Lisa Della Casa
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90 Jahre Salzburger Festspiele, 60 Jahre Großes Festspielhaus – wie nähert man sich diesem © Wien Fayer, Jubiläum in einer Zeit an, die nach Superlativen ruft? Noch einmal die historischen Anfänge feiern? Zum x-ten Male alles Revue passieren lassen? Noch einmal Erfolge, glänzende Premieren und mitreißende musikalische Triumphe bebildern? lisa della casa 90 years of the Salzburg Festival, 60 years of the Great Festival Hall – how do you acknowledge these anniversaries in a time which calls for superlatives? Celebrate their historical beginnings once again? Look back on the past for the umpteenth time? Relive successes, glittering premieres and thrilling musical triumphs yet again? TExT: dEREk wEbER PhoToS: ARchiv dER SAlZbuRGER FESTSPiElE/ARchivE SAlZbuRG FESTivAl 120 salon Salon10_02_LisaDellaCasa_050710.indd 120 14.07.10 14:31 Der Rosenkavalier, 1960 Salon10_02_LisaDellaCasa_050710.indd 121 14.07.10 14:31 © Fayer, © Wien Fayer, unter den vielen Namen, welche die Festspiele prägten, gibt es einen, der ihre Geschichte auf besondere weise erzählt, authentisch, durch sich selbst, durch einen stillen Glanz, den man den „wahren“ nennen möchte, weil er ohne Glamour- Seitenblicke auskam. Noch heute steht dieser Name, der sich auch auf dem besetzungszettel der Eröffnungspremiere im Großen Festspielhaus vom Sommer 1960 findet, für schlichte Eleganz, stimmige bühnenpräsenz und eine gesangliche Perfektion, der zugleich menschliche wärme eigen war. „die leibhaftige Poesie“ hat ein kritiker sie einmal genannt. lisa della casa ist heute über 90 Jahre alt. ihr letzter bühnen- auftritt liegt mehr als 35 Jahre zurück; sie lebt zurückgezo - gen mit ihrer Familie auf jenem Schweizer Schloss in der Nähe des bodensees, das sie zusammen mit ihrem Mann vor 60 Jahren erwarb. 1947 trat sie zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen als Zdenka in Arabella auf; 1953 wirkte sie bei der uraufführung von Gottfried von Einems kafka-oper Der Prozess mit, zusam- men mit – was waren das doch für luxuriöse Zeiten! – Max lorenz als Josef k. und mit karl böhm am Pult der wiener Ariadne auf Naxos, 1954 Philharmoniker. „Gottfried von Einem kam extra nach Zürich, um mich zu beknien, die 3 Frauenrollen zu singen“, erinnert sie sich. Für die politischen kontroversen um seine Person hat sie sich nie interessiert. „ich war ganz auf meine Arbeit konzentriert. Für mich gab es nur das Singen. Auch über die NS-vergangenheit von künstlern wurde nie gesprochen. das war wie ein Tabu.“ Aber natürlich denken wir bei lisa della casa zuallererst in einer welt der aufdringlichen unwichtigkeiten, in welcher nicht an Einems Prozess, nicht an die Marzelline in beethovens der mediale Exhibitionismus zur generischen Modekrankheit Fidelio, auch nicht an die bayreuther Eva in den Meistersingern geworden ist, ist es nicht leicht, auf die übliche rasche Art oder an ihre Elsa im New Yorker Lohengrin, sondern an die wissenswertes über ihr leben zu erfahren. keine website, große Mozart- und Strauss-Sängerin, als die sie sich auch in kein Facebook, kein Twitter, ein paar karge Eintragungen in Salzburg präsentierte: an die Gräfin in Le nozze di Figaro (1960) wikipedia und auf anderen Sites, das sind die (oft falschen) und in Capriccio (1950), an chrysothemis in Elektra (1957), Spuren, die sie an der oberfläche der informationsgesellschaft die Marschallin im Rosenkavalier (1960), an Ariadne auf Naxos hinterlassen hat. wer mehr über lisa della casa wissen (1954 und 1955), an donna Elvira (1956) und Pamina (1959) möchte, muss zu den zwei gründlichen biografien greifen, die und – nicht zuletzt – an die Arabella in Strauss’ gleichnamiger über sie geschrieben wurden. im Rahmen der Jubiläums- oper (1958), jene Rolle, mit der sie in der Erinnerung vieler ausstellung der Salzburger Festspiele wird in Mozarts immer noch untrennbar verbunden ist. Nicht zufällig hat man wohn haus eine Hommage an Lisa Della Casa samt dem aus- sie die „Arabellissima“ genannt. das war auch die letzte Rolle, stellungsbegleitenden Film Lisa Della Casa – Liebe einer Diva die sie – im November 1973 – auf der bühne sang. zu sehen sein. NiCHt NuR „ARAbeLLiSSimA“ Die „veRLoReNe Zeit“ DeR FeSte uND empFäNGe ihr Repertoire war viel breiter gefächert, als es in der Erin- lisa della casa war immer bescheiden, scheute das grelle nerung scheinen mag. Allein in Salzburg war sie in 14 Pro- licht der Empfänge. Premierenfeiern pflegte sie nur kurz zu duktionen zu hören, unter anderem auch als Zdenka und als besuchen. „das hat mir nie zugesagt“, meint sie noch heute. octavian – und als Marzelline in Fidelio, dazu in konzerten „Es war für mich ‚verlorene Zeit‘.“ während andere ihre be- (beispielsweise im Mozart-Requiem unter bruno walter). ziehungen zu Mächtigen – das, was man heute networking Anderswo sang sie die Nedda in Pagliacci, die Mimi in La nennt – pflegten, um auf Schallplatten dokumentiert zu wer- Bohème, die cio-cio San in Madame Butterfly, Tosca, Salome, den, gibt es von lisa della casa nur wenige Studioaufnahmen. ilia in Idomeneo, Gilda in Rigoletto, ja sogar desdemona. Nach der Erkrankung ihrer Tochter beendete sie im Frühjahr „und der künstlername?“, wird mancher fragen. weit ge- 1974 von einem Tag auf den anderen ihre karriere und zog fehlt. Sie heißt wirklich so, stammt aus einer italienisch- sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Selbst von ihrem schweizerischen Familie. und wer’s nicht glaubt, der fahre 90. Geburtstag haben nur Eingeweihte erfahren. nach bern und suche das Restaurant, das immer noch den umso größer ist die verehrung bei den Aficionados. Sie Namen der Familie trägt. haben die elegante – vielleicht die eleganteste – Sängerin 122 salon Salon10_02_LisaDellaCasa_050710.indd 122 14.07.10 14:31 Among the many names which have left their mark on the Festival, there is one which tells its story in a special way, authentically, by itself, with a quiet glam- our which could be called ‘true’ because © Wien Fayer, it needed no sidelong glances. even today, this name, which was on the cast list for the opening premiere at the Great Festival Hall in summer 1960, is synony- mous with simple elegance, a mellifluous stage presence and a perfection of voice which embodied a unique human warmth. one critic called her ‘poetry incarnate’. Lisa Della Casa is today more than 90 years old. Her last appearance on stage was 35 years ago; she lives in seclusion with her family in the Swiss castle close to Lake Constance which she and her husband acquired 60 years ago. in 1947, she made her first appear- ance at the Salzburg Festival as Zdenka in Arabella; in 1953 she took part in the premiere of Gottfried von einem’s Kafka opera Der Prozess (The Trial) together with – what scintillating times! – max Der Prozess, 1953 Lorenz as Josef K and Karl böhm direct- ing the vienna philharmonic. ‘Gottfried von einem came to Zurich especially to beg me to sing the three women’s roles,’ she remembers. She was never inter- ested in the political controversy sur- great mozart and Strauss singer as she ionable generic disease, it is not easy rounding him. ‘i was totally focused on was seen and heard in Salzburg: of the to find important information about her my work. For me, there was only singing. Countess in Le nozze di Figaro (1960) life at the usual speed. No website, no We never talked about the Nazi past of and Capriccio (1950), of Chrysothemis Facebook, no twitter, a couple of brief the artists. that was taboo.’ in Elektra (1957), the marschallin in Der entries in Wikipedia and other websites: However, when talking about Lisa Rosenkavalier (1960), of Ariadne auf these are the (often misleading) traces Della Casa, we do not initially think Naxos (1954 and 1955), of Donna elvira which she has left on the surface of our of einem’s Prozess, of marzelline in (1956) and pamina (1959), and – last information society. Whoever wishes to beethoven’s Fidelio, of bayreuth’s eva but not least – of Arabella in Strauss’s find out more about Lisa Della Casa has in Mastersingers or her elsa in the New opera of that name (1958), the role with to consult the two in-depth biographies Der Rosenkavalier, 1960 York production of Lohengrin, but of the which her name is inextricably linked in which have been written about her life. the minds of many. it is no coincidence As part of the anniversary exhibition at that she was called ‘Arabellissima’. that the Salzburg Festival, visitors can see was also the last role she sang on stage, the Hommage an Lisa Della Casa (Tribute in November 1973. to Lisa Della Casa) with the accompany- ing film Lisa Della Casa – Liebe einer Diva NoT JuST ‘ARAbElliSSiMA’ (Lisa Della Casa – Love of a Diva). Her repertoire was much wider than many remember. Lisa Della Casa performed in ThE ‘loST AGE’ oF cElEbRATioNS 14 productions in Salzburg alone, in roles ANd REcEPTioNS such as Zdenka, octavian and marzelline Lisa Della Casa was always modest and in Fidelio, and also appeared in concerts shunned the bright lights of the recep- (for example, mozart’s Requiem under tions. She only ever paid brief visits to bruno Walter). At other venues, she sang premiere parties. ‘they never appealed Nedda in Pagliacci, mimi in La Bohème, to me,’ she still says today. ‘For me, they Cio-Cio San in Madame Butterfly, tosca, were a waste of time.’ While other peo- Salome, ilia in Idomeneo, Gilda in ple cultivated relationships with powerful Rigoletto, and even Desdemona. names – what we today call networking – ‘And her stage name?’ some people so that their performances would be will ask. Not at all. that is her real name, documented on record, there are only a she comes from a Swiss italian family. few studio recordings of Lisa Della Casa. And anyone who does not believe it can After her daughter became ill, she put a go to berne and look for the restaurant sudden end to her career in spring 1974 which still bears the family’s name.