Dokumentation Chronik 2004-2005
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Dokumentation Chronik 2004-2005 Zusammengestellt vom Programm Frankreich / deutsch-franzOsische Beziehungen der Deutschen Gesellschafi fiir Ausw~irtige Politik (DGAP) * 2004 Juli 2.7. In Paris empf'~ngt Staatsprfisident Chirac den italienischen Premierminister Silvio Berlusconi. Unter anderem sagt Chirac die Auslieferung des italieni- schen Terroristen Cesare Battisti zu, der in Italien wegen der Ermordung von vier Personen Ende der Siebzigerjahre in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war und sich seit 1990 in Frankreich aufhfilt. Am 30. Juni hatte das Pariser Berufungsgericht eine Auslieferung Battistis fiar rechtmfigig erkl~rt. Aul3erdem unterstreichen die beiden Politiker ihre Ab- sicht, in Fragen der inneren Sicherheit und der Terrorismusbekfimpfung enger zusammenzuarbeiten. 3.7. Der Bt~rgermeister von Paris, Bertrand Delano~ (PS), und der ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister Dominique Strauss-Kahn (PS) erkl~iren in einem gemeinsamen Artikel in der Zeitung ,,Le Monde", dass die vom Euro- pfiischen Rat verabschiedete EU-Verfassung ratifiziert werden mtisse. Die beiden Sozialisten weisen darauf bin, dass der Verfassungsvertrag erstmals ein soziales und ein politisches Europa ermOgliche und den Beginn einer ,,wirklichen europfiischen Demokratie" darstelle. Ohne die neue Verfassung bleibe Europa auf unabsehbare Zeit ein reiner Markt, was de facto einen Rackschritt bedeuten wtirde. 8./9.7. Nach einer drei Jahre dauernden Debatte beschliegen die Nationalversamm- lung und der Senat eine Revision des Gesetzes zur Bioethik yon 1994. Das yon der ,,commission mixte paritaire" (CMP) entworfene Gesetz regelt Fragen zu Organspenden, zur kianstlichen Befruchtung, zur Gentechnologie und zur Embryonalforschung. Sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen bleiben in Frankreich verboten. * Die Chronik erscheint in ausftihrlicher Version regelm~gig in ,,Dokumente. Zeitschrift ftir den deutsch-franz0sischen Dialog". Dariaber hinaus ist sie einzusehen auf der Intemetseite des Frank- reich-Programms der DGAP (www.dgap.org). 234 Dokumentation 9.7. Nach einem Bericht der Zeitung ,,Le Figaro" haben die Franzosen im Jahr 2003 168 Mrd. Euro (10,8% des BIP) ft~r medizinische Versorgung ausgege- ben, zehn Mrd. Euro mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt entspricht das pro Person Ausgaben von 2732 Euro. 12.7. Unter dem Titel ,,Frankreich, ich liebe dich" erscheint in der Zeitung ,,Libdra- tion" eine Umfrage des deutschen Instituts Enigma GFK, nach der die Fran- zosen die besten ,,Freunde" der Deutschen seien. Zwischen dem 15. und 22. Juni meinten 54% der befragten Deutschen fiber 14 Jahre, dass Frankreich der beste Freund Deutschlands sei, gefolgt von Osterreich (19%), den USA (15%), Russland (5%) und GroBbritannien (4%). 13 Jahre nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch den Irak ert~ffnet Frankreich wieder seine Botschaft in Bagdad. Paris reagiert damit auf die Obertragung der Souverfinitfit vonder US-amerikanischen Besat- zungsmacht auf die irakische Obergangsregierung am 29. Juni. 13.7. In einem Interview mit der Zeitung ,,Le Monde" erklfirt der Chief Executive Officer (CEO) von EADS, Philippe Camus, dass das deutsch-franzOsische Unternehmen zum Ziel habe, in zehn Jahren den Hauptkonkurrenten Boeing im Gesamtumsatz zu 0berhohlen. Obwohl Airbus- die Flugzeugsparte von EADS- im Bereich der zivilen Luftfahrt gr6Ber als Boeing ist, ist EADS ge- genwfirtig das umsatzschwfichere Unternehmen (30 Mrd. Euro) im Vergleich mit Boeing (44 Mrd. Euro). Grundlage dieses Wachstums soll der Verkauf des neuen A380 sowie eine gr6Bere Produktion von Rt~stungsgt~tern sein. Der Europfiische Gerichtshof in Luxemburg entscheidet, dass der Beschluss der EU-Wirtschafts- und Finanzminister vom 25. November 2003, die lau- fenden Defizitverfahren gegen Frankreich und Deutschland auszusetzen, aus formalen Grt~nden rechtwidrig gewesen ist. Eine einfache Zurackweisung der Empfehlungen der Europfiischen Kommission wfire gleichwohl mOglich ge- wesen. Der Ministerrat hatte Paris und Berlin zu weiterem Sparen ohne Sank- tionsandrohungen verpflichtet- eine MaBnahme, die nach Ansicht der Rich- ter rechtswidrig war, da sie nicht auf einer entsprechenden Empfehlung der Kommission beruhte. Der seit fanf Jahren flt~chtige ehemalige Staatssekretfir im Bundesverteidi- gungsministerium und Chef des Bundesamtes far Verfassungsschutz, Holger Pfahls, wird in Paris festgenommen. Ihm wird von den deutschen Ermitt- lungsbeh0rden Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Lieferung von Spt~rpanzern an Saudi-Arabien im Jahr 1991 vorge- worfen. 14.7. Anl~sslich des franz6sischen Nationalfeiertags verkt~ndet Staatsprfisident Chirac bei seiner traditionellen Fernsehansprache, den am 18. Juni vom Eu- ropfiischen Rat angenommenen EU-Verfassungsvertrag per Referendum in der zweiten Jahreshfilfte 2005 ratifizieren zu lassen. Weitere zentrale Themen sind die Kritik des Wirtschafts- und Finanzministers Nicolas Sarkozy an der Chronik 2004-2005 23 5 geplanten Erh6hung des Verteidigungsbudgets sowie die Regelungen der 35- Stunden-Woche, die nach Ansicht Chiracs gelockert werden mt~ssen. 16.7. Alain Jupp6 legt den Parteivorsitz der UMP nieder. Der Btirgermeister von Bordeaux und ehemalige Premierminister war am 30. Januar 2004 wegen Korruption zu 18 Monaten Haft auf Bewfihrung verurteilt worden und darf in den nfichsten zehn Jahren keine politischen .~mter mehr austiben. Der neue Bundespr~isident Horst K6hler stattet Staatsprfisident Chirac seinen Antrittsbesuch ab. Am Tag zuvor war er auf seiner ersten Auslandsreise nach Warschau geflogen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ist damit nicht Paris das erste Ziel eines neu gewfihlten Bundesprfisidenten. 16./18.7. Drei Tage nach dem Besuch des Aul3enministers Michel Barnier in Algier reist mit Mich61e Alliot-Marie zum ersten Mal seit Ende des Algerienkriegs eine franzOsische Verteidigungsministerin nach Algerien. Neben der politi- schen Bedeutung der Reise dienen die Gesprfiche zwischen Alliot-Marie und dem algerischen Prfisidenten und Verteidigungsminister Abdelaziz Bouteflika der Vorbereitung eines Verteidigungsabkommens, das im Herbst unterzeich- net werden soll. 18.7. Der israelische Premierminister Ariel Sharon ruft die in Frankreich lebenden Juden auf, ,,unverzt~glich" nach Israel auszuwandern, da sich in Frankreich ,,wildester Antisemitismus" ausbreite. Dies sei im wesentlichen auf die Tat- sache zurtickzuftihren, class 10% der franzOsischen Bev01kerung muslimisch sei. Diese ,~ul3emngen ftihren in Frankreich zu heftiger Kritik an Sharon aus allen politischen Parteien sowie unter anderem vonder Dachorganisation der jtidischen Einrichtungen in Frankreich, CRIF. 19.7. Anlfisslich des Treffens der Innen- und Justizminister der EU in Brt~ssel ver- k~nden Deutschland, Frankreich und Spanien ihre Absicht, im Laufe des Jah- res 2005 ihre Strafregister zusammenzulegen. Das Projekt war ursprt~nglich auf bilateraler Ebene von Paris und Berlin im Januar 2003 anlfisslich des 40. Jahrestages des Elys6e-Vertrages lanciert worden. Spanien hatte sich Ende 2003 angeschlossen. 20.7. Bei einem Treffen mit Staatsprfisident Chirac in Paris wirbt der t~rkische Premierminister Tayyip Erdogan ft~r einen Beitritt der Tiarkei zur EU. Chirac erklfirt, dass der EU-Beitritt der Ttirkei wianschenswert sei, ,,sobald er mOg- lich sei". Die Ttirkei mt~sse ihre demokratischen und 6konomischen Refor- men fortsetzen und intensivieren. 21.7. Philippe S6guin wird vom Conseil des ministres zum Prfisidenten der Cour des comptes ernannt. Damit kontrolliert die UMP alle wichtigen Staatsfimter: Neben dem Vorsitz in der Nationalversammlung und dem Senat stellt sie durch Mitglieder oder ihr nahe stehende Personen auch die Pr~isidenten des Conseil constitutionnel, des Conseil d'Etat, des Conseil sup6rieur de l'audiovisuel und der Commission nationale de l'informatique et des libert6s. 236 Dokumentation 25.7. Der Amerikaner Lance Armstrong gewinnt die Tour de France und schreibt damit Tourgeschichte: Er ist der erste Fahrer, der das Radrennen sechsmal gewinnen konnte. 27.7. Premierminister Raffarin iabersteht in der Nationalversammlung einen von den Sozialisten eingebrachten Misstrauensantrag- es stimmen nur 175 der 577 Abgeordneten dafter. Aufgrund der deutlichen Mehrheit der Regierungs- partei handelt es sich vor allem um einen symbolischen Akt, durch den die Sozialisten, die Kommunisten und die Grianen ihre Unzufriedenheit fiber das von Raffarin gewfihlte Schnellverfahren (Artikel 49-3 der Verfassung) zur Annahme eines Teils der Dezentralisierungsreform- ohne Beteiligung des Parlaments- ausdracken wollen. Der Abschnitt der Reform betrifft die Kom- petenzerweiterung der GebietskOrperschaften in den Bereichen Transport, Er- ziehung und Bildung. Der Historiker und Publizist Joseph Rovan stirbt im Alter von 86 Jahren in Chabus (Cantal). In Mtinchen als Deutscher jt~discher Abstammung geboren, emigrierte er 1934 nach Frankreich. Er war Mitglied der Rdsistance und iaber- lebte 1944 eine zehnmonatige Internierung im Konzentrationslager Dachau. Nach dem Krieg engagierte er sich jahrzehntelang far die deutsch- franz0sische Verstfindigung- unter anderem als Herausgeber der Zeitschrift ,,Documents". Mehr als 20 Jahre war Rovan Prfisident des Bureau Internatio- nal de liaison et de documentation (BILD). Aul3erdem war er Berater des franzOsischen Staatsprfisidenten Jacques Chirac sowie der Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl. 28.7. Premierminister Raffarin stellt auf einer Pressekonferenz sein Regierungs-