommentar zu beleuchten. Dabei wird auch unweigerlich der ikonische Status pro- minenter Werke hinterfragt.

Der Jungbrunnen – Manifest des Übergangs Die Limitierung des von George Mauner geplanten Werkkataloges auf die Jahre bis 1914 Abb. 23 | Cuno Amiet, Halbakt von vorn (Frau Grütter), ist als Ausdruck seines spezifisch auf die Moderne gerichteten kunsthistorischen Blicks 1907, Öl auf Leinwand, 60,5 × 55 cm, Privatbesitz, Kat. 1907.23 zu verstehen und war unter dieser Prämisse folgerichtig. Denn mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges fanden Amiets vielfältige Kontakte zu Institutionen der Avantgarde im Ausland ein vorläufiges Ende, wie Ortrud Westheider anhand seiner Ausstellungsak- tivitäten in Deutschland präzis nachgezeichnet hat.48 Für die vorliegende Publikation wurde der Zeitraum der kommentierten Werke ausgedehnt, um den von Amiet zwischen 1914 und 1918 geschaffenen Wandbildzyklus für die Loggia im Kunsthaus Zürich (Kat. 1917.25, Kat. 1917.26, Kat. 1917.27, Kat. 1917.28, Kat. 1917.29, Kat. 1917.30, Kat. 1917.31, Abb. 25 und 26) mit einbeziehen zu können. Die Dekoration zum Thema «Jungbrunnen» fand in der Amiet-Literatur seit Fritz Medicus’ apologetischer Werkmonografie von 1921 kaum mehr Beachtung.49 Dies lag wohl gerade an der stilistischen Entwicklung im Ver- lauf der Werkgenese, die nur noch bei einzelnen gemalten Studien einen Bezug zu avant- gardistischen Tendenzen erlaubte,50 während sein Anfang 1914 zurückgewiesener erster Vorschlag (Kat. 1913.41.a–c) wenigstens in koloristischer Hinsicht noch die Kühnheit sei-

Abb. 24 | Cuno Amiet, Halbakt von vorn (Frau Grütter), ner roten Obsternte-Bilder von 1912 besass. Parallel dazu lässt sich in dieser Zeitspanne 1907, Öl auf Leinwand, 60,5 × 55 cm, Privatbesitz, auch in seinem freien Schaffen, insbesondere bei Figurenbildern und Porträts, eine kon- Kat. 1907.24 servativere Bildauffassung beobachten. Seine leidenschaftlich temperamentvolle Land- schaftsmalerei von 1918 bis in die frühen 1920er Jahre ist hingegen als Ausbruch aus den formalen Zwängen, welche die monumentalen Figurenkompositionen mit sich brachten, zu deuten. Die langwierige, konfliktreiche Entstehungsgeschichte des Jungbrunnen-Zyk- lus, das Renommee des Auftrags und die Tatsache, dass es sich dabei um Amiets erstes zur Ausführung gelangtes grosses Wandbildprojekt handelte, lassen die These zu, er habe hier im Alter von 50 Jahren ein Fazit seiner bisherigen Arbeit gezogen.51 Der Jungbrunnen war über eine konventionelle Allegorie der Wirkungsmacht von Kunst hinaus sein per- sönliches Bekenntnis zur konstanten Wandlungsfähigkeit und damit die Legitimation seiner eigenen, seit jeher auch ihm nahestehende Personen verwirrenden stilistischen Flexibilität.52 Mehr noch, trotz seines anachronistischen Symbolismus erscheint das Jung- brunnen-Thema der perpetuierten Erneuerung und Jugendlichkeit in diesem Kontext als ein antiakademisches Manifest und im Motiv der passiven Hingabe an das Wunder der Verjüngung zugleich als eine Absage an avantgardistische Militanz. Der Jungbrunnen hat, obwohl kaum je besonders geschätzt, den Rang eines Schlüsselwerks und markiert einen Übergang. In ihm klingen Amiets frühere progressive Stilmittel aus, er wandelte sich – um es mit einem Wortspiel auszudrücken – vom klassisch modernen zu einem modernis- tisch klassischen Künstler. Der Auftrag wurde von Richard Kisling, dem Sammler seines

21 expressiven Frühwerks und Förderer der Schweizer Avantgarde, vermittelt, der die Voll- endung des Projektes nicht mehr erlebte, des Projektes, das gerade aufgrund von Amiets offensichtlicher Hinwendung zu einer gemässigten und weniger innovativen Bildsprache schliesslich den Beginn seiner Anerkennung als peintre officiel und damit verbundener weiterer repräsentativer Aufträge bildete.

«Vorzeigekünstler» und vorbildlicher Bürger Was sich 1918 erst abzuzeichnen begann, Amiets neue Rolle in der Schweizer Kunstland- schaft, fand seine volle Bestätigung schon im folgenden Jahr. Deshalb soll es im vorliegen- den Werkkatalog noch berücksichtigt werden. Mit seiner ersten grossen Retrospektive in der Berner Kunsthalle, die rund 200 Werke umfasste, und der Verleihung der Ehrendok- torwürde der Universität Bern bezeichnete das Jahr 1919 den Höhepunkt seiner bisheri- Abb. 27 | Cuno Amiet, Ferdinand Hodler im Sarg, gen Laufbahn. War Zürich der entscheidende Ort seines Kampfes um Anerkennung als 20. Mai 1918, Öl auf Leinwand, 85,5 × 66 cm, Kunstmuseum Bern, Kat. 1918.11 moderner Künstler gewesen, der mit dem Jungbrunnen-Zyklus im Kunsthaus seinen Abschluss fand, so stand nun Bern am Beginn eines neuen Lebens- und Werkabschnittes. Auch er war mit der Person von Ferdinand Hodler aufs engste verknüpft. Zwar hatte sich Amiet nach dem gemeinsamen Auftritt Anfang 1904 in der Wiener Secession mit kriti- schem Selbstbewusstsein von Hodler distanziert und in der Folge die Werke, die seine temporäre Nähe zu ihm allzu deutlich zum Ausdruck brachten, konsequent von Ausstel- lungen – auch noch von der Retrospektive im Münchner Glaspalast und von den beiden Biennale-Schauen – ferngehalten. Aber nach wie vor nahm jeder Kritiker Mass an Hodler, wenn er sich mit Amiet beschäftigte. Das hat sich bis heute kaum geändert.53 Die für Amiet schicksalhafte Verstrickung der beiden Künstler war auch für George Mauner wiederholt ein Thema,54 und er fasste die Komplexität der Rolle Hodlers für Amiet in den Begriffen «Freund, Inspiration und Helfer oder Rivale und Hindernis» zusammen.55 Ihre Bezeichnung als «eine Künstlerfreundschaft zwischen Jugendstil und Moderne» moch- te daher zwar etwas verharmlosend sein, die von Christoph Vögele initiierte Ausstellung Abb. 28 | Cuno Amiet, Hodler beim Malen, Studie zum mit diesem Titel von 2011/2012 in Solothurn und Hamburg unternahm es aber zum ers- Wandbild im Kirchenfeldgymnasium, Bern, ten Mal, die Beziehung zwischen den Malern nicht als einseitiges Abhängigkeitsverhält- 1926, Öl auf Leinwand, 104 × 101 cm, Kunstmuseum Solothurn, Leihgabe der Robert Bosch GmbH nis, sondern als Austausch zwischen unterschiedlichen, aber gleichberechtigten Künst- lern darzustellen.56 Wie früh die Bezugnahme auf Hodler zum Topos der Amiet-Literatur geworden war, sei hier nur mit dem prägnanten Beispiel der Vorbemerkung zu Sydows Amiet-Monografie von 1913 belegt. Eine umfangreiche Würdigung seines Schaffens sei noch nicht möglich, schrieb Sydow, denn erst die Ausmalung der Loggia des Zürcher Kunst- hauses werde Amiets «Kongenialität mit Ferdinand Hodler [erweisen] – der öffentlichen Meinung [aufzwingen]».57 Die Egalität der beiden Künstler wurde hier zwar ausdrück- lich bejaht, aber ihr Beweis – als Bedingung für die eingehende Beschäftigung mit dem Künstler – wurde von Amiet ausgerechnet auf Hodlers ureigenem Gebiet der monumen- talen Figurenkomposition erwartet, was sich als verhängnisvoll erwies. Oft stand bei solchen Vergleichen jedoch nicht die Konkurrenz im Vordergrund. Hodlers bekanntes Abb. 29 | Cuno Amiet, Büste Ferdinand Hodler, um 1922, und bewundertes Werk diente vielmehr als argumentative Orientierungshilfe, gleichsam Marmor, Höhe 41 cm, Kunstmuseum Solothurn als Kontrastkulisse, vor der Amiets Arbeiten in ihrer ungewohnten Ästhetik und Quali- tät erst verständlich gemacht und beurteilt werden konnten. So wie Amiets Rückbesinnung auf seine eigenen künstlerischen Ursprünge nach 1904 Abb. 25 und 26 | Cuno Amiet, Der Jungbrunnen, 1917–1918, in situ-Aufnahmen in der Loggia des notwendig war, um ihn als unabhängige Künstlerpersönlichkeit neben Hodler wahrzu- Kunsthauses Zürich, 2011, Kat. 1917.25 –Kat. 1917.31 nehmen und Jahrzehnte später seine spezifische Modernität herauszustellen, so war

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Hodlers Tod 1918 die Voraussetzung für den Aufstieg Amiets zur führenden künstleri- schen Instanz in der Schweiz. Nichts könnte dies augenfälliger machen, als Amiets Bild des toten Kollegen im Sarg (Kat. 1918.11, Abb. 27). Und genauso bezeichnend scheint es, dass es Amiet war, der am 5. Oktober 1918 bei der Feier zur Eröffnung der Kunsthalle Bern über und vor allem an Stelle von Hodler sprach.58 Nun war es ihm auch möglich, seinen Respekt ohne Ressentiment in einem Wandbild für das Kirchenfeldgymnasium in Bern (Abb. 28) und in der berührenden Hommage des in Stein gehauenen lächelnden Hodler (Abb. 29) zu bezeugen. Als Hodlers Nachfolger avancierte er zum «Liebling des Grossbür- gertums» und «Vorzeigekünstler der offiziellen Schweizer Kunst».59 Seine Wohn- und Arbeitsstätte auf der Oschwand sei, so spitzte es Matthias Frehner zu, «für die offizielle Schweizer Kulturpolitik ein ebenso wichtiger Treff- und Orientierungspunkt wie das 60 Abb. 30 | Cuno Amiet, Obsternte, 1936, Sgraffito, ‹Rütli› für die nationale Identität» geworden. Er sicherte in den kommenden Jahrzehn- 650 × 1250 cm, Kunstmuseum Bern, Fassade ten seinen neuen Status als öffentliche Figur mit der oben erwähnten stilistischen Neu- ausrichtung ab, die auf der Domestizierung seines expressiven Zugriffs auf das Motiv be- ruhte. Die Ikonografie brauchte er nicht anzupassen, sie war mit den traditionellen Genres Selbstbildnis, Bildnis, Landschaft und Stillleben im Gegensatz zum Stil seit jeher konsensfähig gewesen.61 Gerade der Kosmos seiner «heilen Privatwelt» auf dem Land,62 seine Darstellungen einer ruralen Idylle erhielten im Klima der nationalen Selbstverge- wisserung in den 1930er Jahren eine nicht zu unterschätzende politische Dimension. Sein 1936 an der Fassade des Erweiterungsbaus des Berner Kunstmuseums ausgeführtes Sgraffito einer Obsternte geriet, obwohl es wie der Jungbrunnen im Kunsthaus Zürich wenig positive Resonanz fand,63 in dieser Atmosphäre zum «Programmbild der Geisti- gen Landesverteidigung» und zur politischen Ikone (Abb. 30).64 Es verkörperte nationale Paradigmen der ländlichen Ursprünglichkeit und selbstbestimmten, agrarischen Exis- tenz. Die Obsternte hatte Amiet schon bisher als Metapher für das Glück des künstlerischen Abb. 31 | Cuno Amiet, Häuserblock in , 1936, Schaffens gegolten. Nun aber fügte er seine monumentale Selbstdarstellung als Öl auf Leinwand, 81 × 100 cm, Aargauer Kunsthaus Maler in die Komposition ein65 und setzte die Kunst damit in direkte Analogie zur Land- Aarau, Leihgabe aus Schweizer Privatbesitz wirtschaft; die Kluft zwischen Bauer und Künstler ist aufgehoben, die Kunst scheint kon- fliktfrei eingebunden in das beschworene Ideal schweizerischer Existenz. Indem er die Kunst vom Bereich des Mythos, den er ihr im Zürcher Jungbrunnen noch zugewiesen hatte, in eine idealisierte Wirklichkeit verschob, verklärte er die soziale Stellung des Künstlers. Das Bild mochte durchaus Amiets Lebensrealität entsprochen haben. Seit er sich 1908 ein stattliches modernes Landhaus mit grossem Blumengarten bauen und wenige Jahre später das benachbarte Bauernhaus zum Ateliergebäude herrichten lassen konnte, lebte er in den Worten von Curt Blass als «Herrenmaler zwischen Herrenbauern»66 und insze- nierte sein Landleben als Verwirklichung des irdischen Paradieses. Im Verlauf der Jahr- zehnte empfingen er und seine Frau Anna auf der rasch legendär gewordenen Oschwand unzählige Besucher – Freunde, Kollegen, Schüler, Sammler, Museumsleute, Politiker. Jedlicka meinte vom 80-jährigen Maler, er sehe aus wie «ein Bürger, ein Grosskaufmann, ein Chefingenieur oder ein Industrieller: wie ein Mann, der grosszügig zu dis­po­nieren gewohnt ist».67 Von ihm sei auf die Öffentlichkeit der Schweiz eine «erzieherische Wir- kung» ausgegangen, weil er bewiesen habe, «dass der Künstler nicht unbedingt auch ein Bohemien zu sein und ausserhalb der Gesellschaft zu stehen braucht, um sich verwirkli- chen zu können».68 Vier Jahrzehnte früher hatte sich der Hinweis auf seine erzieherische Wirkung noch auf seine Kunst bezogen, die das Publikum in der Schweiz auf die Begeg- 69 Abb. 32 | Cuno Amiet, Pariser Strassenszene, 1935, nung mit dem Werk van Goghs vorbereitet habe. Die selbstbewusst zur Schau gestellte Öl auf Leinwand, 102 × 77 cm, Privatbesitz Bürgerlichkeit und ökonomische Solidität im ländlichen Idyll förderten seine breite Ak-

24 25 zeptanz als Künstler, dessen Kunst genau diese Welt repräsentierte. Amiets herausragen- de öffentliche Stellung wurde von Jedlicka, dessen Schriften von der menschlichen Begeg- nung mit dem Künstler geprägt wurden, denn auch weniger auf seine Malerei als auf sei- ne vorbildhafte Persönlichkeit zurückgeführt, die ihn trotz der vergleichbaren repräsentativen gesellschaftlichen Rolle sehr vorteilhaft von Hodler unterscheide.70 Der unbestrittene Meisterstatus, den Amiet damals genoss, gründete letztlich mindestens so sehr auf der fast uneingeschränkten gesellschaftlichen Anerkennung wie auf seiner sou- verän beherrschten Malerei, die dem Kunstverständnis breiter Kreise entsprach und schul- bildend wirkte. Das geringe Mass an Innovation und sein Verharren auf einer überholten Stilstufe überlagerten im Rückblick auf diese Zeit aber sein Image des Meisters mit dem des Routiniers.71 Amiet auf einen volksverbundenen Heimatmaler zu reduzieren, wäre aber zu einsei- tig. Nicht zufällig lebte er gerade in den 1930er Jahren erstmals wieder seit seiner Stu­ dienzeit regelmässig in einer Grossstadt und verbrachte jährlich einige Monate in Paris. Nicht nur suchte er im Kontakt mit der Ecole de Paris, insbesondere mit der Malerei von Henri Matisse,72 neue Anregungen für seine Kunst und pflegte mit einem regen Gesell- schaftsleben ein weit geknüpftes Beziehungsnetz. Vielmehr entzog er sich so einer als einengend empfundenen nationalen Vereinnahmung.73 Während seiner Pariser Aufent- halte malte er koloristisch subtile, an die impressionistische Tradition anschliessende Abb. 33 | Cuno Amiet, Studie (Mrs. Moser), 1909, Öl auf Stadtveduten (Abb. 31, 32). Sie seiner arkadischen Vision der Obsternte als sozialkritische, Leinwand, 73 × 59 cm, Kunsthaus Zürich, Kat. 1909.14 negative Gegenbilder der «krisengeschüttelten Grossstadt, wo das Volk in Wohnmaschi- nen zusammengepfercht leben musste», gegenüberzustellen, wäre eine verfehlte Deu- tung im Sinn der Geistigen Landesverteidigung.74 Die in seinem Œuvre einzigartigen urbanen Sujets belegen im Gegenteil seine künstlerische Bandbreite und Offenheit für die Welt jenseits der heimatlichen Idylle auch in diesen Jahren. Es gab weder 1914 noch 1918 oder 1919 eine scharfe Zäsur in Amiets Werk. Die Jahre unmittelbar vor 1920 waren aber eine Zeit des Übergangs, in der sowohl seine Kunst, ihre Rezeption wie auch damit untrennbar verbunden sein Leben eine prägnante Veränderung erfuhren. Wollte man sie in – die Wirklichkeit allzu stark abstrahierende – Begriffsoppo- sitionen fassen, könnte man das Jahr 1919 als Trennlinie zwischen Avantgarde einerseits und konservativer Moderne andererseits, zwischen ästhetischer Opposition und ästheti- schem Konsens, zwischen Innovation und Variation, zwischen dem Aussenseiter und dem Arrivierten, zwischen dem Abgelehnten und dem Gefeierten, zwischen dem Suchenden und dem Selbstzufriedenen, zwischen dem international Vernetzten und dem national Vereinnahmten, zwischen Zürich und Bern ziehen. Zwei marginale Ereignisse, kaum mehr als historische Aperçus, seien an dieser Stelle erwähnt, weil sich in ihnen die divergierenden Werkphasen paradigmatisch kristallisiert zu haben scheinen. Am 27. November 1913 entdeckte eine Aufsichtsperson im Kunsthaus Zürich eine an Amiets Studie (Mrs. Moser), Kat. 1909.14 (Abb. 33) angebrachte dilettantische Brandbombe.75 Einige Tage zuvor war ein identisch gebauter Brandsatz schon an einem Gemälde Max Buris gefunden worden, und kurz darauf stellte man einen kleinen Schnitt in Hodlers Heiliger Stunde fest. Die polizeilichen Ermittlungen blieben ohne Ergebnis. Das zweite Ereignis betraf Amiets Sgraffito an der Fassade des Berner Kunst- museums. In der Nacht vom 24. auf den 25. November 1937 wurde es während einer Verdunkelungsübung mit Teer verschmiert.76 Auch hier blieben die Urheber unerkannt. Während die konservativen Neuen Zürcher Nachrichten hinter dem Zürcher Anschlag einen frustrierten Künstler vermuteten, der damit gegen die betont progressive Ausstel-

26 lungspolitik der Kunstgesellschaft protestierte – welche die drei Maler beispielhaft reprä- sentierten –,77 sah Matthias Frehner jüngst hinter dem Berner Vandalenakt die «auf- gestaute Wut der vielen ausgegrenzten Künstler», die, als fortschrittliche Kräfte von der konservativ dominierten XIX. Nationalen Kunstausstellung ausgeschlossen, ihrem Un- mut gegen den «Kunstpapst» Amiet Luft gemacht hätten.78 Weniger die ikonoklastischen Akte sind hier von Interesse als die Tendenz der dazu geäusserten Vermutungen. Denn sie antizipieren bzw. bestätigen ungeachtet ihrer fraglichen Stichhaltigkeit das heute gültige Narrativ seiner Kunst und seines jeweiligen sozialen Status. Der Werkkatalog der Gemälde von Cuno Amiet ist in der Form, in der er hier vorgelegt wird, Ausdruck eines kunsthistorisch begründeten, durch die Literatur und Ausstel- lungen vielfach beglaubigten Werturteils über sein Œuvre. Er schreibt die lange Traditi- on dieser Rezeption aber gleichsam von innen heraus analysierend, differenzierend und korrigierend kritisch fort. Mit dem Verzeichnis des gemalten Werks der Jahre 1920 bis 1961 ist nun auch erstmals die Voraussetzung gegeben zur fundierten Überprüfung dieses Bildes der Kunst von Cuno Amiet.

1 Lukas Gloor, «Der Sammlungskatalog – zwischen zur «Brücke»), Mauner 2002. | 11 Unter der Kapitel- wenigen blauen, kraftvollen Pinselstrichen umreisst» ‹raisonné› und räsonabel», in Zeitschrift für Schweizerische überschrift «Die spätere Entwicklung» fasste er in und somit wohl auf Werke wie Kat. 1894.20, das in seiner Archäologie und Kunstgeschichte, 62 (2005), Nr. 3/4, S. 167– seiner Monografie von 1984 die Zeit nach 1918 zusam- Publikation reproduziert ist. Diese Werke würden 170, hier S. 167. | 2 Antoinette Roesler-Friedenthal, men, Mauner 1984, S. 57–68. | 12 Mauner 1986. | «vieles von der blauen Periode Picassos» vorausnehmen. | «Katalog», in: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, 13 Auf seine Veranlassung wurden die Amiet-Inventa- 27 Winterthur 1975; Ferrara/Locarno 1990/ 1991. | Methoden, Begriffe, hrsg. von Ulrich Pfisterer, Stuttgart: risate im Fotoarchiv von SIK-ISEA in die Phasen vor 1914 28 Dazu: Caroline Kesser, «Die vielfältigste und J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung; Carl Ernst und nach 1914 eingeteilt. | 14 Kamber 1986, o. S. | far­bigste Kunstströmung in der Schweiz», in: Ferrara/ Poeschel Verlag, 2003, S. 164–169, hier v. a. S. 165. | 15 Dazu auch Müller 2013, S. 228–229. | 16 Venedig Locarno 1990/1991, S. 29–38, hier S. 30–33. | 29 West- 3 Roesler-Friedenthal 2003 (wie Anm. 2), S. 165, sowie 1934; Krähenbühl/Wyss 2013, Bd. 2, S. 58–61, 208–209. Es heider 2011, S. 59; Mauner 1979 (I), S. 29. | 30 In seinem Antoinette Roesler-Friedenthal, «‹[ . . . ] par le peu de war die erste Einzel­präsentation, die im Schweizer Pavil- Brief an den deutschen Kunsthistoriker Christian bonnefoi, ou l’ignorance de quelques Marchands [ . . . ]›. lon einem Künstler zugestanden wurde. | 17 Venedig Töwe vom 5.3.1947 betonte Amiet die grosse zeitliche Prolegomena zur Entstehung des Catalogue raisonné im 1954; Krähenbühl/Wyss 2013, Bd. 2, S. 88–91, 209–211. | Distanz zu den Ereignissen vor dem Ersten Weltkrieg und Spannungsfeld von Handel und Wissenschaft», in: 18 Schon Baur 1943, S. 10, sah Amiet in dieser Rolle. | wies darauf hin, dass er die Maler der «Brücke» erst 1912 Klassizismen und Kosmopolitismus. Programm oder Problem? 19 Schreiben des Eidgenössischen Departements kennengelernt und nie ein enges Verhältnis zu ihnen Austausch in Kunst und Kunsttheorie im 18. Jahrhundert, des Innern an die Schweizerische Gesandtschaft in Rom, hatte. Er habe Kirchner, als er krank in die Schweiz kam, hrsg. von Pascal Griener und Kornelia Imesch, Zürich: 5.2.1954, Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, CH-BAR, aber der Familie des Arztes Lucius Spengler in Davos Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, 2004 E2001E, 1970/1, Bd. 97, Az. O.B.66.21, «Exposition empfohlen. Die auf seine Initiative zurückgehende (outlines 2), S. 107–124, hier S. 122. | 4 Roesler- biennale int. d’art, Venise», 1952–1954. Dazu auch Müller «Brücke»-Ausstellung 1907 in Solothurn «wurde be- Friedenthal 2003 (wie Anm. 2), S. 165. | 5 Dazu: 2013, Anm. 54, S. 238. | 20 Zu Müller und Morgen- staunt wie man fremde Tiere bestaunt. [ . . . ] Ich selbst hatte Thomas Ketelsen, «Zur Geschichte des Sammlungs- und thaler als Amiets Schüler: Barbier-Mueller 1989; Barbier- nie das Gefühl so recht in diese Brücke hineinzupassen. Galeriekataloges im 18. Jahrhundert», in: Zeitschrift für Mueller 1999, S. 16–18; Morgenthaler 1957; Biffiger 1994, Ich schicke Ihnen [ . . . ] zwei Photos von Selbstporträts von Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 62 (2005), S. 141–142. | 21 Dazu: Müller 2013, S. 219–223. | mir. Die zeigen Ihnen gewiss, wie ganz anders ich war, Nr. 3/4, S. 153–155. | 6 Dieter Schwarz, «Einführung», 22 Jedlicka 1948 (I), S. 15. | 23 Frehner 2011, S. 11. als meine Kollegen.» zit. nach Krüger 1979, S. 31. | in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunst­ Der rote Acker sei «geradezu Fauvismus avant la lettre». 31 So Amiet an Martin Urban, 1955, in: Mauner 1979 (I), geschichte, 62 (2005), Nr. 3/4, S. 150–152, hier S. 151. | Dass Amiets Pont-Aven-Phase 1934 und 1954 jeweils S. 22. | 32 Zürich/Berlin 1979; Mauner 1979 (I). | 7 Zum «autoritativen» Charakter von Sammlungsver- nur mit zwei Gemälden bzw. sogar nur mit einem ein- 33 Zürich/Los Angeles/Montréal 2014/2015; von Amiet zeichnissen, in: Ketelsen 2005 (wie Anm. 5), S. 158. | zigen Werk präsent war, mag deshalb überraschen. waren nur die beiden Werke Kat. 1905.04 und 8 Huggler 1971, S. 12, ging noch von ca. 2000 Gemälden Sie wurde aber wohl noch als Zeit des Lernens und der Kat. 1905.06 ausgestellt. | 34 C. A. an die Redaktion des aus. Anfang Juli 2014 waren bei SIK-ISEA bereits rund Anlehnung an Gauguin taxiert, die den gewünschten Künstlerlexikons der Schweiz, 13.10.1945, SIK-ISEA, 2500 Gemälde registriert. | 9 Zu dieser Zeit wurde der Eindruck der frühen Reife und seine Position eines Kunstarchiv. | 35 E. G. [Ernst Gubler], [Vorwort], in: amerikanische Kunsthistoriker George Mauner von Pioniers der Moderne beeinträchtigt hätte. | 24 Baur Turo Pedretti, Ausst.-Kat. Bündner Kunsthaus, Chur, SIK-ISEA mit der Erstellung des Werkkataloges der Ge- 1943, S. 48. | 25 Bern 1950 (Kat. 1906.23, Kat. 1907.39, 20.10.–17.11.1946, S. 1–6, hier S. 2. | 36 Rabe 1948. mälde von Amiet beauftragt. | 10 Bern 1968 (Kunstmu- Kat. 1909.05, Kat. 1914.47), Schaffhausen/Berlin 1959 Interessant in unserem Kontext ist das, weil Amiets seum), University Park/.../New York 1973/1974, Zürich/ (Kat. 1909.05, Kat. 1913.50, Kat. 1914.01), Mechelen 1969 Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg als Teil Berlin 1979, Bern 1999/2000; Mauner 1979 (I), Mauner (Kat. 1907.11, Kat. 1907.44, Kat. 1913.52). | 26 Jedlicka einer breiten, europäischen Strömung interpretiert 1979 (II), Mauner 1984, Mauner 1991, Mauner 1994, 1948 (I), S. 15–16. Er bezog sich auf Amiets Aktdarstel- wurde. Das Zitat stammt aus einer Rezension der Wan- Mauner 1995, Mauner 1998, Mauner 1999 (Von Pont-Aven lungen «auf braunem Karton [ . . . ], wo er den Akt mit derausstellung «Schweizer Malerei der Gegenwart»

27 (Hamburg/.../Stuttgart 1948/1949). Von Cuno Amiet waren Wilhelm Schäfer aus Vallendar a. Rh. an C. A., Nachlass Werken zugute als damals die repräsentative Stellung neben den Frühwerken Kat. 1899.17, Kat. 1916.58 und C. A. | 58 Der Anfang von Amiets handschriftlichem Ferdinand Hodlers. [ . . . ] Aber diese öffentliche Stellung – Kat. 1916.08 einige Gemälde der Jahre 1921 bis 1936 ausge- Entwurf seiner Ansprache lautet: «Verehrte Kunstfreunde darüber dürfen wir uns nicht täuschen – kommt nicht in stellt. | 37 Ebd. Rabe paraphrasiert damit eine Passage / Wäre Hodler nicht tot, so würde er jetzt hier stehen &. gleicher Weise von der Malerei her. Sie ergibt sich zu aus Peter Gans’ (= Richard Möring) Poem «Die Wind- mit kräftigen &. liebenswürdigen Worten seiner &. einem grossen Teil aus der reichen und faszinierenden rose». | 38 Frehner 2011, S. 9, 12. | 39 Mauner 1984, seiner Freunde aus der Sektion Bern der G. S. M. B. &. A. Persönlichkeit dieses Malers, der neben seiner Malerei in S. 57, nannte konkret das Jahr 1921. Die Phase von Amiets grossen Freude über das so überaus wohl gelungene Werk einem seltenen Umfang auch Mensch und Mensch der expressiver Landschaftsmalerei dauerte aber mindestens der Kunsthalle Ausdruck geben &. allen denen danken Gesellschaft geblieben ist, der das Leben rückhaltlos be- bis 1923. | 40 Schmidt 1921 (I), Schmidt 1921 (II), Schäfer die zu deren Verwirklichung mitgeholfen haben.» Notiz- jaht und darum von ihm bejaht wird.» | 71 Dazu: Peter 1924. | 41 Schmidt 1921 (II). | 42 Hesse 1919, S. 6: Seiten am Ende von Amiets Taschenagenda auf das Jahr von Matt, «Meisterschaft und Routine. Versuch über «Er malt nicht in erster Linie, um gute Bilder in die Welt 1918, Nachlass C. A. | 59 Frehner 2011, S. 12. | 60 Frehner zwei merkwürdige Begriffe der Kunstkritik», in: ders., zu setzen, sondern um zu malen, denn Malen ist ihm 2011, S. 7. | 61 Zur Ikonografie Amiets schrieb Jedlicka Das Kalb vor der Gotthardpost. Zur Literatur und Politik der ein unbeschreiblicher Genuss. [ . . . ] Er ist vielmehr ein 1948 (I), S. 22: «Schon seine Stoffwelt kennzeichnet ihn Schweiz, München: Hanser, 2012, S. 277–291. | 72 Amiets Entzückter als ein Wissender, und er stammelt oft, wo als Mensch und Künstler. Das äussere Ausmass: was zwi- umfangreiche Pariser Einzelausstellung in der Galerie ein anderer redet.» | 43 Mauner 1981, S. 26. Mauner schen Solothurn und Paris, zwischen der Bretagne und Georges Petit im März 1932 fand weniger als ein Jahr zielte mit dieser Metapher auf die Vorbildfunktion von der Oschwand möglich ist.» | 62 Hans-Jörg Heusser, nach der herausragenden Retrospektive von Matisse in Amiets französisch geprägter Malerei für die jungen «Heimatsehnsucht und Katastrophenangst – sozio- derselben renommierten Galerie statt, die 1930 von der Künstler um Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel in psychologische Aspekte der schweizerischen Malerei der Galerie Bernheim-Jeune gekauft und zu einer wichtigen Dresden ab. | 44 Mauner 1984, S. 32. | 45 Als unge- dreissiger Jahre», in: Dreissiger Jahre Schweiz. Ein Jahr- Institution für Gegenwartskunst gemacht wurde. Dazu: genständliche Malerei wurde das Bild auch noch zehnt im Widerspruch, Ausst.-Kat. Kunsthaus Zürich, Casimiro di Crescenco, «Die Henri Matisse-Ausstellung von Vögele 2011, S. 15, und Westheider 2011, S. 62, rezi- 30.10.1981–10.1.1982, S. 278–286, hier S. 282. | 63 Das in der Galerie Georges Petit», in: Gotthard Jedlicka, piert. | 46 Mauner 1999 (Katalog), S. 199. | 47 Auf- Sgraffito wurde 1932 als Direktauftrag des Kunstmuse- Mit Henri Matisse in Paris – 1931, Basel: Piet Meyer Verlag, fallend ist auch, dass Amiet anders als bei den aller- ums Bern an Amiet vergeben und aus einem Teil der 2008, S. 59–78, hier S. 62–63. | 73 Der Kritiker des meisten ausgestellten bzw. verkauften Werken die ge- Versicherungssumme bezahlt, die das Museum für die «Volksrechts» konnte anlässlich der Amiet-Retrospek- nannten Gemälde entweder überhaupt nicht bezeichne- aus seiner Sammlung stammenden Bilder erhielt, die tive von 1938 im Kunsthaus Zürich schreiben: «Von den te (Kat. 1907.02) oder bloss monogrammierte, aber 1931 in München verbrannt waren. Er führte das Werk im modernen Schweizer Malern hat keiner so stark im Volke nicht datierte (Kat. 1907.01, Kat. 1907.23, Kat. 1907.24). Mai 1936 in dreiwöchiger Arbeit aus. Kritisiert wurde Wurzeln gefasst, wie der Solothurner Cuno Amiet [ . . . ]. Nur das Selbstbildnis in Rosa (Kat. 1907.03) ist voll- einerseits die als ungenügend empfundene tonale Ab- Sein Werk wurde auch vom Volke begriffen, sein Werk ständig mit Initialen und Jahreszahl bezeichnet. | stufung zwischen Zeichnung und Putz (dazu: Brigit gehört auch dem Volke.» (Volksrecht 1938). | 74 Frehner 48 Westheider 2011. | 49 Medicus 1921. | 50 Franz Blass, «Bern», in: Dreissiger Jahre Schweiz. 1936 – eine 2011, S. 9. | 75 Protokoll des Vorstandes der Zürcher Meyer stellte 1958 einen Vergleich der Studie Kat. 1915.32 Konfrontation, Ausst.-Kat. Aargauer Kunsthaus Aarau, Kunstgesellschaft, 18.12.1913, Kunsthaus Zürich, Vor- mit den Improvisationen Wassily Kandinskys von 1910 13.9.–18.10.1981, S. 61–62, hier S. 61), andererseits wurden standsprotokolle 23. Januar 1913 bis 16. Dezember 1915, an und bekräftigte damit die damals sich etablierende die Technik des Sgraffito in dieser Ausführung als S. 43, Archiv 10.30.60.4, Kunsthaus Zürich, Archiv der Rezeptionslinie von Amiets Kunst , Meyer 1958 (II), prinzipiell verfehlt und die Zeichnung als dilettantisch Zürcher Kunstgesellschaft; Wartmann 1944, S. 30. | S. 247. | 51 Jedlicka 1947, S. 76, meinte hingegen, Amiet bezeichnet (Meyer 1937). | 64 Frehner 2011, S. 8, 9. In 76 Protokoll der 21. Direktionssitzung des Kunstmu- habe es im Gegensatz zu Ferdinand Hodler «nie ge- Übereinstimmung mit dem Geist der Zeit betonte ins- seums Bern, 25.11.1937, Archiv Kunstmuseum Bern; drängt, Bilder zu malen, in denen er die Summe seiner besondere Baur 1943 den dezidiert schweizerischen Berner Tagwacht 1937; Der Bund 1937; Berner Tagblatt künstlerischen Erfahrung gezogen hätte». | 52 Stell- Charakter von Amiet und seiner Kunst. Jedlicka 1948 (I) 1937. | 77 Neue Zürcher Nachrichten, 20.12.1913, hier zit. vertretend für zahlreiche Belege sei hierzu nur Miller folgte ihm, verwies aber auf den europäischen Kontext, nach: Matthias Vogel, «Idylliker als Skandalkünstler. 1914 angeführt. Amiet selbst sprach im hohen Alter ohne den die Schweizer Kunst und die Kunst Amiets Die Wandbilder von Paul Bodmer und Hermann von seiner Wesensart als von einer «viel­verzweigten» nicht gedacht werden können: «Die Malerei von Cuno Huber für das neue Universitätsgebäude», in: Kunst Bau (Amiet 1948, S. 98). | 53 Pierre-André Lienhard sieht im Amiet ist ein Beweis dafür, dass es eine Schweizer Male- Zeit 1914–2014. Das Zürcher Universitätsgebäude von Vergleich von Amiet mit Hodler ein bis heute nachwir- rei gibt. Und sie ist auch ein Beweis dafür, dass diese nur Karl Moser, hrsg. von Stanislaus von Moos und Sonja kendes Problem für die Amiet-Rezeption, Pierre-André dann blühen kann, wenn sie sich mit der europäischen Hildebrand, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2014, Lienhard, «Amiet, Cuno», in: Historisches Lexikon der Kunst auseinandersetzt.» (Jedlicka 1948 [I], S. 29). | S. 270–293, hier S. 279. | 78 Frehner 2011, S. 9. Die um- Schweiz, hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der 65 Im Hintergrund ist auch Anna Amiet hinter einem strittene XIX. Nationale hatte jedoch bereits ein­einhalb Schweiz (HLS), Band 1, Basel: Schwabe, 2002, S. 296–297. Zaun dargestellt. Meyer 1937 hat die unbescheidene Jahre früher, vom 17.5. bis 12.7.1936, in Bern stattge­ Zum Verhältnis von Amiet und Hodler sowie zu seiner Grösse von Amiets Selbstbildnis als fehlende Diskretion funden. Amiet war nicht Mitglied der Jury gewesen. In Rezeption zuletzt Müller 2011. | 54 Mauner 1979 (II), des Künstlers kritisiert. Möglicherweise handelt es sich den genannten kurzen Zeitungsnotizen wird denn auch Mauner 1984, S. 33–43. | 55 Mauner 1984, S. 33. | um das grösste Selbstbildnis in der Schweizer Kunst. | bloss von einer «Büberei» gesprochen. 56 Solothurn/Hamburg 2011/2012. Dass es nicht 66 Blass 1928, S. 24. | 67 Jedlicka 1948 (I), S. 5. | schon früher zur Gegenüber­stellung Hodler – Amiet 68 Jedlicka 1948 (I), S. 27–28. | 69 Trog 1908 (I). | gekommen war, wunderte bereits Kamber 1986. | 70 Jedlicka 1947, S. 77–78: «Innerhalb der schweizeri- 57 Von Sydow 1913, [S. 9]. Als ein weiteres frühes Beispiel schen Malerei der Gegenwart, die an künstlerischen ist Schäfer 1910 zu nennen. Schäfers durchaus respekt- Persönlichkeiten reich ist, nimmt Amiet die gleiche voller Vergleich zwischen Hodler und Amiet, muss repräsentative Stellung ein wie Ferdinand Hodler gegen Amiet verärgert haben. Schäfer entschuldigte sich Ende das Ende seines Lebens. Sie ist, was ihre äussere Aus- 1910 bei Amiet dafür. Er sei «wie vernagelt mit dem ganz wirkung anbetrifft, festlicher, und sie kommt, so viel wir unnötigen und schiefen Vergleich mit Hodler gewesen», zu übersehen vermögen, mehr Menschen und mehr

28 Fotonachweis

Archive Sammlerinnen und Sammler S. 10/Abb. 1 Kunsthaus Zürich S. 23/Abb. 25, 26, S. 26/Abb. 33 Kunstmuseum Bern S. 14/Abb. 4, S. 17/Abb. 8, 9, S. 24/Abb. 30 Kunstmuseum Solothurn S. 22/Abb. 28 Musée Jenisch Vevey S. 19/Abb. 17 Nachlass Maria Netter, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft Zürich S. 13/Abb. 3, S. 14/Abb. 5 Reproduktionen aus Publikationen S. 15/Abb. 6, 7 SIK-ISEA, Zürich S. 19/Abb. 16 SIK-ISEA, Zürich (Jean-Pierre Kuhn) S. 16/Abb. 10, 11, S. 18/Abb. 13, 15, S. 20/Abb. 20, S. 22/Abb. 29, S. 25/Abb. 32 SIK-ISEA, Zürich (Philipp Hitz) S. 18/Abb. 18, 19, S. 19/Abb. 12, 14, S. 20/Abb. 21, 22, S. 21/ Abb. 23, 24, S. 22/Abb. 27, S. 24/Abb. 31 SIK-ISEA, Zürich, Amiet-Archiv Urs Zaugg S. 13/Abb. 2

Copyrights

© 2014 M.+D. Thalmann, Herzogenbuchsee, für die Werke von Cuno Amiet © 2014 Fotostiftung Schweiz, Winterthur, für die Fotografien von Gertrud Dübi-Müller © 2014 Fotostiftung Schweiz, Winterthur/ProLitteris, Zürich, für die Fotografien von Maria Netter