Jagdinspektorat Inspection de la chasse

Amt für Landwirtschaft Office de l’agriculture et und Natur de la nature des Kantons du canton de Berne

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Münsingen, Oktober 2006

Steinwildansiedlung im Diemtig- und (Dr. S. Capt) Arbeitsgruppe Steinwildansiedlung Diemtigtal und Simmental

1. Bericht zur Situation der Steinwildansiedlung im hinteren Diemtigtal nach fünfjähriger Projektphase

Steingeiss Manuela mit 2 Jährlingen und 1 Kitz (2004). Foto: Ruedi Wyss

S. Capt, Juni 2006

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Ausgangslage Die Schweiz zählt heute über 15'000 Stück Steinwild und trägt damit massgebend zur Erhaltung dieser Tierart im Alpenraum bei. Der Bestand dieser einst hierzulande ausgerotteten Tierart wird im Kanton Bern auf etwa 1000 Tiere geschätzt, die sich über 13 Kolonien verteilen (Stand 2005).

Im Januar 2001 trat das Konzept zur Steinwildansiedlung im Diemtigtal und Simmental in Kraft, das die versuchsweise Freisetzung von 5 Steingeissen und 5 Steinböcken vorsah. Der Entscheid zur Grün- dung einer neuen Kolonie in diesem für den Steinbock als günstigen Lebensraum bezeichnetem Ge- biet im Kanton Bern erfolgte nach umfassenden Abklärungen mit den betroffenen Gemeinden, den Waldbesitzern, den Landnutzern sowie der Jägerschaft, dem Naturschutz und dem Tourismus auf Initiative und unter der Federführung des Amtes für Natur des Kantons Bern. Zielsetzung des Projekts waren namentlich die Erhöhung der Artenvielfalt, die Möglichkeit der nachhaltigen Nutzung beim Errei- chen der entsprechenden Populationsgrösse und die Steigerung der touristischen Attraktivität in der Region. Für den Versuch wurden nebst den gesetzlichen Bestimmungen weitere Rahmenbedingungen festgelegt, die zum erfolgreichen Gelingen des Projekts beitragen sollten. Dabei galt es insbesondere den Auswirkungen auf Kulturen, andere Wildtiere, Nutztiere und Schutzwald sowie anderen bisherigen Nutzungen im Gebiet und dem Ergreifen von geeigneten Massnahmen im Falle von Problemen Beach- tung zu schenken. Begleitet wird das Projekt von einer Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern der verschiedenen Interes- sengruppen zusammensetzt (Anhang I). Sie trifft sich alljährlich und verfasst jeweils einen Kurzbericht über die Entwicklung des Versuchs.

Durchführung der Ansiedlung Dank der effizienten und erfolgreichen Arbeit der Wildhut, der tatkräftigen Unterstützung durch die einheimische Bevölkerung und dem Einsatz von Wildbiologen und Tierärzten konnten innerhalb von zwei Jahren alle zehn zur Umsiedlung freigegeben Steinböcke, 5 Geissen und 5 Böcke, in der neuen Heimat ausgesetzt werden (Tab.1.). Mit dem Ziel eine möglichst breite genetische und gesunde Basis zu schaffen, verteilte sich die Herkunft der Tiere auf drei Quellen: Kolonie Augstmatthorn (5 Tiere), Kolonie Schwarzmönch (3 Tiere) und Tierpark Brienz (2 Tiere). Von den meisten freigesetzten Tieren konnte zwecks späterer Analyse vor der Freisetzung eine Blutprobe gewonnen werden. Auf Initiative des eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF, welches auch die entsprechenden Kosten trug, konnten mehrere der freigesetzten Tiere im Rahmen einer Untersuchung über Verhaltensanpassung des Steinwilds an wechselnde Schneeverhältnisse mit Sendern ausgerüs- tet und überwacht werden. Die Resultate dieser Studie werden vom erwähnten Institut ausgewertet und zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Die Sender erlaubten zudem eine Überwachung der räumlichen Verschiebungen der Tiere über eine Dauer von bis zu zwei Jahren. Der erste Nachwuchs stellte sich bereits im Jahre 2002 ein (1 Kitz). Danach pflanzte sich die neu ge- gründete Kolonie alljährlich erfolgreich fort: 2003 eine Geiss mit einer Zwillingsgeburt (Geiss und Bock), 2004 drei Geissen mit je einem Kitz und 2005 fünf Geissen mit je einem Kitz, was einem totalen Zuwachs von 11 Jungtieren entspricht (Tab.1.) Im Jahr 2005 hat sich erstmals auch eine Geiss der zweiten Generation fortgepflanzt, nämlich die im Jahre 2002 geborene Tochter der Steingeiss Elisa- beth. Leider konnte das Jungtier später nicht mehr beobachtet werden und es ist davon auszugehen, dass es nicht überlebt hat. Die Kolonie zählte Ende Frühling 2006 19 Tiere, da ausser dem erwähnten Verlust noch ein weiteres Jungtier aus dem Vorjahr vermisst wird. Bisher hat einzig die Steingeiss keinen Nachwuchs gezeugt, was vermuten lässt, dass sie nicht fortpflanzungsfähig ist.

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Gesamtbeurteilung des Ansiedlungsprojekts Alle in den Jahren 2001 bis 2003 ausgesetzten 10 Tiere (5 Steingeissen und 5 Steinböcke) sind nach fünfjähriger Projektphase (Frühjahr 2006) noch am Leben und nutzen als Kernzone das Gebiet zwi- schen dem Fromattgrat und dem Seehore. Eine Ausnahme bildet der Bock Peter, der die ganze Nie- senkette nutzt und sich nur periodisch im Kerngebiet bei seinen Artgenossen aufhält. Nach fünfjähriger Projektphase kann eine äusserst positive Bilanz gezogen werden. Erstens wählte das Steinwild das Zielgebiet als Einstandsgebiet, zweitens hat sich die Kolonie erfolgreich fortgepflanzt und drittens traten keine Konflikte mit den Waldbesitzern und der Landwirtschaft auf. Auch die Gämse hat sich nach einer Anpassungsphase gut mit dem Neuankömmling zurecht gefunden. Das Ziel der touristisch sanften Nutzung dieser attraktiven Tierart wird durch die etwas abgelegene geografische Lage ebenfalls erreicht. Der Bekanntheitsgrad der Steinwildkolonie im hinteren Diemtigtal hat im Ver- laufe der Jahre zugenommen. Dank den systematisch und regelmässig zusammengetragenen Daten verfügt das Projekt über eine gute Dokumentation betreffend Herkunft der Tiere, Bestandesentwicklung und räumliche Entwicklung der Kolonie. Diese Information ist für eine spätere Analyse und Beurteilung der Ansiedlung von gros- sem Wert.

Ausblick Die Arbeitsgruppe wird das Projekt weitere fünf Jahre begleiten. Es gilt, namentlich mit der zu erwar- tenden Zunahme der Populationsgrösse der Kolonie, die Entwicklung und deren Auswirkungen weiter zu überwachen und dem Kanton Bericht zu erstatten. Die Öffentlichkeit soll zudem regelmässig über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Steinwildansiedlung informiert werden. Es ist nicht ausge- schlossen, dass das Steinwild in den nächsten Jahr(zehnt)en spontan und dauerhaft die Niesenkette besiedeln wird.

Tabelle 1: Entwicklung der Steinwildkolonie im hinteren Diemtigtal

Bilanz Mai 2006 Geschlecht Jahrgang Name, Herkunft Sender Freilassung Fortpflanzung (in Klammern Anzahl Kitze) Geiss 1999 Elisabeth, Augstmatthorn nein 11. Mai 2001 2002 (1), 2004 (1), 2005 (1) Bock 1996 Peter, Augstmatthorn ja 11. Mai 2001 Bock 1995 Ruedi, Augstmatthorn nein 18. Mai 2001 Bock 1996 Christian, Augstmatthorn ja 18. Mai 2001 Geiss 1999 Rega, Augstmatthorn ja 12. Juni 2001 Geiss 1997 Manuela, Schwarzmönch ja 12. April 2002 2003 (2), 2004 (1), 2005 (1) Bock 2001 Bruno, Tierpark Brienz nein 12. April 2002 Bock 1997 Matthias, Schwarzmönch ja 24. April 2002 Geiss 2000 Helene, Tierpark Brienz ja 24. April 2002 2004 (1), 2005 (1) Geiss 2000 Jessica, Schwarzmönch ja 12. April 2003 2005 (1)

Geiss 2002 Tochter von Elisabeth 2005 (1, nicht überlebt)

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Anhang I

Mitgliederliste der Arbeitsgruppe Steinwildansiedlung Diemtig- und Simmental (2001-2006)

Anrede Name Vorname Organisation Strasse PLZ/Ort

Herrn Capt Simon Wildbiologe Gheiweg 55 3646 Einigen Herrn Juesy Peter Jagdinspektor Herrengasse 22 3011 Bern Herrn Vogt Ulrich Waldabteilung 2 Höheweg 1c 3700 Herrn Zimmer Heinz Waldabteilung 3 Höheweg 1c 3700 Spiez Herrn Küng Hans Grossrat Wyler 3754 Herrn Wyss Rudolf Naturschutzaufseher Richtiweg 7 3700 Spiezwiler Herrn Kunz Rudolf Wildhüter Schwarze Gasse 3752 Herrn Lüps Peter Zoologe Weiergutweg 5 3082 Schlosswil Herrn Reber Hans Jägerverein NST Bödeli 3757 Schwenden Herrn Werren Jakob Gmde. Diemtigen Oeyenried 3756 Zwischenflüh Frau Münger Kathrin Gmde. Eggstrasse 2 3770 Zweisimmen Herrn Zumbrunnen Hansruedi Gmde. St. Stephan Grodey 3772 St. Stephan Herrn Wyss jun. Oskar Grundeigentümer Senggi 3757 Schwenden Herrn Zahler-Gobeli Martin Waldbesitzer Birchlauenen, Fermel 3773 Matten i.S. Herrn Bühler Christian Schafzuchtgen. OST Eggweidli 3775 Lenk Herrn Gempeler Hans Schafzuchtgen. Spiez Gesigen 3646 Einigen Herrn Pfister Markus Zweisimmen Tourismus Thunstrasse 8 3770 Zweisimmen