Zeitgeschichte in Hamburg · 2011 ZEITGESCHICHTE in HAMBURG /011 1
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Zeitgeschichte in Hamburg · 2011 ZEITGESCHICHTE IN HAMBURG /011 INHALT KIRSTEN HEINSOHN, AXEL SCHILDT UND DOROTHEE WIERLING Vorwort : ■ AUS DER FORSCHUNG HENNING TÜMMERS »Heaven can wait« Reaktionen auf die Aids-Bedrohung in Hamburg 1< CHRISTOPH STRUPP Kooperation und Konkurrenz. Herausforderungen der Hamburger Hafenwirtscha!s- politik in den "#$%er und "#&%er Jahren <1 ALEXANDRA JAEGER Der Radikalenbeschluss in Hamburg in den "#&%er Jahren ?? JOSEF SCHMID UND FRANK BAJOHR Gewöhnlicher unternehmerischer Opportunismus? Zum Werdegang Kurt A. Körbers im Nationalsozialismus :< ■ BERICHTE AUS DER FORSCHUNGSSTELLE DOROTHEE WIERLING Herausgeber: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Verabschiedung in den Ruhestand: Prof. Dr. Ursula Hamburg 2012 Büttner 10/ Umschlagabbildung: Janine Schemmer / Maike Raap (Vorderseite), ANGELIKA VOSS Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Rückseite) Das Beate-Uhse-Archiv in der wissenscha!lichen Redaktionsteam: Knud Andresen, Linde Apel, Kirsten Heinsohn, und medialen Ö+entlichkeit 10? Maike Raap, Janine Schemmer, David Templin Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg MAIKE RAAP Druck und Bindung: Freiburger Graphische Betriebe, Freiburg Nacht des Wissens 3%"" 11< 1. Auage 2012 ZEITGESCHICHTE IN HAMBURG · /011 ALEXANDRA JAEGER Verluste. Allerdings bedeutete die Zusammenarbeit JOSEF SCHMID / FRANK BAJOHR DER RADIKALENBESCHLUSS IN HAMBURG IN DEN 2345er mit Kommunisten bzw. das Engagement für die Rechte JAHREN von Kommunisten eine Veränderung der politischen GEWÖHNLICHER UNTERNEHMERISCHER Kultur, die eine Abkehr vom Radikalenbeschluss erst ermöglichte. OPPORTUNISMUS? JOSEF SCHMID / FRANK BAJOHR Kurt A. Körber und die Dresdner »Universelle« im National- GEWÖHNLICHER sozialismus UNTERNEHMERISCHER OPPORTUNISMUS? amburg verfügt über eine lange Tradition bürgerscha!lichen Enga- A@ABCDE@FB@ AUS DER FORSCHUNG H gements, das sich u. a. in einer vielfältigen Kultur des Sti!ens und 1 Schlohmoh Gysin, Alfred Toepfer: des Mäzenatentums manifestiert. Viele dieser Sti!ungen trugen traditionell Nazi oder Humanist?, in: Israe- litisches Wochenblatt (Zürich), einen »mildtätigen« Charakter und dienten sozialen Unterstützungszwe- Nr. 16, 23.4.1999, S. 8-10; Hans cken. Fragt man nach bedeutenden Sti!ern, die sich in den Jahrzehnten Georg, Weiß gewaschen. Stif- tung des NS-Sympathisanten nach 1945 durch ein besonderes gesellscha!spolitisches Engagement ausge- Alfred Toepfer bemüht erneut zeichnet haben, dann geraten vor allem drei Personen ins Blickfeld: Alfred Historiker, in: Neue Rheinische Zeitung, Online-Flyer Nr. 178, C. Toepfer (1894 – 1993), Gerd Bucerius (1906 – 1995) und Kurt A. Körber 24.12.2008 (zuletzt geprü! am (1909 – 1992). Alle drei wurden mit der Hamburger Ehrenbürgerwürde aus- 1.12.2011); Georg Kreis, Zweifel- ha!er Umgang mit »zweifelha!er gezeichnet. Alle drei haben die NS-Herrscha! in Deutschland als Erwach- Vergangenheit«. Zum anhaltenden sene und schon damals als in verantwortlicher Funktion Handelnde erlebt. Streit um die Alfred Toepfer Stif- Und alle haben sich nach dem Krieg gesellscha!spolitisch engagiert. Die tung, in: ders., Vorgeschichten zur Gegenwart. Ausgewählte Aufsätze, Wurzeln dieses Interesses von Toepfer, Bucerius und Körber lassen sich frei- Bd. 3, Basel 2005, S. 501 – 523. lich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen, zumal ihre politischen 2 Georg Kreis u. a. (Hg.), Alfred Orientierungen und ihre Lebenswege deutliche Unterschiede aufwiesen. Toepfer – Sti!er und Kaufmann. Bausteine einer Biographie. Kri- Alfred Toepfer und seine 1931 gegründete »Sti!ung F.V.S. zu Hamburg« tische Bestandsaufnahme, Ham- (heute »Alfred Toepfer Sti!ung F.V.S.«) gerieten wegen ihres Verhaltens burg 2000; http://toepfer-fvs.de/ aktuelle-debatten. und ihrer Aktivitäten im Nationalsozialismus besonders in den 1990er Jah- 3 Ralf Dahrendorf, Liberal und ren in die Kritik. Toepfer habe eine zu große Nähe zu NS-Repräsentanten unabhängig. Gerd Bucerius und gepegt und mit seiner Sti!ung »pangermanische Ziele« verfolgt. 1 Die Stif- seine Zeit, München 2000. Kritisch wurde nur Bucerius’ Tätigkeit von tung begegnete dieser Kritik seit Mitte der 1990er Jahre mit einem o+enen 1943 bis 1945 als stellvertretender Umgang mit der eigenen Geschichte und einer kritischen Biographie ihres Geschä!sführer und Syndikus der Gründers. 2 Das Verhalten Gerd Bucerius’ im »Dritten Reich«, der damals Diago-Werke Moeller & Co. in Hamburg thematisiert, da es ein als Jurist gearbeitet und dabei auch jüdische Mandanten engagiert vertei- Unternehmen war, das für den Bau digt hatte, blieb dagegen nahezu unumstritten. 3 von Baracken- und Notunterkünf- ten zuständig war und dafür auch Auch Kurt A. Körber erfuhr zu Lebzeiten kaum Kritik wegen seiner jüdische KZ-Hä!linge als Zwangs- Tätigkeit in der Kriegswirtscha! im »Dritten Reich«. Er hatte nach der arbeiter einsetzte. :/ :< JOSEF SCHMID / FRANK Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 seine fand – ungeachtet der kontroversen Beurteilung einzelner Initiativen – BAJOHR GEWÖHNLICHER vier Jahre zuvor bei der Berliner Siemens & Halske AG insgesamt große Anerkennung. Parallel initiierte er zahlreiche Sti!ungs- UNTERNEHMERISCHER begonnene beruiche Lau\ahn als Ingenieur erfolg- aktivitäten, die die Ehrenbürgerwürde und viele weitere Auszeichnungen OPPORTUNISMUS? reich fortgesetzt. Als 25-Jähriger wechselte er 1935 zur begründeten. »›Universelle‹ Zigarettenmaschinenfabrik J. C. Müller Zudem erwarb Körber sich nach 1945 mit mehreren Initiativen den & Co.« in Dresden, der er bis 1947 angehörte. Dort Ruf eines für kritische Geschichtsaufarbeitung und Völkerverständigung stieg er zum Technischen Direktor auf und legte die eintretenden Unternehmers. So trug beispielsweise der »Geschichtswett- Basis für seine weitere Karriere. Im Zweiten Weltkrieg bewerb des Bundespräsidenten« – zunächst unter dem Titel »Schüler- wandelte sich die »Universelle« zu einem Betrieb, in wettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten« – der die Rüstungsproduktion immer deutlicher domi- durch seine 1980 bis 1983 durchgeführten Wettbewerbe zum »Alltag im AUS DER FORSCHUNG nierte, was Körber nach eigener Aussage aktiv mit Nationalsozialismus« erheblich zur Popularisierung einer »Geschichte von vorantrieb. 4 Die »Universelle« proXtierte ökonomisch unten« und der Oral History in der Geschichtswissenscha! bei. Der »Ber- 4 Kurt A. Körber, Das ProXt- sehr von dieser Umorientierung hin zu einem Rüs- gedorfer Gesprächskreis« wirkte als Forum für internationalen Austausch Programm. Ein Unternehmer geht tungsbetrieb und setzte dabei zunehmend Fremd- und und Verständigung vor allem durch eine über Jahrzehnte verfolgte Politik sti!en, Hamburg 1992, S. 18. Zwangsarbeiter ein. des Dialogs und der Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern im 5 U. a. ebd. Körber machte später aus seiner Tätigkeit in der Osten, allen voran mit der Sowjetunion. 7 Körber konzentrierte seine sti!e- 6 Josef Schmid / Dirk Wegner, Kurt nationalsozialistischen Kriegswirtscha! kein Geheim- rischen Aktivitäten 1981 in der »Körber-Sti!ung«, die seit seinem Tod die A. Körber. Annäherungen an einen Sti!er, Hamburg 2002, S. 32. nis, betonte aber stets seinen persönlichen Einsatz kultur- und völkerverbindenden Leitgedanken ihres Gründers auch durch 5 7 Ebd. für einzelne vom NS-Regime verfolgte Kollegen. Sie zahlreiche neue Initiativen weiter verfolgt. 8 Karl-Heinz Ludwig, Technik und vor dem Fronteinsatz zu bewahren, führte er als ein Kritik am Verhalten seines Berufszweiges im Nationalsozialismus keim- Ingenieure im Dritten Reich, Düs- zentrales Motiv für sein aktives und erfolgreiches te erstmals durch die bahnbrechende Studie von Karl-Heinz Ludwig über seldorf 1974; zur Bedeutung Lud- 8 wigs und Bestätigung seiner zen- Engagement in der NS-Kriegsproduktion an. Er ver- »Technik und Ingenieure im Dritten Reich« ab Mitte der 1970er Jahre auf. tralen Yese vgl. Wilhelm Füßl / schwieg dabei auch politische Zugeständnisse wie sei- Die inzwischen durch zahlreiche Studien bestätigte Yese Ludwigs von der Stefan Ittner (Hg.), Biographie und Technikgeschichte, Opladen 1998 ne NSDAP-Mitgliedscha! nicht, »reduzierte« sie aber »Selbstmobilisierung« von Wissenscha!lern, Technikern und Ingenieuren (= BIOS Sonderhe! 1998) und nach Kriegsende zunächst auf eine einjährige Dauer, hatte Körber bereits zuvor grundsätzlich für seine Person bejaht, indem er Werner Lorenz / Torsten Meyer wenig später auf eine bloße »Anwartscha!«. Bei letzte- sein damals aktives Engagement betonte, wenngleich aus angeblich edlen (Hg.), Technik und Verantwortung im Nationalsozialismus, Münster rer Version blieb er bis zu seinem Lebensende. 6 Motiven. Eine Position wie »Ich diente nur der Technik«, 9 die viele promi- 2004. Mit der von ihm 1946 / 47 ins Leben gerufenen Firma nente Zeitgenossen einnahmen und die Mitte der 1990er Jahre he!ig in die 9 So auch der Titel einer anpran- Hauni Werke Körber & Co. KG als Gründungsbetrieb Kritik geriet, hatte er nicht für sich beansprucht, wenngleich er seine Tech- gernden Ausstellung, vgl. Monika Renneberg / Mark Walker, Natur- der heutigen, in mehreren ökonomischen Bereichen nikbegeisterung deutlich zeigte und dieser Aspekt in Biographien seiner wissenscha!ler, Techniker und der agierenden Körber AG stieg Körber zu einem interna- Person stets Eingang fand. Spätere Weggefährten mutmaßten deshalb zwar Nationalsozialismus, in: Ich diente nur der Technik: Sieben Karrieren tional erfolgreichen Unternehmer auf. Durch betrieb- mitunter, Körber habe im Nationalsozialismus eine Art »innerer Emigra- zwischen 1940 und 1950,