SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
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1 2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Gefahren, gestaltet, überlebt Der Rennfahrer Jochen Mass wird 70 AutorIn: Eberhard Reuß Redaktion: Rudolf Linßen Regie: Eberhard Reuß Sendung: Freitag, 02.05.16 um 10.05 Uhr in SWR2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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Ich bin mit einer Leichtigkeit gefahren, das war wirklich, die Freiheit etwas zu tun, mit dem du gut umgehen kannst und das war ein wunderbares Gefühl und das habe ich immer noch. Ich fahre gerne Auto, nach wie vor.“ Ein Leben im Schnelldurchlauf, stets auf der Suche nach Abenteuern und neuen Horizonten. Das ist Jochen Mass. Jahrgang 1946. Aufgewachsen in Frankenthal bei Ludwigshafen. Mit seiner Mutter und der älteren Schwester. Der Vater stirbt, als Jochen noch ein Kind ist. O-TON 2: „Mein Vater fand es einigermaßen schwierig, wieder eine Richtung zur finden, nach diesem Krieg. Es war eine Generation, die in sich verloren war, das war schrecklich. Die haben alles gegeben, was sie konnten, auch ihr Leben und ihre Gesundheit und so weiter. Und dann war der Kriege vorbei und dann waren sie alle Verbrecher, die Wehrmacht. Furchtbar. Und er war bei der berittenen Artillerie, bei der bespannten, in Russland. Na ja, und dann kam er mal Nachhause. Als er dann starb, meine Mutter war 36 und hatte eben uns, zwei Kinder, meine Schwester und mich, und als er dann starb war ich natürlich tief traurig. Auf der anderen Seite – und das kling wirklich herb – da spürte ich eine gewisse Erleichterung. Ich habe das schon irgendwie so wahrgenommen. Und deswegen, meine Mutter hatte gegen die Sachen, die ich dann machte und treiben wollte, keine Macht und keinen Einfluss. Die hat dann irgendwann, sie hat’s auch aufgegeben und hat gesagt: Na Burli, dann pass halt auf, dass nix passiert, ne.“ Jochen Mass lernt, sich alleine durchzuschlagen. Schmeißt das Internat am Ott Heinrich-Stift in Mannheim, träumt von fernen Welten – und wird Matrose. O-TON 3: „Seefahren, mein Großvater war ja Kapitän, und ich dachte mir: das könnst du auch mal machen. Und ich wollte dann einfach die Welt sehen und die Tropen und andere Kontinent. Und das gab natürlich mit dem Schiff dir die besten Möglichkeiten, Bananenfrachter, in die Tropen zu fahren, das war natürlich genial. Mit dem Flugzeug konntest du nirgendswohin damals, war ja nicht bezahlbar. Na ja, und dann fuhr ich eben auf einem normalen Frachter, Bananenfrachter, Küchenchef, ein wunderschönes Schiff, Ravensburg. 3 Na ja, und dann Panamakanal und dann Südamerika runter, die Küste nach Guayaquil und Ecuador und dann wieder rauf nach Kolumbien und Esmeralda, das sind solche Plätze, das war schon witzig. Also das hat mir sehr viel Freude gemacht. Und das sind so Eindrücke, die dich natürlich auch irgendwo prägen. Ich habe viele, viele Bücher gelesen und mir Sachen angeguckt. Na ja, aber bei der Seefahrt war ich frei und dann natürlich kam die Bundeswehr wieder, ich war ja dann freigestellt, und danach kam natürlich wieder die Musterung, dann haben ich Marine wieder angegeben und möglichst Gorch Fock und solche Sachen. Worauf dies sagten: das gibt es eine endlose Warteliste für die Gorch Fock, aber wir brauchen jemanden für U-Boot. Dann habe ich gesagt: Hm. Da war gerade wieder Hai oder Hecht, wir hatten damals zwei U-Boote und eins davon war wieder untergegangen, mit Mann und Maus. Das war ein Drama. Das waren so späte Weltkriegs-U-Boote, das waren gute Boote, aber aus irgendeinem Grund hatten die schon mal ab und zu Probleme. Die war zweimal untergegangen, die hat man dann wieder gehoben, die armen Kerl rausgeholt, die es nicht überlebt haben, waren alle. Na ja, und auf so ein Boot sollte ich dann.“ Nein danke. Daheim in Mannheim gibt es eine Alternative für den 20 Jahre jungen Jochen Mass. Eine Lehre als Kfz-Mechaniker bei Meister Helmut Hähn. O-TON 4: „Wie er da war, s’erschte Mal in der Werkstatt mit seiner Mutter, haben wir ihn gefragt: was will er werden? Er will Rennfahrer werden. Dann habe ich noch zu seiner Mutter gesagt: Das werre mer ihm schon austreiwwe. Aber es hat nedd geklappt middem austreiwwe (lacht).“ Helmut Hähn war nicht nur Alfa Romeo-Händler, er setzte in seinem eigenen Rennstall selbst frisierte italienische Renntourenwagen ein. Deshalb wollte Jochen Mass bei Helmut Hähn Lehrling werden. O-TON 5: „Diese Ausbildung als KFZ-Mechaniker, die habe nur zwangsläufig gemacht, das hat mich nicht wirklich so interessiert. Irgendwie musste ja schauen wie du den Fuß reinkriegst, in die Tür. Und der Hähn war ja ein überaus großzügiger, großherzige Mann. Ich habe ihm zwei Autos kaputt gemacht, ein Rennwagen und einen auf der Straße. Das war enorm, dass er mich trotzdem dann ins Auto ließ.“ 1968, beim Rossfeld-Bergrennen war Jochen Mass als Rennmechaniker mit dabei und durfte am Samstagabend den neuen Dienstwagen seines Chefs fahren. 4 O-TON 6: „GTV-Cabrio, war ein wunderschönes Autos. Und als ich wieder zurückfuhr, in die Pension, ich hatte überhaupt keine Ambitionen, und da waren zwei Jungs, die waren am Trampen, habe ich gefragt: Wo wollt ihr denn hin? Oben in Internat. Und weil ich selber lange im Internat war, hatte ich natürlich ein großes Herz und habe gesagt: Einsteigen, ich bring euch hoch. Habe ich sie hochgefahren, oben ausgeladen. Fuhr die Straße wieder runter, und da war eine Linkskurve, die hatte ich beim Rauffahren natürlich ein bissel anders in Erinnerung als beim Runterfahren. Als es dann beim Runterfahren aussah, und da war ich zu flink und dann bin ich am Kurvenausgang rechts raus und flog den Berg runter, gegen einen Baum, da hatte ich sehr viel Glück natürlich. Und ich erinnere mich noch gut, als Hähns Frau damals den Laden aufmachte und diese wunderschöne Bergkulisse sah, die guckte so nach oben und unten war das Wrack, und guckte da so hoch und irgendwann ging ihr Blick runter und dann kam dieser gellende Schrei: Helmut! Ach Gott. Ich bin dann schnell ins Haus und dachte mir, mein Gott, wie machst Du das wieder gut?“ + O-TON Helmut Hähn: „Da hat er sich am Ohr gehalte: Ich mach’s wieder gut, ich mach’s wieder gut. (lacht).“ Jochen Mass darf im selben Jahr sogar noch sein erstes richtiges Rennen fahren: O-TON 7: „Der Mannheimer Jochen Mass, ein 22-jähriger Nachwuchsfahrer, auf einem Alfa GTA, er fuhr ein hervorragendes Rennen.“: Der junge Nachwuchsmann ist so gut unterwegs, dass er 1971 Werksfahrer bei Ford Deutschland wird. Sie schicken Jochen Mass nach England, dort fährt er Formel 3- Rennen, die harte Schule, um in den Grand Prix-Sport zu kommen. O-TON 8: „Ich hab mal beim Bergrennen zugesehen und der ganze Geruch und die ganze Atmosphäre, das gefiel mir dermaßen gut, dass ich mir dachte: probierst du’s eben auch mal. Und wann haben Sie gemerkt, dass Sie Talent dazu haben? 5 Gleich nach den ersten Rennen oder bei den ersten Probefahrten hier in Hockenheim. Ich wusste es eigentlich schon immer. Es klingt so übertrieben, aber ich war immer ziemlich sicher, dass wenn ich mal anfange, dass ich damit auch weiterkomme. Die Rennerei ist Geschäft mit der Angst. Auch Jochen Mass spürt das. Das Risiko, das ist eben so eine Frage, wie man’s empfindet, beim Fahren. Und ich hatte bisher noch keine schweren Unfälle, also. Was trauen Sie sich zu? Nun, ich traue mir eine ganz Menge zu, muss ich ganz ehrlich sagen. Aber ich habe keinen festen Plan, dass ich jetzt also sagen würde, ich will unbedingt bis da und dahin Weltmeister werden oder überhaupt, ich will Weltmeister werden. Das habe ich also nicht. Ich lass mich ein bisschen treiben und ich sehe, wenn es wirklich gut läuft, dann komme ich sowieso weiter, wenn’s nicht gut läuft, muss ich mir was einfallen lassen.“ 1973 wechselt er in den Rennstall von Ex-Weltmeister John Surtees. Und fährt in Silverstone seinen ersten Formel 1-Grand Prix. O-TON 9: „Und dann stand ich da, geht der Start los und man fährt – erste Runde und ich komm zurück da im Pulk, brumm.“ Als Jody Scheckter bei Tempo 200 die Kontrolle über seinen McLaren-Rennwagen verliert und eine Massenkarambolage auslöst. „Alles drehte sich und jeder kegelte jeden von der Strecke und ich fuhr dem Hailwood, der gerade von der Boxenmauer zurückprallte und bin gegen den Hailwood gefahren – und das war schon eine teure Angelegenheit und der einzige Verletzte war Andrea de Adamich, der sich nen Knöchel gebrochen hat.