Künstler Im Wettstreit. Der Paragone in Der Italienischen Malerei Und Skulptur Des Cinquecento
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Künstler im Wettstreit. Der Paragone in der italienischen Malerei und Skulptur des Cinquecento Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA) an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Alena Goritschnig am Institut für Kunstgeschichte Gutachterin: Priv.-Doz. Dr.phil. Andrea Worm Graz 2020 Selbstständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig verfasst habe. Es wurden keine anderen als die in der Arbeit angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet. Die wörtlichen und sinngemäß übernommenen Zitate habe ich als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Graz, 2020 _________________________ (Alena Goritschnig, Verfasserin) Inhalt I. Einleitung und Forschungsstand.......................................................................................... 2 II. DER PARAGONE IN DEN KUNSTTHEORETISCHEN SCHRIFTEN DES 15. UND 16. JAHRHUNDERTS ................................................................................................................ 9 II.1. Leonardo da Vinci (1452-1519), Trattato della Pittura, 1492-1519................................... 11 II.2. Baldassare Castiglione (1478-1529), Il Libro del Cortegiano, 1528 .................................. 15 II.3. Benedetto Varchi (1503-1565), Due Lezzioni, 1550 ......................................................... 17 II.4. Giorgio Vasaris Proemio di tutta l‘opera, Vorrede des Gesamtwerks seiner Künstlerviten, 1550/1568 ...................................................................................................... 22 III. DER PARAGONE IN DEN WERKEN DER KÜNSTLER ................................................. 25 III.1. Molte vedute: jede Seite wird zur Ansichtsseite .............................................................. 26 III.2. La durabilità und der Umgang mit dem Stein ................................................................. 67 III.3. Nobiltà della pittura: die Verlebendigung durch die Farbe .............................................. 74 IV. Resümee........................................................................................................................... 100 V. Bibliographie ................................................................................................................... 103 V.1. Gedruckte Quellen....................................................................................................... 103 V.2. Literatur...................................................................................................................... 104 VI. Abbildungsteil.................................................................................................................. 116 Abbildungsnachweise ................................................................................................................ 139 1 I. Einleitung und Forschungsstand „Ich glaube nicht, dass sich irgendwo jemand mit Verstand finde, dem nicht bekannt ist, wie bedeutend seit jeher und auch heute mehr denn je der Wettstreit und Gegensatz ist, den die Malerei und Bildhauerei über ihren Adel und Vorrang austragen und der nicht nur unter Bildhauern und Malern sondern auch unter anderen besteht.“1 Benedetto Varchi Die vorliegende Masterarbeit widmet sich dem Wettstreit zwischen der Malerei und der Bildhauerei, der in der kunstgeschichtlichen Forschung mit dem Terminus Paragone bezeichnet wird. Der Wettstreit wurde von Kunsttheoretikern und Künstlern ausgetragen und hatte seine Hochphase im 16. Jahrhundert in Italien. Der Begriff Paragone wird vom italienischen Verb paragonare abgeleitet und bedeutet übersetzt „Vergleich“. Ursprünglich lässt sich die Bezeichnung auf den Agon (griechisch: agón), einen in der Antike praktizierten sportlichen oder künstlerischen Wettkampf, zurückführen.2 Während sich der Terminus heute primär auf den Rangstreit zwischen den Kunstgattungen bezieht, war dessen Bedeutung anfänglich viel breiter gefächert. So konnte sich der Paragone auf unterschiedliche Phänomene des Wettbewerbs beziehen: auf den Wettstreit zwischen den Künsten, mit der Antike, mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen und deren Kategorisierungen und Hierarchien, oder auf die Konkurrenz zwischen individuellen Künstlern. Derartige Streitfragen lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Bereits bei antiken Schriftstellern findet man theoretische Gegenüberstellungen von Künstlern und Gattungen, woraufhin sich Hierarchien unter den Künsten und Wissenschaften bildeten. Die Diskussion, ob die Malerei oder die Bildhauerei die größere Kunstfertigkeit erfordern, rückte im 16. Jahrhundert in Florenz in den Vordergrund. 3 Die beiden Disziplinen konkurrierten darin, wem es besser gelingt, die Natur nachzuahmen und wem in diesem Zusammenhang der höhere Rang zustehe. Durch dieses Kräftemessen wurden für die Malerei sowie die Bildhauerei Qualitätskriterien definiert, die auf Generationen von Künstlern und Kunsttheoretikern enorme Auswirkungen hatten. 1 Benedetto Varchi, Paragone – Rangstreit der Künste, hg. v. Oskar Bätschmann, Tristan Weddigen, Darmstadt 2013, S. 146. 2 Zur Definition des Paragone siehe Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, hg. v. Ulrich Pfisterer, Stuttgart 2011, S. 321-324. 3 Ausschlaggebende Impulse lieferten die Publikationen von bedeutsamen kunsttheoretischen Traktaten , die in Kapitel B vorgestellt werden. 2 Thematisch kristallisierten sich im Paragone gewisse Schwerpunkte heraus, welche die Disziplinen miteinander vergleichen und zugleich voneinander abgrenzen sollten. Die Hauptfragen des Disputs drehten sich um den höheren Grad an Wirklichkeit und das höhere Ausmaß an Lebendigkeit, was die Bildhauerei beispielsweise durch die materialbedingte Dreidimensionalität erzielte, die Malerei hingegen durch die Farbe erzeugen konnte. Eine hitzige Diskussion entfachte die Frage nach dem höheren Schwierigkeitsgrad in der Ausübung der künstlerischen Tätigkeit auf körperlicher, sowie geistiger Ebene. Die Hochphase der Paragone-Diskussion im Cinquecento konnte maßgeblich dadurch erreicht werden, dass unter Künstlern, Kunsttheoretikern und Auftraggebern zunehmend ein Bewusstsein dafür wuchs, dass die jeweiligen Künste über unterschiedliche Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten verfügen und mediale Grenzen aufweisen.4 Aus dieser Reflexion über die Möglichkeiten des eigenen Mediums konnte sich in Folge die Konkurrenz mit der jeweils anderen Gattung entfalten. Der Begriff Paragone fand in den zeitgenössischen Schriften zwar Verwendung, war aber noch nicht die allgemein gültige Bezeichnung für den Wettstreit. In den Texten des 16. Jahrhunderts bezeichnete man den Konflikt vorwiegend als comparazione, contesa, disputà sulla maggioranza delle arti, respektive disputà sulla maggioranza fra la pittura e la scultura, esperienza, oder lite.5 In der Kunstgeschichte wurde der Begriff Paragone als Terminus für den Wettstreit erstmals 1817 durch die Publikation von Guglielmo Manzi, sowie 1949 erneut durch Irma Richter etabliert.6 Die beiden Autoren beziehen sich dabei auf Leonardo da Vincis Aufzeichnungen zu seinem Trattato della Pittura. Leonardos Parte prima, der den Wettstreit der Künste behandelnde Abschnitt seiner Schrift, wurde erstmals 1817 durch Manzis neue Auflage des Traktats publiziert. In der ersten Veröffentlichung von Leonardos Traktat, die 1651 in Paris erschien, wurde die Parte prima nicht integriert. Manzi betitelte den Wettstreit der Künste mit Paragone und diese Bezeichnung wurde im Rahmen von Irma Richters Neuauflage übernommen.7 Demzufolge entwickelte sich der von Leonardo selbst nur stellenweise, im allgemeinen 4 Prochno, Renate, Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst. Wettbewerb, Kreativität und ihre Wirkungen, Berlin 2006, S. 99. 5 Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Eine Geschichte in Quellen, hg. v. Ulrich Pfisterer, Stuttgart 2002, S. 259. 6 Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, tratto da un codice della Biblioteca Vaticana e dedicato alla Maestà di Luigi XVIII, Re di Francia e di Navarra, hg. v. Guglielmo Manzi, Rom 1817; Leonardo da Vinci, Paragone. A Comparison of the Arts, hg. v. Irma A. Richter, London 1949. 7 Bätschmann, Oskar/Weddigen, Tristan, Einleitung, in: Benedetto Varchi, Paragone – Rangstreit der Künste, hg. v. Oskar Bätschmann, Tristan Weddigen, Darmstadt 2013, S. 9. 3 Kontext eines Vergleichs verwendete Begriff zur Fachbezeichnung für den Wettstreit der bildenden Künste in Hinblick auf den Vergleich mit Dichtung, Rhetorik und Musik, sowie in Bezug auf die Konkurrenz zwischen Malerei, Bildhauerei und Architektur.8 In den Schriften des 14. Jahrhunderts bezieht sich der Paragone in erster Linie auf den Kampf um den Vorrang zwischen den freien Künsten, den sogenannten artes liberales, und den mechanischen Künsten, den artes mechanicae, zu denen die Malerei, die Bildhauerei und die Architektur gezählt wurden. Der bereits im 5. Jahrhundert in der Tradition von Martianus Capella geprägte Kanon der artes liberales, mit der Unterteilung in Trivium und Quadrivium, dominierte das mittelalterliche Bildungswesen. Im 12. Jahrhundert wurden die freien Künste mit den sogenannten praktischen Künsten, den artes mechanicae, ergänzt. Diese handwerklichen Künste wurden in der Gesellschaft als niedriger angesehen, da sie Tätigkeiten umfassten, die physische Anstrengung erforderten, die schweißtreibend