SWR2 MusikGlobal Musik für die Götter Klangnotizen aus Bali

Von Wolfgang Hamm

Sendung: Dienstag, 23.04.2019 Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2019

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Musik: Kebyar de Sebatu: Nandir (bis 3:45) (Gong Kebyar Sebatu tr. 2)

Autor: Die kleine Insel Bali im Indischen Ozean galt lange Zeit als eines der „letzten Paradiese“ in der Vorstellungswelt des Westens. Nicht nur die üppige tropische Vergetation, das farbenprächtige Schauspiel der Tempelfeste und Tänze, auch das exotische Flair der Gamelanorchester beflügelten die Fantasien früher Bali- Reisenden. Am Mikrofon begrüßt Sie Wolfgang Hamm zur Sendung „Musik für die Götter - Klangnotizen aus Bali“. Der unglaublichen Klangvielfalt Balis galt Mitte der 90er Jahre ein großangelegtes Aufnahmeprojekt, das ich zusammen mit Ulrika Riessler realisieren konnte. Sie lebte damals auf Bali, genauer gesagt mitten in den Reisfeldern von Penestanan bei Ubud, wo sie sich ein Haus bauen ließ. Seit Jahren schon hatte sich die gebürtige Ulmerin in die balinesische Kultur vertieft und auch die Umgangssprache Bahasa gelernt. Ermöglicht wurde dieses Aufnahmeprojekt vom Westdeutschen Rundfunk in Gestalt von Jan Reichow, damals der verantwortliche Leiter der Redaktion Musikkulturen, die es heute leider nicht mehr gibt. Über Wochen fuhren Ulrika Riessler und ich in einem schwarzen Pickup zusammen über die Dörfer und waren sicher, auf eine Prozession, ein Tempelfest, eine Verbrennungszeremonie oder ein anderes, von Musik begleitetes Ereignis zu treffen.

Musik: Tempelfest Anklung | Gamelan Beleganjur | Pemangku | Hahnenkampf (G. Anklung. tr. 1 | G. Beleganjur, tr. 1 | Pemangku)

Autor: Man schätzt, dass über 1.500 Musik- und Tanzgruppen auf Bali aktiv sind. Kein Fest, kein Ritual ist ohne Musik und Tanz denkbar. Die hinduistischen Götter wie die Menschen wollen erbaut und unterhalten werden. Von der Geburt bis zum Tod begleiten unverzichtbare Zeremonien das Leben der Balinesen. Ein Tempelfest auf Bali ist eine Mischung aus Andacht, Zerstreuung, Unterhaltung und Erbauung in einem kirmesartigen Durcheinander ohne eigentlichen Höhepunkt. Das höchst Sakrale neben nieder Profanem scheint für die Balinesen kein Problem zu sein. Wettrufe beim Hahnenkampf, dem Lieblingssport der Balinesen. (Atmo freistehend) Die schwirrende Vielschichtigkeit nennen sie ramé, was wörtlich ‘voll, bevölkert’ heißt. Mit ramé bezeichnen sie die Dichte der Eindrücke, wenn sich verschiedene Schichten von Ereignissen, Klänge, Farben, Bedeutungen simultan überlagern und vermischen. Viele Aspekte, die uns in der balinesischen Kultur und Ästhetik so faszinieren, haben mit diesem Prinzip des ramé zu tun. Ob in der Kosmologie mit ihren ineinander verwobenen Mythen oder in der Gamelan-musik mit ihren polyphonen melodischen und rhythmischen Strukturen – je mehr Bedeutungsschichten ein Ereignis aufweist, desto machtvoller erscheint es.

Musik: Trance in Paksabali, in Kesiman (Bali Sounds, tr. 1, 3 und 4 ab 2:38)

Autor: Die verschiedenen Genres balinesischer Musik nicht isoliert, sondern eingebettet in Klänge der Natur, in Geräusche des Alltags und in die Atmosphäre religiöser Zeremonien zu präsentieren, war die Grundidee unseres Aufnahmeprojekts. Die einzigartige Klang-welt der Insel ist untrennbar mit dem religiösen und sozialen Leben ihrer Menschen verbunden, und die üppige tropische Natur erscheint wie eine mächtige Quelle der Inspiration für die blühenden Klanggestalten balinesischer Musik.

Musik: Frösche und Zikaden (Musik auf Bali / Sounds tr. 7 und 8)

Autor: Schon das tausendstimmige Konzert in den Reisfeldern legt diesen Gedanken nahe, wenn Frösche und Zikaden ihren dichten Klangteppich in die warme Tropennacht weben. Aber auch die Reisstampfrhythmen inspirierten die Balinesen für ihr musikalisches Prinzip des . Diese alternierende Figuration in interlocking-Technik - so grund-legend für balinesische Musik - lässt sich auf solche Arbeitsrhythmen zurückführen. In Abianbase, wo diese Aufnahme entstand, stampfen zwei Frauen mit langen Holzstöcken den Reis. Drei Männer schlagen mit kurzen Holzstöcken rhythmische Variationen an die Seite des Trogs, wohl um die Arbeit freudiger zu gestalten.

Musik: Reisstampfrhythmen, Kulkul und Bambusklappern (Musik auf Bali / Sounds tr. 3 ab 1:45 - 2:55)

Autor: Was wir zuletzt hörten, waren Bambusklappern, welche die Reisbauern verwenden, um die Vögel von den Reisfeldern zu verscheuchen. Und jetzt erklingt der Kulkul, ein in der Mitte geschlitzter großer Holzblock. Die Kulkul werden paarweise geschlagen, um die Dorfbewohner zu Versammlungen aufzurufen, etwa zur Vorbereitung eines Tempelfestes, aber auch, wenn jemand gestorben ist, Feuer ausbricht oder ein Dieb etwas gestohlen hat.

Musik: Bambuswindspiele (Musik auf Bali / Sounds tr. 15, 16)

Autor: Zu den friedlichsten und poetischsten Momenten dieser Bali-Aufnahmereise gehörte es, am frühen Abend auf der Terasse sitzend über die Reisfelder von Penestanan zu schauen und dabei den sanft im Abendwind klappernden Bambuswindspielen mit ihren 3- bis 6-tönigen Motiven zu lauschen

(Musik wieder freistehend)

Autor: Früher hängten die balinesischen Reisbauern solche Bambuswindspiele in ihren Reisfeldern auf, um damit die Vögel zu verscheuchen. Heute sieht man leider immer mehr Plastiktüten, die mit ihrem im Wind knatternden Geräusch diesselbe Funktion erfüllen. Die originalen Bambuswindspiele hängen dafür zu Hunderten in den Marktständen und Souvenirshops für Touristen, gehören sie doch zu den beliebtesten Mitbringseln einer Bali-Reise. (Musik wieder freistehend) Bambus in Asien ist ein unerschöpfliches Thema. In einem über 70 Jahre alten botanischen Reisebericht des amerikanischen Pflanzenforschers David Fairchild über “Die Bambus-Zivilisation von Java” ist zu lesen (und das gilt genauso für Bali): “Entferne Bambus aus der javanischen Kultur, und es gäbe kaum noch ein Haus, nicht viele Brücken, nichts zum Sitzen, nichts zum Wassertragen, keine Hüte, keine Zäune, keine Vogelkäfige, keine Vogelscheuchen, kein Bett. Entferne Bambus aus der westlichen Zivilisation, und wir würden einfach mit einer anderen Art von Angelrute fischen.”

Musik: Bambuswindspiele (Sounds tr.16)

Autor: Aber Bambus ist auch in Bali nicht nur ein unerschöpfliches, schnell nach- wachsendes Naturmaterial - für Alltagsgegenstände bis hin zum Haus- und Brückenbau und so belastbar wie Baustahl. Er verkörpert auch philosophische Ideale: Bambus steht für Elastizität, Ausdauer und Hartnäckigkeit. Sein Stamm biegt sich im Wind, aber er bricht nicht. Seine Blätter werden vom Wind bewegt, aber sie fallen nicht ab. Nachgeben und doch ungebrochen aus allen Anfechtungen hervorgehen, das versteht man in Asien unter “Bambus-Mentalität”.

Musik: Gamelan Joged Bumbung: nur Xylophone (G. Joged Bumbung tr. 5)

Autor: Unsere Aufnahmereise im März und August 1995 führte uns auch in den Norden Balis, in die Provinz Buleleng. Ulrika Riessler hatte einen Kontakt zur ‘Joged Bumbung’-Gruppe “Gita Kusuma Jaya” aus Abasan hergestellt. Nicht weit vom benachbarten Dorf lagerten wir in einer Waldlichtung, die hauptsächlich jungen Männer mit ihren Bambus-Xylophonen, einige neugierige Dorfbewohner und wir europäischen “Langnasen”. Neben Ulrika Riessler und mir auch Jan Reichow vom WDR, der zum zweiten Teil der Aufnahmereise dazugestoßen war und wie wir den faszinierenden Phänomenen balinesischer Kultur und Musik nachspürte.

(Musik wieder freistehend)

Autor: Bambus-Musik ist die wahre Volksmusik Balis. Sie gehörte nie zu den aristokra-tischen Künsten, wie sie an den balinesischen Königs- und Fürstenhöfen gepflegt wurde. Das heißt nicht, daß sie musikalisch weniger ausgefeilt ist. Nur die Gelegenheiten, bei denen sie gespielt wird, sind eher improvisiert und als Spass und Unterhaltung gedacht – frei von höherer religiöser Sinngebung. Als ‘Gamelan Joged Bumbung’ erklingt sie zur Begleitung des populären ‘Joged’, des balinesischen Flirt- Tanzes. Eine anmutige, wunderschön gekleidete und geschminkte Tänzerin, die ‘joged’, fordert mit perfekt stilisierten Bewegungen einen jungen Mann aus dem Publikum auf, mit ihr zu tanzen. Seine erotischen Avancen weiß die ‘Joged’- Tänzerin mit geschickt plazierten Fächer-schlägen zu parieren. Wird ein Tourist zum Tanz aufgefordert, amüsieren sich die Balinesen köstlich über dessen oft unbeholfene, in ihren Augen groteske Bewegungen.

Musik: Gamelan Joged Bumbung: 2. Stück (G. Joged Bumbung tr. 3)

Autor: “Joged Bumbung”-Musik ist eine beschwingte, manchmal geradezu rasante Musik. Mit “Bumbung” werden die Bambusröhren der Bambusxylophone bezeichnet. In einer Pause spielten die Musiker nur so zum Spaß ihre flirrenden Xylophon- Figurationen, die wie Zahnräder ineinandergreifen. Wir waren so begeistert vom reinen Bambusklang ohne Begleitung von Felltrommeln und Perkussionsinstrumenten aus Metall, daß wir um eine Wiederholung baten – jetzt vor unseren Mikrofonen.

Musik: Gamelan Joged Bumbung: ‘kotekan’ der Xylophone (dito tr. 6)

Autor: Als Krönung der Bambusmusikinstrumente in Bali erscheinen die Riesen- xylophone des ‘Gamelan Jegog’. Nach den Aufnahmen mit der ‘Joged Bumbung’- Gruppe in Abasan fuhren wir weiter in den Westen Balis, in die Region Jembrana. Es war ein faszinierender Anblick, als die Männer des ‘Gamelan Jegog’-Ensembles aus dem Dorf Pergung mit einem Lastwagen vorfuhren und dicke Bambusrohre mit bis zu drei Metern Länge ausluden. Das Bass-Xylophon besteht aus vier solcher langen Bambus-röhren mit einem Durchmesser von etwa 30 cm. Wie ein antiker Wagenlenker hockt der Spieler auf dem Rahmen seines Riesen-Xylophons und bearbeitet mit zwei kiloschweren Kautschukhämmern die Bambusröhren. Die Töne, die er produziert, sind so tief, daß die Schallwellen im Bauch vibrieren, wenn man in der Nähe steht.

Musik: Gamelan Jegog: Demonstration des Bass-Xylophons (tr. 3, 2:15)

Autor: ‘Jegog’ heißt im Balinesischen groß, riesig. Die Idee, ein Gamelan aus großen Bambusxylophonen zu schaffen, sei Anfang des 20. Jh. entstanden, erzählten uns die Musiker. Ein junger Mann aus einem Dorf in Westbali habe im Jahre 1912 ein ganzes Ensemble verschieden großer Xylophone gebaut – zunächst mit Tasten aus Weichholz und darunter hängenden Resonatoren aus Bambus. Die Weichholz-Xylophone wurden nach kurzer Zeit durch haltbarere Bambus-Xylophone ersetzt. Die Idee des ‘Gamelan Jegog’, des ‘Riesengamelan’, verbreitete sich schnell in der westbalinesischen Region Jembrana, wo Bambus in enormen Ausmaßen wächst. In anderen Regionen Balis kennt man keinen Gamelan Jegog.

Musik: Gamelan Jegog Gruppe ‘Swara Cipta Prianti’’: “Gegenderan”

Autor: Ein Gamelan Jegog-Ensemble umfasst neben dem Bassinstrument Xylophone in Bariton-, Tenor- und Altlage. Erstaunlich, daß die im Gamelan Jegog verwendete Skala nur aus 4 Tönen besteht. Sie sind in Oktaven auf die linke und rechte Hand verteilt, wobei die Töne der rechten Hand etwas höher gestimmt sind als die der linken. Was uns leicht “verstimmt” vorkommt, macht den Ton nach balinesischer Auffassung erst lebendig – durch feine Schwebungen und Vibrationen, die mithilfe der “Verstimmung” produziert werden. Mit bewundernswerter rhythmischer Präzision, Dynamik und Schlagtechnik spielen die Bauernmusiker ihre über zwanzig Minuten langen Stücke auswendig. Und variieren die 4 Töne dabei so abwechslungsreich, daß wir in sinfonischen Variationen geübten Europäer aus dem Staunen nicht herauskommen. (Musik wieder freistehend) Autor: Als Ursprung balinesischer Gamelan-Musik und als älteste Tanzform Balis gilt der „Gamelan “. Er war beinahe schon ausgestorben, als I Made Jimat, ein bekannter Tänzer aus Batuan, 1971 auf die Idee kam, eine neue „Gambuh“-Gruppe zu gründen. Er lernte von den wenigen alten Leuten, die sich in der Gambuh-Tradition noch auskannten – eine Tradition, die in die Zeit vor Beginn der Bronzekultur auf Bali zurückreicht. In Batuan, das als einer der ältesten spirituellen Zentren Balis gilt, erlebte diese archaische Musik- und Tanzform also eine Art Renaissance. Auch ein bemerkenswertes Zeichen für die Lebendigkeit der balinesischen Musikkultur.

Musik: Gamelan Gambuh: „Ginnamon Sumaradas“ (BT, 14:01/14:21

Autor: Am Abend hatten wir uns beim Ortstempel von Batuan verabredet. Auf der Erde lagen noch Blüten und kleine Schalen mit Opferreis und Früchten – vom Tempelfest am Tag zuvor. Die Musiker des Gambuh-Ensembles hatten auf einem überdachten Podest auf Strohmatten Platz genommen. Im Hintergrund ragten vor einer moosüberwachsenen Steinmauer die Skulpturen von Göttern, Geistern und Dämonen gegen den Nachthimmel auf. Um mich dieser so fremden und seltsam anmutenden Musik anzunähern, bat ich I Made Jimat, den Anfang eines “Gambuh”-Stückes nur mit der Stimme zu imitieren. Er willigte ohne Zögern ein. Musik und Tanz wird in Bali ja seit Jahrhunderten mündlich überliefert. Das zu wissen, ist eine Sache. Aber zu hören, wie genau I Made Jimat alle Parts im Kopf hatte, war faszinierend.

Musik: I Made Jimat singt Gambuh (BT, ab 17:12)

Autor: Um die rhythmische Struktur eines Stückes transparent zu machen, kam ich auf die Idee, die Rhythmusgruppe ohne Melodieinstrumente aufzunehmen, also ohne die sechs -Bambusflöten und die zwei rebab- Geigen – nur die beiden -Trommeln, die Tempo und Dynamik vorgeben, den Gong, der die zyklisch sich wiederholenden Teile eines Stücks gliedert, und die Batterie kleiner Perkussions-instrumente, die das Ganze mit einem funkelnden Teppich rhythmischer Akzente versehen. Die Variationen des Tempos, ritardandi und accellerandi, sind so besonders gut zu verfolgen. Wir hören erst die Rhythmussektion, dann das ganze Ensemble.

Musik: Gamelan Gambuh: “Ginanti” (Rhythmus-sektion, tr. 3) (Kreuzblende) Gamelan Gambuh: „Ginanti“ (Ensemble, tr. 2)

Autor: Die kleine Insel Bali ist nicht nur reich an instrumentaler Musik, von kleinen Ensembles bis zu größeren Gamelanorchestern, sie hat auch vokal viel zu bieten. Da gibt es zum Beispiel den Cakepung, der zur balinesischen Volksmusik gehört. Bei einer Autopanne in der Region Karangasem im Osten Balis lernten wir eine Gruppe junger Männer kennen, die unserem müde gewordenen Pickup über einen steilen Berganstieg hinweghalfen. Schnell hatten sie die anderen Mitglieder ihrer “Cakepung”-Gruppe zusammengetrommelt – und nach einem tropischen Regen-guss legten sie auf der überdachten Veranda eines Gehöfts los, das ganz versteckt in einem Palmenwäldchen nahe dem Dorf Besang lag.

Musik: Cakepung-Gruppe Besang (Cakepung tr. 1 ab 0:56)

Autor: “Cakepung” wird gesungen, wenn man abends beim Palmwein oder - schnaps zusammensitzt und so langsam in Stimmung kommt. In unserem Fall reichte das Bier, das wir besorgen mußten, aus, um die Kehlen zu schmieren und die Zungen zu lösen. Die jungen Männer saßen im Schneidersitz mit nacktem Oberkörper um eine Petroleumlampe herum – elektrisches Licht gab es nicht.

(Musik wieder freistehend ab 1:28 - 2:46)

Autor: “Cakepung” kann man als eine Art vokalen Gamelan begreifen, bei der die Sänger mit lautmalerischen Silben die Melodik, Rhythmik und Phrasierung eines Gamelan-Orchesters imitieren. Ein Sänger sorgt für den durchgehenden beat. Die anderen beginnen mit einer unisono gesungenen Melodie, die mehrmals wiederholt wird, bis der perkussiv-rhythmische ‘interlocking’-Part einsetzt, der die Melodielinie kontrastiert. Das erinnert stark an den berühmten kecak, den sog. “Affentanz”, der zu den effektvollsten Kreationen balinesischer Kultur gehört und heute fast ausschließ-lich vor Touristen stattfindet.

Musik: Kecak aus Blakiuh (Kecak, tr.3)

Autor: Unglaublich eigentlich, daß ohne einen deutschen Maler und Musiker der kecak in dieser Form nicht entstanden wäre. Walter Spies, ein früher “Aussteiger”, hatte sich in den 30er Jahren auf Bali niedergelassen und mit seiner Bali-Rezeption das europäische Bild vom balinesischen “Paradies” maßgeblich geprägt. In der populären Bali-Reiseliteratur gilt er geradezu als der Erfinder des “kecak”. Auf der Suche nach wirkungsvollen Motiven für den Film “Die Insel der Dämonen” regte Walter Spies die Balinesen an, die ‘kecak’-Chöre aus den ‘Sanghyang’- Trancetänzen herauszulösen, denen sie ursprünglich dienten. Der effektvollen Gestaltung des Films zuliebe nahm man es mit der Authentizität nicht so genau und verknüpfte den ‘kecak’-Chor mit einer Handlung aus dem Hindu-Epos Ramayana. Darin rettet eine Armee von Affen die Prinzessin Sita aus den Klauen des Dämonenkönigs Rawana. Hauptzweck der ‘kecak’-Chöre ist es, mit rasend schnellen ‘cakcak’-Rufen in messerscharfem Staccato und einer turbulenten Choreographie nackter Oberkörper, hochgerissener Arme und Hände die angreifenden Affenhorden in Szene zu setzen. Akteure, die den Part des Dämonenkönigs Rawana oder des Affengenerals Hanuman verkörpern, stolzieren umher, feuern die Affenarmee an oder verhöhnen sie, um ihr perkussives Trommelfeuer zu intensivieren. Immer wieder bricht der vielstimmige Chor seine ‘kecak’-pattern ab, um gellende Schreie oder dämonisches Zischen einzuwerfen.

Musik: Kecak aus Blakiuh (Kecak, tr. 3 Forts. bis Ende)

Autor: Auch das Schattenspieltheater wayang kulit - gerne als „das älteste Kino der Welt“ bezeichnet - war ein besonderes Erlebnis bei unseren Aufnahmen in Bali. Hinter einer weißen, vom flackernden Licht einer Palmöl-Lampe beleuchteten Leinwand, bewegt der dalang, der Meister des Schattenspiels, seine aus Leder geschnittenen, dekorativ perforierten Silhouetten-Figuren bisweilen in atem-beraubender Geschwindigkeit, und verleiht ihnen mit seiner Stimme und Finger-fertigkeit Seele und Charakter.

Musik: I Wayan Wija: Anykat-Anykatan (G. Gender Wayang, tr. 4)

Autor: Da ist der Prahler, der sich in seinen eigenen Lügen verfängt, der alte Narr, der gar nicht so verrückt ist wie er scheint, der sich unbesiegbar gebende Held, der gerettet werden muß, die Götter, die Hilfe bei den Menschen suchen, und natürlich die schöne Prinzessin, die entführt, gerettet und leider wieder geraubt wird. Die Geschichten, die der dalang zur Begleitmusik von vier gender wayang, zwei großen und zwei kleineren Bronze-Metallophonen, erzählt, stammen aus den beiden hinduistischen Epen Ramayana und Mahabharata – eine Welt, die den balinesischen Zuschauern höchstes Vergnügen bereitet.

Musik: I Wayan Wija: Sprechstimme - Dialoge (G. Gender Wayang, tr. 6)

Autor: Eine Aufnahmesession im Haus des Schattenspielers I Wayan Wija gehörte zu den Höhepunkten unserer Balireise. Nicht nur wegen des fantastisch einge- spielten ‘Gender wayang’-Ensembles, sondern weil wir mit dem damals 42- jährigen I Wayan Wija einen der beeindruckendsten Schattenspielkünstler Balis kennen-lernten. Er stammt aus Sukawati, dem Dorf, das seit Generationen die besten balinesischen Schattenspieler hervorgebracht hat. Auch ohne Textübersetzung vermittelt sich die Qualität seines faszinierenden Stimmentheaters, in dem es um zwei Diener geht, der eine etwas verrückt, der andere sehr faul. Das Ganze mündet in einen furiosen scat-Gesang, den I Wayan Wija eigens für den Tanz der beiden komischen Figuren kreiierte.

Musik: I Wayan Wija: “Tari Delem” (Wayang Kulit, tr. 7 / 0:24 bis 5:22) Regenwald am Tamblingsee (u.T.)

Autor: Stille, vollkommene Stille ist in Bali schwer zu finden. Vielleicht oben auf dem Gunung , Balis höchstem Gipel, mit über 3.000 m der größte in einer Kette von Vulkanen, die für die Balinesen als heilige Berge gelten. Der Tamblingsee liegt in den Vulkanbergen im Norden. Dort im Regenwald hörten wir neben Zikaden und anderen Insekten auch diesen Vogel, der eine fast chromatisch abwärtsführende Tonfolge zwitscherte.

Atmo: Regenwald beim Tamblingsee (Bali Sounds, tr. 10)

Autor: Aber es gibt noch andere reizvolle Klanggeschenke der Natur: In einem Wald bei Sidemen erklingt jeden Abend vor Sonnenuntergang der geradezu magische Gesang tausender von Grillen, die in riesigen Bäumen leben. Sie sind nicht zu sehen, dafür umso deutlicher zu hören.

Atmo: Grillen im Wald bei Sidemen (Bali Sounds, tr. 9)

Autor: Durch ein erstaunliches Zusammenwirken von menschlichem Erfindungs-geist und Kräften der Natur entstehen geheimnisvolle Klänge, wie die der suling sunari. Die “Himmelsflöten”, wie sie in Bali genannt werden, sind 4 Meter hohe Bambusflöten, die nur der Wind spielt. Sie sind heute nur noch selten auf der Insel zu hören. Für unser Aufnahmeprojekt ließen wir sie von einem handwerklich begabten Musiker namens Alit extra an-fertigen. Sie werden so konstruiert, daß sie sich nach dem Wind drehen können. In die hohlen Bambussegmente schneidet man Löcher in unterschiedlichen Formen wie Kreis, Halbmond, Rechteck oder Kreuz, in denen sich der Wind bricht. Auf einem weiten Feld bei Bona haben wir die ‘suling sunari’ aufgestellt und aufgenommen. Im Klang der ‘Himmelsflöten’ hören die Balinesen die Stimmen ihrer Ahnen. (Musik wieder freistehend) Am Mikrofon verabschiedet sich Wolfgang Hamm, der Ihnen fürs Zuhören dankt und eine geruhsame Nacht wünscht.

Musik: Suling sunari (Himmelsflöten) (Bali-CD, tr. 13)

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- Musikliste -

Musik 1: Trad.: Nandir 2:20 Interpreten: Gong Kebyaer de Sebatu CD Gong Kebyar de Sebatu, Musique du monde, Buda Records 92531-2

Alle weiteren Aufnahmen © Privatarchiv des Autors Wolfgang Hamm: recorded by Wolfgang Hamm und Rika Riessler in Bali im März und August 1995 :

Musik 2 Trad.: Tempelfest 2:10 Int: Gamelan Anklung

Musik 3: Trad.: Trance in Paksabali, Kesiman (Interpret: N.N.) 2:05

Musik 4: Diverse Geräusche (Frösche, Zikaden, Reisstampfen, Bambuswindspiele, Regenwald) 8:30

Musik 5: Trad.: Gamelan Joged Bumbung 12:27 Xylphon Spieler

Musik 6: Trad.: Ginnamon Sumaradas 5:25 Interpret: Gamelan Gambuh

Musik 7: Trad.: Lied Int: Cakepung-Gruppe Besang 1:33

Musik 8: Komp: I Wayan Wija 6:40 Titel: Tari Delem, Wayang Kulit Theater Interpret: I Wayan Wija

Musik 9: Trad.: Suling sunari, Himmelsflöten 1:20 Int: N.N.