Künstler im Wettstreit. Der Paragone in der italienischen Malerei und Skulptur des Cinquecento

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Alena Goritschnig

am Institut für Kunstgeschichte

Gutachterin: Priv.-Doz. Dr.phil. Andrea Worm

Graz 2020

Selbstständigkeitserklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig verfasst habe. Es wurden keine anderen als die in der Arbeit angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet. Die wörtlichen und sinngemäß übernommenen Zitate habe ich als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, 2020 ______(Alena Goritschnig, Verfasserin)

Inhalt

I. Einleitung und Forschungsstand...... 2

II. DER PARAGONE IN DEN KUNSTTHEORETISCHEN SCHRIFTEN DES 15. UND 16. JAHRHUNDERTS ...... 9

II.1. Leonardo da Vinci (1452-1519), Trattato della Pittura, 1492-1519...... 11 II.2. Baldassare Castiglione (1478-1529), Il Libro del Cortegiano, 1528 ...... 15 II.3. Benedetto Varchi (1503-1565), Due Lezzioni, 1550 ...... 17 II.4. Giorgio Vasaris Proemio di tutta l‘opera, Vorrede des Gesamtwerks seiner Künstlerviten, 1550/1568 ...... 22

III. DER PARAGONE IN DEN WERKEN DER KÜNSTLER ...... 25

III.1. Molte vedute: jede Seite wird zur Ansichtsseite ...... 26 III.2. La durabilità und der Umgang mit dem Stein ...... 67 III.3. Nobiltà della pittura: die Verlebendigung durch die Farbe ...... 74

IV. Resümee...... 100

V. Bibliographie ...... 103

V.1. Gedruckte Quellen...... 103 V.2. Literatur...... 104

VI. Abbildungsteil...... 116

Abbildungsnachweise ...... 139

1

I. Einleitung und Forschungsstand

„Ich glaube nicht, dass sich irgendwo jemand mit Verstand finde, dem nicht bekannt ist, wie bedeutend seit jeher und auch heute mehr denn je der Wettstreit und Gegensatz ist, den die Malerei und Bildhauerei über ihren Adel und Vorrang austragen und der nicht nur unter Bildhauern und Malern sondern auch unter anderen besteht.“1

Benedetto Varchi

Die vorliegende Masterarbeit widmet sich dem Wettstreit zwischen der Malerei und der Bildhauerei, der in der kunstgeschichtlichen Forschung mit dem Terminus Paragone bezeichnet wird. Der Wettstreit wurde von Kunsttheoretikern und Künstlern ausgetragen und hatte seine Hochphase im 16. Jahrhundert in Italien. Der Begriff Paragone wird vom italienischen Verb paragonare abgeleitet und bedeutet übersetzt „Vergleich“. Ursprünglich lässt sich die Bezeichnung auf den Agon (griechisch: agón), einen in der Antike praktizierten sportlichen oder künstlerischen Wettkampf, zurückführen.2 Während sich der Terminus heute primär auf den Rangstreit zwischen den Kunstgattungen bezieht, war dessen Bedeutung anfänglich viel breiter gefächert. So konnte sich der Paragone auf unterschiedliche Phänomene des Wettbewerbs beziehen: auf den Wettstreit zwischen den Künsten, mit der Antike, mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen und deren Kategorisierungen und Hierarchien, oder auf die Konkurrenz zwischen individuellen Künstlern. Derartige Streitfragen lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Bereits bei antiken Schriftstellern findet man theoretische Gegenüberstellungen von Künstlern und Gattungen, woraufhin sich Hierarchien unter den Künsten und Wissenschaften bildeten.

Die Diskussion, ob die Malerei oder die Bildhauerei die größere Kunstfertigkeit erfordern, rückte im 16. Jahrhundert in Florenz in den Vordergrund. 3 Die beiden Disziplinen konkurrierten darin, wem es besser gelingt, die Natur nachzuahmen und wem in diesem Zusammenhang der höhere Rang zustehe. Durch dieses Kräftemessen wurden für die Malerei sowie die Bildhauerei Qualitätskriterien definiert, die auf Generationen von Künstlern und Kunsttheoretikern enorme Auswirkungen hatten.

1 Benedetto Varchi, Paragone – Rangstreit der Künste, hg. v. Oskar Bätschmann, Tristan Weddigen, Darmstadt 2013, S. 146. 2 Zur Definition des Paragone siehe Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe, hg. v. Ulrich Pfisterer, Stuttgart 2011, S. 321-324. 3 Ausschlaggebende Impulse lieferten die Publikationen von bedeutsamen kunsttheoretischen Traktaten , die in Kapitel B vorgestellt werden. 2

Thematisch kristallisierten sich im Paragone gewisse Schwerpunkte heraus, welche die Disziplinen miteinander vergleichen und zugleich voneinander abgrenzen sollten. Die Hauptfragen des Disputs drehten sich um den höheren Grad an Wirklichkeit und das höhere Ausmaß an Lebendigkeit, was die Bildhauerei beispielsweise durch die materialbedingte Dreidimensionalität erzielte, die Malerei hingegen durch die Farbe erzeugen konnte. Eine hitzige Diskussion entfachte die Frage nach dem höheren Schwierigkeitsgrad in der Ausübung der künstlerischen Tätigkeit auf körperlicher, sowie geistiger Ebene. Die Hochphase der Paragone-Diskussion im Cinquecento konnte maßgeblich dadurch erreicht werden, dass unter Künstlern, Kunsttheoretikern und Auftraggebern zunehmend ein Bewusstsein dafür wuchs, dass die jeweiligen Künste über unterschiedliche Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten verfügen und mediale Grenzen aufweisen.4 Aus dieser Reflexion über die Möglichkeiten des eigenen Mediums konnte sich in Folge die Konkurrenz mit der jeweils anderen Gattung entfalten.

Der Begriff Paragone fand in den zeitgenössischen Schriften zwar Verwendung, war aber noch nicht die allgemein gültige Bezeichnung für den Wettstreit. In den Texten des 16. Jahrhunderts bezeichnete man den Konflikt vorwiegend als comparazione, contesa, disputà sulla maggioranza delle arti, respektive disputà sulla maggioranza fra la pittura e la scultura, esperienza, oder lite.5 In der Kunstgeschichte wurde der Begriff Paragone als Terminus für den Wettstreit erstmals 1817 durch die Publikation von Guglielmo Manzi, sowie 1949 erneut durch Irma Richter etabliert.6 Die beiden Autoren beziehen sich dabei auf Leonardo da Vincis Aufzeichnungen zu seinem Trattato della Pittura. Leonardos Parte prima, der den Wettstreit der Künste behandelnde Abschnitt seiner Schrift, wurde erstmals 1817 durch Manzis neue Auflage des Traktats publiziert. In der ersten Veröffentlichung von Leonardos Traktat, die 1651 in Paris erschien, wurde die Parte prima nicht integriert. Manzi betitelte den Wettstreit der Künste mit Paragone und diese Bezeichnung wurde im Rahmen von Irma Richters Neuauflage übernommen.7 Demzufolge entwickelte sich der von Leonardo selbst nur stellenweise, im allgemeinen

4 Prochno, Renate, Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst. Wettbewerb, Kreativität und ihre Wirkungen, Berlin 2006, S. 99. 5 Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Eine Geschichte in Quellen, hg. v. Ulrich Pfisterer, Stuttgart 2002, S. 259. 6 Leonardo da Vinci, Trattato della pittura, tratto da un codice della Biblioteca Vaticana e dedicato alla Maestà di Luigi XVIII, Re di Francia e di Navarra, hg. v. Guglielmo Manzi, Rom 1817; Leonardo da Vinci, Paragone. A Comparison of the Arts, hg. v. Irma A. Richter, London 1949. 7 Bätschmann, Oskar/Weddigen, Tristan, Einleitung, in: Benedetto Varchi, Paragone – Rangstreit der Künste, hg. v. Oskar Bätschmann, Tristan Weddigen, Darmstadt 2013, S. 9. 3

Kontext eines Vergleichs verwendete Begriff zur Fachbezeichnung für den Wettstreit der bildenden Künste in Hinblick auf den Vergleich mit Dichtung, Rhetorik und Musik, sowie in Bezug auf die Konkurrenz zwischen Malerei, Bildhauerei und Architektur.8

In den Schriften des 14. Jahrhunderts bezieht sich der Paragone in erster Linie auf den Kampf um den Vorrang zwischen den freien Künsten, den sogenannten artes liberales, und den mechanischen Künsten, den artes mechanicae, zu denen die Malerei, die Bildhauerei und die Architektur gezählt wurden. Der bereits im 5. Jahrhundert in der Tradition von Martianus Capella geprägte Kanon der artes liberales, mit der Unterteilung in Trivium und Quadrivium, dominierte das mittelalterliche Bildungswesen. Im 12. Jahrhundert wurden die freien Künste mit den sogenannten praktischen Künsten, den artes mechanicae, ergänzt. Diese handwerklichen Künste wurden in der Gesellschaft als niedriger angesehen, da sie Tätigkeiten umfassten, die physische Anstrengung erforderten, die schweißtreibend und schmutzig waren, die auch von „Unfreien“ ausgeführt werden konnten und dem lebensnotwendigen Broterwerb dienten. Das Studium und die Ausübung der artes liberales hingegen waren nur einem freien Mann vorbehalten. 9 Mit dem Beginn der Renaissance entwickelte sich in unterschiedlichen, den artes liberales nicht zugehörigen Disziplinen das Bestreben, aus der inferioren Position auszubrechen und in der wissenschaftlichen Hierarchie befördert zu werden. Unter anderem bemühten sich auch die Jurisprudenz und die Medizin, welche in der damaligen universitären Rangordnung weit unter der Theologie standen, um eine Aufwertung ihrer Stellung. 10 Auch die bildenden Künstler begannen nach Rang und Ruhm zu streben und die dazu gehörigen Privilegien einzufordern, indem sie sich auf ihre intellektuelle Stärke und ihre schöpferische Kraft bezogen. Sie sehnten sich nach einem autonomen Dasein und der Möglichkeit, sich in freier Konkurrenz um Ansehen und die Unterstützung durch Mäzene zu bemühen.11 Dies steigerte auch den Wettbewerb um wertvolle Aufträge und sorgte für eine oftmals von Rivalität und Neid erfüllten Stimmung an den italienischen Musenhöfen 12 der Renaissance, die von

8 Pfisterer, Ulrich, Der Paragone, in: Handbuch Rhetorik der Bildenden Künste, Bd. 2, hg. v. Wolfgang Brasser, Berlin – Boston 2017, S. 284. 9 Winkler, Elisa, Die Personifikationen der drei bildenden Künste. Funktionalisierungen eines frühneuzeitlichen Bildpersonals, Berlin u.a. 2018, S. 23; siehe auch Achermann, Eric, Das Prinzip des Vorrangs. Zur Bedeutung des Paragone delle arti für die Entwicklung der Künste, in: Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit. Ein Handbuch, hg. v. Herbert Jaumann, Berlin 2011, S. 183. 10 Achermann 2011, S. 185. 11 Achermann 2011, S. 185. 12 Bemüht sich ein Herrscher um die Anwesenheit bedeutsamer Künstler an seinem Hof, um sich mit deren Werken auszustatten und damit seinen Ruhm zu repräsentieren, handelt es sich um einen Musenhof. 4

Mäzenen durchaus noch bewusst angespornt wurde.13 Mit der zunehmenden sozialen Anerkennung des bildenden Künstlers steigerte sich also auch das Wetteifern und der Ehrgeiz andere zu überbieten, sowie das Bedürfnis, Respekt von den Künstlerkollegen zu erhalten.14

Diese sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts vollziehende schrittweise Lösung der bildenden Künste von den mechanischen Künsten und die damit zusammenhängende Aufwertung des Künstlerstandes sind zwei Entwicklungen, die eng mit der späteren Paragone-Diskussion in Verbindung stehen. 15 Nachdem sich das Ansehen der bildenden Künste gesteigert hatte, begann der Wettkampf der verschiedenen Disziplinen untereinander, welche nun die Bedeutendere sei. Spätestens ab dem 16. Jahrhundert setzten sich dann auch die Künstler selbst mit dem Paragone auseinander, indem sie versuchten die jeweiligen Schwächen der Konkurrenz aufzuzeigen. Bei den originellsten Beiträgen zu dieser Auseinandersetzung handelt es sich meist nicht um schriftliche Quellen, sondern die Künstler argumentierten mit ihren Werken selbst.16 Die theoretische Grundlage des Wettstreits überträgt sich auf die künstlerische Praxis und liefert Impulse für raffinierte Kompositionen, die das jeweilige Medium bis an die Grenzen austesten. Gemalte, wie auch plastische Bildwerke greifen Aspekte der Debatte auf und versuchten diese anschaulich zu machen, respektive die Vorrangstellung des jeweiligen Mediums durch die konkrete Anwendung im Bild oder am Kunstwerk zu bestätigen.17

Im Rahmen dieser Masterarbeit werden Kunstwerke des italienischen Cinquecento betrachtet, die durch die präsente Rivalität zwischen Malerei und Bildhauerei beeinflusst wurden und dieses durch Konkurrenz und Ehrgeiz geprägte Gedankengut mit Kreativität und innovativen künstlerischen Mitteln exemplarisch veranschaulichen. Der erste und einführende Teil dieser Abhandlung soll die Grundzüge der kunsttheoretischen Debatte charakterisieren. Der Forschungsstand zu den Schriftquellen ist sehr ausgeprägt und wird hier nur in äußerst prägnanter Form den Bildwerken

13 Poeschel, Sabine, Paragone – „Ein Duell vortrefflichster Künstler“. Zur Geschichte von Künstlerkonkurrenz und Künstlerkampf, in: Kunst im Licht von Konkurrenz, Neid und Rivalität, Kunstforum international 173, Ruppichteroth 2004, S. 92; siehe auch Goffen, Rona, Renaissance Rivals. Michelangelo, Leonardo, Raphael, Titian, New Haven – London 2002, 26f. 14 Poeschel 2004, S. 93f. 15 Deiters, Wencke, Der Paragone in der italienischen Malerei des Cinquecento. Mittel im Wettstreit der Künste bei Mazzola Bedoli, Tizian, , , Daniele da Volterra und Vasari , (phil. Diss. Heidelberg 2002) Heidelberg 2002, S. 2f. 16 Näheres zu den Kunstwerken in Kapitel C. 17 Pfisterer 2002, S. 261. 5 vorangestellt. Durch die Auseinandersetzung mit den Texten von Leonardo da Vinci, Baldassare Castiglione, Benedetto Varchi und Giorgio Vasari sollen die wesentlichen Argumente der Debatte ins Gedächtnis gerufen werden, da diese ihre Wirkung auf die Kunstpraxis ausübten und somit die Grundlage für die Deutung der behandelten Kunstwerke ausmachen. Die breite Palette an zeitgenössischen Schriften verdeutlicht den allgegenwärtigen Einfluss, den der Wettstreit auf das Schaffen der Künstler haben musste und zeigt sich außerdem im bis heute anhaltenden großen Forschungsinteresse. In den letzten Jahrzehnten kam es zu einem unerschöpflichen Wachstum der Literatur zu diesem Thema, was es kaum möglich macht, diese vollständig zu zitieren. 18 Grundlegende Publikationen zum Verständnis der Debatte liefern beispielsweise Claire Farago 19 , Renate Prochno 20 , Andreas Schnitzler 21 , Hannah Baader 22 und Rudolf Preimesberger23, der mit seinen Beiträgen den Fokus auf Italien erweiterte und andere Länder und Jahrhunderte in die Forschung miteinbezog. 24 Zur Anschaulichkeit des Diskurses in den Kunstwerken des Cinquecento bieten sich besonders die Werke von Lars Olof Larsson25, Luba Freedman26, Andrew John Martin27, Wencke Deiters28, Rona Goffen29, Alessandro Nova30, Stefan Morèt31, Marina Haiduk32 und Sefy Hendler33 an.

18 Nova, Alessandro, Paragone-Debatte und gemalte Theorie in der Zeit Cellinis, in: Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert, hg. v. Alessandro Nova, Anna Schreurs, Köln u.a. 2003, S. 184. 19 Farago, Claire J., Leonardo da Vinci’s Paragone. A Critical Interpretation with a New Edition of the Codex Vaticanus Urbinas, Leiden 1992. 20 Prochno, Renate, Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst. Wettbewerb, Kreativität und ihre Wirkungen, Berlin 2006. 21 Schnitzler, Andreas, Der Wettstreit der Künste. Die Relevanz der Paragone-Frage im 20. Jahrhundert (phil. Diss. Graz 2003), Berlin 2007. 22 Im Agon der Künste. Paragonales Denken, ästhetische Praxis und die Diversität der Sinne, hg. v. Hannah Baader, München 2007. 23 Preimesberger, Rudolf, Zu Jan van Eycks Diptychon der Sammlung Thyssen-Bornemisza, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, 54, Berlin 1991, S. 459-489; Preimesberger, Rudolf, Paragons and Paragone: Van Eyck, Raphael, Michelangelo, Caravaggio, Bernini, Los Angeles 2011. 24 Nova 2003, S. 184. 25 Larsson, Lars Olof, Von allen Seiten gleich schön. Studien zum Begriff der Vielansichtigkeit in der europäischen Plastik von der Renaissance bis zum Klassizismus, Stockholm 1974. 26 Freedman, Luba, “The Schiavona”: Titian’s response to the Paragone between Painting and Sculpture, in: Arte Veneta 41, 1987, S. 31-40. 27 Martin, Andrew John, Savoldos sogenanntes „Bildnis des Gaston de Foix“. Zum Problem des Paragone in der Kunst und Kunsttheorie der italienischen Renaissance, Sigmaringen 1995. 28 Deiters, Wencke, Der Paragone in der italienischen Malerei des Cinquecento. Mittel im Wettstreit der Künste bei Mazzola Bedoli, Tizian, Pontormo, Bronzino, Daniele da Volterra und Vasari (phil. Diss. Heidelberg 2002), Heidelberg 2002. 29 Goffen, Rona, Renaissance Rivals. Michelangelo, Leonardo, Raphael, Titian, New Haven – London 2002. 30 Nova 2003, S. 183-202. 31 Morét, Stefan, Der paragone im Spiegel der Plastik, in: Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert, Köln u.a. 2003, S. 203-215. 32 Haiduk, Marina, Daniele da Volterras ‚David und Goliath‘. Ein Wettstreit auf mehreren Ebenen, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 57, 2008, S. 97-131. 6

Die Liste könnte lange fortgesetzt werden. Der von Ekkehard Mai und Kurt Wettengl herausgegebene Katalog „Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier“ zur 2002 stattfindenden gleichnamigen Ausstellung im Haus der Kunst in München, sowie im Wallraf – Richartz – Museum & Fondation Corboud in Köln, liefert einen besonders anschaulichen und vielseitigen Überblick zur Thematik mit abwechslungsreichen Fallbeispielen. 34 Nachdem der Paragone einen längeren Zeitraum nicht zu den zentralen Schwerpunkten von kunstgeschichtlichen Untersuchungen zählte, gewann die Thematik um den Wettstreit im letzten Jahrzehnt durch Publikationen, Symposien und Ausstellungen an erneuter Aktualität. Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferte die von Oskar Bätschmann und Tristan Weddigen herausgegebene Neuausgabe und erstmalig vollständige deutsche Übersetzung der zweiten Vorlesung Benedetto Varchis, auf die in Kapitel II.3. ausführlicher eingegangen wird. 35 Nach einer die Rahmenbedingungen erläuternden Einleitung findet man im Buch die formal ansprechende Gegenüberstellung von Originaltext und Übersetzung, die ebenfalls zum ersten Mal eine lückenlose Übersetzung der Künstlerbriefe beinhaltet. Auf diese Neuausgabe des Quellentextes folgten 2014 zwei weitere Veröffentlichungen zur Rangstreitthematik: In ihrem sehr umfangreichen Werk zur Wettstreitkultur der Renaissance ermittelt Christiane Hessler die Entstehung und Voraussetzungen des Paragone unter Einbezug eines breiten Fundus literarischer Quellen des Quattrocento.36 Der von Joris van Gastel, Yannis Hadjinicolaou und Markus Rath herausgegebene Sammelband erläutert eine differenzierte Sichtweise auf die Paragone-Thematik, die von einem dynamischen Mitstreit ausgeht. 37 Die Forschung wurde durch die erwähnten Publikationen neu angeregt und erreichte seitdem keinen Stillstand. Ein häufiges Fehlen von konkreten dokumentarischen Belegen macht es in vielen Fällen schwierig, den Nachweis zu führen, dass die Künstler mit kunsttheoretischen Schriften vertraut waren. Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Zum einen sollen einige grundlegende Äußerungen zum Wettstreit der Gattungen von Künstlern und Kunsttheoretikern in den Blick

33 Hendler, Sefy, La Guerre des Art. Le Paragone peinture-sculpture en Italie XVe-XVIIe siècle, Rom 2013. 34 Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, hg. v. Ekkehard Mai, Kurt Wettengl, Ausst.-Kat., Haus der Kunst München 2002, Wallraf – Richartz – Museum & Fondation Corboud Köln 2002, Wolfratshausen 2002. 35 Benedetto Varchi, Paragone – Rangstreit der Künste, hg. v. Oskar Bätschmann, Tristan Weddigen, Darmstadt 2013. 36 Hessler, Christiane, Zum Paragone. Malerei, Skulptur und Dichtung in der Rangstreitkultur des Quattrocento, Berlin 2014. 37 Paragone als Mitstreit, hg. v. Joris van Gastel, Yannis Hadjinicolaou, Markus Rath, Berlin 2014.

7 genommen werden. Dann soll in einem zweiten Abschnitt eine Auswahl von Bildwerken analysiert werden, an denen sich zentrale Argumente dieses Rangstreits ablesen lassen, und zwar unabhängig davon, ob bekannt ist, dass sich die jeweiligen Künstler auf theoretischer Ebene mit dem Paragone auseinandersetzten. Der Fokus liegt auf Kunstwerken des Cinquecento, die vorwiegend aus oder aus dem Umkreis der beiden führenden Kunstzentren Florenz und Venedig stammen. Diese beiden Orte lieferten signifikante Impulse zur Theorie und Praxis der Paragone-Debatte und standen diesbezüglich in einem regen Austausch. Spätestens seit Leonardos Venedig Aufenthalts im Jahr 1500, kann die Verbreitung seiner Theorie über die Malerei und den Wettstreit der Künste auch dort vorausgesetzt werden. 38 Die Auswahl der grundlegendsten Texte aus einer großen Fülle an zeitgenössischen kunsttheoretischen Schriften wird den Bildbetrachtungen zur Seite gestellt und ermöglicht das bessere Verständnis der Werke im Kontext des Rangstreits und der Selbstreflexion der Künste. Je tiefer man in die Geschichte des Paragone eintaucht, desto klarer wird die Bedeutung und Ernsthaftigkeit der Konkurrenz und des Wetteiferns für die zeitgenössischen Maler und Bildhauer. Er war an das wirkliche Leben gebunden, mehr als nur Theorie, und trieb die Künstler zu bemerkenswerten Höchstleistungen in der Ausübung ihrer jeweiligen Tätigkeit.39

Zuletzt noch eine Anmerkung zum Sprachgebrauch in dieser Arbeit: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die Sprachform des generischen Maskulinums verwendet. Die männliche Form ist dabei geschlechtsunabhängig verstanden.

38 Deiters 2002, S. 5. 39 Goffen 2002, S. 66. 8

II. DER PARAGONE IN DEN KUNSTTHEORETISCHEN SCHRIFTEN DES 15. UND 16. JAHRHUNDERTS

Die Diskussion um den höheren Rang von Malerei oder Bildhauerei innerhalb der Kunsttheorie erlebt ihren Höhepunkt im Cinquecento in Italien. Der Paragone wurde bereits im 15. Jahrhundert in schriftlicher Form abgehandelt und resultierte aus einer Wechselbeziehung des wachsenden Selbstwertgefühls der bildenden Künstler und der zunehmenden Anerkennung ihres Standes. Die Künstler und Gelehrten, die über den Wettstreit der Künste reflektieren, beziehen sich in ihren Traktaten auf Schriften von Philosophen, Theologen und Humanisten, die bis auf die Antike zurückgehen. Indem die Künstler und Kunsttheoretiker sich in der Definition der bildenden Künste, insbesondere der Malerei, zunehmend auf naturwissenschaftliche Gesetzte, wie die Mathematik, die Geometrie und die Optik berie fen, gelangen wesentliche Schritte in Richtung gesellschaftliche Anerkennung als eigenständige Wissenschaft.40 In diesem Kapitel werden in knapper Form die bedeutendsten Schriften vorgestellt, die auf den kreativen Schaffensprozess der Künstler des Cinquecento den größten Einfluss hatten.

Durch Werke wie Leon Battista Albertis De Pictura/Della Pittura (1435/36) 41 und Leonardo da Vincis Trattato della Pittura (1492-1519) 42 wurde die theoretische Diskussion in Florenz maßgeblich beeinflusst. Die beiden Abhandlungen stellen das Fundament der Argumentationen in der fortlaufenden Auseinandersetzung dar und in beiden Traktaten wird vorerst der Malerei die überlegene Position zugeschrieben. Einen erneuten ausschlaggebenden Impuls zur schriftlichen Austragung des Konflikts in der Mitte des Cinquecento lieferte der Gelehrte Benedetto Varchi. Er machte die Thematik

40 Schnitzler 2007, S.17. 41 Die lateinische Abschrift wurde erstmals 1540 unter der Herausgeberschaft von Thomas Venatorius (1488 – 1551) in Basel gedruckt. Die italienische Version wurde von Ludovico Domenichi (1515 – 1564) übersetzt und erschien 1547 in Venedig. Siehe hierfür Bätschmann, Oskar, Leon Battista Alberti (1404 – 1472): De Pictura, in: Handbuch Rhetorik der Bildenden Künste, Bd. 2, hg. v. Wolfgang Brasser, Berlin – Boston 2017, S. 163-265. Als Digitalisat in Italienisch unter https://reader.digitale- sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10754770_00039.html verfügbar [Stand 30.04.2020]. Die in dieser Arbeit verwendete deutsche Übersetzung: Leon Battista Alberti, Über die Malkunst, hg. v. Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda, Darmstadt 4 2014. 42 Liegt im Original in der Vatikanischen Bibliothek in Rom. Die in dieser Arbeit verwendete deutsche Übersetzung: Leonardo da Vinci, Das Buch von der Malerei: nach dem Codex Vaticanus Urbinas 1270, hg. v. Heinrich Ludwig (Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Bd. 15), Wien 1882. Als Digitalisat verfügbar unter https://archive.org/details/dasbuchvondermal01leon/page/n5/mode/2up [Stand 30.04.2020]. Weitere Informationen folgen in Kapitel B.I. 9 des Wettstreits 1547 zum Gegenstand seiner Vorlesungen an der Florentiner Akademie und wollte damit zu einem endgültigen Urteil gelangen.43

Alberti ist als wichtiger Vorreiter zu sehen, denn er versuchte mit seinem Traktat über die Malerei die Kunst zu nobilitieren. Mit der ersten, lateinischen Fassung wandte Alberti sich an den kunstkennenden Gelehrtenkreis, zu dem er selbst zählte, wohingegen Della Pittura, die italienische Ausgabe, in erster Linie die Künstler adressieren sollte, zu denen Alberti zwar als Dilettant sprach, jedoch durch seine mathematische und literarische Gelehrsamkeit hilfreichen Beitrag leisten wollte. 44 Es handelt sich bei Della Pittura um die erste neuzeitliche systematische Auseinandersetzung mit der Malkunst. Alberti formulierte als Ziel der Malerei das Streben nach Perfektion. Er stellte sie auf die Basis von Optik und Geometrie und forderte die Maler zum permanenten Studium der Grundlagen und der Natur auf. In Folge kamen dem Malereitraktat noch zwei weitere Abhandlungen über die Skulptur (De Statua, 1435)45, sowie über die Architektur (De Re Aedificatoria, 1452)46 hinzu, die seine Intention, die Künste zu perfektionieren, vervollständigten. 47 Er verfolgte das Ziel, die Künste im Rahmen der Naturerkenntnis mit der Wissenschaft auf eine Ebene zu stellen. Auf den Paragone kommt Alberti in seiner Schrift nur indirekt zu sprechen. Er ist jedoch als wichtiger Wegbereiter zu charakterisieren, da er bereits drei bedeutende Argumente festhielt: Er bezeichnet die Malerei als Lehrmeisterin aller Künste, betrachtet sie als schwieriger in der Gegenüberstellung mit der Bildhauerei und beurteilt sie als gesellschaftlich am höchsten angesehen. In seinem Text erachtet Alberti die Malerei und Bildhauerei als miteinander verwandt, bekundet jedoch die klare Vorrangstellung der Malkunst, da er in ihr auch die Grundlage für alle handwerklichen Künste sieht. Als Begründung nennt er die Schwierigkeit der Ausführung, ein Argument, das in der späteren Rangstreitdebatte noch ausführlich diskutiert wurde: „Ich habe der Begabung des Malers dennoch stets den Vorrang gegeben, weil er sich um

43 Die sogenannten Due Lezzioni fanden am 6. und 13. März 1547 in der Florentiner Akademie in Santa Maria Novella statt und wurden 1550 publiziert. Näheres hierfür folgt in Kapitel II.3. 44 Bätschmann, Oskar/Gianfreda, Sandra, „Einleitung. Leon Battista Alberti über die Malkunst“, in: Über die Malkunst, hg. v. Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda, Darmstadt 4 2014, S. 5. 45 Siehe hierfür Leon Battista Alberti, Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, übersetzt, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin, Darmstadt 2000. 46 Die erste gedruckte Ausgabe in Latein erschien 1485 bei Nicolaus Laurentius Alamanus in Florenz. Die erste italienische Ausgabe wurde in Venedig 1546 in Venedig publiziert. Siehe hierfür Leon Battista Alberti, Zehn Bücher über die Baukunst, übers. u. hg. v. Max Theuer, Darmstadt 2 2005, S. LXIII. 47 Bätschmann/Gianfreda 2014, S. 3. 10 schwierigere Dinge bemüht.“ 48 Bereits Alberti beurteilt nach dem Kriterium der Schwierigkeit der Ausführung und stellte damit die Malerei über die Bildhauerei. Die Malerei erfordert, seinen Angaben zufolge, größere Begabung, da die Dimension erst durch illusionistische Methoden, wie der Zentralperspektive, erschaffen werden muss. 49 Besonders in den folgenden Entwicklungen des Manierismus wurde der difficoltà in der Bewertung von Kunstwerken große Bedeutung beigemessen.

Das Werk Della Pittura trug dazu bei, die negative Assoziation der bildenden Kunst mit den artes mechanicae zu mildern. Die Betrachtung der bildenden Kunst als Wissenschaft, wie sie von Alberti vertreten wurde, ging mit der wirtschaftlichen Vormachtstellung der Stadt Florenz einher, die eine offene Haltung gegenüber weltlichen Dingen mit sich brachte, und zu einem enormen Prestigegewinn der Kunst führte.50 Nach dieser Neubewertung der Künste entfachte der Kampf zwischen Malerei und Bildhauerei um die Vormacht erst richtig. 51 Zum zentralen Thema wurde der Paragone unter Leonardo da Vinci, der konkret zum Wettstreit innerhalb der bildenden Künste, sowie dem Verhältnis zur Dichtung und Musik Stellung nahm.

II.1. Leonardo da Vinci (1452-1519), Trattato della Pittura, 1492-1519

Leonardos Abhandlungen zur Malerei gehören zweifelsfrei zu den wichtigsten Quellen des Paragone und zum festen Kanon der Kunstgeschichte. Die von ihm ausformulierten Argumente zur Rangstreitdebatte lenkten zum eindeutigen Vorteil der Malerei und wurden im fortschreitenden Wettbewerb der Künste unentwegt rezipiert. Seine Aufzeichnungen entstanden in erster Linie im Zeitraum von 1492-1504, während seiner Tätigkeit am Mailänder Hof. Dort stand er täglich in Konkurrenz mit anderen Künstlern, Literaten und Musikern, was den Rangstreit für ihn zu einem sehr persönlichen Thema machte.52 Leonardos kunsttheoretischen Aufzeichnungen gebührt ein besonderes Interesse, da sie auf seinen praktischen Erfahrungen basieren. 53 Von

48 Alberti 2014, S. 109. 49 Schnitzler 2007, S. 18. 50 Schnitzler 2007, S. 21. 51 Schnitzler 2007, S. 21. 52 Pfisterer 2002, S. 264. 53 Deiters 2002, S. 16. 11 dieser Ausgangssituation der Künstler, die Kunst im Kontext von Rivalität und Wettbewerb erlebten, leitet er in seiner Schrift zum Paragone der Künste über. 54

Leonardos Ziel, ein Buch über die Malerei zu veröffentlichen, konnte er zu seinen Lebzeiten nicht mehr verwirklichen. Die heute erhaltene Form des Traktats geht auf eine Kompilation der Schriften durch seinen Schüler und Erben Francesco Melzi (um 1491 – 1570) zurück. 55 Es sind uns daher nicht mehr alle Überlegungen seiner Kunsttheorie vollständig erhalten. Nach Leonardos Tod kursierte sein Trattato della Pittura in unterschiedlichen Abschriften in den Gelehrtenkreisen in Italien und Teile davon gelangten schließlich in die Vatikanische Bibliothek. Dort werden sie als Codex Vaticanus Urbinas aufbewahrt.56

Bei Leonardos Werk handelt es sich dennoch um die umfangreichste Zusammenstellung an Texten, die für Ästhetik und die künstlerische Praxis relevant sind.57 Obwohl von den Manuskripten nur noch ein Teil erhalten ist, vermitteln sie ein ausführliches Bild zu seinen Vorstellungen über die Malerei. Im ersten Teil seines geplanten Traktats formuliert er die wichtigsten Argumente zur Stärkung des Ansehens der Malkunst und begann mit ihrer Definition als Wissenschaft. Anschließend thematisiert er den Paragone mit der Skulptur, der Dichtkunst und der Musik, wobei er, wie bereits erwähnt, der Malerei den Vorrang zuschreibt. In diesem Diskurs argumentiert er mit der „Hierarchie der Sinne“.58 Seit der Antike existiert eine Rangordnung der Sinnesorgane, die vom Auge an erster Stelle und dem Ohr an zweiter Stelle als den „edelsten Organen“ ausgeht und beim Tastsinn an unterster Stelle endet.59 Leonardo schreibt:

„Das Auge, das man das Fenster der Seele nennt, ist die Hauptstrasse, auf welcher der Gesammtsinn am reichhaltigsten und grossartigsten die unzähligen Werke der Natur in Betracht ziehen kann. Danach kommt das Ohr, das sich adelt, indem es Dinge erzählen hört, die das Auge sah. Hättet ihr Geschichtschreiber oder Poeten, oder auch ihr Mathematiker, die Dinge nicht mit den Augen gesehen, ihr könntet mittelst der Schrift schlecht Bericht erstatten. Und wenn du, Poet, eine Historie mittelst Malerei der Feder vorstellen wirst, der Maler wird sie machen, dass sie leichter befriedigt, und es weniger ermüdend ist, sie zu verstehen. Heissest du die Malerei eine stumme Dichtung, so kann auch der Maler die Poesie eine blinde Malerei nennen. Nun sieh zu, wer der schadhaftere Krüppel sei, der Blinde, oder der Stumme.“60

54 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 9. 55 Fehrenbach, Frank, Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis (Tübinger Studien zur Archäologie und Kunstgeschichte, 16), Tübingen 1997, S. 23. 56 Schnitzler 2007, S. 21. 57 Fehrenbach 1997, S. 23. 58 Pfisterer 2002, S. 279. 59 Pfisterer 2002, S. 279. 60 Leonardo 1882, 18. 12

Leonardo zufolge triumphiert also die Malerei über die Dichtung und die Musik in der Darstellung des Geistes. Er stellt nicht in Frage, dass auch ein Dichter mittels seiner Fantasie etwas erschaffen kann, betont jedoch, dass die offensichtliche Überlegenheit in der Präsentation des Erschaffenen beim Maler liegt.61 Man könne sich laut Leonardo auf den Sehsinn besser verlassen als auf das Gehör und der Verlust des Auges sei vom Menschen schwerer zu tragen und bringe schlimmere Konsequenzen mit sich, als der Verlust eines anderen Sinnesorgans. Indem Leonardo überzeugend mit der Überlegenheit des Sehsinns argumentiert, unterstreicht er damit die daraus resultierende Überlegenheit der Malerei.62 Die von Leonardo angeführte Unterlegenheit der Poesie sei darauf zurückzuführen, dass sie auf der Imagination von Worten aufbaut und damit auch vom Intellekt abhängig sei. 63 Die Musik erzeuge zwar große Anmut durch ihre Klänge, jedoch erlöschen diese kurz nachdem sie entstanden sind. Demnach garantiert einzig die Malerei die unmittelbare, bleibende Wirkung und den Fortbestand des ästhetischen Eindrucks, wie er von Leonardo verlangt wird. 64 Die an den Sehsinn gerichtete Malerei strebt nach der Imitation der Natur und kann die Geschehnisse klarer vermitteln. Dennoch sind das Gehör und der Geruchssinn auf deren Spezialgebieten, wie beispielsweise der Dufterkennung oder der Klangwahrnehmung, dem Auge klar überlegen. Aufgrund dieser unvergleichbaren Aufgabengebiete der Sinnesorgane ist ein näherer Paragone der Sinne genauso schwierig zu gewinnen, wie ein Paragone der Kunstgattungen.65

An dieser Stelle ist noch einmal bereits oben dargelegtes von da Vinci in Erinnerung zu rufen, dass die Rangordnung der Sinne nicht den tatsächlichen sozialen Gegebenheiten seiner Zeit entsprach. Zusammen mit der Geometrie, der Astronomie und der Arithmetik zählte die Musik zu den Fächern des Quadriviums und damit zum Kanon der septem artes liberales, wohingegen die Malerei immer noch gegen die Zuordnung zu den mechanischen Künsten ankämpfen musste.66

Nach der einleitenden Frage der Hierarchie der Sinne wird der Wettstreit zwischen der Malerei und der Musik genauer behandelt und anschließend untersucht Leonardo speziell das Verhältnis von Malerei und Bildhauerei. Im Gegensatz zur Malerei erkennt

61 Schnitzler 2007, S. 23. 62 Schnitzler 2007, S. 22. 63 Schnitzler 2007, S. 23. 64 Schnitzler 2007, S. 24. 65 Schnitzler 2007, S. 23. 66 Bätschmann/Weddigen 2013, 13f. 13 er die Bildhauerei nicht als Wissenschaft an, denn es handelt sich dabei um eine „[…] höchst handwerksmässige Kunst, denn sie schafft dem, der sie betreibt, Schweiss und körperliche Mühe.“67 Der Bildhauer sei für ihn ein Handwerker. Seine Arbeit ist mit großer Anstrengung, Schweiß und Schmutz verbunden. 68 Der Maler hingegen, sei für ihn ein Wissenschaftler, der seine Tätigkeit auch in edler Sonntagskleidung ausführen kann. 69 Ein Maler wurde von Leonardo als vornehmer Edelmann dargestellt, der in festlicher Kleidung seine Arbeit am Hofe ausführen konnte, wohingegen der Bildhauer nichts als ein Handwerker sei, der wie ein Bäcker mit Marmorstaub bestäubt ist. Diese Schilderung traf bei Weitem nicht auf jeden Maler oder Bildhauer zu. Je nach Begabung, Kunstfertigkeit und Erfolg wurden ihnen verschiedene gesellschaftliche Positionen zuteil. 70 Ein Maler habe auch hinsichtlich der Beleuchtung und der Verkürzungen viel anspruchsvollere Arbeit zu leisten, denn was sich bei der Skulptur quasi von selbst ergibt, muss in der Malerei erst sehr bedacht geschaffen werden. 71 Hier liegt für Leonardo das Verbindungsstück zur Wissenschaft: Ein Gemälde bringt eine eigene geistige Wirklichkeit hervor, mit dem Ziel, die Natur nach rein geistigen Regeln und Gesetzen zu berechnen und zu bestimmen. 72 Nicht die bloße Mimesis sei entscheidend für den Vorrang gegenüber der Bildhauerei, sondern der ingegno des Malers, der ihn befähigt, die Motive bereits auf geistiger Ebene zu kreieren.

Die Anwendung der Farbe, der Perspektive und das Einsetzten von Licht- und Schatteneffekten gehören zu den Standardargumenten für die Malerei. Allein materialbedingt werden diese beiden Aspekte von Bildhauern nicht berücksichtigt, weshalb der Bildhauerei oftmals der qualitativ niedrigere Rang zugeteilt wurde. 73 Leonardo argumentiert weiter, dass der Bildhauer durch das Fehlen der Farbe nur über begrenzte Darstellungsmöglichkeiten verfüge, wohingegen der Maler auch nicht-

67 Leonardo 1882, S. 37. 68 Siehe hierfür Lemke, Anja, Der Schmutz und die Plastik. Dreck, Staub und Schweiß als Argument im Paragone der Renaissance, in: Figurationen, 9 (2), 2008, S. 59-71. 69 Dass auch die Arbeiten in den Malerwerkstätten ein beträchtliches Ausmaß Schmutz erzeugen konnten, ließ Leonardo vorsichtshalber unerwähnt. 70 Chastel, Andrè, Der Künstler, in: Der Mensch der Renaissance, hg. v. Eugenio Garin, Frankfurt am Main u.a. 1990, S. 265. 71 Leonardo da Vinci, Sämtliche Gemälde und Schriften zur Malerei, hg. v. André Chastel, München 1990, S. 149. 72 Bothner, Roland, Elemente des Plastischen von Donatello bis Brancusi (Brennpunkte der Kunstgeschichte, Bd. 2), Heidelberg 2000, S. 17. 73 Deiters 2002, S. 18. 14 gegenständliche Dinge, wie Lichtstrahlen, Nebel, Regen, Wolken und weitere Wetterphänomene zeigen kann.74

Leonardos Texte stellen Claire Farago zufolge eine neue Art von Kunstliteratur dar, die zwischen höfischen literarischen Fiktionen und humanistischer Kunstkritik liegt. 75 Leonardo erfand nicht nur eine neue Art von Kunstliteratur, sondern nahm auch an einer historischen Debatte über die Neuklassifizierung der Künste und Wissenschaften teil, indem er die Malerei als eine Form des Wissens verteidigt und etabliert. Seine Ansichten zum Paragone sind als bedeutsam für die Geschichte der Systematisierung der Künste zu betrachten. Wenngleich das Arrangement zu einem Großteil seinem Herausgeber aus dem 16. Jahrhundert zu verdanken ist, setzen sich seine Argumente mit den wichtigen inhaltlichen Fragen auseinander, die die Literatur über den Vergleich der Künste bisher beschäftigten. 76 Leonardos Argumente zum Vorteil für die Malerei wurden in der Folgezeit immer wieder von anderen Künstlern und Kunsttheoretikern aufgegriffen und weiterentwickelt. Er selbst ist nicht als der alleinige Urheber für alle in seinem Traktat angeführten Thesen zu sehen. Vielmehr scheint Leonardo das bereits gängige Gedankengut der Zeit zusammengefasst zu haben.77

II.2. Baldassare Castiglione (1478-1529), Il Libro del Cortegiano, 1528

Eine Vielzahl von Leonardos beschriebenen Argumenten findet in der weiteren Paragone-Debatte im 16. Jahrhundert ihren Widerhall. Einige seiner Beweisgründe für die Malerei als höchste Kunst finden sich auch in Baldassare Castigliones Buch mit dem Titel Il Libro del Cortegiano78 wieder, das 1528 herausgegeben wurde. Castiglione war Angehöriger einer Adelsfamilie aus dem Umkreis von Mantua und wurde von seinem Vater zur Ausbildung an den Hof der Sforza in Mailand geschickt. Im Laufe seines Lebens stand er auch im Dienst von weiteren bedeutenden Herrschern, sowie Guidobaldo di Montefeltro (1472 – 1508), dem Herzog von Urbino, oder Francesco

74 Prochno 2006, S. 99. 75 Farago 1992, S. 32. 76 Farago 1992, S. 32. 77 Prochno 2006, S. 98. 78 Baldassare Castiglione, Il Libro del Cortegiano, Venedig 1528. Als Digitalisat, z.B. in Italienisch von 1551, unter https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10191618_00007.html [Stand 30.04.2020]. Die in dieser Arbeit verwendete deutsche Übersetzung: Baldassare Castiglione, Das Buch vom Hofmann, übers. v. Fritz Baumgart, München 1986. 15

Gonzaga (1466 – 1519), dem Marchese von Mantua. 79 Von 1496-99 hielt er sich, zeitgleich mit Leonardo, am Hof von Ludovico Sforza (1452 – 1508) in Mailand auf. Sein Werk, das als Handbuch eines Hofmanns dienen sollte, war zur damaligen Zeit in ganz Europa ein erfolgreicher Bestseller. Der Rangstreit von Malerei und Bildhauerei wird sogar in drei ganzen Kapiteln behandelt. Ein Zeichen dafür, dass die bildenden Künste im Kontext eines Hofes ein wichtiges Thema darstellten. Es handelt sich bei diesem Werk um die zum damaligen Zeitpunkt umfangreichste publizierte Schrift, die sich mit dem Paragone auseinandersetzte. Castigliones Abhandlung ist in Form eines fiktiven Dialogs zwischen mehr als zwanzig Personen im Herzogpalast von Urbino geschrieben und liest sich wie ein Theaterstück. Die Zeitspanne des Buches umfasst vier Abende an denen Elisabetta Gonzaga mit bedeutenden zeitgenössischen Persönlichkeiten darüber diskutiert, was einen vollkommenen Hofmann ausmacht. Bei den Protagonisten handelt es sich allesamt um Freunde und Bekannte des Autors.80 Die Diskussion zur Vormachtstellung der Künste führen der derzeit in Rom tätige Bildhauer Cristoforo de’Geremia und der Graf Ludovico da Canossa. Der Dialog liefert Argumente für beide Seiten. Die Bildhauerei wird von Christoforo de’Geremia als die schwierigere Kunst dargestellt, da sie mehr Mühe erfordere und betont wird unter anderem die Dauerhaftigkeit dieses Mediums:

„Ihr wollt mir doch nicht erzählen, daß das Sein dem Wirklichen nicht näher stünde als der Schein. Ferner meine ich, daß die Bildhauerkunst schwieriger ist, weil man einen begangenen Fehler nicht mehr verbessern kann, da sich am Marmor nichts anfügen lässt, so daß man statt dessen eine neue Figur machen muß. Das trifft bei der Malerei nicht zu, die man tausendmal verändern kann, indem man sie durch Hinzufügen oder Fortnehmen stets verbessert.“81

Der Graf Ludovico da Canossa spricht sich jedoch für die Malerei aus:

„Ihr sagt ganz richtig, daß beide Künste Nachahmung der Natur bedeuten; es ist aber nicht so, daß die Malerei scheine und die Bildhauerei sei. Denn obgleich die Statuen rund wie das Lebendige sind, und man die Malerei nur als Oberfläche sieht, fehlen den Statuen doch viele Dinge, die der Malerei nicht fehlen, hauptsächlich Licht und Schatten; denn das Fleisch hat ein anderes Licht als der Marmor.“82

Wie Leonardo schildert Ludovico da Canossa ausführlich die Qualitäten der Malerei, die sie zur überlegenen Kunst machen, wie die Farbe, die Darstellung von Licht und

79 Burke, Peter, Die Geschicke des Hofmann. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, Berlin 1996, S. 35. 80 Burke 1996, S. 37f. 81 Castiglione 1986, S. 90f. 82 Castiglione 1986, S. 91. 16

Schatten, die Perspektive und vor allem aber das Vermögen „[…] den Blick schwarzer und blauer Augen mit dem Glanz verliebten Strahlens auszudrücken“.83

II.3. Benedetto Varchi (1503-1565), Due Lezzioni, 1550

In der Mitte des Cinquecento entfachte die Diskussion um den Paragone erneut und erreichte mit dem Florentiner Gelehrten Benedetto Varchi einen Höhepunkt.84 Von ihm stammt einer der wichtigsten Quellentexte zum Paragone überhaupt. Bisher beschäftigte sich Varchi vorwiegend mit literarischen und philosophischen Themen, hatte aber im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit der Geschichte von Florenz wohl ein Interesse an den bildenden Künsten entwickelt. 85 Am 6. und 13. März 1547 fanden in der Florentiner Akademie in Santa Maria Novella zwei von Varchi gehaltene öffentliche Vorlesungen statt. Diese wurden im Jahr 1550 mit dem Titel Due Lezzioni publiziert. Der erste Teil seiner Abhandlung umfasst die Interpretation eines Sonetts von Michelangelo Buonarroti (1475 – 1564). In seiner zweiten Lezzione behandelt er die Rangfolge der Wissenschaften und Künste, anschließend die Frage der Vorrangigkeit von Malerei und Bildhauerei und zuletzt den Vergleich mit der Dichtung. Varchi hatte den revolutionären Einfall, den Malern und Bildhauern in diesem akademischen Kontext selbst das Wort zu erteilen und befragte acht Künstler in Florenz zum Thema Paragone. Es handelt sich dabei um die erste bekannte Umfrage unter Künstlern. 86 Zu den Befragten gehörten Giorgio Vasari (1511 – 1574), Agnolo Bronzino (1503 – 1572), Jacopo Pontormo (1494 – 1557), Giovanni Battista del Tasso (1500 – 1555), Francesco da Sangallo (1494 – 1576), Niccolò Tribolo (1500 – 1550), Benvenuto Cellini (1500 – 1571) und Michelangelo. Besagten Künstlern wurden 1547 von Varchi zwei Fragen vorgelegt, die jedoch nicht wörtlich überliefert sind. Sie sind jedoch in Anbetracht der Antworten zu rekonstruieren und lauteten vermutlich: „Welche Kunst hat die größeren Schwierigkeiten zu bewältigen, die Bildhauerei, oder die Malerei?“ und „Welche der beiden Künste steht im Rang höher als die andere?“87 Die Antworten der Künstler in Briefform wurden im Anhang der publizierten Lezzioni

83 Z. n. Pfisterer 2002, S. 296. 84 Prochno 2006, S. 104. 85 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 26. 86 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 28. 87 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 35. 17 abgedruckt. 88 Als Abschluss gibt es eine kurze Stellungnahme von Michelangelo Buonarroti. Er war demnach kein direkter Teilnehmer der Umfrage, wurde jedoch von Varchi, der den Künstler sehr verehrte, um ein abschließendes Urteil gebeten. Sobald Varchi seine beiden Vorlesungen 1547 gehalten hatte, ließ er Michelangelo, der sich zu dieser Zeit in Rom befand, eine Abschrift zukommen, in der Hoffnung, eine aufschlussreiche Reaktion von Seiten des Künstlers zu erhalten.89

Über die Intention seiner Umfrage und die Auswahl der Befragten schrieb Varchi zu Beginn der zweiten Lezzione folgendes:

„Weil ich nichts anderes wünsche, als die reine Wahrheit zu suchen, und auch weiss, dass dem Können eines jeden zu vertrauen ist, habe ich fast allen vortrefflichsten Bildhauern und Malern geschrieben, die sich heute in Florenz finden, und ihre Meinungen und Urteile erhalten. Wenn die Kürze der Zeit es mir gestattete, hätte ich auch allen anderen Auswärtigen geschrieben, die ich kenne. In der Tat habe ich aus ihren Meinungen gleich viel Nutzen wie Vergnügen geschöpft, da sie mir nicht weniger kenntnisreich als erfinderisch vorkommen und weil sie nicht nur den Meissel und den Pinsel, sondern auch die Schreibfeder gut zu führen wissen, worin sie ihrem Meister in der einen oder anderen Kunst folgen.“90

Die Meinungen der Befragten fielen unterschiedlich aus, beziehen sich jedoch größtenteils auf altbekannte Argumente. Da die Malerei bisweilen nur knapp in Führung lag, hofften die Bildhauer vermutlich darauf, noch an Ansehen dazu zu gewinnen.91 Es nutzten in jedem Fall alle Künstler die Gelegenheit, sich für ihre jeweilige Disziplin stark zu machen.92

Die Bildhauer Giovanni Battista del Tasso und Niccolò Tribolo bleiben in ihren Antwortschreiben sachlich und hatten wohl nicht das Bestreben ausführliche Vergleiche aufzuzeigen. Die Überlegenheit der Skulptur sei, Tasso zufolge, einfach zu beweisen: Das höhere Maß an Wirklichkeit reiche seiner Meinung nach aus, um die Malerei in den Schatten zu stellen. Die Malerei zeige für ihn bloß den Schein der Dinge, wohingegen die Skulptur ein naturgetreues Abbild der Dinge darstellt. Durch das einfache Berühren eines Bildwerks lässt sich für ihn diese Annahme bestätigen. Tasso preist in seinem Antwortschreiben vor allem antike Skulpturen und Werke Michelangelos an.93

88 Pfisterer 2002, S. 300. 89 Bätschmann, Oskar, Die Eitelkeit des Wettstreits: Benedetto Varchis Umfrage (1547) und Publikation (1550) zum Paragone, In: Welt–Bild–Museum, hg. v. Andreas Blühm, Anja Ebert, Köln 2011, S. 102. 90 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 149. 91 Prochno 2006, S. 104. 92 Für die Künstlerbriefe an Varchi siehe Varchi 2013, S. 208-279. 93 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 242. 18

Auch für Tribolo gilt die Skulptur in diesem Sinne als die einzig wahre Kunst. Selbst ein Blinder, der niemals des Sehens mächtig war, sondern nur über die Möglichkeit verfüge, Dinge zu ertasten, würde, seiner Meinung nach, beim Ertasten eines plastischen Bildwerks ohne Schwierigkeiten erkennen können, ob es sich um das Abbild einer Frau, eines Mannes oder eines Kindes handelt. 94 In weiterer Folge schreibt er:

„Wenn er [der Blinde] hingegen in einem Gemälde etwas suchte, was er darin nicht fände, obwohl es darin wäre, so würde er es eine Lüge nennen, denn es ist betrügerisch, etwas zu zeigen, was nicht die Wahrheit ausdrückt, da die Natur die Menschen nicht täuscht. Wenn einer hinkt, zeigt es die Natur, ist er schön, zeigt sie ihn schön. Daher scheint mir die Skulptur die Sache selbst zu sein, das Gemälde hingegen eine Lüge.“95

Zum Schluss verschärft Tribolo die Lage, indem er angriffslustig hinzufügt: „Wenn ich die Lüge mir auszumalen hätte, würde ich einen Maler konterfeien“.96 Das Argument des Blinden, das die Malkunst als Betrügerin entlarven soll, wurde im Diskurs um den Paragone nicht immer anerkannt, aber häufig rezipiert. Die Bildhauerei täusche demnach überzeugender, sei zugleich aber die geringere Täuschung, da sie an sich wirklicher sei. Befürworter der Malerei können für dieses Argument kein Verständnis aufbringen. Die bildende Kunst definiere sich über die Mimesis der Natur und habe daher die Aufgabe zu täuschen. Nicht nur die Berührung eines flachen Bildes sei eine Enttäuschung für den Tastsinn, er werde beim Anfassen eines plastischen Bildwerks in gleichem Maße enttäuscht, denn ein totes Stück Stein oder anderes Material kann genauso wenig Lebendigkeit für sich beanspruchen, wie ein Gemälde.97

Der Bildhauer und Architekt Francesco da Sangallo verfasste den ausführlichsten Brief, der alle bereits bekannten Thesen der Debatte auflistet. Zusätzlich führt er die Schwierigkeit der Auftrags- und Materialbeschaffung an, beschwert sich über Hofintrigen, und verdeutlicht die höheren Kosten des Materials für einen Bildhauer. Er betont außerdem die Dauerhaftigkeit von Skulpturen, die den Künstler ihm zufolge unsterblich machen. 98 Sangallos Argumente überschneiden sich teilweise mit dem

94 Der stumme Diskurs der Bilder. Reflexionsformen des Ästhetischen in der Kunst der Frühen Neuzeit, hg. v. Valeska von Rosen, München 2003, S. 221. 95 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 269f. 96 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 270. 97 Körner Hans, Die enttäuschte und die getäuschte Hand. Der Tastsinn im Paragone der Künste, in: Der stumme Diskurs der Bilder. Reflexionsformen des Ästhetischen in der Kunst der Frühen Neuzeit, hg. v. Valeska von Rosen, Klaus Krüger, Rudolf Preimesberger, München - Berlin 2003, S. 222. 98 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 246-48. 19

Antwortschreiben seines Kollegen Benvenuto Cellinis, der in seinem Brief sehr überzeugt für den höheren Rang seiner eigenen Kunst eintritt. Er behauptet, die Bildhauerei sei der Malerei siebenmal überlegen, da eine Skulptur acht gleichwertige Ansichtsseiten haben muss. Insofern habe ein Werk der Bildhauerei sieben Ansichtsseiten mehr als ein Gemälde, das nur eine Ansicht zu bieten habe.99 Cellini geht für diese Argumentation von einem Marmorblock mit vier Hauptansichten aus und fügt noch jeweils die Eckansicht hinzu.100

Die Problematik der Vielansichtigkeit ist auf den Wandel in der Aufstellung von Skulpturen zurückzuführen, der sich in der Renaissance zugetragen hat. Die Skulpturen des Mittelalters wurden vorwiegend in architektonischen Zusammenhängen präsentiert. So waren sie beispielsweise Teile von Altarschreinen, Grabmälern, in einer Ädikula oder an einer Wand aufgestellt. Mit der Renaissance erfolgte durch die Wiederbelebung der Antike eine Befreiung der Skulptur aus ihrer Architekturgebundenheit, indem die in der Antike übliche freie Aufstellung von Einzelskulpturen auf Säulen wieder aufgegriffen wurde. Mit dieser revitalisierten Form der Präsentation entstand der Anspruch auf die Vielansichtigkeit.101 Durch die freie Aufstellung wurden alle Seiten einer Skulptur den Augen des Betrachters zugänglich gemacht.

Giorgio Vasari berichtet zu Beginn seines Briefs, dass er bereits ein anderes Mal in Rom mit der gleichen Streitfrage konfrontiert wurde. Da er zu diesem Zeitpunkt, nach eigenen Angaben, „noch unbeholfener“ in der Beantwortung dieser schwierigen Frage um die Rangfolge war, suchte er den „göttlichen Michelangelo“ auf, der bekanntlich in beiden Bereichen großen Erfahrungswert hat. 102 Dieser erklärt ihm nur kurz und bündig, dass die Malerei und die Bildhauerei das gleiche Ziel verfolgen. Dieser Meinung, dass beide Künste den gleichen Zweck, die Naturnachahmung, anstreben und dass die Rangfolge aus diesem Grund schwierig zu entscheiden sei, schließt sich Vasari in seinem Schreiben an. Er hebt jedoch hervor, dass die Malerei ein breiteres Spektrum an Darstellungsmöglichkeiten zu bieten hätte.103 In seinem Brief bezieht er außerdem die Architektur in den Rangstreit mit ein. 104 Zusätzlich betont er die grundlegende

99 Prochno 2006, S. 105f. 100 Schnitzler 2007, S. 27. 101 Prochno 2006, S. 99. 102 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 210. 103 Prochno 2006, S. 106. 104 Varchi 2013, S. 213-221. 20

Wichtigkeit des disegno für alle drei Kunstrichtungen. 105 Auch für Jacopo Pontormo ist die Zeichnung das Fundament für sowohl die Malerei, als auch die Bildhauerei. Mit scherzhaftem Unterton beschreibt Pontormo die Kühnheit des Malers, der nicht nur versucht die Natur, sondern auch Gott selbst zu übertreffen, indem er in der Fläche eine Figur beseelt und lebendig erscheinen lässt. Gott hingegen habe das leichtere Verfahren gewählt, in dem er einen plastisch geschaffenen Menschen belebte.106 Damit schwächt er das geläufige Argument der Bildhauer, das den Schöpfungsakt mit dem Erschaffen einer Statue gleichsetzt und lenkt die Überlegenheit in Richtung der Malerei. Agnolo Bronzino bemüht sich um die gerechte Erörterung und Anerkennung der Leistungen und Schwierigkeiten beider Kunstrichtungen, obgleich er schon zu Beginn betont, dass er sich „[…] wahrlich der besseren Seite zuwende, nämlich der Malerei.“ 107 Trotz anfänglich sorgfältiger Auseinandersetzung mit dem Thema, bricht sein Brief abrupt ab und bleibt unvollendet.108

Als krönender Abschluss, wie bereits erwähnt, folgt ein Statement von Michelangelo. Sein Schreiben ist im Gegensatz zu den Briefen der anderen Künstler mit Abstand am kürzesten. Der theoretische Rangstreit der Künste scheint dem bereits in die Jahre gekommenen Meister kein großes Anliegen mehr gewesen zu sein und er schlägt, nicht besonders ambitioniert, Frieden vor.109 Am Ende entschuldigt er sich mit den Worten:

„Unendlich viele Dinge und noch nie ausgesprochene wären über solche Wissenschaft zu sagen. Doch, wie ich sagte, würden sie zu viel Zeit erfordern, deren ich zu wenig habe, weil ich nicht nur alt bin, sondern mich fast zu den Toten zähle. Deswegen bitte ich, dass Ihr mich entschuldigt, und ich empfehle mich Euch und danke Euch, so viel ich kann, für die zu grosse Ehre, die Ihr mir erweist und die mir nicht gebührt.“110 Erst Michelangelos abschließender Kommentar vervollständigte Varchis Due Lezzioni, denn obwohl er seine Texte bereits im Frühjahr 1547 fertiggestellt hatte und dem Künstler unmittelbar nach der Vollendung weiterleitete, wurden sie erst im Januar 1550 (1549 entsprechend dem stile fiorentino, wonach das Jahr am 25. März begann) publiziert. Als Grund für die lange Verzögerung des Druckes wird Michelangelos verspätete Antwort, die auf Oktober 1549 datiert wird und für Varchi wohl von oberster

105 Varchi 2013, S. 218. 106 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 37. 107 Varchi 2013, S. 222. 108 Varchi 2013, S. 230. 109 Pfisterer 2002, S. 304; siehe auch Dundas, Judith, The paragone and the art of Michelangelo, in: The sixteenth century journal, 21, Kirksville 1990, S. 87-92. 110 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 278. 21

Priorität war, angesehen. 111 In der Literatur ist häufig zu lesen, dass Michelangelos knappe Äußerung für Varchi enttäuschend gewesen sei, nachdem er doch dem Künstler seinen Text zur Vorlesung umgehend zukommen ließ und erst zwei Jahre später das Antwortschreiben erhielt. Eine diesbezügliche Äußerung Varchis ist jedoch nicht belegbar.112

Insgesamt reflektieren die Antwortschreiben der Künstler die Argumente beider Seiten, die bisher und auch zeitgleich in Kunsttraktaten gesammelt wurden. Varchi versuchte im Rahmen seiner Vorlesung die Argumente der Künstler zu ordnen und gegeneinander abzuwiegen. 113 Als Lösung schlägt auch er am Ende die Gleichrangigkeit vor. 114 Er kommt zur philosophischen Erkenntnis, dass trotz aller Unterschiede Maler und Bildhauer in ihrer Tätigkeit mit gleichem Ehrgeiz denselben Zweck erfüllen: die bestmögliche Nachahmung der Natur. Ausschließlich die Art der Umsetzung würde differieren, jedoch basieren beide Künste auf dem disegno und seien in ihrer Nobilität gleichwertig.115

II.4. Giorgio Vasaris Proemio di tutta l‘opera, Vorrede des Gesamtwerks seiner Künstlerviten, 1550/1568

Giorgio Vasaris die Kunstgeschichte nachhaltig prägendes Werk Vite de’ più eccellenti pittori scultori e architettori, meist als Le Vite abgekürzt, wurde erstmals 1550 publiziert und erschien 1568 in einer umfangreicheren überarbeiteten Edition. Vasari beschreibt den Entwicklungsprozess der Künste in Form von insgesamt 159 Lebensbeschreibungen von Künstlern, die er in drei Phasen unterteilt: beginnend mit der Generation Cimabues und Giottos, über Brunelleschi, Donatello und Masaccio, bis hin zu Leonardo, Raffael und an oberster Stelle dem „göttlichen“ Michelangelo.116

111 Bätschmann/Weddigen 2013, 51f. 112 Prochno-Schinkel, Renate, Ein Streit der nicht enden will: Zwei Neuerscheinungen zum Paragone, in: Kunstchronik 67, Nürnberg 2014, S. 303. 113 Barocchi, Paola, Der Wettstreit zwischen Malerei und Skulptur. Benedetto Varchi und Vincenzio Borghini, in: Ars et scriptura, hg. v. Hannah Baader u.a., Berlin 2001, S. 94. 114 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 42. 115 Hessler, Christiane J., Maler und Bildhauer im sophistischen Tauziehen. Der Paragone in der italienischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts, in: Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, hg. v. Ekkehard Mai, Kurt Wettengl, Ausst.-Kat., Haus der Kunst München 2002, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud Köln 2002, Wolfratshausen 2002, S. 91. 116 Burioni, Matteo, Giorgio Vasaris Vite, in: Handbuch Rhetorik der Bildenden Künste, Bd. 2, hg. v. Wolfgang Brasser, Berlin – Boston 2017, S. 270. 22

Neben einer Widmung an Cosimo I. de’ Medici (1519 – 1574), einer theoretischen Einführung in die Künste, einem Schlusswort an die Künstler und Leser, ist den drei Textteilen, sowie dem Gesamtwerk, jeweils ein Proömium vorangestellt. Vasari hielt es für richtig, im Proemio di tutta l’opera, der Vorrede zum Gesamtwerk, auf den Gattungsstreit einzugehen und die wichtigsten Argumente beider Seiten vollständig aufzulisten. Als Teilnehmer der Künstlerumfrage konnte Vasari den aktuellen Stand der Diskussion um den Paragone bei Benedetto Varchi finden, der bereits 1547 im Rahmen seiner Lektionen an der Accademia Fiorentina den Streit zu schlichten versuchte.117 Einige Passagen seiner Vorrede deuten darauf hin, dass Vasari neben Castigliones Cortegiano auch Leonardos Manuskripte, sei es in Originalform oder als Kompilation, bekannt waren. 118 Durch Varchis Umfrage kristallisierte sich allmählich ein Lösungsansatz der Streitfrage heraus, indem der disegno als Grundlage aller Künste bezeichnet wurde.119 Auch Vasari beschreibt im Vorwort zur zweiten Auflage seiner Viten von 1568 die Disziplinen Malerei, Bildhauerei und Architektur als gleichwertige Töchter des Vaters disegno und lenkt damit erneut in eine versöhnliche Richtung.

„Und so sage ich, daß Skulptur und Malerei in Wahrheit Schwestern sind, die von einem Vater – dem disegno – abstammen und aus einer Geburt zugleich hervorgegangen sind; demnach übertreffen sie sich nicht gegenseitig, wenn nicht durch die Fähigkeit und Kraft der in ihnen tätigen Künstler der eine den anderen hinter sich läßt, keinesfalls aber aufgrund eines Unterschieds oder dem Grad an Adel, der sich tatsächlich in beiden findet.“120

Mit diesem gleichstellenden Konzept der bildenden Künste und dem Hinweis auf ein gemeinsames Fundament im disegno wollte Vasari zu einem Ausgleich der Paragone- Debatte beitragen. 121 Er präzisierte damit die auf Cicero zurückgehende Vorstellung vom allgemeinen Verwandtschaftsverhältnis der Künste. 122 Der disegno wird zum verbindenden Element aller Gattungen, denn er vereint die im Geist geformte Idee mit der Umsetzung und verkörpert somit die Gemeinsamkeit der bildenden Künste. Vasari propagierte bereits im Rahmen von Varchis Künstlerumfrage den disegno-Begriff mit

117 Kurbjuhn, Charlotte, Kontur. Geschichte einer ästhetischen Denkfigur, (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte, Bd. 81) Berlin 2014, S.74. 118 Burioni, Matteo, Einleitung zur Vorrede des Gesamtwerks, in: Giorgio Vasari, Kunstgeschichte und Kunsttheorie. Eine Einführung in die Lebensbeschreibungen berühmter Künstler, neu übersetzt von Victoria Lorini, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Matteo Burioni und Sabine Feser (Edition Vasari), Berlin 2010, S. 39. 119 Pfisterer 2002, S. 261. 120 Vasari 2010, S. 55. 121 Kurbjuhn 2014, S.79. 122 Pfisterer 2002, S. 306. 23 der Absicht, den Paragone aufzuheben und damit die Basis für eine Verbundenheit der Künste im Rahmen einer Akademie zu schaffen. 123 Die Kunstgattungen sollten in diesem Sinne nicht mehr untereinander rivalisieren, sondern sich auf ihre gemeinsame Entstehung aus dem disegno stützen. Dieses Ziel wurde bereits 1563 mit der Gründung der Accademia del Disegno in Florenz erreicht, woraufhin die Rangstreitdebatte abflachte.124

123 Mertens, Veronika, Die drei Grazien. Studien zu einem Bildmotiv in der Kunst der Neuzeit, Wiesbaden 1994, S. 225. 124 Pfisterer 2017, S. 292; siehe auch Bätschmann/Weddigen 2013, S. 59. 24

III. DER PARAGONE IN DEN WERKEN DER KÜNSTLER

Der nun folgende Teil der Arbeit behandelt den markanten Einfluss der theoretischen Debatte auf die künstlerische Praxis. Der Paragone der Künste stellte sich als äußerst prägend für Kunstwerke der Hochrenaissance und besonders des Manierismus heraus. Das vorherrschende Prinzip des Wettkampfs dieser Zeit, sei es mit der Antike, zwischen Künstlern oder Kunstgattungen, führte zur Entstehung künstlerischer Formen, die letztendlich zum Charakteristikum für manieristische Kunst wurden. Die Kunstmetropolen Florenz und Venedig waren Städte der Inspiration, die Künstler dazu anspornen sollten schnellstmöglich Kunstwerke von höchster Qualität zu erzeugen, denn es wimmelte nur so von tüchtigen Malern und Bildhauern, die sich um Aufträge und Prestige bemühten. Auftraggeber und Mäzene regten den Ehrgeiz der Künstler noch bewusst an, da sie sich dadurch schnellere und bessere Resultate erhofften. Der Berufsstand des Künstlers wurde durch die wetteifernde Atmosphäre, vor allem aber durch große Erfolge einiger Berufskollegen auf Trab gehalten. 125 Diese von Rivalität und Wettbewerb geprägte Stimmung sorgte für ein oftmals aggressives Klima zwischen qualifizierten Künstlern an den italienischen Höfen und ließ den Konkurrenzkampf regelrecht zur Norm werden. 126 Aus dieser Norm gingen herausragende Kunstwerke hervor, denn die Künstler waren sich im Klaren darüber, dass sie unter Beobachtung standen und sich im ständigen Vergleich untereinander beweisen mussten. Besonders spannend lässt sich verfolgen, wie medial übergreifend konkurriert wird und d ie theoretische Debatte Eingang in die Köpfe und damit die Kreationen der Künstler findet. Durch die Zusammenstellung abwechslungsreicher Bildbeispiele soll ein exemplarischer Einblick gegeben werden, wie die unterschiedlichen Darstellungen mit den schriftlichen Entwicklungen des Paragone in Verbindung stehen können. Der Einfluss des reflektierenden kunsttheoretischen Diskurses auf das Kunstschaffen führte zu kreativen und innovativen Kompositionen, die in dieser Form ohne den Paragone vielleicht niemals entstanden wären.

125 Chastel 1990, S. 254. 126 Poeschel 2004, S. 92. 25

III.1. Molte vedute: jede Seite wird zur Ansichtsseite

Wie bereits im Laufe dieser Arbeit veranschaulicht wurde, kam es in der Renaissance zu einem Umbruch in der Aufstellung von Skulpturen. Im Gegensatz zur im Mittelalter üblichen Integration in einen architektonischen Kontext, wurde mit der Rückbesinnung auf die Antike die Skulptur aus ihrer Architekturgebundenheit herausgenommen und in freier, von allen Seiten zugänglicher Aufstellung präsentiert. Dadurch rückte das Kriterium der Vielansichtigkeit erheblich in den Vordergrund. 127 Durch die freie Aufstellung wurde jede Seite den Augen des Betrachters zugänglich und somit zur Ansichtsseite. Besonders die Skulpturen des Manierismus wurden so konzipiert, dass alle Seiten von gleichwertiger Bedeutung waren und sie erst durch das Umrunden vollständig erfasst werden konnten. Dort wo sich Skulpturen im Zustand kompliziertester Windungen von zwei oder durchaus mehreren Figuren befinden, wird der Paragone besonders greifbar. Es handelt sich dabei um die Figura serpentinata (lateinisch serpens „Schlange“; italienisch serpentino „schlangenartig“), ein manieristisches Kompositionsschema, in dem sich die Figuren in extremen, schraubenartigen Drehungen befinden. 128 Man wendete sich von der klassischen, statischen Form und der herkömmlichen Frontalität ab und es entstanden ineinander verschlungene Figurengruppen, die sich spiralartig nach oben wenden. Im Idealfall präsentiert eine Skulptur, mittels anatomisch kaum zu bewältigenden Bewegungen, gegensätzliche Ansichten des Körpers, wie beispielsweise Gesicht und Rücken, in simultaner Wahrnehmung. 129 Es handelt sich dabei um die „bewusste Inszenierung bildhauerischer Qualitäten“,130 die ihre Gesamtwirkung erst dann erreicht hat, wenn sie von allen Seiten betrachtet wird und somit das Ideal der Vielansichtigkeit erfüllt.

Es musste jedoch keineswegs jede vielansichtige Skulptur nach dem Prinzip der Figura serpentinata konzipiert sein. Eine Skulptur, die anatomisch korrekt ausgeführt war, die natürlich und belebt wirkte und ein in sich geschlossenes Konzept verkörperte, erfüllte im Cinquecento im Allgemeinen das Kriterium. 131 Als Musterbeispiel für eine von allen Seiten aus gut getroffene Skulptur lobte Vasari Jacopo Sansovinos Bacchus (Abb. 1 – 2), der sich heute im Bargello in Florenz befindet. Dieser sei besonders

127 Prochno 2006, S. 99. 128 Zur Definition der Figura serpentinata siehe Dürre, Stefan, Seemans Lexikon der Skulptur. Bildhauer, Epochen, Themen, Techniken, Leipzig 2007, S. 132. 129 Schnitzler 2007, S. 28. 130 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 286. 131 Prochno 2006, S. 108. 26 wohlproportioniert, präsentiere sich von jedem Blickwinkel aus in einer gelungenen Haltung und strotze vor Lebendigkeit.132 Diese Qualitätskriterien treffen auch in hohem Maß auf die von Benvenuto Cellini geschaffene Statue eines Narziss (Abb. 3) zu, die in der Zeitspanne von 1548 – 1565 entstand. Alessandro Nova betrachtet den Narziss regelrecht als Cellinis praktische Umsetzung seiner kunsttheoretischen Äußerungen im Antwortschreiben an Varchis Künstlerumfrage. 133 Wir wissen aufgrund von Briefen, dass Cellini den aus Rom gesandten griechischen Marmorblock am 15. November 1548 erhielt, ihn jedoch erst 1565 fertigstellte. 134 Der Marmor wurde von Herzog Cosimo I. geschickt, um einen antiken Torso seiner Sammlung restaurieren zu lassen. Ein Brief Cellinis bestätigt den genauen Zeitpunkt der Ankunft und seine Autobiographie lässt uns wissen, dass er sich dafür entschied, das Material lieber für eine andere Statue, nämlich den Narziss, zu verwenden. 135 Beginn und Endphase der Entstehung der Skulptur kollidieren ausgerechnet mit zwei die Paragone-Debatte in Florenz prägenden Ereignissen: den 1547 erscheinenden Due Lezzioni von Benedetto Varchi und den Streitigkeiten innerhalb der neu gegründeten Accademia del Disegno im Rahmen der Planung von Michelangelos Grabmal, die nach dessen Tod 1564 entbrannten und Cellini persönlich betrafen.136 Cellinis Antwortschreiben an Varchis Künstlerumfrage muss an dieser Stelle noch einmal in den Vordergrund gerückt werden: In äußerst provokanter Weise formulierte er das Kriterium der Vielansichtigkeit von acht Ansichtsseiten ausgehend, wonach die Bildhauerei der Malerei sogar um ganze sieben Mal überlegen sei. Er argumentiert mit dem Selbstbewusstsein eines erfolgreichen Goldschmieds, Medailleurs und Bronzebildhauers, der für eine Vielzahl bedeutender Auftraggeber, wie dem Papst und dem König Frankreichs, eine Reihe renommierter Kunstwerke geschaffen hatte.137

Michelangelo, der am 18. Februar 1564 in Rom verstorben war, wurde nach seinem Tod nach Florenz überführt. Ein Begräbnis in Florenz war sein zuvor mehrfach geäußerter

132 Giorgio Vasari, Das Leben des Sansovino und des Sanmicheli mit Ammannati, Palladio und Veronese, neu übersetzt von Katja Lemelsen und Sabine Feser, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Katja Lemelsen und Jessica Witan (Edition Vasari), Berlin 2007, S. 24; siehe auch Prochno 2006, S. 108. 133 Nova, Alessandro, Paragone-Debatte und gemalte Theorie in der Zeit Cellinis, in: Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert, hg. v. Alessandro Nova, Anna Schreurs, Köln u.a. 2003, S. 200. 134 Jonietz, Fabian, Labor omnia vincit?, in: Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450 - 1620), hg. v. Jan-Dirk Müller, Ulrich Pfisterer, Anna Kathrin Bleuler, Fabian Jonietz, Berlin u.a. 2011, S. 645. 135 Nova 2003, S. 198. 136 Jonietz 2011, S. 645f. 137 Morét 2003, S. 204f. 27

Wunsch. 138 Die Mitglieder der Akademie kümmerten sich um die Planung der Trauerfeier und bereits im März traten aufgrund von Uneinigkeiten Feindseligkeiten auf, die ihren Ursprung im Wettstreit zwischen Malern und Bildhauern hatten. Daraufhin wurde entschieden, die Organisation der Festlichkeit zwei Malern, Agnolo Bronzino und Giorgio Vasari, und zwei Bildhauern, Bartolomeo Ammanati und Benvenuto Cellini, aufzutragen. Während die Mehrheit eine spektakuläre Trauerfeier in San Lorenzo im Auge hatte, forderte Cellini eine Feier im kleineren Rahmen im Kapitelsaal der Kirche oder in der Biblioteca Laurenziana. Von dem Zeitpunkt weg, als seine Idee abgelehnt wurde, blieb Cellini in seiner Ehre angegriffen allen Sitzungen fern und intrigierte gegen die vermeintliche Bevorzugung der Maler. 139 Dieser interpersonelle Konflikt im Kontext der Akademie, sowie die Teilnahme an Varchis Umfrage, zählten, Fabian Jonietz zufolge, zu den Kulminationspunkten des Paragone im Cinquecento in Florenz, welche Cellini persönlich betrafen und sich mit den Entstehungszeiten seines Narzisses überschneiden. 140 Sechs Wochen nach Michelangelos Begräbnis publizierte Cellini die kurze Abhandlung Sopra la differenza nata gli scultori e pittori circa il luogo destro stato dato alla pittura nelle essequie del gran Michelangelo Buonarroti 141 , worin er aufs Neue seine Argumente für die Überlegenheit der Bildhauerei niederschrieb. Sein Hauptargument der acht Ansichten der Skulptur wurde gesteigert, indem nun von über hundert Ansichtsseiten die Rede ist.142 Auch Alessandro Nova ist der Meinung, dass durch die zwei Entstehungsphasen von Cellinis Skulptur, in denen zeitgleich die Paragone-Frage in Florenz heftig diskutiert wurde, der kulturelle und theoretische Einfluss der Debatte auf die Konzeption des Narziss seine Wirkung hatte.143 Die Themenfindung stellt sich dabei als entscheidend heraus. Cellinis Narziss ist seit der Antike die erste lebensgroße dreidimensionale Darstellung des Mythos.144 Es wird vermutet, dass die invenzione des Künstlers durch Albertis allegorische Einbettung der Figur in den kunsttheoretischen Disput hervorgerufen wurde. Seit Alberti zählt der ovidische Mythos des schönen Narziss in der Kunsttheorie nämlich zu den Ursprungsmythen der Malerei. In Albertis De Pictura wurde die mythologische Gestalt erstmals zum Erfinder der Malkunst

138 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 61. 139 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 62. 140 Jonietz 2011, S. 645f. 141 Encyclopedia of Italian Literary Studies. A-J Index, hg. v. Gaetana Marrone, Bd. 1, New York 2007, S. 439. 142 Morét 2003, S. 208f. 143 Nova 2003, S. 198f. 144 Nova 2003, S. 199. 28 gekürt.145 Die spiegelnde Wasseroberfläche repräsentiert für Alberti die schöpferische und mimetische Vielseitigkeit der Malerei, welche die Fähigkeit besitzt, in der Fläche die dreidimensionale Wirklichkeit wieder aufleben zu lassen. 146 Laut Nova kann man davon ausgehen, dass Cellini das Traktat über die Malerei von Leon Battista Alberti kurz zuvor gelesen hatte. Die italienische Übersetzung von Lodovico Domenichi wurde im Februar 1547 in Florenz veröffentlicht.147

In einer Passage seines Briefes an Varchi findet sich eine Anspielung Cellinis auf den Mythos des Narzisses im Sinne von Alberti: „Das Gemälde ist nichts anderes als ein Baum, ein Mensch oder ein anderes Ding, das sich in einem Brunnen spiegelt. Der Unterschied zwischen der Skulptur und dem Gemälde ist so gross wie der zwischen dem Schatten und dem Ding, das den Schatten wirft.“148 Cellini, der sich mit dieser Aussage auf Alberti zu beziehen scheint, würdigt das Spiegelbild zu einem Schatten herab und scheint mit Absicht den Befürwortern der Überlegenheit der Malerei entgegenzutreten. Er verkörpert den Erfinder der Malkunst in einer Statue, die von allen Seiten aus betrachtet werden kann, um damit als Triumph gegenüber der Malerei die Gefahr des gespiegelten Bildes aufzuzeigen, die dem Mythos zufolge, den Tod des Narziss verursachte.149 Es scheint als wäre die gesamte Konzeption der Statue darauf ausgelegt, die Malerei in den Schatten zu stellen. Die nackte Marmorfigur posiert in besonders komplex gedrehter, nahezu tänzerischer Haltung auf einer Mauer sitzend. Obwohl die Figur sich in einer sitzenden Position befindet, sind die Beine in dynamischer Schritthaltung auf den Stufen der Mauer abgelegt. Der Oberkörper ist aufrecht und er stützt sich mit seinem ausgestreckten rechten Arm auf der Mauer ab. Der Kopf ist nach rechts unten geneigt, den Blick auf seine Hand gerichtet. Der linke Arm umrahmt seinen Kopf, die Hand fasst in seine dichte Lockenpracht, wodurch die Drehung des Körpers noch betont wird.

Da die Skulptur vermutlich als Teil eines Brunnens geplant war, hätte die Wasserfläche des Brunnenbeckens die Spiegelfläche geboten, in welcher sich auch das Bäumchen an der Rückseite der Mauer gespiegelt hätte. 150 Cellini schlägt hier die Malerei mit ihren eigenen Mitteln. Mit dem Baum, der Schlange, den Früchten und der Schale integriert

145 Pfisterer 2001, S. 308. 146 Pfisterer 2001, S. 328. 147 Leon Battista Alberti, Della Pittura, übers. v. Lodovico Domenichi, 1547, Venedig. Siehe hierfür Nova 2003, S. 199; Bätschmann 2017, S. 265. 148 Varchi 2013, S. 277. 149 Capriotti 2017, S. 71. 150 Haiduk 2008, S. 122. 29 er narrative Details, was traditionell als Stärke der Malerei gilt. 151 In diesem Sinne können die Einzelaspekte rund um das zerfallene Mauerwerk, welches als Sitzbank der Figur dient, als Äußerung zum Paragone verstanden werden. Die Fugen der Mauer sind durch die daraus hervorwachsenden Pflanzen bereits so weit geöffnet, dass die Schlange leicht hindurch kriechen kann. Jonietz zufolge wird dem Betrachter dadurch die Vergänglichkeit des menschlichen Schaffens vor Augen geführt, also eines der Hauptargumente im Kontext des Wettstreits gegen die Malerei. 152 Mit der Transformation der Skulptur in eine historia, bestätigt sich eine der vielen Paradoxien der Geschichte des Paragone, dass der Bildhauer die Mittel der Maler anwenden muss, sodass seine Skulptur wie eine Bildszene wirke, um diese zu übertreffen.153

Cellinis Narziss war kein Auftragswerk, sondern es handelt sich dabei um eine freie, kreative Kunstausübung ohne Bezahlung. Nach eigenen Angaben arbeitete der Künstler dafür vermehrt an Feiertagen oder nachts. Wie bei Jonietz treffend geschildert, handelt es sich bei dieser bewussten Verlegung des Schaffensprozesses in die Freizeit des Künstlers um ein augenfälliges Unterscheidungsmerkmal von freier Kunstausübung im Vergleich zu handwerklicher alltäglicher Auftragsarbeit eines Bildhauers. Die Nachtarbeit, sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen war nicht selten verboten und hatte strenge Sanktionen zur Folge, da sie mit dem Vorwurf der Häresie in Verbindung gebracht werden konnte.154 Wenn nun ein Bildhauer in unterschiedlichen Schriftquellen demonstrativ darauf hinweist, die Arbeit ohne Aussicht auf Entlohnung und eindeutig außerhalb seiner Arbeitszeit zu verrichten, sollte dies zur Aufwertung der Tätigkeit beitragen, indem es die negative Wertung der Arbeit als reine handwerkliche Tätigkeit ausbalanciert und zudem die als unedel betrachtete Motivation des Gelderwerbs entkräftet.155 Dies führt zu einer Inszenierung der Staue als ars liberia, im Gegensatz zu Arbeit im eigentlichen Sinne.156

Im Gesamtbild aus Cellinis Texten und dem Narziss geht hervor, dass Cellinis Auffassung der Kunsttheorie in seinen Werken zur Umsetzung kommt und dass die

151 Haiduk 2008, S. 122. 152 Jonietz 2011, S. 651. 153 Nova 2003, S. 200. 154 Jonietz 2011, S. 651f; siehe auch Schiepek, Hubert, Der Sonntag und kirchlich gebotene Feiertage nach kirchlichem und weltlichem Recht. Eine rechtshistorische Untersuchung (phil. Diss. München 2001), Frankfurt am Main u.a. 2003, S. 233-269. 155 Jonietz 2011, S. 651f. 156 Jonietz 2011, S. 656. 30

Diskussion über den Primat der Künste ihn auf seinem Schaffensweg als Bildhauer begleitete.

In der Tradition des Paragone wird der Bildhauerei aufgrund der Vielansichtigkeit die größere difficoltà und in diesem Zuge der Vorrang zugeschrieben, da die Malerei im Gegensatz dazu nur auf die Darstellung einer Ansicht beschränkt sei. Dieses Argument forderte die Fantasie der Maler. Es musste eine Lösung gefunden werden, um in der Malerei mehrere Ansichten derselben Figur zeigen zu können.157 Im 16. Jahrhundert kursierte in Italien eine Anekdote über Giorgione da Castelfranco (1477/78 – 1510) bezüglich des Rangstreits, die auch in Vasaris zweiter Auflage seiner Künstlerviten erwähnt wurde. 158 Die Geschichte bezieht sich auf das besagte Argument der Vielansichtigkeit. Als Reaktion auf Andrea del Verrocchios hochgelobtes Reiterstandbild des Bartolomeo Colleonis159 malte der von Zorn erfasste Giorgione ein Gemälde eines nackten Mannes, das mehrere Spiegel beinhaltete.160 Mittels der Spiegel konnten die Rück- und Seitansichten gezeigt werden und in einer Wasserquelle malte er eine weitere Spiegelung der Figur in Verkürzung. Giorgiones geistreicher Einfall, die verschiedenen Ansichten gleichzeitig in nur einem Gemälde zu vereinen, stellte einen großen Triumph der Malerei dar.161 Der Betrachter musste sich nun nicht einmal mehr von seinem Standpunkt wegbewegen, um die unterschiedlichen Ansichten wahrzunehmen. Das von Vasari beschriebene Werk Giorgiones ist leider nicht erhalten.162 Auch der venezianische Autor Paolo Pino (1534 – 1565) erwähnt das Bild in seinem 1548 erschienenen Dialogo di Pittura 163 , dem ersten erhaltenen kunsttheoretischen Traktat in Venedig.164 Pinos fiktiven Dialog über die Malerei führt der Toskaner Fabio mit seinem venezianischen Freund Lauro, die sich für die jeweilige Stärke ihrer Region, dem florentinischen disegno und dem venezianischen colorito, stark machen, und auch auf die Verschiedenheiten und die Überlegenheit der Gattungen zu sprechen kommen. Der Gattungswettstreit, der bei Pino schon weitgehend für die

157 Prochno 2006, S. 101. 158 Vasari 2008, S. 17. 159 Andrea del Verrocchio, Reiterdenkmal des Bartolomeo Colleoni, 1479-88 [1496], Bronze, Venedig, Campo SS. Giovanni e Paolo. 160 Hecht, Peter, The paragone Debate: Ten Illustrations and a Comment, in: Simiolus, 14 (2), Apeldoorn 1984, S. 126. 161 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 18. 162 Schnitzler 2007, S. 27. 163 Paolo Pino, Dialogo di Pittura, Venedig 1548. Originalversion in Italienisch als Digitalisat verfügbar unter https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00014796/images/index.html?seite=00001&l=de [Stand 30.04.2020]. 164 Pfisterer 2002, S. 309. 31

Malerei entschieden ist, wird um eine Facette reicher, denn es stellt sich die Frage, wem unter den Malern der oberste Rang zusteht. 165 Sein Werk stellt im venezianischen Raum eine wichtige Grundlage für die Kunst im Paragone dar, denn durch seine Publikation breitete sich der Wettstreit vom Hauptaustragungsort Florenz auch in Venedig aus.166 Der bei Vasari erwähnte ignudo im Bild wird in Pinos Vorlage als heiliger Georg in Rüstung beschrieben167, wodurch der Wahrheitsgehalt der Quellen in der Forschung teils auch vehement in Frage stellt wird.168 Geht man von der Existenz der Darstellung aus, bildet das Werk Giorgiones in Italien eine Art Archetyp für das Spiegelmotiv im Bild. 169 Giorgione war allerdings nicht der erste Maler, der in seinen Werken Spiegelungseffekte anwendete. Das Motiv des Spiegels taucht bereits bei den Niederländern, beispielsweise bei Robert Campin (um 1375 – 1444) und Jan van Eyck (um 1390 – 1441) auf. Die venezianischen Maler standen im Vergleich mit anderen italienischen Kunstschulen unter dem größten Einfluss der niederländischen Malertradition und waren demnach die ersten, die das Spiegelmotiv frei von symbolischem Gehalt in ihre Bilder aufnahmen.170 Ob in der altniederländischen Kunst ein Zusammenhang mit dem Paragone besteht, lässt sich bis heute nicht nachweisen und stellt die Forschung vor große Fragen. 171 Renate Prochno sieht weniger ein Wetteifern der Gattungen, sondern vermutet vielmehr ein experimentelles Austesten der Grenzen des Bilderrahmens.172 Wenn die alten Niederländer sich mit der Malerei im Paragone beschäftigten, dann, laut Prochno, „weniger in Konkurrenz mit der Skulptur, sondern im Nachdenken, über die Grenzen und Möglichkeiten des eigenen Mediums mit Blick auf sich selbst“.173 Die nordischen Maler versuchten durch die Einbindung eines Spiegels auch das außerbildliche Geschehen mit dem Bildinhalt zu verknüpfen und den Bildraum zu erweitern. In Italien konzentrierte man sich dagegen gezielt darauf, zusätzliche Ansichten zu zeigen, die sich auf das bildinterne Geschehen

165 Kunstliteratur der Neuzeit. Eine kommentierte Anthologie, hg. v. Christian Vöhringer, Darmstadt 2010, S. 68. 166 Deiters 2002, S. 20f. 167 Vöhringer 2010, S.69. 168 Helke, Gabriele, Giorgione als Maler des Paragone, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 1, Wien 1999, S. 63, siehe auch Hessler 2014, S. 143; siehe auch Giovanni Gerolamo Savoldo und die Renaissance zwischen Lombardei und Venetien. Von Foppa und Giorgione bis Caravaggio , hg. v. Sybille Ebert-Schifferer, Ausst.-Kat., Schirn Kunsthalle Frankfurt 1990, Mailand u.a.1990, S. 66f; siehe auch Hessler 2002, S. 91. 169 Ausst.-Kat. Frankfurt 1990, S. 67. 170 Deiters 2002, S. 46f. 171 Näheres hierfür folgt in Kapitel III.3. 172 Prochno 2006, S. 103. 173 Prochno 2006, S. 103. 32 beziehen. 174 Gewiss hatten die Spiegel in den Bildern Jan van Eycks und seines Umkreises auch die Intention, mehrere Blickwinkel als die reine Frontalansicht zu bieten, jedoch lässt es sich nicht auf einen Wettstreit mit der Bildhauerei zurückführen, wenn für die derzeitige die Maler umgebende Kultur kein Gedankengut eines Rangstreits der Kunstgattungen belegt ist.175 In den Niederlanden waren die bildenden Künstler, im Gegensatz zu den Italienern, nicht aktiv an einem derartigen schriftlichen Diskurs beteiligt, weshalb die Frage aufkommen kann, ob zu dieser Zeit ein nicht- literarischer Rangstreit überhaupt existiert hat. 176 In den Bildern des 16. Jahrhunderts in Italien sind gemalte Spiegel jedoch ein häufiges Indiz für die Paragone-Debatte. Indem durch die Spiegelung eine weitere Ansicht der dargestellten Szene preisgegeben wird, soll das Argument der Vielansichtigkeit entkräftet und auf die Vormachtstellung der Malerei gegenüber der Bildhauerei hingewiesen werden.

Der Begriff Paragone in Verbindung mit der Deutung von Kunstwerken wird in der Forschung teils sehr exzessiv und beinahe inflationär für sehr unterschiedliche Phänomene verwendet und kann zu einem höchst umstrittenen Thema werden.177 Die große Herausforderung liegt im überzeugenden methodischen Nachweisen des Zusammenhangs der Bildnisse mit der Debatte. Eine vorschnelle Verbindung von Spiegelungen, oder gemalten Skulpturen in Gemälden mit dem kunsttheoretischen Diskurs, muss mit Vorsicht betrachtet werden, denn nicht jede derartige Darstellung darf als Statement des Künstlers zur Rangstreitdebatte beurteilt werden. Gerade Spiegel und Spiegelungen lassen sich in Verbindung mit Selbsterkenntnis, Erotik, oder dem forcierten Demonstrieren von technischem Können unabhängig vom Paragone aufschlussreich erklären. Nicht in jedem Fall handelt es sich dabei um in die Praxis umgesetzte Kunsttheorie. 178 In einem Gemälde erfüllt ein Spiegel gewöhnlich die Funktion, Dinge zum Vorschein zu bringen, die für den Betrachter normalerweise nicht sichtbar wären. Leonardo erwähnt in seinem Traktat den Spiegel als Metapher für die Malerei. Wie ein Spiegel, soll die Malerei das Abbild der sichtbaren Wirklichkeit wiedergeben.179 Der Spiegel repräsentiert das Idealbild der Mimesis und die Aufgabe der Malerei war es nun, die Natur so abzubilden, dass sie den Eindruck erweckt real zu

174 Deiters 2002, S. 47. 175 Kemperdick, Stephan, Helldunkel statt Farbe. Sind niederländische Grisaillemalereien eine Schwierigkeit oder eine Leichtigkeit?, in: Chiaroscuro als ästhetisches Prinzip. Kunst und Theorie des Helldunkels 1300 – 1550, hg. v. Claudia Lehmann u.a., Berlin 2018, S. 65. 176 Kemperdick 2018, S. 63. 177 Pfisterer 2017, S. 283. 178 Pfisterer 2017, S. 297. 179 Leonardo 1882, S. 401. 33 sein. Außerdem wird von Leonardo jedem Maler empfohlen, sein Gemälde über einen Spiegel zu betrachten und die Spiegelung präzise zu studieren. 180 Nur wenn das Spiegelbild wie eine Spiegelung der Natur erscheint, ist das Gemälde als gelungenes Werk zu betrachten. 181 Der Spiegel galt also auch als eine Art Wirklichkeits- und Talentmesser.

Giorgiones Bild vom heiligen Georg nahm laut Pinos und Vasaris Überlieferungen direkt Bezug zum Paragone. Es handelte sich dabei wohl um eine persönliche Stellungnahme zu den unendlichen Möglichkeiten des Mediums Malerei. Bei vielen anderen Gemälden mit Spiegelungseffekt ist der Zusammenhang nicht ganz so offensichtlich, oder oftmals auch nur in einem Detail versteckt. Es folgen Fallbeispiele, deren Zusammenhang mit der Rangstreitdebatte in der Forschung den höchsten wissenschaftlichen Zuspruch erhalten. Wie bei der Streitfrage, ob Giorgiones Gemälde wirklich existierte, sei an dieser Stelle ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass ein Deutungsansatz im Sinne des Paragone auf die Kritik anderer Kunsthistoriker stoßen kann. Dieser Nebeneffekt ergibt sich durch den nahezu unüberschaubar gewordenen Forschungsstand des Themas und die Weitläufigkeit des Begriffs. Dementsprechend ist es wichtig, die Anhaltspunkte genauestens zu untersuchen und plausibel zu argumentieren.

Giovanni Girolamo Savoldos (um 1480 – 1548) Mann in Rüstung zwischen zwei Spiegeln (Abb. 4) wird als eine Reaktion auf Giorgiones verschollenes Werk oder als dessen Nachahmung verstanden. Es entstand vermutlich um 1527/30 und befindet sich in der Gemäldegalerie des Pariser . Das Werk zeigt das Porträt eines seitlich an einem hölzernen Tisch sitzenden Mannes in glanzvoller Rüstung, der seinen rechten Unterarm an der Tischkante abstützt. Seinen linken Arm hat er erhoben und deutet, in den Bildraum führend, auf einen großen gerahmten Spiegel im Hintergrund. Der Dargestellte hat sein Antlitz leicht zu seiner Rechten geneigt und blickt mit ernster Miene aus dem Bild heraus. Sein Gesicht ist von seiner mittelbraunen Haarpracht und einem Vollbart umrahmt. Unter seiner Kleidung aus rotem und braunem Samt blitz der Kragen eines weißen Unterhemds hervor. Darüber trägt er einen glänzenden Brustpanzer, an dem auf der linken Seite ein Schwert befestigt ist. Die Einzelheiten des Innenraumes, in dem sich der Protagonist befindet, erschließen sich anhand der Spiegel

180 Leonardo 1882, S. 399. 181 Fehrenbach 1997, S. 63; siehe auch Kacunko, Slavko, Spiegel – Medium – Kunst. Zur Geschichte des Spiegels im Zeitalter des Bildes, München 2010, S.207. 34 im Hintergrund. Es handelt sich dabei um einen karg eingerichteten Raum mit Vorhängen und senkrechten Holzbalken, die auf den ersten Blick mit den Rahmen der Spiegel zu verschmelzen scheinen. Der Holztisch bleibt abgesehen von den abgelegten Teilen der Rüstung leer. Die Rückseite des glänzend polierten Halsschutzes fungiert als weitere Spiegelfläche. Am Ende des Tisches auf der gegenüberliegenden Seite des Mannes, wie durch den Spiegel rechts im Hintergrund sichtbar wird, ragen von oben ein beschriftetes Stück Papier und ein weißer Stab ins Bild herab. Die Raumsituation hinter den Spiegeln ist aufgrund der Schatten für den Betrachter völlig unergründlich. Die Szene wird von einer sich links oben befindlichen Lichtquelle ausführlich beleuchtet. Die Lichtreflexe an den Oberflächen des Samtes und der Rüstung erzeugen einen intensiven Hell-Dunkel-Kontrast. Links am unteren Bildrand befindet sich die Schriftzeile „opera de jouani jeronimo de bressa di sauoldi“. Dass diese Worte vom Künstler selbst stammen ist nicht anzunehmen. Es wird vermutet, dass das Blatt Papier in der rechten oberen Ecke des Bildes ursprünglich als ein die Signatur aufweisendes cartellino diente und dass die Inschrift erst zu späterer Zeit übertragen wurde, um besser lesbar zu sein.182 In der älteren Forschung wurde das Gemälde als Bildnis des Gaston de Foix betitelt. Der Titel beruht auf der Annahme, basierend auf zwei Quellen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, dass es sich um ein Porträt des Neffen Ludwigs XII., Gaston de Foix (1489 – 1512), Herzog von Nemour handelt. 183 Aufgrund der mangelnden Ähnlichkeit mit Vergleichsporträts, beispielsweise der Abbildung des adeligen Heerführers auf seinem Grab, stellte sich die Annahme als falsch heraus.184 Der als Malerstock interpretierte Stab in Kombination mit Bilddetails wie den Spiegeln und der Künstlersignatur eröffnet auch die These, der Protagonist könnte einen Maler demonstrieren, der möglicherweise die Züge Savoldos aufweist. 185 Bereits 1625 wurde das Werk in den Notizen des italienischen Mäzens Cassiano dal Pozzo (1588 – 1657) mit der Rangstreitdebatte der bildenden Künste in Verbindung gebracht. 186 Die den Mann flankierenden Spiegel, die dessen Seiten- und Rückansicht reflektieren und simultan wiedergeben, sprechen die Paragone-Problematik an, und das Werk bleibt in der zeitgleichen Malerei Italiens einzigartig.187 Bei einem nachgewiesenen Aufenthalt in Florenz könnte der Anfang zwanzig jährige Künstler kunsttheoretische Anregungen

182 Martin 1995, S. 11. 183 Martin 1995, S.12-15. 184 Ausst.-Kat. Frankfurt 1990, S. 152. 185 Martin 1995, S. 32. 186 Martin 1995, S. 12. 187 Brucher, Günter, Geschichte der Venezianischen Malerei. Von Giorgione zum frühen Tizian, Bd. 3, Wien u.a. 2013, S. 353. 35 gewonnen haben, die seine späteren Werke beeinflussten. 188 Ältere venezianische Kunsttraktate betonen darüber hinaus Savoldos große Abhängigkeit von Tizian (um 1488 – 1576), der, wie sich noch zeigen wird, in seinem Oeuvre den Rangstreit in mehreren Werken berührt.189

Der Armgestus des Mannes findet im Bild selbst keine Rechtfertigung, sondern betont lediglich die Spiegelung. Die zahlreichen Lichtreflexionen vervollkommnen die ausgesprochen kunstvolle Wiedergabe der Materialien. In keinem anderen Werk Savoldos kommen malerische Qualitäten, die alle in den Spiegelbildern vervielfacht sind, so herausragend zur Geltung wie in diesem Gemälde. 190 Die Licht- und Schattengebung, die Kontraste der glänzenden und reflektierenden metallischen Oberflächen, die weiche Drapierung des Samtes, die dem Stoff eine fast haptische Natur verleiht, die Struktur der Holzrahmen, das eine künstliche Lichtquelle wider strahlende Inkarnat und die weiche Haarpracht sind besonders hervorzuheben. Möglicherweise regte der offenbar mit Ehrfurcht verbundene Auftrag, dessen Umstände leider im Dunklen liegen, den Künstler zu einer solchen mimetischen Höchstleistung an.191 Der spezifische Einsatz des Spiegelmotivs wird letztendlich erst in Verbindung mit dem verlorenen Vorbild Giorgiones und den Theorien Leonardos zuordenbar und begreifbar. Der Zeitraum, in dem Savoldos künstlerisches Schaffen einzuordnen ist, reicht von Leonardos gerade in Kontakt mit der lombardischen Kunst heranreifenden Gedanken zur Mimesis, über die intensive Phase der großen kunsttheoretischen Diskussionen bis zur ersten Ausgabe der Vita Vasaris. Die Bildidee formuliert unmissverständlich einen Bezug auf den Vergleich der bildenden Künste. Mit dem Leitbild Leonardos könnte sich der Künstler in jungen Jahren bereits während seiner Ausbildung, spätestens aber im Rahmen seines Aufenthalts im kunsttheoretischen Zentrum Florenz auseinandergesetzt haben. 192 Andrew John Martin sieht das Werk als eine kritische Stellungnahme des Künstlers zum Wettstreit, eine Infragestellung der Notwendigkeit des Disputs und als eine Selbstreflexion der Malerei.193

188 Martin 1995, S. 63. 189 Martin 1995, S. 65f. 190 Ausst.-Kat. Frankfurt 1990, S.68. 191 Ausst.-Kat. Frankfurt 1990, S.68. 192 Martin 1995, S. 73. 193 Martin 1995, S. 73. 36

Rüstungen oder Teile davon wurden neben gemalten Spiegeln mit großer Beliebtheit als Reflexionsträger in Bildern eingesetzt. 194 Die Darstellung der Kreuzabnahme von Giovanni Antonio Bazzi (1477 – 1549), genannt Sodoma (Abb. 5 – 6), zeigt eine weitere Spiegelung in einem abgelegten Rüstungsteil. Das Gemälde befindet sich heute in der Pinacoteca Nazionale in Siena. Bezüglich der Entstehung des Werks herrscht in der Literatur weitgehend Uneinigkeit, es stammt in etwa aus der Zeit um 1510 - 1513. Der Paragone spiegelt sich hier, im wahrsten Sinne des Wortes, in einem kleinen Detail. Rechts in der unteren Bildhälfte im Vordergrund stehen zwei Soldaten in ein Gespräch vertieft. Der in Rückansicht gezeigte Soldat hat seinen Panzerhandschuh, sowie seinen Helm vor sich am Boden abgelegt. Die Oberfläche des Helms spiegelt das gesamte frontale Abbild des Soldaten, sowie die verzerrte Ansicht des zweiten Soldaten zu seiner Rechten wieder. Im Gegensatz zur Quantität der bildhauerischen Vielansichtigkeit, bedient sich Sodoma hier der Technik des Verbergens (dissimulatio) und bezieht durch diese besondere Qualität der Maler Stellung. 195 Auch wenn Sodomas Werk nicht den gleichen bildlichen Ansatz teilt, wie Savoldos oder Giorgiones Spiegeldarstellungen, beschäftigt ihn hier das gleiche Thema. Die Spiegelung im Helm, wenn auch am Rande seiner Komposition, zeigt sein deutliches Interesse an der Frage der gleichzeitigen Darstellung. Wie Giorgione, verwendet der sienesische Maler, nach der durch Vasari überlieferten Version, einen Teil der Rüstung um den Spiegeleffekt zu erzeugen. Im Gegensatz zu Giorgione, ist Sodoma mit einer einzigen Reflektion zufrieden. Der sienesische Maler scheint bewusst den miniaturisierenden Charakter der Spiegelung am Rande der Komposition zu wählen und integriert sie damit in ein religiöses Gemälde, ohne den tragischen Gehalt der Szene zu überschatten und die Debatte des Paragone in den Vordergrund zu stellen.196

Im Raum Venedig entstand ein Darstellungstypus, der unbekleidete idealschöne Frauen, häufig die Göttin Venus, bei der Toilette zeigt, während sie sich im Spiegel betrachten. Durch die Einbindung von einem oder mehreren weiteren Spiegeln, werden die Kompositionen durch eine zusätzliche Ansichtsseite, meist die Rückseite der Figur ergänzt. Dieser Aufbau des Bildes stellt die Forschung vor einige Fragen und durch die Spiegelsituation kommt wiederholt die Annahme auf, dass es sich dabei um eine Anspielung auf den Paragone handelt. Der Spiegel als Attribut der Venus wäre vorerst

194 Martin 1995, S. 37. 195 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 92. 196 Hendler 2013, S. 116. 37 nichts Ungewöhnliches – jedoch wurden aus dem ursprünglich kleinen Handspiegeln plötzlich großformatige Spiegel, die eine Figur in voller Größe und Schönheit zu zeigen vermögen. 197 Seit Beginn des Cinquecento gab es in Venedig nachweislich eine hochentwickelte Spiegelindustrie. Mit dem Sitz einer der bedeutendsten Glasmanufakturen blieb die Stadt in der Produktion von Spiegeln bis ins 18. Jahrhundert führend.198 Es wurden flache Spiegel unterschiedlichster Art hergestellt und zudem herrschte ein großes Interesse an antiken Spiegeln, deren aufwändige Dekorationen häufig als Vorlage für die venezianische Malerei dieser Zeit dienten.199 Giovanni Bellini (1433 – 1516), Tizian und deren Zeitgenossen waren mit der Bedeutung des Spiegels im Sinne Leonardos, der die bildende Kunst als Spiegel der Natur verstand, als Metapher für die Nachahmung der Natur vertraut. Zudem kommen durch den Spiegel Ansichten zum Vorschein, die ansonsten verborgen blieben. 200 Das sich im Kunsthistorischen Museum Wien befindliche Gemälde Giovanni Bellinis, Junge Frau bei der Toilette (Abb. 7), fertigte der bereits über 80-jährige Künstler 1515, ein Jahr vor seinem Tod. Es handelt sich dabei um die Darstellung eines idealschönen, weiblichen Aktes in Halbfigur mit Ausblick auf eine hügelige Landschaft. Die besinnliche Szene in klaren Farben mit harmonischem Lichteinfall zeigt die junge Frau, deren Scham durch ein drapiertes Tuch bedeckt ist, in einem Innenraum auf einer Bank vor einem geöffneten Fenster platziert. Die Sitzfläche ist mit einem gemusterten Stoff belegt. Sie blickt in einen kleinen Rundspiegel, den sie in ihrer rechten Hand hält. Mit der linken Hand arrangiert sie ihre Kopfbedeckung, ein gemustertes Tuch mit Perlenverzierung. Ihr goldrotes Haar entspricht der venezianischen Mode der Zeit. Auf der Sitzbank am rechten unteren Bildrand befindet sich ein cartellino mit der Signatur „Johannes bellinus faciebat M.D.X.V“ und einem Zitat des antiken Malers Apelles.201 An der dunkelgrünen Wand im Hintergrund ist ein weiterer runder Spiegel angebracht, der Teile der Rückansicht ihres Kopfes zum Vorschein bringt. Am Fenstersims steht ein gläsernes Gefäß mit grünen Trauben. Durch das offene Fenster links im Hintergrund, ergibt sich der Blick auf eine kleine Ortschaft mit Türmchen vor einer weiten Berglandschaft. Der linke nach hinten gebeugte Arm ist hinsichtlich seiner Proportion auffallend unstimmig. Er wirkt viel zu groß geraten und das Inkarnat ist stärker

197 Prochno 2006, S. 110. 198 Schäpers, Petra, Die junge Frau bei der Toilette. Ein Bildthema im venezianischen Cinquecento, (phil. Diss. Bochum 1994), Frankfurt am Main u.a.1997, S. 81. 199 Schäpers 1997, S. 41. 200 Schäpers 1997, S. 81. 201 Bischoff, Cäcilia, Meisterwerke der Gemäldegalerie (Kurzführer durch das Kunsthistorische Museum, Bd. 5), Wien 2006, S. 68. 38 abgedunkelt, als bei den übrigen Körperteilen. Petra Schäpers vermutet dahinter einen Restaurierungsfehler, auch wenn Röntgenuntersuchungen die Frage leider nicht aufklärten.202 Bellinis anmutendes Gemälde gilt als die erste profane Aktdarstellung in Venedig, die ohne biblischen, mythologischen oder moralischen Hintergrund als Hommage an die weibliche Schönheit angesehen wird.203 Eine nackte Frau als diese selbst zu präsentieren, ohne mythologische oder allegorische Legitimation, war in der Kunst des frühen 16. Jahrhunderts noch sehr ungewöhnlich, aber durchaus möglich.204 Das Werk hatte demnach großen Einfluss auf die folgende Malergeneration, insbesondere auf seinen Schüler Tizian, die den weiblichen Akt für die Malerei neu entdecken und das Bildthema weiter aufgreifen. Eine weitere Besonderheit ist das vermutlich erstmalige Auftauchen eines flachen Spiegels in der italienischen Malerei. Selbst wenn wir Giorgiones verlorenes Gemälde als möglichen Präzedenzfall für solch eine innerbildliche Reflexion betrachten, handelt es sich definitiv um eine Premiere in der Arbeit von Giovanni Bellini. 205 Die Darstellung wirft ein breites Spektrum an Deutungsansätzen auf, was vor allem auf die mangelnden Attribute zurückzuführen ist. Die ikonographisch deutbaren Einzelheiten der Komposition beschränken sich auf die Nacktheit der Figur, ihren Armgestus, die Spiegel und das Umfeld der Szene.206 Gerade diese Interpretationsoffenheit macht es in der Forschung zu einem vieldiskutierten Werk. Die Isolation der Nackten aus einem narrativen Kontext rückt die Ästhetisierung des nackten weiblichen Körpers in den Vordergrund und lässt diese zum eigentlichen Bildthema werden. 207 Im Rahmen der Thematik um die weibliche Schönheit scheint auch der Vanitasgedanke mitzuspielen. Die junge Frau mit dem Spiegel ist in die Pflege ihrer – eben vergänglichen – Schönheit versunken, oder dient das Vanitasmotiv lediglich zur Legitimation der Darstellung der Nacktheit? Zusätzlich wird durch die unbekleidete Frau mit dem Spiegel auf Darstellungen der Venus in der antiken Skulptur verwiesen.208

202 Schäpers 1997, S. 67f. 203 Bellini, Giorgione, Tizian und die Renaissance der venezianischen Malerei, hg. v. Wilfried Seipel, Ausst.-Kat., National Gallery of Art, Washington D.C. 2006, Kunsthistorisches Museum Wien 2007, Wien 2006, S. 219. 204 Schäpers 1997, S. 82f. 205 Hendler 2013, S. 109. 206 Schäpers 1997, S. 80. 207 Hammer-Tugendhat, Daniela, Jan van Eyck: Eine Autonomisierung des Aktbildes und Geschlechterdifferenz, in: Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, hg. v. Anja Zimmermann, Berlin 2006, S. 88. 208 Martin 1995, S. 56. 39

Die Entstehung des profanen Aktbildes wurde abermals von Jan van Eyck maßgeblich mitbestimmt. Vor allem durch das Einbringen des Spiegelmotivs in die Malerei lieferte er auch der Aktdarstellung ausschlaggebende neue Impulse. Seine profanen Aktmalereien sind leider nicht erhalten und man weiß nicht, wie viele derartige Arbeiten der Künstler geschaffen hatte. Deren Existenz ist jedoch durch zwei Kopien, sowie durch die Schrift De viris illustribus209 des Humanisten Bartholomaeus Facius (1400 – 1457) überliefert. 210 Eine Kopie Jan van Eycks sogenannter Frau bei der Toilette (Abb. 8) stammt vermutlich noch aus dem 15. Jahrhundert und befindet sich heute im Fogg Art Museum in Cambridge, Massachusetts. Neben den Kopien kann Jan van Eycks Werk durch zwei Nachweise in Cornelis van der Geests (1575 – 1638) Sammlung dokumentiert werden: Eine Darstellung seiner Gemäldesammlung vom Maler Willem van Haechts (1593 – 1637) aus dem Jahr 1628, zeigt die besagte Toilettenszene (Abb. 9). Das Werk ist außerdem 1638 im Testament van der Geests als Teil der Sammlung vermerkt. Die Kopien des Gemäldes stimmen größtenteils überein, was ihre Glaubwürdigkeit erhöht. 211 Sie zeigen eine profane Badeszene in einem Innenraum. Im Zentrum der Darstellung befindet sich eine nackte Frau, die nur ihre Scham mit einem Tuch bedeckt hält, und mit gesenktem Blick ihre Hand in Richtung einer vor ihr platzierten Wasserschüssel ausstreckt. Neben der Nackten befindet sich eine bekleidete Frau, die einen Wasserkrug und eine Frucht bereithält, möglicherweise eine Bedienstete. Den beiden Figuren gegenüber befindet sich ein großer Konvexspiegel, der ihre Spiegelungen wiedergibt und somit die Ansichten der Figuren ergänzt. Der Schrift des Bartholomaeus Facius ist die Beschreibung einer weiteren Badeszene mit zwei freizügig gezeigten Frauen und einem Wandspiegel zu entnehmen, wonach durch den Spiegel Vorder- und Rückansicht der Dargestellten preisgeben wurden. 212 Die Besonderheit der überlieferten Darstellungen liegt laut Daniela Hammer-Tugendhat im Ausbrechen der nackten Figur aus einem biblisch oder mythologisch narrativen Kontext, denn selbst im Falle eines symbolischen oder allegorischen Zusammenhangs, ist der nackte Körper im Interieur in außergewöhnlichem Realismus präsentiert, die Profanisierung unübersehbar213 und mit den gesellschaftlichen, ethischen und religiösen Moralvorstellungen kaum zu vereinbaren. Der Spiegel entzieht sich innerhalb der Badeszenen seinen gewohnten

209 Bartholomaeus Facius, De viris illustribus, Neapel 1456. 210 Hammer-Tugendhat 2006, S. 80f. 211 Hammer-Tugendhat 2006, S. 80f. 212 Hammer-Tugendhat 2006, S. 81. 213 Hammer-Tugendhat 2006, S. 83. 40 attributiven Bedeutungen und lässt sich nicht einwandfrei erklären. Hammer-Tugendhat zufolge steht er als „Element der Schaulust“ für die Ästhetisierung des weiblichen Körpers.214 Ihren Überlegungen zufolge, könnten Jan van Eycks Impulse erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Aktmalerei Italiens gehabt haben. Bellinis Junge Frau bei der Toilette wird allgemein als Prototyp der weiblichen Halbaktdarstellungen mit Spiegel gesehen. Dass seine Arbeiten durch die Kunst der Niederländer beeinflusst wurden, kommt in der Forschung mehrfach auf, jedoch wurde besagtes Bild in diesem Zusammenhang bislang nicht untersucht. Hammer-Tugendhat äußert die Annahme, dass eventuell eines der Frauenbäder Jan van Eycks oder auch Hans Memlings (um 1435 – 1494) als Inspiration für Bellinis Gemälde gedient haben könnte. 215 Das von Facius beschriebene Frauenbad befand sich vermutlich zu dieser Zeit bereits in Urbino in Besitz des Ottaviano della Carda, der Neffe und Berater des Federico da Montefeltro (1422 – 1482), dem Herzog von Urbino. 216 Auch Schäpers zufolge kann davon ausgegangen werden, dass Bellini die besagten Bilder womöglich aus eigener Betrachtung kannte, oder zumindest über ihre Existenz informiert war.217

Der Aktdarstellung wird zunehmend eine neue Funktion zuteil: man nutzt die Darstellung des idealschönen weiblichen Aktes um in der Kunstpraxis zu aktuellen Themen der Kunsttheorie Bezug zu nehmen, wie der bellezza, der gratia und dem Paragone.218 Im venezianischen Raum kristallisierte sich mit der Darstellung junger Frauen bei der Toilette ein Bildtypus heraus, der durch die Rezeption antiker Aktfiguren einerseits, vor allem aber durch die Erzeugung unterschiedlicher Ansichten mittels Spiegeln, den kunsttheoretischen Diskurs in ihre Werke integrieren. 219 Bellinis Gemälde liefert ein Vorbild für eine Reihe von Toilettenszenen, das beispielsweise von Tizian, Jacopo Tintoretto (um 1518 – 1594) und Paolo Veronese (1528 – 1588) in variierenden Versionen aufgegriffen und weiterentwickelt wurde. Die Gemälde setzten sich alle mit derselben alltäglichen Begebenheit auseinander: einer zur Gänze, oder nahezu unbekleideten jungen Frau, allein, oder in Begleitung von unscheinbaren Assistenzfiguren, die sich in einem Innenraum in einem oder mehreren Spiegeln betrachtet und meist ihr Haar richtet. Es werden ein oder mehrere Spiegel so positioniert, dass die Frauen die Rückansichten ihrer Frisuren überprüfen können. In der

214 Hammer-Tugendhat 2006, S. 83f. 215 Hammer-Tugendhat 2006, S.88. 216 Hammer-Tugendhat 2006, S. 92, Anm. 24. 217 Schäpers 1997, S. 82. 218 Schäßers 1997, S. 83f. 219 Schäpers 1997, S. 11. 41

Forschung wird aufgrund der Spiegel häufig versucht die Frauen im traditionellen Sinne als Vanitas, Prudentia oder Veritas zu deuten, was jedoch durch die zunehmende Erotisierung nicht einwandfrei dargelegt werden kann. Daher werden die besagten Frauendarstellungen ohne eindeutigen allegorischen Hintergrund, die das Ideal der weiblichen Schönheit verkörpern, unter dem Typus der belle donne zusammengefasst. 220 Die Idealschönheit ist letztendlich das Merkmal, das die unterschiedlichen Darstellungen zusammenführt. Der Paragone wird hinsichtlich der Mehransichtigkeit in die Bilder miteinbezogen, keinesfalls als zentrale Themenstellung, sondern als ergänzende Dimension. 221 Bellinis nicht eindeutige Bildlösung wird von den nachfolgenden Werken Tizians (Abb. 10, 13), Tintorettos und Veroneses (Abb. 14) präzisiert. 222 Die Möglichkeit der Malerei, mittels verschiedener Spiegelsituationen unterschiedliche Ansichten innerhalb eines Bildes zu erzeugen, wurde in der Folgezeit zu einem Topos. 223 In kurzem Rückblick an Giorgiones verschollenes Werk des heiligen Georgs soll noch einmal in den Fokus gerückt werden, dass der Künstler sich sogar die Natur zu Nutzen macht, um sein Anliegen zu vervollständigen. Der Protagonist spiegelt sich in einer Quelle, was ein weiteres Argument für die Malerei zum Ausdruck bringt: die Fähigkeit des Malers, nicht nur die Figur allein, sondern diese in ihrem Ambiente zu zeigen.224 Selbst wenn es sich dabei nur um eine Künstlerlegende handelt, kann davon ausgegangen werden, dass sie den gängigen Diskussionsstoff der Zeit erkennbar werden lässt.225 Neben der Vielansichtigkeit kann in der Malerei Natur und Landschaft, inklusive Nähe und Ferne, ins Bild einbezogen werden. 226 Bellinis Szene zeigt, über die reine Figurendarstellung hinaus, noch den Ausschnitt eines Innenraums, sowie den Ausblick in eine weite Landschaft. Diese Komponenten können als Anspielung auf die Rangstreitdebatte verstanden werden. 227 Bereits vor der Veröffentlichung der größten Paragoneabhandlungen des 16. Jahrhunderts kann davon ausgegangen werden, dass eine Reflexion über diesen Fragenkomplex in der Kunst stattgefunden hat.228 Bellini schuf das Werk mit über 80 Jahren und zeigt damit, dass er auch am Ende seines Lebens noch sehr auf künstlerische Neuerungen achtete. Die

220 Brucher 2013, S. 290; siehe auch Ausst.-Kat. Wien 2006, S.193f. 221 Schäpers 1997, S. 225. 222 Schäpers 1997, S. 236. 223 Schäpers 1997, S. 218f. 224 Schäpers 1997, S. 220. 225 Schäpers 1997, S. 220 226 Schäpers 1997, S. 220. 227 Schäpers 1997, S. 220. 228 Schäpers 1997, S. 220. 42 sanfte Landschaft im Bildhintergrund wirkt neben der noch etwas in der Tradition des Quattrocento verhafteten Frauengestalt äußerst modern und verdeutlicht Bellinis Bezugnahme auf die Werke seines Künstlerkollegen Giorgiones. Martin vermutet aufgrund dieses Vorführens der Qualitäten von venezianischer Malerei eine persönliche Stellungnahme des Malers.229

Mehr oder minder zeitgleich arbeitete Tizian an seiner ersten Darstellung der Toilettenszene. Sein Werk Junge Frau bei der Toilette, oder auch Frau vor dem Spiegel (Abb. 10), entstand in etwa zwischen 1513-1515 und befindet sich im Pariser Louvre. Es zeigt eine idealschöne Frau, die sich zugleich von vorne und von hinten in zwei Spiegeln betrachtet, die ihr ein bärtiger Mann im Hintergrund bereithält. Die Dame erscheint in Halbfigur hinter einer Brüstung, auf der sich nur ein rundes Gefäß befindet. Sie trägt ein weit ausgeschnittenes dunkelgrünes Kleid, das mit einem transparenten Tuch gegürtelt ist. Der weite Ärmel ihres weißen Unterhemds ist rechts zurückgestülpt und gibt ihren abgewinkelten Arm frei, mit dem sie eine breite Strähne ihrer welligen Haarpracht hält. Der Träger ihres Kleides scheint ihr langsam von der linken Schulter zu gleiten, ihr linker Arm ist hingegen bis zur Hand vom herabhängenden Ärmel und zusätzlich von einem blauen Tuch bedeckt. Den kleinen Finger ihrer am runden Gefäß abgelegten Hand ziert ein Goldring. Ihr Kopf ist zur Seite geneigt und sie betrachtet sich in einem rechteckigen Spiegel, der ihr am linken Bildrand entgegengehalten wird. In mühevoller Pose verweilt der unbekannte Spiegelträger in vertrauter Nähe zur Dame, den Blick auf sie gerichtet. Er trägt ein schmuckvolles gemustertes Gewand in kräftigem Rot mit offenbar samtener Stoffbeschaffenheit. Die Spiegelung im großen Rundspiegel im Bildhintergrund ist stark verdunkelt und lässt die Rückansicht der Dame und einen Teil der Seitenansicht des Mannes, sowie andeutungsweise die Möblierung des Raumes, erkennen. Die von links oben ins Bild einfallende Lichtquelle, vermutlich ein Fenster, wird als greller Fleck reflektiert. Der Inhalt der Darstellung geht auch hier über die Schlichtheit einer Toilettenszene hinaus. Die Forschung unternimmt zahlreiche Versuche, die Identität der im Gemälde dargestellten Figuren zu ermitteln. Es entstanden diverse Zuschreibungsversuche an konkrete Persönlichkeiten, von denen sich jedoch keiner bestätigten ließ.230 Filippo Pedrocco spricht von einem regelrechten Wettstreit unter den Kunsthistorikern in Bezug auf die inhaltliche Deutung des

229 Martin 1995, S. 57. 230 Brucher 2013, S. 289. 43

Gemäldes. 231 Keine der spekulativen Identifikationen der Frau als Violante, der Geliebten Tizians, oder Bezüge zu Auftraggebern konnten verifiziert werden. Die Untersuchungen deuten vielmehr darauf hin, dass insbesondere die Frauengestalt in Tizians Gemälde keinen individuellen Porträtcharakter aufweist, sondern ideale Schönheit zur Anschauung bringt. Als Nachweis für diese Annahme, zog man Vergleiche mit anderen Darstellungen des gleichen Bildtypus der halbfigurigen jungen Frau aus dem Oeuvre Tizians heran. Die Darstellungen der Vanitas (Abb. 11) und der Flora (Abb. 12) weisen die identische Haltung des Kopfes, sowie einen stark ähnelnden Gesichtsausdruck auf, und gehören laut Brucher dem gleichen Gesichtstypus an und zählen damit zu den idealschönen Frauendarstellungen, den belle donne.232 Inhaltlich überschreitet die Darstellung das herkömmliche Bildthema einer Toilettenszene, indem sie die deutliche erotische Komponente aufweist, dass die bereits leicht entblößte Frau von einem Mann beobachtet wird, und indem hier ebenso der Vanitasgedanke mitschwingt.233 Rona Goffen zufolge erinnert die Szene an die außereheliche Tradition der höfischen Liebe: Wäre die Frau seine Gattin, würde der Herr ihren Spiegel nicht halten. Vielmehr würde ihre Dienerin diese Pflicht erfüllen. Sie scheint seine Geliebte zu sein und in diesem Zusammenhang wird seine unterwürfige Hilfe zu einem akzeptablen, sogar erwarteten männlichen Verhalten. 234 Die idealschöne Frau dominiert die Komposition. Sie betrachtet ihr eigenes Spiegelbild und betrachtet die Schönheit selbst. Laut Goffen schwingen in dieser Darstellung unterschwellig zwei wesentliche Thematiken mit: die Ikonographie der Sinne, in diesem Fall das Sehen, und der Paragone. 235 Die Spiegel und Spiegelreflexionen antworten stillschweigend mit „Malerei“ auf die rhetorische Frage, welche Kunst die Natur am besten darstellen kann.236

Eine spätere um das Jahr 1555 entstandene Version Tizians Venus vor dem Spiegel (Abb. 13) befindet sich heute in der National Gallery of Art in Washington. Das Gemälde gehört zu den herausragendsten Beispielen der Tradition venezianischer Toilettendarstellungen und wurde bereits von zahlreichen Zeitgenossen kopiert und rezipiert, was die enorme Beliebtheit verdeutlicht. 237 Zudem zählt es zu den wenigen

231 Pedrocco, Filippo, Tizian, übers. v. Ulrike Bauer-Eberhardt, München 2000, S. 101. 232 Brucher 2013, S. 290; siehe auch Ausst.-Kat. Wien 2006, S.193f. 233 Martin 1995, S. 55. 234 Goffen, Rona, Titian’s Women, New Haven u.a.1997, S. 67. 235 Goffen 1997, S. 67. 236 Goffen 1997, S. 71. 237 Schäpers 1997, 111; siehe auch Pedrocco 2000, S. 201. 44

Werken, die sich der Meister bis zu seinem Tod in seinem Besitz behalten hatte. 238 Das Gemälde zeigt die halb entkleidete Venus, die am Rande eines Sofas oder Bettes sitzt, das mit einer gestreiften Decke belegt ist. Sie hat den Blick in einen zu ihrer linken von Amor emporgehaltenen Spiegel gerichtet. Er hat seinen Tragegurt angelegt, der Köcher mit den Pfeilen liegt jedoch zu seinen Füßen. Ein anderer Putto hat seine winzige Hand auf ihrer Schulter abgelegt und in seiner erhobenen Hand hält er einen Blumenkranz. Es macht den Anschein, als möchte er die Göttin damit krönen. In das leuchtend blonde Haar der Venus sind Perlen eingeflochten und sie trägt ein mit Edelsteinen versehenes Haarband. Auch abseits der Frisur trägt sie edlen Schmuck: Perlenohrringe, eine goldene Kette am Handgelenkt, ein mit Edelsteinen besetzter Armreifen und zwei Ringe. Eine unbestimmte Lichtquelle umhüllt die Szene und lässt das Inkarnat der Figuren besonders zart und lebendig erscheinen. Der Oberkörper der Göttin ist entblößt, die eine Brust jedoch hinter ihrem abgewinkelten Arm versteckt. Sie trägt einen prunkvollen roten Mantel mit glänzender Bordüre und Pelzfutter, der ihre Scham und ihre Beine bedeckt hält. Der Hintergrund bleibt dunkel und unbestimmt. Es lässt sich nur im linken oberen Bildrand ein aus dunkelgrünem Samt herabhängender Vorhang erkennen. Die Darstellung der Haare, des Schmuckes und die Beschaffenheit der Stoffe reflektieren das Licht und zeugen von Tizians Virtuosität im Umgang mit den Farben. Die Venus entspricht genau dem derzeitigen neu entstandenen Frauenideal Tizians und seines Umfelds. Der Maler ließ sich dafür von Kunstwerken und Texten aus der Antike inspirieren, insbesondere schien er Beispiele der Venus pudica vor Augen gehabt zu haben, die er während seiner Romreise, aber auch in seiner Heimat Venedig inspizieren konnte. 239 Das Gemälde war kein Auftragswerk und nur einem kleinen Kreis an Menschen, denen Einlass in Tizians Privathaus gewehrt wurde, zugänglich. Irina Artemieva ist davon überzeugt, dass die Entstehung des Bildes von den kunsttheoretischen Begebenheiten der Zeit beeinflusst wurde, die bereits in den Jahren zuvor, aber auch zeitgleich diskutiert wurden. Die Polemik disegno versus colorito wurde in einer neuen Welle entfacht; das Erscheinen der ersten Ausgabe von Vasaris Viten, anderer kunsttheoretischer Publikationen und Tizians Aufenthalt in Rom ließen seinen Kampfgeist möglicherweise wieder aufflammen.240

238 Pedrocco 2000, S. 201. 239 Artemieva, Irina, Die Venus vor dem Spiegel Barbarigo und der Dialogo della pittura von Ludovico Dolce, in: Der späte Tizian und die Sinnlichkeit der Malerei, hg. v. Sylvia Ferino-Pagden, Ausst.-Kat., Kunsthistorisches Museum Wien 2007, Gallerie dell’Accademia Venedig 2008, Wien 2007, S. 226. 240 Artemieva 2007, S. 226. 45

Paolo Veroneses Auseinandersetzung mit dem Thema der Venus vor dem Spiegel variiert bewusst von Tizians Komposition, indem er einen Blick auf die nackte Göttin von hinten bietet.241 Sein Werk Toilette der Venus (Abb. 14) entstand vermutlich um das Jahr 1582 und befindet sich heute im Joslyn Art Museum in Omaha. Die scheinbare Bescheidenheit der Rückansicht wird durch die direkte Begegnung mit dem Betrachter über den Spiegel wieder ausgeglichen. Die Ansichtsseite, die dem Betrachter zuerst vorenthalten scheint, wird auch hier durch die Spiegelung gezeigt.242

Wird der aktuelle Forschungsstand in Betracht gezogen, lässt sich eine von Giorgione, Giovanni Bellini und Savoldo ausgehende Bildtradition erkennen, welche dem Betrachter durch Spiegelungen mehrere Ansichten der nackten oder spärlich bekleideten idealschönen Frau, häufig einer Venus, im Rahmen einer Toilettenszene vorführt. Neben dem eigentlichen Bildthema beinhalten die Werke eine Positionsbestimmung der Malerei im Paragone. Der Spiegel spielt in kunsttheoretischer Hinsicht gleich eine doppelte Rolle: er ermöglicht die molte vedute von einem Gesichtspunkt aus und wird, wie wir es bereits von Leonardo kennen, zum Symbol für makellose Malerei. Weiterführend lässt sich im Spiegel eine erotische Komponente erkennen: Irina Artemieva zufolge, wird sich die Frau bei der Betrachtung ihrer selbst im Spiegel, über die Kraft und Macht ihrer anmutenden Schönheit bewusst und scheint in diesem Moment von ihrem Umfeld vollkommen abgekoppelt zu sein.243

Das Doppelporträt aus dem Würzburger Martin-von-Wagner-Museum (Abb. 15) stammt nach der Zuordnung von Severin Hansbauer aus dem venezianischen Raum aus der Zeit um 1530.244 Das Gemälde des unbekannten Meisters zeigt einen halbfigurigen Mann, der dem Betrachter den Rücken zugewandt hat und seinen Blick in einen quadratischen Planspiegel wirft. Er trägt einen Vollbart. Seine Kopfbedeckung und sein Mantel, unter dem am Kragen und an den Enden der Ärmel ein weißes Hemd hervorblitzt, sind schwarz. Der Mann hat seine Unterarme auf ein Pult gestützt, die linke zum Zeigegestus erhoben und mit der rechten hält er einen Zirkel auf einem Blatt Papier, was ihn als Architekt kennzeichnet.245 Im Spiegelbild tritt ein weiterer Mann zum Vorschein, der sich hinter dem Architekten, außerhalb des sichtbaren Bildraumes

241 Ilchman, Frederick, Titian, Tintoretto, Veronese. Rivals in Renaissance Venice, Ausst.-Kat., Museum of Fine Arts Boston 2009, Farnham 2009, S.186. 242 Ausst.-Kat. Boston 2009, S.186. 243 Artemieva 2007, S. 230. 244 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 353. 245 Morét 2003, S. 212. 46 befinden muss. Er trägt ein braunes Barett und hält einen erhobenen Pinsel, der ihn als Maler ausweist. Der Maler hat den Blick von seiner Leinwand abgewendet und auf sein Motiv im Spiegel gerichtet, das er zu studieren scheint. Auf der linken Seite des Planspiegels ragt ein nicht gänzlich abgenommener Schiebedeckel hervor. Dieser betont die Analogie zu malerischen Porträts, welchen häufig ein in den Rahmen eingefügter Schiebedeckel Schutz bot.246 Die Erstreckung des Raumes hinter dem Planspiegel ist nicht mehr angegeben und der Hintergrund bleibt somit unbestimmt.

Die Forschung sieht in dieser speziellen Form des Doppelporträts ein Abbild der engen Freundschaft der beiden Dargestellten. 247 Die Datierung und Provenienz des Gemäldes liegen im Dunkeln und sind demnach sehr umstritten. Severin Hansbauer ordnet das Werk anhand der Kleidung in die Zeit um 1530 ein, da die gezeigten Hemden mit kurzem Stehkragen und das Barett zu dieser Zeit im gesamten Europa in Mode waren. 248 Als weitere plausible Argumente für diese zeitliche Einordnung führt er Lichtführung und Kolorit an, die er von oberitalienischen Meistern, insbesondere Lorenzo Lotto (1480 – 1557), inspiriert sieht. Überdies spielten Darstellungen mit Spiegeln zu dieser Zeit im venezianischen Raum eine große Rolle, wobei Hansbauer dem Paragone in diesem Zusammenhang noch keine vorrangige Bedeutung zuschreibt.249 Obwohl man wenig über die Intention des Künstlers und Entstehung des Bildes in Erfahrung bringen kann, liegt ein Zusammenhang mit dem Paragone nahe. Durch die Spiegelung entsteht erneut eine simultane Wiedergabe der Vorder- und Rückansicht des Architekten und durch das Erscheinen des Malers im Spiegel wird durch die Vorstellung des Betrachters der Bildraum über die Grenzen der Tafel hinaus erweitert. 250 Der Betrachter nimmt gewissermaßen die Position des Malers ein, der durch die Spiegelung die Vorder- und Rückansicht des Architekten problemlos wiedergeben kann.

Bei dem Porträt der vierjährigen Anna Eleonora Sanvitale (1558 – 1582) handelt es sich um ein Bildnis mit dem Zweck der Brautwerbung (Abb. 16). Das Gemälde zählt zum Spätwerk des aus Viadana stammenden Künstlers Girolamo Mazzola Bedoli (1500 – 1569) und befindet sich in der Galleria Nazionale di . Anna Eleonora Sanvitale gehörte einer der einflussreichsten Familien in Parma an. Sie war die im Jahre 1558

246 Kathke, Petra, Porträt und Accessoire. Eine Bildnisform im 16. Jahrhundert, Berlin 1997, S. 180. 247 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 353; siehe auch Morét 2003, S. 212. 248 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 353. 249 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 353. 250 Morét 2003, S. 212. 47 geborene Tochter des Giberto IV. Sanvitale (1527 – 1585), ehemaliger Geheimsekretär Papst Pauls III. (1468 – 1549), und seiner ersten Frau Livia da Barbiano. 251 Das Gemälde zeigt ein Ganzkörperporträt des jungen Mädchens. Sie trägt ein prunkvolles orangerotes Kleid, das mit reichen Verzierungen versehen ist. Ihren Hals schmückt eine weiße Perlenkette. In der rechten Hand hält sie einen kleinen Blumenstrauß aus Nelken, mit der linken Hand zieht sie den Rock ein wenig nach oben. Im Hintergrund befindet sich ein kostbar gerahmter Spiegel, der, wie ein weiteres Gemälde, die Rückansicht der jungen Dame zum Vorschein bringt. Er gibt die aufwendige Flechtfrisur mit eingebundenen Schleifen zu erkennen. Am Fuße des Spiegels schnuppert ein kleiner Hund am Saum ihres Kleides. Rechts unten befindet sich eine Marmortafel, die mittels folgender Inschrift über den Namen und das Alter der Porträtierten aufklärt: „Anna Leonora Sanvitali del MDLXII l’anno IIII de la sua etate“252. Auf der linken Bildseite schließen eine marmorne Konsole, die eine Sphinx als Karyatide aufweist, und eine Bronzestatuette der Venus die Komposition ab.

Dass es sich um ein Gemälde der Hochzeitsvorbereitung handelt, lässt sich durch die Attribute ablesen: Das die Liebe symbolisierende Rot des Kleides, der Nelkenstrauß und die Perlenkette verdeutlichen, dass es sich um den Kontext einer Verlobung handelt. Der begleitende Hund symbolisiert die eheliche Treue.253 Die Verwendung von Porträts im Rahmen von Hochzeiten der höheren Gesellschaft ist seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar. Üblicherweise wurde dem angehenden Bräutigam ein Bildnis seiner zukünftigen Frau zugesandt, seltener erhielt auch die Frau ein Porträt. Die Übergabe der Bilder erfolgte oft bereits im Kleinkindalter der zu Verheiratenden.254 Dies ermöglichte ein erstes Austauschen der Familien in der Zusammenführung ihrer Kinder als zukünftige Eheleute. Anna Eleonora Sanvitale wurde mit sechzehn Jahren mit dem Grafen Giulio da Thiene (1551 – 1619) verheiratet, woraufhin sie am Hofe der Este in Ferrara von Dichtern und Literaten gerühmt wurde. 255 Es besteht die

251 Deiters 2002, S. 29. 252 Anna Eleonora Sanvitale im Jahr 1562 in ihrem vierten Lebensjahr. 253 Deiters 2002, S. 27. 254 Die Porträt-Kunst der Renaissance. Van Eyck, Dürer, Tizian ..., hg. v. Lorne Campbell u.a., Ausst.- Kat., National Gallery London 2008, Stuttgart 2008, S. 145. 255 Der Glanz der Farnese. Kunst und Sammelleidenschaft in der Renaissance, hg. v. Christoph Vitali, Ausst.-Kat., Palazzo Ducale di Colorno Parma 1995, Haus der Kunst, München 1995, Galleria Nazionale di Capodimonte Neapel 1995, München 1995, S. 228. 48

Möglichkeit, dass das Porträt der Vierjährigen als Brautwerbung für ihren zukünftigen Gatten angefertigt wurde.256

Die erstmalige Erwähnung des Gemäldes in Zusammenhang mit dem Rangstreit zwischen Malerei und Skulptur lässt sich in Lars Olof Larssons Abhandlung über die Vielansichtigkeit in der europäischen Plastik von der Renaissance bis zum Klassizismus von 1974 finden.257 Erst 2002 greift Wencke Deiters Larssons Deutung im Kontext des Paragone wieder auf und untersucht genauer, ob das Werk neben der Funktion als Vermählungsbildes auch die Rangstreitidee beinhaltet. Mazzola Bedoli taucht im Forschungskontext bis dahin größtenteils in Zusammenhang mit seinem prominenten Schwager auf und Bezüge zum Paragone wurden zwischenzeitlich ausgeklammert. Es sind leider keine schriftlichen Zeugnisse in Bezug auf den Wettstreit überliefert. Deiters geht jedoch davon aus, dass der Künstler mit den Lehren Benedetto Varchis vertraut war, da dieser in engem Kontakt mit Parma stand, unter anderem dort studiert und auch gelehrt hatte.258

Auffallend ist die Größe des Planspiegels, der die Rückansicht des Mädchens zeigt und dabei einen großen Teil des Hintergrunds ausmacht. Die Aufteilung des Bildes scheint einem den Paragone von Malerei und Skulptur fast exemplarisch vorzuführen: Zwei Drittel des Bildes zeigen die Vorder- und Rückansicht des Kindes, während das verbleibende Drittel mit der Darstellung der Schwesterkünste Plastik und Skulptur gefüllt ist. 259 Durch diesen Blickwinkel können die gemalten Statuen als Paragone- Mittel gesehen werden, um die Vorrangstellung der Malerei darzulegen. Die Integrierung von monochromen Imitationen von Bildhauerwerken veranlasst zum direkten Vergleich mit den vielseitigen Möglichkeiten der Farbe im Medium Malerei.260 Auch in diesem Bildwerk heben sich die kräftigen abwechslungsreichen Farben des Kleides und der Blumen von der zur Monochromie tendierenden farbigen Gestaltung der plastischen Ausstattung des Gemäldes ab. In der direkten Gegenüberstellung der beiden Gattungen innerhalb des Gemäldes zeigen die Venusstatuette und die Sphinx als bildhauerische Werke nur eine Ansichtsseite, während es der Spiegel ermöglicht, von einem Standpunkt aus zwei unterschiedliche charakteristische Ansichten der

256 Deiters 2002, S. 28f. 257 Larsson 1974, S. 57. 258 Deiters 2002, S. 30f. 259 Deiters 2002, S.31. 260 Näheres hierfür folgt in Kapitel III.3. 49

Porträtierten zu präsentieren. 261 Die Pose der Bronzefigur ergibt sich aus dem Kontrapost in s-förmiger Bewegung. Die auf einem Sockel positionierte Statue hat ihren Blick in einen runden Handspiegel geworfen und weißt durch ihre geschwungene Haltung Züge der Figura serpentinata auf. Petra Kathke zufolge akzentuiert der Handspiegel das durch den Spiegel thematisierte Sehen. 262 In wohlhabenden Häusern gehörten kleine Bronzewerke zur standardmäßigen Inneneinrichtung, daher fügt sich die Statue gut in das gezeigte Ambiente ein. 263 Mittels kleiner Details im Bild wird die Bildhauerei abgewertet: Durch den abgebrochenen Arm und die beschädigte Inschriftentafel wird das von Seiten der Bildhauer gerne genutzte Argument der durabilità entkräftet.264 Laut Deiters stellt Mazzola Bedoli damit die Beständigkeit und Unzerstörbarkeit des Materials infrage und bringt damit die Überlegenheit der Malerei zum Ausdruck.265 Die Skulptur der Venus erblickt im Spiegel zwar ihr Antlitz, dem Betrachter bleibt die Möglichkeit darauf jedoch verborgen. Das Kriterium der Mehransichtigkeit kann in diesem Werk also nur durch die Malerei mit Hilfe der Spiegelung erfüllt werden. 266 Außerdem gelingt dem Künstler eine wirkungsvolle Darbietung der Fähigkeit der Mimesis in der Malerei, indem die Lebendigkeit des Mädchens und des Hundes der toten Materie des Marmors und der Bronze gegenübergestellt wird.

Jacopo Tintorettos Gemälde Vulkan überrascht Venus und Mars (Abb. 17), das den Ehebruch der Göttin Venus thematisiert, entstand im Jahr 1555 und befindet sich heute in der Sammlung der Alten Pinakothek in München. Die dargestellte mythologische Szene spielt sich in einem durch zwei Bleiglasfenster belichteten Innenraum ab. Auf dem prunkvollen Bett links im Vordergrund befindet sich die nackte Venus in seitlicher Lage. Sie stützt sich auf ihren rechten Arm, der auf einem goldenen Kissen aufliegt, während ihr linker Arm über ihrem Kopf nach oben ausgestreckt ist und das Ende ihrer Decke festhält. Ihr Haar ist zu einer schmuckhaften Flechtfrisur hochgesteckt und einzelne Strähnen gleiten ihr über die Schultern und entlang ihres Oberarms. Sie trägt zwei Goldarmreifen und einen Ring am Zeigefinger der rechten Hand. Ihre Scham ist spärlich durch ein weißes Tuch bedeckt, welches der sich in dynamischer Pose befindliche Vulkan einem kurzen Augenblick davor ergriffen hatte. Der Gott des Feuers

261 Kathke 1997, S. 178 262 Kathke 1997, S. 178. 263 Deiters 2002, S. 264 Deiters 2002, S. 45f. 265 Deiters 2002, S. 45. 266 Deiters 2002, S. 38. 50 und der Schmiedekunst ist als stattlicher, äußerst muskulöser Mann mit grauem Bart gezeigt, der einzig ein rotes Stück Stoff um die Hüften gebunden trägt. Sein rechtes Knie und sein rechter Arm sind auf die Bettkannte gestützt und er beugt sich mit dem Oberkörper nach vorne in Richtung Venus. Die Beinhaltung suggeriert, dass er gerade im Begriff ist, ins Bett zu steigen. Mit seiner anderen Hand hebt er das weiße Tuch an, als möchte er darunter etwas suchen. Zu seinen Füßen vor dem Bett kauert ein weiß brauner Hund in wachsamer Haltung auf den schwarzweißgemusterten Bodenfließen. Hinter dem Schmiedegott befindet sich ein Tisch mit dunkelgrünem Tischtuch, auf dem ein Rundspiegel platziert und ein roter Bettüberwurf abgelegt ist. Darunter versteckt sich Mars in glänzendem Helm und Rüstung, der seinen angespannten Blick in Richtung Hund wendet. Der Hund, ein Symbol der ehelichen Treue, wirkt, als würde er in jedem Moment auf den Liebhaber aufmerksam machen. 267 Links hinter Vulkan, vor dem Fenster, befindet sich der auf einer Kommode schlafende Cupido. Am Fenstersims befindet sich ein bauchiges Gefäß aus Glas. Neben den Posen von Venus und Vulkan unterstreicht die offene Türe im Hintergrund die Dynamik der narrativen Szene. Dem Betrachter ist bewusst, was sich innerhalb kürzester Zeit in diesem Raum abgespielt hat. Tintoretto verbindet in seinem Bild in gelungener Weise Spannung und eine gewisse Situationskomik. Während der von Misstrauen erfüllte Vulkan noch das Bett durchsucht, hat der Hund den Kriegsgott längst entdeckt und ist bereits dabei, ihn zu verraten. Dem unterm Tisch kauernden Mars muss wohl bewusst sein, dass seine missliche Lage unmittelbar davor ist entlarvt zu werden.

Die von Tintoretto dargestellte Szene wird in dieser Form in Ovids literarischer Vorlage nicht erwähnt. Die Geschichte rund um das ungleiche Paar Venus und Vulkan, sowie der Ehebruch mit dem Gott des Krieges regte Tintoretto jedoch zu einer äußerst humoristischen Darstellung an, welche keine moralische oder symbolische Botschaft vermitteln, sondern primär der Unterhaltung dienen sollte. 268 Es geht in diesem Gemälde nicht darum, den mythologischen Hergang der Szene zu schildern, denn dieser war dem Publikum bekannt. Der Maler folgte in diesem Fall nicht der langen Tradition von moralisierenden Darstellungen, die den Mangel an Tugendhaftigkeit der Götter aufzeigen sollten. Die Bedeutung liegt in der gewagten Inszenierung von Inhalt und Form: zum einen haben wir die erotische Komponente des nackten Frauenkörpers, die

267 Huse, Norbert/Wolters, Wolfgang, Venedig. Die Kunst der Renaissance; Architektur, Skulptur, Malerei 1460 – 1590, München 1996, S. 374. 268 Larsson, Lars Olof, Antike Mythen in der Kunst. 100 Meisterwerke, Stuttgart 2009, S. 89. 51 satirische Dynamik und das Ganze in doppelter Ausführung, in Referenz auf die Diskussion um den Vorrang der Künste. 269 Der Spiegel im Bildhintergrund ist besonders auffällig positioniert: Er hängt nicht, sondern ist in ungewöhnlicher Weise an die Wand angelehnt (Abb. 18). Dass er dabei einen beträchtlichen Teil des Fensters verdeckt, erscheint doch etwas ungewöhnlich. Die Position des Spiegels ist genau so gewählt, wie die Rückansicht der Szene es verlangt. In diesem Werk ist der Paragone vergleichsweise sehr eindeutig in die Szene eingebaut, denn es handelt sich wohl kaum um einen nebensächlichen Einrichtungsgegenstand, der die Szene zufällig wiederspiegelt.270

Lorenzo Lotto konfrontiert uns mit einer von den bisherigen Beispielen abweichenden Bildidee zum Thema der Mehransichtigkeit in der Malerei. Das querformatige dreifache Porträt eines bärtigen Mannes (Abb. 19) wird auf die Zeit um 1525/1535 datiert und befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien. Gesicht und Oberkörper des stattlichen Mannes wird einmal rechts im Profil, einmal frontal und einmal links im verlorenen Profil präsentiert. Sein gelocktes Haar ist mittelbraun und sein rötlicher Vollbart teilt sich vom Kinn hinweg in zwei Spitzen. Er trägt ein dunkles, olivenfarbiges Wams, das oben leicht geöffnet ist. Darunter kommt ein weißes Unterhemd zum Vorschein, das am Hals mit einer Schlaufe zugebunden ist. Sein starrer Blick scheint ins Leere zu gehen. In seiner rechten Hand hält er eine Schachtel, die mit mehreren Ringen gefüllt ist. Seine linke Hand hält er an seine Brust. Den kleinen Finger ziert ein goldener Ring mit grünem Stein. Die Armhaltung ist bei zwei von drei Ansichten identisch. Die vom Betrachter aus rechte Version des Mannes, hat stattdessen die rechte Hand an die Brust gelegt, um das spiegelbildliche Pendant seines Gegenübers zu erzeugen. Der Hintergrund besteht schlicht aus einer grauen Wand und einem dunkelgrünen Vorhang, der auf der linken Bildseite herabhängt. Die Identität des Dargestellten ist nicht gesichert, jedoch weist die Beigabe des Kartons mit den Ringen auf seine Tätigkeit als Goldschmied hin. 271 Durch zahlreiche Einträge in seinen Geschäftsbüchern lässt sich belegen, dass Lorenzo Lotto eine große Vorliebe für Schmuck und Goldschmiedearbeiten hatte und auch einige Freundschaften mit Goldschmieden pflegte.272 Demnach liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem dargestellten Mann um das Porträt eines befreundeten Goldschmieds handeln könnte.

269 Huse/Wolters 1996, S. 374. 270 Huse/Wolters 1996, S. 374; siehe auch Ausst.-Kat. Boston 2009, S. 184. 271 Humfrey, Peter, Lorenzo Lotto, New Haven – London 1997, S. 110. 272 Humfrey 1997a, S. 110. 52

Laut Peter Humfrey fällt in diesem Zusammenhang das Augenmerk insbesondere auf den aus Treviso stammenden Bartolomeo Carpan, der zu dieser Zeit eine Goldschmiede Werkstätte in Venedig hatte.273 Auch seine Brüder Antonio und Vettore Carpan waren als Goldschmiede in ihrer Heimatstadt Treviso tätig. Demzufolge kam in der Forschung der Gedanke auf, dass es sich um ein gemeinsames Porträt der drei Brüder handeln könnte. In diesem Kontext würde sich aus den tre visi ein Wortspiel als eine geistreiche Anspielung auf ihre Herkunft Treviso ergeben.274 Die Gleichheit der Gesichter, selbst bei Geschwistern, spricht jedoch massiv gegen die Annahme des Brüderporträts und lässt auf nur eine Person schließen275 Eine genaue Identifikation kann leider nicht belegt werden, da zudem nicht bekannt ist, ob Lotto die Carpan-Brüder bereits vor den 1540er Jahren gekannt hatte.276

Die Deutung des Gemäldes im Kontext der Paragone-Debatte liegt durch die simultane Präsentation einer Person mit drei Ansichtsseiten liegt geradezu auf der Hand. Auch wenn das Gemälde, anders als die bisher behandelten, keine Spiegel aufweist, spricht Andrew John Martin zumindest von einer „ideellen Spiegelung“, was besonders durch die Handhaltung der beiden seitlichen Figuren verdeutlicht wird. 277 Peter Humfrey bringt Lottos Dreifachporträt mit einer Zeichnung Leonardos in Verbindung, welche auf ähnliche Weise drei Ansichten eines männlichen Kopfes frontal, im Profil, sowie im verlorenen Profil zeigt (Abb. 20). Die sich in der Biblioteca Reale in Turin befindliche Studie wird meist auf 1502 datiert. Basierend auf einem früheren Datierungsansatz von Carlo Pedretti auf die 1490er Jahre, manifestiert sich Humfreys These, Leonardo könnte diese, oder eine ähnliche, Zeichnung auf seinem dokumentierten Venedig Aufenthalt im Jahre 1500 mitgebracht habe. 278 Demnach wäre eine Inspiration durch Leonardos Gedankengut bezüglich des Paragone, welches sich zu diesem Zeitpunkt auch in Venedig rasant auszubreiten begann, sowie durch seine Komposition nicht auszuschließen.

273 Humfrey 1997a, S. 110. 274 Martin 1995, S. 59. 275 Humfrey 1997a, S. 110; siehe auch Martin 1995, S. 59. 276 Humfrey 1997a, S. 110. 277 Martin 1995, S. 59. 278 Humfrey, Peter, The Later Works in Venice and the Marches, in: Lorenzo Lotto. Rediscovered Master of the Renaissance, hg. v. David Alan Brown u.a., Ausst.-Kat., National Gallery of Art Washington D.C. 1997, Accademia Carrara di Belle Arti Bergamo 1998, Galeries nationales du Grand Palais Paris 1998, New Haven u.a. 1997, S. 177. 53

Die handwerkliche Arbeit eines Goldschmieds kommt zudem der Tätigkeit eines Bildhauers sehr nahe. Möglicherweise wurde Lorenzo Lotto genau dadurch veranlasst, in diesem Porträt auf den Wettstreit anzuspielen und das Gemälde beinhaltet den subjektiven, vielleicht persönlich erfahrenen Paragone Lorenzo Lottos mit dem dargestellten Goldschmied.279

Die besonders erfinderischen Maler Daniele da Volterra (1509 – 1566) und Agnolo Bronzino demonstrieren eine weitere und äußerst seltene Lösungsmethode der Darstellung mehrerer Ansichten: Anders als durch Spiegelung innerhalb des zweidimensionalen Bildraums, liefern die beiden Künstler beidseitig bemalte Bilder, die das Umschreiten des Bildes erfordern und sich somit an das Erfassen einer Skulptur annähern. Vorder- und Rückseite der beiden Gemälde befassen sich mit dem gleichen Sujet und intendieren eine Zusammenführung zu einer dreidimensionalen Ansicht mittels Umrunden des freistehenden Bildes. Während die bisher behandelten Gemälde im gewohnten zweidimensionalen Bildraum bleiben, brechen die folgenden Bildbeispiele ein wenig mehr aus der Flächigkeit des Tafelbildes aus und versuchen sich in noch stärkerer Anpassung an die Dreidimensionalität der Bildhauerei anzunähern.

Der in Volterra geborene Freund und Schüler Michelangelos Daniele Ricciarelli (1509 – 1566), genannt Daniele da Volterra, schuf ein bedeutendes Werk im Kontext des Paragone, das eine Kampfszene zwischen David und Goliath zeigt (Abb. 22 – 23). Das vermutlich Anfang der 1550er Jahren geschaffene Gemälde nimmt in zahlreichen Aspekten deutlich Bezug auf den Wettstreit. Die Tafel ist beidseitig bemalt. Das Duell ist einmal in Vorder- und das andere Mal in Rückansicht gezeigt, die einander ergänzen sollen und die Betrachtung erfordert dadurch eine freie Aufstellung im Raum. Dazu ist das sich im Louvre Paris befindende Werk auf einem Sockel montiert, der das Gemälde in eine Drehbewegung versetzen kann (Abb. 21). Diese Montagekonstruktion stammt jedoch erst aus dem 18. Jahrhundert.280 Dargestellt ist der Moment kurz vor Goliaths Enthauptung. Die beiden Figuren befinden sich in einer komplexen, dynamischen Kampfposition. Die Protagonisten werden beide jeweils von vorne, als auch von hinten gezeigt. Auch wenn die Umrisse der beiden Bildseiten nicht ganz identisch zusammenfallen, scheinen die Vorder- und Rückansicht der Figurengruppe auf den

279 Humfrey 1997a, S. 111; siehe auch Humfrey 1997b, S. 177. 280 Bätschmann/Weddigen 2013, S. 16; siehe auch Haiduk 2008, S. 98. 54 ersten Blick miteinander zu verschmelzen. Das Gemälde wurde für eine Aufstellung mitten im Raum konzipiert und es lässt sich auf den ersten Blick nicht eindeutig feststellen, welche Seite die Vorderansicht ausmacht. Auch in der Literatur ist die Zuordnung von Vorder- und Rückseite nicht einheitlich. Meist wird jene Seite als Vorderseite betrachtet, die Goliaths Vorder- und Davids Rückseite präsentiert. Marina Haiduk begründet diesen Ausgangspunkt dadurch, dass sich der Fokus der Szene auf der linken Bildseite befindet und dies dem Leseverhalten im europäischen Kulturraum naheliegt. Umkreist man demzufolge die aufgestellte Bildtafel im Uhrzeigersinn, fällt der Blick sofort auf den Hauptteil der rückseitigen Kampfszene, die sich auf der hinteren Tafel auf der rechten Bildseite abspielt. 281

Auf der Vorderseite ist David mit erhobenem Schwert über Goliath gebeugt. Dieser scheint sich gerade in liegender Position um zudrehen und packt in einem Befreiungsversuch den Jüngling am Arm, der seinen Haaransatz festhält. Die beiden Kämpfenden blicken einander mit angestrengter Miene direkt in die Augen. Die Muskulatur der beiden Figuren tritt plastisch deutlich hervor und wird durch die Lichtführung verstärkt. Das Gewand des Jünglings wird im Eifer des Gefechts schwungvoll nach oben geweht. Im Hintergrund befindet sich ein leicht geöffnetes Zelt. Der Boden ist steinig und karg. Auf der Rückseite wird der Standpunkt des Betrachters umgekehrt. David wird nun von vorne, Goliath von hinten gezeigt. Die Positionen der Kämpfenden haben sich ein wenig verändert. Der Oberkörper des Jünglings hat sich von einer beinahe senkrechten Schulterlinie wieder leicht nach unten geneigt. Er hat sein gebeugtes Knie nun auf den Riesen gestützt und scheint dadurch dessen Bewegungsfreiheit deutlich einzuschränken. Auffallend ist, dass die Gewandung Davids nicht mit der auf der Vorderseite gezeigten übereinstimmt. Er trägt eine kurze Tunika und einen Mantel, die beide über die linke Schulter verlaufen, wohingegen seine linke Schulter auf der Vorderseite zur Gänze frei bleibt und nur der Riemen des Mantels über die rechte Schulter gelegt ist. 282 Die Kleidung Goliaths lässt sich auf der Rückseite besser erkennen. Unter seinem eng anliegenden weißen, ausgesprochen transparenten Oberteil, kommen seine definierten Muskeln zur Geltung. Als Hose trägt er eine Kombination aus Leder und einer Kettenrüstung. Das Inkarnat Goliaths ist im Gegensatz zur Blässe des Jünglings deutlich dunkler. Die Rückseite zeigt auch die auf der Vorderseite verdeckte Schleuder, mit der David den Riesen, der alttestamentlichen

281 Haiduk 2008, S. 98. 282 Haiduk 2008, S. 100. 55

Erzählung aus dem ersten Buch Samuels (1. Sam 17,1 - 58) zufolge, mit einem Schuss an der Stirn traf, sodass dieser zu Boden fiel. Anschließend zog der Jüngling dem Riesen das Schwert aus der Scheide und schlug ihm damit den Kopf ab.283 Neben der Schleuder befindet sich die besagte Schwertscheide Goliaths. An Goliaths Körperhaltung veränderte sich im Vergleich zur Darstellung der Vorderseite in erster Linie die Position seines linken Armes, mit dem er David nicht mehr am Oberarm, sondern am Handgelenk festhält. Als eine weitere „[…] bewusste oder unbewusste – Störung der Logik des Bildaufbaus“ bezeichnet Haiduk das weitere Zelt im Hintergrund. 284 Es muss sich dabei um ein anderes Zelt handeln, dessen Position, abgesehen von einer geringen Rechtsverschiebung der Öffnung, mit dem Zelt der Vorderseite annähernd übereinstimmt.

Der Auftraggeber des Werks war der Dichter Giovanni della Casa (1503 – 1556), der, den Überlieferungen Vasaris zufolge, ein Traktat über die Malerei verfassen wollte.285 Um die verschiedenen Aspekte des Wettstreits auch nachvollziehen zu können, wandte sich Giovanni della Casa, den eine enge Freundschaft mit Bedenetto Varchi verband, mit Daniele da Volterra an einen in Malerei und Bildhauerei erfahrenen Künstler. Im Gegensatz zu Varchi interessierte ihn jedoch keine schriftliche Stellungnahme, sondern eine auf der Theorie basierende Ausführung zweier Kunstwerke. 286 Er forderte Vasari zufolge die doppelte Ausführung eines Davids, zunächst in Form eines Tonmodells und anschließend die Umsetzung als Malerei. 287 Sinn und Zweck war der direkte Vergleich der beiden Kunstwerke. Da Daniele da Volterra zuvor bereits einige Aufträge zu seiner Zufriedenheit erfüllt hatte, zog er auch in diesem Fall den Künstler zu Rate. 288 Das Tonmodell gilt leider als verschollen. Auch Della Casas Traktat ist nicht zur Gänze erhalten. Möglicherweise wurde es durch seinen bald folgenden Tod nie vollendet.289 James Holderbaum formulierte die These, Della Casa empfände die Paragone-Briefe aus Varchis Umfrage als unschlüssig und unzureichend überzeugend, weshalb er für sein Traktat eine andere Herangehensweise wählte, nämlich von der Arbeit des

283 Die Bibel. Einheitsübersetzung Altes und Neues Testament, hg. im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz u. a., Stuttgart 1980, S. 256-258. 284 Haiduk 2008, S. 100. 285 Giorgio Vasari, Das Leben des Daniele da Volterra und des Taddeo Zuccaro, neu übersetzt von Victoria Lorini, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Christina Irlenbusch (Edition Vasari), Berlin 2009, S. 28. 286 Haiduk 2008, S. 106. 287 Vasari 2009, S. 28. 288 Deiters 2002, S. 124. 289 Deiters 2002, S. 123f. 56

Künstlers ausgehend. 290 Da zu Della Casas Standpunkt zu diesem Thema allerdings kein Dokument erhalten blieb, basiert diese Annahme auf reinen Hypothesen.

Das Gemälde wurde schon bei Vasari als Paragone-Bild festgehalten. 291 Durch den konzeptuellen Aufbau der Tafel als ein ins Dreidimensionale strebendes Doppelbild, ist eine Messung mit der Skulptur äußerst naheliegend. Das Argument, den Malern fehle mit rein malerischen Mitteln die Fähigkeit, mehr als eine Ansicht zu zeigen, kann das Werk aus dem Weg räumen. In der Forschung ist Hermann Voss einer der ersten, der es in Zusammenhang mit dem Paragone erwähnt, allerdings ohne genauere Analyse.292 Den Bezug zur Rangstreitdebatte veranschaulichen in erster Linie die Abhandlungen von Wencke Deiters und Marina Haiduk, in welchen die Aspekte des Paragone ausführlich durchleuchtet werden. Der erste Zusammenhang lässt sich aus der Wahl des Materials des Bildträgers herleiten.293 Der Künstler entschied sich für eine Tafel aus Schiefer. Wie bereits ausreichend etabliert wurde, galt die Dauerhaftigkeit seit Beginn der Paragone-Debatte als Argument für den Vorrang der Bildhauerei. Bildhauerische Werke seien demnach allein durch die länger haltbaren Materialien wie Bronze und Stein wertvoller als die viel fragileren und sensibleren Werke der Maler. Durch die Verwendung der Schieferplatte nimmt die Malerei den anerkannten Aspekt der Dauerhaftigkeit der Bildhauerei an und nutzt diesen zu ihrem eigenen Vorteil. In diesem Sinne wird, passend zur David und Goliath Ikonographie des Bildes, die Bildhauerei mit ihren eigenen Waffen angegriffen. 294 Wie Christina Irlenbusch in ihrem Kommentar zu Vasaris Vita Daniele da Volterras treffend festhält, sei damit unter Beweis gestellt, dass die Haltbarkeit eines Werks materialbedingt ist und nichts mit den Fähigkeiten des Künstlers zu tun hat.295

Durch die gedrehten Körperhaltungen der beiden Kämpfenden wird das Motiv der Figura serpentinata in die Darstellung integriert. Dies kann entweder als Bezugnahme auf das Tonmodell, oder aber generell auf die Skulptur verstanden werden und demnach als zusätzliche Anspielung auf Benvenuto Cellinis Kriterien der Vielansichtigkeit. 296 Stellt man sich die Figurengruppe als Skulptur vor, so würden durch die Figura

290 Holderbaum, James, A Bronze by Giovanni Bologna and a Painting by Bronzino, in: The Burlington Magazine of Art 98, London 1956, S. 442; siehe auch Haiduk 2008, S. 107. 291 Vasari 2009, S. 28. 292 Voss, Hermann, Die Malerei der Spätrenaissance in Rom und Florenz, Berlin 1920, S. 126. 293 Haiduk 2008, S. 102; siehe auch Deiters 2002, S. 142-145. 294 Haiduk 2008, S. 102. 295 Vasari 2009, S. 124. 296 Haiduk 2008, S. 98. 57 serpentinata, wie von Cellini gefordert, bei variierendem Betrachterstandpunkt, unterschiedliche, sich nicht wiederholende Ansichten entstehen. 297 Die Veränderungen in den Körperhaltungen der beiden Kämpfenden widerlegen jedoch Vasaris Überlieferung, dass die beiden Seiten nach der Vorlage eines einzigen Tonmodells gemalt wurden. Sollte es die Vorlage gegeben haben, empfindet Simon Levie einen Zusammenhang mit der Figurenkomposition der Vorderseite als naheliegender, da in einer skulpturalen Auffassung der Rückseite des Gemäldes das Gesicht Goliaths durch die Armhaltungen zu sehr verdeckt wäre. 298 Die gestalterischen Abweichungen von Vorder- und Rückseite, die aus der zeitlichen Versetzung der beiden Szenen resultieren, wurden vom Künstler bewusst geplant, um in der Messung mit der Bildhauerei einen weiteren Fortschritt zu erzielen und diese zu übertrumpfen. Daniele da Volterra widerlegt nicht nur die These, im malerischen Medium nicht mehr als eine Ansicht einer Figur zeigen zu können, er findet sogar eine Möglichkeit den Spies umzudrehen und etwas zu integrieren, was die Skulptur an ihre Grenze stellt: eine zeitliche Abfolge. Es bestand grundsätzlich nie die Intention einer Gegenüberstellung der beiden Seiten, sondern das Konzept erfordert eine aufeinanderfolgende Betrachtung. Innerhalb der Zeitspanne, die während dem Umrunden des Bildes vergeht, steigert sich die Momentabfolge zu einer dynamischen Aktion, die dem Medium der Bildhauerei verwehrt bleibt.299 Haiduk zufolge wird außerdem sogar die deutlich variierte Kleidung, die auf den ersten Blick nicht ins Auge sticht, zum Vorteil des Malers, da eine derartige Veränderung bei einer Skulptur ausgeschlossen wäre, ohne den Eindruck der Gesamtheit zu stören. 300 Als ähnlicher und bewusst inszenierter Vorteil der Malerei kann die Lichtführung gesehen werden. Eine Skulptur ist von den natürlichen Licht- und Schattenverhältnissen abhängig, die an dem Aufstellungsort herrschen, wobei der Spielraum im Medium der Malerei diesbezüglich um einiges größer ist. Der Maler kann den Lichteinfall seiner eigenen Vorstellung nach bestimmen und dadurch, wie in Danieles Werk, durch die beidseitige Beleuchtung von links oben, eine Verschattung der Gesichter der Figuren vermeiden. 301 Durch die mittels ausgesprochen präziser Helldunkelführung erzielte Modellierung, erreicht die Darstellung zudem einen hohen Grad an Tastbarkeit, was Levie als eine mit dem Pinsel, anstelle eines Meißels,

297 Deiters 2002, S. 128. 298 Levie, Simon H., Der Maler Daniele da Volterra: 1509-1566 (phil. Diss. Köln 1962), Köln 1962, S. 124f. 299 Haiduk 2008, S. 104. 300 Haiduk 2008, S. 104. 301 Haiduk 2008, S. 106. 58 geschaffenen Plastik eines haptisch empfindenden Künstlers beschreibt. 302 Wie Haiduk betont, wird der rilievo Effekt zusätzlich durch die Farbgebung verstärkt. Zwar verwendet der Künstler eine eher zurückhaltende Palette, doch wird die Farbe in der Modellierung der Gestalten so geschickt genutzt, dass die Figuren eine Lebendigkeit ausstrahlen, wie es nur durch die Malerei gezeigt werden kann.303

Die ikonographische Themenwahl des Kampfes zwischen David und Goliath für ein Gemälde, das gezielt den Wettkampf zwischen Malerei und Skulptur behandelt, scheint außerdem nicht zufällig gewählt, sondern ergibt eine überaus passende Kulisse für den Paragone. Es ist jedoch unklar, ob Daniele selbst, oder Della Casa den Inhalt des Sujets bestimmte.304 Mit Einbezug der biblischen Grundlage, ist der dargestellte Kampf so gut wie entschieden. David hat die Steinschleuder bereits abgelegt und steht im letzten Nahkampf unmittelbar davor zu siegen. Obwohl der Triumph Davids, seinen Gegner mit dessen eigenen Waffen zu überwinden, unmittelbar bevorsteht, geht im Moment der Darstellung noch kein Sieger hervor. Im übertragenen Sinne könnte damit eine Anspielung auf das Kopf-an-Kopf-Rennen der Gegner im Paragone gemeint sein, in dem eine Entscheidung ausbleibt.305 Traditionelle Darstellungen des Themas David und Goliath demonstrieren vorwiegend den Sieg Davids, respektive die Enthauptung Goliaths. Die Bilderfindung eines noch nicht abgeschlossenen Kampfes geht auf Michelangelo zurück, dessen 1509 gestalteter Zwickel in der Cappella Sistina eine Dynamik mitbringt, die mit großer Wahrscheinlichkeit als Vorbild für Danieles Werk gedient hatte (Abb. 24). 306 Ist bei Michelangelo der Kampf noch in ein wenig schwächerer Form zu sehen, geht Daniele mit dem klaren Fokus auf ein noch nicht entschiedenes Duell einen Schritt weiter. Neben der Kunst Michelangelos kann man ebenso von seinen theoretischen Äußerungen als Inspirationsquelle für Daniele da Volterra ausgehen. Bezüglich des Paragone ist es, wie wir bereits wissen, jedoch nicht so einfach, Klarheit über Michelangelos Stellung zu gewinnen. Die altbekannten Argumentationsmechanismen waren für ihn wohl nicht von allzu großem Interesse und er nannte lediglich ein Kriterium, an dem die Qualität von Malerei gemessen werden

302 Levie 1962, S. 129. 303 Haiduk 2008, S. 105. 304 Haiduk 2008, S. 113. 305 Haiduk 2008, S. 114. 306 Haiduk 2008, S. 114; siehe auch Deiters 2002, S. 123. 59 konnte: der Herausarbeitung des rilievo. 307 Wie oben bereits erwähnt, stimmt diese Vorstellung mit Danieles plastischer Malweise der Figuren deutlich überein.

Von Daniele da Volterra selbst sind keine schriftlichen Äußerungen zum Paragone überliefert. Es ist jedoch möglich, aus seinem künstlerischen Umfeld heraus, über seine Auffassung zu diesem Thema Schlüsse abzuleiten. Auch Deiters zieht für seine Analyse, neben Michelangelo, vor allem die Aufzeichnungen von Alberti, Leonardo und Vasari als Quellen heran. 308 Einen Zusammenhang mit den schriftlichen Äußerungen besagter drei Autoren und Daniele da Volterras Gemälde gibt es in den Augen von Deiters noch zu berücksichtigen: Alberti, Leonardo und Vasari zufolge galt die Historienmalerei als die Gattung, die der Malerei die größte Schwierigkeit abverlangte. Historienbilder galten als Höhepunkt des künstlerischen Schaffens und standen in Zusammenhang mit großem Ansehen und einer gehobenen sozialen Stellung des Malers.309 Vasari verdeutlicht in seinen Schriften den engen Zusammenhang von historia und dem Paragone. Er sieht die narrative Darstellung als intellektuelle Herausforderung der Maler und bringt sie, als Argument für deren Stärke und zum Nachteil der Bildhauerei, in die Rangstreitdebatte ein. Darüber hinaus verdeutlicht er in der Einleitung zu seinen Viten, dass der Künstler ausschließlich in der Historienmalerei die Fähigkeit der invenzione benötigt, was zu einer höheren Bewertung dieser Gattung beiträgt. 310 In diesem Bildwerk kommt also die difficoltà der Historienmalerei zum Ausdruck, in der beidseitigen Kampfszene wird das Kriterium der Vielansichtigkeit und durch den Bildträger aus Schiefer das Kriterium der Dauerhaftigkeit berücksichtigt, die Plastizität der Figuren entspricht den Kriterien des rilievo, wonach sich laut Deiters eine eindeutige Paragone-Absicht des Künstlers vermuten lässt.311

Ein weiteres Beispiel einer zwei Ansichten vereinigenden Darstellung stammt von Agnolo Bronzino. Das sich in den Uffizien befindliche Porträt des Medici Hofzwerges Morgante, zeigt ebenso dessen sich ergänzende Vorder- und Rückseite (Abb. 25 – 26). Das Porträt wurde im Medici-Inventar 1587 als doppelseitiges Abbild des nackten Morgante mit Eulen in den Händen vermerkt. 312 Durch eine im 18. Jahrhundert erfolgte Übermalung der Vorderseite des Gemäldes eines unbekannten Malers, wurde der

307 Varchi 2013, S. 277; siehe auch Deiters 2002, S. 140. 308 Deiters 2002, S. 127. 309 Deiters 2002, S. 145. 310 Deiters 2002, S. 146. 311 Deiters 2002, S. 149. 312 Haiduk 2008, S. 104. 60

Hofzwerg mit einem Lendenschurz, sowie einem Kranz aus Weinblättern und Trauben, sowie einem erhobenen Weinglas als Bacchus ausgestattet (Abb. 27 – 28). Durch diese Übermalung wurde die außergewöhnliche Qualität und Bedeutung des Werkes verborgen. Im Rahmen der Restaurierung im Jahr 2010 wurde die originale Version Bronzinos wieder freigelegt und das Werk tritt in seiner ursprünglichen Ausdruckskraft wieder zum Vorschein. 313 In der Forschung wurde das Porträt anfänglich als Kopie eines verlorenen Originals angesehen. 314 Bernard Berenson schrieb es 1932 erstmals, trotz des damaligen schlechten Erhaltungszustandes, Bronzino zu, was sich in der neueren Forschung bestätigte.315

Der Hofzwerg Braccio di Bartolo, genannt Morgante, ist ab den 1540er Jahren in den Diensten Cosimo I. de’ Medicis als sein meist geschätzter Bediensteter nachweisbar.316 Sein ironischer Beiname wurde vermutlich von einem Epos des florentinischen Dichters Luigi Pulci317 inspiriert, worin ein gutmütiger Riese den Namen Morgante trägt.318 Das Gemälde zeugt nicht nur von Bronzinos außergewöhnlichen Fähigkeiten als Porträtmaler, es beweist zudem die privilegierte Position, die Morgante am Hofe der Medici zuteilwurde, wo er unter anderem als uccellatore zu Unterhaltung Cosimos I. tätig war. Wie seine Arbeit als Vogelfänger aussah, kann durch ein vom Hofsekretär Lorenzo Pagni (1490 – 1568) verfasstes Dokument vom 22. November 1544 rekonstruiert werden. Es liefert die Beschreibung einer Vogeljagd im Garten der Villa Medici von Castello, wobei es „il nano“ mittels Vogelleim und einer kleinen Eule als Köder gelang, sechs oder acht Vögel einzufangen. 319 Morgante wird zwar nicht namentlich erwähnt, aber da das Schriftzeugnis in den Zeitrahmen seiner Tätigkeit am Hofe fällt, und das Gemälde im Inventar mit seinem Namen versehen ist, liegt diese Verbindung auf der Hand. Diese Methode des Vogelfangens, die eine kleine Eule als Lockmittel verlangt, um die Vögel anschließend in aufgestellten Fallen zu fangen, wurde an dem von Pagni dokumentierten Tag angewendet und von Bronzino in seinem Gemälde angedeutet. Auf der Vorderseite präsentiert der unbekleidete Morgante in

313 Bronzino. Artist and Poet at the Court of the Medici, hg. v. Carlo Falciani, Antonio Natali, Ausst.- Kat., Palazzo Stozzi Florenz, Florenz 2010, S. 214. 314 Brock, Maurice, Bronzino, Paris 2002, S. 177; siehe auch Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214 315 Holderbaum 1956, S. 441; siehe auch Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214. 316 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214. 317 Luigi Pulci, Il Morgante maggiore, Venedig 1481. Exemplar aus dem Jahr 1754 als Digitalisat verfügbar unter https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11300574_00007.html [Stand 30.04.2020]. 318 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214. 319 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214. 61 stolzer Pose in der rechten Hand eine Eule mit erhobenen Flügeln, die an einer Schnur, die hinter seinem Rücken zu seiner linken Hand verläuft, angeleint ist. In der rechten oberen Ecke des Bildes nähert sich bereits ein Vogel. Im Vordergrund befinden sich zwei für die toskanische Region typische Falter, wovon einer das Geschlecht Morgantes verdeckt. 320 Diese südlichen Schwalbenschwanzschmetterlinge können als Insekten identifiziert werden, die in den Sommermonaten Juni und Juli in der südtoskanischen Region Italiens verbreitet sind. Bronzino stellte hier den Hofzwerg neben ein erkennbares regionales Insekt, das auch in vielen Kuriositätenkabinetten zu finden war. Zunächst identifizierte er damit die geografische Region, in der Morgante lebte. Außerdem setzte Bronzino den Sammlerstatus von Morgante mit dem eines beliebten Sammlerinsekts gleich, was keinen Zweifel daran lässt, dass es erstrebenswert war, einen Hofzwerg wie Morgante zu besitzen. 321 Die Rückseite zeigt die Szene nach der bereits abgeschlossenen Jagd. Die linke Hand auf seine an den Baum gelehnte Jagdwaffe gestützt, eine Eule auf seiner linken Schulter sitzend, präsentiert er nun mit der erhobenen rechten Hand seine erbeuteten Vögel. Sein Kopf befindet sich gerade in einer Drehbewegung in Richtung Betrachter. Auch sein Bart weist Unterschiede zur Vorderseite des Bildes auf. Vögel und Falter wurden keine mehr abgebildet.

Agnolo Bronzinos Doppelporträt Hofzwerg Morgante wurde gegen Ende der produktivsten Jahre des Malers an Cosimos Hof ausgeführt und war Teil des Programms des Großherzogs, seine vielen Residenzen wieder neu zu dekorieren. Während mehrere Hofinventare die Hofzwerge mit Sammlerobjekten in Verbindung brachten, indem sie sie als „natürliche Kuriositäten“ kategorisierten, unterscheiden sich die Aufzeichnungen zu Bronzinos Morgante in ihrer Klassifizierung und betonen die schwer erfassbare Rolle, die kleinwüchsige Menschen am Hof einnahmen. 322 Das Medici-Inventar von 1553 ermöglicht es der Forschung beispielsweise, die ursprüngliche Platzierung dieses doppelseitigen Gemäldes im Palazzo Vecchio zu verfolgen. Das Porträt wurde im Palazzo della Signoria in einem Stockwerk aufgehängt, das neu errichtete Räumlichkeiten für Gäste des Großherzogs bereitstellte. Demnach sollten die in diesen Räumen ausgestellten Werke Cosimo und die Medici-Familie repräsentieren. Weitere dort präsentierte Objekte waren Karten, ein Globus, Gemälde

320 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 217. 321 Ghadessi, Touba, Portraits of human monsters in the Renaissance. Dwarves, hirsutes, and castrati as idealized anatomical anomalies, Kalamazoo 2018, S. 59. 322 Ghadessi, Touba, Inventoried monsters. Dwarves and hirsutes at court, in: Journal of the history of collections 23, 2011, S. 273.

62 der Madonna mit Kind, sowie verschiedene offizielle Porträts. Mit der Aufnahme des Porträts seines Hofzwerges in diesem Kontext wollte Cosimo vielleicht seinen Besitz demonstrieren oder es sollte zum höfischen Amüsement dienen, jedoch besteht auch die Möglichkeit, dass durch das Gemälde die besonderen Praktiken des Hofes gezeigt werden sollten und Morgante dadurch eine lesbare Identität erhielt, die ihn mit dem Hof und den Hof mit ihm verband.323 Die physische Nähe der Hofzwerge zu der Familie, der sie dienten, und den Stellenwert, den sie am Hofe einnahmen, sind auch in anderen Inventaren zu finden. Ein aussagekräftiges Beispiel ist ein Inventar aus dem Jahr 1587, welches innerhalb einer Liste mit dem Titel „Quadri di Pittura“ das Porträt eines Hofzwerges erwähnt, das auf derselben Liste und auf die gleiche Weise wie Porträts von Medici-Familienmitgliedern, beispielsweise von Cosimo il Vecchio (1389 – 1464), aufgezeichnet wurde. Tatsächlich stand dieses Porträt, das einfach als „Porträt eines schmucklosen Zwergs“ katalogisiert wurde, zwischen einem Eintrag, der das Porträt der Königin von Frankreich und das Porträt eines anonymen Mannes aufzeichnete. Der Mangel an Differenzierung weist erneut auf die allgegenwärtige Präsenz der Hofzwerge, sowie ihre nahtlose Einfügung in das alltägliche Hofleben hin. Weitere Inventareinträge und juristische Dokumente überliefern, Morgante wurde ein Gehalt, sowie der volle rechtliche Status gewährt. Die dokumentarische Erwähnung seiner Frau und Söhne als legitime Erben seines Eigentums bestätigten das gesetzliche Recht der Hofzwerge, zu heiraten und gesetzlich anerkannte Kinder zu haben, denen sie Eigentum verleihen konnten. 324 Obwohl Morgante eine sehr privilegierte Position innehatte, schützte ihn dies keinesfalls vor den Schattenseiten, den Demütigungen und der physischen Gewalt, denen Hofzwerge im Rahmen der höfischen Gesellschaft ausgesetzt waren.325

Während die Idealisierung in Bronzinos Porträt nicht fehlt, wird sie dennoch nicht mittels derselben visuellen Rhetorik ausgedrückt, die in den meisten Porträts von Mitgliedern des Hofes zu finden ist. Ghadessi zufolge kehrte Bronzinos Porträt das Standardvokabular von Macht und Selbstdarstellung um, indem es die Dichotomie zwischen Mimesis und Idealisierung hervorhob. 326 Die Krümmung seiner verkürzten Gliedmaßen, jede unpassende Hautfalte und sein großer Bauch werden sorgfältig und weit entfernt von einem perfektionierten Renaissancekörper dargestellt. Der Grund für

323 Ghadessi 2011, S. 273. 324 Ghadessi 2011, S. 273. 325 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214. 326 Ghadessi 2011, S. 275. 63 seine Nacktheit ist, Ghadessi zufolge, alles andere als allegorisch: es soll dem Betrachter die Straflosigkeit ermöglichen, auf einen deformierten wundersamen Körper zu starren. 327 Es geht hierbei also um die Hervorhebung des Kuriosen, der Exotik. Bronzino kreierte eine Darstellung, die auf einem tatsächlichen Ereignis in Morgantes Leben – vor und nach der Vogeljagd – basiert. Das lebensgroße Porträt betont die Wirklichkeit des Körpers des Hofzwergs, wohingegen viele Elemente, wie beispielsweise die Landschaft, das Malerwerk, der Pinselstrich und die Platzierung dieses Gemäldes im Palazzo Vecchio, wiederum die typischen höfischen Eigenschaften hervorheben. 328 Die unterhaltsamen Elemente, die für den Lebensunterhalt eines Hofzwergs wesentlich waren, fanden oft Eingang in visuelle Darstellungen. Ob herumalbernd, tanzend, jagend oder in inszenierten Kämpfen, Hofzwerge führten viele Aktivitäten zum Vergnügen ihrer Gönner durch. 329 Auch wenn Morgante im Rahmen der Vogeljagd vermutlich keine bedeutende Rolle zukam, handelt es sich bei diesem Porträt nicht im Geringsten um eine Verhöhnung, sondern zeigt ihn im Rahmen seiner wichtigsten Aufgabe, seinen adeligen Herrn zu unterhalten.330

Das einzigartige Doppelporträt spielt außerdem unverkennbar auf den Paragone der Künste an. Diese zeitgenössische kulturelle Debatte hatte im mittleren sechzehnten Jahrhundert noch hohe Aktualität, insbesondere in einem Umfeld wie einem Hof, in dem physische Unterschiede eher betont als heruntergespielt wurden. Bronzino war zusammen mit anderen Kunsttheoretikern in den 1530er Jahren an der Bildung kultureller und intellektueller Debatten über die Künste im Allgemeinen beteiligt. 331 Als einer der Teilnehmer der Umfrage Benedetto Varchis, Cosimos Hofhistoriker und Kunstkritiker, war Bronzino mit den Argumenten der Diskussion in hohem Maße vertraut. Zu Beginn des Briefs erklärt er seine Vorgehensweise zur Erörterung der Rangstreitfrage und nimmt bereits vorweg, dass er sich für den Sieg der Malerei aussprechen wird. Er beginnt mit der Auflistung aller Gründe, mit denen die Bildhauerei ihren Vorrang beansprucht. Anschließend entgegnet er Punkt für Punkt mit einem Konterargument der Maler, woraus sich in logischer Konsequenz die Vorrangstellung der Malerei ergeben sollte. In seiner Zusammenstellung der Argumente für die Bildhauerei, kommt Bronzino erwartungsgemäß auf die Vielzahl an Ansichten

327 Ghadessi 2018, S. 69. 328 Ghadessi 2011, S. 275. 329 Ghadessi 2018, S. 70. 330 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 214. 331 Ghadessi 2018, S. 67. 64 zu sprechen, die eine rundplastische freistehende Statue darbieten müsse. In diesem Zusammenhang erklärt er, dass die Bildhauer in ihrer Arbeit den höheren Genuss sehen, zumal sie es als schöner erachten, „[…] in einer einzigen Figur all jene Teile zu finden, die zu einem Mann, einer Frau oder einem anderen Lebewesen gehören, wie das Gesicht, die Brust und die anderen vorderen Teile, und eben auch, wenn man darum herum geht, die Hüften und Arme und das, was zu ihnen gehört, und schliesslich von hinten den Rücken zu erkennen.“332 Wird nun Bronzinos Paragonebrief noch einmal genau in Erinnerung gerufen, fällt auf, dass dieser genau an der Stelle abrupt endet, an der das Gegenargument zu den molte vedute von Seiten der Maler erwartet wird.333 Folglich kann man sich nicht auf eine schriftliche Erläuterung Bronzinos zur malerischen Lösung dieser Problemstellung stützen. Man könnte jedoch versuchen, seinen Standpunkt aus dem Gemälde abzulesen. James Holderbaum erbrachte den Vorschlag, das Gemälde als malerische Fortsetzung des Briefs zu sehen, indem Bronzino versuchte, das Problem der Mehransichtigkeit mit dem Pinsel zu lösen.334

Die malerische Ausführung der gleichen Person auf Vorder- und Rückseite erweckt, auf den ersten Blick, unmittelbar die gedankliche Verschmelzung des Motivs zu einer dreidimensionalen Figur, sowie die Assoziation mit einer Skulptur, da nun auch das herumschreiten um das Werk vorausgesetzt wird, um alle Facetten erleben zu können. Es geht jedoch nicht um die gänzliche Übereinstimmung der Konturen, sondern die Komposition beinhaltet, wie bei Daniele da Volterras David und Goliath Kampfszene, eine bewusst inszenierte zeitliche Abfolge. Die Darstellung wird auch hier um eine weitere Dimension, die der Zeit, erweitert. 335 Durch die Verknüpfung von Beginn und Ende der Vogeljagd impliziert er sogar eine deutlich länger andauernde zeitliche Abfolge als Daniele da Volterra bei seinem Zweikampf. Das erlegte Tier in seiner rechten Hand weist darauf hin, dass die Jagd bereits abgeschlossen ist. Das Fehlen der Falter auf der Rückseite unterstreicht die zeitliche Komponente, da diese im späteren Moment der Rückseite bereits längst verschwunden waren. 336 Das Gemälde stellt also eine weitere äußerst einfallsreiche Umsetzung des Paragone Themas dar, die auf mehreren Ebenen demonstriert, dass die Darstellung einer Zeitspanne innerhalb einer einzelnen Skulptur nicht umsetzbar ist.337 Ohne die ganzheitliche Wirkung der Tafel zu

332 Varchi 2013, S. 226f. 333 Varchi 2013, S. 231. 334 Holderbaum 1956, S. 442; siehe auch Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 217. 335 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 217. 336 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 217. 337 Ausst.-Kat. Florenz 2010, S. 217. 65 stören, gelingt es Bronzino also die Skulptur um ganze drei Schritte zu überholen: Die ersten beiden Schritte werden durch die evozierte Dreidimensionalität der einander ergänzenden Vorder- und Rückseite und der darin integrierten zeitlichen Abfolge zurückgelegt.338 Ein weiterer Schritt erfolgt einzig durch die Drehung des Kopfes: Denn einer Skulptur ist es unmöglich, sowohl bei der Vorder- als auch bei der Rückansicht das Gesicht der Figur zu zeigen, ohne die Ästhetik zu stören und eine bizarre mehrköpfige Figur darzustellen. 339 James Holderbaum betont, wie Bronzinos Doppelporträt das Argument der Vielansichtigkeit, wie es von Cellini und zeitgenössischen Bildhauern vertreten wurde, erfolgreich entkräftet. Durch die mögliche Variation einer Ansicht, ohne die Wirkung des Gesamtbildes in Frage zu stellen, triumphiert, laut Holderbaum, mit diesem Werk die Malerei haushoch über die Bildhauerei, da es bei einer Skulptur in jedem Fall zu einem „loss of face“ kommen würde.340 Aufgrund des zentralen Platzes, den dieses Gemälde bei der Anwendung der Paragone-Theorie auf die Malpraxis einnimmt, können wir zu einer präziseren Datierung dieses Porträts gelangen. 341 Das Gemälde hat einen Terminus ante quem von 1553, da es in einem Dokument aus dem Jahr 1553 ausdrücklich erwähnt wird. Im zeitlichen Zusammenspiel mit Varchis Umfrage ist es jedoch wahrscheinlich, dass Bronzino das Werk früher als 1553 gemalt hat. Eine Datierung zwischen 1546 - 1548 würde, laut Ghadessi, auch mit einer weiteren chronologischen Angabe korrelieren: Die meisten Vogeljagdaktivitäten an Cosimos Hof wurden in den 1540er Jahren und insbesondere um 1544 aufgezeichnet.342

Lars Olof Larsson spricht neben der Auseinandersetzung mit dem Paragone von der zusätzlichen Intention einer möglichst präzisen Dokumentation des Hofzwerges als Naturwunder.343 Auch Marco Collareta sieht das wesentliche Ziel der Darstellung im Festhalten von etwas nicht Alltäglichem, im Sinne der wissenschaftlichen Illustration. Er erkennt den Einfluss des Wettstreits auf die Darstellung zwar an, ist jedoch der Meinung, dass es als reines Paragone-Bild die Gedanken des Künstlers zur

338 Haiduk 2008, S. 104. 339 Chapeaurouge, Donat de, Aktporträts des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Berliner Museen, hg. v. den Staatlichen Museen zu Berlin, Berlin 1969, S. 173; siehe auch Haiduk 2008, S. 104. 340 Holderbaum 1956, S. 442. 341 Ghadessi 2018, S. 67. 342 Ghadessi 2018, S. 68. 343 Larsson 1974, S. 56. 66

Vielansichtigkeit nicht zufriedenstellend repräsentieren würde. 344 Es kann demnach zusammenfassend davon ausgegangen werden, dass es dem meisterhaften Porträtmaler Bronzino in diesem Gemälde mit scheinbarer Leichtigkeit gelingt, eine aus damaliger Sicht dokumentarische Abbildung eines Naturphänomens, mit dem paragonalen Gedankengut der Zeit zu verknüpfen und mit durchdachten Bilddetails die Überlegenheit der Malerei zu demonstrieren.

Die Diskussion um die Vielansichtigkeit prägte die Malerei, da dies das Argument der Bildhauerei im Wettkampf symbolisiert und damit in den Fokus treten muss, als das zu widerlegende Argument. Die Wiedergabe mehrerer Ansichten in einem Bild, etwa durch das Miteinbeziehen von Spiegeln oder anderen kompositorischen Raffinessen, welche es ermöglichten, Figuren aus verschiedenen Blickwinkeln zu zeigen, wurden im 16. Jahrhundert zum Usus. Da es in der Bildhauerei nicht möglich war, Vorder- und Rückseite zugleich anzusehen, stellte es einen Triumph der Maler dar, mittels ausgeklügelter Spiegelungen eine zweite, wenn nicht sogar eine dritte Ansicht simultan zu erzeugen. Die zeitliche Wegstrecke, die zurückgelegt werden musste, um alle Ansichtsseiten einer Skulptur zu betrachten, fiel damit weg. Im Fall einer doppelseitigen Tafel, bei der es doch zu einer Umrundung kommt, wird die Zeitlinie als Phänomen in den Wettstreit eingeführt, denn durch die leicht veränderten Ansichten konnten sogar zeitliche Bewegungsabläufe gezeigt werden, was wohl zu den größten Errungenschaften der Malerei zählte.345

III.2. La durabilità und der Umgang mit dem Stein

Im Wettstreit der Künste wurde mit dem Aspekt der Dauerhaftigkeit der Bildhauerei stets zu ihrem Vorteil argumentiert. Insbesondere Bronze galt seit der Antike als besonders dauerhaftes und beständiges Material und zählte auch in der Renaissance zu einem besonders populären Werkstoff. Durch die lange Haltbarkeit wurde Bronze mit Vorliebe für die Herstellung von Grabmälern prominenter Personen gewählt, um Ruhm

344 Collareta, Marco, Painting and its sisters: Bronzino and the art system, in: Bronzino. Artist and Poet at the Court of the Medici, hg. v. Carlo Falciani, Antonio Natali, Ausst.-Kat., Palazzo Stozzi 2010, Florenz 2010, S. 195-201. 345 Pochert, Götz, Bild – Zeit. Zeitgestalt und Erzählstruktur in der bildenden Kunst des 16. Jahrhunderts (Ars viva, Bd. 12), Wien u.a. 2015, S. 320f. 67 und Andenken der Verstorbenen für die Ewigkeit aufrecht zu erhalten und zu ehren.346 Es wurden keine Kosten und Mühen gescheut um ewige Kunstwerke aus Bronze entstehen zu lassen. Auch im Wettstreit der Künste wurde die Dauerhaftigkeit des Materials Bronze thematisiert. Die Bildhauer stellten ihre feuer-, feuchtigkeits-, kälte- und hitzebeständigen Skulpturen eine Stufe über die in dieser Hinsicht sensibleren Werke eines Malers.

Ein Hauptwerk Benvenuto Cellinis, das in zeitlicher Überschneidung mit der Ausführung des bereits behandelten Narzisses entstand, ist die für Cosimo I. de’ Medici geschaffene Bronzeskulptur des Perseus mit dem Haupt der Medusa (Abb. 29 – 30). 1545 erhielt Cellini den Auftrag für die Statue des Perseus, die 1554 in der Loggia dei Lanzi aufgestellt wurde.347 Der Aufstellungsort auf der Piazza della Signoria in Florenz war für Cellini von größter Bedeutung, denn damit musste seine Figurengruppe den direkten Vergleich mit gerühmten Werken der Bildhauerei, wie Michelangelos David (Abb. 31) und Donatellos Judith und Holofernes (Abb. 32), bestehen. Um dieser Konkurrenz standhalten zu können, entschied sich Cellini eigenmächtig dazu, das Konzept des Auftrags ein wenig zu verändern. In einem Brief an Bartolomeo Concini (1507 – 1578), dem Sekretär des Herzogs, vom 22. April 1561, sieben Jahre nach der Fertigstellung des Perseus, erklärte der Künstler, dass er von Herzog Cosimo I. den Auftrag zu einer drei Ellen hohen Statue des Perseus mit dem Haupt der Medusa erhalten habe. Dem fügte er selbstbewusst hinzu, dass er stattdessen eine mehr als fünf Ellen große Statue des Perseus geschaffen habe und diesen mit einer ganzfigurigen Medusa, einem Marmorsockel mit Bronzefiguren von Jupiter, Merkur, Danae und Minerva, sowie einem Bronzerelief mit der Darstellung der Befreiung der Andromeda durch Perseus ergänzt habe. Die Planung wurde demnach nicht nur an Größe, sondern auch an der Anzahl der Figuren übertroffen. 348 Sobald Cellini den Auftrag erhalten hatte, stürzte er sich in die Ausführung. Der Künstler fertigte ein 70 Zentimeter großes Wachsmodell und ein 75 Zentimeter großes Bronzemodell zur Dokumentation seines Entwurfs.349 Beide Präsentationsmodelle, die vom Herzog begutachtet wurden, befinden sich heute erhalten im Bargello, ebenfalls in Florenz. Sie entsprechen bereits Cellinis

346 Lein, Edgar, Ars Aeraria. Die Kunst des Bronzegießens und die Bedeutung von Bronze in der florentinischen Renaissance (Habil.-Schr. Frankfurt am Main 2000), Mainz am Rhein 2004, S. 137. 347 Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici, hg. v. Bastian Eclercy, Ausst.-Kat., Städel Museum Frankfurt am Main 2016, München u.a. 2016, S. 202. 348 Lein, Edgar, Aus Dichtung und Wahrheit – zur Entstehungsgeschichte von Benvenuto Cellinis Perseus, in: Technische Innovationen und künstlerisches Wissen in der Frühen Neuzeit, hg. v. Magdalena Bushart, Henrike Haug, Köln u.a. 2015, S. 249. 349 Lein 2015, S. 253. 68 strengen Anforderungen an die Skulptur, wodurch die Annahme aufkam, seine theoretischen Ideen könnten im Rahmen der Arbeit am Bozzetto des Perseus entstanden sein.350 Die Künstlerumfrage Varchis fällt in den Zeitraum an dem Cellini bereits am Perseus arbeitete. Mit der Skulpturengruppe ist Cellini ohne Zweifel die Umsetzung seines Qualitätskriteriums der Vielansichtigkeit in die künstlerische Praxis gelungen. Die vier Hauptansichtsseiten ergeben sich durch den prachtvoll dekorierten Sockel, auf dem die Figur platziert ist. Mit den jeweiligen Eck- oder Diagonalansichten ergeben sich die von Cellini geforderten acht Ansichtsseiten einer Skulptur. 351 Der kunstvoll drapierte Leichnam der Medusa zu seinen Füßen leitet den Betrachter um die Statue herum und ermöglicht zahlreiche stimmige Schrägansichten. 352 Cellini meldete Herzog Cosimo de’ Medici in einem Schreiben vom 20. Mai 1548, dass die Bezahlung der Arbeit hinsichtlich der Rangordnung der bildenden Künste und der Materialien abgewickelt werden sollte. Als ausgebildeter Goldschmied, der auch als Bildhauer und Bronzegießer aktiv war, empfand Cellini die Goldschmiedekunst als die höchste Kunstform, sah das Bronzegießen an zweiter und die Marmorbildhauerei an dritter Stelle. Demnach stellte allein die Wahl des Materials Bronze einen Triumpf über Michelangelos Marmordavid dar.353 Dass sich Cellini besonders mit Michelangelo im Wettstreit befand wird durch die Signatur deutlich, die er am Riemen anbrachte, den Perseus schräg über Brust und Rücken trägt, denn es handelt sich dabei um eine Nachahmung von Michelangelos Inschriftenband der Pietà (Abb. 33) im Petersdom in Rom.354

Bei der Herstellung des Perseus musste Cellini – seiner eigenen Darstellung zufolge – nahezu Übermenschliches leisten und beschreibt ausführlich die Schwierigkeiten seiner Arbeit. Die Herstellung der Gussform meisterte der Künstler noch ohne Komplikationen, beim Erhitzen der Legierung traten jedoch im Schmelzofen Probleme auf, die er kaum bewältigen konnte. Es kam zu einem Brand in der Werkstatt, bei dem die Gefahr bestand, dass das Dach einstürzte. Zugleich tobte draußen ein Sturm, der Wind und Regen in die Werkstatt eindringen ließ und es dauerte Stunden bis Cellini und seine Mitarbeiter die Situation wieder unter Kontrolle gebracht werden. Danach wurde der Meister von einem heftigen Fieber niedergezwungen und musste die Werkstatt

350 Morét 2003, S. 205. 351 Larsson 1974, S. 17. 352 Morét 2003, S. 205. 353 Lein 2015, S. 251. 354 Lein 2015, S. 251f, siehe auch Goffen 2002, S. 370. 69 verlassen. Vom Bett aus gab er letzte Anweisungen an seine Mitarbeiter, weil er sich aufgrund des weiter steigenden Fiebers dem Tode nahe glaubte.355 Da seine Mitarbeiter auf weitere Probleme stießen, musste Cellini sich trotz des Fiebers zurück in die Werkstatt begeben, um seine Skulptur zu retten. Als wäre nicht schon genug geschehen, brach die Decke des Schmelzofens mit einem lauten Knall auseinander und das flüssige Erz drang aus dem Ofen heraus. Cellini meisterte die Situation, indem er die vorsichtige Öffnung des Ofens anordnete und sie versuchten das geschmolzene Metall sorgsam in die Gussform zu leiten. Der Künstler bemerkte jedoch, dass das Metall nicht mit der richtigen Geschwindigkeit in die Form gelangte und ließ als letzten Ausweg sein gesamtes Tafelgeschirr aus Zinn herbeiholen um die geschmolzene Legierung damit zu verbessern und einen potentiellen Zinnverlust auszugleichen. Als der Gussvorgang trotz all dieser Herausforderungen abgeschlossen war, schien auch das Fieber verschwunden.356

In Cellinis Perseus mit dem Haupt der Medusa treffen sich die verschiedensten Ausformungen des Paragone aus dem Umfeld des Künstlers, die ihn, so glanzvoll und erfolgreich wie seine Skulptur, mit einem Triumph bestehen lassen. Die Dauerhaftigkeit und die Schwierigkeit des Umgangs mit den verschiedenen Materialien gehören zu den Hauptdiskussionspunkten der Rangstreitdebatte. Leonardo erkennt die längere durabilità bildhauerischer Werke zwar an, sieht dieses Faktum jedoch als materialbedingt und akzeptiert das Argument im Zuge dessen nicht als künstlerisches Qualitätsmerkmal. Die Malerei könne mit Glasurfarben auf Metallen oder Terrakotta eine ebenso hohe Widerstandskraft erreichen. 357 Auch Vasari bringt deutlich zum Ausdruck, dass lediglich die Materialbedingungen einer Kunstform nicht den höheren Adel verleihen. 358 Im gleichen Atemzug, indem der Maler mit der Dauerhaftigkeit konfrontiert wird, argumentiert der Bildhauer mit der Schwierigkeit im Umgang mit dem harten Material. Wenn einem Bildhauer in der Bearbeitung des Steins ein Fehler unterläuft, dann sei dieser irreversibel und kann nicht, wie in der Malerei, wieder

355 Cellini, Benvenuto, Leben des Benvenuto Cellini, florentinischen Goldschmieds und Bildhauers. Von ihm selbst geschrieben, übers. v. Johann Wolfgang Goethe [1798], hg. v. Karl-Maria Guth, Berlin 2016, S. 326f; siehe auch Lein 2015, S. 254. 356 Bei Cellinis Bericht von den Ereignissen während des Gusses des Perseus nicht um einen reinen Tatsachenbericht, sondern um eine dramatisierte Version der tatsächlichen Vorkommnisse, die seiner Vorstellung vom genialen, alle überragenden Künstler mit perfekten technischen Fähigkeiten gerecht werden soll, denn der Künstler war erfüllt von dem Drang, als der beste Künstler seiner Zeit angesehen zu werden. Siehe hierfür Lein 2015, S. 255-258. 357 Leonardo 1882, S. 38f. 358 Vasari 2010, S. 48. 70 behoben werden. Leonardo kann für dieses Argument keine Empathie aufbringen, „[…] denn wer zuviel wegmeißelt, versteht wenig und ist kein Meister, denn, wenn er Herr über die Maße wäre, würde er nicht wegmeißeln, was er nicht wegmeißeln soll. Deshalb sagen wir, daß dies nicht ein Fehler des Materials ist, sondern des Schaffenden“. 359 Francesco da Sangallo beschreibt in seinem Antwortschreiben im Rahmen der Künstlerumfrage hingegen ausführlich die harte und zeitaufwendige Arbeit mit dem Marmor und sieht darin den Schwierigkeitsgrad weit höher als in der malerischen Tätigkeit:

„Zudem geniesst der Maler einen weiteren, besonders grossen Vorteil, weil er ein Werk, das weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick gefällt, auf der Tafel oder Wand wieder entstehen lassen kann, so oft er will, was äusserst zahlreiche Maler bestärkt hat. Von dieser Hoffnung beflügelt haben sie nämlich ihre Werke nicht nur einmal, sondern viele Male gemacht und wieder gemacht, bis sie damit zufrieden waren. Daher existieren geschätzte und löbliche Werke, die allein aus dieser gütigen Eigenschaft und gnädigen Natur der Malerei entstanden sind, zerstört und rasch wieder erschaffen werden zu können.“360

Bereits Leonardo verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf die Arbeit des Bronzegießers, der sich für seine Modelle weichen Materialien wie Ton und Wachs bedient, und bei diesen, ebenso leicht wie der Maler, Korrekturen vornehmen könne.361 Auch Agnolo Bronzino hebt in seinem Brief an Benedetto Varchi die von den Bildhauern verwendeten weichen Materialien hervor. „Die Kunst verdiene dafür [für die Arbeit mit Gestein] nicht mehr Lob, als wenn es sich bei ihrem Material um Ton Wachs, Stuck, Holz oder ein anderes weniger dauerhaftes handeln würde, da die Kunst, wie jeder weiss, nur auf die Oberfläche einwirkt.“362 Die Dauerhaftigkeit der Bronze, des Marmors, des Porphyrs und weiteren Werkstoffen der Bildhauer sieht er demzufolge als von der Natur bestimmt, weshalb sie nicht der Kunst zugeschrieben werden dürfe. Zudem gewann im 16. Jahrhundert die Differenzierung zwischen Materialwert und künstlerischem Wert eines Werkes an Bedeutung, indem der künstlerische Entwurf in den Vordergrund geriet. Der Künstler stand nicht mehr zwingend mit der Ausführung eines Bronzegusses, sondern primär mit dem Entwurf in Verbindung.363

Narrative Darstellungen scheinen die Skulptur an ihre Grenzen zu bringen. Es wurde bereits dargelegt, wie das Streben nach Dreidimensionalität den Erfindungsreichtum der

359 Leonardo 1990, S. 150. 360 Varchi 2013 2013, S. 246f. 361 Leonardo 1882, S. 99. 362 Varchi 2013 2013, S. 229. 363 Lein 2004, S. 140f. 71

Maler auf die Probe stellte. Im Rahmen des Reliefs wendet der Bildhauer jedoch genau die gestalterischen Techniken an, welche die Maler für sich beanspruchten. Mit dem Relief können also so einige der Bildhauerei vorgeworfenen Defizite ausgeglichen werden, wie die fehlende perspektivische Tiefe, die Unmöglichkeit der narrativen Darstellung oder das vermisste Wiedergeben von Landschaften. Neben dem ausgiebigen Streben der Maler nach Volumen, konnten die Bildhauer also auch umgekehrt auf die Flächigkeit der Malerei reagieren. Das Relief steht in der Frage des Wettstreits als Kunstform zwischen der Bildhauerei und der Malerei, da es Merkmale beider Kunstrichtungen in sich vereinen kann. Während die plastisch ausgearbeiteten Teile des Reliefs mehr dem Bereich der Bildhauerei zuzuordnen sind, scheint der flache Hintergrund hingegen, der Ritzzeichnungen und perspektivische Verkürzungen aufweisen kann, eher der Malerei zugehörig zu sein. 364 In der Kunsttheorie taucht der technische Terminus rilievo bereits im frühen Quattrocento auf, jedoch von seiner heutigen Bedeutung als Relief, als Teilgattung der Bildhauerei, noch abweichend. Vor allem bei Alberti tritt der Begriff rilievo in erster Linie in Verbindung mit der Malerei auf, wenn es darum geht, durch den Einfall von Licht und Schatten eine möglichst hohe Plastizität zu erzielen.365 Zwar wendet er den Begriff auch auf die wirkliche Plastizität von Körpern in der Natur, oder der Bildhauerei an, dem illusionistischen Effekt des rilievo, also der plastischen Erscheinungsweise des Dargestellten in der Malerei, wird aber hohe Bedeutung beigemessen. Der Terminus fungiert also als Bindeglied der beiden Gattungen. 366 Leonardo führte als erster die technischen Begriffe mezzo- und basso rilievo ein, die als Halb- und Flachrelief eine spezielle Unterteilung von bildhauerischen Reliefs in Bezug auf die Ausgeprägtheit der Tiefe schaffen. 367 Leonardo erklärte auch die durch Licht und Schatten erzeugte Rundung zur „Hauptsache“ und „Seele“ der Malerei 368 und im Zuge dessen das rilievo zur wissenschaftlichen Grundlage der Malkunst, was wiederum im Paragone zu einem Hauptargumenten wurde.369 Vasaris Einteilung in alto, mezzo und basso rilievo prägte unsere heutige Auffassung eines Reliefs maßgeblich mit.370 Dem Basrelief ordnete er noch eine weitere Kategorie zu, die uns nun zu einem kleinen zeitlichen Exkurs ins frühe Quattrocento führen soll. Vasari rühmt Donatello (1386 – 1466) zum Erfinder

364 Deiters 2002, 67. 365 Alberti 2014, S. 283; zu rilievo siehe Glossartext von Sabine Feser in Vasari 2010, S. 276-278. 366 Niehaus, Andrea, Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo, München 1998, S. 44. 367 Vasari 2010, S. 276-278. 368 Leonardo 1882, S. 173. 369 Niehaus 1998, S. 45. 370 Vasari 2010, S. 277f. 72 einer neuartigen Reliefform, die hier in prägnanter Form an einem Bildbeispiel erläutert werden soll. Das marmorne Sockelrelief der Nische der Zunft der Schwert- und Rüstungsmacher am Orsanmichele in Florenz zeigt den heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen (Abb. 34 – 35). Für Donatellos Umsetzung dieser Szene gibt es keine bekannten Vorbilder – weder in der Kunst der Vergangenheit noch seiner Gegenwart. Er ist der Entwickler einer neuen, extrem flachen Reliefform, des sogenannten rilievo schiacciato, was übersetzt „zusammen-“ oder „flachgedrücktes“ Relief bedeutet. Vor Vasari gibt es keine Belege für die Bezeichnung rilievo schiacciato, was darauf hinweist, dass es sich um seinen eigenen Sprachgebrauch in Bezug auf Donatellos spezieller Reliefform handelt. 371 Diese fast ebene Art des Reliefs arbeitet mehr mit zeichnerischen Mitteln, wie eingeritzten Linien, Perspektive und Verkürzung, und weist weniger plastische Ausformungen auf. Donatello verzichtet vollkommen auf rundplastische Modellierung. Es heben sich nur die Figuren des Georgs, der Jungfrau und der Drache im Vordergrund deutlich vom Hintergrund ab, die Bäume und die Architektur im Hintergrund, der Boden, sowie Teile des Pferdekopfes wurden lediglich in den Marmor geritzt. 372 Leonardo rechnet dem Flachrelief „scharfsinnige Überlegungen“ an und bezeichnet es als der runden Skulptur zweifellos überlegen, da es sich der benötigten Geistestätigkeit der Malerei – die Anwendung der Perspektive – annähert, und zudem weit mehr Überlegung und Konzentration erfordert, dafür aber weniger Körperanstrengung abverlangt, als die Rundskulptur. 373 Seinen positiven Worten gegenüber dem Relief entgegnet er aber sofort, dass man als Perspektivenkundiger bei genauer Betrachtung „[…] kein einziges Werk in Basrelief finden [wird], das nicht voller Fehler wäre, was das stärkere oder schwächere Relief anlangt, das die dem Auge näheren oder weniger nahen Körperpartien richtigerweise haben müssten.“374 Leonardo zufolge, musste ein Bildhauer für die Herstellung eines solchen Flachreliefs mit den methodischen Grundkenntnissen der Malerei vertraut sein. Für einen Maler hingegen war es ohnehin nötig, die Eigenheiten der Bildhauerei zu beherrschen, da er stets am plastischen Erscheinungsbild der Natur die Licht- und Schattengebung und die Verkürzung studieren musste. 375 Das besondere an Donatellos illusionistischer Reliefform liegt darin, ohne wirklich vorhandenes Volumen, Raum und

371 Niehaus 1998, S. 87. 372 Wundram, Manfred, Donatello und Nanni di Banco, Bd. 3, Berlin 1969,S. 30-33. 373 Pfisterer 2002, S. 290f. 374 Leonardo 1882, S. 81. 375 Deiters 2002, S. 70. 73

Plastizität zu erzeugen.376 Er schaffte es, die Kunstfertigkeit, die man bisher nur in der Gold- und Silberschmiedetechnik vorfand, auf den Marmor zu transferieren, und damit eine neue Bildwirkung zu kreieren.377

Während die Maler auf subtile Weise versuchten, durch gemalte Statuen, Reliefs und andere in ihre Bilder integrierte Imitationen von bildhauerischen Werken zu zeigen, dass ihre illusionistische Ausdrucksqualität im zweidimensionalen Medium der Skulptur um nichts unterlegen war, kam es, auch in umgekehrter Form, zur Umsetzung des zweidimensionalen Bildes in die Plastik. Andrea Sansovinos Skulpturengruppe der Taufe Christi von 1505-09 (Abb. 36), welche sich heute in Kopie über der Paradiestür am Ostportal des Florentiner Baptisteriums befindet. Es handelt sich hierbei um die skulpturale Umsetzung der Figuren eines Gemäldes. Als Vorbild für die beiden Marmorskulpturen diente Andrea del Verrocchios sich in den Uffizien in Florenz befindendes Werk Taufe Christi von 1475 (Abb. 37). Ziel dieser Übertragung war die gesteigerte Wirklichkeit im dreidimensionalen Medium und dadurch ein höheres Maß an Lebendigkeit. 378 Diese Steigerung der Wirklichkeit, welche die Fläche zur Form werden lässt, bestärkt die Bildhauerei in dem Gedanken, dass sie eine Form nicht vortäusche, sondern mit ihr verschmilzt, sozusagen eins ist. An diesem sehr frühen Paragone-Beispiel des anfänglichen Cinquecento argumentiert Sansovino, laut Hans Körner, noch mit Vorbehalt, denn in Verrocchios Gemälde ragt der Arm des Täufers aus einem weitaus kürzeren Ärmel. Den Oberarm ohne zusätzliche Stabilisierung eines längeren Ärmels frei vom Körper abstehen zu lassen, war ein technisches Wagnis, das Sansovino wohl noch nicht eingehen wollte.379

III.3. Nobiltà della pittura: die Verlebendigung durch die Farbe

Die malerische Imitation von Skulptur und Plastik wurde zu einem beliebten Werkzeug im Kampf um die Vormachtstellung. Mittels Grisaillemalerei gelang es den Malern, das Material des Steins durch Abstufungen von Grautönen und systematisch eingesetzte Licht- und Schattenführung bestmöglich nachzuahmen. Die Grisaillemalerei hat wiederum in der altniederländischen Tafelmalerei eine lange Tradition. Grisaillen in der

376 Niehaus 1998, S. 110. 377 Niehaus 1998, S. 185. 378 Körner 2003, S. 228. 379 Körner 2003, S. 229. 74 niederländischen Kunst des 15. und anfänglichen 16. Jahrhunderts sind meist für die Region und Zeit charakteristische malerische Darstellungen von ungefassten Steinskulpturen im zweidimensionalen Medium. Das unbunte Chiaroscuro, das durch helle und dunkle Nuancen von Grau plastische Figuren entstehen lässt, substituiert die prächtige Farbigkeit altniederländischer Bilder. 380 Zu Beginn befanden sich derartige Grisaillen fast ausnahmslos auf Außenseiten von Flügelaltären. Stephan Kemperdick zufolge, stehen die altniederländischen Grisaillen nicht in Zusammenhang mit dem Paragone, sondern, unter anderem, mit dem traditionellen hierarchischen Grundkonzept von Altarretabeln. Der Tafelmalerei liegt eine Hierarchie zwischen der Außen- und Innenseite eines Flügelaltars zugrunde, wonach die alltägliche Außenseite eines Retabels schlichter zu halten sei, als die prunkvollere Festtagsseite.381 Nichtsdestotrotz kann eine Vorform des italienischen Paragone im Kontext der altniederländischen Malerei nicht zur Gänze ausgeschlossen werden. Wie oben bereits angedeutet, stellt das fehlende Quellenmaterial die Forschung vor große Schwierigkeiten, denn es existieren Bildwerke, die den unmittelbaren Vergleich, möglicherweise auch ein Wetteifern der Gattungen Malerei und Bildhauerei sehr deutlich zu demonstrieren scheinen. Rudolf Preimesberger griff, sich auf eine Vermutung Erwin Panofskys berufend, die These auf, dass ein Paragone des Nordens, der zwar in schriftlicher Form nicht auffindbar ist, in seiner bildlichen Deutlichkeit dennoch immanent ist. 382 Als kurzer Exkurs sei an dieser Stelle Jan van Eycks Verkündigungs-Diptychon der Sammlung Thyssen-Bornemisza (Abb. 38) erwähnt, dass über die liturgisch motivierte Reduzierung der Farbigkeit hinaus zu gehen scheint. Die Darstellung zeigt die Verkündigung in Form von zwei Statuen, die sich jeweils in einer Nische befinden. Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um Grisaille im klassischen Sinne 383, denn es sind bis zu vier Steinarten in ihrer originalen Farbigkeit vorgetäuscht: der weiße Stein der Statuen, der schwarze Stein der Hintergrundplatten, der die Nischenskulpturen in seiner glatten Oberfläche spiegelt, der die Nischen umrahmende weiße Stein und der rotgefleckte Marmor der äußeren Rahmen. Die unglaublich detailgetreue Schilderung der unterschiedlichen Steinoberflächen scheint die Grenzen zwischen Bild und Rahmen aufzuheben und erzeugt die Fiktion von dreidimensionaler Wirklichkeit. 384 Preimesberger hält es für schwer vorstellbar, dass bei derart illusionistisch gemalter Skulptur, die nicht nur

380 Kemperdick 2018, S. 49. 381 Kemperdick 2018, S. 68. 382 Preimesberger 1991, S. 465; Panofsky, Erwin, Galileo as a critic of the arts, Den Haag 1954, S. 3. 383 Preimesberger 1991, S. 462. 384 Preimesberger 1991, S. 466. 75 natürliche Schatten wirft, sondern sogar die naturgetreue Spiegelung in der glatten Oberfläche des schwarzen Steins integriert, nicht das Verhältnis zur Skulptur thematisiert, oder theoretisch reflektiert sein soll. 385 Der Betrachter ist unverkennbar dem Vergleich der beiden Techniken ausgesetzt. Preimesberger vermutet, dass der Künstler sich den herausragenden Aufwand, die Verkündigung in fingiertem Stein zu zeigen, selbst auferlegte, um seine Meisterschaft unter Beweis zu stellen. Durch die Übertragung in die „für ihn schwierigere Gattung der Skulptur“, tritt der Maler laut Preimesberger „wie von selbst“ in einen Wettstreit mit der Bildhauerei. 386 Ob der Paragone-Gedanke in der Kunst Jan van Eycks tatsächlich inhärent ist, lässt sich nicht belegen.387

Im italienischen Cinquecento wurde Grisaillemalerei häufig nachweislich als technisches Mittel eingesetzt um kunsttheoretisches Gedankengut hinsichtlich des Rangstreits zu vertreten. Die gemalte Skulptur dient entweder als Teil einer Darstellung, kann aber durchaus auch alleiniges Motiv sein. Grisaillemalerei soll veranschaulichen, wie die Körperlichkeit einer Skulptur oder Plastik durch eine überzeugende Licht- und Schattenführung genauso malerisch wiedergegeben werden kann. Sie täuscht die Anwesenheit dreidimensionaler Gegenstände überzeugend vor und eignet sich demnach optimal für das Trompe-l’oeil (franz.: „Augentäuschung“), das dem Betrachter das Gefühl gibt, die dargestellten Dinge wären mit seinem realen Raum verbunden. 388 Häufig stellen raffinierte Maler im Paragone die Imitation des monochromen Steins der durch Farbe erzeugten Lebendigkeit gegenüber, wie es bereits bei Mazzola Bedolis Porträt der vierjährigen Anna Eleonora Sanvitale festgestellt wurde. Die Verlebendigung durch die Farbe stellte jeher ein triumphierendes Argument für die Malerei dar. Kunstwerke aus Stein und Bronze weisen in der Tat einen monochromen und dadurch abstrakteren Charakter auf, als kolorierte Gemälde. Interessanterweise wurde in der Skulptur und Plastik der Renaissance nicht mit Farbe experimentiert und somit blieben bildhauerische Werke in ihrer Erscheinung zwar realer, aber weniger naturgetreu als illusionistische Gemälde. 389 Auch wenn die Darstellungen eines Malers nicht greifbar in Erscheinung treten und sich durch den Tastsinn erfassen lassen, kann durch perspektivische und koloristische Mittel im Rahmen der winzigsten

385 Preimesberger 1991, S. 465. 386 Preimesberger 1991, S. 481. 387 Preimesberger 1991, S. 481. 388 Kemperdick 2018, S. 51. 389 Schnitzler 2007, S. 18. 76

Detailschilderung eines Motivs die größtmögliche und täuschend echte Wirklichkeit erzeugt werden. Durch die Erfindung des Trompe l’oeil suggeriert das Gemalte, die Wirklichkeit selbst zu sein. 390 Die Wahrnehmung täuschende, akribisch genaue Oberflächenstrukturen zeichnen den illusionistischen Effekt aus. Mittels geschickter Anwendung der Perspektive erzeugte Scheinarchitekturen in Wandmalereien oder Deckenfresken können, für einen Augenblick, die Grenzen zwischen Schein und Sein verschmelzen lassen.391

Im Rückblick über die Geschichte der Malerei kam der Effekt der Augentäuschung bereits in der Antike im Wettstreit zwischen den Malern Parrhasios und Zeuxis auf. Wie uns Plinius der Ältere überlieferte, zählte die Augentäuschung für die beiden Maler zu den wichtigsten Qualitätskriterien von Kunst. Der Legende zufolge wetteiferten sie darin, die Natur so genau nachzuahmen, dass ihre Bilder von der Wirklichkeit nicht mehr unterschieden werden konnten. Zeuxis malte Trauben, so naturgetreu, dass die vorbeifliegenden Vögel versuchten, von ihnen zu naschen. Parrhasios präsentierte Zeuxis daraufhin ein hinter einem Vorhang verborgenes Bild. Als Zeuxis ihn aufforderte, den Vorhang beiseite zu ziehen um das Bild zu enthüllen, stellte sich Parrhasios als triumphierender Sieger des Wettbewerbs heraus, denn er hatte es geschafft, Zeuxis mit einem gemalten Vorhang zu täuschen.392

Durch die Wiederentdeckung der Perspektive und anderen Techniken ließ die illusionistische Malerei der Renaissance die Kunst der Augentäuschung wieder aufleben. Sie versucht den Betrachter zudem auf der psychischen Ebene zu berühren, ihn auf unterschiedliche Weise in den Bann des Bildes zu ziehen und hier eigentlich schon die Grenze zwischen Gemaltem und der Wirklichkeit zu überschreiten. Durch die aus dem Trompe-l’oeil-Effekt resultierende Verschleierung der Bildgrenzen, durch Gesten und Blicke der dargestellten Figuren, die versuchen, den Rezipienten in die Geschehnisse einzubinden, oder durch Rückenfiguren, die ihn zur Identifikation einladen. 393 Alberti spricht in diesem Kontext von der Ergreifung des Gemüts des Betrachters durch das Bild.394 Der Rezipient soll berührt werden, sich im Bild verlieren und dadurch soll eine Distanzierung erschwert werden. Bei der Betrachtung einer

390 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 286. 391 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 286. 392 Hollmann, Eckhard/Tesch, Jürgen, Die Kunst der Augentäuschung, München u.a. 2005, S. 5; siehe auch Trompe-l’ɶil. Das getäuschte Auge, hg. v. Patrick Mauriès, Köln 1998, S. 8. 393 Schnitzler 2007, S. 18. 394 Alberti 2014, S. 133f; siehe auch Schnitzler 2007, S. 33 (Anm. 51). 77

Skulptur muss dagegen zur kompletten Erfassung meist ein räumlicher Abstand gewahrt bleiben, um das dreidimensionale Bildwerk im Verhältnis zum Umraum wahrzunehmen. Es gelingt hier scheinbar nicht, die Grenzen zu verschleiern, sodass der Betrachter sich als Teil der Gruppe fühlen könnte.

Mit dem Trompe-l'oeil-Effekt gelingt es der Malerei also ein weiteres Mal, die Skulptur herauszufordern. Der Betrachter soll in seiner Wahrnehmung möglichst so verunsichert werden, dass ihn der Drang erfüllt, durch Berührung zu überprüfen, ob es sich um Wirklichkeit oder Illusion handelt. 395 Die Malerei erhebt durch das rilievo396, also durch die Illusion der Dreidimensionalität im zweidimensionalen Medium, den Anspruch, der wahrhaftigen Dreidimensionalität der Skulptur überlegen zu sein. Besonders häufig kommt das Trompe-l'oeil zum Einsatz, wenn Darstellungen von Skulpturen oder Plastiken in Gemälde integriert werden. In der Nachahmung der gegnerischen Gattung steckt eine äußerst subtile und raffinierte Anspielung auf den Paragone, wodurch das Augenmerk noch deutlicher auf die Konkurrenz gelenkt wird, als in der bloßen Mimesis der Natur.397

Mit dem halbfigurigen Porträt einer Frau hinter einer gestuften Brüstung liefert Tizian einen weiteren Beitrag zur Diskussion der Kunsttheoretiker und Künstler seiner Zeit. Die sogenannte Schiavona (Abb. 39) zählt zum Frühwerk des Künstlers. Es wird auf die Zeit zwischen 1508 und 1510 datiert und befindet sich in der National Gallery in London. Der Bildtitel La Schiavona, was übersetzt „Die Slawin“ bedeutet, beziehungsweise auf eine Frau mit Herkunft auf Dalmatien verweist, geht auf einen Brief von 1640 zurück, indem das Gemälde als „quadro di pittura detto la Schiavona“ bezeichnet wird.398 Das Gemälde zeigt das Porträt einer prunkvoll gekleideten Frau in Vorderansicht. Ihre Gestalt wird in etwa bis zu den Knien gezeigt, ihre Füße werden von der gestuften Marmorbrüstung verdeckt. Sie trägt ein rotes Kleid, welches die Taille betonend mit einem schwarzen Band gegürtelt ist. Durch die weit geschlitzten Ärmel kommt der weiße Innenstoff des Kleides zum Vorschein. Sie hat ein transparentes Tuch über ihre Schultern gelegt und trägt eine Goldkette, deren Anhänger in ihrem Dekolletee verschwindet. Ihr dunkles Haar ist in der Mitte gescheitelt und mit

395 Büttner, Frank/Gottdang, Andrea, Einführung in die Malerei. Gattungen, Techniken, Geschichte, München 2012, S. 206. 396 In den kunsttheoretischen Traktaten des Quattro- und Cinquecento bezieht sich der Begriff rilievo in erster Linie auf die Malerei und signalisiert den unumgänglichen Grundsatz für die naturalistische, dreidimensionale Darstellung. 397 Schnitzler 2007, S. 33. 398 Brucher 2013, S. 296. 78 einem Tuch zurückgesteckt. Ihre linke Hand ist sanft auf die Marmorbrüstung gelegt. Auf der Brüstung befindet sich ein präzise gestaltetes antikisierendes Relief, welches die Profilbüste einer Frau zeigt. Trotz abgeänderter Frisur geht die Forschung aufgrund der physiognomischen Ähnlichkeiten vorwiegend davon aus, dass es sich um ein weiteres Abbild der porträtieren Frau handelt. Die Handhaltung der Schiavona erweckt den Eindruck, als würde sie dem Betrachter die Porträttafel entgegenhalten. Diese Gegenüberstellung regt unmittelbar dazu an, die beiden Porträts miteinander zu vergleichen. Daher rührt auch der dem Bild zugeschriebene Bezug zur Rangstreitdebatte. Der Betrachter ist hier mit zwei unterschiedlichen Arten des Porträts konfrontiert, die unmittelbar zusammengehörig erscheinen, zugleich aber einen starken Kontrast aufweisen. Der Maler präsentiert hier die Vorzüge seiner Kunstgattung indem er durch das Nebeneinanderstellen von zwei Arten des Porträtierens, das monochrome Steinrelief durch die lebensnahe farbige Gestalt deutlich in den Schatten rückt. Durch die stärkere Körperlichkeit, die Unmittelbarkeit und das höhere Maß an Lebendigkeit muss die Entscheidung zugunsten der Malerei ausfallen. 399 Tizian zeigt das Porträtrelief in jenem, von der Formensprache der Antike geprägten Stil, der an seinen Zeitgenossen, den hochgeschätzten Bildhauer Tullio Lombardo (um 1455 – 1532), erinnert und es besteht die Vermutung, dass er damit in einen persönlichen Konkurrenzkampf tritt.400

Beide Ansichten der Frauengestalt verbindet dieselbe kraftvolle Physiognomie, mit der es Tizian gelang die persönlichen Züge ohne Idealisierung, sondern durch hervorragenden Realismus zu veranschaulichen. 401 Die Ähnlichkeit der beiden Gesichter könnte auch aus verwandtschaftlicher Beziehung resultieren. Bei dem Porträtrelief könnte es sich also auch um die Mutter oder Schwester der Porträtierten Frau handeln. Eine derartige Deutung schließt den Bezug zum Paragone nicht aus, verdrängt ihn aber aus dem Vordergrund. Da der Bezug zum Paragone nicht eindeutig belegt werden kann, gibt es in der Forschung auch durchaus kritische Stimmen. Alessandro Nova sieht den Zusammenhang mit dem Gemälde und dem kunsttheoretischen Wettstreit als weit hergeholt und sieht es vielmehr als ein eindeutiges Produkt des Erinnerungskultes. 402 Deiters vertieft die Interpretation im Kontext des Wettstreits. Pedrocco hält es ebenso für möglich, dass Tizian mit diesem Gemälde im Kontext des Paragone beweisen wollte, dass die Malerei zur Darstellung

399 Martin 1995, S. 66. 400 Kathke 1997, S. 206; siehe auch Freedman 1987, S. 34f. 401 Pedrocco 2000, S. 79. 402 Nova 2003, S. 184. 79 von mehreren Ansichten fähig sei.403 Martin hebt hervor, dass Tizian hier die Fähigkeit der Malerei demonstriert, Skulptur abzubilden. Er wählt für seine Gegenüberstellung keine Rundplastik, sondern die Form des Reliefs, was Leonardo als Annäherung an die Vorzüge der Malkunst beschreibt. 404 Deiters zufolge übertrifft Tizian mit diesem Marmorrelief herkömmliche Gegenüberstellungen von monochrom gemaltem Stein mit der Leuchtkraft der Farbe, denn der Künstler wählt hier das Flachrelief, unter den verschiedenen Reliefarten genau den Typus, der als am schwierigsten und der Malerei am nächsten stehend galt. Dadurch erzielte er den doppelten Triumph über die Bildhauerei. 405 Leonardo zufolge, musste ein Bildhauer für die Produktion eines derartigen Flachreliefs die Grundmethoden der Malerei beherrschen. Für einen Maler hingegen zählte es ohnehin zu den Voraussetzungen, die Grundkenntnisse der Bildhauerei im Repertoire zu haben, da das Studium des plastischen Erscheinungsbildes, der Licht- und Schattenverhältnisse, sowie der Verkürzungen der Natur, ohnehin zu dessen Aufgaben gehörte.406

Auch Luba Freedman sieht in der illusionistischen Gegenüberstellung von zwei Ansichten und zwei Arten des Porträts im Londoner Werk eine Verkörperung von Tizians Position in der Paragone-Debatte. Mit der Schiavona zeigt Tizian erneut seine Fähigkeit als Maler und damit die Überlegenheit der Kunst des Malens gegenüber der Skulptur, wobei er hinsichtlich der Skulptur mit Tullio, aller Wahrscheinlichkeit nach, einen spezifischen Konkurrenten vor Augen gehabt zu haben scheint.407

Geradezu ein Paradebeispiel für die Illustration des Paragone ist die Darstellung von Pygmalion und Galatea (Abb. 40), welches möglicherweise aus dem Oeuvre Agnolo Bronzinos, oder Jacopo da Pontormos stammt. Die Autorenschaft des Bildes ist besonders in der älteren Forschung äußerst umstritten. Alessandro Cecchis stilistischer Argumentation zufolge, sind die Figuren zwar offensichtlich durch seinen Lehrer Pontormo inspiriert, die originellen Bilddetails, die Hügellandschaft und die atmosphärische Lichtgebung seien jedoch zweifellos Charakteristika für die Hand Bronzinos.408 Eine eindeutige Zuschreibung an einen der beiden Maler lässt sich bisher aber nicht bestätigen und die Diskussion wurde in der jüngeren Forschung wieder

403 Pedrocco 2000, S. 79. 404 Martin 1995, S. 66. 405 Deiters 2002, S. 69f. 406 Deiters 2002, S. 70. 407 Freedman 1987, S. 39. 408 Cecchi, Alessandro, Agnolo Bronzino, Königstein im Taunus 1996, S. 14. 80 aufgenommen. 409 Diese Schwierigkeit der Zuschreibung deutet auf die enge Zusammenarbeit der befreundeten Künstler hin, deren Werke, unter anderem aufgrund des Lehrer-Schüler-Verhältnisses, besonders in der frühen Zeit stilistisch sehr ähnlich und nicht einfach zu unterscheiden sind. Es könnte sich auch um eine Kollaboration der beiden Künstler halten. 410 Wie bereits in Erfahrung gebracht werden konnte, stellte die Rangstreitdebatte ein prägendes Thema im Umfeld beider Künstler dar, welche als Teilnehmer an Varchis Umfrage auch schriftliche Zeugnisse zu diesem Thema lieferten. Das Werk Pygmalion und Galatea beinhaltet die Auseinandersetzung mit dem Paragone auf verschiedenen Ebenen. Der Mythos des zypriotischen Bildhauers Pygmalion und seiner zum Leben erweckten Statue Galatea stammt aus dem 10. Buch von Ovids Metamorphosen. Pygmalion entschloss sich aus tiefer Entrüstung, nachdem er Zeuge der Opferverweigerung und Prostitution von Frauen wurde, niemals selbst zu heiraten und sich in seinem Leben ausschließlich mit der Bildhauerei zu befassen. Zu seiner eigenen Überraschung verliebte er sich jedoch eines Tages in eine von ihm geschaffene Skulptur aus Elfenbein. Diese Statue war so makellos, man hätte sie beinahe für eine wirkliche Frau halten können. Von diesem Tag an behandelte er sie wie seine Ehefrau. Er liebkoste und beschenkte sie, doch es war keineswegs erfüllend für ihn. Als er der Göttin Venus zu ihrem Festtag einen Stier opferte, wandte er sich an sie mit der innigen Bitte, ihm eine seiner geliebten Staue gleichenden Frau zu schenken. Sein Wunsch wurde erhört und die Staue zum Leben erweckt. 411 Die paragonale Deutung liegt bei diesem Werk bereits in der Themenwahl begründet und wurde hier erstmalig Motiv eines autonomen Tafelbildes. 412 Bisherige Pygmalion Darstellungen im frühen Buchdruck zeigen bevorzugt zwei Handlungselemente: Pygmalion bei der Arbeit, oder Pygmalion kniend vor seiner Statue. Bis zum 16. Jahrhundert waren die Darstellungen immer an eine Illustration geknüpft und es handelt sich hierbei um die erste textunabhängige Einzeldarstellung des Mythos. 413 Durch die sich mit dem Cinquecento radikal veränderten Begebenheiten in der Geschichte und Kunstgeschichte,

409 Eclercy, Bastian, Pygmalion und Galatea, in: Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici, hg. v. Bastian Eclercy, Ausst.-Kat., Städel Museum Frankfurt am Main 2016, München u.a. 2016, S.186. 410 Deiters 2002, S. 92; siehe auch Eclercy 2016, S.186. 411 P. Ovidius Naso, Metamorphosen. Lateinisch/Deutsch, übers. u. hg. v. Michael von Albrecht, Stuttgart 2006, S. 527 (Verse 243-297). 412 Eclercy 2016, S.186f. 413 Preimesberger, Rudolf, Liebe zur Skulptur und Malerei. Vincenzo Giustiniani (1564-1637): Ein Sammler und seine Sammlung, in: Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, hg. v. Ekkehard Mai, Kurt Wettengl, Ausst.-Kat., Haus der Kunst München 2002, Wallraf-Richartz- Museum & Fondation Corboud Köln 2002, Wolfratshausen 2002, S. 105. 81 als sich die Malerei und die Bildhauerei ihrer selbst längst bewusst waren und den Wettstreit untereinander begonnen hatten, kann der Mythos von Ovid sein kunsttheoretisches Potential entfalten und die Geschichte des Bildhauers, dessen Artefakt zum Leben erweckt wird, zu einem eigenständigen Bildthema werden.414

Das Gemälde präsentiert diese Legende aus dem Leben eines Bildhauers aus der Perspektive eines Malers: Der Bildhauer kniet betend vor seiner Statue im vorderen Bildgrund. Im Zentrum der Komposition steht der Opferaltar. Hammer und Meißel sowie weitere Werkzeuge auf einem kleinen runden Tisch links hinter der Galatea, kennzeichnen ihn als Bildhauer. Es wird der Eindruck erweckt, als handle es sich um den Moment direkt nach dem Erschaffen der Statue. Im Kontext des Paragone gesehen, wird Pygmalion hier zur Personifikation der Bildhauerei. 415 Die Werkzeuge stehen für den handwerklichen Aspekt seiner Tätigkeit und werten damit den Bildhauer ab. Der Opferaltar in Grisaille wird als imitierte Plastik dem besonders effektvollen Kolorit gegenübergestellt. Maurice Brock zufolge liegt der Paragone im Kontrast zwischen den Altarreliefs und der zum Leben erweckten jungen Frau, den der Maler so deutlich hervorhebt. Er kontrastiert nicht nur das monochromatisch gestaltete Dekor mit der abwechslungsreichen Farbe, sondern betont, seiner Meinung nach, auch die Trägheit der skulpturalen Wesen am Altarsockel. Galatea hingegen wirkt dazu bereit ihren Sockel zu verlassen.416 Vom Opfertisch findet man bei Ovid keine Beschreibung. Der steinerne Tisch mit Skulpturenschmuck entsprang also der Fantasie des Malers. Deiters macht darauf aufmerksam, dass auch hier die Stützfiguren mit abgebrochenen Armen gezeigt werden, was zum Standardprogramm der Maler gehört, wenn sie im Wettstreit auf die Vergänglichkeit des Materials ihrer Konkurrenz hinzuweisen wollen.417

Durch den Vergleich des Gemäldes mit den Briefen von Bronzino und Pontormo an Varchi, können darin bestimmte Äußerungen der beiden wiedererkannt werden. 418 Beide erwähnen in ihrem Antwortschreiben den Zweck der Naturnachahmung. Pontormo liefert sogar eine Auflistung mit Phänomenen, die es wert sind, mittels Farbe imitiert zu werden. So ist es, seiner Meinung nach, wichtig „[…] Helligkeit, Nächte mit Feuern und anderen Lichtern, Luft und Wolken, nahe und entfernte Landschaften, Gebäude in vielen verschiedenen Perspektiven, Tiere unterschiedlichster Gattungen

414 Preimesberger 2002, S. 105. 415 Deiters 2002, S. 96. 416 Brock 2002, S. 58. 417 Deiters 2002, S. 116. 418 Deiters 2002, S. 97f. 82

[…]“ farbig nachzuahmen.419 Von den eben genannten Dingen tauchen Feuer, Lichter, Landschaft und Wolken, sowie ein geopferter Stier, im Gemälde auf. Deiters zufolge könnte die Wahl des Hintergrunds als anspielender Aspekt auf den Rangstreit gesehen werden.420 Ovid geht in seiner Beschreibung nicht näher darauf ein, an welchem Ort die Metamorphose der Statue stattfand. Als einzige Information wird angegeben, dass Pygmalion nach Hause kam, nachdem er den Stier geopfert hatte. Er sollte also erst nach einer zeitlichen Distanz, nach der Opferdarbringung und dem Nachhauseweg, das Wunder der Belebung erkennen. In dieser Darstellung ereignen sich die Dinge jedoch alle zur selben Zeit vor den Augen des Betrachters. 421 Der Künstler wählt also zusätzlich das den Vorrang der Malerei unterstreichende Mittel der Simultandarstellung. Andere Künstler wählten in der Darstellung des Pygmalionmythos, Ovid folgend, meist einen Innenraum, zum Beispiel eine Werkstatt, als Ort des Geschehens. Hinsichtlich der ungewöhnlichen Landschaftsdarstellung als Hintergrund, zieht Deiters Parallelen zu Leonardos Trattato della Pittura. Leonardo, der neben Andrea del Sarto (1486 – 1530) Lehrer von Pontormo war, empfiehlt weite Berglandschaften in ein bläuliches Licht zu tauchen. 422 Demzufolge setzte der Künstler nicht nur seine Vorstellungen von Naturnachahmung um, sondern beachtet zugleich die Anweisungen von Leonardos Malereitraktat. Das Versetzen der Szene in eine Landschaft anstelle eines Innenraumes und die Anwendung der Luftperspektive als Inszenierung der Malerei tragen zum Gesamteindruck bei, dass es sich um ein Paragone-Bild handelt.423

Das Gemälde veranschaulicht zudem einen zentralen Topos der Rangstreitdebatte: die Verlebendigung der Skulptur, die hier durch die Malerei passiert. Es ist das oberste Ziel eines Malers, seine Darstellung mit Leben zu erfüllen. Dadurch kann die Natur übertroffen werden. Wie oben bereits erwähnt, bringt Pontormo in seinem Brief das Verlebendigen des Kunstwerks mit der Erschaffung des Menschen in Verbindung. Er rühmt das Bestreben „ […] die Natur zu übertreffen, indem man eine Figur beseelt und lebendig erscheinen lassen will, und dies in der Fläche, wobei der Maler doch hätte bedenken müssen, dass selbst Gott, als er den Menschen schuf, ihn vollplastisch machte, weil leichter zu beleben, statt sich einer so kunstreichen und vielmehr wunderbaren und

419 Varchi 2013, S. 234. 420 Deiters 2002, S. 97f. 421 Stoichita, Viktor I., Der Pygmalion-Effekt. Trugbilder von Ovid bis Hitchcock , München 2011, S. 136. 422 Deiters 2002, S. 98. 423 Deiters 2002, S. 98. 83 göttlichen Aufgabe zu stellen.“424 Das lebendige Inkarnat der Galatea hebt sich deutlich von der steinernen Plinthe ab, auf der sie in noch statuenhafter Haltung positioniert ist. Die Metamorphose wird bei Ovid durch das Wirken der Göttin Venus ermöglicht, die im Bild durch die Flammen des Opferfeuers in Erscheinung tritt. Die malerische Umsetzung des Szenarios führt dem Betrachter die niedere Stellung des Bildhauers vor Augen, der nur durch göttliche Intervention seiner Figur Leben einhauchen kann, wobei es der Maler an dieser Stelle vermag die Verwandlung mithilfe der Farbe deutlich darzustellen.425 Genau diese hier gezeigte Bildinvention beschreibt Pontormo in seinem Brief, indem er den göttlichen Schöpfungsakt nicht entsprechend der gängigen Auffassung mit dem Erschaffen einer Statue, sondern mit der Malerei verbindet.426

Bei Daniele da Volterras Darstellung der Enthauptung des Täufers (Abb. 41) begegnet uns auch die Thematik von Lebendigkeit durch Farbe, allerdings im antagonistischen Kontext. Es geht hierbei nicht um das Beleben des Unbelebten, sondern um das durch den Tod herbeigeführte Verblassen des menschlichen Lebens. Bei dem Bild handelt es sich um eines der letzten Zeugnisse Daniele da Volterras malerischer Tätigkeit bevor er sich ausschließlich der Bildhauerei zuwandte. Der genaue Zeitpunkt der Entstehung ist nicht mehr nachvollziehbar, Levie stellt es jedoch bewusst an das Ende seiner Schaffensphase, da es nicht auf Vorlagen Michelangelos basiert.427 Die Forschung weiß nahezu nichts über die Umstände der Entstehung des Werkes. Funktion, Auftraggeber oder Aufstellungsort sind nicht bekannt, eine Zuschreibung an Daniele da Volterra lässt sich jedoch nachweisen. 428 Die Szene spielt sich, wie in der biblischen Vorlage, im Kerker ab. Die in der Zelle anwesenden Personen sind Johannes der Täufer und sein Henker. Gezeigt ist der Moment nach der eben passierten Enthauptung. Im Vordergrund am Boden befindet sich der Leichnam des Johannes. Der Betrachter blickt unmittelbar auf die offene Halswunde aus der ihm das Blut entgegenspritzt. Jeder einzelne Muskel des extrem athletischen Körpers befindet sich noch in Anspannung, seine Finger sind verkrampft. Der Henker, in antiker Gewandung, ist in gebückter Haltung über die Leiche geneigt, stützt sich mit dem rechten Arm auf sein glänzendes Schwert und ergreift mit seiner linken Hand den abgeschlagenen Kopf des Täufers. Im Gegensatz zur

424 Varchi 2013, S. 237. 425 Deiters 2002, S. 103. 426 Deiters 2002, S. 104. 427 Levie 1962, S. 143. 428 Plackinger, Andreas, Affekt, Devotion, Prestige. Daniele da Volterras "San Giovanni Decollato", in: Ars - Visus – Affectus. Visuelle Kulturen des Affektiven in der Frühen Neuzeit, hg. v. Anna Pawlak, Lars Zieke, Isabella Augart, Berlin – Boston 2016, S. 145. 84 sichtbaren Anspannung des leblosen Körpers wirkt der abgeschlagene Kopf äußerst friedlich. Der Körper des Johannes ist nicht in sein traditionelles Fell gehüllt, sondern er trägt ein rotes Tuch. Im Hintergrund befindet sich ein Fenster, durch dessen Gitterstäbe man die biblische Prinzessin Salome in blauem Kleid mit einem Silbertablett in den Händen auf die Zelle zukommen sieht. Ihr starrer Blick haftet auf dem Leichnam des Johannes.

Der leblose Körper des Enthaupteten ist zweifellos das radikalste Bildelement. Durch dessen Ausrichtung und die Verkürzung des Körpers wird der Betrachter direkt adressiert und lässt ihn direkt auf den blutenden Halsstumpf blicken. 429 Marina Haiduk gliedert das Gemälde aufgrund seiner Farbgestaltung in den Kontext des Paragone ein. Daniele da Volterra scheint die Farbe bewusst so einzusetzen, um Leben und Leblosigkeit gegenüberzustellen. Das Inkarnat des Henkers scheint von pulsierendem Leben erfüllt wohingegen der blasse Körper des Leichnams den Anschein einer steinernen Skulptur erweckt. Das Entweichen des Lebens wird zudem mit dem Blut, das aus seinem Hals fließt, veranschaulicht. Zurück bleibt ein fahler, skulpturaler Korpus. Durch das kräftige Rot des Blutes wird der Kontrast zur monochromen Farblosigkeit verstärkt. Die im Paragone argumentierte Verlebendigung durch die Farbe erfährt in diesem Werk eine hervorragende bildhafte Deutlichkeit.430

Jacopo da Pontormo schuf sein großformatiges Werk des Kusses der Göttin Venus mit Cupido (Abb. 42) nach der Vorlage eines Kartons von Michelangelo. 431 Der Auftraggeber des Bildes, ein in Florenz erfolgreicher Händler und Bankier, Bartolomeo Bettini, erhielt einen von Michelangelo gestalteten Karton und engagierte Pontormo für die Ausführung des großflächigen Gemäldes, das er in einem seiner Gemächer aufzuhängen plante. Hintergrundinformationen zur Person Bettinis, der nicht nur wirtschaftlich erfolgreich war, sondern auch in den Florentiner Intellektuellenkreisen einen Namen hatte, ermöglichen einen besseren Zugang zum Verständnis des Werkes. Er zählte zu den engen Freunden von Benedetto Varchi, dessen Due Lezzioni mit einer Widmung des Verlegers an Bettini beginnen. 432 Demnach wird vermutet dass er zu den finanziellen Unterstützern des Projektes gehörte. 433 Sogar das Gemälde selbst findet Erwähnung in Varchis Abhandlung zum Paragone: In Zusammenhang mit Plinius’

429 Plackinger 2016, S. 146. 430 Haiduk 2008, S. 105. 431 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, S. 190. 432 Varchi 2013, S. 74. 433 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, S. 190. 85

Bericht über die Marmorstatue der Venus des antiken Bildhauers Praxiteles, in die sich zahlreiche Männer verliebten, weist Varchi darauf hin, dass auch die von Michelangelo entworfene und von Pontormo kolorierte Venus für den Herrn Bartolomeo Bettini eine solche Verliebtheit auszulösen vermag. 434 Mit dieser Verbindung baut Varchi eine Brücke zwischen Antike und Gegenwart und betont zugleich die skulpturale Kraft des Bildes. 435 In der Tat zeichnet sich vor allem die Venusgestalt durch das plastische Hervortreten ihres Körpers aus. Michelangelo greift in der Konzeption seiner Venus auf zwei kurz davor für die Medici-Kapelle in San Lorenzo entstandenen bildhauerischen Werke seines Oeuvres zurück: Er kombiniert die Notte (Abb. 43) mit der Aurora (Abb. 44) und die gemalte Venusfigur macht den Anschein, sich aus der Zweidimensionalität des Bildes befreien zu wollen.436

Bettini vergab, den Angaben Vasaris zufolge, 1532 die Aufträge zur Dekoration seiner camera in seinem Privathaus an Bronzino, Pontormo und Michelangelo. 437 Neben Pontormos Gemälde fanden halbfigurige Porträts von Dante Alighieri (1265 – 1321), Francesco Petrarca (1304 – 1374) und Giovanni Boccaccio (1313 – 1375) Erwähnung. Es schienen auch weitere Darstellungen geplant gewesen zu sein, aber das Projekt wurde nicht vollendet. 1534 wurde Pontormos Gemälde Venus und Amor von Alessandro de’ Medici für seine eigene Sammlung beschlagnahmt. Eckhard Leuschner zufolge sollte die Zusammenstellung des Venus-Bildes mit den Dichterporträts im Zuge der Deutung im Kontext des Paragone berücksichtig werden. 438 Leider lassen sich wichtige Informationen bezüglich des genauen Wohnortes Bettinis in den frühen 1530er Jahren, oder des geplanten Dekorationssystems seiner Zimmer nicht ermitteln und es ist nur ein weiteres der von Vasari erwähnten Porträts heute erfolgreich zuzuordnen.439 Laut Vasari wollte Bettini alle anderen Dichter vertreten haben, die mit Versen und toskanischer Prosa von Liebe gesungen hatten. 440 Goffen zufolge, hätte Michelangelos Venus das Programm des Raumes vervollständigt, die Liebe als Thema des stillen

434 Varchi 2013, S. 177. 435 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, 190. 436 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, 190. 437 Giorgio Vasari, Das Leben des Pontormo, neu übersetzt, herausgegeben und kommentiert von Katja Burzer (Edition Vasari), Berlin 2004, S. 51f. 438 Leuschner, Eckhard, Rezension von: Venere e Amore. Michelangelo e la nuova bellezza ideale. Venus and Love. Michelangelo and the new ideal of beauty, hg. v. Franca Falletti, Jonathan Katz Nelson, Ausst.- Kat Galleria dell’Accademia Florenz 2002, in: Journal für Kunstgeschichte 7, 2003, S. 349f. 439 Leuschner 2003, S. 350. 440 Vasari 2004, S. 51f. 86

Diskurses der Dichter verkörpert und damit den Paragone von Malerei und Poesie illustriert.441 Die Szene des Kusses zwischen Venus und Cupido spielt sich im Freien ab und ist in eine komplexe Szenerie eingebunden, die sich um die Thematik der Täuschung dreht. Der nackte Körper der Venus liegt in anmutender Körperhaltung mit Amor verschlungen auf einem blauen Tuch. Ihr Oberkörper ist nach hinten in Richtung Cupido gedreht, dessen linker Arm ihr Gesicht umrahmt und es damit näher zu sich zieht. Die beiden setzen gerade zum Kuss an. Amors Blick wandert jedoch nach hinten auf seine Pfeile, die aus dem Köcher herauszufallen scheinen, den er am Rücken trägt. Mit seinem rechten Arm ist er dabei diese aufzufangen und scheint damit zu verhindern, dass die Pfeilspitzen dem nackten Oberschenkel der Venus Verletzungen zuführen könnten. Zugleich erfasst er einen rätselhafterweise umgedrehten, nach oben gerichteten Pfeil, der einige Fragen aufwirft: Susanne Pollack äußert die Vermutung, dass Amor seine Mutter verletzen will, wie es in dem von Polizian übersetzten Gedicht des griechischen Poeten Moschus von Syrakus442 erzählt wird.443 Dient der Kuss dabei nur als Ablenkung? Hat Venus das Vorhaben ihres Sohnes bereits entdeckt und ist im Begriff ihm den Pfeil aus der Hand zu ziehen? Oder ist es doch umgekehrt und Venus will einen Pfeil aus dem Köcher ihres Sohnes klauen und wurde dabei entdeckt? 444 Ihre Körper verflechten sich, Amor streichelt der Venus den Nacken, verdeckt und betont zugleich ihren Intimbereich mit seinem Fuß, während es nicht ganz lösbar erscheint, was mit dem Zeigegestus ihrer linken Hand gemeint ist. Deutet sie auf sich selbst, oder zeigt sie auf ihren Sohn? Möglicherweise meint sie beides und deutet auf die rätselhafte Situation in der sie sich befinden. Wer könnte wen, wie und zu welchem Zweck „verwunden“?445

Der kunstvoll verschlüsselte Bildinhalt, der ikonographisch tiefe Ebenen aufzeigt, lässt sich, Peter Lüdemann zufolge, in Bezug auf die Handlung, noch ziemlich eindeutig auf Ovids zehntes Buch der Metamorphosen zurückführen. Am Beginn der dramatischen

441 Goffen 2002, S. 321. 442 Moschus von Syrakus war ein griechischer Dichter, der im 2. Jahrhundert v. Chr lebte. Digitalisat einer späteren deutschen Übersetzung des Gedichts des Moschus unter https://reader.digitale- sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10232699_00085.html [Stand 30.04.2020]. Angelo Poliziano (1454 – 1494), ein italienischer Humanist und Dichter, stand ab 1473 unter der Gönnerschaft von Lorenzo de’ Medici (1449 – 1492), der ihn u.a. zu seinem Sekretär und Hauslehrer seiner Kinder machte; siehe hierfür Pfisterer 2002, S. 351. 443 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, 190. 444 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, 190. 445 Metamorphosis: the changing face of Ovid in medieval and early modern Europe, hg. v. Alison Keith, Steven Rupp, Toronto 2007, S. 227. 87

Liebesbeziehung von Venus und Adonis wird die Szene beschrieben, in der die Göttin durch ihren Sohn Amor beim Versuch eines Kusses durch einen aus seinem Köcher entgleitenden Pfeil verletzt wird.446

„Arglos hatte die Brust, wie er küssend die Mutter umarmte, Mit vorstehendem Pfeil ihr geritzt der beköcherte Knabe. Von sich stieß die Verletzte den Sohn. Doch tiefer gedrungen War die Wund‘, als es schien, und zuerst ihr selber entgangen.“447

In dieser Textstelle finden wir zumindest Teilantworten auf unsere Fragen. Die Möglichkeit dieser Verbindung wurde als erstes 1978 von William Keach vorgeschlagen, der die Szene als eine kompositorische Verbindung charakterisierte, die einerseits den spezifischen Verwundungsmoment enthält, welcher zu dieser Zeit kein besonders häufiges Bildthema darstellte, und andererseits eine traditionelle Entwaffnung des Amors miteinbezieht.448

Venus erscheint verletzlich und energisch zugleich, potenzielles Opfer, aber auch potenzieller Bezwinger. Indem Michelangelo beide Gottheiten zweideutig in die Rolle des Verführers, des Akteurs und Empfängers von teilweise sichtbaren, teilweise verborgenen Pfeilen wirft, nimmt Michelangelo dem Betrachter entschieden die Sicherheit, die Ovids narratives Ergebnis bietet. 449 Im Gegensatz zum Gedicht wird das Bild nicht ordentlich aufgelöst. Der Inbegriff des Rätsels sind die halb sichtbaren Pfeile in der Mitte der Komposition, die undurchschaubar bleiben. Der Betrachter der kann niemals sicher sein, welcher Protagonist der mutwillige oder unwissende Vortäuscher ist, eine Unsicherheit, die durch die Mehrdeutigkeit in den Blicken der beiden Charaktere noch verstärkt wird. 450 Die Objekte am linken Bildrand setzen das Spiel der Wirrungen und Täuschungen fort: Mitten in der Landschaft steht eine Art steinerner Schaukasten mit arrangierten Gegenständen, worauf eine bauchige Vase mit Rosen platziert ist. An dieser Vase hat Amor seinen Bogen befestigt, an dem abermals zwei Masken befestigt sind. Hinter der Vase liegt ein weiteres Bündel Pfeile, deren Spitzen in Richtung der beiden sich küssenden Gottheiten zeigen. Durch ein darüber gelegtes Tuch lässt sich nicht der gesamte Inhalt des Kästchens erschließen. Zuunterst liegt eine Steinskulptur auf dem Rücken, die von Susanne Pollack aufgrund ihrer hilflosen

446 Lüdemann, Peter, Virtus und Voluptas. Beobachtungen zur Ikonographie weiblicher Aktfiguren in der venezianischen Malerei des frühen Cinquecento, Berlin 2008, S. 72. 447 P. Ovidius Naso, Metamorphosen, übers. v. Reinhart Suchier, hg. v. Karl-Maria Guth, Berlin 5 2016 S. 213. 448 Keith/Rupp 2007, S. 227. 449 Keith/Rupp 2007, S. 237. 450 Keith/Rupp 2007, S. 237. 88

Rückenlage in dieser Szenerie als Opfer der Liebestäuschung charakterisiert wird. Da diese ausgerechnet als Skulptur gezeigt wird, weist sie, so Pollack, auf den Triumph der illusionistischen Fähigkeiten der Malerei hin. 451 Hier offenbart sich der Paragone- Charakter des Bildes: Die plastische illusionistische Malweise lässt die Grenzen zur Dreidimensionalität verschwimmen. Die Venus versucht den Betrachter durch die enorme Plastizität und Schwere des Körpers über ihre wahre Beschaffenheit zu täuschen. Das Inkarnat der Masken zeugt aufgrund des hohen Realitätsgrades von malerischer Perfektion und wird zu einem besonderen Täuschungsinstrument. Das Thema der Täuschung durchzieht folglich das gesamte Bildgeschehen wie ein roter Faden und findet sich in der malerischen Ausführung wieder, zieht sich jedoch bis in die theoretische Thematisierung des dargestellten Paragone weiter.452

Michelangelos Karton zu Venus und Amor ist nicht erhalten geblieben, aber eine Zeichnung (Abb. 45), die als Kopie des Originalkartons angesehen ist, sowie eine Entwurfszeichnung Michelangelos 453 für den Karton, überliefern uns seine Komposition. Pontormo trägt nicht nur die Einfärbung der Szene bei, sondern scheint auch die Landschaft mit fernen Bergen und die Ansammlung von Attributen im linken Vordergrund konzipiert zu haben. 454 Mit der rechten Hand auf einem von Amors Pfeilen lenkt Venus die Aufmerksamkeit auf diese Objekte, die sich, Goffen zufolge, auf die sinnliche Liebe und ihre fatalen Folgen beziehen. Diese Objekte, insbesondere die auf dem Rücken liegende Figur, deutet Goffen in Zusammenhang mit dem Wortlaut Michelangelos in einem seiner Gedichte: „Voglia sfrenata è il senso, e non Amore; / Che l'alma uccide“ („Das ungezügelte Verlangen betrifft nur die Sinne, nicht die Liebe und tötet die Seele“). Michelangelos visuelles Liebesgedicht transformiert die heidnische Personifikation der Liebe in eine keusche Göttin, die die Versuchungen ungezügelten Verlangens überwindet. 455 In den meisten Bildern des 16. Jahrhunderts wird Amor, wie in der Antike, als Putto dargestellt. Hier lassen ihn seine Größe und Entwicklung, sowohl physisch als auch emotional, eher als kleinen Erwachsenen erscheinen. Giulio Romano (1499 – 1546) hatte in Mantua einen Präzedenzfall geschaffen, Cupid „altern“ zu lassen, um ihn zu einem angemesseneren Liebhaber der Psyche zu machen (Abb. 46). In Michelangelos und Pontormos Darstellung ermöglicht

451 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, 190. 452 Ausst.-Kat. Frankfurt 2016, 190. 453 Michelangelo, Venus und Amor, Skizze für einen Karton, 1532/1533 Feder und braune Tinte, London, British Museum. 454 Goffen 2002, S. 321f. 455 Goffen 2002, S. 322. 89

Amors Reife ihm jedoch nicht seine Braut, sondern seine Mutter zu umwerben. Obwohl Venus sich nicht aus Amors Umarmung zurückzieht, geht sie auch nicht eindeutig auf seine Verführung ein. Goffen zufolge schützt sie ihr verschleierter Ausdruck, wie die Verschleierung ihres Geschlechts. Ihre Geste zum Altar in Kombination mit ihrer Geste zu sich selbst, erklärt ihre Bedeutung. Im Gegensatz zu Amors energischen Bemühungen, die Sinne zu befriedigen, rät Michelangelos Göttin zur spirituellen Liebe, nicht zur körperlichen Befriedigung.456 Mit Varchis Aussage, dass sich Männer in Michelangelos Venus verlieben, wie früher in Praxiteles’ Göttin, schafft er einen multivalenten Paragone. Die verschiedenen klassischen Werke waren Varchi und seinen Lesern durch Kopien und literarische Quellen wie Plinius bekannt. Varchi zieht demnach Parallelen zwischen der Antike und der (seiner) Gegenwart, ein Gemälde steht im Vergleich zu einer Skulptur und Bildwerke werden mit ihren Beschreibungen gegenübergestellt.457 Es bleibt erstaunlich, dass über ein Werk aus der Zusammenarbeit zweier so namhafter Künstler, so viele Informationen im Dunkeln liegen. Die Einbindung des Werks in den Paragone wird in der Literatur immer wieder angeschnitten, eine ausführliche Behandlung in diesem kulturellen Kontext bleibt jedoch aus. Die beträchtliche Anzahl an verwandten Werken und schriftlichen Dokumenten zu Teilaspekten der Geschichte des Bildes steht einer überraschenden Unsicherheit hinsichtlich der Absichten der beteiligten Künstler und der Rolle des Auftraggebers gegenüber. Auch die Bedeutung des Gemäldes im kulturellen und intellektuellen Gefüge der Florentiner Gesellschaft ist lückenhaft und bedarf weiterer Forschung.458

Als letzte Bildbetrachtung folgt ein Werk Giorgio Vasaris, das sich nicht nur mit der Geschichte des Paragone beschäftigt, sondern den Blick auch auf dessen Abschluss, sowie den kunsttheoretischen und gesellschaftlichen Umbruch lenkt. Das kleinformatige Gemälde Die Schmiede des Vulkan (Abb. 47 – 48), nicht selten auch als Ingenium und Ars betitelt, entstand in der Zeit um 1564 und befindet sich heute in den Uffizien in Florenz. 459 Der Auftrag an Vasari kam von Francesco I. de’ Medici (1541 – 1587) anlässlich der Gründung der Accademia del Disegno in Florenz. Der Benediktinermönch und Humanist Vincenzo Borghini (1515 – 1580) wurde von

456 Goffen 2002, S. 322. 457 Goffen 2002, S. 323. 458 Leuschner 2003, S. 349 459 Zagoury, David, Minerva in the Forge of Vulcan: Ingegno, Fatica, and Imagination in Early Florentine Art Theory, in: Image, Imagination, and Cognition: Early Modern Theory and Practice, hg. v. Christoph Lüthy, Claudia Swan, Paul Bakker u. a., Boston 2018, S. 81f. 90

Cosimo I. de’ Medici mit der Leitung der Akademie beauftragt. Aus einem Brief an Vasari aus Borghinis Nachlass geht hervor, dass er das Konzept des Bildes in Auftrag gab. 460 Bei der künstlerischen Umsetzung achtete Vasari behutsam auf Borghinis schriftliche Vorgaben, aus dem Brief geht jedoch hervor, dass es bereits zuvor eine mündliche Absprache zwischen den beiden gegeben hatte. Die mythologische Vorlage des Bildes ist der Besuch von Thetis beim Schmiedegott Vulkan, um ihn um eine neue Rüstung für ihren Sohn Achill zu bitten, nachdem sein Freund Patroklos in dessen Rüstung ums Leben gekommen war. 461 Borghini ersetzt in seiner Version Thetis durch die Götting Minerva, die in Kombination mit Vulkan die Allegorie des Bildes entstehen lässt. Denn es geht hier weniger um die Abbildung der mythologischen Geschichte, sondern vielmehr um die „Allegorisierung“ einer Idee.462 In diesem Bild finden sich die kunsttheoretischen Grundgedanken Vasaris und der Accademia del Disegno programmatisch formuliert. Im Sinne des über allem stehenden disegno, fügt sich am Fundament der Idee jeder Einzelteil der Komposition zu einer Einheit zusammen. Demnach kann, Veronika Mertens zufolge, an diesem Werk kaum ein Detail überinterpretiert werden.463

Der Bildvordergrund wird von den Göttern Minerva und Vulkan eingenommen. Vulkan, mit nahezu weißem Haar und langem Bart, befindet sich mittig auf einem Hocker sitzend umringt von Putten, die ihm bei der Arbeit assistieren. Mit erhobenem Hammer scheint er von Minerva, die in eleganter Pose die linke Seite des Vordergrundes einnimmt, gerade bei der Arbeit an einem Schild unterbrochen geworden zu sein, das ihm von drei Putten entgegengehalten wird. Am Schild sind mit dem Steinbock und dem Schaf die Impresen der Medici dargestellt.464 Zu seiner Rechten befinden sich zwei weitere Putten, die im Laufschritt mit einem Helm herbeieilen. Helm und Schild sind Teil der Rüstung, die im Auftrag der Thetis in der Werkstatt für Achill angefertigt werden soll. Die bereits fertigen Teile sollen, nach Vorstellung von Borghini, Minerva präsentiert werden. Minerva, die einzig bekleidete Figur des Bildes, trägt einen transparenten Chiton mit prachtvollen goldenen Gürtel und Trägern. Ihr Helm und die Lanze, die wiederum von einem Putto mühevoll gehalten wird, zeichnen sie als bedachte Heerführerin aus und unterstreichen ihre Zugehörigkeit zu Vulkan, dem

460 Deiters 2002, S. 154f. 461 Homer, Ilias. Neue Übertragung von Wolfgang Schadewaldt, Frankfurt am Main 1975, S. 316-323. 462 Mertens 1994, S. 175. 463 Mertens 1994, S. 208 464 Deiters 2002, S. 156. 91

Waffenschmied des Achill.465 Mit ihrer rechten Hand hält sie Zirkel und Winkelmaß, Attribute die einerseits auf die Bildhauerei und die Architektur verweisen und andererseits die theoria versinnbildlichen. Sie hält dem Schmiedegott ein leeres Blatt vors Gesicht, das von Borghini in seinem Programm nicht erwähnt wird und daher als Idee Vasaris verstanden werden muss. 466 Das Blatt kann als Sinnbild der idea, des Erfindungsreichtums, des Entwurfs für ein entstehendes Kunstwerk, gedeutet werden. Minerva verkörpert hier die Patronin der Künste und Wissenschaften. Als Göttin der Weisheit wurden ihr herausragende geistige Fähigkeiten, Ingenium, zugesprochen, was im Paragone als Argument zur höheren Bewertung der Malerei genannt wurde. 467 Hinter Minerva eröffnen sich die die Räumlichkeiten der Akademie. Im Hintergrund von Vulkan befindet sich seine Schmiedewerkstatt. Im Zentrum arbeiten drei kräftige Männer über einem Amboss gemeinsam an einer Beinschiene für die Rüstung. In einer weiteren Kammer am rechten Bildrand befindet sich ein großer Schleifstein, an dem zwei weitere Mitarbeiter die Werkzeuge schärfen. Auf der in die Schmiede führenden Treppe kniet ein weiterer vertiefter Arbeiter und an der Seite wird ein fertig gestellter Brustharnisch von einem Jüngling in gebückter Haltung aus dem Bild getragen.

Die Räumlichkeiten der Akademie sind über eine weitere, von der Seite gezeigten Treppe zugänglich (Abb. 48). Drei Männer steigen die Treppe hinauf. Einer trägt mühevoll eine Büste, der vorderste deutet ihm mit seinem Arm den Weg. An einem langen Tisch an der Wand sitzen junge Männer, die mit dem Studium einer Skulpturengruppe beschäftigt sind, welche sich über ihnen in einer Nische befindet. Vor ihnen an der Wand hängen bereits entstandene Zeichnungen. Im Hintergrund befinden sich die Arbeitsplätze der Bildhauer. Eine schwebende Mädchenfigur, die einen Lorbeerkranz in den Händen hält, vermittelt zwischen Akademie und Schmiede, aber auch zwischen den Bildgründen.

Das Blatt, das Vulkan von Minerva vor Augen gehalten wird, bildet den Mittelpunkt der Komposition, wie der disegno den Mittelpunkt von Vasaris Kunsttheorie ausmacht. Zwischen der Idee vom Kunstwerk und der nur durch handwerkliche Könnerschaft

465 Deiters 2002, S. 161. 466 Deiters 2002, S. 156. 467 Deiters 2002, S. 166. 92 möglichen Ausformung befindet sich die Zeichnung – in der Theorie und in Vasaris Bild.468

Eine weitere Version des Bildtitels in der Literatur lautet Ingenium und Ars, womit man sich auf das in Basel erschienene Hieroglyphenbuch469 des Humanisten Pierio Valeriano (1477 – 1558) von 1556 bezog, demzufolge die beiden Gottheiten Minerva und Vulkan die Arbeitsabläufe bei der Herstellung von Kunstwerken personifizieren. 470 Ingenium steht dabei für die Theorie, den geistigen Entwurf, den schöpferischen Geist und Ars für die praktische Umsetzung der Kunst. Aus diesem Grund präsentiert Minerva Vulkan mit dem weißen Blatt den Auftrag von Ingenium. Die Bildentstehung wird zur Aufgabe der Ars. Mertens zufolge wäre die Betitelung Theoria und Ars vielleicht noch treffender gewesen.471 Wie es auch in der Programmvorgabe durch Borghini an Vasari gefordert wurde erkennen wir in der Ausführung eine klare Trennung von Theorie und Praxis, was sich, Deiters zufolge, auch geschlechterspezifisch widerspiegelt und in Vasaris Gemälde mit Minerva und Vulkan und der Differenzierung zwischen den freien und mechanischen Künsten in Zusammenhang steht. 472 Durch Martianus Capellas Werk De nuptiis Philologiae et Mercurii 473 aus dem 5. Jahrhundert, worin die sieben freien Künste als Frauengestalten personifiziert wurden, entwickelte sich auch die Darstellungsform in der bildenden Kunst. Als Pendant zu den sieben freien Künsten entwickelte sich eine Abbildungsform der sieben mechanischen Künste als männliche Personifikationen, für deren Darstellung jedoch erst seit dem 12. Jahrhundert ein Kanon entstand. Die Verbindung zum männlichen Geschlecht ruhte da her, dass die handwerklichen Tätigkeiten, die bildlich wiedergegeben wurden, unter anderem auch das Schmieden von Waffen zeigte. Die Überlegenheit der theoretischen gegenüber der handwerklichen Kunst verdeutlicht sich im Bild durch die Positionierungen der beiden Gottheiten – die aufrecht stehende Minerva und der vor ihr kniende Schmiedegott. Mit dieser Gegenüberstellung illustriert Vasari sozusagen den Beginn des Paragone und thematisiert die historischen Umstände. 474 Minerva verfügt über die für ein Kunstwerk

468 Mertens 1994, S. 208. 469 Giovanni Pierio Valeriano Bolzanio/ Ioannis Pierii Valeriani Bolzanii, Hieroglyphica. Basel 1556. Als Digitalisat verfügbar unter https://archive.org/details/desacrisaegyptio00vale/page/n3/mode/2up [Stand 30.04.2020]. 470 Mertens 1994, S. 175; siehe auch Deiters 2002, S. 162. 471 Mertens 1994, S. 208. 472 Deiters 2002, S. 163. 473 Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii, Basel 1532 als Digitalisat verfügbar unter https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11054305_00001.html [Stand 30.04.2020]. 474 Deiters 2002, S. 163-165. 93 benötigte theoretische Grundlage, verdeutlicht durch Zirkel und Winkelmaß, und vermittelt Vulkan mit ihrer weisenden Kraft, dem Blatt, die Impresen auf dem Schild anzubringen. Im Paragone wurde das Argument, geistreichere Arbeit zu verrichten, zugunsten der Malerei angewendet, wobei in Vasaris Darstellung bereits alle Künste der Akademie davon profitieren.475

Vulkan verkörpert den handwerklichen, praktischen Part bei der Entstehung eines Kunstwerkes, wobei die rangniedrigere Stellung durch das Sitzen auf dem Hocker verdeutlicht wird. Die Werkstatt mit der lauten, schmutzigen Atmosphäre, den Arbeitern, denen ihre Tätigkeit viel Schweiß und Anstrengung abverlangt, unterstreicht die handwerkliche Positionierung im Wettstreit. Die von Vulkan praktizierte Tätigkeit des Ziselierens, wurde von Vasari einer Untergattung der Bildhauerei zugeteilt 476 , wodurch Vulkan als Repräsentant der Bildhauerei gesehen werden kann. Vasari lässt die Thematik des Paragone noch anklingen, präsentiert dem Betrachter allerdings auch die neue Stellung des bildenden Künstlers, der sich durch die Gründung der Akademie aus dem Handwerkerstand befreien konnte und proklamiert damit ein Ende des Gattungsstreits.477

Vasaris Charakterisierung und seine Position im Rangstreit der Künste, kennen wir aus dem Vorwort seiner zweiten Auflage der Viten und aus seinem Antwortschreiben an Varchi, worin er sich auf die seit Leonardo grundlegenden Argumente beruft. Im Proemio thematisiert er zunächst die Eigenschaften der Bildhauerei, wie die Dauerhaftigkeit und die Anstrengung der Bearbeitung des Materials, die mangelnde Möglichkeit der Korrektur, die Vielansichtigkeit und viele Aspekte mehr, die bereits oben stehend ausführlich dargelegt wurden. Der Aspekt des physischen Kraftaufwands wird dem Betrachter durch Vulkan und seine Gehilfen in der Schmiede vor Augen geführt. Auch Vasari verweist im Kontext der Bildhauerei auf die Erschaffung des Menschen, wodurch sich die Bildhauerei als ältere der beiden Künste repräsentiert sieht.478 Vulkan wird im Rahmen der Mythologie gerne als Begründer der Bildhauerei herangezogen.479 In Vasaris anschließender Beschreibung der Argumente der Malerei relativiert er den Vergleich zur Schöpfung, mit dem er zuvor noch die Tradition der Bildhauerei als älteste Kunst begründete, indem er, sich auf die Antike berufend, die

475 Deiters 2002, S. 170. 476 Vasari 2010, S. 45. 477 Deiters 2002, S. 175. 478 Vasari 2010, S. 45. 479 Deiters 2002, S. 176f. 94

Malerei als „Mutter der Skulptur“ bezeichnet. 480 Vasari nennt dabei sogar ausdrücklich das Ziselieren, das Tätigkeitsfeld Vulkans, und weist anschließend auf die Verwurzelung in der Malerei hin. Deiters hält demzufolge eine Übertragung der Textstelle auf das Gemälde für möglich.481

Wie bereits erörtert, findet in Vasaris Viten das verschollene Paragonebild von Giorgione Erwähnung, in dem der ignudo sich in einer Quelle, einem Spiegel und einem herumliegenden Rüstungsteil von allen Seiten spiegelt. 482 Auch in seinem Antwortschreiben an Benedetto Varchi erwähnt er die Besonderheit gemalter Spiegelungen von Figuren auf den Oberflächen glänzender Waffen. 483 In Vasaris Gemälde ist Vulkan von spiegelnden Rüstungsteilen umgeben. Das Schild zu seiner Front gibt auf der rechten Seite, direkt unter dem Blatt Minervas, eine Spiegelung zu erkennen und auch am von den Putten empor gehaltenen Helm spiegelt sich der erhobene Arm des Gottes. Vasari nutzt die bekannte Paragone-Tradition, mit reflektierenden Oberflächen die Vielansichtigkeit in der Malerei zu demonstrieren. Deiters zufolge scheint er damit noch einmal augenzwinkernd auf dieses so wesentliche Argument hinweisen zu wollen und die Aufmerksamkeit doch ein wenig auf die Überlegenheit seiner Kunst zu lenken.484

Die Idee, die Künste mit dem disegno auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, zieht sich durch Vasaris gesamte Kunsttheorie. Vasaris Vorstellungen nach, gehen die arte sorelle, die Schwesterkünste, aus demselben Ursprung hervor: Die Zeichnung sei der Vater beider Disziplinen und man kann folglich Malerei und Bildhauerei zu den arti del disegno zusammenfassen.485 Dieses genealogische Bild vom Vater disegno und dessen drei Töchtern Malerei, Skulptur und Architektur, mit den Grazien zu identifizieren, liegt aus mehrfachen Gründen auf der Hand. Die schwesterliche Verbundenheit zählt einerseits zu den Hauptmerkmalen der Grazien, andererseits stand der Begriff der Grazie aufs engste mit dem disegno in Zusammenhang, der das Fundament für alle Künste darstellen sollte. Borghini selbst erwähnte 1564 in einer Vorlesung im Rahmen der der Accademia die drei Tochterkünste des disegno, die wie die Grazien, in

480 Vasari 2010, S. 47. 481 Deiters 2002, S. 177f. 482 Vasari 2008, S. 25.; siehe auch Deiters 2002, S. 178. 483 Varchi 2013, S. 221. 484 Deiters 2002, S. 178f. 485 Deiters 2002, S. 183; siehe auch Vasari 2010, S. 55. 95

Harmonie vereinigt seien. 486 Mit dem disegno als gemeinsame Basis erscheint es folgerichtig, dass sich die Grazien als Personifikationen der drei Schwesternkünste über den Zeichnern am Gesims als Skulpturengruppe positioniert sind, wodurch Vasari einen Gedanken nahezu wörtlich in die bildnerische Form umsetzt.487 Die drei Frauen, die sich umarmen, ergeben ein Sinnbild der Künste, die in der Akademie nun gleichberechtigt nebeneinander praktiziert werden können. 488 An dieser Stelle sei in einem kurzen Exkurs erwähnt, dass die drei Grazien allgemein ein häufiges Motiv im Kontext des Wettstreits darstellen, insbesondere wenn es darum ging, die Vielansichtigkeit in malerische Werke einzubauen. Das Motiv der Grazien vereint die unterschiedlichen Ansichten in einem Bild, und verdeutlicht dadurch, dass das flächige Medium mit dem dreidimensionalen mithalten kann. Die drei Grazien tauchen bereits seit der Antike als eng zusammenstehende Figurengruppe auf. Meist sind sie durc h Tanz, oder eine andere gemeinsame Tätigkeit verbunden, oder sie umarmen einander. Es festigte sich ein autorisierter Darstellungstypus, der jeweils eine der drei von der Seite, in Vorder- und Rückansicht zeigt. 489 Da jede einzelne der drei Grazien das jeweilige Schönheitsideal der Zeit verkörpert, ist in deren Darstellung die Möglichkeit geboten, verschiedene Ansichten dieses Ideals zu zeigen. Es werden auch in diesem Motiv simultan verschiedene Ansichten gezeigt, ohne dass der Betrachter gezwungen ist, den umständlichen Weg um eine Skulpturengruppe zurück zu legen. Aus diesem Vorteil für die Malerei wurden die drei Grazien ein häufiges Bildthema im Zusammenhang mit dem Paragone.490

Die Akademiegründung, die auf Vasaris Initiative basierte und, wie oben aufgezeigt, Anlass für die Entstehung des Bildes war, hatte massive Bedeutung für die Wertigkeit der Künste und den Status eines Künstlers. Durch sie wurde von staatlicher Seite aus die Aufnahme der Malerei, Bildhauerei und Architektur in den Stand der freien Künste anerkannt, womit die Aufwertung des Künstlerstandes vollbracht war.491

Minervas Lanze, gehalten von einem Putten, weist wie ein Pfeil vom Blatt, dem disegno, nach oben auf die Frauengestalt mit dem Lorbeerkranz, der für das Haupt Vulkans bestimmt zu sein scheint. Aus dem von Borghini verfassten Programm des

486 Mertens 1994, S. 226. 487 Mertens 1994, S. 227. 488 Deiters 2002, S. 185. 489 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 301. 490 Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 301. 491 Deiters 2002, S. 96

Bildes geht hervor, dass Vulkan, anstelle von Venus, von Gratia (griechisch Charis) als Gattin begleitet werden sollte, wie wir es in Homers Ilias vorfinden. 492 In der Mythologie gibt es zwei Überlieferungen über die Ehefrau des Hephaistos: Einmal ist der schmiedende Gott mit Aphrodite verheiratet, der zweiten Überlieferung zufolge ist er mit Charis liiert. An der für uns relevanten Stelle der Ilias ist es die Gattin Charis, die Thetis bei ihrer Ankunft in der Schmiede in Empfang nimmt.493 Durch Charis/Gratia stellen Borghini und Vasari Minerva und Vulkan, dem Ingenium und der Ars, noch eine weitere Kraft zur Seite: Die Grazie, die dem Kunstwerk den Reiz gibt und es dadurch für den Betrachter überhaupt erst anziehend macht. Sieht man Ingenium und Ars als Kräfte, die auf die Entstehung des Kunstwerkens einwirken, meint Grazie die Ausstrahlung, die dem Kunstwerk eine über seine materielle Existenz hinausreichende Dimension gibt. Die Grazie begründet letztlich erst den Erfolg und Ruhm eines Künstlers. Diese Interpretation von Grazie findet im 16. Jh. neu Eingang in die kunsttheoretische Literatur, auch wenn die damit bezeichneten Phänomene teilweise unter anderen Begriffen auch schon zuvor beschrieben worden sind. 494 Vasaris geschaffene Interaktion von Minerva und Vulkan, kann als Aufforderung der Göttin der Weisheit an den Künstler verstanden werden, sich durch den disegno aus der niedrigen Position des Handwerks zu entledigen und die Stufen in den Raum geistigen Adels hinaufzuschreiten, der unter dem Schutz der Grazien steht. 495 Mit dem Grundgedanken, dass im disegno die wesentliche Qualität eines Kunstwerkes zu finden ist, die es mit Grazie erfüllt und dem Künstler Ruhm und Ehre beschert, leistete Vasari einen wesentlichen Beitrag zum neuzeitlichen Grazienverständnis. 496 In der sein Akademiebild bekrönenden Gratia gab er dem Gedanken eine erste bildliche Formulierung. Neben der einzelnen Gratia, Charis, kommen die Grazien auch in der üblichen Dreiergruppe vor. Aus der Kunsttheorie entwickelte sich eine die Grazien und die Disegno-Künste vereinende Bildtradition. Die Florentiner Kunsttheoretiker versuchten mit der Propagierung des disegnos das Fundament für den Zusammenschluss der Künste im Kontext der Akademie zu schaffen und mit dem mittlerweile als überholt empfundenen Paragone abzuschließen. Demzufolge sollten die

492 Mertens 1994, S. 175. 493 Homer 1975, S. 317. 494 Mertens 1994, S. 178. 495 Mertens 1994, S. 211. 496 Mertens 1994, S. 225. 97

Künste nicht mehr miteinander wetteifern, sondern sich ihre gemeinsame Herkunft aus dem disegno bewusst machen.497

In Vasaris Gemälde wird der Rangstreit thematisiert und gleichzeitig geschlichtet, denn nur durch ein Bewusstsein für die Ziele und Darstellungsmöglichkeiten der einzelnen Gattungen, konnte die Bedeutung einer Aufhebung des Disputes ermessen werden. Die Zusammenführung der Künste erfolgte in den Schriften im Rahmen des disegno und wurde durch die Gründung der Accademia del Disegno in die Praxis umgesetzt. In Vasaris Komposition ist der Paragone bereits gelöst und es wird nur noch abschließend darauf hingewiesen. Es führt dem Betrachter vor allem die sich daraus entwickelten veränderten Bedingungen der gesellschaftspolitischen Gegebenheiten der Stadt Florenz vor Augen.498

In der Forschung kamen Theorien auf, dass Vulkan ein Selbstporträt Vasaris oder porträthafte Züge von Benvenuto Cellini aufweisen könnte. David Zagoury scheint es wahrscheinlicher, dass Vasaris kräftig gebauter Schmied Michelangelo darstellt. Einer Anekdote seiner Viten zufolge, trägt Michelangelos den ingegno der Minerva und die Stärke des Vulkans in sich. Ein weiteres Argument zur Unterstreichung dieser These macht der Entstehungszeitraum des Bildes aus, die Monate zwischen Mai und Oktober 1564, die von der Vorbereitung von Michelangelos großer Trauerfeier geprägt waren, die am 14. Juli 1564 in der Kirche San Lorenzo stattfand. Das Programm für diese Zeremonie wurde unter der Leitung von Vasari und Borghini konzipiert und das Ensemble von Werken, das bei dieser Gelegenheit realisiert wurde, enthielt eine Figur von Vulkan, sowie die einzige andere bekannte Allegorie von ingegno, die in diesen Jahren hergestellt wurde. Demnach ist es möglich, dass das Gemälde in Michelangelos Erinnerung, im Gedenken an sein Talent gemalt wurde 499 und entsprechend der schlichtenden Art seiner Antwort auf Varchis Umfrage den Paragone als veralteten Wettstreit darstellt.

Die von Minerva und Vulkan verkörperten Begriffe leiten erst auf den eigentlichen Mittelpunkt des Bildes hin: den disegno. 500 Die Göttin der Weisheit und der Wissenschaften, die Ingenium und theoria in sich trägt, gibt dem Handwerker Vulkan mit dem Entwurf die Gesamtheit des von ihr erwarteten Werks zu verstehen: Eine ganze

497 Mertens 1994, S. 225. 498 Deiters 2002, S. 161. 499 Zagoury 2018, S. 90f. 500 Mertens 1994, S. 208 98

Rüstung, nicht nur ein Schild. Die gesamte rechte Seite zeigt nun die Mühe der Ars, diese Rüstung zu schaffen. Die linke Bildhälfte strahlt die geistige Atmosphäre der Akademie aus. Im Kernpunkt des Bildes werden nun die Einzelteile der Rüstung zu einem Ganzen zusammengetragen: Der Blick des arbeitenden Schmiedegottes fällt auf den idealen Entwurf der Minerva. Mit Vulkan präsentiert uns Vasari damit den Künstler, der die Technik seines Handwerks nach allen Regeln auszuführen versteht, den idealen Entwurf dabei jedoch immer im Hinterkopf bewahrt. Diesem Künstler kann durch Charis der Ruhmeskranz verliehen werden.501

501 Mertens 1994, S. 209. 99

IV. Resümee

Ziel dieser Abhandlung war, anhand von Fallbeispielen einen Überblick über das äußerst komplexe und umfangreiche Thema des Paragone innerhalb der bildenden Künste mit Fokus auf dem Cinquecento in Italien zu gewinnen. Bereits seit der Antike finden sich Belege des Wettstreits und der Konkurrenz, die den Beruf des Künstlers sowohl in ästhetischer als auch ökonomischer Hinsicht begleiten. Innerhalb der Kunsttheorie entwickelten sich Kriterien, die zur Aufwertung und Nobilitierung des Künstlerstandes führten und den Wettkampf der verschiedenen Disziplinen untereinander verstärkten. Besonders die Malerei und die Bildhauerei traten in einen Wettbewerb, der die Kunst über Jahrhunderte hinweg beschäftigte. Im 16. Jahrhundert fand der Paragone schließlich seinen Höhepunkt und es kam zunehmend zu einer anschaulichen praktischen Austragung in den Artefakten und Kunstwerken der Zeit. Durch den Paragone wurden die beiden Kunstgattungen in ihren Fähigkeiten definiert und die Künstler dazu angeregt, sich in Reflexion mit ihren Möglichkeiten auseinanderzusetzten. Die in der Theorie festgelegten Grenzen dienten als konstruktive Inspirationsquelle für die Maler und Bildhauer um die Stärken ihres Mediums in Szene zu setzten. Zusätzlich wurden sie gefordert, ihren Ideenreichtum voll auszuschöpfen und mit innovativen Methoden die vorgegebenen Begrenzungen zu überwinden und ihr eigenes Schaffungsvermögen noch weiter zu steigern und zu entwickeln.

Im Rahmen dieser Masterarbeit wurde eine Auswahl an Kunstwerken betrachtet, die durch die Konkurrenz zwischen Malerei und Bildhauerei geprägt wurde und dieses durch Ambition und Wettbewerb geformte Gedankengut mit kreativen und innovativen künstlerischen Mitteln veranschaulicht. Der erste und einführende Teil charakterisierte die Grundzüge des kunsttheoretischen Diskurses. Der Stand der Forschung zum kunsttheoretischen Kontext des Paragone ist äußerst umfangreich und wurde den Bildwerken in prägnanter Form vorangestellt. Es ist an dieser Stelle festzuhalten, dass im Ausmaß einer Masterarbeit es nur begrenzt möglich war, den breiten Fundus an zeitgenössischen Schriften gebührend darzulegen, weshalb viele Beiträge außer Acht blieben. Es wurden die Texte von Leonardo da Vinci, Baldassare Castiglione, Benedetto Varchi und Giorgio Vasari in den Vordergrund gestellt, da sie die Grundzüge der Debatte umfassen und zugleich die Grundlage für die Deutung der in dieser Arbeit behandelten Kunstwerke ausmachen. Im zweiten Abschnitt dieser Masterarbeit konnte anhand der Fallbeispiele aufgezeigt werden, welch erheblichen Einfluss der 100 allgegenwärtige Wettstreit auf das Schaffen der Künstler hatte. Anhand der analysierten Bildwerke lassen sich zentrale Argumente des Paragone ablesen, unabhängig davon, ob eine theoretische Auseinandersetzung der jeweiligen Künstler mit dem Diskurs bekannt ist.

Die Geschichte des Paragone ist auch eine Geschichte des Spielens, des Reflektierens und des Fortschreitens. Was spielerisch erscheint, sind die Formen der variablen und geistreichen Versuche, die Natur und die Konkurrenten zu überbieten. Die Künstlerkonkurrenz lässt die Notwendigkeit eines gattungsspezifischen Bewusstseins entstehen, das die eigenen Stärken hervorzubringen vermag. Der Paragone förderte den agilen Drang kreativen Schaffens, der die Weiterentwicklung künstlerischer Ausdrucksmittel mit sich brachte. In dieser Weise wurde durch das kompetitive Verhältnis das eigene Metier durch das Ausforschen des Fremden erweitert.502

Zu einem tatsächlichen Sieger des Wettkampfes kam es nie und sollte es vielleicht auch gar nicht kommen. Die meisten Argumente für oder gegen die Malerei respektive Bildhauerei lassen sich leicht auf die jeweils gegnerische Gattung umdrehen, oder lassen sich auf beide Disziplinen auslegen. Dementsprechend ist es möglich, gestalterische Mittel, die als Vorteil für die Malerei angesehen werden, wie beispielsweise die Konstruktion mittels Perspektive, auch auf das Relief zu beziehen. Umgekehrt überwindet das Relief auch die vermeintliche Hürde der Skulptur, narrativ darzustellen zu können. In den Jahren nach Benedetto Varchis öffentlicher Abhandlung zum Paragone, versuchten die Florentiner Kunsttheoretiker mit der Propagierung des disegno das Fundament für den Zusammenschluss der Künste im Rahmen einer Akademie zu bilden. Diese Akademiefähigkeit der bildenden Künste wurde 1563 mit der Gründung der Accademia del Disegno in Florenz erreicht, woraufhin die Wettstreitfrage erstmals abflaute, da man mit der offiziellen Anerkennung und der Gleichrangigkeit aller Kunstgattungen im übertragenen Sinn am Ziel angelangt war. Die einzelnen Künste sollten sich auf ihren gleichrangigen Ursprung aus dem disegno berufen und den Konkurrenzkampf, der in der Kunstliteratur so lange betrieben wurde, hinter sich lassen.

Ein Ende des Paragone kann schwer festgelegt werden. Der kunsttheoretische Diskurs fand im Laufe der Jahrhunderte häufig einen Nachhall und konnte beispielsweise durch

502 Gastel/Hadjinicolaou/Rath 2014, S. 22. 101 technische Neuerungen wieder in den Fokus gerückt werden. Nicht zuletzt mit der Entwicklung der Fotografie entflammte im 19. Jahrhundert ein neuer Wettstreit, da sich die Malerei durch die erschütternde Mimesis des neuen Mediums darin gefordert sah, sich abermals zu messen. Die vorliegende Masterarbeit entstand aus der Faszination über die Auswirkungen, welche die Selbstreflexion der Künste auf die Kunstwerke ausübte. Das Cinquecento war durchdrungen vom Geist des Wettkampfes, der die Künstler zu bemerkenswerten Höchstleistungen in der Ausübung ihrer Arbeit anspornte. Die kaum überschaubare Fülle an zeitgenössischen theoretischen Abhandlungen zum Thema Paragone zeigt den allgegenwärtigen Einfluss, den die Debatte auf das Schaffen der Künstler haben musste und das immer noch anhaltende große Forschungsinteresse. Ein häufiges Fehlen von konkreten dokumentarischen Belegen macht es jedoch in vielen Fällen schwierig für die Forschung, die Gedanken der Künstler in gebührendem Ausmaß nachzuweisen.

Seit dem 18. Jahrhundert werden die Tätigkeiten im Bereich der Dichtung, Musik, Tanz, Malerei, Skulptur und Architektur den schönen Künsten zugeordnet, die eigenständig neben der handwerklichen Aktivität und den Wissenschaften existieren. Eine Vergleichbarkeit der Disziplinen untereinander wurde ausgeschlossen und die Bedeutung verlagerte sich auf die individuellen medialen Möglichkeiten der einzelnen Kunstrichtungen.503

503 Pfisterer 2002, S. 262. 102

V. Bibliographie

V.1. Gedruckte Quellen

Alberti 2000 Leon Battista Alberti, Das Standbild. Die Malkunst. Grundlagen der Malerei, übersetzt, herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Oskar Bätschmann, Christoph Schäublin, Darmstadt 2000

Alberti 2005 Leon Battista Alberti, Zehn Bücher über die Baukunst, übers. u. hg. v. Max Theuer, Darmstadt 2 2005

Alberti 2014 Leon Battista Alberti, Über die Malkunst, hg. v. Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda, Darmstadt 4 2014

Castiglione 1986 Baldassare Castiglione, Das Buch vom Hofmann, übers. v. Fritz Baumgart, München 1986

Cellini 2016 Benvenuto Cellini, Leben des Benvenuto Cellini, florentinischen Goldschmieds und Bildhauers. Von ihm selbst geschrieben, übers. v. Johann Wolfgang Goethe [1798], hg. v. Karl-Maria Guth, Berlin 2016

Homer 1975 Homer, Ilias. Neue Übertragung von Wolfgang Schadewaldt, Frankfurt am Main 1975

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115

VI. Abbildungsteil

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Abb. 3: Benvenuto Cellini, Narziss, 1548 – 1565, H. 149 cm, Marmor, Florenz, Bargello. 116

Abb. 4: Giovanni Savoldo, Mann in Rüstung zwischen zwei Spiegeln, 1527/30, Paris, Louvre.

Abb. 5: Sodoma, Kreuzabnahme, 1510 – 1513, Siena, Pinacoteca Nazionale. 117

Abb. 6: Sodoma, Kreuzabnahme, 1510 – 1513, Siena, Pinacoteca Nazionale (Detail).

Abb. 7: Giovanni Bellini, Junge Frau bei der Toilette, 1515, 62,9 x 78,3cm, Wien, Kunsthistorisches Museum.

118

Abb. 8: Kopie nach Jan van Eyck (Unbekannter Meister), Junge Frau bei der Toilette, Original 1430er (?), Kopie nach 1511, Cambridge, Fogg Art Museum.

Abb. 9: Willem van Haecht, Die Kunstkammer des Cornelis van der Geest, 1628, 100 x 130 cm, Antwerpen, Rubenshuis.

119

Abb. 10: Tizian, Frau vor dem Spiegel, 1513-15, Paris, Louvre.

Abb. 11: Tizian, Vanitas, um 1514/15, Öl auf Leinwand, 97 x 81,2cm, München, Alte Pinakothek. 120

Abb. 12: Tizian, Flora, um 1515 – 1520, Öl auf Leinwand, 79,9 x 63,5 cm, Florenz, Uffizien.

Abb. 13: Tizian, Venus vor dem Spiegel, 1555, Washington, National Gallery of Art.

121

Abb. 14: Paolo Veronese, Toilette der Venus, ca. 1582, Öl auf Leinwand, 165.1 x 124.46 cm, Omaha, Joslyn Art Museum.

Abb. 15: Venezianischer Meister, Doppelporträt zweier Künstlerfreunde vor dem Spiegel, um 1530, Öl auf Holz, 81 x 62 cm, Würzburg, Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg. 122

Abb. 16: Girolamo Mazzola Bedoli, Anna Eleonora Sanvitale, Galleria Nazionale di Parma.

Abb. 17: Jacopo Tintoretto, Vulkan überrascht Venus und Mars, 1555, München, Alte Pinakothek. 123

Abb. 18: Jacopo Tintoretto, Vulkan überrascht Venus und Mars, 1555, München, Alte Pinakothek (Detail).

Abb. 19: Lorenzo Lotto, Ein Goldschmied in drei Ansichten, um 1525/25, 52 cm × 79 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum. 124

Abb. 20: Leonardo da Vinci, Drei Ansichten eines männlichen Kopfes (Cesare Borgia), um 1502, Rötelzeichnung, Turin, Biblioteca Reale.

Abb. 21: Daniele da Volterra, David und Goliath, um 1555, Öl auf Schiefer, Paris, Louvre.

125

Abb. 22: Daniele da Volterra, David und Goliath, um 1555, Öl auf Schiefer, Paris, Louvre (Vorderseite).

Abb. 23: Daniele da Volterra, David und Goliath, um 1555, Öl auf Schiefer, Paris, Louvre (Rückseite). 126

Abb. 24: Michelangelo, David und Goliath, Fresko, 1509, Vatikan, Cappella Sistina.

Abb. 25: Agnolo Bronzino, Hofzwerg Morgante, vor 1553, Öl auf Leinwand, 150 x 98 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi (Vorderseite).

Abb. 26: Agnolo Bronzino, Hofzwerg Morgante, vor 1553, Öl auf Leinwand, 150 x 98 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi (Rückseite).

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Abb. 27 - 28: Agnolo Bronzino, Hofzwerg Morgante, vor 1553, Öl auf Leinwand, 150 x 98 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi (vor der Restaurierung 2010).

Abb. 29: Benvenuto Cellini, Perseus mit dem Haupt der Medusa, 1554, Bronze, Sockel aus Marmor, Florenz, Piazza della Signoria, Loggia die Lanzi.

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Abb. 30: Benvenuto Cellini, Perseus mit dem Haupt der Medusa, 1554, Bronze, H. 320 cm. (ohne Sockel), Florenz, Piazza della Signoria, Loggia die Lanzi.

Abb. 31: Michelangelo, David, 1501-04, Marmor, H. 434 cm, Florenz, Galleria dell’Accademia.

129

Abb. 32: Donatello, Judith und Holofernes, 1453-75, Bronze, H. 236 cm (ohne Sockel), Florenz, Palazzo Vecchio.

Abb. 33: Michelangelo Buonarroti, Pietà, 1499, Marmor, H. 174 cm (ohne Sockel), Rom, Petersdom.

130

Abb. 34: Donatello, Georg als Drachentöter, 1416/17, Sockelrelief unter der Nische des Hl. Georg, Florenz, Orsanmichele.

Abb. 35: Donatello, Georg als Drachentöter, 1416/17, Sockelrelief unter der Nische des Hl. Georg, Florenz, Orsanmichele (Detail).

131

Abb. 36: Andrea Sansovino, Taufe Christi, 1505 – 09, Florenz, Baptisterium, Ostportal.

Abb. 37: Andrea del Verrocchio, Taufe Christi, um 1475, Florenz, Galleria degli Uffizi.

132

Abb. 38: Jan van Eyck, Verkündigung, um 1433 – 1435, Öl auf Leinwand, linker Flügel 38.8 x 23.2 cm, rechter Flügel 39 x 24 cm, Madrid, Museo Nacional Thyssen- Bornemisza.

Abb. 39: Tizian, La Schiavona, 1508 – 10, Öl auf Leinwand, 117 x 97 cm, London, National Gallery.

133

Abb. 40: Agnolo Bronzino/Japoco da Pontormo, Pygmalion und Galatea, Öl auf Holz, 81 x 64 cm, um 1529/30, Florenz, Galleria degli Uffizi.

Abb. 41: Daniele da Volterra, Enthauptung des Täufers, 1555/56, Tempera grassa auf Holz, 177 x 141 cm, Turin, Galleria Sabauda.

134

Abb. 42: Jacopo da Pontormo, Venus und Amor, 1532 – 34, Öl auf Holz, 128 x 197 cm, Florenz, Galleria dell’Accademia.

Abb. 43: Michelangelo, Die Nacht vom Grabmal des Giuliano de‘ Medici, Neue Sakristei, Florenz, S. Lorenzo. 135

Abb. 44: Michelangelo, Aurora vom Grabmal für Lorenzo de‘ Medici, Florenz, Neue Sakristei an San Lorenzo.

Abb. 45: Kopie nach Michelangelo, Karton von Venus und Cupido, Neapel, Museo Nazionale di Capodimonte, Gabinetto Disegni e Stampe.

136

Abb. 46: Giulio Romano, Hochzeitsbankett von Psyche und Amor, 1526-28, Fresko, Mantua, Palazzo del Tè, Sala di Psiche.

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Abb. 47: Giorgio Vasari, Die Schmiede des Vulkan, um 1564, Öl auf Kupfer, 38 x 28 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi.

Abb. 48: Giorgio Vasari, Die Schmiede des Vulkan (Detail), um 1564, Öl auf Kupfer, 38 x 28 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi. 138

Abbildungsnachweise

Abb. 1, 2, 9, 11 - 13, 17, 18, 20, 29, 31 - 34, 39 – 42, 46: Web Gallery of Art (http://www.wga.hu)

Abb. 3: Capriotti 2017, S. 73

Abb. 4, 5, 10, 15, 16, 21 - 28, 35 - 37, 45: Bildarchiv Prometheus (https://www.prometheus-bildarchiv.de/)

Abb. 6: Ausst.-Kat. Köln/München 2002, S. 92

Abb. 7: https://www.khm.at/objektdb/detail/204 [Stand 19.04.2020]

Abb. 8: Pfisterer 2017, S. 298

Abb. 14: https://www.joslyn.org/collections-and-exhibitions/permanent- collections/european/veronese-venus-at-her-toilette/ [Stand 19.04.2020]

Abb. 19: https://www.khm.at/objektdb/detail/1127 [Stand 19.04.2020]

Abb. 30: Ceysson 1996, S. 127

Abb. 38: https://www.museothyssen.org/en/collection/artists/eyck-jan- van/annunciation-diptych#tab-pane-1 [Stand 11.05.2020]

Abb. 43: Ceysson 1996, S. 85

Abb. 44: Goffen 2002, S. 321

Abb. 47 – 48: Zagoury 2018, S. 86

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