Szene Kultur

FILM Corbijn: Alle wichtigen Fotos, die Joy Di- vision zeigen, sind schwarzweiß. Die Ar- tikel über sie erschienen nicht in bunten „Für Rockmusiker untypisch“ Hochglanzmagazinen. Die Band ist musik- geschichtlich wegweisend, doch kommer- Der niederländische Fo- keinen Ausweg mehr und nahm sich das ziell erfolgreich war sie nie, wohl auch, tograf und Regisseur Leben. Für einen Rockmusiker war er weil Curtis schon mit 23 Jahren starb. , 52, über untypisch, weil er sich nach geordneten SPIEGEL: Neben dem großartigen briti- Rock’n’Roll-Klischees, die Verhältnissen sehnte. schen Hauptdarsteller spielen britische Musiker-Legen- SPIEGEL: In einer Einstellung lassen Sie Alexandra Maria Lara und Herbert Grö- de und seinen Curtis in einer Lederjacke mit der Auf- nemeyer mit. Haben Sie eine Vorliebe Film „Control“ schrift „Hate“ über die Straße gehen, … für deutsche Schauspieler?

SPIEGEL: Herr Corbijn, in „Control“ erzählen Sie die Geschichte des 1980 verstorbenen Sängers Ian Curtis und seiner Band Joy

HOLLAND.HOOGTE / LAIF HOLLAND.HOOGTE Division – ohne Drogen- exzesse oder Sexorgien. Haben Sie die Rock’n’Roll-Klischees be- wusst vermieden? Corbijn: Ja, die haben mich nicht interes- siert. Natürlich haben die Musiker da- mals Drogen genommen, und Sex mit ihren Groupies hatten sie auch. Doch ich wollte den Zuschauer an dem Drama eines Mannes teilnehmen lassen, der ein begnadeter Künstler war, aber an Epilep- sie litt und immer mehr zerrissen wurde von der Liebe zu zwei Frauen. Eine uni- versale Geschichte, die in der Musikwelt

spielt. PICTURES CAPELIGHT SPIEGEL: Sie kannten Ian Curtis persön- Darsteller Riley, Lara in „Control“ lich, haben ihn Ende der siebziger Jah- re fotografiert. Zerbrach er daran, dass Corbijn: … und dann betritt er das Ar- Corbijn: Die Herkunft war nicht aus- er sein Leben nicht mehr kontrollieren beitsamt, wo er als kleiner Angestellter schlaggebend. Für die Rolle der belgi- konnte – wovon ja auch seine Lieder er- arbeitet. Ich mochte diese Ironie, die- schen Geliebten von Curtis suchte ich zählen? sen Widerspruch zwischen Rebellion und eine Schauspielerin, von der große Corbijn: Das kann gut sein. Curtis hat sehr bürgerlicher Existenz. Und dennoch Wärme ausgeht. Die hat Alexandra Ma- jung geheiratet, schon mit 19, wurde früh spürt man in dieser langen Einstellung, ria Lara. Herbert Grönemeyer und ich Vater, sehnte sich nach Geborgenheit in der wir Curtis folgen, die vorwärts- kannten uns von einigen Videoclips, aber und Sicherheit. Später lernte er eine an- strebende Kraft dieses Mannes, die ihn als Schauspieler mochte ich ihn schon dere Frau kennen, brachte es aber nicht zu einem bedeutenden Musiker machte. in „Das Boot“. Dass er über 20 Jahre über sich, seine Familie zu verlassen. In SPIEGEL: Warum haben Sie Ihren Film in lang keinen Film gemacht hat, ist eine seiner zunehmenden Verwirrung sah er Schwarzweiß gedreht? Schande.

AUSZEICHNUNGEN war: nämlich die sächsische Landesregierung davon abzuhalten, eine ausgesprochen scheuß- Triumphales Tier liche Brücke ins ausgesprochen schöne Dresd- ner Elbtal zu bauen (SPIEGEL 38/2007). Natur- er Vorstand des Bundes Deutscher Architekten (BDA) trat schützer hatten im Juli 2007 über einen Eilantrag DEnde vergangenen Jahres zusammen und überlegte, wer beim Dresdner Verwaltungsgericht einen Bau- demnächst Ehrenmitglied werden könne. Nach kurzer De- stopp erwirkt – Begründung: Die scheue Huf- batte kamen die Vorstandsmitglieder, so BDA-Sprecher eisennase im Elbtal sei durch die Brücke gefähr- Olaf Bahner, zu einem eindeutigen, wenn auch etwas det. Der Baustopp war drei Monate später durch unbefriedigenden Ergebnis. Diesmal, so beschlossen das Sächsische Oberverwaltungsgericht wieder die hochmögenden Damen und Herren, müsste es aufgehoben worden; die Brücke wird nun ent- eigentlich ein Tier sein, die Fledermaus „Klei- stehen, doch der zwischenzeitliche Triumph des ne Hufeisennase“. Der Hufeisennase war für kleinen Tiers nötigte den BDA-Mitgliedern gehörigen kurze Zeit etwas gelungen, was diversen Respekt ab. Architekten, Stadtplanern, Denkmalschüt-

zern und Politikern keineswegs geglückt Kleine Hufeisennase E. MENZ / BLICKWINKEL

der spiegel 2/2008 137