Stichworte zur Sicherheitspolitik

Nr. 3 bis 6 März bis Juni 2012

Inhalt:

VEREINTE NATIONEN ...... 7

Resolution 2040 (2012) verabschiedet auf der 6733. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. März 2012 (Libyen) ...... 7

Resolution 2041 (2012) verabschiedet auf der 6738. Sitzung des Sicherheitsrats am 22. März 2012 (Afghanistan) ...... 13

Resolution 2042 (2012) verabschiedet auf der 6751. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. April 2012 (Naher Osten) ...... 30

Resolution 2043 (2012) verabschiedet auf der 6756. Sitzung des Sicherheitsrats am 21. April 2012 (Naher Osten) ...... 33

Resolution 2044 (2012) verabschiedet auf der 6758. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. April 2012 (Westsahara) ...... 37

Resolution 2045 (2012) verabschiedet auf der 6761. Sitzung des Sicherheitsrats am 26. April 2012 (Côte d'Ivoire) ...... 41

Resolution 2046 (2012) verabschiedet auf der 6764. Sitzung des Sicherheitsrats am 2. Mai 2012 (Sudan)...... 48

Resolution 2047 (2012) verabschiedet auf der 6773. Sitzung des Sicherheitsrats am 17. Mai 2012 (Sudan) ...... 53

Resolution 2048 (2012) verabschiedet auf der 6774. Sitzung des Sicherheitsrats am 18. Mai 2012 (Guinea-Bissau) ...... 57

Resolution 2049 (2012) verabschiedet auf der 6781. Sitzung des Sicherheitsrats am 7. Juni 2012 (Nichtverbreitung von Kernwaffen) ...... 64

Resolution 2050 (2012) verabschiedet auf der 6783. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Juni 2012 (Nichtverbreitung / Demokratische Volksrepublik Korea) ...... 65

Resolution 2051 (2012) verabschiedet auf der 6784. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Juni 2012 (Jemen) ...... 67

- 1 - Resolution 2052 (2012) verabschiedet auf der 6791. Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Juni 2012 (Nahen Osten) ...... 71

Resolution 2053 (2012) verabschiedet auf der 6792. Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Juni 2012 (Kongo) ...... 72

Resolution 2054 (2012) verabschiedet auf der 6794. Sitzung des Sicherheitsrats am 29. Juni 2012 (Ruanda) ...... 81

Resolution 2055 (2012) verabschiedet auf der 6795. Sitzung des Sicherheitsrats am 29. Juni 2012 (Nichtverbreitung von Kernwaffen) ...... 83

INTERNATIONALE / EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK ...... 84

Namensartikel von Bundesaußenminister , erschienen in der Zeit am 1. März 2012 ...... 84

Rede von Staatssekretärin Emily Haber zum 9. Forum Globale Fragen in am 1. März 2012 ...... 85

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Welt am Sonntag am 4. März 2012...... 87

Namensartikel von Carl Bildt, William Hague, Karel Schwarzenberg, Radoslaw Sikorski und Guido Westerwelle, erschienen in der International Herald Tribune am 5. März 2012 (Englisch) ...... 90

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Prager Senat am 6. März 2012 ...... 92

Gemeinsamer Artikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle und dem tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg, erschienen in der Sächsischen Zeitung am 6. März 2012 ...... 95

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Passauer Neuen Presse am 10. März 2012 ...... 96

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 12. März 2012 (Englisch) ...... 99

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Welt am 12. März 2012 ...... 102

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle an der Nationalen Universität von Tiflis am 15. März 2012 (Englisch) ...... 104

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Märkischen Allgemeinen, erschien am 17. März 2012 ...... 108

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit dem Flensburger Tageblatt am 19. März 2012 ...... 109

- 2 - Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle anlässlich des Workshops „Initiative for the Development of a Euro-Atlantic and Eurasian Security Community“ (IDEAS) in Berlin am 20. März 2012 ...... 111

Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle zum 85. Geburtstag von Hans-Dietrich Genscher, erschienen in der B.Z. und im Bonner Generalanzeiger am 21. März 2012 ...... 114

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit dem Deutschlandfunk am 22. März 2012 ...... 115

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Frankfurter Rundschau am 26. März 2012 ...... 118

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles beim "Gipfeltreffen zur Nuklearen Sicherheit" in Seoul am 27. März 2012 (Englisch) ...... 119

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap News am 27. März 2012 (Englisch) ...... 120

Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, erschienen in der arabischsprachigen Zeitung Al-Quds, in London am 28. März 2012...... 122

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am 30. März 2012...... 123

Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung Markus Löning im Interview mit dem Deutschlandradio Kultur am 30. März 2012 ...... 124

Statement von Bundesaußenminister Guido Westerwelle beim Treffen der Freundesgruppe des syrischen Volkes in Istanbul am 1. April 2012 (Englisch) ...... 127

Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, erschienen in der Bild am Sonntag am 8. April 2012 ...... 128

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am 12. April 2012 (Englisch) ...... 129

Gemeinsamer Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle und EU-Kommissar Günther Oettinger, erschienen in der Stuttgarter Zeitung am 14. April 2012 ...... 130

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle aus Anlass des Welttags der Pressefreiheit vor dem National Press Club in Washington am 3. Mai 2012 (Englisch) ...... 132

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Rheinischen Post am 3. Mai 2012 ...... 134

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York am 4. Mai 2012 (Englisch)...... 135

- 3 - Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am 7. Mai 2012 ...... 137

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles vor der deutsch- südafrikanischen Binationalen Kommission am 8. Mai 2012 ...... 141

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum G 8-Gipfel in Camp David und NATO-Gipfel in Chicago, vor dem Deutschen Bundestag am 5. Mai 2012 ...... 142

Grußwort von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Eröffnung der "Days of India" am 11. Mai 2012 (Englisch) ...... 150

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles bei den Kronberger Gesprächen in Istanbul am 15. Mai 2012 (Englisch) ...... 152

Ansprache von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Festveranstaltung„20 Jahre deutsch-ungarischer Freundschaftsvertrag“ in der ungarischen Botschaft in Berlin am 22. Mai 2012 ...... 155

Laudatio von Staatsminister Link zu "Zehn Jahre Zentrum für Internationale Friedenseinsätze" in Berlin am 24.05.2012 ...... 157

Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung am 25. Mai 2012 ...... 162

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Leipziger Volkszeitung am 25. Mai 2012 ...... 166

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Schwäbischen Zeitung am 26. Mai 2012 ...... 167

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit Die Welt am 1. Juni 2012 ...... 171

Rede von Staatsminister Michael Georg Link beim 30. Forum Globale Fragen in Berlin am 6. Juni 2012 ...... 173

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles beim 2. Ministertreffen des Global Counterterrorism Forum in Istanbul am 7. Juni 2012 (Englisch) ...... 177

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Welt am Sonntag am 10.06. 2012 ...... 178

Statement von Bundesaußenminister Guido Westerwelles auf der Afghanistan- Regionalkonferenz am 14. Juni 2012 in Kabul (Englisch) ...... 181

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière an der Technischen Universität des Mittleren und Nahen Ostens in Ankara am 20. Juni 2012...... 182

Namensartikel von 16 Außenministern, erschienen im EUobserver und in der Hürriyet Daily News am 28. Juni 2012 (Englisch) ...... 190

- 4 - Festansprache von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verleihung der Medaille „Verdienste um Europa“ an Botschafter József Czukor am 28. Juni 2012 ...... 192

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum G20-Gipfel in Los Cabos (Mexiko) vor dem Deutschen Bundestag am 14. Juni 2012 ...... 195

Eingangsstatement von Staatsministerin Cornelia Pieper beim Transatlantischen Forum in Berlin am 29. Juni 2012 (Englisch) ...... 202

DEUTSCHLAND / BUNDESWEHR ...... 203

Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière im Interview mit dem Spiegel am 5. März 20125 ...... 203

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière in der Katholischen Akademie in München am 20. März 2012 ...... 207

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden am 21. März 2012 ...... 215

Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 29. Mai 2012 ...... 225

Rede von Staatsminister Michael Link zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der UNIFIL-Mission vor dem Deutschen Bundestag in Berlin am 14. Juni 2012 . 229

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- 6 - VEREINTE NATIONEN

Resolution 2040 (2012) verabschiedet auf der 6733. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. März 2012 (Libyen)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1970 (2011) vom 26. Februar 2011, 1973 (2011) vom 17. März 2011, 2009 (2011) vom 16. September 2011, 2016 (2011) vom 27. Oktober 2011, 2017 (2011) vom 31. Oktober 2011 und 2022 (2011) vom 2. Dezember 2011, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens, in Bekräftigung seiner Resolutionen 1674 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, 1612 (2005), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder in bewaffneten Konflikten und 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, erwartungsvoll einer Zukunft für Libyen entgegensehend, die auf nationaler Aussöhnung, Gerechtigkeit, der Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit beruht, betonend, wie wichtig es ist, die gleiche und volle Beteiligung aller Teile der libyschen Gesellschaft, einschließlich der Frauen, der Jugendlichen und der Minderheiten-gruppen, am politischen Prozess in der Konfliktfolgezeit zu fördern, daran erinnernd, dass er beschlossen hat, die Situation in Libyen dem Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, und dass es wichtig ist, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass diejenigen, die für Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter Angriffe auf Zivilpersonen, verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden, mit dem Ausdruck seiner tiefen Besorgnis über die Berichte über sexuelle Gewalt gegen Frauen, Männer und Kinder während des Konflikts in Libyen, auch in Gefängnissen und anderen Hafteinrichtungen, und die Einziehung und den Einsatz von Kindern in Situationen bewaffneten Konflikts unter Verstoß gegen das anwendbare Völkerrecht, erneut erklärend, dass die freiwillige, sichere und dauerhafte Rückkehr der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen ein wichtiger Faktor für die Konsolidierung des Friedens in Libyen sein wird, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die unerlaubte Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art aus Libyen, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, in der Region und über ihre möglichen Auswirkungen auf den Frieden und die Sicherheit auf regionaler und internationaler Ebene,

- 7 - betonend, dass die Übernahme und Wahrnehmung nationaler Eigenverantwortung eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung eines dauerhaften Friedens sind und dass die nationalen Behörden die Hauptverantwortung dafür tragen, ihre Prioritäten und Strategien für die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit festzulegen, betonend, dass die Vereinten Nationen aktiv mit den libyschen Behörden zusam- menarbeiten müssen, um die Prioritäten und Strategien für die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit festzulegen und ihre Verwirklichung zu unterstützen, bekräftigend, dass die Vereinten Nationen die Koordinierung der Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung eines von Libyen geführten, auf die Schaffung eines demokratischen, unabhängigen und geeinten Libyens ausgerichteten Übergangs- und Wiederaufbauprozesses leiten sollen, und in Anerkennung der Hilfe, die die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) bei der Abhaltung der jüngsten Arbeitstreffen mit der libyschen Regierung zur Ermittlung der nationalen Bedürfnisse und Prioritäten geleistet hat, feststellend, dass glaubhafte Wahlen von zentraler Bedeutung für einen friedlichen Übergang in Libyen sind, dazu ermutigend, alle diesbezüglich erforderlichen Schritte zu unternehmen, und es begrüßend, dass am 28. Januar 2012 ein nationales Wahlgesetz in Libyen verabschiedet und am 12. Februar 2012 eine Wahlkommission eingesetzt wurde, die Absicht Libyens unterstützend, die regionale Sicherheit zu stärken, und Kenntnis nehmend von seinem Vorschlag, eine regionale Sicherheitskonferenz auszurichten, in Würdigung der Zusammenarbeit der libyschen Behörden mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank bei der Durchführung einer Bewertung des Rahmens für die Verwaltung der öffentlichen Finanzen Libyens und erneut darum ersuchend, den Ausschuss nach Resolution 1970 (2011) über die Ergebnisse dieser Bewertung zu informieren,

Kenntnis nehmend von dem Bericht des Generalsekretärs über die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (S/2012/129), namentlich von der Empfehlung, das Mandat der UNSMIL zu ändern und um 12 Monate zu verlängern, und unter Hinweis auf das Schreiben des Ministerpräsidenten Libyens, Abdurraheem Al-Kib, vom 6. März 2012 an den Generalsekretär (S/2012/139),

Kenntnis nehmend von dem gemäß Ziffer 24 d) der Resolution 1973 (2011) vorgelegten Schlussbericht der Sachverständigengruppe und den darin enthaltenen Feststellungen und Empfehlungen,

Kenntnis nehmend von der Unterrichtung des Rates durch die Hohe Kommissarin für Menschenrechte am 25. Januar 2012 und dem Bericht der Internationalen Untersuchungskommission für Libyen vom 2. März 2012 an den Menschenrechtsrat (A/HRC/19/68), eingedenk dessen, dass er nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptver- antwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt,

- 8 - tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. begrüßt die jüngsten positiven Entwicklungen in Libyen, die die Aussichten auf eine demokratische, friedliche und blühende Zukunft für das Volk Libyens verbessern werden;

2. sieht der Abhaltung freier, fairer und glaubhafter Wahlen im Juni 2012 zur Einrichtung einer Verfassunggebenden Versammlung erwartungsvoll entgegen und erklärt erneut, dass das Bekenntnis zu Demokratie, guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, nationaler Aussöhnung und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Menschen in Libyen ein Fundament des Übergangszeitraums sein muss;

3. fordert die libyschen Behörden auf, die Menschenrechte, namentlich der Frauen und der Angehörigen schwächerer Gruppen, zu fördern und zu schützen und ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen, nachzukommen, fordert, dass diejenigen, die für schwere Verstöße gegen diese Rechtsvorschriften, einschließlich sexueller Gewalt, verantwortlich sind, im Einklang mit den internationalen Normen zur Rechenschaft gezogen werden, und fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit den libyschen Behörden bei ihren Anstrengungen zur Beendigung der Straflosigkeit für diese Verstöße zusammenzuarbeiten;

4. bekundet seine ernste Besorgnis angesichts der anhaltenden Berichte über Vergeltungsmaßnahmen, willkürliche Inhaftierungen ohne Zugang zu einem ordnungsgemäßen Verfahren, widerrechtliche Freiheitsentziehung, Misshandlung, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen in Libyen, fordert die libyschen Behörden auf, alle erforderlichen Schritte zur Verhütung von Menschenrechtsverletzungen zu unternehmen, unterstreicht, dass die libyschen Behörden die Hauptverantwortung für den Schutz der Bevölkerung Libyens sowie der ausländischen Staatsangehörigen, einschließlich der afrikanischen Migranten, tragen, und fordert die sofortige Freilassung aller in Libyen rechtswidrig in Haft gehaltenen ausländischen Staatsangehörigen;

5. ermutigt Libyen und die Nachbarstaaten, gemeinsam eine regionale Zusammenarbeit aufzubauen, um die Lage in Libyen zu stabilisieren und Angehörige des ehemaligen libyschen Regimes daran zu hindern, das Hoheitsgebiet dieser Staaten für die Planung, Finanzierung oder Durchführung gewaltsamer oder anderer unerlaubter Handlungen zur Destabilisierung Libyens und der Staaten in der Region zu nutzen, und stellt fest, dass eine derartige Zusammenarbeit die Stabilität in der Sahel-Region fördern würde;

Mandat der Vereinten Nationen

6. beschließt, das Mandat der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) um einen weiteren Zeitraum von 12 Monaten zu verlängern, vorbehaltlich einer Überprüfung innerhalb von 6 Monaten, unter der Führung des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, und beschließt ferner, dass das geänderte Mandat der UNSMIL in vollem Einklang mit den Grundsätzen der nationalen Eigenverantwortung darin besteht, den libyschen Behörden bei der Festlegung der nationalen Bedürfnisse und Prioritäten in ganz Libyen behilflich zu

- 9 - sein, gegebenenfalls dementsprechende strategische und technische Beratung anzubieten und Libyen bei seinen Anstrengungen zu unterstützen,

a) den Prozess des demokratischen Übergangs zu steuern, so auch durch technische Beratung und Hilfe für den libyschen Wahlprozess und den Prozess der Ausarbeitung und Festlegung einer neuen libyschen Verfassung, wie im Fahrplan des Nationalen Übergangsrats für eine Verfassung vorgesehen, sowie durch Hilfe zur Verbesserung der institutionellen Kapazitäten, der Transparenz und der Rechenschaftslegung, zur Förderung der Ermächtigung und politischen Mitwirkung von Frauen und Minderheiten und zur Unterstützung der weiteren Entwicklung der libyschen Zivilgesellschaft;

b) im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Libyens die Rechtsstaatlichkeit zu fördern und die Menschenrechte, insbesondere der Frauen und der Angehörigen schwächerer Gruppen wie Kinder, Minderheiten und Migranten, zu schützen, so auch durch die Unterstützung der libyschen Behörden bei der Reform und dem Aufbau transparenter und rechenschaftspflichtiger Justiz- und Strafvollzugssysteme, die Unterstützung der Ausarbeitung und Umsetzung einer umfassenden Strategie für die Unrechtsaufarbeitung während des Übergangsprozesses, die Gewährung von Hilfe im Hinblick auf die nationale Aussöhnung und die Bereitstellung von Unterstützung mit dem Ziel, eine angemessene Behandlung Inhaftierter zu gewährleisten und alle noch mit revolutionären Brigaden verbundenen Kinder zu demobilisieren;

c) die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen, so auch durch die Bereitstellung geeigneter strategischer und technischer Beratung und Hilfe für die libysche Regierung beim Aufbau handlungsfähiger Institutionen und der Umsetzung eines kohärenten nationalen Konzepts für die Eingliederung ehemaliger Kombattanten in die libyschen nationalen Sicherheitskräfte oder ihre Demobilisierung und Wiedereingliederung ins Zivilleben, darunter durch Bildungs- und Beschäftigungsangebote, und beim Aufbau von Polizei- und Sicherheitsinstitutionen, die handlungsfähig und rechenschaftspflichtig sind, die Menschenrechte achten und für Frauen und andere schwächere Gruppen zugänglich sind und auf ihre Bedürfnisse eingehen;

d) die unerlaubte Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, zu bekämpfen, explosive Kampfmittelrückstände zu räumen, Minenräumprogramme durchzuführen, Libyens Grenzen zu sichern und zu verwalten und die internationalen Übereinkünfte zu chemischen, biologischen und nuklearen Waffen und Materialien in Abstimmung mit den zuständigen Organisationen der Vereinten Nationen, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen und den internationalen und regionalen Partnern durchzuführen;

e) die internationale Hilfe zu koordinieren und in allen in den Ziffern 6 a) bis d) genannten maßgeblichen Sektoren staatliche Kapazitäten aufzubauen, so auch durch die Unterstützung des Koordinierungsmechanismus in der libyschen Regierung, der am 31. Januar 2012 bekanntgegeben wurde, die Beratung der libyschen Regierung mit dem Ziel, ihr bei der Ermittlung des - 10 - vorrangigen Bedarfs an internationaler Unterstützung behilflich zu sein, die Einbeziehung internationaler Partner in den Prozess, wann immer dies angemessen ist, die Erleichterung der Bereitstellung internationaler Hilfe für die libysche Regierung sowie eine klare Arbeitsteilung und regelmäßige und häufige Kommunikation zwischen allen, die Libyen Hilfe gewähren;

7. ermutigt die UNSMIL, auch weiterhin die Anstrengungen zugunsten der nationalen Aussöhnung, eines alle Seiten einschließenden politischen Dialogs und der politischen Prozesse zur Förderung freier, fairer und glaubhafter Wahlen, der Unrechtsaufarbeitung und der Achtung der Menschenrechte in ganz Libyen zu unterstützen;

Waffenembargo

8. beschließt, die den Mitgliedstaaten in Ziffer 13 der Resolution 1973 (2011) erteilte Ermächtigung, alle unter den besonderen Umständen angemessenen Maßnahmen zur Durchführung von Überprüfungen gemäß der genannten Ziffer zu ergreifen, aufzuheben, beschließt ferner, Ziffer 14 der genannten Resolution aufzuheben, und unterstreicht, wie wichtig es ist, das in den Ziffern 9 und 10 der Resolution 1970 (2011) verhängte und mit Resolution 2009 (2011) geänderte Waffenembargo voll umzusetzen;

Einfrieren von Vermögenswerten

9. weist den Ausschuss an, im Benehmen mit den libyschen Behörden die verbleibenden Maßnahmen, die mit den Resolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) in Bezug auf die Libyan Investment Authority (Staatsfonds Libyens) und das Libyan Africa Investment Portfolio verhängt und mit Resolution 2009 (2011) geändert wurden, laufend zu überprüfen, und beschließt, dass der Ausschuss im Benehmen mit den libyschen Behörden die Benennung dieser Einrichtungen aufhebt, sobald gewährleistet werden kann, dass die Vermögenswerte dem Volk Libyens zu seinen Gunsten zur Verfügung gestellt werden;

Sachverständigengruppe

10. beschließt, das Mandat der mit Ziffer 24 der Resolution 1973 (2011) eingesetzten Sachverständigengruppe zu verlängern und zu ändern, und beschließt ferner, das Mandat zu dem Zweck zu ändern, für einen Zeitraum von einem Jahr, im Benehmen mit dem Ausschuss und unter Berücksichtigung der derzeitigen Tätigkeitsbereiche eine Gruppe von bis zu 5 Sachverständigen („Gruppe“) einzusetzen, die unter der Leitung des Ausschusses die folgenden Aufgaben ausführt:

a) dem Ausschuss bei der Durchführung seines in Ziffer 24 der Resolution 1970 (2011) festgelegten Mandats behilflich zu sein;

b) von den Staaten, den zuständigen Organen der Vereinten Nationen, den Regionalorganisationen und anderen interessierten Parteien stammende Informationen über die Durchführung der in den Resolutionen 1970 (2011), 1973 (2011) und 2009 (2011) beschlossenen Maßnahmen, insbesondere über Fälle der Nichtbefolgung, zu sammeln, zu prüfen und zu analysieren;

- 11 - c) Empfehlungen zu Schritten abzugeben, die der Rat, der Ausschuss, die libyschen Behörden oder andere Staaten prüfen könnten, um die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen zu verbessern, und

d) dem Rat spätestens 90 Tage nach der Ernennung der Gruppe einen Zwischenbericht über ihre Arbeit und spätestens 30 Tage vor Ablauf ihres Mandats einen Schlussbericht mit ihren Feststellungen und Empfehlungen vorzulegen;

11. fordert alle Staaten, die zuständigen Organe der Vereinten Nationen, einschließlich der UNSMIL, und andere interessierte Parteien nachdrücklich auf, mit dem Ausschuss und der Gruppe uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, insbesondere indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über die Durchführung der in den Resolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) beschlossenen und in Resolution 2009 (2011) geänderten Maßnahmen übermitteln, insbesondere über Fälle der Nichtbefolgung;

12. ermutigt die Gruppe, eingedenk der Aufgabe der UNSMIL, die libyschen Behörden bei der Bekämpfung der unerlaubten Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft- Flugkörper, und bei der Sicherung und Verwaltung der Grenzen Libyens zu unterstützen, ihre Untersuchungen in Bezug auf die Nichteinhaltung der Sanktionen, namentlich die unerlaubten Transfers von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial von und nach Libyen und die Vermögenswerte der Personen, die dem in den Resolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) verhängten und in Resolution 2009 (2011) geänderten Einfrieren von Vermögenswerten unterliegen, fortzusetzen, und ermutigt die UNSMIL und die libyschen Behörden, die Gruppe bei ihrer Untersuchungstätigkeit innerhalb Libyens zu unterstützen, bei Bedarf auch durch die Weitergabe von Informationen, die Erleichterung der Durchreise und die Gewährung des Zugangs zu Waffenlagern;

Berichterstattung und Überprüfung

13. bekundet seine Absicht, das Mandat des Ausschusses zu überprüfen, falls die in den Resolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) verhängten und in Resolution 2009 (2011) und in dieser Resolution geänderten Maßnahmen mit einem künftigen Beschluss des Sicherheitsrats aufgehoben werden sollten;

14. ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat alle 60 Tage über die Durchführung dieser Resolution, einschließlich aller Bestandteile des Mandats der UNSMIL, Bericht zu erstatten;

15. ersucht den Generalsekretär außerdem, dem Sicherheitsrat nach den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung im Hinblick auf eine Überprüfung und gegebenenfalls erforderliche Änderung des Mandats über die Schritte Bericht zu erstatten, die die UNSMIL unternimmt, um in Zusammenarbeit mit der neuen libyschen Regierung sicherzustellen, dass sie Libyen auch weiterhin wirksam bei der Deckung seiner spezifischen Bedürfnisse unterstützt;

16. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quell: Homepage der Vereinten Nationen

- 12 - Resolution 2041 (2012) verabschiedet auf der 6738. Sitzung des Sicherheitsrats am 22. März 2012 (Afghanistan)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen über Afghanistan, insbesondere seine Resolution 1974 (2011), mit der das mit Resolution 1662 (2006) festgelegte Mandat der Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) bis zum 23. März 2012 verlängert wurde, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Afghanistans, mit dem erneuten Ausdruck seiner Unterstützung für den Übergangsprozess

(„Inteqal“), der bedingt, dass die Institutionen Afghanistans im Sicherheitssektor in Übereinstimmung mit der Londoner, der Kabuler und der Bonner Konferenz und dem Gipfeltreffen von Lissabon die volle Verantwortung übernehmen, in der Erkenntnis, dass es im Übergangsprozess nicht nur um die Sicherheit, sondern um die volle Übernahme der Führungs- und Eigenverantwortung durch Afghanistan in Bezug auf die Regierungsführung und die Entwicklung geht, und bekräftigend, dass die Vereinten Nationen bei ihrer Unterstützung für Afghanistan dem Übergangsprozess in dem Land voll Rechnung tragen, unter Hervorhebung des Prozesses von Kabul, der auf das Hauptziel ausgerichtet ist, die Übernahme der Führungs- und Eigenverantwortung durch Afghanistan zu beschleunigen, die internationale Partnerschaft und die regionale Zusammenarbeit zu stärken, die afghanische Regierungsführung zu verbessern, die Kapazitäten der afghanischen Sicherheitskräfte auszuweiten und Wirtschaftswachstum und einen besseren Schutz der Rechte aller afghanischen Bürger, namentlich der Frauen, zu gewährleisten, und insbesondere die von der afghanischen Regierung eingegangenen Verpflichtungen begrüßend, betonend, wie wichtig ein umfassender Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen in den miteinander verflochtenen Bereichen Sicherheit, Wirtschaft, Regierungsführung und Entwicklung in Afghanistan ist, und anerkennend, dass es zur Gewährleistung der Stabilität Afghanistans keine rein militärische Lösung gibt, bekräftigend, dass er die Regierung und das Volk Afghanistans auch künftig dabei unterstützen wird, ihr Land wiederaufzubauen und die Grundlagen eines dauerhaften Friedens und einer konstitutionellen Demokratie zu stärken, unter Begrüßung der am 5. Dezember 2011 in abgehaltenen Internationalen Afghanistan-Konferenz und der Konferenzschlussfolgerungen (S/2011/762) sowie der in Bonn abgegebenen Erklärung, wonach auf den bis Ende 2014 abzuschließenden Transitionsprozess eine Transformationsdekade (2015-2024) folgen soll, und ferner unter Begrüßung des strategischen Konsenses zwischen der Islamischen Republik Afghanistan und der internationalen Gemeinschaft über eine erneuerte und dauerhafte Partnerschaft für diese Transformationsdekade, die auf festen gegenseitigen Verpflichtungen beruht, - 13 - mit Interesse der im Juli 2012 in Tokio stattfindenden Ministerkonferenz über Afghanistan entgegensehend, die sich mit den Zusagen und der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans während des Übergangszeitraums und danach befassen wird, aufbauend auf den festen gegenseitigen Verpflichtungen in den Schlussfolgerungen der Bonner Konferenz, in denen auch anerkannt wurde, dass die Regierung Afghanistans die Reformen im Bereich der Regierungsführung und der Wirtschaft vorantreiben muss, in diesem Zusammenhang insbesondere bekräftigend, dass er die unter der Führungs- und Eigenverantwortung des afghanischen Volkes erfolgende Umsetzung der in den Kommuniqués der Londoner (S/2011/65) und der Kabuler Konferenz enthaltenen Verpflichtungen, der Nationalen Entwicklungsstrategie für Afghanistan und der Nationalen Drogenkontrollstrategie unterstützt, als Teil der umfassenden Strategie, die von der Regierung Afghanistans mit Unterstützung der Region und der internationalen Gemeinschaft vorangebracht werden muss und bei der die Vereinten Nationen eine zentrale und unparteiische Koordinierungsrolle wahrnehmen, im Einklang mit dem Prozess von Kabul und den nationalen Prioritätenprogrammen, unter Begrüßung der am 16. Februar 2012 in Wien abgehaltenen Dritten Ministerkonferenz des Pariser Paktes über die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Opiaten aus Afghanistan, Kenntnis nehmend von der Wiener Erklärung und betonend, dass das Ziel des Pariser Paktes darin besteht, im Rahmen eines umfassenden Ansatzes für den Frieden, die Stabilität und die Entwicklung in Afghanistan, in der Region und darüber hinaus eine breite internationale Koalition zur Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Opiaten zu bilden, betonend, wie entscheidend wichtig es ist, die regionale Zusammenarbeit voranzubringen, die ein wirksames Mittel zur Förderung der Sicherheit, der Stabilität und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Afghanistan ist, unter Hinweis auf die Bedeutung der Erklärung von Kabul vom 22. Dezember 2002 über gutnachbarliche Beziehungen (Kabuler Erklärung) (S/2002/1416), in dieser Hinsicht die fortgesetzte Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung der Stabilität und der Entwicklung Afghanistans begrüßend, Kenntnis nehmend von den internationalen und regionalen Initiativen wie den Istanbuler Gipfeltreffen „Im Herzen Asiens“, den vierseitigen Gipfeltreffen Afghanistans, Pakistans, Tadschikistans und der Russischen Föderation, dem dreiseitigen Gipfeltreffen Afghanistans, Irans und Pakistans im Februar 2012 in Islamabad sowie den Initiativen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit und des Südasiatischen Verbands für regionale Zusammenarbeit und mit Interesse der am 26. und 27. März 2012 in Tadschikistan stattfindenden fünften Konferenz über regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit für Afghanistan entgegensehend, mit Lob für das Ergebnis der am 2. November 2011 abgehaltenen Istanbuler Konferenz für Afghanistan, bei der Afghanistan und seine Partner in der Region mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ihre Entschlossenheit bekräftigten, die regionale Sicherheit und Zusammenarbeit zugunsten eines sicheren und stabilen Afghanistans zu verstärken, unter anderem durch einen intensiveren regionalen Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen, mit Interesse dem ersten Folgetreffen zur Istanbuler Konferenz entgegensehend, das am 14. Juni 2012 in Kabul auf Ministerebene stattfinden soll, und in dieser Hinsicht außerdem das erste - 14 - Vorbereitungstreffen hochrangiger Amtsträger am 29. Februar 2012 in Kabul begrüßend, sowie mit Interesse der im Mai 2012 in der Schweiz stattfindenden Internationalen Konferenz über die afghanischen Flüchtlinge entgegensehend, die zu einem erfolgreichen Ausgang für die in der Region befindlichen afghanischen Flüchtlinge und Rückkehrer und zur Annahme eines Aktionsplans führen soll, unter Hervorhebung der zentralen und unparteiischen Rolle, die die Vereinten Nationen auch weiterhin bei der Förderung des Friedens und der Stabilität in Afghanistan spielen, indem sie bei den Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft die Führung übernehmen, wozu auch die gemeinsam mit der Regierung Afghanistans durchgeführte Koordinierung und Überwachung der Anstrengungen zur Durchführung des Prozesses von Kabul über den Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsrat in Unterstützung der von der Regierung Afghanistans aufgestellten Prioritäten gehört, und mit dem Ausdruck seiner Anerkennung und nachdrücklichen Unterstützung für die laufenden Anstrengungen des Generalsekretärs, seines Sonderbeauftragten für Afghanistan sowie insbesondere der Frauen und Männer der UNAMA, die unter schwierigen Bedingungen im Einsatz sind, um dem Volk Afghanistans zu helfen, mit dem Ausdruck seines Dankes an den Generalsekretär für die gemäß dem Ersuchen in Ziffer 43 der Resolution 1974 (2011) des Sicherheitsrats vorgenommene umfassende Überprüfung und gebührend Kenntnis nehmend von ihren Ergebnissen, die in dem Bericht des Generalsekretärs vom 5. März 2012 über Afghanistan (S/2012/133) enthalten sind, erneut erklärend, dass sich die Rolle der internationalen Akteure im Einklang mit dem Übergangsprozess weiter von der direkten Erbringung öffentlicher Leistungen hin zu Unterstützung und Kapazitätsaufbau für afghanische Institutionen verlagern wird, wodurch die Regierung Afghanistans in die Lage versetzt wird, ihre souveräne Autorität in all ihren Funktionen auszuüben, darunter auch die schrittweise Schließung aller regionalen Wiederaufbauteams sowie die Auflösung aller Strukturen, die die Funktionen und die Autorität der Regierung Afghanistans auf nationaler und subnationaler Ebene duplizieren, betonend, wie wichtig ein umfassender, alle Seiten einschließender politischer Prozess in Afghanistan unter afghanischer Führung und Eigenverantwortung ist, um die Aussöhnung all derer zu unterstützen, die dazu bereit sind, wie im Kommuniqué der Kabuler Konferenz vom 20. Juli 2010 festgeschrieben, in den Schlussfolgerungen der Bonner Konferenz vom 5. Dezember 2011 weiter ausgeführt und von der Regierung Afghanistans und der internationalen Gemeinschaft unterstützt, unter voller Achtung der Durchführung der Maßnahmen und der Anwendung der Verfahren, die vom Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1267 (1999) und 1988 (2011) sowie in anderen einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats festgelegt wurden, und in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Einsetzung des Ausschusses des Sicherheitsrats nach Resolution 1988 (2011), unter Hinweis auf die von der Traditionellen Loya Jirga im November 2011 bekundete Unterstützung für den Aussöhnungsprozess der Regierung Afghanistans und in Unterstützung der Ziele des Hohen Friedensrats und seiner Dialogbemühungen innerhalb wie auch außerhalb Afghanistans,

- 15 - unter Hinweis auf die von der Regierung Afghanistans auf der Kabuler Konferenz eingegangenen Verpflichtungen zur Stärkung und Verbesserung des Wahlprozesses in Afghanistan, einschließlich der langfristigen Reform des Wahlsystems, um zu gewährleisten, dass künftige Wahlen transparent, glaubhaft und demokratisch sind, und bekräftigend, dass die friedliche Zukunft Afghanistans darin liegt, einen stabilen, sicheren und wirtschaftlich tragfähigen Staat aufzubauen, in dem es keinen Terrorismus und keine Suchtstoffe gibt und der auf Rechtsstaatlichkeit, gestärkten demokratischen Institutionen, der Achtung der Gewaltenteilung, gestärkten, in der Verfassung verankerten Kontrollmechanismen und der Garantie und Durchsetzung der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten beruht, den Beitrag begrüßend, den die Internationale Kontaktgruppe zu den Anstrengungen der Vereinten Nationen zur Koordinierung und Ausweitung der internationalen Unterstützung für Afghanistan leistet, unter erneuter Betonung der auf dem Gipfeltreffen der Nordatlantikvertrags- Organisation (NATO) 2010 in Lissabon erzielten Vereinbarung zwischen der Regierung Afghanistans und den zur Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) beitragenden Ländern, die volle Verantwortung für die Sicherheit in ganz Afghanistan bis Ende 2014 schrittweise an die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte zu übertragen, Kenntnis nehmend von der am 20. November 2010 in Lissabon unterzeichneten Erklärung der NATO und der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan über eine dauerhafte Partnerschaft, in Würdigung der gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen des Übergangsprozesses („Inteqal“), unter Begrüßung der bisherigen Fortschritte bei der Durchführung der ersten und zweiten Phase des Übergangs und mit Interesse der stufenweisen und verantwortungsvollen Ausweitung des Prozesses auf den Rest des Landes entgegensehend, unterstreichend, wie wichtig einsatzfähige, professionelle und tragfähige afghanische nationale Sicherheitskräfte sind, um den Sicherheitsbedarf Afghanistans zu decken und so dauerhaften Frieden und anhaltende Sicherheit und Stabilität herbeizuführen, und betonend, dass sich die internationale Gemeinschaft langfristig, auch nach 2014 und bis in die Transformationsdekade (2015-2024) hinein, verpflichtet hat, die Weiterentwicklung, einschließlich der Ausbildung, und die Professionalisierung der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte zu unterstützen, mit Interesse den Gesprächen über Afghanistan auf dem anstehenden Gipfeltreffen der NATO in Chicago entgegensehend, sich dessen bewusst, dass zunehmende Sicherheit mit Fortschritten bei der Regie- rungsführung und der Entwicklungskapazität Afghanistans einhergehen muss, in diesem Zusammenhang feststellend, dass bei den Zielen der UNAMA und der ISAF Synergien bestehen, wie auch in Resolution 2011 (2011) festgestellt wurde, und betonend, dass sie ihre Zusammenarbeit, Koordinierung und gegenseitige Unterstützung unter gebührender Berücksichtigung der ihnen jeweils zugewiesenen Verantwortlichkeiten optimieren müssen, erneut anerkennend, dass die Herausforderungen in Afghanistan miteinander ver- knüpft sind, in Bekräftigung dessen, dass nachhaltige Fortschritte in den Bereichen Sicherheit, Regierungsführung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung sowie in den übergreifenden Fragen der Korruptionsbekämpfung, der Drogenbekämpfung und der Transparenz einander verstärken, und unter Begrüßung

- 16 - der fortgesetzten Bemühungen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft, diese Herausforderungen im Rahmen eines umfassenden Ansatzes zu bewältigen, erneut erklärend, dass sich alle Organisationen, Fonds und Programme der Vereinten Nationen im Rahmen des Landesteam-Mechanismus und des Konzepts der Einheit in der Aktion und unter der Leitung des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs verstärkt und in voller Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Regierung Afghanistans um mehr Kohärenz, Koordinierung und Effizienz sowie eine vollständige Ausrichtung an den von der Regierung Afghanistans festgelegten nationalen Prioritätenprogrammen bemühen müssen, unter Begrüßung der Bemühungen der Länder, die verstärkt zivile, einschließlich humanitärer, Anstrengungen unternehmen, um der Regierung und dem Volk Afghanistans behilflich zu sein, und die internationale Gemeinschaft ermutigend, ihre Beiträge in Abstimmung mit den afghanischen Behörden und der UNAMA weiter zu erhöhen, mit dem Ziel, die afghanische Führungs- und Eigenverantwortung zu stärken, so auch auf der Konferenz von Tokio im Juli 2012, unter Betonung der Notwendigkeit, die Reichweite, die Qualität und den Umfang der humanitären Hilfe weiter zu erhöhen, indem sichergestellt wird, dass diese Hilfe effizient, wirksam und zeitgerecht koordiniert und bereitgestellt wird, so auch durch eine bessere Abstimmung zwischen den Organisationen, Fonds und Programmen der Vereinten Nationen unter der Autorität des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs und zwischen den Vereinten Nationen und anderen Gebern, besonders dort, wo sie am meisten benötigt wird, und indem die afghanische Regierung dabei unterstützt wird, bei der Koordinierung der humanitären Hilfe für die Bürger des Landes zunehmend die Führung zu übernehmen, betonend, dass im Rahmen der humanitären Hilfe die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, der Neutralität, der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit von allen gewahrt und geachtet werden müssen, mit dem erneuten Ausdruck seiner Besorgnis über die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere über die anhaltenden gewaltsamen und terroristischen Aktivitäten der Taliban, Al-Qaidas und anderer gewalttätiger und extremistischer Gruppen, illegaler bewaffneter Gruppen, Krimineller und derjenigen, die an der Erzeugung unerlaubter Drogen oder dem Verkehr oder Handel damit beteiligt sind, sowie über die starken Verbindungen zwischen terroristischen Aktivitäten und unerlaubten Drogen, wovon Bedrohungen für die örtliche Bevölkerung, einschließlich Kindern, die nationalen Sicherheitskräfte und das internationale Militär- und Zivilpersonal ausgehen, in Anbetracht der nach wie vor besorgniserregenden Bedrohungen, die von den Taliban, Al-Qaida und anderen gewalttätigen und extremistischen Gruppen und illegalen bewaffneten Gruppen ausgehen, sowie der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen diese Bedrohungen, und mit dem Ausdruck seiner ernsthaften Besorgnis über die nachteiligen Auswirkungen gewaltsamer und terroristischer Aktivitäten der Taliban, Al-Qaidas und anderer gewalttätiger und extremistischer Gruppen und illegaler bewaffneter Gruppen auf die Fähigkeit der afghanischen Regierung, die Rechtsstaatlichkeit zu garantieren, dem afghanischen Volk Sicherheit zu gewähren und grundlegende Dienste bereitzustellen

- 17 - und die Verbesserung der Lage bei den Menschenrechten und Grundfreiheiten sowie deren Schutz zu gewährleisten, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1674 (2006), 1738 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, mit dem Ausdruck seiner ernsten Besorgnis darüber, dass die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung in Afghanistan, insbesondere unter den Frauen und Kindern, weiter zugenommen hat, wofür in immer mehr Fällen die Taliban, Al-Qaida und andere gewalttätige und extremistische Gruppen und illegale bewaffnete Gruppen verantwortlich sind, bekräftigend, dass alle an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien im Rahmen des Möglichen alles tun müssen, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, mit der Aufforderung an alle Parteien, ihre Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen, einzuhalten und alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass die Lage der Zivilpersonen und insbesondere die Situation im Hinblick auf Opfer unter der Zivilbevölkerung ständig überwacht werden und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen laufend Bericht erstattet wird, so auch durch die ISAF, und Kenntnis nehmend von den Fortschritten, die die afghanischen und die internationalen Truppen dabei erzielt haben, die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung möglichst gering zu halten, wie in dem Bericht der UNAMA vom 4. Februar 2012 über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten anerkannt wurde, sowie mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die ernste Gefahr für die Zivilbevölkerung, die von Antipersonenminen, Kampfmittelrückständen und behelfsmäßigen Sprengvorrichtungen ausgeht, und unter Betonung der Notwendigkeit, den Einsatz von Waffen und Vorrichtungen zu unterlassen, die nach dem Völkerrecht verboten sind, die internationale Gemeinschaft und die regionalen Partner dazu ermutigend, die unter afghanischer Führung ergriffenen anhaltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenproduktion und des Drogenhandels weiter wirksam zu unterstützen, namentlich über die Arbeitsgruppe Suchtstoffbekämpfung des Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsrats sowie über Regionalinitiativen, in Anbetracht der von der Erzeugung unerlaubter Drogen und dem Handel und Verkehr damit ausgehenden Bedrohung des Weltfriedens und der Stabilität in verschiedenen Regionen der Welt sowie der wichtigen Rolle, die das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in dieser Hinsicht spielt, und betonend, welche wichtige Rolle die Vereinten Nationen bei der weiteren Überwachung der Drogensituation in Afghanistan wahrnehmen, es unterstützend, dass die afghanische Regierung Ammoniumnitratdünger nach wie vor verbietet, mit der nachdrücklichen Aufforderung, rasch Maßnahmen zur Umsetzung von Vorschriften für die Kontrolle aller Explosivstoffe und chemischen Ausgangsstoffe zu ergreifen und damit die Fähigkeit der Aufständischen einzuschränken, sie für behelfsmäßige Sprengvorrichtungen zu nutzen, und mit der Aufforderung an die internationale Gemeinschaft, die diesbezüglichen Anstrengungen der afghanischen Regierung zu unterstützen, unter Hinweis auf die an das Internationale Suchtstoff-Kontrollamt gerichtete Erklärung der Regierung Afghanistans, dass es in Afghanistan derzeit keine rechtlich - 18 - zulässige Verwendung von Essigsäureanhydrid gibt und dass die Erzeuger- und Ausfuhrländer die Ausfuhr dieses Stoffes nach Afghanistan ohne einen Antrag der afghanischen Regierung nicht genehmigen sollen, und die Mitgliedstaaten gemäß Resolution 1817 (2008) dazu ermutigend, verstärkt mit dem Internationalen Suchtstoff-Kontrollamt zusammenzuarbeiten, indem sie insbesondere die Bestimmungen des Artikels 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vollständig einhalten, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1265 (1999), 1296 (2000), 1674 (2006), 1738 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, seine Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit und seine Resolutionen 1612 (2005), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder und bewaffnete Konflikte und Kenntnis nehmend von dem Bericht des Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte in Afghanistan (S/2011/55) und den Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe des Sicherheitsrats für Kinder und bewaffnete Konflikte (S/AC.51/2011/3),

1. begrüßt den Bericht des Generalsekretärs vom 5. März 2012 (S/2012/133);

2. bekundet den Vereinten Nationen seine Anerkennung für ihre langfristige Zusage zur Unterstützung der Regierung und des Volkes Afghanistans und erklärt erneut seine volle Unterstützung für die Arbeit der UNAMA und des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs;

3. beschließt, das in seinen Resolutionen 1662 (2006), 1746 (2007), 1806 (2008), 1868 (2009), 1917 (2010) und 1974 (2011) und in den nachstehenden Ziffern 4, 5, 6 und 7 festgelegte Mandat der UNAMA bis zum 23. März 2013 zu verlängern;

4. erkennt an, dass das erneuerte Mandat der UNAMA dem Übergangsprozess voll Rechnung trägt und die volle Übernahme der Führungs- und Eigenverantwortung Afghanistans in den Bereichen Sicherheit, Regierungsführung und Entwicklung unterstützt, im Einklang mit den Vereinbarungen, die auf der Londoner, der Kabuler und der Bonner Konferenz und auf dem Gipfeltreffen von Lissabon zwischen Afghanistan und der internationalen Gemeinschaft erzielt wurden;

5. fordert die Vereinten Nationen auf, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft die nationalen Prioritätenprogramme der Regierung Afghanistans, die sich auf die Fragen der Sicherheit, der Regierungsführung, der Justiz und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung erstrecken, ebenso zu unterstützen wie die volle Verwirklichung der gegenseitigen Verpflichtungen, die auf der Kabuler und der Londoner Konferenz zu diesen Fragen eingegangen und als Teil des strategischen Konsenses auf der Bonner Konferenz bekräftigt wurden, sowie der Verpflichtungen zur weiteren Umsetzung der Nationalen Drogenkontrollstrategie, und ersucht die UNAMA, der Regierung Afghanistans auf ihrem Weg zur Übernahme der vollen Führungs- und Eigenverantwortung entsprechend dem Prozess von Kabul in einer zunehmend unterstützenden Rolle behilflich zu sein;

6. beschließt ferner, dass die UNAMA und der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs im Rahmen ihres Mandats und geleitet von dem Grundsatz, die afghanische Souveränität und Führungs- und Eigenverantwortung zu stärken,

- 19 - weiterhin die internationalen zivilen Maßnahmen leiten und koordinieren werden, im Einklang mit den Kommuniqués der Londoner und der Kabuler Konferenz und den Schlussfolgerungen der Bonner Konferenz und mit besonderem Augenmerk auf den nachstehend dargelegten Schwerpunkten:

a) als Kovorsitzende des Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsrats eine kohärentere Unterstützung der Prioritäten der afghanischen Regierung in den Fragen der Entwicklung und der Regierungsführung durch die internationale Gemeinschaft zu fördern, namentlich durch die Unterstützung der laufenden Ausarbeitung und zeitlichen Abstufung der nationalen Prioritätenprogramme, die Mobilisierung von Ressourcen, die Koordinierung der internationalen Geber und Organisationen und die Steuerung der Beiträge der Organisationen, Fonds und Programme der Vereinten Nationen, insbesondere für die Suchtstoffbekämpfungs-, Wiederaufbau- und Entwicklungsmaßnahmen, und gleichzeitig die Anstrengungen zur Steigerung des Anteils der über die afghanische Regierung bereitgestellten Entwicklungshilfe im Einklang mit den auf der Kabuler Konferenz abgegebenen Zusagen und die Anstrengungen zur Steigerung der Transparenz und Wirksamkeit der Nutzung dieser Ressourcen durch die afghanische Regierung zu unterstützen;

b) im Einklang mit ihren bestehenden Mandaten und auf eine Weise, die den Schutz und die Förderung der Rechte aller Afghanen nachhaltig gewährleistet, die Zusammenarbeit mit der ISAF und dem Hohen Zivilen Beauftragten der NATO auf allen Ebenen und im ganzen Land zur Unterstützung des laufenden, auf der Kabuler und der Londoner Konferenz und dem Gipfeltreffen von Lissabon vereinbarten Übergangs zu voller afghanischer Führungs- und Eigenverantwortung fortzusetzen, um die Koordinierung zwischen dem zivilen und dem militärischen Bereich zu optimieren, den frühzeitigen Austausch von Informationen zu erleichtern und die Kohärenz der Tätigkeiten der nationalen und internationalen Sicherheitskräfte und der zivilen Akteure zur Unterstützung eines Entwicklungs- und Stabilisierungsprozesses unter afghanischer Führung zu gewährleisten, unter anderem durch Zusammenarbeit mit den regionalen Wiederaufbauteams und den nichtstaatlichen Organisationen, insbesondere durch ihre Mitwirkung als Beobachter im Gemeinsamen Ausschuss Afghanistans und der NATO für den Übergangsprozess („Inteqal“);

c) Kommunikationsarbeit und Gute Dienste zu leisten, um die afghanische Regierung auf Antrag bei dem unter afghanischer Führung und Eigenverantwortung stehenden Friedens- und Aussöhnungsprozess zu unterstützen, namentlich bei der Durchführung des afghanischen Friedens- und Wiedereingliederungsprogramms und durch die Unterbreitung von Vorschlägen für vertrauensbildende Maßnahmen und deren Unterstützung, im Rahmen der afghanischen Verfassung und unter voller Achtung der Durchführung der Maßnahmen und der Anwendung der Verfahren, die vom Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1267 (1999), 1988 (2011) und 1989 (2011) sowie in anderen einschlägigen Ratsresolutionen festgelegt wurden;

d) auf Antrag der afghanischen Behörden die Organisation künftiger afghanischer Wahlen zu unterstützen sowie in Unterstützung der - 20 - Maßnahmen der Regierung Afghanistans die Nachhaltigkeit, Integrität und Inklusivität des Wahlprozesses, wie auf der Londoner, der Kabuler und der Bonner Konferenz vereinbart, zu stärken und den an diesem Prozess beteiligten afghanischen Institutionen Kapazitätsaufbau- und technische Hilfe zu gewähren;

e) die regionale Zusammenarbeit zu unterstützen, um Afghanistan dabei behilflich zu sein, seine Rolle im Herzen Asiens zur Förderung der regionalen Zusammenarbeit zu nutzen, um auf der Grundlage des bereits Erreichten Stabilität und Wohlstand in Afghanistan herbeizuführen;

7. bekräftigt außerdem, dass die UNAMA und der Sonderbeauftragte unter Nutzung der Kompetenzen des Landesteams der Vereinten Nationen und unter Berücksichtigung des Übergangsprozesses auch weiterhin die internationalen zivilen Maßnahmen leiten werden, die insbesondere darauf ausgerichtet sind, die afghanischen Institutionen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben in den nachstehenden Schwerpunktbereichen zu befähigen und ihre Rolle dabei zu stärken:

a) durch eine angemessene Präsenz der UNAMA, die in voller Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Regierung Afghanistans festzulegen ist, und in Unterstützung der Bemühungen der afghanischen Regierung die Durchführung des Prozesses von Kabul im ganzen Land zu fördern, so auch durch verstärkte Zusammenarbeit mit dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, und die Einbeziehung in die Regierungspolitik wie auch deren Verständnis zu erleichtern;

b) in Erfüllung ihrer auf der Londoner, der Kabuler und der Bonner Konferenz abgegebenen Zusagen die Anstrengungen der afghanischen Regierung zur Verbesserung der Regierungsführung und der Rechtsstaatlichkeit, einschließlich der Unrechtsaufarbeitung, des Haushaltsvollzugs und der Bekämpfung der Korruption im ganzen Land im Einklang mit dem Prozess von Kabul zu unterstützen, um dazu beizutragen, dass frühzeitig und auf nachhaltige Weise die Früchte des Friedens zum Tragen kommen und öffentliche Leistungen erbracht werden;

c) mit Unterstützung des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte weiter mit der afghanischen Unabhängigen Menschenrechtskommission sowie mit der afghanischen Regierung und den zuständigen internationalen und lokalen nichtstaatlichen Organisationen zusammenzuarbeiten und ihre Kapazitäten aufzubauen, um die Situation der Zivilbevölkerung zu überwachen, die Maßnahmen zur Gewährleistung ihres Schutzes zu koordinieren, die Rechenschaftslegung zu fördern und bei der vollständigen Durchführung der die Grundfreiheiten und Menschenrechte betreffenden Bestimmungen der afghanischen Verfassung und der völkerrechtlichen Verträge, deren Vertragsstaat Afghanistan ist, behilflich zu sein, insbesondere derjenigen betreffend den vollen Genuss der Menschenrechte durch Frauen;

d) die Erbringung humanitärer Hilfsleistungen in Unterstützung der afghanischen Regierung und im Einklang mit humanitären Grundsätzen zu koordinieren und zu erleichtern, mit dem Ziel, die Kapazitäten der

- 21 - Regierung aufzubauen, damit sie künftig die zentrale Koordinierungsrolle übernehmen kann, namentlich durch die wirksame Unterstützung der nationalen und lokalen Behörden bei der Gewährung von Hilfe und Schutz für Binnenvertriebene und bei der Schaffung von Bedingungen, die der freiwilligen, sicheren, würdevollen und dauerhaften Rückkehr der Flüchtlinge aus den Nachbar- und anderen Ländern und der Binnenvertriebenen förderlich sind;

8. fordert alle afghanischen und internationalen Parteien auf, sich mit der UNAMA bei der Erfüllung ihres Mandats und bei den Anstrengungen zur Förderung der Sicherheit und Bewegungsfreiheit des Personals der Vereinten Nationen und des beigeordneten Personals im gesamten Land abzustimmen;

9. erklärt erneut, dass die Sicherheit des Personals der Vereinten Nationen gewährleistet werden muss und dass er die vom Generalsekretär in dieser Hinsicht bereits ergriffenen Maßnahmen unterstützt;

10. betont, wie wichtig eine anhaltende Präsenz der UNAMA und anderer Organisationen, Fonds und Programme der Vereinten Nationen in den Provinzen ist, die mit dem Übergangsprozess im Einklang steht, die afghanische Regierung unterstützt und mit ihr zusammenarbeitet, den Bedürfnissen entspricht und für Sicherheit sorgt, entsprechend dem Ziel der Wirksamkeit der Vereinten Nationen insgesamt, und unterstützt nachdrücklich die Autorität des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für die Koordinierung aller Tätigkeiten der Organisationen, Fonds und Programme der Vereinten Nationen in Afghanistan auf der Grundlage des Konzepts der Einheit in der Aktion;

11. legt dem Generalsekretär nahe, seine derzeitigen Bemühungen fortzusetzen und die notwendigen Maßnahmen zur Behebung der mit der Präsenz der Vereinten Nationen zusammenhängenden Sicherheitsprobleme zu veranlassen, und befürwortet während des laufenden Übergangsprozesses insbesondere eine sorgfältige Abstimmung mit den afghanischen nationalen Sicherheitskräften, die nach Bedarf von der Sicherheitsbeistandstruppe unterstützt werden;

12. unterstreicht, wie wichtig eine nachhaltige demokratische Entwicklung in Afghanistan ist, bei der alle afghanischen Institutionen im Rahmen ihrer klar abgesteckten Zuständigkeitsbereiche im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und der afghanischen Verfassung handeln, begrüßt in dieser Hinsicht die auf der Kabuler Konferenz abgegebene und auf der Bonner Konferenz bekräftigte Zusage der Regierung Afghanistans, weitere Verbesserungen für den Wahlprozess herbeizuführen, einschließlich der Behandlung der Frage der Nachhaltigkeit des Wahlprozesses, bekräftigt unter Berücksichtigung der auf der Londoner, der Kabuler und der Bonner Konferenz eingegangenen Verpflichtungen der internationalen Gemeinschaft und der afghanischen Regierung, dass der UNAMA eine Rolle dabei zukommt, die Einlösung dieser Verpflichtungen auf Ersuchen der afghanischen Regierung zu unterstützen, ersucht die UNAMA, den zuständigen afghanischen Institutionen auf Ersuchen der Regierung Afghanistans Hilfe zur Unterstützung der Integrität des Wahlprozesses bereitzustellen, und fordert ferner die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft auf, nach Bedarf Hilfe zu gewähren;

- 22 - 13. begrüßt die anhaltenden Anstrengungen der afghanischen Regierung, den Friedens- und Aussöhnungsprozess voranzubringen, namentlich durch den Hohen Friedensrat und die Durchführung des afghanischen Friedens- und Wiedereingliederungsprogramms, um einen alle Seiten einschließenden Dialog unter afghanischer Führung über Aussöhnung und politische Partizipation zu fördern, entsprechend dem Kommuniqué der Kabuler Konferenz vom 20. Juli 2010 über einen Dialog, der allen offensteht, die „der Gewalt abschwören, keine Verbindungen zu internationalen terroristischen Vereinigungen“, einschließlich Al- Qaidas, unterhalten, „die Verfassung achten“, einschließlich ihrer Menschenrechtsbestimmungen und insbesondere der Frauenrechte, und die „bereit sind, sich am Aufbau eines friedlichen Afghanistans zu beteiligen“, wie in den Grundsätzen und Ergebnissen der Schlussfolgerungen der Bonner Konferenz vom 5. Dezember 2011 weiter ausgeführt, und legt der Regierung Afghanistans nahe, von den Guten Diensten der UNAMA Gebrauch zu machen, um diesen Prozess nach Bedarf und unter voller Achtung der Durchführung der vom Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 1267 (1999) und 1988 (2011) eingeführten Maßnahmen und Verfahren sowie der sonstigen einschlägigen Resolutionen des Rates zu unterstützen;

14. begrüßt außerdem die von der Regierung Afghanistans ergriffenen Maßnahmen, legt ihr nahe, auch weiterhin die Beteiligung von Frauen, Minderheiten und der Zivilgesellschaft an Kommunikationsarbeit, Konsultationsverfahren und Entscheidungsprozessen zu erhöhen, erinnert daran, dass Frauen eine entscheidende Rolle im Friedensprozess spielen, wie in Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrats und damit zusammenhängenden Resolutionen anerkannt wird, erklärt daher erneut, dass Frauen an allen Phasen von Friedensprozessen voll, gleichberechtigt und wirksam mitwirken müssen, und fordert nachdrücklich ihre Beteiligung an der Entwicklung und Umsetzung von Postkonfliktstrategien, damit ihren Perspektiven und Bedürfnissen Rechnung getragen wird;

15. weist auf die Einsetzung des Ausschusses des Sicherheitsrats nach Resolution 1988 (2011) und seine Methoden und Verfahren hin, begrüßt in diesem Kontext die Zusammenarbeit der afghanischen Regierung und der UNAMA mit dem Ausschuss, indem sie ihm namentlich sachdienliche Informationen zur Aktualisierung der Liste nach Resolution 1988 (2011) des Sicherheitsrats bereitstellen und entsprechend den in der genannten Resolution aufgeführten Kriterien für die Aufnahme in die Liste mit den Taliban verbundene Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen benennen, die den Frieden, die Stabilität und die Sicherheit Afghanistans bedrohen, stellt fest, dass zu den Mitteln der Finanzierung oder Unterstützung dieser Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen unter anderem die Erträge aus dem unerlaubten Anbau und der unerlaubten Gewinnung von Suchtstoffen und ihren Ausgangsstoffen und dem unerlaubten Verkehr mit solchen Stoffen aus und über Afghanistan gehören, und ermutigt zur Fortsetzung der genannten Zusammenarbeit;

16. betont die Rolle, die der UNAMA dabei zukommt, auf Ersuchen der Regierung Afghanistans den alle Seiten einschließenden Friedens- und Aussöhnungsprozess unter afghanischer Führung und Eigenverantwortung, einschließlich des afghanischen Friedens- und Wiedereingliederungsprogramms, zu unterstützen und gleichzeitig, unter anderem in Zusammenarbeit mit der afghanischen Unabhängigen Menschenrechtskommission, dessen - 23 - menschenrechtliche und geschlechtsspezifische Auswirkungen, einschließlich der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte, zu bewerten, und ermutigt die internationale Gemeinschaft, der Regierung Afghanistans bei ihren diesbezüglichen Anstrengungen behilflich zu sein, unter anderem indem sie den Treuhandfonds für Frieden und Wiedereingliederung weiter unterstützt;

17. würdigt das Ergebnis der am 2. November 2011 abgehaltenen Istanbuler Konferenz für Afghanistan und begrüßt die laufenden regionalen Anstrengungen unter afghanischer Führung, die im Rahmen des Prozesses von Istanbul über regionale Sicherheit und Zusammenarbeit für ein sicheres und stabiles Afghanistan unternommen werden, und fordert Afghanistan und seine Partner in der Region auf, den Dialog und das Vertrauen in der Region weiter zu vertiefen;

18. begrüßt die laufenden Anstrengungen der Regierung Afghanistans, ihrer Partner in den Nachbarländern und der Region und der internationalen Organisationen, namentlich der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit, zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens und der Zusammenarbeit sowie die jüngsten von den betroffenen Ländern und den Regionalorganisationen entwickelten Kooperationsinitiativen, namentlich die dreiseitigen Gipfeltreffen Afghanistans, Pakistans und der Türkei, das dreiseitige Gipfeltreffen Afghanistans, Irans und Pakistans im Februar 2012 in Islamabad und die Initiativen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und des Südasiatischen Verbands für regionale Zusammenarbeit, und begrüßt ferner, dass die in der Erklärung über gutnachbarliche Beziehungen von 2002 festgelegten Grundsätze in den Ergebnisdokumenten der Istanbuler und der Bonner Konferenz bekräftigt wurden;

19. betont, wie wichtig eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Afghanistan und seinen internationalen und regionalen Partnern gegen die Taliban, Al-Qaida und andere gewalttätige und extremistische Gruppen und illegale bewaffnete Gruppen ist, um Frieden und Wohlstand in Afghanistan sowie die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Entwicklung als Mittel zur Herbeiführung der vollständigen Einbindung Afghanistans in die regionale Dynamik und die Weltwirtschaft zu fördern;

20. fordert unter Verweis auf die historische Rolle Afghanistans als Landbrücke in Asien eine Verstärkung des Prozesses der regionalen Zusammenarbeit, darunter Maßnahmen zur Erleichterung des regionalen Handels und Transits, namentlich durch regionale und bilaterale Transithandelsabkommen, erweiterte konsularische Zusammenarbeit bei der Ausstellung von Visa und die Erleichterung von Geschäftsreisen, zur Erweiterung des Handels, zur Erhöhung der Auslandsinvestitionen und zum Aufbau der Infrastruktur, namentlich für die infrastrukturelle Anbindung, die Energieversorgung, den Verkehr und das integrierte Grenzmanagement, mit dem Ziel, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Afghanistan zu fördern, und sieht der am 26. und 27. März 2012 in Tadschikistan stattfindenden fünften Konferenz über regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit für Afghanistan mit Interesse entgegen;

21. bekräftigt die zentrale Rolle des Gemeinsamen Koordinierungs- und Überwachungsrats bei der Koordinierung, Erleichterung und Überwachung der Umsetzung der Nationalen Entwicklungsstrategie für Afghanistan und der nationalen Prioritätenprogramme und fordert alle maßgeblichen Akteure auf, mit - 24 - dem Koordinierungs- und Überwachungsrat in dieser Hinsicht verstärkt zusammenzuarbeiten, um seine Effizienz weiter zu verbessern;

22. fordert die internationalen Geber und Organisationen und die afghanische Regierung auf, den Verpflichtungen nachzukommen, die sie auf der Kabuler Konferenz und früheren internationalen Konferenzen eingegangen sind und auf der Bonner Konferenz bekräftigt haben, und erklärt erneut, wie wichtig weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Koordinierung und Wirksamkeit der Hilfe sind, namentlich durch die Gewährleistung von Transparenz, die Bekämpfung der Korruption und den Ausbau der Kapazitäten der Regierung Afghanistans zur Koordinierung der Hilfe;

23. fordert die afghanische Regierung auf, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, namentlich der ISAF und der Koalition der Operation „Dauerhafte Freiheit“, im Einklang mit den ihnen jeweils zugewiesenen und sich verändernden Verantwortlichkeiten, auch weiterhin gegen die Bedrohung der Sicherheit und Stabilität Afghanistans vorzugehen, die von den Taliban, Al-Qaida und anderen gewalttätigen und extremistischen Gruppen, illegalen bewaffneten Gruppen, Kriminellen und denjenigen, die an der Erzeugung unerlaubter Drogen oder dem Verkehr oder Handel damit beteiligt sind, ausgeht;

24. erklärt erneut, wie wichtig es ist, die Funktionsfähigkeit, die Professionalität und die Rechenschaftspflicht des afghanischen Sicherheitssektors innerhalb eines umfassenden Rahmens durch geeignete Überprüfungsverfahren und Maßnahmen in den Bereichen Ausbildung, Mentoring, Ausrüstung und Ermächtigung, für Frauen wie auch für Männer, zu steigern, um raschere Fortschritte in Richtung auf das Ziel eigenständiger und ethnisch ausgewogener afghanischer Sicherheitskräfte zu erzielen, die für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit im gesamten Land sorgen, und betont, wie wichtig ein langfristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft über 2014 hinaus ist, um sicherzustellen, dass die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte einsatzfähig, professionell und tragfähig sind;

25. begrüßt in diesem Zusammenhang die anhaltenden Fortschritte bei der Entwicklung der Afghanischen Nationalarmee und die Verbesserung ihrer Fähigkeiten zur Einsatzplanung und -durchführung und ermutigt zu anhaltenden Ausbildungsanstrengungen, unter anderem durch den Beitrag von Ausbildern, Ressourcen und Mentor- und Verbindungsteams im Rahmen der NATO- Ausbildungsmission in Afghanistan, und Beratung bei der Entwicklung eines dauerhaft angelegten Prozesses für die Verteidigungsplanung sowie Hilfe bei den Initiativen zur Reform des Verteidigungssektors;

26. nimmt Kenntnis von den laufenden Anstrengungen der afghanischen Behörden zum Ausbau der Fähigkeiten der Afghanischen Nationalpolizei, fordert weitere auf dieses Ziel gerichtete Anstrengungen und betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit internationaler Hilfe in Form von finanzieller Unterstützung und der Bereitstellung von Ausbildern und Mentoren, einschließlich des Beitrags der NATO-Ausbildungsmission in Afghanistan, des Beitrags der Europäischen Gendarmerietruppe zu dieser Mission und des Beitrags der Polizeimission der Europäischen Union (EUPOL Afghanistan);

- 25 - 27. begrüßt die von der afghanischen Regierung erzielten Fortschritte bei der Durchführung des Programms zur Auflösung illegaler bewaffneter Gruppen und seine Integration in das afghanische Friedens- und Wiedereingliederungsprogramm und fordert eine Beschleunigung und Harmonisierung der Bemühungen um weitere Fortschritte mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft;

28. verurteilt auf das Entschiedenste alle auf Zivilpersonen sowie auf afghanische und internationale Truppen verübten Angriffe, namentlich Anschläge mit behelfsmäßigen Sprengvorrichtungen, Selbstmordanschläge, Morde und Entführungen, sowie deren schädliche Auswirkungen auf die Stabilisierungs-, Wiederaufbau- und Entwicklungsmaßnahmen in Afghanistan und verurteilt ferner die Benutzung von Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde durch die Taliban und andere extremistische Gruppen;

29. verurteilt außerdem die Angriffe auf humanitäre Helfer, betont, dass die Angriffe die Hilfsmaßnahmen für das Volk Afghanistans behindern, und unterstreicht, dass alle Parteien für den vollen, sicheren und ungehinderten Zugang aller humanitären Akteure, einschließlich des Personals der Vereinten Nationen und des beigeordneten Personals, Sorge tragen und das anwendbare humanitäre Völkerrecht voll einhalten müssen;

30. begrüßt die bislang erzielten Fortschritte bei der Durchführung des Antiminenprogramms für Afghanistan, ermutigt die Regierung Afghanistans, mit Unterstützung der Vereinten Nationen und aller maßgeblichen Akteure ihre Anstrengungen zur Räumung von Antipersonenminen, Panzerabwehrminen und explosiven Kampfmittelrückständen fortzusetzen, um die Bedrohungen für das menschliche Leben und für den Frieden und die Sicherheit in dem Land zu verringern, und erklärt, dass für die Betreuung, die Rehabilitation und die wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung der Opfer, darunter Menschen mit Behinderungen, Hilfe gewährt werden muss;

31. erkennt die Fortschritte an, die die ISAF und andere internationale Truppen dabei erzielt haben, das Risiko von Opfern unter der Zivilbevölkerung auf ein Mindestmaß zu beschränken, wie in dem Bericht der UNAMA vom 4. Februar 2012 über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten beschrieben, und fordert sie auf, in dieser Hinsicht weiter robuste Anstrengungen zu unternehmen, namentlich durch die laufende Überprüfung der Taktiken und Verfahren und die Durchführung von Einsatzauswertungen und von Untersuchungen in Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung in Fällen, in denen zivile Opfer zu verzeichnen sind, wenn die afghanische Regierung diese gemeinsamen Untersuchungen für angemessen befindet;

32. bekundet seine große Besorgnis über die Einziehung und den Einsatz von Kindern durch die Taliban, Al-Qaida und andere gewalttätige und extremistische Gruppen in Afghanistan sowie über die Tötung und Verstümmelung von Kindern infolge des Konflikts, verurteilt erneut auf das Entschiedenste die Einziehung und den Einsatz von Kindersoldaten unter Verstoß gegen das anwendbare Völkerrecht sowie alle sonstigen Verstöße und Missbrauchshandlungen gegen Kinder in Situationen bewaffneten Konflikts, insbesondere Angriffe auf Schulen und Bildungs- und Gesundheitsversorgungseinrichtungen, und den Einsatz von

- 26 - Kindern bei Selbstmordanschlägen, und fordert, dass die Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden;

33. betont, wie wichtig die Durchführung der Resolutionen 1612 (2005), 1882 (2009) und 1998 (2011) des Sicherheitsrats ist, unterstützt in diesem Kontext den Erlass des Innenministers vom 6. Juli 2011, in dem die Entschlossenheit der Regierung bekräftigt wird, Verletzungen der Rechte des Kindes zu verhüten, begrüßt es, dass der afghanische Interministerielle Lenkungsausschuss für Kinder und bewaffnete Konflikte eingesetzt wurde und die afghanische Regierung anschließend den Aktionsplan samt Anhang über die mit den nationalen Sicherheitskräften in Afghanistan verbundenen Kinder unterzeichnete, fordert die volle Umsetzung der Bestimmungen des Planes in enger Zusammenarbeit mit der UNAMA und ersucht den Generalsekretär, der Kinderschutzkomponente der UNAMA auch weiterhin Vorrang einzuräumen;

34. ist nach wie vor besorgt über den schwerwiegenden Schaden, den der Anbau und die Erzeugung von Opium und der Opiumhandel und -konsum weiterhin im Hinblick auf die Sicherheit, die Entwicklung und die Regierungsführung in Afghanistan sowie in der Region und auf internationaler Ebene verursachen, nimmt Kenntnis von der im Oktober 2011 veröffentlichten Studie des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung über Opium in Afghanistan (Afghanistan Opium Survey 2011), fordert die afghanische Regierung auf, die Umsetzung der Nationalen Drogenkontrollstrategie mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft zu beschleunigen, namentlich durch Programme für alternative Möglichkeiten der Existenzsicherung, und die Suchtstoffbekämpfung in alle na-tionalen Programme zu integrieren, ermutigt die internationale Gemeinschaft, zusätzliche Unterstützung für die in der Strategie genannten vier Prioritätsbereiche zu gewähren, und würdigt die Unterstützung, die das Büro der Dreiecksinitiative und dem Zentralasiatischen regionalen Informations- und Koordinierungszentrum im Rahmen der Pariser-Pakt-Initiative, der Regenbogenstrategie und seines Regionalprogramms für Afghanistan und die Nachbarländer gewährt, sowie den Beitrag der Polizeiakademie von Domodedowo (Russische Föderation);

35. fordert die Staaten auf, die internationale und regionale Zusammenarbeit beim Vorgehen gegen die Bedrohung, die der internationalen Gemeinschaft aus der Erzeugung von aus Afghanistan stammenden unerlaubten Drogen, dem Handel damit und ihrem Konsum erwächst, zu verstärken, mit dem Ziel der allmählichen Beseitigung dieser Bedrohung und nach dem Grundsatz der gemeinsamen und geteilten Verantwortung für die Bekämpfung des Drogenproblems Afghanistans, namentlich durch die Stärkung der Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden und der Zusammenarbeit im Kampf gegen den Handel mit unerlaubten Drogen und chemischen Ausgangsstoffen sowie gegen die mit diesem Handel verbundene Geldwäsche und Korruption, und fordert die vollständige Durchführung seiner Resolution 1817 (2008);

36. würdigt die Arbeiten im Rahmen der Pariser-Pakt-Initiative und ihres Paris- Moskau-Prozesses zur Bekämpfung der Erzeugung von Opium und Heroin aus Afghanistan, des Handels damit und ihres Konsums, zur Beseitigung des Mohnanbaus, der Drogenlabors und der Drogenvorräte und zum Abfangen von Drogenkonvois, unterstreicht, wie wichtig die Zusammenarbeit beim Grenzmanagement ist, und begrüßt die verstärkte diesbezügliche - 27 - Zusammenarbeit der zuständigen Institutionen der Vereinten Nationen mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit;

37. erklärt erneut, wie wichtig die vollständige, zeitlich abgestufte, frühzeitige und koordinierte Umsetzung des nationalen Prioritätenprogramms „Recht und Gerechtigkeit für alle“ durch alle maßgeblichen afghanischen Institutionen und sonstigen Akteure ist, um die Errichtung eines fairen und transparenten Justizsystems zu beschleunigen, der Straflosigkeit ein Ende zu setzen und zur Festigung der Rechtsstaatlichkeit im ganzen Land beizutragen;

38. betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig weitere Fortschritte bei dem Wiederaufbau und der Reform des Strafvollzugswesens in Afghanistan sind, um die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in den Gefängnissen zu verbessern, betont, wie wichtig es ist, den Zugang der jeweils zuständigen Organisationen zu allen Gefängnissen und Hafteinrichtungen in Afghanistan sicherzustellen, und fordert unter Hinweis auf die Empfehlungen in dem Bericht der Hilfsmission vom 10. Oktober 2011 die volle Achtung des einschlägigen Völkerrechts, namentlich des humanitären Rechts und der Menschenrechtsnormen;

39. nimmt mit großer Besorgnis Kenntnis von den Auswirkungen der weit verbreiteten Korruption auf die Sicherheit, eine gute Regierungsführung, die Suchtstoffbekämpfung und die wirtschaftliche Entwicklung und fordert die afghanische Regierung nachdrücklich auf, mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft entschlossen die Führung bei der Korruptionsbekämpfung zu übernehmen und ihre Anstrengungen zur Schaffung einer wirksameren, rechenschaftspflichtigeren und transparenteren Verwaltung zu verstärken, und nimmt Kenntnis von den diesbezüglichen Zusagen und Anstrengungen der Regierung Afghanistans;

40. ermutigt alle afghanischen Institutionen, einschließlich der Exekutive und der Legislative, in einem Geist der Zusammenarbeit tätig zu sein, fordert die afghanische Regierung auf, die Reform der Gesetzgebung und der öffentlichen Verwaltung weiter voranzutreiben, um gegen Korruption vorzugehen und eine gute Regierungsführung zu gewährleisten, wie auf der Bonner Konferenz vereinbart, mit voller Vertretung aller afghanischen Frauen und Männer und Rechenschaftspflicht auf nationaler wie auf subnationaler Ebene, unterstreicht, dass es weiterer internationaler Anstrengungen zur Bereitstellung entsprechender technischer Hilfe bedarf, und erklärt erneut, wie wichtig die vollständige, zeitlich abgestufte, frühzeitige und koordinierte Umsetzung des nationalen Prioritätenprogramms „Nationale Transparenz und Rechenschaftspflicht“ in dieser Hinsicht ist;

41. fordert die volle Achtung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich derjenigen von Menschenrechtsverteidigern, und des humanitären Völkerrechts in ganz Afghanistan, begrüßt die Zunahme freier Medien in Afghanistan, nimmt jedoch mit Besorgnis Kenntnis von den anhaltenden Einschränkungen der Medienfreiheit und den Angriffen auf Journalisten, lobt die afghanische Unabhängige Menschenrechtskommission für ihre mutigen Anstrengungen zur Überwachung der Achtung der Menschenrechte in Afghanistan sowie zur Förderung und zum Schutz dieser Rechte und zur - 28 - Förderung des Entstehens einer pluralistischen Zivilgesellschaft, lobt die Kommission für die Organisation des Zivilgesellschaftlichen Forums auf der Bonner Konferenz, betont, wie wichtig es ist, dass alle maßgeblichen Akteure mit der Kommission uneingeschränkt zusammenarbeiten, unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit und ihrer Sicherheit, und unterstützt ein breites Engagement aller staatlichen Stellen und der Zivilgesellschaft zur Einlösung der gegenseitigen Zusagen, einschließlich der Zusage, ausreichende öffentliche Mittel für die Kommission bereitzustellen;

42. ist sich dessen bewusst, dass trotz der bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielten Fortschritte verstärkte Anstrengungen, namentlich in Bezug auf messbare und maßnahmenorientierte Ziele, erforderlich sind, um die Rechte der Frauen und Mädchen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass alle Frauen und Mädchen in Afghanistan vor Gewalt und Misshandlung geschützt sind und den gleichen Schutz durch das Gesetz und den gleichberechtigten Zugang zur Justiz genießen, verurteilt nachdrücklich die Diskriminierung und Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, insbesondere Gewalt mit dem Ziel, Mädchen vom Schulbesuch abzuhalten, betont, wie wichtig es ist, die Resolutionen des Sicherheitsrats 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) durchzuführen, verweist auf die darin enthaltenen Verpflichtungen zur durchgängigen Berücksichtigung dieser Fragen und betont, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass Frauen, die häuslicher Gewalt entfliehen, eine sichere Zuflucht finden können;

43. begrüßt die Selbstverpflichtung der afghanischen Regierung, die Mitwirkung von Frauen in allen afghanischen Lenkungsinstitutionen, einschließlich der gewählten und ernannten Gremien und des öffentlichen Dienstes, zu stärken, unterstützt die Anstrengungen zur beschleunigten Durchführung des Nationalen Aktionsplans für Frauen in Afghanistan, zur Integration der darin enthaltenen Zielvorgaben in die nationalen Prioritätenprogramme und zur Ausarbeitung einer Strategie mit dem Ziel, das Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen vollständig umzusetzen, wozu auch die Bereitstellung von Opferhilfe gehört, erinnert daran, dass die Förderung und der Schutz der Rechte der Frauen ein fester Bestandteil von Frieden, Wiedereingliederung und Aussöhnung sind, und ersucht den Generalsekretär, in seine Berichte an den Sicherheitsrat auch künftig einschlägige Informationen über den Prozess der Integration der Frauen in das politische, wirtschaftliche und soziale Leben Afghanistans aufzunehmen;

44. anerkennt die Wichtigkeit der freiwilligen, sicheren und geordneten Rückkehr und der dauerhaften Wiedereingliederung der verbleibenden afghanischen Flüchtlinge für die Stabilität des Landes und der Region und ruft zur Fortsetzung und Ausweitung der diesbezüglichen internationalen Hilfe auf;

45. bekräftigt außerdem die Wichtigkeit der freiwilligen, sicheren und geordneten Rückkehr und der dauerhaften Wiedereingliederung der Binnenvertriebenen;

46. stellt fest, dass die Aufnahmefähigkeit Afghanistans hinsichtlich der vollen Rehabilitation und Wiedereingliederung der noch verbleibenden afghanischen Flüchtlinge und Binnenvertriebenen mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft weiter gestärkt werden muss;

- 29 - 47. ersucht den Generalsekretär, dem Rat alle drei Monate über die Entwicklungen in Afghanistan Bericht zu erstatten und in seine Berichte eine Evaluierung der Fortschritte anhand der Kriterien für die Messung und Verfolgung der Fortschritte bei der Erfüllung des Mandats und der Prioritäten der UNAMA, die in dieser Resolution dargelegt sind, aufzunehmen;

48. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2042 (2012) verabschiedet auf der 6751. Sitzung des Sicherheitsrats am 14. April 2012 (Naher Osten)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf die Erklärungen seines Präsidenten vom 3. August 2011, 21. März 2012 und 5. April 2012 sowie unter Hinweis auf alle einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung, in Bekräftigung seiner Unterstützung für den Gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Liga der arabischen Staaten, Kofi Annan, und für seine Tätigkeit aufgrund der Resolution 66/253 der Generalversammlung vom 16. Februar 2012 und der einschlägigen Resolutionen der Liga der arabischen Staaten, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit Syriens und zu den Zielen und Grundsätzen der Charta, unter Verurteilung der weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen durch die syrischen Behörden sowie aller Menschenrechtsmissbräuche durch bewaffnete Gruppen, daran erinnernd, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, und mit dem Ausdruck seines tiefen Bedauerns über den Tod vieler Tausender Menschen in Syrien, in Anbetracht dessen, dass die syrische Regierung sich am 25. März 2012 zur Umsetzung des Sechs-Punkte-Vorschlags des Gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Liga der arabischen Staaten verpflichtet und in ihrer Mitteilung vom 1. April 2012 an den Gesandten zugesagt hat, ihren Verpflichtungen umgehend und sichtbar nachzukommen und a) Truppenbewegungen in Richtung auf die Bevölkerungszentren zu beenden, b) den Einsatz aller schweren Waffen an diesen Orten zu beenden und c) mit dem Abzug der in den Bevölkerungszentren und ihrer Umgebung konzentrierten Truppen zu beginnen und diese Verpflichtungen spätestens bis zum 10. April 2012 in ihrer Gesamtheit zu erfüllen, sowie in Anbetracht dessen, dass die syrische Opposition ausdrücklich zugesagt hat, sich an die Einstellung der Gewalthandlungen zu halten, sofern die Regierung dies ebenfalls tut, feststellend, dass die Parteien nach Einschätzung des Gesandten seit dem 12. April 2012 anscheinend eine Waffenruhe einhalten und die syrische Regierung mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen begonnen hat, und die Forderung des Gesandten

- 30 - unterstützend, dass die syrische Regierung alle Elemente des Sechs-Punkte- Vorschlags des Gesandten umgehend und sichtbar in ihrer Gesamtheit umsetzt, um zu erreichen, dass alle Parteien die bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen dauerhaft einstellen,

1. erklärt erneut seine uneingeschränkte Unterstützung für den in der Anlage enthaltenen Sechs-Punkte-Vorschlag des Gesandten, der das Ziel hat, allen Gewalthandlungen und Menschenrechtsverletzungen sofort ein Ende zu setzen, den Zugang für humanitäre Hilfe zu sichern und einen von Syrien geleiteten politischen Übergang zu einem demokratischen und pluralistischen politischen System, in dem alle Bürger gleich sind, ungeachtet ihrer Bindungen, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer Weltanschauung, zu erleichtern, namentlich durch die Einleitung eines umfassenden politischen Dialogs zwischen der syrischen Regierung und dem gesamten Spektrum der syrischen Opposition, und fordert die dringende, umfassende und umgehende Umsetzung aller Elemente dieses Vorschlags;

2. fordert die syrische Regierung auf, ihren Verpflichtungen sichtbar und in ihrer Gesamtheit nachzukommen, wie sie es in ihrer Mitteilung vom 1. April 2012 an den Gesandten zugesagt hat, und a) Truppenbewegungen in Richtung auf die Bevölkerungszentren zu beenden, b) den Einsatz aller schweren Waffen an diesen Orten zu beenden und c) mit dem Abzug der in den Bevölkerungszentren und ihrer Umgebung konzentrierten Truppen zu beginnen;

3. unterstreicht, für wie wichtig es der Gesandte hält, dass alle syrischen Regierungstruppen mit ihren schweren Waffen aus den Bevölkerungszentren abziehen und in ihre Kasernen zurückkehren, damit die Gewalthandlungen dauerhaft eingestellt werden können;

4. fordert alle Parteien in Syrien, einschließlich der Opposition, auf, jede bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen sofort einzustellen;

5. bekundet seine Absicht, vorbehaltlich einer dauerhaften Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen durch sämtliche Parteien und nach Konsultationen zwischen dem Generalsekretär und der syrischen Regierung sofort eine Aufsichtsmission der Vereinten Nationen in Syrien einzurichten, die die Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen durch sämtliche Parteien und die maßgeblichen Aspekte des Sechs-Punkte-Vorschlags des Gesandten überwachen soll, auf der Grundlage eines formellen Vorschlags des Generalsekretärs, den der Sicherheitsrat spätestens am 18. April 2012 zu erhalten wünscht;

6. fordert die syrische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass die Mission, ein- schließlich ihres Vorausteams, ihre Tätigkeit wirksam ausüben kann, und zu diesem Zweck die rasche und ungehinderte Entsendung des Personals und der Einsatzmittel der Mission, die diese für die Erfüllung ihres Mandats benötigt, zu erleichtern, ihr die für die Erfüllung ihres Mandats erforderliche volle, ungehinderte und umgehende Bewegungsfreiheit und den entsprechenden Zugang zu gewährleisten, ihre ungehinderte Kommunikation zuzulassen und ihr zu gestatten, mit Personen in ganz Syrien frei und vertraulich zu kommunizieren, ohne dass diese aufgrund ihrer Kontakte mit der Mission Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt werden;

- 31 - 7. beschließt, bis zur Entsendung der in Ziffer 5 genannten Mission ein Vorausteam von höchstens 30 unbewaffneten Militärbeobachtern zu genehmigen, das Verbindung zu den Parteien aufnehmen und mit der Berichterstattung darüber beginnen soll, inwieweit alle Parteien sich an eine vollständige Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen halten, und fordert die syrische Regierung und alle anderen Parteien auf, dafür zu sorgen, dass das Vorausteam seine Aufgaben gemäß den Bestimmungen in Ziffer 6 wahrnehmen kann;

8. fordert die Parteien auf, die Sicherheit des Vorausteams ohne Beeinträchtigung seiner Bewegungsfreiheit und seines Zugangs zu garantieren, und betont, dass die syrischen Behörden in dieser Hinsicht die Hauptverantwortung tragen;

9. ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat sofort jede Behinderung der wirksamen Tätigkeit des Teams durch eine Partei zu melden;

10. fordert die syrischen Behörden erneut auf, dem humanitären Personal im Einklang mit dem Völkerrecht und den Leitlinien für humanitäre Hilfe den sofortigen, vollen und ungehinderten Zugang zu allen hilfebedürftigen Bevölkerungsgruppen zu gestatten, und fordert alle Parteien in Syrien, insbesondere die syrischen Behörden, auf, mit den Vereinten Nationen und den zuständigen humanitären Organisationen uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, um die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu erleichtern;

11. ersucht den Generalsekretär, dem Rat bis zum 19. April 2012 über die Durchführung dieser Resolution Bericht zu erstatten;

12. bringt seine Absicht zum Ausdruck, die Durchführung dieser Resolution zu bewerten und gegebenenfalls weitere Schritte zu erwägen;

13. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Anlage

Sechs-Punkte-Vorschlag des Gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Liga der arabischen Staaten

1. Sich verpflichten, in Zusammenarbeit mit dem Gesandten in einem alle Seiten einschließenden, von Syrien geleiteten politischen Prozess den berechtigten Bestrebungen und Anliegen des syrischen Volkes Rechnung zu tragen, und sich zu diesem Zweck verpflichten, einen bevollmächtigten Gesprächspartner zu ernennen, wenn der Gesandte darum ersucht;

2. sich verpflichten, die Kampfhandlungen zu beenden und umgehend zu erreichen, dass alle Parteien die bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen unter der Aufsicht der Vereinten Nationen effektiv einstellen, um die Zivilbevölkerung zu schützen und das Land zu stabilisieren.

Zu diesem Zweck soll die syrische Regierung sofort die Truppenbewegungen in Richtung auf die Bevölkerungszentren und den Einsatz schwerer Waffen an diesen Orten beenden und mit dem Abzug der in den Bevölkerungszentren und ihrer Umgebung konzentrierten Truppen beginnen.

- 32 - Während diese Maßnahmen vor Ort durchgeführt werden, soll die syrische Regierung in Zusammenarbeit mit dem Gesandten erreichen, dass alle Parteien die bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen im Rahmen eines wirksamen Aufsichtsmechanismus der Vereinten Nationen dauerhaft einstellen.

Ebenso wird der Gesandte die Opposition und alle maßgeblichen Elemente ersuchen, sich zu verpflichten, die Kampfhandlungen zu beenden und in Zusammenarbeit mit ihm zu erreichen, dass alle Parteien die bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen im Rahmen eines wirksamen Aufsichtsmechanismus der Vereinten Nationen dauerhaft einstellen;

3. sicherstellen, dass alle von den Kampfhandlungen betroffenen Gebiete rasch humanitäre Hilfe erhalten, und zu diesem Zweck als Sofortmaßnahme eine tägliche zweistündige humanitäre Pause akzeptieren und durchführen und die genauen Zeiten und Modalitäten der täglichen Pause über einen effizienten Mechanismus, auch auf lokaler Ebene, koordinieren;

4. willkürlich inhaftierte Personen, namentlich besonders schutzbedürftige Kategorien von Personen und an friedlichen politischen Aktivitäten beteiligte Personen, rascher und in größerem Umfang freilassen, unverzüglich über geeignete Kanäle eine Liste aller Orte, an denen solche Personen inhaftiert sind, vorlegen, sofort damit beginnen, Zugang zu diesen Orten zu verschaffen, und über geeignete Kanäle rasch auf alle schriftlichen Ersuchen um Informationen über diese Personen, Zugang zu ihnen oder ihre Freilassung reagieren;

5. gewährleisten, dass Journalisten sich im gesamten Land frei bewegen können und keiner diskriminierenden Visumspolitik unterliegen;

6. die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf friedliche Demonstration, die gesetzlich garantiert sind, achten.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2043 (2012) verabschiedet auf der 6756. Sitzung des Sicherheitsrats am 21. April 2012 (Naher Osten)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolution 2042 (2012) und die Erklärungen seines Präsidenten vom 3. August 2011, 21. März 2012 und 5. April 2012 sowie unter Hinweis auf alle einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung, in Bekräftigung seiner Unterstützung für den Gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Liga der arabischen Staaten, Kofi Annan, und für seine Tätigkeit aufgrund der Resolution 66/253 der Generalversammlung vom 16. Februar 2012 und der einschlägigen Resolutionen der Liga der arabischen Staaten,

- 33 - in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit Syriens und zu den Zielen und Grundsätzen der Charta, unter Verurteilung der weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen durch die syrischen Behörden sowie aller Menschenrechtsmissbräuche durch bewaffnete Gruppen, daran erinnernd, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, und mit dem Ausdruck seines tiefen Bedauerns über den Tod vieler Tausender Menschen in Syrien, mit dem Ausdruck seines Dankes für die erheblichen Anstrengungen, welche die an Syrien angrenzenden Staaten unternommen haben, um den infolge der Gewalthandlungen aus dem Land geflohenen Syrern Hilfe zu leisten, und mit der Aufforderung an das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, den Mitgliedstaaten, die diese Vertriebenen aufnehmen, auf Antrag Unterstützung zu gewähren, sowie mit dem Ausdruck seines Dankes für die humanitäre Hilfe, die Syrien von anderen Staaten erhalten hat, in Anbetracht dessen, dass die syrische Regierung sich am 25. März 2012 zur Umsetzung des Sechs-Punkte-Vorschlags des Gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Liga der arabischen Staaten verpflichtet und in ihrer Mitteilung vom 1. April 2012 an den Gesandten zugesagt hat, ihren Verpflichtungen umgehend und sichtbar nachzukommen und a) Truppenbewegungen in Richtung auf die Bevölkerungszentren zu beenden, b) den Einsatz aller schweren Waffen an diesen Orten zu beenden und c) mit dem Abzug der in den Bevölkerungszentren und ihrer Umgebung konzentrierten Truppen zu beginnen und diese Verpflichtungen spätestens bis zum 10. April 2012 in ihrer Gesamtheit zu erfüllen, sowie in Anbetracht dessen, dass die syrische Opposition ausdrücklich zugesagt hat, sich an die Einstellung der Gewalthandlungen zu halten, sofern die Regierung dies tut, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis darüber, dass die Gewalthandlungen anhalten und in den letzten Tagen wieder verstärkt Opfer gemeldet werden, nachdem der Gesandte am 12. April 2012 noch zu der Einschätzung gelangt war, dass die Parteien anscheinend eine Waffenruhe einhielten und die syrische Regierung mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen begonnen hatte, und daher feststellend, dass die Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen offensichtlich unvollständig ist, die Forderung des Gesandten unterstützend, dass die syrische Regierung alle Elemente des Sechs-Punkte-Vorschlags des Gesandten umgehend und sichtbar in ihrer Gesamtheit umsetzt, um zu erreichen, dass alle Parteien die bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen dauerhaft einstellen,

Kenntnis nehmend von der Einschätzung des Generalsekretärs, dass eine Überwachungsmission der Vereinten Nationen, die bei Vorliegen günstiger Bedingungen rasch entsandt wird und über ein klares Mandat, die erforderlichen Kapazitäten und geeignete Einsatzbedingungen verfügt, einen großen Beitrag im Hinblick auf die Beobachtung der Situation, die Einhaltung der von den Parteien eingegangenen Verpflichtung zur Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren

- 34 - Formen und die Unterstützung der Umsetzung des Sechs-Punkte-Plans leisten würde, in Anbetracht der am 19. April 2012 zwischen der Arabischen Republik Syrien und den Vereinten Nationen geschlossenen Vorläufigen Vereinbarung (S/2012/250), die die Grundlage für ein Protokoll zur Regelung der Tätigkeit des Vorausteams und, sobald dieser entsandt wird, des Aufsichtsmechanismus der Vereinten Nationen bildet, nach Behandlung des Schreibens des Generalsekretärs an den Präsidenten des Sicherheitsrats (S/2012/238),

1. erklärt erneut seine uneingeschränkte Unterstützung für den in der Anlage der Resolution 2042 (2012) enthaltenen Sechs-Punkte-Vorschlag des Gesandten, der das Ziel hat, allen Gewalthandlungen und Menschenrechtsverletzungen sofort ein Ende zu setzen, den Zugang für humanitäre Hilfe zu sichern und einen von Syrien geleiteten politischen Übergang zu einem demokratischen und pluralistischen politischen System, in dem alle Bürger gleich sind, ungeachtet ihrer Bindungen, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer Weltanschauung, zu erleichtern, namentlich durch die Einleitung eines umfassenden politischen Dialogs zwischen der syrischen Regierung und dem gesamten Spektrum der syrischen Opposition, und fordert die dringende, umfassende und sofortige Umsetzung aller Elemente dieses Vorschlags;

2. fordert die syrische Regierung auf, ihren Verpflichtungen sichtbar und in ihrer Gesamtheit nachzukommen, wie sie es in der Vorläufigen Vereinbarung zugesagt hat und wie in Resolution 2042 (2012) festgelegt, und a) Truppenbewegungen in Richtung auf die Bevölkerungszentren zu beenden, b) den Einsatz aller schweren Waffen an diesen Orten zu beenden und c) alle in den Bevölkerungszentren und ihrer Umgebung konzentrierten Truppen vollständig abzuziehen sowie ihre Truppen mit ihren schweren Waffen aus den Bevölkerungszentren abzuziehen und in ihre Kasernen oder vorübergehende Standorte zu verlegen, um die dauerhafte Einstellung der Gewalthandlungen zu erleichtern;

3. fordert alle Parteien in Syrien, einschließlich der Opposition, auf, jede bewaffnete Gewalt in allen ihren Formen sofort einzustellen;

4. fordert die syrischen bewaffneten Oppositionsgruppen und in Betracht kommenden Elemente auf, die einschlägigen Bestimmungen der Vorläufigen Vereinbarung zu achten;

5. beschließt, für einen Zeitraum von zunächst 90 Tagen eine Aufsichtsmission der Vereinten Nationen in Syrien (UNSMIS) unter dem Befehl eines Leitenden Militärbeobachters einzurichten, mit anfangs bis zu 300 unbewaffneten Militärbeobachtern sowie einer angemessenen Zivilkomponente entsprechend den Erfordernissen der Mission für die Erfüllung ihres Mandats, und beschließt ferner, dass die Mission rasch entsandt wird, vorbehaltlich einer vom Generalsekretär vorgenommenen Bewertung der maßgeblichen Entwicklungen vor Ort, einschließlich der Konsolidierung der Einstellung der Gewalthandlungen;

6. beschließt außerdem, dass die Mission den Auftrag hat, die Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen durch sämtliche Parteien zu

- 35 - überwachen sowie die vollständige Umsetzung des Sechs-Punkte-Vorschlags des Gesandten zu überwachen und zu unterstützen;

7. ersucht den Generalsekretär und die syrische Regierung, unverzüglich ein Abkommen über die Rechtsstellung der Mission zu schließen und dabei die Resolution 58/82 der Generalversammlung über den Umfang des Rechtsschutzes nach dem Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal zu berücksichtigen, und verweist auf die zwischen der syrischen Regierung und den Vereinten Nationen getroffene Vereinbarung, wonach bis zum Abschluss eines derartigen Abkommens das Muster-Abkommen über die Rechtsstellung der Truppen vom 9. Oktober 1990 (A/45/594) vorläufig Anwendung findet;

8. fordert die syrische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass die UNSMIS ihre Tätigkeit wirksam ausüben kann, und zu diesem Zweck die rasche und ungehinderte Entsendung des Personals und der Einsatzmittel der Mission, die diese für die Erfüllung ihres Mandats benötigt, zu erleichtern, ihr die für die Erfüllung ihres Mandats erforderliche volle, ungehinderte und umgehende Bewegungsfreiheit und den entsprechenden Zugang zu gewährleisten, wobei er diesbezüglich unterstreicht, dass sich die syrische Regierung und die Vereinten Nationen rasch auf geeignete Lufttransportmittel für die UNSMIS einigen müssen, ihre ungehinderte Kommunikation zuzulassen und ihr zu gestatten, mit Personen in ganz Syrien frei und vertraulich zu kommunizieren, ohne dass diese aufgrund ihrer Kontakte mit der UNSMIS Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt werden;

9. fordert die Parteien auf, die Sicherheit des Personals der UNSMIS ohne Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfreiheit und ihres Zugangs zu garantieren, und be-tont, dass die Hauptverantwortung in dieser Hinsicht bei den syrischen Behörden liegt;

10. ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat sofort jede Behinderung der wirksamen Tätigkeit der UNSMIS durch eine der Parteien zu melden;

11. fordert die syrischen Behörden erneut auf, dem humanitären Personal im Einklang mit dem Völkerrecht und den Leitlinien für humanitäre Hilfe den sofortigen, vollen und ungehinderten Zugang zu allen hilfebedürftigen Bevölkerungsgruppen zu gestatten, und fordert alle Parteien in Syrien, insbesondere die syrischen Behörden, auf, mit den Vereinten Nationen und den zuständigen humanitären Organisationen uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, um die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu erleichtern;

12. bittet alle Mitgliedstaaten, zu erwägen, auf Ersuchen des Generalsekretärs geeignete Beiträge zur UNSMIS zu leisten;

- 36 - 13. ersucht den Generalsekretär, dem Rat innerhalb von 15 Tagen nach Verabschiedung dieser Resolution und danach alle 15 Tage über ihre Durchführung Bericht zu erstatten und dem Rat außerdem erforderlichenfalls Vorschläge zu möglichen Anpassungen des Mandats der UNSMIS vorzulegen;

14. bringt seine Absicht zum Ausdruck, die Durchführung dieser Resolution zu bewerten und gegebenenfalls weitere Schritte zu erwägen;

15. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2044 (2012) verabschiedet auf der 6758. Sitzung des Sicherheitsrats am 24. April 2012 (Westsahara)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf alle seine früheren Resolutionen über Westsahara und sie bekräftigend, in Bekräftigung seiner nachdrücklichen Unterstützung für die Anstrengungen des Generalsekretärs und seines Persönlichen Gesandten zur Durchführung der Resolutionen 1754 (2007), 1783 (2007), 1813 (2008), 1871 (2009), 1920 (2010) und 1979 (2011), in Bekräftigung seiner Entschlossenheit, den Parteien bei der Herbeiführung einer gerechten, dauerhaften und für beide Seiten annehmbaren politischen Lösung behilflich zu sein, die die Selbstbestimmung des Volkes von Westsahara im Rahmen von Regelungen vorsieht, die mit den Grundsätzen und Zielen der Charta der Vereinten Nationen im Einklang stehen, und Kenntnis nehmend von der Rolle und den Verantwortlichkeiten der Parteien in dieser Hinsicht, mit der erneuten Aufforderung an die Parteien und die Staaten der Region, umfassender mit den Vereinten Nationen und miteinander zusammenzuarbeiten und ihre Mitwirkung zu verstärken, um den derzeitigen Stillstand zu überwinden und Fortschritte in Richtung auf eine politische Lösung zu erzielen, unter Begrüßung der Anstrengungen des Generalsekretärs, alle Friedenssicherungseinsätze, einschließlich der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (MINURSO), weiter aufmerksam zu verfolgen, und erneut erklärend, dass der Rat einen rigorosen, strategischen Ansatz für Friedenssicherungseinsätze verfolgen muss, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die Verstöße gegen bestehende Vereinbarungen und mit der Aufforderung an die Parteien, ihre jeweiligen Verpflichtungen zu achten,

Kenntnis nehmend von dem dem Generalsekretär am 11. April 2007 vorgelegten marokkanischen Vorschlag und die ernsthaften und glaubwürdigen marokkanischen Anstrengungen begrüßend, den Prozess einer Lösung näherzubringen, sowie

- 37 - Kenntnis nehmend von dem dem Generalsekretär am 10. April 2007 vorgelegten Vorschlag der Polisario-Front, in diesem Zusammenhang die Parteien ermutigend, stärkeren politischen Willen für eine Lösung unter Beweis zu stellen, namentlich indem sie erweiterte Gespräche über ihre jeweiligen Vorschläge führen,

Kenntnis nehmend von den vier unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs durchgeführten Verhandlungsrunden und den laufenden informellen Gesprächsrunden und erfreut über die Fortschritte, die die Parteien im Hinblick auf die Aufnahme direkter Verhandlungen erzielt haben, erfreut über die von den Parteien erzielten Fortschritte bei der Erörterung innovativer Verhandlungsansätze und einzelner Themen, über ihre Zusage, die Gespräche über diese und andere Fragen zu vertiefen, und über das am 9. November 2011 abgehaltene Treffen der Parteien über natürliche Ressourcen und die Fortschritte bei der Minenräumung, erfreut über den positiven Abschluss des vom Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) getragenen Seminars über die Hassania-Kultur vom 12. bis 16. September 2011 und über die Vereinbarung der Parteien, 2012 zwei weitere Seminare zu veranstalten, sowie über die Abhaltung einer vom UNHCR moderierten Tagung auf hoher Ebene über vertrauensbildende Maßnahmen für Westsahara am 24. und 25. Januar 2012, betonend, wie wichtig es ist, die Menschenrechtssituation in Westsahara und in den Lagern in Tindouf zu verbessern, und den Parteien nahelegend, in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft unabhängige und glaubwürdige Maßnahmen zur Gewährleistung der vollen Achtung der Menschenrechte zu erarbeiten und durchzuführen, eingedenk ihrer diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen, erfreut darüber, dass Kommissionen des Nationalen Rates für Menschenrechte in Dakhla und Laayoune ihre Tätigkeit aufgenommen haben, und über die Maßnahmen Marokkos zur Erfüllung seiner Zusage, allen Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vorbehaltlosen und uneingeschränkten Zugang zu gewährleisten, sowie unter Begrüßung der Durchführung des vom UNHCR in Abstimmung mit der Polisario-Front erarbeiteten Programms für einen verstärkten Flüchtlingsschutz, das Ausbildungs- und Sensibilisierungsinitiativen auf dem Gebiet der Flüchtlinge und der Menschenrechte umfasst, das UNHCR erneut ersuchend, auch weiterhin die Frage einer Registrierung der Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern von Tindouf zu prüfen, in Erwartung der Umsetzung des am 24. und 25 Januar 2012 in Genf verabschiedeten aktualisierten Aktionsplans für vertrauensbildende Maßnahmen, der auch die Einführung von Familienbesuchen auf dem Landweg, die Nutzung neuer Informationstechnologien zur Erleichterung der Kommunikationsverbindungen zwischen Familien und die Fortsetzung und Erweiterung des bestehenden Programms für Familienbesuche auf dem Luftweg vorsieht, und den Parteien

- 38 - nahelegend, bei der Umsetzung ihrer Vereinbarung mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten, unter Begrüßung der von den Parteien eingegangenen Verpflichtung, den Verhandlungsprozess durch Gespräche unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen fortzusetzen, in der Erkenntnis, dass die Konsolidierung des Status quo kein annehmbares Ergebnis ist, und ferner feststellend, dass Fortschritte bei den Verhandlungen unerlässlich sind, um alle Aspekte der Lebensqualität des Volkes von Westsahara zu verbessern, in Bekräftigung seiner Unterstützung für den Persönlichen Gesandten des Generalsekretärs für Westsahara, Botschafter Christopher Ross, und für die Arbeit, die er zur Erleichterung von Verhandlungen zwischen den Parteien leistet, sowie begrüßend, dass er laufende Konsultationen mit den Parteien und den Nachbarstaaten führt, und seinem baldigen Besuch in der Region, einschließlich in Westsahara, laut dem Kommuniqué der vom 11. bis 13. März 2012 abgehaltenen Informellen Tagung über Westsahara mit Interesse entgegensehend, in Bekräftigung seiner Unterstützung für den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Westsahara und Leiter der MINURSO, Hany Abdel-Aziz, nach Behandlung des Berichts des Generalsekretärs vom 11. April 2012 (S/2012/197),

1. beschließt, das Mandat der Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (MINURSO) bis zum 30. April 2013 zu verlängern;

2. bekräftigt die Notwendigkeit, die mit der MINURSO geschlossenen Militärabkommen in Bezug auf die Waffenruhe in vollem Umfang einzuhalten, und fordert die Parteien auf, diese Abkommen uneingeschränkt zu befolgen;

3. fordert alle Parteien auf, bei den Einsätzen der MINURSO, so auch im Hinblick auf deren ungehinderten Austausch mit allen Gesprächspartnern, voll zu kooperieren und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit sowie die Bewegungsfreiheit und den sofortigen Zugang des Personals der Vereinten Nationen und des beigeordneten Personals bei der Wahrnehmung ihres Mandats zu gewährleisten, im Einklang mit den bestehenden Vereinbarungen;

4. begrüßt die von den Parteien eingegangene Verpflichtung, den Prozess der Abhaltung informeller Gespräche im kleinen Kreis zur Vorbereitung einer fünften Verhandlungsrunde fortzusetzen, und erinnert daran, dass er sich der in dem Bericht vom 14. April 2008 (S/2008/251) enthaltenen Empfehlung angeschlossen hat, wonach es für Verhandlungsfortschritte unerlässlich ist, dass die Parteien Realismus und einen Geist des Kompromisses beweisen;

5. fordert die Parteien auf, weiter den politischen Willen zu zeigen und in einer dem Dialog förderlichen Atmosphäre zu arbeiten, um in eine intensivere und stärker sachbezogene Verhandlungsphase einzutreten, und so die Durchführung der Resolutionen 1754 (2007), 1783 (2007), 1813 (2008), 1871 (2009), 1920 (2010) und 1979 (2011) und den Erfolg der Verhandlungen sicherzustellen, unter - 39 - anderem indem sie ihre Gespräche über die Ideen in Ziffer 120 des Berichts des Generalsekretärs (S/2011/249) fortsetzen;

6. bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung für die Entschlossenheit, mit der der Generalsekretär und sein Persönlicher Gesandter in diesem Zusammenhang auf eine Lösung der Westsahara-Frage hinarbeiten, und fordert eine Intensivierung der Treffen und die Verstärkung der Kontakte;

7. fordert die Parteien auf, die Verhandlungen unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs ohne Vorbedingungen und in redlicher Absicht unter Berücksichtigung der seit 2006 unternommenen Anstrengungen und der späteren Entwicklungen fortzusetzen, mit dem Ziel, eine gerechte, dauerhafte und für beide Seiten annehmbare politische Lösung herbeizuführen, die die Selbstbestimmung des Volkes von Westsahara im Rahmen von Regelungen vorsieht, die mit den Grundsätzen und Zielen der Charta der Vereinten Nationen im Einklang stehen, und verweist auf die Rolle und die Verantwortlichkeiten der Parteien in dieser Hinsicht;

8. bittet die Mitgliedstaaten, für diese Gespräche angemessene Unterstützung zu gewähren;

9. ersucht den Generalsekretär, den Sicherheitsrat regelmäßig und mindestens zweimal jährlich über den Stand und den Fortgang dieser unter seiner Schirmherrschaft geführten Verhandlungen, über die Durchführung dieser Resolution sowie über Schwierigkeiten bei den Einsätzen der MINURSO und die zu ihrer Bewältigung ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten, und bekundet seine Absicht, zum Erhalt und zur Erörterung dieser Unterrichtungen zusammenzutreten, und ersucht den Generalsekretär in dieser Hinsicht ferner, weit vor Ablauf des Mandatszeitraums einen Bericht über die Situation in Westsahara vorzulegen;

10. begrüßt es, dass die Parteien und die Nachbarstaaten zugesagt haben, regelmäßige Treffen mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen abzuhalten, um vertrauensbildende Maßnahmen zu prüfen und nach Möglichkeit zu erweitern;

11. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, freiwillige Beiträge zu leisten, um vertrauensbildende Maßnahmen zu finanzieren, die Besuche zwischen voneinander getrennten Familienmitgliedern ermöglichen, sowie sonstige von den Parteien vereinbarte vertrauensbildende Maßnahmen;

12. ersucht den Generalsekretär, auch weiterhin die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Nulltoleranzpolitik der Vereinten Nationen gegenüber sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch in der MINURSO

- 40 - uneingeschränkt beachtet wird, und den Rat unterrichtet zu halten, und fordert die truppenstellenden Länder nachdrücklich auf, angemessene Präventivmaßnahmen, darunter ein einsatzvorbereitendes Sensibilisierungstraining, sowie andere Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das an derartigen Handlungen beteiligte Personal voll zur Rechenschaft gezogen wird;

13. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quell: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2045 (2012) verabschiedet auf der 6761. Sitzung des Sicherheitsrats am 26. April 2012 (Côte d'Ivoire)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen und die Erklärungen seines Präsidenten betreffend die Situation in Côte d’Ivoire, insbesondere die Resolutionen 1880 (2009), 1893 (2009), 1911 (2010), 1933 (2010), 1946 (2010), 1962 (2010), 1975 (2011), 1980 (2011) und 2000 (2011), in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und Einheit Côte d’Ivoires und unter Hinweis auf die Wichtigkeit der Grundsätze der guten Nachbarschaft, der Nichteinmischung und der regionalen Zusammenarbeit,

Kenntnis nehmend von dem Sonderbericht des Generalsekretärs vom 29. März 2012 (S/2012/186) und von dem Halbzeitbericht 2011 (S/2011/642) und dem Schlussbericht 2012 (S/2012/196) der Sachverständigengruppe der Vereinten Nationen, in der Erkenntnis, dass die mit den Resolutionen 1572 (2004), 1643 (2005), 1975 (2011) und 1980 (2011) verhängten Maßnahmen auch weiterhin zur Stabilität in Côte d’Ivoire beitragen, und betonend, dass diese Maßnahmen darauf abzielen, den Friedensprozess in Côte d’Ivoire zu unterstützen, unter Begrüßung der stetigen Fortschritte und Erfolge, die Côte d’Ivoire in den vergangenen Monaten bei der Rückkehr zur Stabilität erzielt hat, namentlich durch die Abhaltung der Parlamentswahlen, die vom Sonderbeauftragten des Generalsekretärs bestätigt wurden, die Inangriffnahme der drängenden Sicherheitsprobleme, die Förderung der wirtschaftlichen Erholung und die Stärkung der internationalen und regionalen Zusammenarbeit, die Anstrengungen aller Ivorer anerkennend, die nationale Aussöhnung und die Festigung des Friedens durch Dialog und Konsultation zu fördern, die Kommission für Dialog, Wahrheit und Aussöhnung zu weiteren Fortschritten in diese Richtung ermutigend und die diesbezügliche Hilfe der Afrikanischen Union und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten begrüßend,

- 41 - nach wie vor besorgt über das ungelöste Problem der Reform des Sicherheitssektors und der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung sowie über den Umlauf von Waffen, die die Stabilität des Landes weiterhin ernstlich gefährden, und begrüßend, dass die ivorische Regierung eine Arbeitsgruppe für die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung und die Reform des Sicherheitssektors eingesetzt hat und dass weitere Anstrengungen unternommen werden, diese Probleme ernsthaft anzugehen, unter Begrüßung der verstärkten Zusammenarbeit der ivorischen Regierung mit der ursprünglich gemäß Ziffer 7 der Resolution 1584 (2004) eingesetzten Sachverständigengruppe im Laufe ihres letzten, mit Resolution 1980 (2011) verlängerten Mandats, in der Erkenntnis, dass die ivorische Regierung ihre Sicherheitskräfte dringend ausbilden und ausrüsten und insbesondere die Polizei und die Gendarmerie mit standardmäßigen Polizeiwaffen und dazugehöriger Munition ausstatten muss, nachdrücklich darauf hinweisend, wie wichtig es ist, dass die ivorische Regierung in der Lage ist, auf Bedrohungen der Sicherheit aller Bürger in Côte d’Ivoire angemessen zu reagieren, und die ivorische Regierung auffordernd, sicherzustellen, dass ihre Sicherheitskräfte der Achtung der Menschenrechte und des anwendbaren Völkerrechts verpflichtet bleiben, mit der Aufforderung an die ivorische Regierung, das Übereinkommen der Wirt- schaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten über Kleinwaffen und leichte Waffen, deren Munition und anderes dazugehöriges Material zu ratifizieren und durchzuführen, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die Feststellungen der Sachverständigen- gruppe hinsichtlich des bestehenden illegalen Besteuerungssystems, der zunehmenden Kriminalität im gesamten Hoheitsgebiet und des Mangels an Kapazitäten und Ressourcen für die Kontrolle der Grenzen, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, seine Resolutionen 1612 (2005), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder und bewaffnete Konflikte und seine Resolutionen 1674 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, unter erneuter nachdrücklicher Verurteilung aller Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Côte d’Ivoire, unter Verurteilung aller an Zivilpersonen, namentlich Frauen, Kindern, Binnenvertriebenen und ausländischen Staatsangehörigen, begangenen Gewalthandlungen und anderen Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, betonend, dass die Täter vor Gericht gestellt werden müssen, sei es vor ein inländisches oder ein internationales Gericht, und unter Begrüßung der diesbezüglichen engen Zusammenarbeit der ivorischen Regierung mit dem Internationalen Strafgerichtshof, betonend, wie wichtig es ist, dass die Sachverständigengruppe mit ausreichenden Ressourcen für die Durchführung ihres Mandats ausgestattet wird,

- 42 - feststellend, dass die Situation in Côte d’Ivoire nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, dass die zuvor mit den Ziffern 7 und 8 der Resolution 1572 (2004) verhängten Maßnahmen betreffend Rüstungsgüter und sonstiges Wehrmaterial durch die nachstehenden Ziffern 2, 3 und 4 ersetzt werden und nicht länger auf die Bereitstellung von Ausbildung, Beratung und Sachverstand im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen und militärischen Aktivitäten sowie die Lieferung von Zivilfahrzeugen an die ivorischen Sicherheitskräfte Anwendung finden;

2. beschließt, dass alle Staaten in dem am 30. April 2013 endenden Zeitraum die notwendigen Maßnahmen ergreifen werden, um die Lieferung, den Verkauf oder den Transfer, auf direktem oder indirektem Weg, von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial von ihrem Hoheitsgebiet aus oder durch ihre Staatsangehörigen oder unter Benutzung von ihre Flagge führenden Schiffen oder Luftfahrzeugen, und gleichviel ob sie ihren Ursprung in ihrem Hoheitsgebiet haben oder nicht, nach Côte d’Ivoire zu verhindern;

3. beschließt, dass die mit Ziffer 2 verhängten Maßnahmen keine Anwendung finden auf

a) Lieferungen, die ausschließlich zur Unterstützung der Operation der Vereinten Nationen in Côte d’Ivoire (UNOCI) und der sie unterstützenden französischen Truppen und zur Nutzung durch sie bestimmt sind;

b) Lieferungen nichtletalen militärischen Geräts, das ausschließlich für humanitäre oder Schutzzwecke bestimmt ist, soweit diese dem Ausschuss nach Ziffer 14 der Resolution 1572 (2004) im Voraus angekündigt wurden;

c) Lieferungen von Schutzkleidung, einschließlich Körperschutzwesten und Militärhelmen, die von Personal der Vereinten Nationen, Medienvertretern sowie humanitären Helfern, Entwicklungshelfern und beigeordnetem Personal ausschließlich zum persönlichen Gebrauch vorübergehend nach Côte d’Ivoire ausgeführt werden;

d) Lieferungen, die vorübergehend nach Côte d’Ivoire ausgeführt werden und für die Truppen eines Staates bestimmt sind, der im Einklang mit dem Völkerrecht ausschließlich und unmittelbar zu dem Zweck tätig wird, die Evakuierung seiner Staatsangehörigen sowie von Personen, für die er die konsularische Verantwortung in Côte d’Ivoire hat, zu erleichtern, soweit diese dem Ausschuss nach Ziffer 14 der Resolution 1572 (2004) im Voraus angekündigt wurden;

e) Lieferungen nichtletaler Polizeiausrüstung, die dazu bestimmt ist, die ivorischen Sicherheitskräfte zu befähigen, bei der Wahrung der öffentlichen Ordnung nur in angemessener und verhältnismäßiger Weise Gewalt einzusetzen, soweit diese dem Ausschuss nach Ziffer 14 der Resolution 1572 (2004) im Voraus angekündigt wurden;

- 43 - f) Lieferungen von Rüstungsgütern und sonstigem letalem Gerät an die ivorischen Sicherheitskräfte zu dem ausschließlichen Zweck, den ivorischen Prozess der Reform des Sicherheitssektors zu unterstützen oder dabei eingesetzt zu werden, soweit diese von dem Ausschuss nach Ziffer 14 der Resolution 1572 (2004) im Voraus genehmigt wurden;

4. beschließt für den in Ziffer 2 genannten Zeitraum, dass die ivorischen Behörden dem Ausschuss jede Lieferung der in Ziffer 3 e) genannten Gegenstände im Voraus ankündigen oder den Ausschuss für jede Lieferung der in Ziffer 3 f) genannten Gegenstände im Voraus um Genehmigung ersuchen, und betont, wie wichtig es ist, dass diese Ankündigungen oder Ersuchen alle sachdienlichen Angaben enthalten, einschließlich des Nutzungszwecks und des Endnutzers, der technischen Spezifikationen und der Menge der zu liefernden Ausrüstungen und gegebenenfalls des Lieferanten, des voraussichtlichen Lieferdatums, des Transportmittels und des Transportwegs der Lieferungen;

5. fordert die ivorische Regierung nachdrücklich auf, der Sachverständigengruppe und der UNOCI zum Zeitpunkt der Einfuhr und vor dem Transfer an den Endnutzer Zugang zu dem vom Embargo ausgenommenen Material zu gewähren, betont, dass die ivorische Regierung die Rüstungsgüter und das sonstige Wehrmaterial nach dem Eingang im Hoheitsgebiet Côte d’Ivoires kennzeichnen und ein Register darüber führen wird, und bekundet seine Bereitschaft, bei der in Ziffer 7 genannten Halbzeitüberprüfung eine Verlängerung des Ankündigungsverfahrens für alle Ausnahmen von dem Embargo nach Maßgabe der Fortschritte bei der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung und der Reform des Sicherheitssektors zu erwägen;

6. beschließt, die Maßnahmen betreffend Finanzen und Reisen, die mit den Ziffern 9 bis 12 der Resolution 1572 (2004) und Ziffer 12 der Resolution 1975 (2011) verhängt wurden, bis zum 30. April 2013 zu verlängern, und beschließt ferner, die Maßnahmen, die mit Ziffer 6 der Resolution 1643 (2005) verhängt wurden, um alle Staaten an der Einfuhr von Rohdiamanten aus Côte d’Ivoire zu hindern, bis zum 30. April 2013 zu verlängern;

7. beschließt, die in den Ziffern 2, 3 und 4 beschlossenen Maßnahmen im Lichte der Fortschritte bei der Stabilisierung im ganzen Land vor Ablauf des in Ziffer 2 genannten Zeitraums zu überprüfen, und beschließt ferner, spätestens bis zum 31. Oktober 2012 eine Halbzeitüberprüfung der in den Ziffern 2, 3 und 4 beschlossenen Maßnahmen durchzuführen, mit dem Ziel, möglicherweise alle oder einen Teil der restlichen Maßnahmen des Sanktionsregimes nach Maßgabe der Fortschritte bei der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, der Reform des Sicherheitssektors, der nationalen Aussöhnung und der Bekämpfung der Straflosigkeit weiter zu ändern;

8. fordert alle Mitgliedstaaten, insbesondere die Staaten der Subregion, auf, die in den Ziffern 2 und 6 genannten Maßnahmen vollständig durchzuführen, fordert außerdem die UNOCI auf, im Rahmen ihrer Kapazitäten und ihres Mandats ihre volle Unterstützung zu gewähren, und fordert ferner die französischen Truppen auf, innerhalb der Grenzen ihres Einsatzes und ihrer Möglichkeiten die UNOCI dabei zu unterstützen;

- 44 - 9. fordert alle illegalen ivorischen bewaffneten Kombattanten, auch in den Nachbarländern, nachdrücklich auf, sofort ihre Waffen niederzulegen, legt der UNOCI nahe, im Rahmen ihres Mandats und ihrer Möglichkeiten und innerhalb ihrer Einsatzgebiete der ivorischen Regierung weiter dabei behilflich zu sein, die Waffen einzusammeln und zu lagern und alle sachdienlichen Informationen zu diesen Waffen zu registrieren, und fordert ferner die ivorische Regierung, einschließlich der Nationalen Kommission zur Bekämpfung der Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen und des unerlaubten Handels damit, auf, sicherzustellen, dass diese Waffen entweder neutralisiert oder nicht rechtswidrig verbreitet werden, im Einklang mit dem Übereinkommen der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten über Kleinwaffen und leichte Waffen, deren Munition und anderes dazugehöriges Material;

10. weist darauf hin, dass die UNOCI im Rahmen der Überwachung des Waffenembargos das Mandat hat, gegebenenfalls Rüstungsgüter und sonstiges Wehrmaterial, die unter Verstoß gegen die mit Ziffer 7 der Resolution 1572 (2004) verhängten und mit den vorstehenden Ziffern 1 und 2 geänderten Maßnahmen nach Côte d’Ivoire verbracht wurden, einzusammeln und auf geeignete Weise zu entsorgen;

11. bekundet seine tiefe Besorgnis über die Anwesenheit von Söldnern in Côte d’Ivoire, vor allem aus Nachbarländern, fordert die Behörden Côte d’Ivoires und Liberias auf, ihre Maßnahmen zur Lösung dieser Frage zu koordinieren, legt der UNOCI und der Mission der Vereinten Nationen in Liberia nahe, im Rahmen ihres jeweiligen Mandats und ihrer Möglichkeiten und innerhalb ihres jeweiligen Einsatzgebiets auch weiterhin in enger gegenseitiger Abstimmung der Regierung Côte d’Ivoires beziehungsweise der Regierung Liberias bei der Überwachung ihrer Grenze und insbesondere der Verfolgung grenzüberschreitender Bewegungen von Kombattanten oder Waffentransfers behilflich zu sein, und begrüßt eine weitere Zusammenarbeit zwischen der Sachverständigengruppe für Côte d’Ivoire und der gemäß Ziffer 4 der Resolution 1854 (2008) ernannten Sachverständigengruppe für Liberia;

12. erklärt erneut, dass die ivorischen Behörden wie in seinen Resolutionen 1739 (2007), 1880 (2009), 1933 (2010), 1962 (2010) und 1980 (2011) festgelegt der Sachverständigengruppe sowie der UNOCI und den sie unterstützenden französischen Truppen ungehinderten Zugang zu den in Ziffer 2 a) der Resolution 1584 (2005) genannten Ausrüstungen, Orten und Anlagen und zu allen Waffen, Munitionsbeständen und sonstigem Wehrmaterial aller bewaffneten Sicherheitskräfte, gleichviel wo sie sich befinden, auch zu den aus der Einsammlung nach Ziffer 9 stammenden Waffen, gewähren müssen, nach Bedarf ohne Vorankündigung;

13. wiederholt ihre in Ziffer 10 der Resolution 1980 (2011) bekundete Entschlossenheit, gezielte Maßnahmen zu verhängen;

14. ersucht alle beteiligten Staaten, insbesondere die Staaten der Subregion, mit dem Ausschuss uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, und ermächtigt den Ausschuss, alle weiteren Informationen anzufordern, die er für notwendig erachtet;

- 45 - 15. beschließt, das in Ziffer 7 der Resolution 1727 (2006) festgelegte Mandat der Sachverständigengruppe bis zum 30. April 2013 zu verlängern, und ersucht den Generalsekretär, die erforderlichen Maßnahmen zur Unterstützung ihrer Tätigkeit zu ergreifen;

16. ersucht die Sachverständigengruppe, dem Ausschuss bis zum 15. Oktober 2012 einen Halbzeitbericht vorzulegen und dem Sicherheitsrat über den Ausschuss 15 Tage vor Ablauf ihres Mandatszeitraums einen Schlussbericht samt Empfehlungen über die Durchführung der mit Ziffer 2 dieser Resolution, den Ziffern 9 und 11 der Resolution 1572 (2004), Ziffer 6 der Resolution 1643 (2005), Ziffer 12 der Resolution 1975 (2011) und Ziffer 10 der Resolution 1980 (2011) verhängten Maßnahmen vorzulegen;

17. beschließt, dass der in Ziffer 7 e) der Resolution 1727 (2006) genannte Bericht der Sachverständigengruppe gegebenenfalls alle Informationen und Empfehlungen enthalten kann, die bei der möglichen Benennung weiterer Personen und Einrichtungen gemäß der Beschreibung in den Ziffern 9 und 11 der Resolution 1572 (2004) und Ziffer 10 der Resolution 1980 (2011) durch den Ausschuss sachdienlich sein könnten, und erinnert ferner an den Bericht der Informellen Arbeitsgruppe für allgemeine Sanktionsfragen (S/2006/997) über bewährte Verfahrensweisen und Methoden, namentlich die Ziffern 21, 22 und 23, in denen mögliche Schritte zur Klärung der methodologischen Standards für Überwachungsmechanismen erörtert werden;

18. ersucht den Generalsekretär, dem Sicherheitsrat über den Ausschuss gegebenenfalls Informationen über Lieferungen von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial nach Côte d’Ivoire zu übermitteln, die von der UNOCI gesammelt und nach Möglichkeit von der Sachverständigengruppe überprüft wurden;

19. ersucht außerdem die französische Regierung, dem Sicherheitsrat über den Ausschuss gegebenenfalls Informationen über Lieferungen von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial nach Côte d’Ivoire zu übermitteln, die von den französischen Truppen gesammelt und nach Möglichkeit von der Sachverständigengruppe überprüft wurden;

20. ersucht außerdem das Zertifikationssystem des Kimberley-Prozesses, dem Sicherheitsrat über den Ausschuss gegebenenfalls Informationen über die Produktion und die unerlaubte Ausfuhr von Diamanten aus Côte d’Ivoire zu übermitteln, die nach Möglichkeit von der Sachverständigengruppe überprüft wurden, und beschließt ferner, die in den Ziffern 16 und 17 der Resolution 1893 (2009) festgelegten Ausnahmeregelungen für die Beschaffung von Rohdiamantenproben für die Zwecke wissenschaftlicher Forschungsarbeiten, die vom Kimberley-Prozess koordiniert werden, zu verlängern;

21. legt den ivorischen Behörden eindringlich nahe, einen Aktionsplan zur Durchsetzung der Vorschriften des Kimberley-Prozesses in Côte d’Ivoire zu erarbeiten und umzusetzen, und legt ihnen ferner nahe, in enger Zusammenarbeit mit dem Zertifikationssystem des Kimberley-Prozesses eine Überprüfung und Bewertung des Systems der internen Kontrollen Côte d’Ivoires für den Handel mit Rohdiamanten und eine umfassende geologische Untersuchung des potenziellen Diamantenvorkommens Côte d’Ivoires und seiner

- 46 - Produktionskapazitäten durchzuführen, mit dem Ziel, die mit Ziffer 6 der Resolution 1643 (2005) verhängten Maßnahmen möglicherweise zu ändern oder gegebenenfalls aufzuheben;

22. fordert die ivorischen Behörden auf, die noch bestehenden illegalen Besteuerungssysteme zu bekämpfen, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Wiedererrichtung und Stärkung der einschlägigen Institutionen fortzusetzen, und im ganzen Land, namentlich im Norden, Westen und Osten, weiter Zoll- und Grenzkontrollbeamte zu stationieren, bittet die Sachverständigengruppe, die Wirksamkeit dieser Grenzmaßnahmen und - kontrollen in der Region zu bewerten, legt allen Nachbarstaaten nahe, die diesbezüglichen ivorischen Anstrengungen zur Kenntnis zu nehmen, und legt der UNOCI nahe, im Rahmen ihres Mandats den ivorischen Behörden bei der Wiederherstellung normaler Zoll- und Grenzkontrollen behilflich zu sein;

23. fordert alle Staaten, die zuständigen Organe der Vereinten Nationen und andere Organisationen und interessierte Parteien nachdrücklich auf, mit dem Ausschuss, der Sachverständigengruppe, der UNOCI und den französischen Truppen uneingeschränkt zusammenzuarbeiten, insbesondere indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über mögliche Verstöße gegen die mit den Ziffern 2 und 5 dieser Resolution, den Ziffern 9 und 11 der Resolution 1572 (2004), Ziffer 6 der Resolution 1643 (2005) und Ziffer 12 der Resolution 1975 (2011) verhängten Maßnahmen übermitteln, und ersucht ferner die Sachverständigengruppe, ihre Aktivitäten gegebenenfalls mit allen politischen Akteuren abzustimmen;

24. verweist auf Ziffer 7 der Resolution 1960 (2010) und Ziffer 9 der Resolution 1998 (2011) über sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt und Kinder in bewaffneten Konflikten und begrüßt, dass zwischen dem Ausschuss und den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte und für sexuelle Gewalt in Konflikten im Einklang mit ihrem jeweiligen Mandat und nach Bedarf Informationen ausgetauscht werden;

25. beschließt, dass der Ausschuss innerhalb von drei Monaten nach der Verab- schiedung dieser Resolution seine Leitlinien unter Berücksichtigung der Ziffern 1, 2, 3, 4 und 5 aktualisieren soll, um die Durchführung der mit dieser Resolution verhängten Maßnahmen zu erleichtern, und diese nach Bedarf fortlaufend aktiv überprüfen soll;

26. fordert in diesem Zusammenhang ferner alle ivorischen Parteien und alle Staaten, insbesondere die Staaten in der Region, nachdrücklich auf, Folgendes zu gewährleisten:

− die Sicherheit der Mitglieder der Sachverständigengruppe;

− den ungehinderten Zugang der Sachverständigengruppe, insbesondere zu Personen, Dokumenten und Orten, damit sie ihr Mandat erfüllen kann;

27. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

- 47 - Resolution 2046 (2012) verabschiedet auf der 6764. Sitzung des Sicherheitsrats am 2. Mai 2012 (Sudan)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen und Erklärungen betreffend die Situation in Sudan und Südsudan, insbesondere die Resolutionen 1990 (2011), 2024 (2011) und 2032 (2011), sowie die Erklärungen seines Präsidenten vom 6. März 2012 und 12. April 2012 und ferner unter Hinweis darauf, dass er der vollständigen und umgehend vorangetriebenen Regelung aller noch offenen Fragen des Umfassenden Friedensabkommens Vorrang beimisst, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit Sudans und Südsudans und zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen,

Kenntnis nehmend von Ziffer 7 des vom Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union auf seiner 319. Sitzung am 24. April 2012 gefassten Beschlusses und erneut erklärend, dass die Grenzen der Hoheitsgebiete von Staaten nicht gewaltsam verändert werden dürfen und dass alle Gebietsstreitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln beizulegen sind, unter Hinweis auf die Wichtigkeit der Grundsätze der friedlichen Beilegung interna- tionaler Streitigkeiten, der guten Nachbarschaft, der Nichteinmischung und der regionalen Zusammenarbeit, zutiefst dem Gedanken verpflichtet, dass Sudan und Südsudan zwei wirtschaftlich prosperierende Staaten werden, die Seite an Seite in Frieden, Sicherheit und Stabilität leben, und unterstreichend, wie wichtig es ist, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und ein der langfristigen Stabilität und wirtschaftlichen Entwicklung förderliches Umfeld zu schaffen, unter Verurteilung der wiederholten Fälle grenzüberschreitender Gewalt zwischen Sudan und Südsudan, einschließlich Truppenbewegungen, der Ergreifung und Besetzung von Heglig, der Unterstützung von Stellvertreterkräften und der Bombenangriffe der Sudanesischen Streitkräfte, unter Verurteilung der Aktionen jeder bewaffneten Gruppe, die den gewaltsamen Sturz der Regierung Sudans oder Südsudans zum Ziel haben, mit dem Ausdruck seiner tiefen Besorgnis über die humanitäre Lage, die durch die Kämpfe zwischen Sudan und Südsudan entstanden ist, sowie über die anhaltenden Kämpfe in den Staaten Südkordofan und Blauer Nil in Sudan, unter nachdrücklicher Verurteilung aller Gewalthandlungen, die unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen gegen Zivilpersonen begangen werden, begrüßend, dass sich die Armee Südsudans aus Heglig zurückgezogen hat, und mit der Forderung nach einer sofortigen Einstellung der Bombenangriffe der Sudanesischen Streitkräfte auf Südsudan,

- 48 - unter nachdrücklicher Verurteilung der Verletzungen der Menschenrechte von Nichtkombattanten in dem betroffenen Gebiet, der Beschädigung der wirtschaftlichen Infrastruktur, insbesondere der Ölförderanlagen, und aller hetzerischen Erklärungen, die zu gegenseitiger Dämonisierung und zur Androhung feindseliger Handlungen durch extremistische Elemente, einschließlich fremdenfeindlicher Angriffe, führen, mit der Forderung nach einer unparteiischen Tatsachenermittlung zur Feststellung der Verluste und der wirtschaftlichen und humanitären Schäden, einschließlich an den Ölförderanlagen und anderen wichtigen Infrastruktureinrichtungen, in und um Heglig, mit dem Ausdruck seiner tiefen Besorgnis über das Schicksal der Staatsangehörigen der beiden Länder, die im Hoheitsgebiet des jeweils anderen Landes ansässig sind, nach dem Ende des Übergangszeitraums am 8. April 2012, unter Hinweis auf das Abkommen vom 29. Juni 2011 zwischen der Regierung Sudans und der Regierung Südsudans über Grenzsicherheit und den Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen, Kenntnis nehmend von der in Absatz 2 eingegangenen Verpflichtung zur Schaffung einer sicheren entmilitarisierten Grenzzone und unter Hinweis auf das Abkommen vom 30. Juli 2011 zwischen der Regierung Sudans und der Regierung Südsudans über die Unterstützungsmission für die Grenzüberwachung, in dem die Errichtung eines Gemeinsamen Mechanismus zur Verifikation und Überwachung der Grenze, dessen Zuständigkeitsbereich der sicheren entmilitarisierten Grenzzone entspricht, sowie die Errichtung eines Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen näher behandelt wird, in der Erkenntnis, dass Sudan und Südsudan dringend den Prozess der Demilitarisierung an ihrer Grenze einleiten müssen, missbilligend, dass die Sicherheitskräfte Sudans und Südsudans nicht aus dem Gebiet Abyei abgezogen sind, wie in ihrem Abkommen vom 20. Juni 2011 und in der Resolution 1990 (2011) vorgesehen,

überzeugt, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt in Südkordofan und Blauer Nil geben kann, und unterstreichend, dass es dringend einer politischen Verhandlungslösung bedarf, die auf der Achtung vor der Vielfalt in der Einheit beruht, in Bekräftigung seiner früheren Resolutionen 1674 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, 1612 (2006), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder und bewaffnete Konflikte, 1502 (2003) über den Schutz von humanitärem Personal und Personal der Vereinten Nationen und 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, unter Begrüßung der anhaltenden Anstrengungen der Afrikanischen Union, Sudan und Südsudan dabei zu unterstützen, die Erblast der Konflikte und der Bitterkeit in Sudan zu überwinden, vor allem durch den Abschluss des Umfassenden Friedensabkommens vom Januar 2005 und seine Durchführung, insbesondere die Abhaltung des Referendums über die Selbstbestimmung Südsudans, und die Verhandlungen über die Beziehungen nach der Sezession,

- 49 - in Würdigung der Anstrengungen, die die Hochrangige Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union, namentlich ihr Vorsitzender, Präsident Thabo Mbeki, die ehemaligen Präsidenten Abdulsalami Abubakar und Pierre Buyoya, der Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung, der äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi, der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für Sudan und Südsudan, Haile Menkerios, und die Interims-Sicherheitstruppe der Vereinten Nationen für Abyei (UNISFA) unter der Leitung von Generalleutnant Tesfay Tadesse geleistet haben, mit dem Ausdruck seiner vollen Unterstützung für den Beschluss des Friedens- und Sicherheitsrats der Afrikanischen Union auf seiner 319. Sitzung am 24. April 2012 zur Situation zwischen der Republik Sudan und der Republik Südsudan, der das Ziel hat, die gegenwärtigen Spannungen abzubauen und die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Beziehungen nach der Sezession und die Normalisierung dieser Beziehungen zu erleichtern, insbesondere durch den in dem Beschluss dargelegten Fahrplan, feststellend, dass die entlang der Grenze zwischen Sudan und Südsudan herrschende Lage eine ernste Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, dass Sudan und Südsudan mit sofortiger Wirkung, sofern nachstehend nicht anders festgelegt, die folgenden Maßnahmen ergreifen:

i) sofort alle Feindseligkeiten, einschließlich Bombenangriffen, einstellen, wobei die Parteien spätestens 48 Stunden nach Verabschiedung dieser Resolution dem Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union und dem Präsidenten des Sicherheitsrats ihre diesbezüglich eingegangene Verpflichtung übermitteln;

ii) ihre gesamten Streitkräfte bedingungslos auf ihre Seite der Grenze zurückziehen, im Einklang mit den zuvor geschlossenen Abkommen, namentlich dem Abkommen über die Unterstützungsmission für die Grenzüberwachung vom 30. Juli 2011;

iii) spätestens eine Woche nach Verabschiedung dieser Resolution die erforderlichen Grenzsicherheitsmechanismen, namentlich den Gemeinsamen Mechanismus zur Verifikation und Überwachung der Grenze und die sichere entmilitarisierte Grenzzone, aktivieren, gemäß der den Parteien im November 2011 von der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union vorgelegten Verwaltungs- und Sicherheitslandkarte, ohne dass diese Karte den laufenden Verhandlungen über die umstrittenen Gebiete und die Markierung der Grenze in irgendeiner Weise vorgreift;

iv) aufhören, den anderen Staat bekämpfenden Rebellengruppen Unterschlupf oder Unterstützung zu gewähren;

v) den im Rahmen des Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen vorgesehenen Ad-hoc-Ausschuss aktivieren, der

- 50 - Beschwerden und Vorwürfe, die von einer Partei gegen die andere erhoben werden, entgegennehmen und untersuchen soll;

vi) die feindselige Propaganda und die hetzerischen Erklärungen in den Medien sowie alle Angriffe auf das Eigentum und auf religiöse und kulturelle Symbole der Angehörigen des anderen Staates sofort einstellen, wobei die beiden Regierungen entsprechend den internationalen Grundsätzen die volle Verantwortung für den Schutz der Angehörigen des jeweils anderen Staates übernehmen, in Übereinstimmung mit dem im März 2012 paraphierten Rahmenabkommen über den Status der Angehörigen des anderen Staates und damit zusammenhängende Fragen;

vii) die noch verbleibenden Aspekte des Abkommens vom 20. Juni 2011 über vorläufige Regelungen für die Verwaltung und die Sicherheit des Gebiets Abyei durchführen, insbesondere den Abzug aller sudanesischen und südsudanesischen Truppen aus dem Gebiet Abyei spätestens zwei Wochen nach Verabschiedung dieser Resolution;

2. beschließt, dass Sudan und Südsudan unter der Ägide der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union und mit Unterstützung des Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung zu einem von der Hochrangigen Umsetzungsgruppe im Benehmen mit den maßgeblichen internationalen Partnern festzulegenden Zeitpunkt, spätestens jedoch zwei Wochen nach Verabschiedung dieser Resolution die Verhandlungen bedingungslos wiederaufnehmen, um eine Einigung in den folgenden wesentlichen Fragen herbeizuführen:

i) in Bezug auf Öl und damit zusammenhängende Zahlungen;

ii) Status der Angehörigen des einen Landes, die in dem anderen Land ansässig sind, entsprechend dem im März 2012 paraphierten Rahmenabkommen über den Status der Angehörigen des anderen Staates und damit zusammenhängende Fragen;

iii) Regelung des Status der umstrittenen und beanspruchten Grenzgebiete und Markierung der Grenze und

iv) endgültiger Status des Gebiets Abyei;

3. beschließt, dass die Regierung Sudans und die Sudanesische Volksbefreiungsbewegung Nord (SPLM-N) mit der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union und dem Vorsitz der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung uneingeschränkt zusammenarbeiten, um eine Verhandlungslösung auf der Grundlage des Rahmenabkommens vom 28. Juni 2011 über politische Partnerschaft zwischen der Nationalen Kongresspartei und der SPLM-N sowie über politische Regelungen und Sicherheitsregelungen in den Staaten Blauer Nil und Südkordofan zu erreichen;

4. fordert Sudan und die SPLM-N nachdrücklich auf, den dreiseitigen Vorschlag der Afrikanischen Union, der Vereinten Nationen und der Liga der arabischen Staaten anzunehmen, den Zugang für humanitäre Hilfe zu der betroffenen

- 51 - Bevölkerung in den beiden Gebieten zu gestatten und im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, namentlich dem anwendbaren humanitären Völkerrecht, und den Leitlinien für humanitäre Nothilfe den sicheren, ungehinderten und sofortigen Zugang des Personals der Vereinten Nationen und des sonstigen humanitären Personals und die Auslieferung von Versorgungsgütern und Ausrüstung zu gewährleisten, damit dieses Personal seine Aufgabe, der von dem Konflikt betroffenen Zivilbevölkerung behilflich zu sein, effizient wahrnehmen kann;

5. beschließt, dass die in Ziffer 2 genannten Verhandlungen innerhalb von drei Monaten nach Verabschiedung dieser Resolution abzuschließen sind, und ersucht den Generalsekretär, falls diese Verhandlungen in dem vorgesehenen Zeitraum von drei Monaten in einer oder allen Fragen nicht zu einer Einigung führen sollten, im Benehmen mit der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union, dem Vorsitz der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung und dem Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union dem Sicherheitsrat innerhalb von vier Monaten nach Verabschiedung dieser Resolution einen Bericht über den Stand der Verhandlungen samt detaillierten Vorschlägen zu allen noch offenen Fragen vorzulegen;

6. ersucht den Generalsekretär, mit der Afrikanischen Union Konsultationen über die Durchführung dieser Resolution und der Beschlüsse des Friedens- und Sicherheitsrats der Afrikanischen Union zu führen, die Vermittlungsbemühungen der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union in enger Zusammenarbeit mit ihr zu unterstützen und den Sicherheitsrat innerhalb von 15 Tagen und danach in zweiwöchigen Abständen über den Stand der Einhaltung der in dieser Resolution getroffenen Beschlüsse durch Sudan, Südsudan und die SPLM-N zu unterrichten, und bekundet seine Absicht, nach Bedarf weitere geeignete Maßnahmen nach Artikel 41 der Charta zu ergreifen, falls eine der Parteien die in dieser Resolution getroffenen Beschlüsse nicht eingehalten hat;

7. fordert alle Parteien auf, die Menschenrechte, namentlich der Frauen und der Angehörigen schwächerer Gruppen, zu fördern und zu schützen und ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen, nachzukommen, und fordert, dass diejenigen, die für schwere Verstöße gegen dieses Recht, einschließlich sexueller Gewalt, verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden;

8. würdigt die Anstrengungen, die die UNISFA zur Durchführung ihres Mandats unternimmt, bekundet seine höchste Anerkennung für die Arbeit des Kommandeurs und der truppenstellenden Länder und bekundet seine Absicht,

- 52 - das Mandat der UNISFA im Kontext der Einhaltung der in dieser Resolution getroffenen Beschlüsse durch Sudan und Südsudan und der Erfüllung ihrer in den Abkommen vom 20. Juni, 29. Juni und 30. Juli 2011 festgelegten Verpflichtungen zu evaluieren;

9. betont, wie wichtig ein umfassender, gerechter und dauerhafter Friede zwischen Sudan und Südsudan ist und dass ein solcher Friede wiederhergestellt werden muss;

10. beschließt, mit dieser Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quell: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2047 (2012) verabschiedet auf der 6773. Sitzung des Sicherheitsrats am 17. Mai 2012 (Sudan)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen und die Erklärungen seines Präsidenten über die Situation in Sudan und Südsudan und insbesondere die Resolutionen 1990 (2011), 2024 (2011), 2032 (2011) und 2046 (2012), in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit Sudans und Südsudans sowie zu den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen, erneut erklärend, dass die Hoheitsgrenzen von Staaten nicht gewaltsam verändert werden dürfen und dass alle Gebietsstreitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln beizulegen sind, erklärend, dass er der vollständigen und umgehenden Regelung aller noch offenen Fragen des Umfassenden Friedensabkommens Vorrang beimisst, in Bekräftigung seiner früheren Resolutionen 1674 (2006) und 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, 1612 (2005), 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder und bewaffnete Konflikte, 1502 (2003) über den Schutz von humanitärem Personal und Personal der Vereinten Nationen und 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, unter Hinweis auf die Verpflichtungen, die die Regierung Sudans und die Regierung Südsudans in dem Abkommen vom 20. Juni 2011 zwischen der Regierung Sudans und der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung über vorläufige Regelungen für die Verwaltung und Sicherheit des Gebiets Abyei, dem Abkommen vom 29. Juni 2011 zwischen der Regierung Sudans und der Regierung Südsudans über Grenzsicherheit und den Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen und dem Abkommen vom 30. Juli 2011 zwischen der Regierung Sudans und der Regierung Südsudans über die Unterstützungsmission für die Grenzüberwachung eingegangen sind,

- 53 - mit dem Ausdruck seiner vollen Unterstützung für den Beschluss des Friedens- und Sicherheitsrats der Afrikanischen Union auf seiner 319. Sitzung am 24. April 2012 zur Situation zwischen der Republik Sudan und der Republik Südsudan, der das Ziel hat, die gegenwärtigen Spannungen abzubauen und die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Beziehungen nach der Sezession und die Normalisierung dieser Beziehungen zu erleichtern, insbesondere durch den in dem Beschluss dargelegten Fahrplan, betonend, dass beide Länder viel zu gewinnen haben, wenn sie Zurückhaltung üben und den Weg des Dialogs einschlagen, anstatt auf Gewalt oder Provokationen zurückzugreifen, in Würdigung der den Parteien von der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union, namentlich ihrem Vorsitzenden, Präsident Thabo Mbeki, den ehemaligen Präsidenten Abdulsalami Abubakar und Pierre Buyoya, dem Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung, dem äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi, dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Sudan und Südsudan, Haile Menkerios, und der Interims-Sicherheitstruppe der Vereinten Nationen für Abyei (UNISFA) unter der Leitung von Generalleutnant Tesfay Tadesse auch weiterhin geleisteten Hilfe, in Würdigung der Anstrengungen, die die UNISFA zur Durchführung ihres Mandats unternimmt, und mit dem Ausdruck seiner höchsten Anerkennung für die Arbeit der truppenstellenden Länder, eingedenk dessen, wie wichtig die Kohärenz der Hilfe der Vereinten Nationen in der Region ist, die Anstrengungen begrüßend und befürwortend, welche die Vereinten Nationen unternehmen, um das Friedenssicherungspersonal im Hinblick auf die Prävention und Eindämmung von HIV/Aids und anderen übertragbaren Krankheiten bei allen ihren Friedenssicherungseinsätzen zu sensibilisieren, in großer Sorge über alle Gewalthandlungen, die im Gebiet Abyei unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen an Zivilpersonen begangen werden, namentlich die Tötung und Vertreibung einer beträchtlichen Zahl von Zivilpersonen, betonend, dass die Einhaltung der Menschenrechte wirksam überwacht werden muss, und mit dem Ausdruck seiner Besorgnis darüber, dass die Parteien zu diesem Zweck nicht mit dem Generalsekretär zusammenarbeiten, unter Betonung der dringenden Notwendigkeit, die Bereitstellung humanitärer Hilfe an alle betroffenen Gemeinschaften im Gebiet Abyei zu erleichtern, bekräftigend, wie wichtig die freiwillige, sichere und geordnete Rückkehr und die dauerhafte Wiedereingliederung der Vertriebenen sowie Sicherheit und Kooperation in der Zeit der saisonalen Migration sind, betonend, dass die gegen das Abkommen vom 20. Juni 2011 und die Resolution 2046 (2012) verstoßende Präsenz von Militär- und Polizeipersonal eine Gefahr für die sichere Wanderung der Nomaden der Misseriya und die Rückkehr der

- 54 - Vertriebenen der Ngok Dinka in ihre Heimatorte darstellt und die UNISFA an der vollständigen Durchführung ihres Mandats hindert, höchst besorgt über die Verzögerungen bei der Einrichtung der Gebietsverwaltung für Abyei, feststellend, dass bei der Einrichtung des Polizeidiensts von Abyei, einschließlich einer mit besonderen Fragen im Zusammenhang mit der nomadischen Wanderung befassten Sondereinheit, keine Fortschritte erzielt worden sind, höchst besorgt darüber, dass im Gebiet Abyei nach wie vor Landminen vorhanden sind, was die sichere Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimatorte und die sichere Wanderung verhindert, entschlossen erklärend, dass der künftige Status von Abyei durch Verhandlungen zwischen den Parteien in einer mit dem Umfassenden Friedensabkommen vereinbaren Weise und nicht durch einseitige Maßnahmen einer der Parteien geregelt werden soll, und mit der Aufforderung an alle Parteien, sich konstruktiv an Verhandlungen im Hinblick auf eine endgültige Vereinbarung über den Status von Abyei zu beteiligen, in der Erkenntnis, dass die derzeitige Situation in Abyei und entlang der Grenze zwischen Sudan und Südsudan eine ernste Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt,

1. beschließt, das in Ziffer 2 der Resolution 1990 (2011) festgelegte und mit Resolution 2024 (2011) geänderte Mandat der Interims-Sicherheitstruppe der Vereinten Nationen für Abyei (UNISFA) sowie, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, die in Ziffer 3 der Resolution 1990 (2011) festgelegte Aufgabenstellung um einen Zeitraum von 6 Monaten zu verlängern;

2. begrüßt den Abzug südsudanesischer Militär- und Polizeikräfte aus dem Gebiet Abyei gemäß Resolution 2046 (2012) und verlangt, dass die Regierung Sudans alle verbleibenden Militär- und Polizeikräfte sofort und ohne Vorbedingungen aus dem Gebiet Abyei abzieht, und erklärt im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen, insbesondere den Resolutionen 1990 (2011) und 2046 (2012), erneut, dass Abyei ein entmilitarisiertes Gebiet sein wird und die einzigen Kräfte, die sich in ihm aufhalten dürfen, die der UNISFA und des Polizeidiensts von Abyei sind;

3. verlangt, dass Sudan und Südsudan im Einklang mit ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen vom 20. Juni 2011 umgehend die Einrichtung der Gebietsverwaltung für Abyei abschließen, namentlich indem sie die festgefahrene Situation bei den Ernennungen hochrangiger Amtsträger überwinden, und den Polizeidienst von Abyei bilden;

4. fordert Sudan und Südsudan nachdrücklich auf, regelmäßig das Gemeinsame Aufsichtskomitee für Abyei in Anspruch zu nehmen, um stetige Fortschritte bei der Durchführung des Abkommens vom 20. Juni 2011 zu gewährleisten;

5. bekräftigt seine Beschlüsse in Resolution 2046 (2012), wonach Sudan und Südsudan im Einklang mit den zuvor geschlossenen Abkommen ihre gesamten Streitkräfte bedingungslos auf ihre Seite der Grenze zurückzuziehen haben, die - 55 - erforderlichen Grenzsicherheitsmechanismen zu aktivieren haben, nämlich den Gemeinsamen Mechanismus zur Verifikation und Überwachung der Grenze und die sichere entmilitarisierte Grenzzone, gemäß der den Parteien im November 2011 von der Hochrangigen Umsetzungsgruppe der Afrikanischen Union vorgelegten Verwaltungs- und Sicherheitslandkarte, ohne dass diese Karte den laufenden Verhandlungen über die umstrittenen Gebiete und die Markierung der Grenze in irgendeiner Weise vorgreift, und den im Rahmen des Gemeinsamen Mechanismus für politische und Sicherheitsfragen vorgesehenen Ad-hoc- Ausschuss zu aktivieren haben;

6. begrüßt die Anstrengungen des Generalsekretärs, den Parteien bei der sofortigen Einrichtung eines vorübergehenden Hauptquartiers für den Gemeinsamen Mechanismus zur Verifikation und Überwachung der Grenze behilflich zu sein;

7. bekundet seine Absicht, das Mandat der UNISFA nach einem Zeitraum von 4 Monaten im Hinblick auf eine mögliche Umgliederung der Mission zu überprüfen, je nachdem, inwieweit Sudan und Südsudan den in Resolution 2046 (2012) getroffenen Beschlüssen und ihren in den Abkommen von 20. Juni, 29. Juni und 30. Juli 2011 aufgeführten Verpflichtungen nachkommen, namentlich alle Kräfte aus der sicheren entmilitarisierten Grenzzone abzuziehen, die volle Einsatzfähigkeit des Gemeinsamen Mechanismus zur Verifikation und Überwachung der Grenze herzustellen und die vollständige Entmilitarisierung des Gebiets Abyei abzuschließen;

8. fordert alle Mitgliedstaaten, insbesondere Sudan und Südsudan, auf, sicherzustellen, dass das gesamte Personal sowie die Ausrüstung, die Verpflegung, die Versorgungs- und sonstigen Güter, einschließlich Fahrzeugen, Luftfahrzeugen und Ersatzteilen, die für den ausschließlichen und offiziellen Gebrauch der UNISFA bestimmt sind, frei, ungehindert und rasch aus und nach Abyei sowie innerhalb der gesamten sicheren entmilitarisierten Grenzzone verbracht werden können;

9. vermerkt, dass das in Ziffer 4 der Resolution 1990 (2011) genannte Abkommen über die Rechtsstellung der Truppen nach wie vor entsprechend für die UNISFA gilt, und verlangt, dass Sudan und Südsudan sofort ein Abkommen über die Rechtsstellung der Truppen mit dem Generalsekretär abschließen und den Vereinten Nationen uneingeschränkte Unterstützung gewähren, namentlich indem sie Visa für Militär- und Zivilkräfte der Vereinten Nationen unbeschadet ihrer Staatsangehörigkeit ausstellen, Stationierungsregelungen und Fluggenehmigungen erleichtern und logistische Unterstützung gewähren;

10. verlangt, dass die Regierung Sudans und die Regierung Südsudans den Einsatz des Dienstes der Vereinten Nationen für Antiminenprogramme sowie die Erfassung und Räumung von Minen im Gebiet Abyei erleichtern;

11. verlangt, dass alle beteiligten Parteien im Einklang mit dem anwendbaren humanitären Völkerrecht dem humanitären Personal vollen, sicheren und ungehinderten Zugang zu hilfebedürftigen Zivilpersonen gewähren und alle für seine Tätigkeit notwendigen Einrichtungen bereitstellen;

- 56 - 12. ersucht den Generalsekretär, für eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte und die Aufnahme der Ergebnisse in seine Berichte an den Rat zu sorgen, und fordert die Regierung Sudans und die Regierung Südsudans auf, zu diesem Zweck uneingeschränkt mit dem Generalsekretär zusammenzuarbeiten, so auch indem sie Visa für das betreffende Personal der Vereinten Nationen ausstellen;

13. ersucht den Generalsekretär, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die UNISFA die Nulltoleranzpolitik der Vereinten Nationen gegenüber sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch uneingeschränkt beachtet, und den Rat über Fälle solchen Verhaltens unterrichtet zu halten;

14. betont, dass eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Regierung Sudans und der Regierung Südsudans auch für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität und für ihre künftigen Beziehungen von grundlegender Bedeutung ist;

15. ersucht den Generalsekretär, den Rat auch weiterhin alle 60 Tage über die Fortschritte bei der Durchführung des Mandats der UNISFA zu unterrichten und ihm auch weiterhin alle schweren Verstöße gegen die genannten Abkommen sofort zur Kenntnis zu bringen;

16. nimmt Kenntnis von den Anstrengungen des Generalsekretärs, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Missionen der Vereinten Nationen in der Region zu gewährleisten, namentlich der UNISFA, der Mission der Vereinten Nationen in Südsudan und dem Hybriden Einsatz der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur, und ersucht ihn, diese Praxis fortzusetzen;

17. beschließt, mit dieser Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2048 (2012) verabschiedet auf der 6774. Sitzung des Sicherheitsrats am 18. Mai 2012 (Guinea-Bissau)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf die Erklärung seiner Präsidentin vom 21. April 2012 (S/PRST/2012/15) und die Presseerklärungen vom 12. April und 8. Mai über die Situation in Guinea-Bissau, in Bekräftigung seiner nachdrücklichen Verurteilung des Militärputsches der militärischen Führung am 12. April, der den Abschluss des demokratischen Wahlprozesses in Guinea-Bissau in Frage gestellt hat, sowie der Einsetzung eines „Militärkommandos“ durch die Putschisten, unter Hinweis auf die einhellige Verurteilung des Militärputsches durch die interna- tionale Gemeinschaft, namentlich die Afrikanische Union, die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS), die Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder (CPLP), die Europäische Union und die Kommission für Friedenskonsolidierung,

- 57 - Kenntnis nehmend von den Maßnahmen, mit denen die Afrikanische Union, die ECOWAS, die CPLP und die Europäische Union auf die gegenwärtige Krise reagiert haben, sowie von den in Anbetracht des jüngsten Militärputsches unternommenen Vermittlungsbemühungen unter der Führung der ECOWAS, unterstreichend, dass es einer aktiven und engen Abstimmung zwischen den interna- tionalen Partnern bedarf, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen und eine umfassende Stabilisierungsstrategie auszuarbeiten, die Guinea-Bissau bei der Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Politik, der Sicherheit und der Entwicklung unterstützt,

Kenntnis nehmend von den Appellen der Regierung Guinea-Bissaus an den Sicherheitsrat, auf die gegenwärtige Krise zu reagieren,

Kenntnis nehmend von der Freilassung des Interimspräsidenten Raimundo Pereira, des Ministerpräsidenten Carlos Gomes Júnior und anderer inhaftierter Amtsträger, missbilligend, dass sich das „Militärkommando“ weiterhin weigert, den Forderungen des Rates nach der sofortigen Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung, der Wiedereinsetzung der rechtmäßigen demokratischen Regierung Guinea-Bissaus und der Wiederaufnahme des durch den Militärputsch unterbrochenen Wahlprozesses Folge zu leisten, mit dem Ausdruck der Besorgnis über die Meldungen über Plünderungen, unter anderem von Staatseigentum, Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, namentlich willkürliche Inhaftierungen, die Misshandlung Inhaftierter, die Unterdrückung friedlicher Demonstrationen und die vom „Militärkommando“ verhängten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mehrerer Personen, worauf in dem Sonderbericht des Generalsekretärs über die Situation in Guinea-Bissau (S/2012/280) hingewiesen wird, und unterstreichend, dass diejenigen, die für diese Verletzungen und Verstöße verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden müssen, in Bekräftigung seiner Verurteilung aller Gewalthandlungen, namentlich gegen Frauen und Kinder, und betonend, dass Gewalt verhindert werden muss, mit tiefer Besorgnis Kenntnis nehmend von der besorgniserregenden humanitären Lage, die durch den Staatsstreich und seine negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit in dem Land entstanden ist, betonend, wie wichtig die Durchführung der Reform des Sicherheitssektors, einschließlich der Ausübung einer wirksamen und verantwortungsvollen zivilen Kontrolle über die Sicherheitskräfte, als ein entscheidendes Element für die langfristige Stabilität in Guinea-Bissau ist, wie in dem Fahrplan Guinea-Bissaus, der ECOWAS und der CPLP vorgesehen, und unterstreichend, dass die Polizeikräfte in Guinea-Bissau die Verantwortung für den Schutz der staatlichen Institutionen und der Zivilbevölkerung tragen, unter Missbilligung der wiederholten rechtswidrigen Einmischung der Militärführung in den politischen Prozess in Guinea-Bissau und besorgt darüber, dass die Einmischung des Militärs in die Politik und die Auswirkungen des unerlaubten Drogenhandels und der organisierten Kriminalität in Guinea-Bissau die

- 58 - Anstrengungen zur Herstellung von Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung und zur Bekämpfung von Straflosigkeit und Korruption erheblich beeinträchtigt haben, mit dem Ausdruck großer Besorgnis über die negativen Auswirkungen des unerlaubten Drogenhandels und der organisierten Kriminalität auf Guinea-Bissau und die Subregion, mit dem Ausdruck tiefer Besorgnis über eine mögliche Zunahme des unerlaubten Drogenhandels infolge des Militärputsches, unterstreichend, dass jede dauerhafte Lösung für die Instabilität in Guinea-Bissau konkrete Maßnahmen umfassen soll, die darauf gerichtet sind, die Straflosigkeit zu bekämpfen und sicherzustellen, dass diejenigen, die für politisch motivierte Morde und andere schwere Verbrechen wie Aktivitäten im Zusammenhang mit dem unerlaubten Drogenhandel und Verstöße gegen die verfassungsmäßige Ordnung verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden, ferner unterstreichend, wie wichtig Stabilität und gute Regierungsführung für eine dauerhafte soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Guinea-Bissau sind, in Bekräftigung der Notwendigkeit, die Souveränität, Einheit und territoriale Unversehrtheit Guinea-Bissaus zu wahren und zu achten, eingedenk dessen, dass er nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt, tätig werdend nach Kapitel VII Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen,

1. verlangt, dass das „Militärkommando“ unverzüglich Schritte zur Wiederherstellung und Achtung der verfassungsmäßigen Ordnung, einschließlich eines demokratischen Wahlprozesses, ergreift und zu diesem Zweck dafür sorgt, dass alle Soldaten in die Kasernen zurückkehren und dass die Mitglieder des „Militärkommandos“ ihre Machtpositionen aufgeben;

2. betont, dass alle nationalen Akteure und internationalen bilateralen und multilateralen Partner Guinea-Bissaus der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung, wie in Ziffer 1 vorgesehen, verpflichtet bleiben müssen, und legt in diesem Zusammenhang der ECOWAS nahe, ihre Vermittlungsbemühungen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in enger Abstimmung mit den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der CPLP fortzusetzen;

3. ersucht den Generalsekretär, aktiv an diesem Prozess mitzuwirken, um die jeweiligen Positionen der internationalen bilateralen und multilateralen Partner, insbesondere der Afrikanischen Union, der ECOWAS, der CPLP und der Europäischen Union, in Einklang zu bringen und ein Höchstmaß an Koordinierung und Komplementarität der internationalen Maßnahmen sicherzustellen, mit dem Ziel, eine umfassende integrierte Strategie samt konkreten Maßnahmen zur Durchführung der Reform des Sicherheitssektors und politischer und wirtschaftlicher Reformen sowie zur Bekämpfung des Drogenhandels und der Straflosigkeit zu entwickeln; - 59 - Reiseverbot

4. beschließt, dass alle Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden, um zu verhindern, dass die in der Anlage zu dieser Resolution genannten oder von dem Ausschuss nach Ziffer 9 benannten Personen in ihr Hoheitsgebiet einreisen oder durch ihr Hoheitsgebiet durchreisen, wobei kein Staat durch diese Bestimmung verpflichtet wird, seinen eigenen Staatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet zu verweigern;

5. beschließt, dass die mit Ziffer 4 verhängten Maßnahmen keine Anwendung finden,

a) wenn der Ausschuss von Fall zu Fall bestimmt, dass die betreffende Reise aus humanitären Gründen, einschließlich religiöser Verpflichtungen, gerechtfertigt ist;

b) wenn die Ein- oder Durchreise zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens erforderlich ist;

c) wenn der Ausschuss von Fall zu Fall bestimmt, dass eine Ausnahme die Ziele des Friedens und der nationalen Aussöhnung in Guinea-Bissau und der Stabilität in der Region fördern würde;

Benennungskriterien

6. beschließt, dass die in Ziffer 4 genannten Maßnahmen auf die von dem Ausschuss gemäß Ziffer 9 b) benannten Personen Anwendung finden, die

a) die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung zu verhindern suchen oder Maßnahmen zur Untergrabung der Stabilität in Guinea-Bissau ergreifen, insbesondere diejenigen, die bei dem Staatsstreich vom 12. April 2012 eine führende Rolle gespielt haben und die durch ihr Handeln darauf abzielen, die Rechtsstaatlichkeit zu unterhöhlen, den Primat der zivilen Gewalt zu beschneiden und Straflosigkeit und Instabilität in dem Land zu fördern;

b) für die unter Buchstabe a) genannten Personen, in deren Namen oder auf deren Anweisung handeln oder sie auf andere Weise unterstützen oder finanzieren;

7. stellt fest, dass zu solchen Mitteln der Unterstützung oder Finanzierung unter anderem die Erträge aus der organisierten Kriminalität, darunter aus dem unerlaubten Anbau und der unerlaubten Gewinnung von Suchtstoffen und ihren Ausgangsstoffen und dem unerlaubten Verkehr mit solchen Stoffen aus und über Guinea-Bissau, gehören;

8. legt den Mitgliedstaaten eindringlich nahe, dem Ausschuss die Namen von Personen vorzulegen, die die in Ziffer 6 festgelegten Kriterien erfüllen;

- 60 - Neuer Sanktionsausschuss

9. beschließt, im Einklang mit Regel 28 seiner vorläufigen Geschäftsordnung einen aus allen Ratsmitgliedern bestehenden Ausschuss des Sicherheitsrats („der Ausschuss“) einzusetzen, der die folgenden Aufgaben wahrnehmen wird:

a) die Durchführung der in Ziffer 4 verhängten Maßnahmen zu überwachen;

b) die Personen zu benennen, die den mit Ziffer 4 verhängten Maßnahmen unterliegen, und Anträge auf Ausnahmen gemäß Ziffer 5 zu prüfen;

c) die erforderlichen Richtlinien zur Erleichterung der Durchführung der verhängten Maßnahmen festzulegen;

d) dem Sicherheitsrat innerhalb von dreißig Tagen den ersten Bericht über seine Arbeit vorzulegen und ihm danach Bericht zu erstatten, wenn der Ausschuss es für notwendig erachtet;

e) einen Dialog zwischen dem Ausschuss und interessierten Mitgliedstaaten und internationalen, regionalen und subregionalen Organisationen, insbesondere denjenigen in der Region, anzuregen, so auch indem Vertreter dieser Staaten oder Organisationen eingeladen werden, sich mit dem Ausschuss zu treffen, um die Durchführung der Maßnahmen zu erörtern;

f) von allen Staaten und internationalen, regionalen und subregionalen Organisationen alle von ihm für nützlich erachteten Informationen über die von ihnen unternommenen Schritte zur wirksamen Durchführung der verhängten Maßnahmen einzuholen;

g) Informationen über behauptete Verstöße gegen die in dieser Resolution enthaltenen Maßnahmen oder die Nichteinhaltung dieser Maßnahmen zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen;

10. fordert alle Mitgliedstaaten auf, dem Ausschuss innerhalb von 120 Tagen nach Verabschiedung dieser Resolution über die Schritte Bericht zu erstatten, die sie im Hinblick auf die wirksame Durchführung der Ziffer 4 unternommen haben;

11. ersucht den Generalsekretär, dem Rat innerhalb von 15 Tagen nach Verabschiedung dieser Resolution einen ersten Bericht über die Durchführung von Ziffer 1 vorzulegen und danach alle 90 Tage regelmäßig über die Durchführung aller ihrer Elemente sowie über die humanitäre Lage in Guinea- Bissau Bericht zu erstatten;

Entschlossenheit zur Überprüfung bekräftigt, dass er die Situation in Guinea Bissau laufend weiter verfolgen wird und dass er bereit sein wird, die Angemessenheit der in dieser Resolution enthaltenen Maßnahmen zu überprüfen, einschließlich ihrer Stärkung durch zusätzliche Maßnahmen, wie etwa ein Waffenembargo und finanzielle Maßnahmen, ihrer

- 61 - Änderung, Aussetzung oder Aufhebung, wenn dies zu einem bestimmten Zeitpunkt im Lichte der Fortschritte bei der Stabilisierung des Landes und der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung gemäß dieser Resolution erforderlich sein sollte;

beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Anlage

Reiseverbot

1. General António INJAI (auch bekannt unter dem Namen António INDJAI)

Staatsangehörigkeit: Guinea-Bissau

Geburtsdatum: 20. Januar 1955

Geburtsort: Encheia, Sektor Bissorá, Region Oio, Guinea-Bissau

Eltern: Wasna Injai und Quiritche Cofte

Offizielle Funktion: Generalleutnant – Stabschef der Streitkräfte

Reisepass: Diplomatenpass Nr. AAID00435

Ausstellungsdatum: 18.02.2010

Ausstellungsort: Guinea-Bissau

Gültig bis: 18.02.2013

António Injai war an der Planung und Anführung der Meuterei vom 1. April 2010, die zur rechtswidrigen Festnahme des Ministerpräsidenten, Carlos Gomes Júnior, und des damaligen Stabschefs der Streitkräfte, José Zamora Induta, führte, persönlich beteiligt. Während der Wahlperiode 2012 gab Injai in seiner Eigenschaft als Stabschef der Streitkräfte Erklärungen ab, in denen er drohte, die gewählten Amtsinhaber zu stürzen und den Wahlprozess zu beenden. António Injai war an der operativen Planung des Staatsstreichs vom 12. April 2012 beteiligt. Das erste Kommuniqué des „Militärkommandos“ nach dem Putsch wurde vom Generalstab der Streitkräfte unter der Führung von General Injai herausgegeben.

2. Generalmajor Mamadu TURE (auch bekannt unter dem Namen N’KRUMAH)

Staatsangehörigkeit: Guinea-Bissau

Geburtsdatum: 26. April 1947

Offizielle Funktion: Stellvertretender Stabschef der Streitkräfte

Reisepass: Diplomatenpass Nr. DA0002186

- 62 - Ausstellungsdatum: 30.03.2007

Ausstellungsort: Guinea-Bissau

Gültig bis: 26.08.2013

Mitglied des „Militärkommandos“, das die Verantwortung für den Staatsstreich vom 12. April 2012 übernommen hat.

3. General Estêvão NA MENA

Staatsangehörigkeit: Guinea-Bissau

Geburtsdatum: 7. März 1956

Offizielle Funktion: Generalinspekteur der Streitkräfte

Mitglied des „Militärkommandos“, das die Verantwortung für den Staatsstreich vom 12. April 2012 übernommen hat.

4. Brigadegeneral Ibraima CAMARÁ (auch bekannt unter dem Namen „Papa Camará“)

Staatsangehörigkeit: Guinea-Bissau

Geburtsdatum: 11. Mai 1964

Eltern: Suareba Camará und Sale Queita

Offizielle Funktion: Stabschef der Luftwaffe

Reisepass: Diplomatenpass Nr. AAID00437

Ausstellungsdatum: 18.02.2010

Ausstellungsort: Guinea-Bissau

Gültig bis: 18.02.2013

Mitglied des „Militärkommandos“, das die Verantwortung für den Staatsstreich vom 12. April 2012 übernommen hat.

5. Oberstleutnant Daba NAUALNA (auch bekannt unter dem Namen Daba Na Walna)

Staatsangehörigkeit: Guinea-Bissau

Geburtsdatum: 6. Juni 1966

Eltern: Samba Naualna und In-Uasne Nanfafe

Offizielle Funktion: Sprecher des „Militärkommandos“

- 63 - Reisepass: Reisepass Nr. SA000417

Ausstellungsdatum: 29.10.2003

Ausstellungsort: Guinea-Bissau

Gültig bis: 10.03.2013

Sprecher des „Militärkommandos“, das die Verantwortung für den Staatsstreich vom 12. April 2012 übernommen hat.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2049 (2012) verabschiedet auf der 6781. Sitzung des Sicherheitsrats am 7. Juni 2012 (Nichtverbreitung von Kernwaffen)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren einschlägigen Resolutionen, namentlich die Resolutionen 1696 (2006), 1737 (2006), 1747 (2007), 1803 (2008), 1835 (2008), 1887 (2009), 1929 (2010) und 1984 (2011), sowie die Erklärung seines Präsidenten vom 29. März 2006 (S/PRST/2006/15) und in Bekräftigung ihrer Bestimmungen, unter Hinweis darauf, dass gemäß Ziffer 29 der Resolution 1929 (2010) eine Sachverständigengruppe eingesetzt wurde, die unter der Leitung des Ausschusses des Sicherheitsrats nach Resolution 1737 (2006) („Ausschuss“) die in dieser Ziffer vorgesehenen Aufgaben ausführt, unter Hinweis auf den am 9. November 2011 vorgelegten Zwischenbericht der vom Generalsekretär gemäß Ziffer 29 der Resolution 1929 (2010) eingesetzten Sachverständigengruppe und auf den Schlussbericht der Gruppe vom 9. Mai 2012 (S/2012/395), unter Hinweis auf die in dem Bericht der Informellen Arbeitsgruppe des Sicherheits- rats für allgemeine Sanktionsfragen (S/2006/997) enthaltenen methodologischen Standards für die Berichte der Sanktionsüberwachungsmechanismen, in dieser Hinsicht betonend, wie wichtig glaubhafte, auf Tatsachen gestützte und unabhängige Bewertungen, Analysen und Empfehlungen sind, entsprechend dem in Ziffer 29 der Resolution 1929 (2010) festgelegten Mandat der Sachverständigengruppe, feststellend, dass die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihren Träger- systemen nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, das in Ziffer 29 der Resolution 1929 (2010) festgelegte Mandat der Sachverständigengruppe bis zum 9. Juli 2013 zu verlängern, bekundet seine Absicht, das Mandat spätestens am 9. Juni 2013 zu überprüfen und einen

- 64 - geeigneten Beschluss über eine weitere Verlängerung zu fassen, und ersucht den Generalsekretär, die dafür erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen;

2. ersucht die Sachverständigengruppe, dem Ausschuss spätestens am 9. Novem- ber 2012 einen Halbzeitbericht über ihre Arbeit vorzulegen, ersucht ferner darum, dass die Gruppe dem Rat nach Erörterung mit dem Ausschuss spätestens am 9. Dezember 2012 ihren Halbzeitbericht vorlegt, ersucht außerdem darum, dass die Gruppe dem Ausschuss spätestens dreißig Tage vor Ablauf ihres Mandats einen Schlussbericht samt Feststellungen und Empfehlungen vorlegt, und ersucht ferner darum, dass die Gruppe nach Erörterung mit dem Ausschuss dem Rat vor Ablauf ihres Mandats ihren Schlussbericht vorlegt;

3. ersucht die Sachverständigengruppe, dem Ausschuss spätestens dreißig Tage nach ihrer Wiederernennung ihr geplantes Arbeitsprogramm vorzulegen, legt dem Ausschuss nahe, dieses Arbeitsprogramm regelmäßig zu erörtern und sich mit der Gruppe regelmäßig über ihre Arbeit auszutauschen, und ersucht die Gruppe ferner, den Ausschuss über jede Aktualisierung dieses Arbeitsprogramms zu unterrichten;

4. bekundet seine Absicht, die Arbeit der Gruppe weiter zu verfolgen;

5. fordert alle Staaten, die zuständigen Organe der Vereinten Nationen und andere interessierte Parteien nachdrücklich auf, mit dem Ausschuss und der Sachverständigengruppe voll zusammenzuarbeiten, insbesondere indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über die Durchführung der mit den Resolutionen 1737 (2006), 1747 (2007), 1803 (2008) und 1929 (2010) verhängten Maßnahmen übermitteln;

6. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2050 (2012) verabschiedet auf der 6783. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Juni 2012 (Nichtverbreitung / Demokratische Volksrepublik Korea)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren einschlägigen Resolutionen, namentlich die Resolutionen 825 (1993), 1540 (2004), 1695 (2006), 1718 (2006), 1874 (2009), 1887 (2009), 1928 (2010) und 1985 (2011), sowie die Erklärungen seines Präsidenten vom 6. Oktober 2006 (S/PRST/2006/41), 13. April 2009 (S/PRST/2009/7) und 16. April 2012 (S/PRST/2012/13), unter Hinweis darauf, dass gemäß Ziffer 26 der Resolution 1874 (2009) eine Sachverständigengruppe eingesetzt wurde mit dem Auftrag, unter der Leitung des Ausschusses des Sicherheitsrats nach Resolution 1718 (2006) („Ausschuss“) die in dieser Ziffer vorgesehenen Aufgaben auszuführen,

- 65 - unter Hinweis auf den am 12. November 2011 vorgelegten Zwischenbericht der vom Generalsekretär gemäß Ziffer 26 der Resolution 1874 (2009) eingesetzten Sachverständigengruppe und auf den Schlussbericht der Gruppe vom 12. Mai 2012 (S/2012/422), unter Hinweis auf die in dem Bericht der Informellen Arbeitsgruppe des Sicherheits- rats für allgemeine Sanktionsfragen (S/2006/997) enthaltenen methodologischen Standards für die Berichte der Sanktionsüberwachungsmechanismen, in dieser Hinsicht betonend, wie wichtig glaubhafte, auf Tatsachen gestützte und unabhängige Bewertungen, Analysen und Empfehlungen sind, entsprechend dem in Ziffer 26 der Resolution 1874 (2009) festgelegten Mandat der Sachverständigengruppe, feststellend, dass die Verbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Waffen so- wie ihrer Trägersysteme nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, das in Ziffer 26 der Resolution 1874 (2009) festgelegte Mandat der Sachverständigengruppe bis zum 12. Juli 2013 zu verlängern, bekundet seine Absicht, das Mandat spätestens am 12. Juni 2013 zu überprüfen und einen geeigneten Beschluss über eine weitere Verlängerung zu fassen, und ersucht den Generalsekretär, die dafür erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen;

2. ersucht die Sachverständigengruppe, dem Ausschuss spätestens am 12. November 2012 einen Halbzeitbericht über ihre Arbeit vorzulegen, ersucht ferner darum, dass die Gruppe dem Rat nach Erörterung mit dem Ausschuss spätestens am 12. Dezember 2012 ihren Halbzeitbericht vorlegt, ersucht außerdem darum, dass die Gruppe dem Ausschuss spätestens dreißig Tage vor Ablauf ihres Mandats einen Schlussbericht samt Feststellungen und Empfehlungen vorlegt, und ersucht ferner darum, dass die Gruppe nach Erörterung mit dem Ausschuss dem Rat vor Ablauf ihres Mandats ihren Schlussbericht vorlegt;

3. ersucht die Sachverständigengruppe, dem Ausschuss spätestens dreißig Tage nach ihrer Wiederernennung ihr geplantes Arbeitsprogramm vorzulegen, legt dem Ausschuss nahe, dieses Arbeitsprogramm regelmäßig zu erörtern und sich mit der Gruppe regelmäßig über ihre Arbeit auszutauschen, und ersucht die Gruppe ferner, den Ausschuss über jede Aktualisierung dieses Arbeitsprogramms zu unterrichten;

4. bekundet seine Absicht, die Arbeit der Gruppe weiter zu verfolgen;

- 66 - 5. fordert alle Staaten, die zuständigen Organe der Vereinten Nationen und andere interessierte Parteien nachdrücklich auf, mit dem Ausschuss und der Sachverständigengruppe voll zusammenzuarbeiten, insbesondere indem sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über die Durchführung der mit den Resolutionen 1718 (2006) und 1874 (2009) verhängten Maßnahmen übermitteln;

6. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2051 (2012) verabschiedet auf der 6784. Sitzung des Sicherheitsrats am 12. Juni 2012 (Jemen)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine Resolution 2014 (2011) und die Erklärung seines Präsidenten vom 29. März 2012, mit dem Ausdruck großer Besorgnis über die politische, sicherheitsbezogene, wirt- schaftliche und humanitäre Situation in Jemen, in Bekräftigung seines nachdrücklichen Bekenntnisses zur Einheit, Souveränität, poli- tischen Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit Jemens, unter Begrüßung der Erklärung des Generalsekretärs vom 21. Mai 2012, in der er al- len Seiten nahelegte, bei der Umsetzung der Vereinbarung über den politischen Übergang Jemens im Einklang mit Resolution 2014 (2011) des Sicherheitsrats eine umfassende und konstruktive Rolle wahrzunehmen,

Kenntnis nehmend von der im Anschluss an das Ministertreffen der Freunde Jemens am 23. Mai 2012 in Riad abgegebenen Erklärung der Kovorsitzenden und von der zum Ausdruck gebrachten Unterstützung für die Vereinbarung über den politischen Übergang im Einklang mit der Initiative des Golf-Kooperationsrats und ihrem Umsetzungsmechanismus, einschließlich des Vorschlags des Königreichs Saudi- Arabien, Ende Juni 2012 ein Gebertreffen auszurichten, mit dem Ausdruck großer Besorgnis über die Sicherheitslage und die anhaltenden, ins-besondere von Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel verübten Terroranschläge in Jemen und bekräftigend, dass der Terrorismus in allen seinen Arten und Erscheinungsformen eine der schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt und dass alle terroristischen Handlungen verbrecherisch und nicht zu rechtfertigen sind, un-geachtet ihrer Beweggründe, unter Verurteilung aller gegen Zivilpersonen, Erdöl-, Gas- und Strominfrastrukturen und gegen die rechtmäßigen Behörden gerichteten Terroranschläge und sonstigen Angriffe, einschließlich derjenigen, die das Ziel haben, den politischen Prozess in Jemen zu untergraben, namentlich der Anschlag in Sanaa am 21. Mai 2012, feststellend, dass Jemen vor enormen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderun- gen steht, durch die für viele Jemeniten ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe entstanden ist, - 67 - begrüßend, dass die Regierung der nationalen Einheit einen Schwerpunkt auf die kurzfristige Stabilisierung der Wirtschaft mittels der Durchführung des Programms der Schnellkreditfazilität des Internationalen Währungsfonds legt, betonend, dass die Situation in Jemen am besten durch einen friedlichen, alle Seiten einschließenden, geordneten und von Jemeniten geleiteten politischen Übergangsprozess gelöst werden kann, der den berechtigten Forderungen und Bestrebungen des jemenitischen Volkes nach friedlichem Wandel und sinnvollen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen entspricht, wie in der Initiative des Golf-Kooperationsrats und ihrem Umsetzungsmechanismus sowie in Resolution 2014 (2011) festgelegt, unter Hinweis darauf, dass der Übergangsprozess die Mitwirkung und die Zusammenarbeit aller Seiten in Jemen erfordert, einschließlich der Gruppen, die an der Initiative des Golf-Kooperationsrats und ihrem Umsetzungsmechanismus nicht beteiligt waren, mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über die jüngste Verschlechterung der Zusammenarbeit zwischen einigen politischen Akteuren und über Handlungen, die sich nachteilig auf den politischen Übergangsprozess auswirken oder ihn verzögern könnten, erneut darauf hinweisend, dass den internationalen Normen entsprechende umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchungen der mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen und -verstöße durchgeführt werden müssen, damit ihre Urheber voll zur Rechenschaft gezogen werden, unter Begrüßung des fortgesetzten Engagements im Rahmen der Guten Dienste des Generalsekretärs, einschließlich der Besuche seines Sonderberaters, Herrn Jamal Benomars, in Jemen, eingedenk dessen, dass er nach der Charta der Vereinten Nationen die Hauptverant- wortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt, und her-vorhebend, dass bei der Durchführung der Initiative des Golf- Kooperationsrats und ihres Umsetzungsmechanismus Fortschritte erzielt werden müssen, um eine weitere Verschlechterung der humanitären und der Sicherheitslage in Jemen, die den Frieden und die Sicherheit in der Region gefährdet, zu vermeiden,

1. bekräftigt die Notwendigkeit, die Initiative des Golf-Kooperationsrats und ihren Umsetzungsmechanismus im Einklang mit Resolution 2014 (2011) vollständig und rasch durchzuführen;

2. fordert alle Seiten in Jemen auf, sofort der Anwendung von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele zu entsagen;

3. stellt fest, dass die zweite Phase des Übergangsprozesses entsprechend dem Umsetzungsmechanismus darauf ausgerichtet sein soll,

a) eine alle Seiten einschließende Konferenz des nationalen Dialogs einzuberufen,

- 68 - b) die Sicherheits- und Streitkräfte unter einer geeinten professionellen nationalen Führungsstruktur umzugliedern und alle bewaffneten Auseinandersetzungen zu beenden,

c) Schritte zur Unrechtsaufarbeitung und zur Unterstützung der nationalen Aussöhnung einzuleiten,

d) Verfassungs- und Wahlreformen durchzuführen und spätestens im Februar 2014 allgemeine Wahlen abzuhalten;

4. unterstützt die Anstrengungen, die Präsident Abd Rabbuh Mansour Hadi und die Regierung der nationalen Einheit unternehmen, um den Übergangsprozess voranzubringen, namentlich über die Reform des Sicherheitssektors und Veränderungen bei den Ernennungen in Spitzenpositionen der Sicherheits- und Streitkräfte, und die Einleitung des Vorbereitungsprozesses für die Einberufung der Konferenz des nationalen Dialogs;

5. betont, wie wichtig die Durchführung einer alle Seiten einschließenden, partizipativen, transparenten und sinnvollen Konferenz des nationalen Dialogs ist, unter Einbeziehung der Jugend- und Frauengruppen, und fordert alle Akteure in Jemen auf, sich aktiv und konstruktiv an diesem Prozess zu beteiligen;

6. verlangt die Einstellung aller Handlungen, die das Ziel verfolgen, die Regierung der nationalen Einheit und den politischen Übergang zu untergraben, einschließlich der an-haltenden Anschläge auf Erdöl-, Gas- und Strominfrastrukturen, und der Einmischung in Entscheidungen über die Neustrukturierung der Streit- und Sicherheitskräfte, durch die die Durchführung der Präsidentendekrete vom 6. April 2012 über die Ernennung militärischer und ziviler Amtsträger behindert wird, und bekundet seine Bereitschaft, weitere Maßnahmen, einschließlich nach Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen, zu erwägen, falls diese Handlungen anhalten;

7. betont, dass alle für Menschenrechtsverletzungen und -verstöße verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden müssen, und unterstreicht, dass eine den internationalen Normen entsprechende umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung der mutmaßlichen Menschenrechtsverstöße und - verletzungen durchgeführt wer-den muss, um Straflosigkeit zu verhindern und sicherzustellen, dass die Urheber voll zur Rechenschaft gezogen werden;

8. stellt mit Besorgnis fest, dass bewaffnete Gruppen und bestimmte Elemente des Militärs nach wie vor Kinder einziehen und einsetzen, und fordert weitere nationale Anstrengungen, dem Einsatz und der Einziehung von Kindersoldaten entgegenzuwirken;

9. erinnert die jemenitische Regierung und die anderen Akteure an die Notwendigkeit, die während der Krise widerrechtlich inhaftierten Demonstranten sofort freizulassen;

10. fordert die jemenitische Regierung nachdrücklich auf, ohne weitere Verzögerung Gesetze zur Unrechtsaufarbeitung zu erlassen, um die Aussöhnung zu unterstützen;

- 69 - 11. fordert alle Parteien auf, das anwendbare Völkerrecht, einschließlich des huma- nitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen, einzuhalten;

12. fordert die internationale Gemeinschaft, namentlich die Vereinten Nationen und den Golf-Kooperationsrat, insbesondere über die Freunde Jemens, auf, aktive und zunehmende Unterstützung zu gewähren, um der jemenitischen Regierung bei der Bewältigung der anstehenden politischen, sicherheitsbezogenen, wirtschaftlichen und humanitären Herausforderungen zu helfen;

13. ermutigt die internationale Gemeinschaft, humanitäre Hilfe für Jemen zu ge- währen, fordert die volle Finanzierung des Plans für humanitäre Maßnahmen 2012 und er-sucht in dieser Hinsicht alle Parteien in Jemen, den sicheren und ungehinderten humanitären Zugang zu erleichtern, um die Bereitstellung von Hilfe für notleidende Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten;

14. betont, wie wichtig es ist, dass die Regierung der nationalen Einheit ihren Zwei- jahres-Entwicklungsplan fertigstellt und darüber Einvernehmen erzielt, um vorrangige Politikbereiche und Finanzierungsmodalitäten sowie Schlüsselbereiche für Reformen zu bestimmen, und ersucht alle Geber, den Entwicklungsplan über die bestehenden Finanzierungsmodalitäten zu unterstützen und zu der bevorstehenden Geberkonferenz beizutragen;

15. bekundet seine Besorgnis über die steigende Zahl der Anschläge, die von Al- Qaida auf der Arabischen Halbinsel verübt oder unterstützt werden, und seine Entschlossenheit, gegen diese Bedrohung im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und dem Völkerrecht, namentlich den anwendbaren Normen auf dem Gebiet der Menschenrechte, des Flüchtlingsrechts und des humanitären Rechts, vorzugehen;

16. ersucht den Generalsekretär, seine Guten Dienste fortzusetzen, namentlich über die Anstrengungen seines Sonderberaters, Jamal Benomar, betont, wie wichtig es ist, dass sie sich eng mit den internationalen Partnern abstimmen, um zu einem erfolgreichen Übergang in Jemen beizutragen, und begrüßt in dieser Hinsicht das politische Engagement der Vereinten Nationen durch eine kleine, aus einem Team von Sachverständigen bestehende Präsenz in Jemen zur Unterstützung der Durchführung des Übergangsprozesses und zur Beratung der Parteien im Zusammenwirken mit der Regierung Jemens, insbesondere zur Unterstützung des Prozesses des nationalen Dialogs;

17. ersucht den Generalsekretär, die Hilfe der internationalen Gemeinschaft zur Un- terstützung des nationalen Dialogs und des Übergangs auch weiterhin zu koordinieren, wie dies im Umsetzungsmechanismus der Initiative des Golf- Kooperationsrats gefordert wird;

18. ersucht den Generalsekretär, weiter alle 60 Tage über die Entwicklungen in Je- men Bericht zu erstatten;

19. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

- 70 - Resolution 2052 (2012) verabschiedet auf der 6791. Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Juni 2012 (Nahen Osten)

Der Sicherheitsrat, besorgt feststellend, dass die Situation im Nahen Osten angespannt ist, woran sich voraussichtlich auch nichts ändern wird, solange keine umfassende, alle Aspekte des Nahost-Problems einbeziehende Regelung erzielt werden kann, nach Behandlung des Berichts des Gneralsekretärs vom 30. Juni 2012 über die Beobachtertruppe der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung (UNDOF) (S/2012/403) sowie in Bekräftigung seiner Resolution 1308 (2000) vom 17. Juli 2000, mit dem Ausdruck seiner tiefen Besorgnis über alle Verstöße gegen das Truppenentflechtungsabkommen, insbesondere über den Verstoß durch die Streitkräfte der Arabischen Republik Syrien am 1. März, bei dem diese in die Pufferzone eindrangen, unter entschiedener Missbilligung der Vorfälle vom 5. und 12. März, als Schüsse auf Teams der Beobachtergruppe Golan abgefeuert wurden, insbesondere des Vorfalls vom 12. März, als ein Soldat von der „Bravo“-Seite in der Zone eingeschränkter Stationierung Schüsse abgab, ferner mit dem Ausdruck seiner Besorgnis über den Vorfall vom 26. Februar, als Soldaten auf der „Alpha“-Seite Schüsse in die Pufferzone abfeuerten, sich der Feststellung des Generalsekretärs anschließend, wonach die Ereignisse an anderen Orten Syriens sich jetzt auch im Verantwortungsbereich der UNDOF bemerkbar machen,

1. fordert die beteiligten Parteien zur sofortigen Durchführung seiner Resolution 338 (1973) vom 22. Oktober 1973 auf;

2. fordert alle Parteien auf, bei den Einsätzen der UNDOF voll zu kooperieren und die Sicherheit sowie den ungehinderten und sofortigen Zugang des Personals der Vereinten Nationen bei der Wahrnehmung seines Mandats zu gewährleisten, im Einklang mit den bestehenden Vereinbarungen;

3. betont, dass beide Parteien verpflichtet sind, das Truppenentflechtungsabkommen von 1974 strikt und vollständig einzuhalten, und fordert die Parteien auf, größte Zurückhaltung zu üben und Verletzungen der Waffenruhe und der Pufferzone zu verhindern;

4. begrüßt die Anstrengungen, die die Beobachtertruppe der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung unternimmt, um die Nulltoleranzpolitik des Generalsekretärs gegenüber sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch umzusetzen und sicherzustellen, dass ihr Personal den Verhaltenskodex der Vereinten Nationen uneingeschränkt einhält, ersucht den Generalsekretär, auch weiterhin alle diesbezüglich notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und den Sicherheitsrat unterrichtet zu halten, und fordert die truppenstellenden Länder nachdrücklich auf, Präventiv- und Disziplinarmaßnahmen zu ergreifen, um

- 71 - sicherzustellen, dass derartige Handlungen in Fällen, an denen ihr Personal beteiligt ist, ordnungsgemäß untersucht und bestraft werden;

5. stellt fest, dass die Umsetzung der Empfehlungen, die aus der in seiner Resolution 2028 (2011) erbetenen Bewertung der operativen Kapazitäten der UNDOF hervorgegangen sind, erheblich vorangekommen ist, was die Wartung und Modernisierung der Ausrüstung und der Infrastruktur der Truppe betrifft;

6. beschließt, das Mandat der Beobachtertruppe der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung um einen Zeitraum von sechs Monaten, das heißt bis zum 31. Dezember 2012, zu verlängern;

7. ersucht den Generalsekretär, am Ende dieses Zeitraums einen Bericht über die Entwicklung der Lage und die zur Durchführung der Resolution 338 (1973) getroffenen Maßnahmen vorzulegen.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2053 (2012) verabschiedet auf der 6792. Sitzung des Sicherheitsrats am 27. Juni 2012 (Kongo)

Der Sicherheitsrat, unter Hinweis auf seine früheren Resolutionen sowie die Erklärungen seines Präsidenten betreffend die Demokratische Republik Kongo, in Bekräftigung seines Bekenntnisses zur Souveränität, territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo, betonend, dass die Regierung der Demokratischen Republik Kongo die Hauptverantwortung dafür trägt, unter Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts die Sicherheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten und die Zivilbevölkerung zu schützen, in der Erkenntnis, dass in der gesamten Demokratischen Republik Kongo positive Entwicklungen im Hinblick auf die Festigung des Friedens und der Stabilität eingetreten sind, jedoch betonend, dass nach wie vor ernste Probleme bestehen, insbesondere in den östlichen Provinzen, darunter die anhaltende Präsenz bewaffneter Gruppen in den Kivus und in der Provinz Orientale, schwere Missbräuche und Verletzungen der Menschenrechte und Gewalthandlungen gegenüber Zivilpersonen, begrenzte Fortschritte beim Aufbau professioneller und rechenschaftspflichtiger nationaler Sicherheits- und Rechtsstaatsinstitutionen und die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen, mit dem Ausdruck seiner tiefen Besorgnis über die sich verschlechternde Sicherheitslage in den östlichen Provinzen der Demokratischen Republik Kongo, namentlich die Angriffe bewaffneter Gruppen, die Angriffe auf Friedenssicherungskräfte und humanitäres Personal, wodurch der Zugang für die humanitäre Hilfe zu Konfliktgebieten, in denen gefährdete Gruppen der Zivilbevölkerung leben, beschränkt wird, und über die Vertreibung von

- 72 - Zehntausenden Zivilpersonen und mit der Aufforderung an alle bewaffneten Gruppen, die Feindseligkeiten einzustellen, einschließlich aller an Zivilpersonen verübten Gewalthandlungen, und dringend den ungehinderten Zugang für die humanitäre Hilfe zu ermöglichen, betonend, dass die kongolesischen Behörden die Unregelmäßigkeiten und Probleme angehen müssen, die von nationalen und internationalen Beobachtern während der Präsidentschaftswahlen und allgemeinen Wahlen am 28. November 2011 festgestellt wurden, und dass rasche, alle einbeziehende, friedliche, glaubhafte und transparente Provinz- und Lokalwahlen abgehalten werden müssen, in Ermutigung der verstärkten regionalen Zusammenarbeit in der Region der Großen Seen und dazu ermutigend, weitere Anstrengungen zur Förderung des Friedens, der Stabilität und der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region zu unternehmen, auch über die bestehenden regionalen Mechanismen, anerkennend, wie wichtig es ist, die Friedenskonsolidierungsbemühungen zu unterstützen, um weitere Fortschritte bei der Stabilisierung des Landes zu erzielen, unterstreichend, wie wichtig die wirtschaftliche Entwicklung für die Gewährleistung der langfristigen Stabilisierung und der Friedenskonsolidierung ist, und betonend, dass es einer dauerhaften internationalen Unterstützung bedarf, um für frühzeitige Wiederherstellungsmaßnahmen zu sorgen und die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen, nachdrücklich darauf hinweisend, dass die Verknüpfung zwischen der unerlaubten Ausbeutung natürlicher Ressourcen, dem unerlaubten Handel damit sowie der Verbreitung von und dem Handel mit Waffen einer der Hauptfaktoren ist, die Konflikte in der Region der Großen Seen schüren und verschärfen, mit der nachdrücklichen Aufforderung an alle Staaten, insbesondere diejenigen in der Region, die mit seiner Resolution 1896 (2009) festgelegten Maßnahmen vollständig durchzuführen, erneut seine Entschlossenheit bekundend, die Durchführung und Einhaltung der mit Resolution 1896 (2009) und Ziffer 5 der Resolution 1807 (2008) festgelegten Maßnahmen weiterhin genau zu überwachen, und mit der nachdrücklichen Aufforderung an alle Staaten, gegebenenfalls im Einklang mit diesen Maßnahmen rechtliche Schritte gegen die Führer der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR) zu unternehmen, die sich in ihrem Land aufhalten, weiter höchst besorgt über die humanitäre Lage und das anhaltend hohe Ausmaß der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen gegenüber Zivilpersonen, unter Verurteilung inbesondere der gezielten Angriffe auf Zivilpersonen, der weit verbreiteten sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalt, der Einziehung und des Einsatzes von Kindern durch die am Konflikt beteiligten Parteien, insbesondere die Meuterer des ehemaligen Nationalkongresses zur Verteidigung des Volkes (ex-CNDP) und der Bewegung des 23. März (M23), der Vertreibung einer hohen Zahl von Zivilpersonen, der außergerichtlichen Hinrichtungen und der willkürlichen Festnahmen und der damit verbundenen schädlichen Auswirkungen auf die Stabilisierungs-, Wiederaufbau- und Entwicklungsbemühungen in der Demokratischen Republik Kongo, unter erneutem Hinweis auf die dringende Notwendigkeit, alle Urheber von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht rasch strafrechtlich zu verfolgen, und mit der nachdrücklichen Aufforderung an die Regierung der Demokratischen Republik Kongo, in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, dem Internationalen - 73 - Strafgerichtshof und anderen maßgeblichen Akteuren geeignete Maßnahmen zur Bewältigung dieser Probleme zu ergreifen und den Opfern sicherheitsbezogene, medizinische, rechtliche, humanitäre und sonstige Hilfe zu leisten, unter Hinweis auf seine Resolutionen 1325 (2000), 1820 (2008), 1888 (2009), 1889 (2009) und 1960 (2010) über Frauen und Frieden und Sicherheit, seine Resolution 1894 (2009) über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten und seine Resolutionen 1882 (2009) und 1998 (2011) über Kinder und bewaffnete Konflikte und unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe des Sicherheitsrats für Kinder und bewaffnete Konflikte, die sich auf die Parteien des bewaffneten Konflikts in der Demokratischen Republik Kongo beziehen, insbesondere in Bezug auf die Verabschiedung eines Aktionsplans zur Beendigung der Einziehung und des Einsatzes von Kindern, unter Begrüßung der Anstrengungen, die die Stabilisierungsmission der Organisation der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO) und internationale Partner unternehmen, um kongolesische Sicherheitskräfte in Fragen der Menschenrechte, des Kinderschutzes und des Schutzes vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu schulen, und unterstreichend, wie wichtig dies ist, unter Verurteilung aller Angriffe auf Friedenssicherungskräfte der Vereinten Nationen und humanitäres Personal, gleichviel von wem sie begangen werden, und betonend, dass die Verantwortlichen für derartige Angriffe vor Gericht gestellt werden müssen, in Anbetracht der erheblichen Opfer, die die MONUSCO gebracht hat, und mit dem Ausdruck seiner Anerkennung für ihre Anstrengungen zur Stärkung des Friedens und der Stabilität in der Demokratischen Republik Kongo, betonend, wie wichtig die anhaltende Unterstützung der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft für die langfristige Sicherheit und Entwicklung der Demokratischen Republik Kongo ist, den maßgeblichen internationalen Akteuren nahelegend, die Anstrengungen zu unterstützen und bei der Wiederherstellung grundlegender Dienste, insbesondere in den von Konflikten betroffenen Gebieten der Demokratischen Republik Kongo, behilflich zu sein, mit der erneuten Aufforderung an die Afrikanische Union und alle maßgeblichen subregionalen Organisationen, die Stabilisierungsmaßnahmen in der Demokratischen Republik Kongo weiter aktiv zu unterstützen, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Bekämpfung der unerlaubten Ausbeutung natürlicher Ressourcen und des unerlaubten Handels damit, unter Begrüßung der Anstrengungen der Afrikanischen Union zur Bekämpfung der von der Widerstandsarmee des Herrn (LRA) ausgehenden Bedrohung, die Absicht der MONUSCO begrüßend, logistische Unterstützung für die Einrichtung des Sektor- Hauptquartiers des Regionalen Einsatzverbands der Afrikanischen Union in Dungu bereitzustellen, und die Afrikanische Union ermutigend, weitere Informationen über die Durchführung der Initiative in der Demokratischen Republik Kongo zu übermitteln,

- 74 - Kenntnis nehmend von dem Bericht des Generalsekretärs vom 23. Mai 2012 über die Stabilisierungsmission der Organisation der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo und von den darin enthaltenen Empfehlungen, feststellend, dass die Situation in der Demokratischen Republik Kongo nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt, tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, das in den Ziffern 2, 11 und 12 a) bis p) und r) bis t) der Resolution 1925 (2010) festgelegte Mandat der MONUSCO bis zum 30. Juni 2013 zu verlängern, bekräftigt, dass bei Beschlüssen über den Einsatz der verfügbaren Fähigkeiten und Mittel dem Schutz der Zivilbevölkerung Vorrang eingeräumt werden muss, und ermutigt zum weiteren Einsatz der von der MONUSCO durchgeführten innovativen Maßnahmen zum Schutz von Zivilpersonen;

2. ersucht die MONUSCO erneut, im Einklang mit der mit Resolution 1925 (2010) erteilten Genehmigung im Rahmen ihrer mandatierten Personalstärke Reservekräfte bereitzuhalten, die rasch innerhalb des Landes verlegt werden können;

3. erklärt erneut, dass die Regierung der Demokratischen Republik Kongo die Hauptverantwortung für die Sicherheit, die nationale Aussöhnung, die Friedenskonsolidierung und die Entwicklung in dem Land trägt, legt der Regierung der Demokratischen Republik Kongo nahe, uneingeschränkt an ihrer Entschlossenheit zum Schutz der Zivilbevölkerung festzuhalten, indem sie professionelle, rechenschaftspflichtige und durchhaltefähige Sicherheitskräfte aufstellt, eine kongolesische Zivilverwaltung einsetzt, insbesondere Polizei, Justizbeamte und eine Gebietsverwaltung, und die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte gewährleistet, und ermutigt die Regierung, nichtmilitärische Lösungen als festen Bestandteil der Gesamtmaßnahmen zur Minderung der von kongolesischen und ausländischen bewaffneten Gruppen ausgehenden Bedrohung zu fördern und die volle staatliche Autorität in den von bewaffneten Gruppen freien Gebieten wiederherzustellen und die staatliche Autorität in dem gesamten Hoheitsgebiet zu konsolidieren;

4. erklärt erneut, dass künftige Umgliederungen der MONUSCO nach Maßgabe der Entwicklung der Lage vor Ort und der Erreichung der nachstehenden von der Regierung der Demokratischen Republik Kongo mit Unterstützung durch die Mission der Vereinten Nationen zu verfolgenden Ziele beschlossen werden sollten:

a) Abschluss der laufenden Militäroperationen in den Kivus und in der Provinz Orientale mit dem Ergebnis, dass die Bedrohung durch bewaffnete Gruppen auf ein Mindestmaß gesenkt und die Stabilität in anfälligen Gebieten wiederhergestellt wird;

b) Ausbau der Fähigkeit der Regierung der Demokratischen Republik Kongo zum wirksamen Schutz der Bevölkerung durch die Aufstellung professioneller, rechenschaftspflichtiger und tragfähiger Sicherheitskräfte,

- 75 - die schrittweise die Sicherheitsaufgaben der MONUSCO übernehmen sollen;

c) Konsolidierung der staatlichen Autorität durch die kongolesische Regierung im gesamten Hoheitsgebiet durch die Einsetzung einer kongolesischen Zivilverwaltung, insbesondere einer Polizei, einer Gebietsverwaltung und rechtsstaatlicher Institutionen in den von bewaffneten Gruppen freien Gebieten;

5. befürwortet die bestehende strategische Partnerschaft zwischen der kongolesischen Regierung und der MONUSCO, insbesondere über den gemeinsamen Bewertungsprozess, und ermutigt zur Fortsetzung der Bewertungsgespräche, damit der Sicherheitsrat die gemeinsamen Bewertungsberichte berücksichtigen kann, wenn er Beschlüsse über Umgliederungen der Mission fasst, im Einklang mit Ziffer 4 dieser Resolution und Ziffer 7 der Resolution 1925 (2010);

6. betont, dass der Schutz von Zivilpersonen zwar die Priorität der MONUSCO bleibt, dass jedoch die Reform des Sicherheitssektors den Schwerpunkt des in Ziffer 12 l) bis p), r) und s) der Resolution 1925 (2010) definierten Stabilisierungs- und Friedenskonsolidierungsmandats der Mission bilden soll, da diese Reform für die Erreichung der in Ziffer 4 festgelegten Ziele entscheidend ist;

7. ersucht die MONUSCO, eine strategische Prüfung der Umsetzung der Internationalen Strategie zur Unterstützung von Sicherheit und Stabilisierung durchzuführen und in diesem Zuge eine klare Definition der Stabilisierung im Kontext des Ostens der Demokratischen Republik Kongo sowie eine Strategie und einen Zeitplan für die Erreichung dieser Stabilisierungsziele vorzulegen, mit dem Ziel, ihre Anstrengungen zu verstärken und in enger Zusammenarbeit mit der Regierung der Demokratischen Republik Kongo sicherzustellen, dass diese Anstrengungen eng an dem Stabilisierungs- und Wiederaufbauplan der Regierung ausgerichtet sind und diesen wirksam unterstützen, ersucht ferner den Generalsekretär, die Ergebnisse dieser Prüfung seinem im Februar 2013 vorzulegenden Bericht als Anhang beizufügen, und legt den Gebern nahe, die zuständigen kongolesischen Behörden bei der vollen Umsetzung des Stabilisierungs- und Wiederaufbauplans zu unterstützen;

8. richtet die dringende Aufforderung an die Regierung der Demokratischen Republik Kongo, die die Hauptverantwortung für die Reform ihres Sicherheitssektors trägt, mit Unterstützung der MONUSCO eine landesweite umfassende Vision und Strategie für den Sicherheits- und Justizsektor zu operationalisieren und umzusetzen, namentlich auf dem Gebiet der Unrechtsaufarbeitung, um demokratische, rechenschaftspflichtige und professionelle nationale Sicherheits- und Justizinstitutionen zu schaffen;

9. unterstreicht die Notwendigkeit einer gesamtkongolesischen Strategie für die Reform des Sicherheitssektors, in deren Mittelpunkt die Professionalisierung der Institutionen des Sicherheitssektors, einschließlich der Aufsichtsorgane, steht und die dazu beiträgt, die Kohärenz, die Effizienz und die Vermeidung von Doppelungen oder Lücken zu gewährleisten, ermutigt gleichzeitig die Regierung der Demokratischen Republik Kongo, mit der MONUSCO eine neue strategische Partnerschaft auf dem Gebiet der Reform des Sicherheitssektors einzugehen, um

- 76 - die Prioritäten jeder Einzelkomponente dieses Sektors sowie mögliche neue Ansätze zu ermitteln, wie die MONUSCO die kongolesischen Behörden bei der Reform des Sicherheitssektors unterstützen kann, um die Kapazitäten des Militärs, der Polizei, der Justiz und anderer Sicherheitsinstitutionen auszubauen und so die kongolesische staatliche Autorität zu konsolidieren, und ersucht den Generalsekretär, in einem Anhang zu seinem im November vorzulegenden Bericht über diese Prioritäten und Ansätze Bericht zu erstatten;

10. fordert die kongolesischen Behörden auf, ihre internationalen Partner regelmäßig über ihre Prioritäten und Strategien zu unterrichten, ersucht die MONUSCO, die wirksame Koordinierung, Transparenz und Harmonisierung der Maßnahmen sowie eine klare Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten aller internationalen Partner zu unterstützen, die bei der Reform des Sicherheitssektors behilflich sind, fordert die Regierung in dieser Hinsicht auf, mit Unterstützung durch die MONUSCO die vom Ministerium für Planung bereits gesammelten Informationen über international unterstützte Projekte zur Reform des Sicherheitssektors strategisch zu nutzen, und fordert alle Mitgliedstaaten und die internationalen Organisationen auf, den Informationsaustausch zu verbessern und mit den kongolesischen Behörden und der MONUSCO in dieser Hinsicht voll zusammenzuarbeiten;

11. fordert die Regierung erneut auf, die Grundsatzfrage der Kohäsion der Nationalarmee anzugehen, namentlich indem sie einen wirksamen Überprüfungsmechanismus einrichtet und weiter gewährleistet, dass die ehemaligen bewaffneten Gruppen, insbesondere der Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes (CNDP), ordnungsgemäß in die Streitkräfte der Demokratischen Republik Kongo integriert werden, mit beratender Unterstützung durch die MONUSCO, ermutigt die Regierung, dafür zu sorgen, dass die Angehörigen der Nationalarmee rechtzeitig und angemessen bezahlt werden, im Einklang mit den geltenden Vorschriften für Befehlsgewalt und Kontrolle operieren und bei Verstoß gegen Vorschriften und Gesetze geeigneten Disziplinar- oder Justizmaßnahmen unterliegen, und verleiht erneut seiner Besorgnis darüber Ausdruck, dass in den kongolesischen Sicherheitskräften bekannte Personen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, befördert werden;

12. fordert die kongolesische Regierung nachdrücklich auf, das mehrjährige gemeinsame Justizunterstützungsprogramm der Vereinten Nationen mit Unterstützung der internationalen Partner umzusetzen, erinnert daran, dass alle Verbrechen, einschließlich Verbrechen an Frauen und Kindern, rasch untersucht werden und alle diejenigen, die solche Verbrechen begangen haben, insbesondere Bosco Ntaganda, festgenommen und vor Gericht gestellt werden müssen, und ermutigt die kongolesischen Behörden, ihre Anstrengungen zur Bekämpfung der Straflosigkeit aller Urheber von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht, auch soweit sie von illegalen bewaffneten Gruppen oder Elementen der kongolesischen Sicherheitskräfte verübt werden, fortzusetzen;

13. betont ferner, wie wichtig es ist, dass die kongolesische Regierung sich aktiv bemüht, die für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Land Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und zu diesem Zweck auf regionaler Ebene zusammenzuarbeiten, was auch die Zusammenarbeit mit - 77 - dem Internationalen Strafgerichtshof einschließt, fordert die MONUSCO auf, die kongolesischen Behörden in dieser Hinsicht zu unterstützen, und nimmt Kenntnis von den jüngsten positiven Schritten der kongolesischen Behörden zur Ergreifung von Bosco Ntaganda;

14. fordert die MONUSCO auf, auch weiterhin mit dem Landesteam der Vereinten Nationen und den kongolesischen Behörden darauf hinzuwirken, dass das Programm zur Friedenskonsolidierung für die nicht von dem Konflikt betroffenen Provinzen verabschiedet und umgesetzt wird, und ersucht die MONUSCO, nach Bedarf mit der Übertragung von Aufgaben an das Landesteam der Vereinten Nationen in diesen Provinzen fortzufahren;

15. fordert die kongolesischen Behörden nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass die Provinz- und Lokalwahlen rasch und in glaubhafter, friedlicher und transparenter Weise durchgeführt werden, wozu auch gehört, die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die volle und wirksame Teilhabe der Frauen am Wahlprozess zu gewährleisten, die Kontakte und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu verstärken, für gleichen Zugang zu den Medien, einschließlich staatlicher Medien, und für die Sicherheit aller Kandidaten sowie von Wahlbeobachtern und Zeugen, Journalisten, Menschenrechtsverteidigern und Akteuren der Zivilgesellschaft, einschließlich Frauen, zu sorgen;

16. beschließt, dass die MONUSCO die Organisation und Abhaltung der Provinz- und Lokalwahlen unterstützen wird, indem sie technische und logistische Unterstützung bereitstellt, im Einklang mit Ziffer 7 der Resolution 1991 (2011), beschließt ferner, dass diese Unterstützung laufend anhand der Fortschritte bewertet und überprüft werden wird, welche die kongolesischen Behörden dabei erzielen, die Glaubwürdigkeit der Unabhängigen Nationalen Wahlkommission zu erhöhen, sich auf tragfähige operative Pläne zu einigen, um internationale Unterstützung zu sichern, einen realistischen Zeitplan für die Wahlen zu verabschieden und auch künftig den vollen Zugang von Beobachtern und Vertretern der politischen Parteien zu allen Wahllokalen und Wahleinsätzen zu gewährleisten, erinnert daran, dass der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für die Demokratische Republik Kongo einen alle einschließenden und transparenten politischen Dialog zwischen den verschiedenen kongolesischen Interessenträgern, einschließlich Frauengruppen, fördern und erleichtern muss, unterstützt die Errichtung des Verfassungsgerichts durch die kongolesischen Behörden, fordert den Partnerschaftsausschuss für die Wahlen auf, regelmäßiger zusammenzutreten, um die internationale Unterstützung für den Wahlprozess genau zu beobachten und anzupassen, und ersucht den Generalsekretär, in seinem Bericht im November über diese Fortschritte Bericht zu erstatten;

17. begrüßt die positiven Schritte, die die kongolesische Regierung unternommen hat, um die im Kontext der Wahlen vom 28. November 2011 mutmaßlich begangenen Menschenrechtsverletzungen in Kinshasa zu untersuchen, legt der Regierung der Demokratischen Republik Kongo eindringlich nahe, die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen, fordert die Regierung der Demokratischen Republik Kongo auf, alle Menschenrechte im ganzen Land zu schützen und zu fördern und die volle Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Rechtes der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit, zu gewährleisten, im Lichte der für 2013 angesetzten Provinz- und Lokalwahlen, und beschließt, dass die MONUSCO - 78 - Menschenrechtsverletzungen weiterhin überwachen, melden und weiterverfolgen wird, so auch bei Bedarf unter Nutzung der Guten Dienste des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für die Demokratische Republik Kongo;

18. verlangt, dass alle bewaffneten Gruppen, insbesondere die Meuterer des ehemaligen Nationalkongresses zur Verteidigung des Volkes (ex-CNDP) und der Bewegung des 23. März, die FDLR, die LRA und die Allianz der demokratischen Kräfte/Nationale Armee für die Befreiung Ugandas (ADF/NALU), sofort alle gegen die Zivilbevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo gerichteten Formen von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegenüber Frauen und Kindern, einschließlich Vergewaltigungen und anderer Formen sexuellen Missbrauchs und der Einziehung von Kindern, einstellen und sich demobilisieren lassen;

19. verurteilt die jüngste Meuterei unter Führung von Bosco Ntaganda sowie jede von außen geleistete Unterstützung sämtlicher bewaffneter Gruppen und verlangt, dass alle Formen der Unterstützung für diese sofort eingestellt werden;

20. legt der Regierung der Demokratischen Republik Kongo eindringlich nahe, mit Unterstützung durch die MONUSCO ihre Aktionen gegen bewaffnete Gruppen, insbesondere die Meuterer des ex-CNDP und der Bewegung des 23. März, fortzusetzen, die Ordnung wiederherzustellen und die Täter vor Gericht zu bringen und dabei den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und die tieferen Ursachen der Instabilität, insbesondere die Auswirkungen der Rückkehr von Vertriebenen und Flüchtlingen und mögliche soziale Spannungen in Bezug auf Grund und Boden, anzugehen;

21. bekundet erneut seine Unterstützung für die jeweiligen Initiativen der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union mit dem Ziel, das regionale Vorgehen gegen die LRA zu erleichtern und Zivilpersonen zu schützen, legt den maßgeblichen Parteien nahe, verstärkt zusammenzuarbeiten, um die von der LRA ausgehende Bedrohung für Zivilpersonen beenden zu helfen, begrüßt die von der MONUSCO unternommenen Schritte zur Ausweitung des Informationsaustauschs und der Koordinierung mit denjenigen, die Militäroperationen gegen die LRA durchführen, und zur Förderung und Erleichterung von Desertionen aus der LRA, legt der MONUSCO nahe, sich mit den Missionen der Vereinten Nationen in der gesamten von der LRA betroffenen Region eng abzustimmen und im Rahmen ihrer Kapazitäten nach Bedarf technischen Sachverstand bereitzustellen, um die Regionalstrategie der Vereinten Nationen gegen die LRA voranzubringen, insbesondere im Hinblick auf die Entwaffnung, Demobilisierung, Repatriierung, Neuansiedlung und Wiedereingliederung, und ermutigt die MONUSCO, ihre Kontakte mit den von der LRA betroffenen Gemeinden und humanitären Partnern zu vertiefen und die Koordinierung und den Einsatz ihrer verfügbaren Ressourcen laufend zu überwachen, um ein Höchstmaß an Wirkung zu gewährleisten;

22. unterstreicht, dass dringend weitere Fortschritte dabei erzielt werden müssen, der Bedrohung durch ausländische und nationale bewaffnete Gruppen zu begegnen, insbesondere durch weitere Fortschritte bei dem Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung, Repatriierung, Neuansiedlung und Wiedereingliederung, fordert die internationale Gemeinschaft und die Geber nachdrücklich auf, die Regierung - 79 - der Demokratischen Republik Kongo und die MONUSCO bei dem Prozess zu unterstützen, fordert die Regierung der Demokratischen Republik Kongo und die Nachbarstaaten auf, an dem Prozess beteiligt zu bleiben, und fordert die Regierung nachdrücklich auf, das nationale Programm für die Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung der im östlichen Teil der Demokratischen Republik Kongo noch verbliebenen kongolesischen bewaffneten Elemente mit Unterstützung der MONUSCO voranzubringen;

23. ermutigt die Regierung der Demokratischen Republik Kongo, ihre Zusammenarbeit mit der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte und der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für sexuelle Gewalt in Konflikten weiter auszubauen und ohne weitere Verzögerung ihre Verpflichtung zu erfüllen, in enger Zusammenarbeit mit der MONUSCO einen Aktionsplan zur Beendigung der Einziehung und des Einsatzes von Kindern durch die Streitkräfte der Demokratischen Republik Kongo zu verabschieden und umzusetzen;

24. legt der MONUSCO nahe, ihre Kontakte zur Zivilbevölkerung zu verstärken, um ihr Mandat und ihre Tätigkeiten besser bekanntzumachen und das Verständnis dafür zu erhöhen und zuverlässige Informationen über Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverletzungen, die an Zivilpersonen begangen wurden, zu sammeln;

25. begrüßt die von den kongolesischen Behörden in der Frage der Rückverfolgung und Zertifikation von Mineralien unternommenen Schritte, befürwortet die weitere Zusammenarbeit in der gesamten Region, fordert nachdrücklich die Entmilitarisierung der Bergbaugebiete in der Demokratischen Republik Kongo und die Professionalisierung der kongolesischen Bergbaupolizei und ihre Entsendung in diese Gebiete, fordert die MONUSCO auf, den zuständigen kongolesischen Behörden dabei behilflich zu sein, die Unterstützung bewaffneter Gruppen aus unerlaubten Wirtschaftstätigkeiten und unerlaubtem Handel mit natürlichen Ressourcen zu verhindern, und insbesondere auch Stichprobenkontrollen und regelmäßige Besuche in Abbaustätten und auf Handelswegen und Märkten in der Umgebung der fünf Handelsplätze des Pilotprojekts durchzuführen, und legt der kongolesischen Regierung nahe, die Transparenz bei der Verwaltung der Verträge über Abbaurechte und bei der Einziehung von Steuern und der Rechenschaft darüber weiter zu erhöhen;

26. verlangt, dass alle Parteien bei den Einsätzen der MONUSCO voll kooperieren und im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts den vollen, sicheren, sofortigen und ungehinderten Zugang des Personals der Vereinten Nationen und des beigeordneten Personals bei der Wahrnehmung seines Mandats zu allen Hilfebedürftigen gestatten und die Auslieferung humanitärer Hilfe, insbesondere an Binnenvertriebene, im gesamten Hoheitsgebiet der Demokratischen Republik Kongo zulassen, einschließlich in den von der LRA betroffenen Gebieten, und ersucht den Generalsekretär, unverzüglich über jede Nichtbefolgung dieser Forderungen Bericht zu erstatten;

27. würdigt den Beitrag der truppen- und polizeistellenden Länder und der Geber zur MONUSCO, fordert die Mitgliedstaaten auf, die für die Mission noch benötigten Unterstützungskräfte, insbesondere militärische Lufteinsatzmittel, zuzusagen und

- 80 - bereitzustellen, und erinnert daran, wie wichtig enge Konsultationen mit den truppen- und polizeistellenden Ländern sind;

28. ersucht den Generalsekretär, bis zum 14. November 2012, 14. Februar 2013 und 24. Mai 2013 über die Fortschritte vor Ort Bericht zu erstatten, namentlich über die Fortschritte im Hinblick auf die in Ziffer 4 genannten Ziele, die empfohlenen Kriterien für die Messung der Fortschritte und die Auswirkungen des Prozesses der Entwaffnung, Demobilisierung, Repatriierung, Neuansiedlung und Wiedereingliederung auf die Stärke ausländischer bewaffneter Gruppen, und ersucht den Generalsekretär ferner, in seinen Bericht im November spezielle thematische Anhänge über die Bewertung des Wahlprozesses gemäß Ziffer 15 und über mögliche neue Ansätze zur Reform des Sicherheitssektors gemäß Ziffer 9 aufzunehmen und in seinen Bericht im Februar einen Anhang über die Überprüfung der Internationalen Strategie zur Unterstützung von Sicherheit und Stabilisierung gemäß Ziffer 7 und über die Strategien und Maßnahmen zur wirksamen Übertragung der Verantwortung für einige Aufgaben der MONUSCO auf Angehörige des Landesteams der Vereinten Nationen aufzunehmen;

29. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2054 (2012) verabschiedet auf der 6794. Sitzung des Sicherheitsrats am 29. Juni 2012 (Ruanda)

Der Sicherheitsrat, Kenntnis nehmend von dem Schreiben des Generalsekretärs vom 1. Juni 2012 an den Präsidenten des Sicherheitsrats (S/2012/392), dem ein Schreiben des Präsidenten des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda („Gerichtshof“) vom 21. Mai 2012 beigefügt ist, unter Hinweis auf seine Resolutionen 955 (1994) vom 8. November 1994, 1503 (2003) vom 28. August 2003 und 1534 (2004) vom 26. März 2004 sowie seine früheren Resolutionen betreffend den Gerichtshof, sowie unter Hinweis auf seine Resolution 1966 (2010) vom 22. Dezember 2010, mit der der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe („Mechanismus“) geschaffen und der Gerichtshof ersucht wurde, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um seine gesamte verbleibende Arbeit zügig und spätestens bis zum 31. Dezember 2014 abzuschließen, seine Auflösung vorzubereiten und für einen reibungslosen Übergang zu dem Mechanismus zu sorgen, ferner unter Hinweis darauf, dass die Abteilung des Mechanismus für den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda am 1. Juli 2012 ihre Tätigkeit aufnehmen wird, und unter Begrüßung der in dieser Hinsicht unternommenen vorbereitenden Schritte,

Kenntnis nehmend von den Einschätzungen des Gerichtshofs in seinem Bericht über die Arbeitsabschlussstrategie (S/2012/349) und von dem aktualisierten Terminkalender für die Hauptverfahren und Berufungsverfahren, - 81 - Kenntnis nehmend von der erfolgreichen Überweisung von Fällen zur strafrechtlichen Verfolgung an Ruanda und betonend, wie wichtig es ist, die angemessene Überwachung der überwiesenen Fälle zu gewährleisten und die Rechte der von dem Gerichtshof an Ruanda überstellten Angeklagten jederzeit zu achten, feststellend, dass ein ständiger Richter von der Strafkammer an die Berufungskammer versetzt werden wird und fünf Ad-Litem-Richter den Gerichtshof nach dem Abschluss der ihnen zugewiesenen Fälle vor dem 30. Juni 2012 verlassen werden,

Kenntnis nehmend von den vom Präsidenten und vom Ankläger des Gerichtshofs geäußerten Besorgnissen über Personalfragen und erneut erklärend, dass die Bindung von Personal für den raschen Abschluss der Tätigkeit des Gerichtshofs unerlässlich ist, mit Besorgnis feststellend, dass sich der Gerichtshof bei der Umsiedlung freigesprochener Personen und verurteilter Personen, die ihre Strafe verbüßt haben, nach wie vor Problemen gegenübersieht, und betonend, wie wichtig die erfolgreiche Umsiedlung dieser Personen ist, mit der nachdrücklichen Aufforderung an den Gerichtshof, alle ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Tätigkeit schnell abzuschließen, entsprechend dem Ersuchen in Resolution 1966 (2010), tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,

1. beschließt, dass Richter William H. Sekule (Vereinigte Republik Tansania), Richter Solomy Balungi Bossa (Uganda) und Richter Mparany Mamy Richard Rajohnson (Madagaskar) ungeachtet dessen, dass ihre Amtszeit am 30. Juni 2012 abläuft, ausnahmsweise weiter bei dem Gerichtshof tätig sein dürfen, und zwar bis zum 31. Dezember 2012 oder bis zur Erledigung des Falls Ngirabatware, mit dessen Behandlung sie vor Ablauf ihrer Amtszeit begonnen haben, und nimmt Kenntnis von der Absicht des Gerichtshofs, den Fall Ngirabatware bis zum 31. Dezember 2012 abzuschließen;

2. nimmt Kenntnis von der Absicht des Gerichtshofs, die gesamte verbleibende richterliche Arbeit bis zum 31. Dezember 2014 abzuschließen, und beschließt, die Amtszeit von Richter Vagn Joensen (Dänemark), die am 30. Juni 2012 abläuft, ausnahmsweise bis zum 31. Dezember 2014 zu verlängern, damit er die ihm als Richter der Strafkammer und Präsident des Gerichtshofs obliegenden Aufgaben weiter wahrnehmen und die Arbeit des Gerichtshofs abschließen kann, und bekundet seine Absicht, diesen Beschluss im Juni 2013 zu überprüfen;

3. ersucht den Gerichtshof, dem Sicherheitsrat im Rahmen seines ausstehenden Berichts an den Rat über die Arbeitsabschlussstrategie gemäß Resolution 1534 (2004) vom 26. März 2004 über den voraussichtlichen Zeitplan für den koordinierten Übergang der Aufgaben des Gerichtshofs auf den Mechanismus gemäß den Artikeln 5 und 6 der der Resolution 1966 (2010) vom 22. Dezember 2010 als Anlage beigefügten Übergangsregelungen samt konkreten geschätzten Daten Bericht zu erstatten und dabei zu berücksichtigen, dass die Abteilung des Mechanismus für den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda ihre Tätigkeit am 1. Juli 2012 aufnimmt, mit dem Ziel, die gesamte verbleibende Arbeit des

- 82 - Gerichtshofs abzuschließen und ihn so rasch wie möglich und spätestens bis zum 31. Dezember 2014 aufzulösen;

4. erklärt erneut, wie wichtig eine angemessene Personalausstattung des Gerichtshofs für den raschen Abschluss seiner Tätigkeit ist, fordert die zuständigen Organe der Vereinten Nationen auf, ihre Zusammenarbeit mit dem Sekretariat und dem Kanzler des Gerichtshofs zu verstärken und flexibel vorzugehen, um praktikable Lösungen für dieses Problem zu finden, während sich der Gerichtshof dem Abschluss seiner Arbeit nähert, und fordert gleichzeitig den Gerichtshof auf, sich mit erneuten Anstrengungen auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren;

5. fordert alle Staaten, vor allem diejenigen, in denen sich flüchtige Personen mutmaßlich auf freiem Fuß befinden, nachdrücklich auf, ihre Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof weiter zu verstärken und ihm jede erforderliche Hilfe zu gewähren, um insbesondere so bald wie möglich die Festnahme und Überstellung aller noch flüchtigen Personen zu bewirken;

6. lobt die Staaten, die der Umsiedlung freigesprochener Personen oder verurteilter Personen, die ihre Strafe verbüßt haben, in ihr Hoheitsgebiet zugestimmt haben, und fordert alle Staaten, die dazu in der Lage sind, erneut auf, bei der Umsiedlung freigesprochener Personen und verurteilter Personen, die ihre Strafe verbüßt haben, mit dem Gerichtshof zusammenzuarbeiten und ihm bei seinen verstärkten diesbezüglichen Anstrengungen jede erforderliche Hilfe zu gewähren;

7. beschließt, mit der Angelegenheit befasst zu bleiben.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

Resolution 2055 (2012) verabschiedet auf der 6795. Sitzung des Sicherheitsrats am 29. Juni 2012 (Nichtverbreitung von Kernwaffen)

Der Sicherheitsrat, in Bekräftigung seiner Resolutionen 1540 (2004) vom 28. April 2004, 1673 (2006) vom 27. April 2006, 1810 (2008) vom 25. April 2008 und 1977 (2011) vom 20. April 2011, unter Hinweis auf seinen Beschluss in Resolution 1977 (2011), das Mandat des Ausschusses nach Resolution 1540 (2004), im Folgenden „1540-Ausschuss“, bis zum 25. April 2021 zu verlängern, betonend, dass die Arbeitsbelastung des 1540-Ausschusses im Verlauf seines Mandats beträchtlich gestiegen ist,

- 83 - in dieser Hinsicht unter Hinweis auf seinen Beschluss in Ziffer 5 der Resolution 1977 (2011), dem 1540-Ausschuss auch weiterhin sachverständige Hilfe bereitzustellen, ersucht den Generalsekretär, die Zahl der Mitglieder der in Ziffer 5 a) der Resolution 1977 (2011) genannten Sachverständigengruppe auf bis zu neun Sachverständige zu erhöhen.

Quelle: Homepage der Vereinten Nationen

INTERNATIONALE / EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK

Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, erschienen in der Zeit am 1. März 2012

Youcef Nadarkhani soll sterben, weil er einem »falschen Glauben« anhängt. Was in unserer Gesellschaft unvorstellbar erscheint, ist im Iran des Jahres 2012 traurige Realität. Menschen müssen um ihr Leben fürchten, wenn sie vom Islam zum Christentum konvertieren.

Youcef Nadarkhani wird die Ausübung der Religionsfreiheit vorgeworfen. Dabei ist diese nicht nur völkerrechtlich verbrieft, sondern auch Teil der iranischen Verfassung. Sie ist damit für die staatlichen Organe des Irans bindendes Recht.

Für uns ist religiöse Toleranz ein selbstverständlicher Teil unserer freien Gesellschaft. Deshalb werden wir niemals schweigen, wenn die Religionsfreiheit verletzt wird. Deshalb werden wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen, damit das Todesurteil gegen Pastor Na darkhani aufgehoben wird.

Der Fall Nadarkhani ist leider nur einer von vielen im Iran, bei denen gegen grundlegende Menschen- und Bürgerrechte verstoßen wird.

2011 wurden im Iran offiziell über 350 Menschen hingerichtet. Das ist, bezogen auf die Einwohnerzahl, weltweit trauriger Rekord, und die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen.

Menschen werden wegen »Abfalls vom Glauben« oder »politischer Verbrechen« zum Tode verurteilt. Zum Tatzeitpunkt Minderjährige werden hingerichtet. Grundlegende Verfahrensgarantien werden nicht beachtet.

All das steht für ein Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen, für eine Einschränkung der Freiheit des Glaubens und des Denkens und für eine bestürzende Geringschätzung des menschlichen Lebens, die wir nicht hinnehmen können.

Bürgerinnen und Bürger im Iran, die ihre grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte einfordern, sollen wissen: Wir stehen fest an ihrer Seite. Wir setzen uns für sie ein, so wie wir uns für das Leben und die Freiheit von Youcef Nadarkhani weiter einsetzen werden.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 84 - Rede von Staatssekretärin Emily Haber zum 9. Forum Globale Fragen in Berlin am 1. März 2012

-- Es gilt das gesprochene Wort -- Sehr geehrter Herr Kellenberger, Sehr geehrter Herr Seiters. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete aus dem Deutschen Bundestag, Exzellenzen, Sehr geehrter Herr General, Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie sehr herzlich zum 9. Forum Globale Fragen kompakt im Auswärtigen Amt. Besonders danke ich den Mitveranstaltern unseres Treffens, der Caritas International, dem Deutschen Roten Kreuz und der Diakonie Katastrophenhilfe, deren Anregung für diese gemeinsame Veranstaltung wir gerne aufgegriffen haben.

Das Thema dieses Forums könnte aktueller nicht sein: Die anhaltende Gewalt in Syrien und die Berichte über Opfer und Leiden der syrischen Bevölkerung führen die Notwendigkeit effektiver humanitärer Hilfe eindringlich vor Augen. Zugleich illustriert der Konflikt in Syrien auf bedrückende Weise die Grenzen humanitärer Hilfe: Wenn staatliche Akteure den Zugang für Hilfe behindern und grundlegende Regeln des humanitären Völkerrechts missachten, sind Lebensrettung und Überlebenssicherung nicht oder nur eingeschränkt möglich. Schlimmer noch: auch die Sicherheit der Helfer selbst wird missachtet oder vorsätzlich beeinträchtigt.

Ähnliche Herausforderungen stellen sich der Humanitären Hilfe auch in anderen Konflikten: Im Sudan verweigert die Regierung seit Wochen den Zugang internationaler Helfer in die Regionen Süd-Kordofan und Blue-Nile; in Somalia haben die Al-Shabab Milizen fast alle Hilfsorganisationen aus den von ihnen kontrollierten Gebieten verwiesen; in Afghanistan kommt es regelmäßig zu Behinderungen, Übergriffen und Gewalttaten gegenüber Hilfsorganisationen und ihren Mitarbeitern.

Wie kann die internationale Humanitäre Hilfe ihre Arbeit zu Gunsten Bedürftiger in Krisengebieten weltweit dennoch fortsetzen? Wie können wir das von den Vereinten Nationen postulierte Motto "to stay and deliver" umsetzen? Wie können wir als Regierung aktiv Außenpolitik gestalten – und zugleich neutrale humanitäre Hilfe ermöglichen? Und wie können wir die Sicherheit humanitärer Helfer gewährleisten? Dies sind einige der Fragen, die heute im Rahmen dieses Forums diskutiert und, wo möglich, beantwortet werden sollen.

Als Auswärtiges Amt sehen wir uns in der humanitären Hilfe in einer dreifachen Rolle: Wir sind zugleich Geber, Partner und politischer Akteur. Lassen Sie mich das erläutern. Als Geber verantworten wir die für Humanitäre Hilfe vorgesehenen Haushaltsmittel der Bundesregierung. Bei deren Umsetzung orientieren wir uns an den international vereinbarten "Regeln guter humanitärer Geberschaft". Dies bedeutet zum einen, Hilfsgelder bedarfsorientiert, flexibel und unbürokratisch bereitzustellen. Es bedeutet weiterhin, die führende Rolle der Vereinten Nationen zu unterstützen, die für eine effektive internationale Koordinierung alternativlos ist. Es bedeutet schließlich auch, das humanitäre Völkerrecht und die humanitären Prinzipien - Menschlichkeit, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität – zu achten und zu fördern.

- 85 - Neutralität hebt dabei nicht auf die politische Haltung des Gebers sondern auf die Art der geleisteten Hilfe ab. Diese darf weder eine Konfliktpartei bevorzugen, noch eine Position in dem Konflikt beziehen. Es ist deshalb aus gutem Grund, dass wir – anders als in der Entwicklungszusammenarbeit – in der Umsetzung der Humanitären Hilfe mit unabhängigen Partnern zusammenarbeiten. Aus ebenso gutem Grund beauftragen wir auch keine humanitären Vorhaben, sondern geben finanzielle Zuwendungen zu Maßnahmen, die Hilfsorganisationen auf Basis ihrer eigenen Mandate initiieren und in eigener Verantwortung durchführen.

Was mich zum zweiten Teil unseres humanitären Selbstverständnisses führt: Partnerschaft. Gerade weil wir als Bundesregierung über keine "humanitäre Durchführungsorganisation" verfügen und dies auch nicht wollen, kommt einer vertrauensvollen Partnerschaft mit den humanitären Organisationen besondere Bedeutung zu. Zunächst aus ganz praktischen Gründen: In einer akuten Notlage müssen Entscheidungen über Art und Umfang von Hilfe innerhalb weniger Tage oder Stunden getroffen werden. Dies setzt wechselseitiges Vertrauen voraus, was wiederum nur durch regelmäßigen und offenen Austausch zu erwerben ist.

Vertrauen und Partnerschaft sind aber auch Voraussetzung, um Informationen, Einschätzungen und Bewertungen zu Konflikten mit humanitärem Bedarf und politisch sensiblen Aspekten auszutauschen. Mit unseren nationalen Partnern leisten wir das regelmäßig im Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe, eine wie wir immer wieder hören in Europa einzigartige Plattform. Mit unseren internationalen Partnern, wie dem IKRK oder den Vereinten Nationen, erfolgt dies periodisch wie fallbezogen in Berlin und in Genf.

Ein aktuelles Beispiel: vor zwei Wochen haben sich auf unsere Initiative hin Vertreter wichtiger internationaler Hilfsorganisationen und Geberstaaten im Auswärtigen Amt getroffen, um über Möglichkeiten eines besseren humanitären Zugangs in Syrien zu sprechen. Ein naturgemäß vertraulicher und unverbindlicher Dialog, der aber Ausdruck und Voraussetzung für wechselseitiges Verständnis zwischen operativen Hilfsorganisationen und politisch handelnden Gebern ist.

Womit ich beim dritten Element unseres humanitären Selbstverständnisses bin: Auch als politischer Akteur setzen wir uns für bedarfsgerechte, an den humanitären Prinzipien orientierte Hilfe ein. In konkreten Konflikten erfolgt dies bilateral, in Absprache mit unseren EU-Partnern oder im VN-Sicherheitsrat. Konkrete Beispiele sind das beharrliche Werben für humanitären Zugang im Sudan, das Eintreten für humanitäre Ausnahmeregelungen bei den VN-Sanktionen gegenüber Somalia oder die Berücksichtigung humanitärer Überlegungen bei der Formulierung der Mandate von Blauhelm-Missionen.

Verständnis und Akzeptanz neutraler humanitärer Hilfe werden von uns aber auch grundsätzlich diskutiert und verteidigt. Im VN-Rahmen sind es häufig die klassischen "Empfänger" humanitärer Hilfe, die die für uns selbstverständlichen Prinzipien hinterfragen. Neutralität wird dabei oft als Unterstützung oppositioneller Gruppen interpretiert, Unabhängigkeit als Verletzung nationaler Souveränität verstanden. Entsprechend setzen wir uns regelmäßig dafür ein, diese Missverständnisse aufzuklären und werben für Berücksichtigung der humanitären Prinzipien in den einschlägigen Resolutionen der VN Generalversammlung und des Sicherheitsrates.

- 86 - Diese Argumentationslinien veranschaulichen aber auch, dass die Logik humanitärer Hilfe Grenzen hat – und haben muss. Nur wenn sie sich auf ihr Kern-Mandat beschränkt, kann sie ihre Akzeptanz überzeugend begründen. Wenn sie sich Ziele setzt, die über Lebensrettung und Überlebenssicherung hinausgehen, bewegt sie sich in Bereiche der Entwicklungs-, Gesundheits- oder Menschenrechtspolitik – und ist nicht mehr neutral. Meine Damen und Herren, einige von Ihnen haben heute Vormittag bereits im Rahmen eines von unseren Veranstaltungspartnern organisierten Expertengesprächs diese Fragen erörtert. Johannes Luchner vom Amt für Humanitäre Angelegenheiten der EU und Prof. Eberwein von der Nichtregierungsorganisation VOICE werden gleich über die Ergebnisse des Expertengesprächs berichten und damit auch für die Diskussion heute Nachmittag interessante Anstöße geben können. Ich danke Ihnen, den anderen Referentinnen und Referenten sowie dem Moderator, dass Sie heute Ihren Blick auf das Thema der Veranstaltung, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung mit uns zu teilen.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Jakob Kellenberger, einem der renommiertesten Vertreter der internationalen Humanitären Hilfe, der heute zu uns sprechen wird. Vor fünf Jahren waren Sie, Herr Kellenberger, ja schon einmal Gastredner des Forum Globale Fragen, und ich freue mich, dass Sie heute wieder bei uns sind, um diese wichtige Debatte, die in sehr nahem zeitlichen Anschluss an die 31. Internationale Rotkreuzkonferenz stattfindet, mit Ihrer großen Erfahrung und Sachkunde zu bereichern und ihr einen Rahmen zu geben.

Ich möchte aber nicht schließen ohne auch all denjenigen Frauen und Männern meinen Dank und meine Anerkennung auszusprechen, die in und für humanitäre Hilfsorganisationen arbeiten und die dies mit großem persönlichen Einsatz und oft nicht geringem Risiko tun. Ihre Sicherheit haben wir bei der Diskussion über die erforderlichen Voraussetzungen für effektive humanitäre Hilfe ebenso vor Augen wie das legitime Hilfsbedürfnis der unmittelbar betroffenen Menschen in Not.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen interessanten Nachmittag.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Welt am Sonntag am 4. März 2012.

Der französische Präsidentschaftswahlkampf wird eine ziemlich deutsche Veranstaltung: Angela Merkel kämpft für Nicolas Sarkozy, und Sigmar Gabriel tritt an der Seite von Francois Hollande auf. Wie findet das der Außenminister?

Ich rate allen deutschen Parteien zu Zurückhaltung. Die parteipolitische Auseinandersetzung in Deutschland darf nicht nach Frankreich verlagert werden. Die Bundesregierung ist jedenfalls nicht Teil des französischen Wahlkampfs. Wir arbeiten mit der jetzigen französischen Regierung ausgezeichnet zusammen, aber wir werden keinen Zweifel daran lassen, dass Deutschland mit jeder Regierung, für die sich das französische Volk entscheidet, hervorragend zusammenarbeiten wird. Gerade jetzt ist Fingerspitzengefühl gefragt. Wir befinden uns in einer Prägephase für Europa.

- 87 - Was meinen Sie?

Deutschland wird derzeit als besonders stark und einflussreich in Europa wahrgenommen. Es gibt in ganz Europa eine Debatte über die Rolle Deutschlands in der Schuldenkrise. Jetzt entscheidet sich, welches Deutschlandbild sich auf Jahre in Europa festsetzt. Diese Prägephase müssen wir klug gestalten. Gerade der Starke hat eine Verpflichtung, mit seiner Stärke sensibel und verantwortungsvoll umzugehen.

Merkel und Sarkozy sind in der öffentlichen Wahrnehmung zum Euro-Rettungspaar Merkozy verschmolzen - mit der Kanzlerin auf dem Fahrersitz. Ist das schon die ökonomische und politische Führungsrolle, die Weltbankpräsident Zoellick oder der britische Historiker Garton Ash von Deutschland verlangen?

Es gibt einen Unterschied zwischen Meinungsführerschaft und Anordnung. Meinungsführerschaft wächst durch die Kraft des Arguments, Anordnung ist das Ummünzen von Stärke in Gefolgschaft. Ersteres wird zu Recht von Deutschland erwartet. Letzteres ist falsch. Wer jetzt die teutonische Keule schwingt, bekommt einen Bumerang zurück.

Die Kanzlerin hat für sich persönlich eine Führungsrolle reklamiert. Sie sagte im Bundestag: Ich gehe Risiken bei der Griechenland-Rettung ein, aber keine Abenteuer. Wohlgemerkt: "ich", nicht "wir". Haben wir eine Kanzlerdemokratie?

Sie hat sicher "wir" gemeint. Wir haben eine Parlamentsdemokratie und eine Koalitionsregierung. Das haben alle Repräsentanten der Koalitionsparteien verinnerlicht.

Sie haben in dieser Woche ein Kommunikationskonzept für Europa vorgestellt. Ist das eine befriedigende Aufgabenteilung: Merkel und Schäuble retten den Euro, und das Auswärtige Amt kümmert sich um die PR?

Wenn das auch nur ansatzweise zuträfe, wäre es wirklich nicht in Ordnung.

Sie werden nicht bestreiten, dass das Auswärtige Amt in der Europapolitik an Bedeutung verloren hat...

Richtig ist, dass die Linie der deutschen Europapolitik in den vergangenen beiden Jahren wesentlich vom Auswärtigen Amt geprägt wurde. Wir haben unseren Beitrag geleistet, damit der Schuldenkrise nicht mit neuen Schulden, sondern mit Haushaltsdisziplin und Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit begegnet wird. Der am Freitag unterzeichnete Fiskalpakt wurde entscheidend im Auswärtigen Amt konzipiert.

Wie sehen die nächsten Schritte in der Krise aus? Drittes Hilfspaket für Griechenland? Aufstockung des Euro-Rettungsschirms?

Ich werde nicht dazu beitragen, Bürger und Märkte zu verunsichern. Es wurde und wird ohnehin zu viel spekuliert, auch von Verantwortungsträgern, die eigentlich die Lage beruhigen sollten. Mir ist wichtig, dass wir das nächste Kapitel der europäischen Integration aufschlagen...

... und das wäre? - 88 - Europa ist unsere Schicksalsgemeinschaft und eine Wohlstandsversicherung in Zeiten der Globalisierung. Europa muss sich viel mehr auf die eigene Identität besinnen. Europa ist ein Binnenmarkt und eine Währungsunion, aber vor allem eine Kulturgemeinschaft, eine Gemeinschaft von Werten. Ich bedauere, dass es bisher nicht gelungen ist, eine echte europäische Verfassung zu beschließen. Wir merken, dass der Vertrag von Lissabon Konstruktionsmängel hat. Viele Entscheidungsmechanismen sind zu kompliziert, es mangelt auch immer noch an Transparenz und Klarheit.

Sollten wir einen neuen Anlauf wagen?

Europa braucht eine gemeinsame Verfassung, über die die Bürger in einer Volksabstimmung entscheiden sollten. Ich hoffe sehr, dass hier mittelfristig ein neuer Anlauf gelingt.

Was wäre damit verbunden?

Wir brauchen europäische Persönlichkeiten, mit denen sich die Menschen in ganz Europa identifizieren können. Deshalb bin ich für die Direktwahl eines europäischen Präsidenten, der zuvor in ganz Europa antreten und für sich werben müsste. Das könnte der EU neuen Schwung verleihen. Außerdem hielte ich es für sinnvoll, langfristig zu einem wirklichen parlamentarischen Zweikammersystem zu kommen: mit dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat als einer Art Länderkammer.

Wie lange würde es dauern, bis diese neue Architektur steht?

Das klingt für viele nach antizyklischer Zukunftsmusik, und es lässt sich auch nicht von heute auf morgen umsetzen. Aber wenn wir in einigen Jahren etwas erreicht haben wollen, müssen wir heute damit anfangen. Es gilt, 500 Millionen Europäer auf diesen Weg mitzunehmen.

[...]

Während die Koalitionsspitzen [in Berlin] tagen, wählt Russland einen neuen Präsidenten. Wünschen Sie Wladimir Putin ein gutes Ergebnis?

Eine preisverdächtige Fragestellung!

Und die Antwort?

Wir warten das Ergebnis ab und setzen darauf, dass wir auch mit dem neuen Präsidenten in einem Geist der Kooperation zusammen arbeiten können. Wir möchten die weiterhin dringend notwendige Modernisierungspartnerschaft mit Russland fortsetzen, zu der auch der Rechtsstaatsdialog gehört. Russland ist eine Kulturnation, es liegt zu einem großen Teil in Europa. Sicherheit in Europa gibt es nicht gegen, sondern nur mit Russland. Ich setze mich dafür ein, dass Russland ein strategischer Partner Deutschlands und Europas bleibt.

In Moskau gibt es Massendemonstrationen gegen Putin. Stehen wir vor einem Russischen Frühling?

- 89 - Lassen Sie uns die Entwicklung abwarten. Interessant und ein positives Anzeichen ist, dass Demonstrationen dieser Größenordnung stattfinden. Bei allen kritikwürdigen Defiziten setze ich darauf, dass diese Tendenzen keine Momentaufnahmen sind.

Putin wirft der Opposition vor, sie wolle Gewalt anzetteln und suche nach Märtyrern...

Ich will das am heutigen Tag nicht kommentieren - und rate zur Differenzierung. Es gibt Fortschritte in Russland: wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche. Und es gibt Entwicklungen, die mich besorgt machen, zum Beispiel bei der Pressefreiheit. In St. Petersburg wurde ein Gesetz gegen die "Propaganda von Homosexualität" beschlossen. Das spricht gegen Aufgeklärtheit und Toleranz.

Die Missachtung von Menschenrechen ist auch Thema in Aserbaidschan und der Ukraine, die demnächst Veranstaltungen im Weltmaßstab ausrichten. Sollte man den Eurovision Song Contest und die Fußball-Europameisterschaft zum Protest nutzen?

Ich habe auch vor den Olympischen Spielen in China auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage gedrängt. Wir werden in Baku und Kiew das ansprechen, was gesagt werden muss. Ich bin aber dagegen, dass wir Ereignisse wie ein Fußballturnier und einen Schlagerwettbewerb, die zunächst eher weniger mit Politik zu tun haben, vorschnell mit Boykottaufrufen versehen.

Fragen: Jochen Gaugele, Thorsten Jungholt, Claus Christian Malzahn. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Welt am Sonntag. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Namensartikel von Carl Bildt, William Hague, Karel Schwarzenberg, Radoslaw Sikorski und Guido Westerwelle, erschienen in der International Herald Tribune am 5. März 2012 (Englisch)

This day five years ago, the EU and Ukraine launched negotiations on a ground- breaking new agreement with the aim of fostering Ukraine’s political association and economic integration with the EU. By now, we should have been able to celebrate a signed and ratified agreement, and a successful Ukraine making progress towards even closer co-operation with the EU. Instead, we pass a new milestone on what is becoming a much too long and painful road.

In March 2007, hopes were high for a sustainable democratic development of Ukraine. Indeed, the country has been regarded as a beacon of democracy in the former Soviet Union and has a better track record of free and fair elections than most other countries in the region. This has allowed the EU to go for much closer relations with Ukraine and also helped pave the way for the Eastern Partnership - an ambitious policy aiming at political association and economic integration between the EU and its six Eastern European partners.

Today, however, we are at an impasse in the association process: while negotiations on the Association Agreement have been successfully concluded in December 2011, the way forward, through signing and ratification of the agreement, has in effect been blocked by Ukraine’s actions. The reason for this is simple: developments in Ukraine in the last two years have caused us to question Kyiv’s intentions with respect to the

- 90 - fundamental values that underpin both the agreement and our relations in a broader sense.

Following Viktor Yanukovych’s victory in 2010 in the Presidential election, which is widely recognised as meeting international standards, Ukraine adopted an ambitious reform agenda, aiming mainly at boosting economic growth, alleviating the effects of the financial crisis and setting the country on a course towards deeper and closer ties with the EU. From our side, we could only support such a strong commitment to reforms, and we strongly welcomed Ukraine’s European choice.

We cannot, however, conceal our growing concerns regarding the state of democracy in Ukraine (authorities). Independent media and civil society organizations report pressure from the authorities. In late 2010, criminal proceedings were launched against a number of leading opposition politicians. And a year later, former PM Yulia Tymoshenko was sentenced to seven years in prison and approximately 140 million euro in damages for allegedly abusing her office, following a trial that has been widely criticized both in Ukraine and abroad as not meeting international standards. Moreover, more than a dozen other opposition politicians are facing similar charges. On 27 February, the former Minister of the Interior, Yuriy Lutsenko, was sentenced to four years in prison after another disappointing trial.

These trials bear the marks of politically-motivated and selective justice. According to independent experts, they have been conducted in a manner that has failed to respect the principles of the rule of law and the human rights of the defendants.

These developments are incompatible with Ukraine’s own European choice. Democracy, human rights and the rule of law are the values underpinning the Association Agreement and Ukraine has already committed itself to them in the framework of the OSCE, the Council of Europe, and also vis-à-vis the EU. Thus, it is fair to say that the Association Agreement has been imprisoned, and the Ukrainian leadership is holding the key.

In October 2012, Ukrainian voters will elect a new parliament. This will be a litmus test for democracy. On that day, the eyes of the international community will be on Ukraine, with the hope and expectation that the country will not renege on its tradition of free and fair elections. The notion of “free and fair elections” evidently entails that the opposition is allowed to participate fully. We wish to underline that, ultimately, it is the responsibility of the Government to ensure that all political parties, including the opposition and its leaders, are able to participate on equal terms. We call on Ukraine to send an early invitation to ODIHR observers, to pave the way for a substantial international observation mission.

We see ourselves as Ukraine’s allies. We believe in the people of Ukraine and in Ukraine’s democratic and economic potential. We know that the road of reforms, which Ukraine has chosen to take, is long and challenging. But we are convinced that closer political and economic ties, as well as people-to-people contacts, between the EU and Ukraine offer huge benefits for both partners. Twenty years of independence and sovereignty have brought an irreversible change in the mentality of the Ukrainian society. The people of Ukraine are Europeans and share European values. Our goal is to anchor Ukraine in the European family, as symbolised through the signing and ratification of the Association Agreement. Today, we call on the Ukrainian leadership to display the political courage and wisdom needed for this to happen.

- 91 - Carl Bildt, William Hague, Karel Schwarzenberg, Radoslaw Sikorski and Guido Westerwelle are foreign ministers of Sweden, Britain, the Czech Republic, Poland and .

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Prager Senat am 6. März 2012

--- Es gilt das gesprochene Wort --- Sehr geehrter Senatspräsident Štěch, sehr geehrter Parlamentsvorsitzender Hrušovský, lieber Karel Schwarzenberg, Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, wir feiern den Jahrestag einer europäischen Sternstunde. Vor zwanzig Jahren haben Helmut Kohl und Vaclav Havel für Deutschland und die Tschechische und Slowakische Föderative Republik den Vertrag über gute Nachbarschaft geschlossen. Möglich wurde diese Sternstunde durch den Mut der friedlichen Revolutionäre in Prag und Bratislava, in Leipzig und Berlin. Wir verdanken sie auch dem europäischen Weitblick von Männern wie Jiri Dienstbier und Hans-Dietrich Genscher.

Dass Hans-Dietrich Genscher heute aus gesundheitlichen Gründen nicht hier sein kann, bedauere ich sehr. Er verkörpert wie wenige die Versöhnung zwischen Tschechen, Slowaken und Deutschen im geeinten Europa. Sein Auftritt auf dem Balkon der Deutschen Botschaft in Prag im Herbst 1989 ist unvergessen.

Das Versprechen der Freiheit, das Hans-Dietrich Genscher den damals im Garten ausharrenden Deutschen geben konnte, erinnert uns daran, dass auch Sie, unsere Nachbarn, den Weg zur Einheit unseres Landes geebnet haben. Dafür sind wir bis heute zutiefst dankbar.

Der Nachbarschaftsvertrag hat ein glückliches Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte eingeleitet. Dieses Kapitel handelt von neuem Vertrauen zwischen unseren Völkern und vom Zusammenwachsen des geteilten Europa.

Über Jahrhunderte war unsere Nachbarschaft von Konflikten geprägt. Besatzung, Krieg und Vertreibung haben unsägliches Leid gebracht. Diese Vergangenheit ist nicht vergessen. Aber sie entzweit uns nicht mehr. Sie ist uns ein Ansporn geworden, gemeinsam für eine gute Zukunft zu arbeiten. Dabei bringen sich auch die Heimatvertriebenen ein. Das Fundament für dieses neue Miteinander hat neben dem Nachbarschaftsvertrag auch die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 gelegt.

Seitdem ist neues Vertrauen unter Nachbarn gewachsen. Davon hätte vor zwanzig Jahren wohl niemand zu träumen gewagt. Es ist das Verdienst der vielen Menschen, die sich für das Zusammenwachsen unserer Gesellschaften engagieren.

Diese wertvolle Arbeit unterstützen die Regierungen Tschechiens und Deutschlands seit 1997 durch einen gemeinsamen Zukunftsfonds. Er hat mittlerweile tausende

- 92 - ehrenamtliche Initiativen gefördert, die uns näher zusammen bringen, von Musikfestivals bis zum Jugendaustausch.

Diesen Weg aufeinander zu wollen wir weitergehen. Deshalb bleibt der Zukunftsfonds unverzichtbar. Künftig müssen wir ihn noch stärker nutzen, um gerade junge Menschen auf die Nachbarn neugierig machen. Damit schreiben wir das glückliche Kapitel fort, das der Nachbarschaftsvertrag eröffnet hat.

Auch die deutsch-slowakischen Beziehungen haben mit dem Vertrag eine feste Grundlage.

Seit der slowakischen Unabhängigkeit verbindet uns eine enge Partnerschaft. Gerade in den großen Fragen der Europa-Politik sind unsere Vorstellungen einander sehr ähnlich.

Der Nachbarschaftsvertrag war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Beitritt der Tschechischen Republik und der Slowakei zur Europäischen Union im Jahr 2004. Deutschland ist diesen Weg als verlässlicher Partner mitgegangen. Gemeinsam haben wir die Teilung unseres Kontinents überwunden. Für uns in Mitteleuropa ist das von unschätzbarem Wert. Dieses Mitteleuropa hat in der Geschichte immer dann Schaden genommen, wenn der Kontinent im Streit lag. Hier im Palais Wallenstein ist diese Erfahrung in besonderer Weise gegenwärtig.

Umso mehr muss es uns besorgen, dass das Projekt Europa in der Schuldenkrise die schwerste Vertrauenskrise seiner Geschichte durchlebt. Längst überwunden geglaubte Vorurteile sind zurückgekehrt. Zweifel an der europäischen Idee selbst sind aufgekommen. Ihnen müssen wir entgegentreten.

Wir müssen die Krise überwinden und neues Vertrauen in dieses Europa begründen. Das ist die große europäische Gestaltungsaufgabe unserer Zeit.

Damit sie gelingt, müssen wir uns neu vergewissern, worin der Wert Europas liegt. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns Europa Freiheit, Frieden und Wohlstand in nie dagewesenem Maß gebracht hat. Vor allem müssen wir erkennen, dass dieses Europa mehr denn je ein Zukunftsprojekt ist.

Die Welt ist im Umbruch. In den Schwellenländern entstehen neue wirtschaftliche und politische Kraftzentren. Die einzelnen Staaten Europas verlieren an relativem Einfluss. Gleichzeitig stellt uns die Globalisierung vor nie dagewesene Gestaltungsaufgaben, die nicht vor Grenzen halt machen. Das gilt für die Regulierung der Finanzmärkte genauso wie für die Bekämpfung des Klimawandels.

Auf sich gestellt ist kein europäischer Staat dieser Herausforderung gewachsen. Wir können sie nur bewältigen, indem wir Europa zu einer globalen Gestaltungskraft entwickeln.

Europa steht dabei für mehr als Binnenmarkt und Währungsunion. Wir sind auch mehr als das Ergebnis unserer Geschichte. Wir sind eine Kulturgemeinschaft. Wir sind eine Gemeinschaft der Werte, die sich in der Globalisierung behaupten muss und behaupten soll.

Das ist das große Bild. Das blenden diejenigen aus, die angesichts der Schuldenkrise einer Re-Nationalisierung das Wort reden. Sie verschweigen, welchen - 93 - Preis eine solche Abschottung hätte. Kehren wir Europa den Rücken, verurteilen wir uns selbst zur Bedeutungslosigkeit in der Welt von morgen. Unsere gemeinsamen Werte und Interessen werden wir als Europäer behaupten, oder wir werden sie nicht behaupten.

An diesen Gedanken muss sich mancher erst gewöhnen. Er sollte uns aber nicht verunsichern, sondern ermutigen. Das hat Vaclav Havel in seiner letzten Rede vor dem Europäischen Parlament zum Ausdruck gebracht, indem er von Europa als "Heimat unserer Vaterländer" gesprochen hat. Dieses Europa ist kein zentralistischer Leviathan. Es fordert uns nicht ab, unsere nationalen Identitäten aufzugeben. Das Gegenteil ist der Fall. Im geeinten Europa können wir unsere Kultur der Vielfalt bewahren.

Damit neues Vertrauen in das europäische Projekt wächst, müssen wir die Schuldenkrise meistern. Mit dem Dreiklang aus Solidarität, Stabilität und Wachstum sind wir auf dem richtigen Weg.

Indem wir den Fiskalvertrag unter Dach und Fach gebracht haben, haben wir Grundlagen für eine neue Kultur haushaltspolitischer Stabilität in Europa gelegt. Dass Tschechien den Pakt nicht unterzeichnet hat, respektieren wir. Wir wissen, dass sich unsere Vorstellungen von nachhaltigem Haushalten trotz dieser Entscheidung sehr ähnlich sind.

Tschechien bleibt eingeladen, den Weg in die Stabilitätsunion gemeinsam mit uns zu gehen. Die Türe steht weit offen.

Griechenland, Irland und Portugal arbeiten hart dafür, auf den Pfad der Stabilität zurückzukehren. Dafür verdienen sie unsere Anerkennung und Unterstützung. Das ist wichtig, über den Tag hinaus.

Wie wir heute miteinander umgehen, wird Europas politische Kultur lange prägen. Jetzt entscheidet sich auf Jahre, welches Bild wir uns von Europa machen, wie unsere Nachbarn auf uns blicken, und wie die Welt Europa sieht. Diese Prägephase müssen wir nutzen, um neues Vertrauen zu schaffen.

Deshalb muss und wird Europa helfen, neues Wachstum anzukurbeln. Das ist die wichtige Botschaft des jüngsten Europäischen Rats. Gemeinsam müssen wir den Gemeinsamen Markt rasch vollenden. In dieser wichtigen Frage ziehen wir an einem Strang. Den EU-Haushalt müssen wir auf Innovation und Zukunftstechnologien ausrichten. Durch neue Handelsabkommen müssen wir Wachstum fördern, das uns aus der Krise hilft.

Wir werden die Krise meistern und gestärkt aus ihr hervorgehen. Darüber wird neues Vertrauen in Europa entstehen. Das wird nicht über Nacht gelingen. Es wird uns große Anstrengungen abverlangen. Trotzdem haben wir allen Grund, mit Vertrauen in einander und in das geeinte Europa voranzugehen.

- 94 - Jean Monnet hat einmal über Europa gesagt: "Wenn ich noch einmal von vorne anfangen müsste, würde ich bei der Kultur beginnen." Unter dem Vorzeichen der Globalisierung ist dieser Satz richtiger denn je. Europa ist unsere Kulturgemeinschaft. Es ist unsere Wertegemeinschaft. Unsere Schicksalsgemeinschaft. Deshalb müssen wir in diesem Europa fester zusammenstehen denn je.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Gemeinsamer Artikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle und dem tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg, erschienen in der Sächsischen Zeitung am 6. März 2012

Vor zwanzig Jahren unterzeichneten Deutschland und die Tschechische und Slowakische Föderative Republik den Vertrag über gute Nachbarschaft. Möglich wurde dieser neue Aufbruch erst durch die friedlichen Revolutionäre, die den Eisernen Vorhang zerrissen, auf dem Prager Wenzelsplatz, bei den Leipziger Montagsdemonstrationen und an vielen anderen Orten. Der Vertrag schuf die Basis für neues Vertrauen und ein gemeinsames Ziel: aus dem Gegeneinander unserer Völker ein Miteinander zu machen. Zwanzig Jahre später können wir sagen: Er hat ein glückliches Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte eingeleitet.

Die historische „Konfliktgemeinschaft“ zwischen Deutschen und Tschechen ist nicht vergessen. Auch nicht das Münchener Abkommen, Okkupation, Krieg und Vertreibung. Aber wir haben, auch durch die gemeinsame Sprache der Deutsch- Tschechischen Erklärung von 1997, die schwierige Vergangenheit in einen Motor für eine bessere gemeinsame Zukunft verwandelt. Neues Vertrauen unter Nachbarn ist gewachsen. Das wird gerade in den Grenzregionen spürbar. Dort verschwinden die letzten Spuren des Eisernen Vorhangs aus der Landschaft. Wo die Front des Kalten Krieges verlief, richten heute Tschechen und Deutsche einen gemeinsamen Rettungsdienst ein und arbeiten im Umweltschutz eng zusammen. Unser Handel hat sich allein im letzten Jahrzehnt fast verdoppelt. Zu unserem politischen Alltag gehört es inzwischen, dass wir über Zukunftsfragen wie die Energieversorgung auch dann einträchtig beraten, wenn wir nicht einig sind.

Dieses Vertrauen ist keine Selbstverständlichkeit. Wir verdanken es den vielen Menschen, die sich für das Zusammenwachsen unserer Gesellschaften einsetzen. Allein der deutsch-tschechische Zukunftsfonds hat in den letzten Jahren mehr als sechstausend ehrenamtliche Initiativen gefördert und einen großen Beitrag zu einem lebendigen Miteinander und einer Vernetzung über die Grenzen hinweg geleistet. Zu unseren Herausforderungen für die Zukunft gehört auch, die junge Generation auf die Nachbarn und ihre Sprache neugierig zu machen. Dabei wird der Zukunftsfonds weiterhin unersetzbar bleiben, genauso wie die Unterstützung beider Regierungen.

Der Nachbarschaftsvertrag legte auch den Grundstein auf dem Weg zum Beitritt der Tschechischen Republik und der Slowakei in die Europäische Union. Deutschland war auf dem Weg zum Beitritt 2004 ein verlässlicher Partner. Heute ist die Teilung unseres Kontinents überwunden. Für uns in der Mitte Europas ist das von einem unschätzbaren Wert, der über wirtschaftliche und finanzielle Vorteile, über Wohlstandsgewinne hinausgeht. Im geeinten Europa gedeiht unsere Nachbarschaft.

- 95 - In den Worten von Václav Havel ist dieses Europa endlich zur Heimat unserer Vaterländer geworden.

Das in Vielfalt geeinte und subsidiär organisierte Europa ist Antwort auf unsere Vergangenheit und unsere Zukunft zugleich. Die gewaltigen Umbrüche und Herausforderungen der Globalisierung kann kein Staat Europas im Alleingang bewältigen. Das gilt für die Energiepolitik ebenso wie für Klima- und Sicherheitspolitik. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, unsere Werte und Interessen zu behaupten. In diesen großen Zusammenhang müssen wir die Vertrauenskrise einordnen, die Europa heute durchlebt. Kehren wir dem europäischen Projekt den Rücken, verurteilen wir uns selbst zur Bedeutungslosigkeit in der Welt von morgen. Nur im einigen Europa gibt es eine gute Zukunft für uns.

Europa gründet auf den Prinzipien des Rechtsstaates, die für jederman gelten, auch für Minderheiten. Es baut auf die Freiheit und die aus ihr erwachsende Verantwortung für die Demokratie. Diese Werte sind festes Fundament unserer gemeinsamen europäischen Lebensform. Für sie werden wir auch künftig gemeinsam eintreten – in der Europäischen Union, in ihrer Nachbarschaft und in der Welt.

Wir können die Zukunft mit Vertrauen in einander und in das geeinte Europa angehen. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass wir gemeinsam eine Herausforderung von historischem Ausmaß meistern. Daran erinnert uns die Sternstunde des Nachbarschaftsvertrages.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Passauer Neuen Presse am 10. März 2012

Das folgende Interview mit Außenminister Guido Westerwelle erschien am 10. März 2012 in der 'Passauer Neuen Presse“ (Samstag-Ausgabe). Kein Ende der Massaker an der Bevölkerung in Syrien durch den Diktator Assad. Ein Jahr nach Beginn der Revolte werden in Syrien die Gräber knapp. Wie lange will die Welt noch zuschauen?

Die Welt, Europa und Deutschland schauen nicht zu. Wir handeln und haben drei Ziele: Die Gewalt muss gestoppt und humanitäre Hilfe ermöglicht werden. Der politische Wandel in Syrien muss unterstützt werden. Wir arbeiten dafür, dass es durch die Außenminister-Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Montag, an der ich auch teilnehmen werde, endlich Bewegung zur Unterstützung des syrischen Volkes geben wird.

Was mag Russland und China bewegen, sich einer Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat zu verweigern und weiter die schützende Hand über den Diktator zu halten?

Russland muss wissen, dass es nicht um Schwächung seiner strategische Interessen in der Region geht. Wir wollen den Menschen in ihrem berechtigten Anliegen nach Freiheit und ihren Bürgerrechten beistehen. Es wird mit Hochdruck auf allen Kanälen dafür gearbeitet, dass in den Vereinten Nationen neue Bewegung

- 96 - möglich wird. Ich hoffe, dass nach den Wahlen in Russland in der Syrien-Frage noch einmal nachgedacht wird.

Die humanitäre Situation wird immer dramatischer. Die Vereinten Nationen planen ein Notprogramm. Wie lässt sich Hilfe durchsetzen?

Wir leisten seit Monaten humanitäre Hilfe und unterstützen das Engagement unter anderem des Internationalen Roten Kreuzes. Kofi Annan, der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, hat unsere volle Unterstützung. Er wird heute in Damaskus sein und genießt auch in Moskau und Peking eine große Autorität. Angesichts der entsetzlichen Lage vor Ort ist es leider nicht leicht, den notleidenden Menschen zu helfen. Aber wir müssen Wege finden. Das ist eine unserer Prioritäten im Moment.

Warum soll in Syrien nicht gehen, was im Kosovo oder in Libyen möglich war? Weshalb werden militärische Optionen ausgeschlossen?

Die Lage ist in jedem Land anders. Lösungen müssen immer passgenau sein. Ich beteilige mich nicht an Spekulationen über militärisches Eingreifen und teile die Einschätzung von Kofi Annan hierzu. Wir haben das Ziel, den Menschen zu helfen, aber es darf kein Flächenbrand in der Region ausgelöst werden. Eine regionale Eskalation muss verhindert werden. Oberstes Ziel jetzt muss ein Ende der Gewalt und Hilfe für die Menschen in Syrien sein, dann die Arbeit an einem politischen Neubeginn.

Im Atomkonflikt mit dem Iran scheint die Diplomatie an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Israel erwägt einen militärischen Angriff, soll bereits Bunker brechende Bomben von den USA angefordert haben. Wie lässt sich eine Eskalation noch vermeiden?

Washington und Berlin sind gemeinsam der Überzeugung, dass eine nukleare Bewaffnung des Iran nicht akzeptiert werden kann. Gleichzeitig setzen wir auf eine diplomatische und politische Lösung. Es ist bedauerlich, dass Iran bisher mit der Internationalen Atomenergiebehörde nicht kooperiert hat. Teheran hat es selbst in der Hand, die Sanktionen zu beenden. Der Schlüssel zur Aufhebung der Sanktionen liegt in Teheran. Es muss nachvollziehbar und nachprüfbar sein, dass der Iran nicht nach der Atombombe greift. Unsere Zwei-Wege-Strategie wirkt: Umfassende Sanktionen und Angebote zu ernsthaften Gesprächen. Ich stimme mit meinem israelischen Außenministerkollegen Avigdor Lieberman überein, dass öffentliche Diskussionen über Militäraktionen schädlich sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von deutscher Staatsraison, wenn es um die Hilfe für Israel geht. Wie weit würde der Beistand gehen?

Die Sicherheit und das Existenzrecht Israels gehören für jede Bundesregierung zur Staatsräson. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das ist eindeutig.

Empörung über Altkanzler Gerhard Schröder wegen dessen Kritik an den Wahlbeobachtern in Russland und seinem Lob für Präsident Putin. Für die Opposition in Moskau muss das wie ein Schlag ins Gesicht wirken, oder?

Wir werden die Ankündigung des gewählten Präsidenten Putin beim Wort nehmen, allen Hinweisen auf Wahlmanipulationen mit Entschiedenheit nachzugehen. Jetzt müssen ihr auch Taten folgen. Die Äußerungen von Altbundeskanzler Gerhard - 97 - Schröder will ich nicht kommentieren. In der Sache haben wir ein strategisches Interesse an der Partnerschaft mit Russland. Diese Partnerschaft wollen wir weiter ausbauen. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb keine Kritik üben.

Zur Euro-Krise: Griechenland erreicht ein Etappenziel beim Schuldenschnitt. Ist der Staatsbankrott jetzt abgewendet oder nur weiter aufgeschoben?

Die hohe Beteiligung privater Gläubiger am Anleihenumtausch zeigt, dass wir in unserer Lösungsstrategie Schritt für Schritt vorankommen. Das ist erfreulich, erfordert aber weiterhin viel Arbeit und verantwortungsvolles Handeln. Es gibt noch keinen Anlass zur Entwarnung, aber Grund zu neuer Zuversicht.

Wie kann Griechenland den Staatsbankrott doch noch abwenden?

Athen weiß, dass der Wiederaufstieg auf zwei Säulen stehen muss: Dazu gehört Haushaltsdisziplin und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Jetzt müssen die Reformen zügig umgesetzt werden. Das griechische Volk nimmt große Anstrengungen in dieser Krise auf sich. Das verdient Respekt und Anerkennung. Ich warne vor falschen Zwischentönen. Wir sollten Griechenland mit Respekt begegnen und dabei helfen, wieder für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen.

Sie fordern die Direktwahl eines EU-Präsidenten. Wäre das nicht nur ein symbolischer Schritt ohne große Wirkung?

Es geht darum, schon jetzt in der Krise über die Krise hinauszublicken. Wie schaffen wir mehr Akzeptanz für Europa bei den Bürgern? Ein direkt gewählter Präsident müsste in ganz Europa für sich und seine Politik werben. Das wäre ein großer Schritt vorwärts für die Sichtbarkeit, Legitimität und Akzeptanz europäischer Politik.

Weshalb sollte der neue Fiskalpakt funktionieren, wo doch schon der Stabilitätspakt nicht eingehalten worden war?

Die Einigung auf den Fiskalpakt ist für Europa ein Durchbruch. Die Möglichkeit der Kontrolle der Einhaltung von Haushaltsdisziplin und Schuldenbremse durch den Europäischen Gerichtshof ist dabei ein großer Fortschritt. Das gab es bisher nicht. Verstöße gegen den Fiskalpakt ziehen automatisch Sanktionen nach sich. Ich erwarte, dass die heutige Opposition den rot-grünen Fehler der Aufweichung des Stabilitätspakts 2005 korrigiert und die Ratifizierung des Fiskalpakts unterstützt.

SPD und Grüne knüpfen die Zustimmung im Bundestag zum Fiskalpakt an Bedingungen.

Die Lage in Europa ist zu ernst für einen parteipolitischen Kuhhandel.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich verschärft. Werden die internationalen Streitkräfte am Ende aus dem Land gebombt?

Es bleibt bei dem vereinbarten Zeitplan für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung und den Abzug der internationalen Truppen. Seit ich Außenminister bin, sage ich, dass es für Afghanistan keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben kann. Wir müssen den Aussöhnungsprozess in Afghanistan unterstützen. Es geht jetzt um eine geordnete Übergabe, damit die

- 98 - internationalen Kampftruppen wie vereinbart bis Ende 2014 das Land verlassen können.

Im Sommer findet die Fußball-Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine statt. Kann das Turnier dort unbeschwert stattfinden, obwohl es massive Menschenrechtsverletzungen gibt, und die frühere Regierungschefin Timoschenko unter fadenscheinigen Gründen in Haft sitzt?

Solche eher unpolitischen Sportereignisse sollten nicht gleich mit Boykottaufrufen versehen werden. Wir sollten dieses Ereignis stattdessen nutzen, um offen auf die Missstände hinzuweisen. Dazu gehört auch die rechtsstaatliche Behandlung der früheren Regierungschefin Timoschenko und anderer früherer Regierungsmitglieder.

[...]

Ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima - Deutschland scheint mit der Energiewende ziemlich allein zu sein. Welche Lehren hat die Weltgemeinschaft gezogen?

Mit Fukushima hat in der gesamten Welt ein Nachdenken und teilweise auch ein Umdenken begonnen. Deutschlands Entschlossenheit, ein neues Zeitalter in der Energiepolitik aufzuschlagen, wird in der Welt respektiert und mit großem Interesse verfolgt. Wir sind im Bereich der erneuerbaren Energien weltweit führend. Das eröffnet uns enorme neue wirtschaftliche Potenziale. Wir stehen jetzt erst am Anfang eines neuen energiepolitischen Zeitalters.

Fragen: Andreas Herholz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 12. März 2012 (Englisch)

-- es gilt das gesprochene Wort -- Thank you Mr. President.

And thank you, Secretary-General, for your briefing.

Change has come to the Arab world. It has come because the peoples in the region, especially the youth, have stood up for freedom, participation and dignity.

I want to congratulate the peoples of Tunisia, Egypt and Libya as well as those of Morocco, Yemen and Jordan on the progress they have made, each in their own way.

The Arab League has responded to calls for reform. We applaud the constructive role it has played over the past 12 months.

The changes in the Arab World reflect a beginning globalisation of values. People all over the world are demanding their universal human rights. The values of the United Nations are gaining ground.

- 99 - We are still only at the beginning. But in the long term all the people of the region will benefit. And so will we, as their neighbours in the European Union. And as neighbours we are ready to help.

Germany took an early decision to assist the transition countries. Our support is guided by three principles. First, reform must come from within. But we stand ready to support countries which choose democratic change. Second, no two countries in the Arab world are alike. Each country must choose its own path and find its own pace. Finally, we know that the road to democracy is not linear. It is a difficult passage which requires patience and persistence.

Liberty and democracy need a promising economic perspective. We have offered “transformation partnerships” to all countries in question. We stand ready to support them with know-how, investments and open markets in Europe. A focus of our international support should be on education. A good education for the youth is key for any future economic success.

Many in the West fear the rise of political Islam. But the notion that Islam and democracy are incompatible is wrong. We have engaged in dialogue with democratic Islamic parties.

We are ready to respect cultural traditions. At the same time we are looking for clear commitments to human rights and the rule of law, to a pluralistic society, to respect for minorities, to religious tolerance and to domestic and external peace. Women have been a driving force for change in the region. We urge all partners in transition to strengthen their rights.

The changes in the region have made it even more urgent to make progress towards a two-state solution for Israel and Palestine. I therefore welcome the meeting of the Quartet principals today. All parties must do everything to ease tensions and to avoid an escalation on the ground. I am deeply worried about the flare-up of violence around Gaza. The shelling with rockets of innocent people is unacceptable and must stop.

The Iranian nuclear program challenges the stability of the region and the international non-proliferation regime. A nuclear-armed Iran is not acceptable.

The E3+3 and Iran have expressed their willingness to engage in talks. We want and we work for a political and diplomatic solution. There is still time for diplomacy. Irrespective of the nuclear issue, we will not forget how the Iranian regime has failed to respond the legitimate demands of its people.

In Yemen, the election of President Hadi marks an important milestone in the political transition. I visited Sanaa two days ago. Yemen continues to face tremendous challenges. But it is in a much better situation today than it was a year ago. Today, there is a genuine chance to achieve national reconciliation. The people of Yemen deserve our full support.

We are all grateful for the peaceful transfer of power. The Gulf Cooperation Council played a key role. So did the Security Council and Secretary General Ban Ki-moon. These joint efforts made the Yemeni-led transition process possible. In many

- 100 - regards, the case of Yemen may serve as a model for political transition, for conflict resolution for this Council.

This week marks the anniversary of the beginning of peaceful protests in Syria. From the start Germany has called for the Security Council to act.

There has been much discussion on Syria in this room. But the Council has failed to live up to its responsibility. Peaceful protest has been put down with horrific violence and murder. Among the 8.000 dead there are hundreds of children. This violence must end, and it must end now.

We have been watching with admiration the growing number of Syrians who risk limb and life every day for a better future. The people in Syria overcome fear every day in the face of overwhelming repression and violence. The source of their courage is both hope and despair. Let us give them here in the Security Council more reason for hope than for despair.

Germany has been working tirelessly for a political solution. We must prevent a further escalation. Too much time has been wasted.

We see three priorities. First, an end to violence. Second, immediate and unhindered access for humanitarian aid. Third, a process of peaceful transition, led by Syrians and based on the decisions of the Arab League.

It is my firm conviction that only the Syrian people themselves can decide their future. They have been expressing their will throughout the last 12 months. And no one can doubt their desire for change. We extend our hand to all those working for peaceful and democratic change, in particular the Syrian National Council. In a new Syria, all Syrians must be able to enjoy their full rights regardless of affiliation, ethnicity, belief or gender.

I would like to take this opportunity to thank Secretary-General Ban Ki-moon, the Arab League, Joint Envoy Kofi Annan, the High Commissioner for Human Rights, Mrs. Pillay, and Mrs. Amos for their untiring efforts. Germany will continue to push for action - in this Council, in other UN bodies, in the European Union and with like- minded partners in the “Friends of the Syrian People”.

Sending a strong signal and taking effective action is what we owe to the people of Syria. And it is the only way this Council can live up to our responsibility under the Charter.

Thank you, Mr. President.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 101 - Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Welt am 12. März 2012

Der Jemen könne, so haben Sie es gesagt, ein Muster sein für Syrien, was den friedlichen Übergang der Macht angeht. Was meinen Sie damit genau?

Meine Außenpolitik gibt politischen und diplomatischen Lösungen immer den Vorrang. Bei allen Problemen ist der Jemen ein Beispiel dafür, dass politische Lösungen und ein weitgehend friedlicher Machtübergang möglich sind. Wir Deutsche sollten mit ganzer Kraft unseren Beitrag dazu leisten, dass im Jemen der Übergang zu Stabilität und Demokratie jetzt planmäßig vorangetrieben wird.

Aus dem Jemen wird sicher keine neue Schweiz, aber ein zweites Somalia soll es eben auch nicht werden. Wie stehen die Chancen, ein zweites Somalia, also einen gescheiterten Staat, zu verhindern?

Die Vertreter jemenitischer Nichtregierungsorganisationen, mit denen ich in Sanaa gesprochen habe, sprachen von einem "vorsichtigen Optimismus". Diese Einschätzung teile ich. Natürlich sind die Probleme nach der Machtübergabe von Ex- Präsident Saleh und der Wahl von Präsident Hadi nicht überwunden. Die Separatisten im Südjemen, terroristische Netzwerke, die Auseinandersetzungen mit den Hutis im Norden, unterschiedliche Stammesinteressen - der Problemberg ist weiter groß. Aber es liegt in unserem ureigenen Interesse, dass wir den Jemen unterstützen, damit er eine andere Entwicklung nimmt als Somalia. Denn die Stabilität des Jemen wäre auch ein Beitrag zur Stabilität der gesamten Region. Was Instabilität bedeutet, das sehen wir ja bei der Piraterie vor der Küste Somalias.

Das trauen Sie dem aktuellen politischen Personal, das ja aus der Ära des gestürzten Präsidenten Saleh stammt, tatsächlich zu?

Ja, das traue ich ihm zu. Aber natürlich zählen die Taten. Wir haben beschlossen, dass die Arbeit der Botschaft wieder aufgenommen wird. Wir beginnen jetzt wieder mit der Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben Experten nach Deutschland eingeladen und leisten Beratung zum Verfassungsprozess. Wir haben in Berlin Gäste aus der jemenitischen Politik und Zivilgesellschaft. All das dient dem Ziel, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass politischer Ausgleich und Versöhnung gelingen kann. Manche in Deutschland mögen sich fragen, was wir mit inneren Konflikten wie dem im Jemen zu tun haben? Wenn man sieht, wie viel Kraft wir in die Bekämpfung von Terrorismus und Piraterie stecken müssen, wird aber unser eigenes strategisches Interesse erkennbar, eine vorausschauende Politik der Stabilisierung zu betreiben.

Das gilt letztlich wohl auch für den Kampf gegen den jemenitischen Ableger der islamistischen Terrororganisation al-Qaida ...

Natürlich ist auch das weit über die Grenzen des Jemen hinaus von großer Bedeutung.

Kommen wir zum zweiten Teil Ihres Reiseprogramms: Saudi-Arabien. Als Regionalmacht spielt es eine wichtige Rolle, im Großkonflikt um Syrien genauso wie im zweiten wichtigen Problemfeld, dem Iran.

- 102 - Saudi-Arabien ist Mitglied der G 20. Es ist die größte Volkswirtschaft in der Region und innerhalb der Arabischen Liga eine Schlüsselmacht. Die Arabische Liga spielt eine entscheidende Rolle dabei, ein Ende der Gewalt und einen politischen Wandel in Syrien zu erreichen. Saudi-Arabien hat großen Einfluss und ist ebenso besorgt über das iranische Atomprogramm wie die anderen Golfstaaten. Ich teile diese Sorge. Und natürlich gibt es auch ein Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren Ländern.

Kann Riad denn ein im Moment viel diskutierter Präventionsangriff seitens Israels oder sogar der USA auf das iranische Atomprogramm recht sein?

Ich unterstütze die Haltung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, auf eine politische und diplomatische Lösung zu drängen. Die Diskussion über militärische Interventionen ist kontraproduktiv, weil sie die Sanktionspolitik, die allmählich zu wirken beginnt, nur schwächt.

Sollte Präsident Baschar al-Assad in jedem Fall zur Rechenschaft gezogen werden, oder können Sie sich vorstellen, dass er - wie Tunesiens Ex-Präsident Ben Ali in Riad - politisches Asyl zum Beispiel in Moskau erhält, damit der grausame Krieg gegen das syrische Volk endlich aufhört?

Eine politische Zukunft für Assad kann es nach dieser Gewalt gegen das eigene Volk nicht mehr geben. Uns geht es um eine Lösung, die die Gewalt beendet, den Menschen hilft und politischen Wandel möglich macht.

Drittes Reiseziel: New York. Die letzte UN-Sicherheitsratsresolution gegen Syrien ist gescheitert am Widerstand der Vetomächte China und Russland. Im Moment scheint es, als schwenkten die Chinesen langsam um. Wo stehen die Russen?

Die Signale, die wir nach dem Gespräch des russischen Außenministers bei der Arabischen Liga in Kairo wahrnehmen, sind noch nicht wirklich ermutigend. Wir nutzen die Zeit bis zur Sitzung des Sicherheitsrats und unser Treffen in New York, um auf Russland und China erneut einzuwirken. Russland sollte verstehen, dass es uns nicht um seine Schwächung in der Region geht. Natürlich hat Moskau strategische Interessen in der Region, die es gewahrt wissen will. Wir müssen Russland davon überzeugen, dass es auf der falschen Seite der Geschichte steht, wenn es weiter eine Resolution im Sicherheitsrat verhindert.

Fragen: Dietrich Alexander. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Welt. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 103 - Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle an der Nationalen Universität von Tiflis am 15. März 2012 (Englisch)

-- es gilt das gesprochene Wort -- Director Kvitashvili, Ladies and gentlemen, dear students,

I feel very honoured to speak to you tonight on the occasion of celebrating twenty years of diplomatic relations between our countries. Only a little more than twenty years ago we witnessed how the German wall came down. The Eastern European citizens’ peaceful fight for freedom eventually let to an end the decade-long division of Europe, and finally resulted in the break-up of the Soviet Union.

When the former Soviet republics declared their independence, Germany was among the first countries to recognize these newly independent nations, and we were the first to recognize Georgia. Foreign Minister Genscher came to Georgia in April 1992 to open the first foreign Embassy in Tbilisi.

Genscher’s firm belief was that the European Union and its Eastern neighbours not only shared a common history, but also have a common future.

We were convinced that the integration of Eastern European countries into the EU must not result in a new division of Europe. Our vision then and today is to create a pan-European space of freedom, security, rule of law and prosperity.

At the beginning of European integration European politics were poisoned by border disputes, national and ethnic strife. The early efforts of integration in the 1950’s were not just technocratic procedures. They had an eminent political meaning.

The idea of integration was to overcome history by respecting territorial integrity yet making borders less and less relevant. It also meant that states respected and protected their national minorities.

Making borders less relevant was achieved by allowing free movement of people and goods, creating common institutions, a common market, and, yes, a common currency.

Based on common values of democracy, rule of law and respect for human rights, the integrated Europe thus has developed into one of the most prosperous and attractive regions worldwide.

Ladies and gentlemen, at this point, let me admit: the sovereign debt crisis has eroded some of the confidence that many had placed in Europe. The crisis has brought to light structural problems and deficits that we have to tackle. We are all in the same boat. And if this boat has to weather a serious storm, we face two options. Either we let the boat sink and everyone will try to save his own life. Some of us will

- 104 - reach the shore in safety. But most of us will not. The second option is to work together, fix the boat and save everyone on the ship. This is what we did in former EU crises. And this is what we are doing now. We are fixing the boat by enhancing the coherence of our financial and economic policies. Our clear answer to the crisis is to deepen integration. The solution of our present problems is not less Europe, but more Europe.

Ladies and gentlemen, in 2009 the EU formally launched the Eastern Partnership.

The Eastern Partnership is not so much about joining or not joining the EU. The Eastern partnership initiative wants to bring six of our neighbours - Ukraine, Belarus, Georgia, Armenia, Azerbeidjan and Moldova - closer to Europe, supporting them on their way towards good governance, rule of law and economic reform. The aim is to achieve closer political association and deeper economic integration between the EU and its partners.

However, the idea of an Eastern neighbourhood extends beyond these six countries. It is also designed to make us reach out to third partners.

We therefore strongly support the idea to include Russia in specific projects of the Eastern Partnership. We are convinced that all sides would benefit from a common cooperative agenda.

Since launching the initiative, we have made good progress. We have started to negotiate Association Agreements with all three countries of the Southern Caucasus. Once these agreements are finalized, they will open a new chapter in our relations.

We also want to enhance the economic dynamics in the region. Why not create a pan-European area of free trade?

With Georgia the EU will start negotiating a Free Trade Agreement in a few days. This will effectively open the European market of 500 million consumers to Georgia. We should see this as a first step in a development that could lead us further ahead.

Another important point is the creation of a regime of visa free travel.

We will only be able to develop the potential of the relationship with our Eastern European neighbours, if we make borders between them and the EU less relevant.

There are 2500 Georgian students in Germany right now. We would like to see many more of you there. We want more Georgians to come to Europe - be it for tourism, for business, for all kinds of exchange.

The German Foreign Office will for example take up a scholarship-programme for a small group of young leaders of all three South-Caucasus countries.

And I am optimistic that we will soon enter into a visa dialogue that will help us achieve a visa free regime. Our vision sees the Southern Caucasus and the EU united by visa free travel.

- 105 - We are fully committed to this goal, because we are convinced that our partnership extends beyond governments. Engaging civil societies is an essential element of the Eastern partnership.

The EU would not have succeeded without active civil societies that promoted and fostered integration and democratic values.

Ladies and gentlemen,

Georgian civil society has impressively demonstrated its willingness to follow the European path of development. Since 2004 Georgia has made significant progress in tackling an ambitious reform agenda.

A successful transformation depends on democratic institutions: not only a democratic government, but also a vital and critical opposition. All democratic contenders for power need a level playing field.

Respect for the rights of the opposition, free access to media, fair and transparent rules of financing and an independent judiciary are indispensable.

Georgia’s decision in favour of Europe is ambitious and Germany has encouraged this decision and is supporting it with great respect. The EU and Germany will remain dedicated to building a strong and vibrant democracy in Georgia.

In Bucharest, NATO agreed that Georgia would become a member. This continues to be our goal.

The North Atlantic Alliance is built on the same fundamental values and principles as the EU. Democratic and institutional reforms are required in order to bring Georgia closer to NATO. We are now working on a new plan for Georgia's Enhanced Connectivity with NATO. This will create new opportunities for promoting reforms.

Let me also mention here Georgia’s contribution to our common security in Afghanistan. Georgia will soon be the largest non-NATO troop contributor there. At the NATO summit in Chicago this May, we will pay tribute to this truly remarkable engagement.

Ladies and gentlemen, looking back, we can be proud of what close cooperation between Georgia, Germany and the EU has achieved in the region.

Yet we have to admit that we have not made sufficient progress in solving the conflicts that continue to divide the region and hamper its development.

In Georgia, memories of the war of August 2008 and its consequences are still very vivid. At the time, the EU brokered a ceasefire agreement and deployed a monitoring mission. The monitors have helped stabilize the situation until today. But we have not solved the conflict itself. Hundreds of thousands continue to be displaced, families still are separated.

- 106 - We very much welcome Georgia’s commitment to the renunciation of the use of force in this conflict, as declared by President Saakashvili before the European Parliament in 2010.

Germany firmly supports Georgia’s sovereignty and territorial integrity.

But we do believe in the necessity to build bridges even with partners who are sometimes difficult – and that includes Russia.

We encourage and support Georgia on that path and welcome the Georgian Government’s Strategy of Engagement with Abkhazia and South Ossetia. In the end, bridges, not borders help solve conflicts peacefully.

A solution is also urgent with regard to the neighbouring conflict between Azerbaijan and Armenia on Nagorno Karabakh.

Much effort has been made by the OSCE Minsk Group, but also by Russia to find a peaceful solution.

But opportunities to reach out for compromise have not been seized by the parties involved.

What we need in this conflict is more confidence building, both at the line of contact and between the societies of Armenia and Azerbaijan.

In Sochi two months ago, the Presidents stated their readiness to promote people-to- people contacts. I strongly welcome this. Reconciliation can be achieved only on the basis of confidence.

Concrete steps should follow soon. The EU stands ready to support this.

The European experience has shown that confidence will grow if there is more regional cooperation.

The Eastern Partnership offers fresh incentives for cooperation on cross border issues, such as transport, energy and civil protection, because everyone in the South Caucasus will benefit from better cooperation between neighbours.

In this respect the opening of the Southern Corridor will also contribute to regional cooperation since it will – for the first time – transport gas from the Caspian region and potentially from Northern Iraq trough Georgia to Europe. This will lead to a further rapprochement of the Southern Caucasus and Europe.

The tragedies of the past are a heavy burden for the societies in the Southern Caucasus. As Europeans we have a deep understanding of how difficult it is to understand, to overcome such tragedies and to reach out to others.

But in a world that is changing rapidly and dramatically, yesterday’s certainties are today’s anachronisms. We see the need to develop a mindset that is no longer willing to let the past overshadow the future.

Ladies and gentlemen,

- 107 - the effects of globalization are confronting us with profound changes and demanding new challenges. No country will be able to escape the effects of the dramatic shifts we are witnessing.

We see the rise of new powers – countries that, a decade or two ago were part of what we used to call the „third world“. Now their growing economic weight is increasingly translated into political weight.

The emerging and young societies in Asia, Latin America and Africa rightly demand a greater say in world politics.

At the same time we see that globalisation is making traditional frontiers more and more irrelevant.

Capital and goods, information and know-how transcend national borders, but so do environmental, health or security threats.

We need regional cooperation to tackle regional threats and we need transnational answers to transnational challenges.

As a true European, I am convinced we need to stop thinking in borders.

Ladies and gentlemen, your generation is the first truely global generation. You listen to the same music that students in Germany, Poland and France listen to. You watch the same films. Through the internet and social networks you are able to find out more about the world than your parents could ever have dreamt of.

Let me encourage you to make full use of your generation’s possibilities. You are young and well educated, you are the future leaders of this country. You have the opportunity to move on.

You are in a new position to tackle questions that may sometimes be very old ones. The answers that you find will shape the future of your country and your region in a globalizing world.

Germany and the EU are looking forward to supporting you in your efforts towards a modern, democratic and peaceful Georgia and Southern Caucasus.

Thank you very much.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Märkischen Allgemeinen, erschien am 17. März 2012

Herr Westerwelle, wann soll die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen?

Wir werden nicht länger in Afghanistan bleiben als von unseren internationalen Verbündeten und von der afghanischen Regierung erwünscht. Es bleibt bei dem Grundsatz: zusammen rein, zusammen raus. Wichtig ist, dass der begonnene Abzug

- 108 - der internationalen Kampftruppen verantwortungsvoll gestaltet wird, damit Afghanistan nie wieder der sichere Hafen für den Terrorismus der Welt wird.

Der afghanische Präsident Hamid Karzai hat die Nato-Truppen jetzt aufgefordert, sich aus den ländlichen Gebieten zurückzuziehen. Ihre Meinung dazu?

Grundsätzlich sollte die afghanische Armee besser in der Lage sein, in abgelegenen, ländlichen Regionen für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist entscheidend, dass die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte weiter vorankommt. Je besser das gelingt, desto zügiger kann die Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an Afghanistan übergeben werden.

Auch um den Preis, dass die Taliban wieder die Oberhand gewinnen?

Nein. Trotz der Rückschläge gibt es in Afghanistan auch viele positive Entwicklungen. Die Sicherheitsübergabe hat begonnen. Viele Gebiete befinden sich bereits in afghanischer Sicherheitsverantwortung. Wichtig ist, dass der politische Prozess der inneren Aussöhnung weitergeht. Denn es gibt in Afghanistan keine militärische, sondern nur eine politische Lösung.

[...]

Übernahme mit freundlicher Genehmigung der "Märkischen Allgemeinen". Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit dem Flensburger Tageblatt am 19. März 2012

Interview mit Bundesminister Westerwelle zu den Themen Afghanistan, Syrien und Iran. Erschienen im Flensburger Tageblatt am 19.03.2012

Herr Minister, Afghanistans Präsident Karsai fordert einen vorzeitigen Abzug der ausländischen Truppen. Kommen die Bundeswehrsoldaten schon nächstes Jahr nach Hause?

Die deutschen Soldaten werden nicht länger in Afghanistan bleiben als unsere Verbündeten oder als es die afghanische Regierung selber wünscht. In meiner Amtszeit haben wir den Abzug eingeleitet. Der muss verantwortungsvoll vonstatten gehen, denn wir wollen ja nicht, dass Afghanistan wieder zum Rückzugsgebiet der Terroristen der Welt wird und damit unsere Sicherheit in Europa bedroht.

Das heißt, wenn der afghanische Präsident darauf besteht, erfolgt der Abzug tatsächlich früher?

Wir haben international verabredet, dass der Abzug der Kampftruppen bis Ende 2014 abgeschlossen sein soll. Wenn der afghanische Präsident vorschlägt, dass die Truppen ländliche Regionen schneller verlassen sollen, so decken sich unsere Interessen. Denn es ist besonders aufwendig, wenn unsere Soldaten in entlegenen Gebieten für Sicherheit sorgen. Das sollten die afghanischen Sicherheitskräfte, die wir aufbauen, so bald wie möglich selber tun. Ich rechne damit, dass wir in diesem Frühjahr so weit sein werden, dass etwas mehr als die Hälfte des Staatsgebiets unter der Kontrolle der afghanischen Sicherheitsbehörden sein wird. - 109 - Der Westen hat seine Ziele in Afghanistan in den vergangenen Jahren peu à peu herunterschrauben müssen. Was kann die internationale Gemeinschaft überhaupt erreichen, denn auch bis 2014 ist ja nicht mehr viel Zeit?

Wir können nicht erst aus Afghanistan abziehen, wenn das Land eine Art Schweiz Zentralasiens geworden ist. Wir müssen aber sicherstellen, dass die fundamentalen Menschenrechte - einschließlich der Rechte der Frauen - gewahrt werden, dass es eine ausreichend gute Regierungsführung gibt und vor allen Dingen, dass Terrorismus und Gewalt durch eigene afghanische Sicherheitsstrukturen konsequent bekämpft werden. Ich will nochmal sagen: Wir sind nicht zuerst in Afghanistan, um Brunnen zu bohren oder Schulen und Krankenhäuser zu bauen – so richtig und wichtig das auch ist. Sondern wir sind vor allen Dingen nach Afghanistan gegangen, weil wir unsere eigene Sicherheit verteidigen müssen. Es geht darum, Anschläge bei uns zu verhindern. Dazu sind die innere Aussöhnung in Afghanistan und die Reintegration früherer Kämpfer ganz entscheidend. Und daran arbeiten wir. Eine militärische Lösung wird es nicht geben.

Blicken wir nach Syrien. Der Konflikt dauert nun schon ein Jahr. Täglich erreichen uns Meldungen von neuen Gräueltaten. Wie lange kann die Staatengemeinschaft dem Morden noch tatenlos zusehen?

Die Staatengemeinschaft schaut nicht tatenlos zu. Sondern wir arbeiten auf drei Ebenen für drei Ziele. Erstens: Dafür, dass die Gewalt beendet wird. Zweitens: Dass es humanitäre Hilfe geben kann. Und drittens: Für einen politischen Wandel. Das tun wir mit unseren Verbündeten durch eine zielgerichtete Sanktionspolitik gegen das Regime Assad. Das tun wir durch unser Engagement in den Vereinten Nationen, das im Sicherheitsrat aufgrund der Blockade von Russland und China leider noch nicht erfolgreich ist. Und das tun wir auch in der von mir selber angeregten Gruppe der „Freunde des syrischen Volkes“, der sogenannten Kontaktgruppe, in der wir zum Beispiel die syrische Opposition unterstützen.

Bislang scheint das alles wenig erfolgreich. Halten Sie deshalb auch einen Militäreinsatz gegen das Assad-Regime für denkbar?

Die Überläufer aus dem Assad-System zeigen, dass das Regime zu bröckeln beginnt. Und die jüngsten kritischen Äußerungen meines russischen Amtskollegen Sergej Lawrow an die Adresse des syrischen Regimes markieren hoffentlich den Beginn eines Politikwechsels in Moskau gegenüber Assad. An Spekulationen über militärische Interventionen beteilige ich mich nicht. Es gilt auch, einen Flächenbrand und einen Stellvertreterkrieg, der die ganze Region anstecken kann, zu verhindern. Das Beispiel Jemen zeigt, dass politische Lösungen schwierig, aber möglich sind.

Auch bei einem anderen Konflikt hält die Welt den Atem an: Wie wahrscheinlich ist ein baldiger Angriff Israels auf Atomanlagen im Iran?

Darüber spekuliere ich nicht. Ich will aber sagen, was ich von dieser Diskussion halte: Ich halte sie für kontraproduktiv, denn die Sanktionspolitik beginnt ja endlich zu

- 110 - wirken. Deswegen war es wichtig, dass US-Präsident Obama vor wenigen Tagen noch einmal betont hat, dass er wie wir für eine politische, diplomatische Lösung eintritt. Es wird mittlerweile zu oft und zu schnell nach militärischen Lösungen gerufen. Damit wird der Eindruck erzeugt, als seien die schnell, chirurgisch und unter weitestgehender Vermeidungziviler Opfer möglich. Die Geschichte – auch die jüngere - zeigt, dass das nicht stimmt.

[...]

Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Flensburger Tageblatts Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle anlässlich des Workshops „Initiative for the Development of a Euro-Atlantic and Eurasian Security Community“ (IDEAS) in Berlin am 20. März 2012

-- es gilt das gesprochene Wort -- Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie sehr herzlich zur Auftaktveranstaltung der „IDEAS-Initiative“ hier im Europasaal des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die Überwindung der Teilung Europas ist untrennbar mit der Geschichte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KSZE verknüpft. Die Schlussakte von Helsinki war ein Element zur Stabilisierung der Blockkonfrontation des Kalten Krieges. Aber in ihr war eben auch der Keim der Freiheit angelegt, der genau diese Konfrontation keine fünfzehn Jahre später überwinden half.

Deutsche Außenpolitik steht in der Tradition von Helsinki. Sie steht in der Tradition der Charta von Paris von 1990, in der die Grundlagen für ein freies Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gelegt wurden.

Deutsche Außenpolitik steht in der Tradition eines Ansatzes, der auf Kooperation, nicht auf Konfrontation setzt. Sie sucht auch über ideologische und praktische Differenzen hinweg das Gespräch und die Schnittmenge gleichgelagerter Interessen. Diese Politik der Zusammenarbeit und des Dialogs hat uns in Europa weit vorangebracht. Sie hat uns im Herzen Europas Frieden, Sicherheit und Wohlstand beschert.

Gleichwohl tut es not, für die OSZE und die Ziele der Charta von Paris frische Ideen zu entwickeln. Das „gemeinsame Haus Europa“ haben wir bis heute nicht fertig gebaut. Ich will nur vier kurze Beispiele nennen:

(1) In der vergangenen Woche war ich in den Staaten des Südkaukasus, in Armenien, Aserbeidschan und Georgien. Der Bergkarabach-Konflikt droht durch kriegerische Rhetorik weiter angeheizt zu werden. In Georgien drohen sich die verschiedenen Landesteile weiter auseinander zu entwickeln, anstatt dass Wege zu einer gemeinsamen Zukunft gesucht und beschritten werden. (2) In Weißrussland haben wir es mit täglichen massiven - 111 - Menschenrechtsverletzungen zu tun. Dort wird nicht nur die politische Opposition unterdrückt und eingesperrt, sondern grundlegende Freiheitsrechte des Einzelnen, die zu schützen sich alle OSZE-Staaten verpflichtet haben, werden mit Füßen getreten. (3) Die Gespräche zur Weiterentwicklung des Vertrags über die Konventionellen Streitkräfte in Europa „KSE“ – ein Eckpfeiler der Rüstungskontrolle in Europa seit Jahrzehnten – sind im letzten Sommer gescheitert. (4) Und immer noch, auch das muss hier klar gesagt werden, leiden wir in unserer Zusammenarbeit unter dem Mangel an Vertrauen zwischen der NATO und Russland.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es umso wichtiger, dass es auf dem OSZE- Gipfel in Astana 2010 gelungen ist, die Vision einer euro-atlantischen und euro- asiatischen „Sicherheitsgemeinschaft“ zu formulieren. Diese Vision müssen wir jetzt mit Ideen und Inhalten ausfüllen.

Den Vorschlag des neuen OSZE-Generalsekretärs Lamberto Zannier, ein Netzwerk akademischer Institutionen zu schaffen, habe ich deshalb gern aufgegriffen.

Ich freue, dass es gemeinsam mit meinen Amtskollegen aus Frankreich, Polen und Russland gelungen ist, die vier Institute, die hier heute vertreten sind, dafür zu gewinnen, die notwendige konzeptionelle Arbeit gemeinsam zu unternehmen.

Lassen Sie mich einige der Fragen formulieren, die die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik umtreiben und zu denen ich mir von Ihrer Arbeit Lösungsansätze und Antworten erhoffe.

Erstens zur Zukunft von Abrüstung und Rüstungskontrolle:

− Aus deutscher Sicht ist die konventionelle Rüstungskontrolle ein wesentliches Element für die Stabilität und Sicherheit unseres Kontinents. Wir müssen die Parameter, die in den 90er Jahren formuliert wurden, gründlich überdenken. Sind die Instrumente und Kontrollmechanismen noch zeitgemäß? Wie passen wir vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen wie das Wiener Dokument an die sicherheitspolitischen Realitäten des 21. Jahrhunderts an, damit sie auf Dauer ihre positive Wirkung erhalten können?

− Kann gemeinsame Sicherheit im gesamteuropäischen Raum vor weiteren Schritten bei der nuklearen Abrüstung haltmachen? Der „New START“-Vertrag hat erfolgreich an frühere kooperative Abrüstungsschritte zwischen den USA und Russland anknüpfen können. Ist es mehr als zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges nicht überfällig, auch die taktischen Nuklearwaffen in die weitere Abrüstung einzubeziehen? Wir haben in der NATO und gegenüber unseren russischen Partnern vorgeschlagen, mit Maßnahmen zur Schaffung von Transparenz und Vertrauensbildung den Boden für ihre Beseitigung in Europa zu bereiten. Wie können die nächsten praktischen Schritte auf diesem Weg aussehen?

− Im Kontext der nuklearen Abrüstung sehe ich auch den Aufbau eines Raketenabwehrsystems. Es entwertet die Offensivwaffen eines potenziellen Angreifers und ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer Welt ohne Nuklearwaffen. Beide – die NATO und Russland – eint das Interesse am Schutz

- 112 - vor möglichen Raketenangriffen durch Dritte. Trotzdem haben wir bis heute keine gemeinsame Lösung gefunden.

Wie können wir durch umfassende politische Garantien, durch Transparenz- und Verifikationsmaßnahmen sowie durch Daten- und Expertenaustausch die russischen Vorbehalte gegenüber dem NATO-Ansatz überwinden und ein aufeinander abgestimmtes gemeinsames Abwehrsystem aufbauen?

Gemeinsame Sicherheit gibt es nicht ohne gegenseitiges Vertrauen. Vertrauen muss wachsen. Es wächst am nachhaltigsten durch ganz konkrete, praktische Zusammenarbeit.

Morgen treffe ich mich hier in Berlin mit meinen Kollegen Radek Sikorski und Sergej Lawrow. Das erste dieser russisch-polnisch-deutschen Treffen haben wir im vergangenen Mai in Kaliningrad abgehalten.

Wir haben damals konkrete Fortschritte im kleinen Grenzverkehr um Kaliningrad auf den Weg gebracht, der den Menschen der Region das Leben erleichtert und zugleich Vertrauen aufbaut.

Es ist gut, dass wir das Dreier-Format heute auf dieser Konferenz um Kollegen aus Frankreich bereichern.

Auch die gemeinsame Meseberg-Initiative von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Medwedew hat als Ausgangspunkt die Vertrauensbildung durch konkrete Kooperation. Mit der Wiederaufnahme der offiziellen Statusverhandlungen zum Transnistrienkonflikt im 5+2 Format im letzten November konnten wir hier einen kleinen Fortschritt erreichen. Mehr ist notwendig.

Damit komme ich zum zweiten Teil meiner Fragen an Sie. Wo sind die wichtigsten Ansatzpunkte, um die OSZE in den kommenden Jahren zu stärken?

− Sollten wir dem OSZE-Vorsitz oder dem Generalsekretär mehr Autorität geben, damit die OSZE bei der Konfliktverhütung stark und effizient handeln kann? Soll er beispielsweise das Recht erhalten, kurzfristige Erkundungsmissionen einzusetzen? Sie könnten als Mittel präventiver Diplomatie stabilisierend und deeskalierend wirken.

− Mit ihren Feldmissionen und mit ihren Institutionen wie dem Büro für Demokratischen Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), dem Hohen Kommissar für Nationale Minderheiten und der Medienbeauftragten verfügt die OSZE über handlungsfähige Institutionen. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, die Demokratieverpflichtungen der Charta von Paris mit Leben zu erfüllen. Wie stellen wir sicher, dass das Instrument der unabhängigen Wahlbeobachtung ein echter, demokratiefördernder Mehrwert der OSZE bleibt? Wir alle haben uns 1990 im Kopenhagener Dokument dazu bekannt, internationale Wahlbeobachter einzuladen. Wie steht es mit diesem Bekenntnis heute?

− Mit Sorge sehe ich, dass in der OSZE der Erhalt und die Weiterentwicklung der Menschlichen Dimension von einigen Staaten behindert werden. Wie können wir

- 113 - mit Blick auf den nächsten Ministerrat in Dublin und darüber hinaus substantielle Entscheidungen im Menschenrechtsbereich vorbereiten und erreichen?

− Mehr denn je steht Europa vor den Herausforderungen von Energiesicherheit und Klimawandel. Wie kann die OSZE mit ihrer kooperativen Kompetenz und ihrer umfassenden Mitgliedschaft einen wirklichen Mehrwert zu ihrer Bewältigung liefern? Wie können wir den Transportdialog im OSZE-Raum, wie in Wilna 2011 beschlossen, sinnvoll ausbauen?

− Welche Rolle kann und soll die OSZE mit Blick auf die transnationalen Bedrohungen des 21. Jahrhunderts spielen? Was können die derzeit verhandelten Strategiepapiere in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Drogenbekämpfung und OSZE-Polizeiaktivitäten leisten? Was kann die OSZE als internationales Forum beitragen, um Vereinbarungen zur Staatenverantwortung für Cyber-Sicherheit voranzubringen?

− Schliesslich: wie kann und soll die OSZE ihren erfolgreichen Politikansatz gegenüber Nachbarregionen und anderen regionalen Zusammenschlüssen offensiver verfolgen? Fördert es nicht unsere eigene Sicherheit, wenn im Mittelmeerraum und in Asien mit Hilfe unserer Erfahrungen und Instrumente ein Mehr an Stabilität entsteht?

Im Jahr 2015 jährt sich die Schlussakte von Helsinki zum 40. Mal. Auch nach vier Jahrzehnten bleibt die OSZE die einzige Organisation, in der die nordamerikanischen Demokratien, die Staaten der EU und ihre östlichen Nachbarn bis nach Zentralasien miteinander verbunden sind.Die großen Chancen, die hierin liegen, haben wir in den vergangenen Jahren nicht wirklich genutzt.

Ich verspreche mir von ihrer gemeinsamen Reflexion Impulse dafür, den sicherheitspolitischen Akteur OSZE bis 2015 wieder stärker in die außenpolitische Debatte zu holen. Lassen Sie uns die große Erfolgsgeschichte von Sicherheit und Zusammenarbeit im Interesse des gemeinsamen Hauses Europa mit neuen Ideen und frischen Vorschlägen weiterschreiben.

Sie werden in der deutschen Bundesregierung nicht nur einen engagierten Förderer haben, sondern auch fortdauerndes Interesse und – gute Ideen vorausgesetzt – einen dankbaren Abnehmer finden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle zum 85. Geburtstag von Hans-Dietrich Genscher, erschienen in der B.Z. und im Bonner Generalanzeiger am 21. März 2012

Zurecht gilt Hans-Dietrich Genscher gemeinsam mit Helmut Kohl als Architekt der deutschen Einheit. Das war sein diplomatisches Meisterwerk. Zuvor hatte er mit dem Anstoß für die berühmte Schlussakte von Helsinki einen großen Beitrag zur Entspannung in Europa in Zeiten des Kalten Krieges geleistet. Für ihn ist deutsche

- 114 - Außenpolitik vor allem und immer eines: Friedenspolitik. Damit hat er Jahrzehnte deutscher Außenpolitik bis auf den heutigen Tag geprägt.

Dass unsere europäische und internationalen Partner nicht mit Angst, sondern mit Freundschaft und Vertrauen auf das wieder vereinigte Deutschland schauten, war auch das Ergebnis der verlässlichen Politik Hans-Dietrich Genschers.

Er hat die Wiedervereinigung Deutschlands immer als den Auftakt für die Wiedervereinigung Europas begriffen und genau so gehandelt. Die Aufnahme Polens und unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn in die europäischen Strukturen war ihm ein Herzensanliegen.

Hans-Dietrich Genscher ist ein großer Staatsmann und genauso ein herzlicher Mensch und ausgezeichneter Ratgeber. Er hat sich immer zuallererst für die Menschen interessiert, für die er Politik gemacht hat. Er hört zu und nimmt ernst. Das zeichnet ihn aus.

Sein Beispiel hat mich schon als jungen Politiker entscheidend geprägt. Bis heute vertraue ich seinem klugen Rat und schätze ihn. Wenn er seine Stimme erhebt, hört Europa auch heute zu. Sein Wort hat Gewicht, in der FDP, in Deutschland, in der Welt.

Ich wünsche Hans-Dietrich Genscher zu seinem Geburtstag vor allem Gesundheit und dass Deutschland noch viele Jahre auf seinen Rat und seine Unterstützung zählen kann.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit dem Deutschlandfunk am 22. März 2012

Der UN-Sicherheitsrat hat also den Friedensbemühungen des Syrien-Gesandten Kofi Annan Rückendeckung gegeben. Die 15 Mitglieder verabschiedeten gestern in New York eine Erklärung, in der sie Damaskus zur "unverzüglichen Umsetzung des Friedensplans" von Annan auffordern. Der Sicherheitsrat ruft die syrische Regierung und Opposition auf, mit gutem Willen mit dem Gesandten zusammenzuarbeiten und dessen Sechs-Punkte-Plan voll und unverzüglich umzusetzen, so heißt es in dieser Erklärung. Annans Friedensplan sieht unter anderem eine von der UNO überwachte Waffenruhe, den Zugang für humanitäre Helfer, die Freilassung von Gefangenen und den Rückzug der Regierungstruppen aus Protesthochburgen vor. Die Erklärung hat zwar weniger diplomatisches Gewicht als eine Resolution, allerdings war auch ihr Text unter den Mitgliedern des Sicherheitsrates nur sehr schwer auszuhandeln. Der Sicherheitsrat hatte bereits im August in einer Erklärung die Gewalt gegen Zivilisten und Menschenrechtsverletzungen in Syrien verurteilt. Die Bemühungen um eine Resolution - das ist das weitaus schärfere Schwert - scheiterten bislang am Widerstand der Vetomächte Russland und China. Am Telefon ist Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Guten Morgen.

Guten Morgen, Herr Heinemann.

Herr Westerwelle, in der Erklärung ist von "gutem Willen" die Rede. Wie viel guten Willen vermuten Sie im Präsidentenpalast von Damaskus? - 115 - Entscheidend sind Taten und bislang wird die Gewalt unvermindert fortgesetzt gegen die Menschen in Syrien, und deswegen wollen wir morgen beim Außenministerrat der Europäischen Union auch neue Sanktionen gegen Syrien beschließen. Gleichzeitig ist es schon bemerkenswert, dass die Ungeduld Russlands mit der syrischen Führung wächst. Assad kann bei seiner Gewalt gegen das eigene Volk eben nicht mehr per se auf die schützende Hand Russlands vertrauen, und das könnte den Erosionsprozess des Regimes beschleunigen. Und das ist ja auch wichtig, und deswegen betreiben wir ja auch eine Politik der Sanktionen und der internationalen Isolierung.

Zu Russland. Unser Korrespondent aus New York, Thomas Schmidt, hat in einem Beitrag heute Morgen gesagt, na ja, so eine Erklärung, eine präsidentielle Erklärung, das wäre eine Art diplomatisches Räuspern. Ist, um im Bilde zu bleiben, der Frosch aus dem Hals?

Also es ist natürlich richtig, dass das noch kein echter Kurswechsel ist. Es öffnet aber die Möglichkeit für eine weitere Annäherung zwischen den beteiligten Staaten im Sicherheitsrat für eine weitere Annäherung in der Syrien-Frage. Und wir werden jedenfalls nichts unversucht lassen, um mit Russland auch zum Wohle der Menschen in Syrien zusammenzuarbeiten. Es ist eine wichtige Erklärung, die verabschiedet worden ist, mehr wäre aus unserer Sicht sinnvoll gewesen, mehr war aber gleichzeitig nicht möglich. Deswegen haben wir das getan, was jetzt praktisch den Menschen hilft. Denn die drei Ziele, ein Ende der Gewalt und auch ein umfassender humanitärer Zugang sowie ein friedlicher politischer Wandel in Syrien, das sind ja gemeinsame Ziele der Europäischen Union.

Rechnen Sie denn, Herr Westerwelle, damit, dass dieser Erklärung in absehbarer Zeit eine Resolution folgen könnte?

Darüber will ich nicht spekulieren. Ich finde es jedenfalls wichtig, dass in der Erklärung auch vorgesehen ist, dass es eine regelmäßige Berichterstattung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gibt. Die Arbeit von Kofi Annan als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga: Sie wird jedenfalls eindeutig unterstützt. Und auch wenn die Erklärung noch kein Kurswechsel Russlands ist, so ist sie doch die Chance für eine bessere Zusammenarbeit in der internationalen Staatengemeinschaft. Denn das entscheidende Signal ist das Signal an das Regime von Assad, dass sich dieses Regime eben nicht ohne Wenn und Aber in jedem Fall auf den Beistand, auf die schützende Hand Russlands verlassen kann. Und das ist das, was im Augenblick erreichbar war, obwohl natürlich mehr wünschenswert gewesen wäre.

Mit welcher Reaktion in Damaskus rechnen Sie?

Mein Eindruck ist, dass dieses jedenfalls die Möglichkeiten eröffnet auch für das sogenannte jemenitische Modell. Das heißt, dass es eine Chance gibt für einen politischen Neuanfang.

Daran arbeiten wir, denn es ist ja ganz offensichtlich, dass ein Regime, das mit so viel Grausamkeit wie das Regime von Assad auf die eigenen Menschen einwirkt, mit so viel Repression und so viel Gewalt, seine Legitimität verloren hat und natürlich auch überwunden werden will.

- 116 - Die Zeitung "The Guardian" gab kürzlich an, sie verfüge über gehackte E-Mails von Assad und seiner Familie. Daraus gehe hervor, dass sich zum Beispiel die Ehefrau des Präsidenten Kerzenhalter, Tische und Kronleuchter aus London und Paris bestellt habe, während ihre Landsleute massakriert werden. Sofern diese Botschaften echt sind - und das kann man so ganz genau nicht sagen -, klingen sie jedenfalls nicht nach vor Angst schlotternden Knien.

Ja, aber da wird natürlich jetzt auch sehr viel Propaganda gemacht. Da muss man, glaube ich, auch vorsichtig sein, dass man nicht jede Meldung dann auch gleich für die volle Wahrheit nimmt. In jedem Fall werden wir uns von den Fakten leiten lassen. Fakt ist, die Gewalt wird fortgesetzt. Fakt ist, dass es jetzt eine eindeutige Erklärung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gibt. Fakt ist auch, dass wir unsere Sanktionspolitik fortsetzen werden. Morgen beschließen wir neue Sanktionen, nicht nur gegen das Assad-Regime, sondern auch gegen sein Umfeld. Und das ist dann zusammen genommen das, was derzeit möglich ist. Denn wir haben ja zwei Ziele. Wir wollen einerseits natürlich den Menschen helfen in Syrien, wir wollen ihnen beistehen in ihrem legitimen Eintreten für Demokratie und ihre Menschenrechte. Gleichzeitig müssen wir aber auch verhindern, dass es einen großen Flächenbrand gibt, einen Stellvertreterkrieg in der Region, der die gesamte Region auch in Brand setzen könnte. Deshalb ist es auch richtig, dass wir diplomatisch und politisch arbeiten. Insoweit ist die Erklärung, die wir gestern in New York aushandeln konnten, mit Sicherheit noch kein Durchbruch, aber es ist ein ganz wichtiger Beitrag, um auch dann zu einer guten Lösung zu kommen. Denn das was bisher stattgefunden hat ist schrecklich genug, über 8000 Tote, darunter viele Hundert Kinder. Man kann sich vorstellen, dass es höchste Zeit war, da die internationale Staatengemeinschaft hier zu einer gemeinsamen Haltung kommt.

Aber vermutlich wird es so weitergehen, denn ohne militärische Unterstützung wäre zum Beispiel Libyens Machthaber Gaddafi möglicherweise noch im Amt. Welche Chancen haben Assads Widersacher ohne militärische Hilfe?

Ich kann nur noch mal sagen, was wir gerade gestern in den Vereinten Nationen ja auch beschlossen haben. Und da ist es auch wichtig, was Kofi Annan als Sonderbeauftragter der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen jetzt in diesen Beitrag einbringt. Und ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass in jedem Land die Situation anders ist. Ein Flächenbrand darf nicht entstehen, es darf nicht so werden, dass wir es mit einem wirklich breiten Stellvertreterkrieg in der Region, der die gesamte Region anzünden könnte, zu tun bekommen. Und deswegen muss man hier natürlich auch so vorgehen, wie wir es getan haben. Und das wird ja auch breit getragen jetzt von den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates. Übrigens zuvor gab es eine Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen, das zeigt, dass wir der Überzeugung sind, dass dieser Weg richtig ist, und wir wollen ihn fortsetzen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

Danke schön.

Fragen: Christoph Heinemann. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Deutschlandfunks. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 117 - Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Frankfurter Rundschau am 26. März 2012

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat mit dem ersten Gipfel zur nuklearen Sicherheit im April 2010 die Abwehr nuklearer Gefahren auf die internationale Agenda gesetzt. Bereits 2009 formulierte er in seiner Prager Grundsatzrede das von der Bundesregierung geteilte Ziel einer atomwaffenfreien Welt als Beitrag zur nuklearen Sicherheit. Heute und morgen werden nun über 50 Staaten in Seoul Bilanz ziehen über die seither erreichten Fortschritte.

Die Bundesregierung engagiert sich aktiv bei der Reduzierung nuklearer Risiken. Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung sind ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik. Die unkontrollierte Verbreitung nuklearer Materialien ist ein großes sicherheitspolitisches Risiko und muss verhindert werden. Atomwaffen in den Händen von Terroristen wären eine gefährliche Bedrohung der internationalen und unserer eigenen Sicherheit. Deutschland setzt sich deshalb dafür ein, die Handlungsfähigkeit und Autorität der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) als Wächterin des internationalen Nichtverbreitungsregimes zu stärken. Es geht darum, eine zuverlässige globale Architektur für nukleare Sicherheit zu schaffen.

Deutschland ist mit knapp 5 Millionen Euro einer der größten Geber für den Nuklearsicherungsfonds der Internationalen Atomenergiebehörde. Mit diesen Mitteln werden weltweit besonders gefährliche hoch radioaktive Strahlenquellen vor unbefugtem Zugriff und Missbrauch geschützt. Auf dem Gipfel werde ich dafür werben, dass hoch radioaktive Strahlenquellen in anderen Staaten so wie in Deutschland zentral erfasst und gesichert werden und die Empfehlungen der IAEA zur Sicherheit und Sicherung radioaktiver Stoffe in noch mehr Ländern umgesetzt werden. Bereits im Gipfelvorfeld haben über ein Dutzend Teilnehmerstaaten deutlich gemacht, dass sie diesen Ansatz unterstützen.

Präventive Sicherheitspolitik im Nuklearbereich verlangt aber auch die konsequente Bekämpfung der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen und nukleare Abrüstung, um die Risiken durch Nuklearwaffen dauerhaft zu reduzieren.

Im Rahmen der Globalen Partnerschaft der G-8-Staaten hat Deutschland seit 2002 über 850 Millionen Euro zur Beseitigung oder Sicherung von Nuklearwaffenmaterial, chemischen Waffen und anderer gefährlicher Hinterlassenschaften aus der Zeit des Kalten Kriegs zur Verfügung gestellt. Das ist unmittelbar in unsere Sicherheit investiertes Geld.

Gerade in Seoul, nur 50 km von der Demarkationslinie zwischen Südkorea und dem an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitenden Nordkorea gelegen, sind die Gefahren nuklearer Proliferation fast mit Händen zu greifen. Die Ende Februar von Nordkorea angekündigte Einschränkung seiner Anreicherungsaktivitäten und der vorläufige Verzicht auf weitere Nukleartests stellen zwar positive Signale dar, müssen aber am tatsächlichen Handeln Nordkoreas gemessen werden.

Auch Iran muss die berechtigten Zweifel der Staatengemeinschaft über den tatsächlichen Zweck seines Atomprogramms nachvollziehbar ausräumen. Deutschland setzt sich zusammen mit den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats für eine diplomatische und politische Lösung ein. Ich fordere Iran auf, die Chance zur Wiederaufnahme ernsthafter und substanzieller Gespräche über - 118 - sein Nuklearprogramm zu nutzen. Iran hat ausdrücklich das Recht, die Atomenergie für friedliche Zwecke zu nutzen, aber es hat ebenso die Pflicht, auf eine nukleare Bewaffnung zu verzichten. Das ist nicht nur eine Frage der Stabilität Israels und der Region, das ist eine Frage der internationalen Sicherheit.

Im September 2009 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in einer historischen Sitzung unter Leitung Barack Obamas die Resolution 1887. Darin gibt der Sicherheitsrat seiner Entschlossenheit Ausdruck, die Bedingungen für eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. 2010 haben die Mitgliedstaaten des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags die Zielsetzung einer nuklearwaffenfreien Welt bekräftigt. Gemeinsam haben wir ein umfassendes Arbeitsprogramm zur nuklearen Abrüstung, Nichtverbreitung und verantwortlichen friedlichen Nutzung der Kernenergie verabschiedet. Mit Australien, Japan und anderen engagierten Ländern setzt sich Deutschland in der "Initiative für Nichtverbreitung und Abrüstung" (Non-Proliferation and Disarmament Initiative, NPDI) für die konsequente Umsetzung dieses Arbeitsprogramms ein. Gemeinsam treten wir auch für die Einbeziehung von taktischen Atomwaffen in die internationalen Abrüstungsbemühungen ein.

Ich erwarte vom Gipfel in Seoul ein klares Bekenntnis zur weiteren Reduzierung nuklearer Risiken. Aus unserer Sicht ist klar: Ja zur nuklearen Sicherheit muss auch Ja zur atomaren Abrüstung und nuklearen Nichtverbreitung heißen. Es geht um unsere gemeinsame Sicherheit.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles beim "Gipfeltreffen zur Nuklearen Sicherheit" in Seoul am 27. März 2012 (Englisch)

- es gilt das gesprochene Wort! -- President Lee, Excellencies, Dear colleagues,

I wish to thank the Republic of Korea for hosting this second Nuclear Security Summit. We are here because securing nuclear materials is a common global challenge. In an age marked by globalization and international terrorism, a lack of security in only one of our countries poses a safety risk to us all. A chain is always only as strong as its weakest link. Preventive security policy in this domain requires three things: First, we must strengthen non‑proliferation, including the relevant treaties and instruments. Second, we must make progress on nuclear disarmament. And third, we must make absolutely sure that we have put in place the best possible security measures to safeguard nuclear materials. This includes materials for civilian purposes. Here in Seoul, the dangers of proliferation are ever present. The curtailment of enrichment activities announced by North Korea at the end of February, and its preliminary halting of further nuclear testing, send a positive, although long overdue, signal. This must however still be measured against North Korea’s real actions. Here, I would like to underscore that Germany considers North Korea’s recently announced

- 119 - plans to launch a satellite by using ballistic missile technology to be in clear violation of the relevant UN resolutions. This seriously calls into question the confidence- building measures that are just getting under way. Iran, too, must finally put an end to its non‑cooperative behaviour, and dispel, in a transparent and comprehensible way, the reasonable doubts about the aims of its nuclear programme. I urgently call on Iran to seize the opportunity for the resumption of talks. Because we need a diplomatic solution, the international community must maintain pressure on Iran through sanctions. Non‑proliferation and disarmament are two sides of the same coin and part of the Non‑Proliferation Treaty. I am pleased that these topics are again on the international agenda. In 2010, the Parties to the Non‑Proliferation Treaty reaffirmed their commitment to “Global Zero”, a world free of nuclear weapons. Germany welcomes President Obamas commitments made at this summit to a new approach to nuclear disarmament, including tactical nuclear weapons.

Nuclear security is a precondition for non‑proliferation. Following the successful 2010 summit on the protection of weapons-grade materials, we must now focus on civilian uses. These, too, pose a risk, especially with regard to the danger of a “dirty bomb”.

Less than 10 states possess nuclear weapons, and only some 30 have nuclear power plants. Yet almost every country in the world has many other radioactive sources. These are often indispensable in medicine, research, and industry. We must, however, act to prevent their misuse to the same extent that we do for dangerous radioactive waste from nuclear power plants, just to name an example. Enhanced nuclear security has been proven to increase overall operational safety.

Also based on our national actions, Germany has developed proposals that many of you have already expressly supported. Thank you for your engagement. I welcome the fact that we are also using this Summit to support those states that are still lacking capabilities in this domain. We must consistently pursue efforts to strengthen all three pillars of our programme of work: disarmament, non‑proliferation, as well as the responsible and safe civilian use of nuclear materials.

I thank you.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap News am 27. März 2012 (Englisch)

What is the significance of the second Nuclear Security Summit in Seoul? In your opinion, what are the most pertinent agenda items to be addressed at the Seoul summit? What results do you expect from the summit? How do you think future summits should progress?

Non-Proliferation and Disarmament are core areas of German foreign policy. The uncontrolled proliferation of nuclear material is one of the great security threats of today. In Seoul, only 50 Kilometres from the demilitarized zone to the North, the

- 120 - dangers of nuclear proliferation are more than evident. More needs to be done to prevent nuclear proliferation and to safeguard nuclear and radioactive material from theft, sabotage, unauthorized access and illegal transfers. The Nuclear Security Summit will give an additional political impetus to global efforts to improve nuclear security and to prevent the proliferation of nuclear material worldwide. Our aim must be to build a reliable global architecture for nuclear security.

Does your country have a particular issue it would like to bring up at the Seoul summit?

At the Washington summit leaders focused strongly on securing weapons-usable nuclear material. In my view it is equally important to secure other radioactive material. Germany has launched an initiative to improve standards for securing highly radioactive sources. Already more than a dozen participant-countries of the Nuclear Security Summit have said they will support this approach.

Germany has decided to completely phase out nuclear power plants by 2022. What will your country do to prepare for a resulting possible power shortage?

By 2022, Germany will have phased out nuclear energy. Until then, we will invest strongly in renewable energies. We have set ourselves an ambitious goal. But I am optimistic that we will achieve it. The technological gains will be enormous. Renewable energy is an industry of the future. We invite our partners to work with us to make full use of the opportunities which result.

What is your assessment of the level of bilateral cooperation between Germany and the Republic of Korea? In your view, what is the most important thing needed to further develop bilateral ties?

Our diplomatic ties date back to the end of the 19th century when the first bilateral treaty on trade and friendship was signed. Our modern cooperation started In the 1960s. Today, South Korea is our third largest economic partner in Asia, about 800 German companies in Korea employ around 80,000 people. Korea has become a key partner in technological development and we welcome the growing cooperation in this sector very much. Our partnership is marked by friendship and respect and we work to develop it even further.

Is there anything you would like to tell the Korean people?

In 1988 only few Germans believed in Reunification. A year later the Berlin Wall came down. Change is possible. I wish you not to loose confidence in the power of freedom and in the future of a reunified Korea.

Your country is leading the eurozone along with France. What should be done for the future development of the eurozone and the entire European region? Germany is speeding up the consolidation of Europe as a way of fighting the eurozone debt crisis. What should be the final destination of European consolidation?

The debt crisis has turned into a serious crisis of confidence. In order to overcome the crisis we have shown financial solidarity with our partners in trouble, but did also a lot to increase fiscal solidity and sound budget rules. The fiscal compact lays down binding rules to strengthen budgetary discipline on a durable basis. We are working

- 121 - together to increase European competitiveness which is a precondition for growth. In other words: Europe is back on track.

There are concerns that Germany's efforts to consolidate Europe are intended at Germanizing the region. What is your response to that criticism?

There is a broad consensus that the answer to the current crisis has to be “more Europe”, not “less Europe”. Germany is deeply committed to Europe. We want a European Germany, not a German Europe.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, erschienen in der arabischsprachigen Zeitung Al-Quds, in London am 28. März 2012.

Heute kommt in Berlin zum zweiten Mal der deutsch-palästinensische Lenkungsausschuss zusammen. Ich werde Premierminister Fayyad im Auswärtigen Amt begrüßen. Der Lenkungsausschuss ist ein von der Bundesregierung und der Palästinensischen Behörde im Mai 2010 ins Leben gerufenes Forum, in dem Minister beider Kabinette über den weiteren Aufbau staatlicher Strukturen in den Palästinensischen Gebieten beraten, hat Modellcharakter. Andere europäische Partner haben seither nachgezogen und ähnliche Formate mit der Palästinensischen Behörde etabliert.

Unser Ziel ist und bleibt eine gerechte Zwei-Staaten-Lösung mit Israel Seite an Seite mit einem lebensfähigen, souveränen palästinensischem Staat in sicheren und anerkannten Grenzen. Nur so ist aus unserer Sicht einen dauerhafter Frieden im Nahen Osten möglich.

Das Gelingen einer solchen Zwei-Staaten-Lösung hängt ganz entscheidend vom Aufbau effektiver staatlicher Strukturen in den Palästinensischen Gebieten ab. Ich bin zuversichtlich dass von dem heutigen Treffen ein klares Signal der Unterstützung für den erfolgreichen Kurs von Premierminister Fayyad ausgehen wird.

Deutschland unterstützt den Aufbau der Palästinensischen Gebiete seit Jahrzehnten. Wir tragen als einer der größten Geber zum Aufbau der Infrastruktur, einer nachhaltigen Wirtschaft, einem verbesserten Bildungsangebot sowie zum Aufbau palästinensischer Sicherheitskräfte bei. All dies sind unverzichtbare Voraussetzungen für einen funktionierenden palästinensischen Staat. Diese Aufbauhilfe wollen wir im Rahmen des Lenkungsausschusses so effektiv und so nachhaltig wie möglich gestalten.

Das heutige Treffen findet in einer weltweit Besorgnis erregenden Zeit des Stillstands im Nahost-Friedensprozess statt. Die in Amman begonnenen direkten Gespräche liegen seit Wochen auf Eis. Dieses Zögern hilft niemandem. Die Zeit drängt – umso mehr in einer Zeit massiver Umbrüche in der arabischen Welt.

Das Nahost-Quartett hat einen vernünftigen Weg für erneute Friedensgespräche aufgezeigt. Dieser Weg muss nun von beiden Konfliktparteien mutig, konstruktiv und unter Verzicht auf einseitige provozierende Maßnahmen beschritten werden. Dazu

- 122 - gehören insbesondere substantielle Vorschläge zu den Bereichen "Grenzen und Sicherheit". In diesem Geiste geht die Bundesregierung auf beide Seiten zu.

Ich ermutige meine palästinensischen Gesprächspartner, auch angesichts mancher Widrigkeiten den Weg substantieller Verhandlungen zu gehen. Denn unser gemeinsames Ziel ist und bleibt eine friedliche und dauerhafte "Zukunft für Palästina". Ich bin mir sicher, dass wir zusammen mit unseren palästinensischen Partnern diese Zukunft ein gutes Stück mitgestalten können.

Guido Westerwelle Außenminister der Bundesrepublik Deutschland

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am 30. März 2012

Herr Westerwelle, wie groß ist Ihre Sorge, dass der Atomstreit mit dem Iran entgleist?

Ich mache mir große Sorgen, dass es zu einer militärischen Eskalation wegen des iranischen Nuklearprogramms kommen könnte. Und weil die Sorgen so groß sind, sind unsere Anstrengungen umso größer, einen Krieg zu verhindern und eine politische, diplomatische Lösung zu ermöglichen.

Aber hat nicht seit Jahren die Diplomatie ihre Chance gehabt?

Aus heutiger Sicht hätte man mit der Sanktionspolitik deutlich früher und entschiedener beginnen müssen. Aber jetzt haben wir die Sanktionen verschärft und sie beginnen zu wirken. Im April kommt es zur Wiederaufnahme der Verhandlungen.

Dass Israels Sicherheit Deutschlands Staatsräson sei, ist das Credo der Bundesregierung. Im Notfall auch mit der Konsequenz eines Militäreinsatzes an der Seite Israels?

Dieser Satz ist so klar und eindeutig, dass man ihn nicht interpretieren muss.

Nochmals gefragt: Engagieren wir uns notfalls auch militärisch?

Deutsche Außenpolitik hat, jedenfalls solange ich im Amt bin, eine klare Priorität, nämlich Kriege zu verhindern und politische und diplomatische Lösungen zu ermöglichen. Im Atomstreit mit dem Iran setzen wir auf die Kombination von Sanktionen und der Bereitschaft zu substanziellen Verhandlungen.

Aber die „Kultur der Zurückhaltung“ ist altmodischer Genscherismus. Sind wir nicht mittlerweile etwas forscher im Auftreten?

Die Kultur der militärischen Zurückhaltung ist zeitgemäßer denn je. Sorgen macht mir ein Neobellizismus, der den Eindruck erweckt, dass militärische Eingriffe schneller, wirkungsvoller und „chirurgisch“, sprich, ohne zivile Opfer, möglich seien.

Sehen Sie diesen Neobellizismus auch in Deutschland am Werk?

- 123 - Es gibt diesen Neobellizismus auch in der deutschen Diskussion. Manchen Kommentar zum Thema "Schutzverantwortung" für Zivilbevölkerung habe ich mir vor fünf Jahren noch nicht vorstellen können – so ehrenwert die Motive sein mögen.

Die Bundeswehr ist jetzt seit zehn Jahren in Afghanistan. Wie lautet ihre Bilanz?

Wir sind zu lange von einer zu großen Erwartungshaltung ausgegangen. Zugespitzt formuliert: Wir können unsere Soldaten doch nicht erst zurückholen, wenn aus Afghanistan so etwas wie die Schweiz Zentralasiens geworden ist. In meiner Amtszeit wurde der Abzug der Kampftruppen eingeleitet. Es wird nur eine politische, keine militärische Lösung in Afghanistan geben. Auch in Afghanistan wäre es besser gewesen, wenn man früher auf politische Lösungen gesetzt hätte.

Nun hat der afghanische Präsident Karsai kürzlich gesagt, er wäre die Besatzer lieber heute als morgen los. Sind wir schon vor 2014 draußen?

Präsident Karsai hat vor allem von der Notwendigkeit gesprochen, die Sicherheitsverantwortung in den ländlichen Gebieten schneller an die afghanische Seite zu übertragen. Dem stimme ich zu. Ich rechne damit, dass bereits in diesem Frühjahr mehr als die Hälfte des afghanischen Staatsgebietes unter afghanischer Sicherheitsverantwortung stehen wird.

Fragen: Winfried Dolderer. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der WAZ. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung Markus Löning im Interview mit dem Deutschlandradio Kultur am 30. März 2012

Es geht um gerade einmal zehn Prozent der Sitze, die müssen neu besetzt werden. Aber für die Menschen in Birma, auch bekannt als Myanmar, geht es bei diesen Parlamentsnachwahlen um viel mehr. Die jahrelang eingesperrte Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi tritt bei dieser Abstimmung am Sonntag als Kandidatin an, erstmals seit der Auflösung der Militärdiktatur. Der Friedensnobelpreisträgerin werden gute Chancen eingeräumt, in das Parlament zu kommen - und es ist ein wichtiger Test für den Reformwillen der Regierung von Ex-General Thein Sein, seit einem Jahr Präsident von Birma. Auch der Westen beobachtet aufmerksam diese Wahl.

Die Bundesregierung ist in Person ihres Beauftragten für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe vor Ort. Das ist Markus Löning von der FDP, und den begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Löning!

Guten Morgen!

Was ist Ihr Eindruck, verläuft dieser Wahlkampf fair?

Also, man muss, glaube ich, den Maßstab anlegen des Wahlkampfes vom November 2010. Damals durften die Oppositionsparteien im Grunde genommen keine Werbung machen, sie durften im Grunde genommen die Wähler nicht richtig ansprechen, es war fast alles verboten, was man in einem normalen Wahlkampf kennt, und was ich jetzt sehen kann: Auf der Straße hängen Plakate von Aung San Suu Kyi, ich habe

- 124 - gestern eine Wahlkampfversammlung gesehen in Rangun, da waren lange Autokorsos, zehn, zwölf Autos mit roten Fahnen dran mit dem Logo der NLD, mit dem Logo ihrer Partei, da war eine große Menschenmenge, 200, 300 Leute, da war ein Mann, der über einen Lautsprecher eine Rede gehalten hat - also ein Riesenauftrieb, das ist schon mal ein ganz großer Unterschied, dass an der Stelle sichtbar Wahlkampf geführt werden kann. Und die Lady, wie sie hier genannt wird, zieht durchs Land, zieht die Menschen in großen, großen Massen an, kann auftreten - es gab an einer Stelle eine Schwierigkeit, die ist dann aber auch wohl aufgelöst worden. Also es ist eine ganz andere Atmosphäre, als das bei den Wahlen im November 2010 gewesen ist, und ich glaube, ob das am Ende wirklich frei und fair gewesen ist, das muss man am Ende der Wahl bewerten, aber die Indikatoren sehen ziemlich gut aus.

Andererseits beschwert sich ja Suu Kyi, dass zum Beispiel Plakate ihrer Partei beschädigt werden, ihre Rede, die im Staatsfernsehen - eine Wahlkampfrede - ausgestrahlt worden ist, die ist zensiert worden. Bekommen Sie davon was mit?

Ich habe das gelesen auch mit der Rede, es gibt auch Beschwerden darüber, dass die Wählerregister nicht richtig geführt werden, dass dort Menschen drin sind, die eigentlich schon lange tot sind und Ähnliches mehr. Also das mit den Plakaten, muss ich sagen, das passiert auch im deutschen Wahlkampf, da kommt es immer auf die Frage an, wie viel ist das, ist das organisiert oder ist das eben hier und da einmal ein Plakat. Aus meiner Sicht kann ich sagen, das ist sicher nicht perfekt, was hier passiert, das ist nun auch ein Entwicklungsland, das noch eine Menge Entwicklung vor sich hat, auch was Staatliche Strukturen angeht, aber es ist sicher deutlich besser, als es gewesen ist vor anderthalb Jahren, und vor allem, man spürt, wenn man mit den Leuten redet, dass diese Atmosphäre der Angst nicht mehr da ist. Man kann auf der Straße T-Shirts kaufen mit dem Konterfei von Aung San Suu Kyi, das ist etwas, das ist noch letztes Jahr unvorstellbar gewesen, die Leute wären verhaftet worden, wenn sie versucht hätten, solche T-Shirts zu verkaufen.

Haben Sie persönlich irgendwelche Auflagen oder können Sie sich tatsächlich auch ganz frei bewegen und mit jedem sprechen, mit dem Sie sprechen möchten?

Ich kann mich frei bewegen, und ich muss sagen, es ist im Vergleich zu meinem letzten Besuch im letzten Sommer - ich bin im letzten Juni hier gewesen -, damals habe ich versucht, einen der politischen Gefangenen, nämlich den Komiker Zarganar, im Gefängnis zu besuchen. Ich habe ihn vorgestern getroffen, er ist seit ein paar Wochen wieder draußen. Ich konnte mich mit einem der Führer der 88er- Studenten treffen, ich habe mich mit einem der Shan-Führer, also einem Führer der Minderheiten getroffen. Alle das sind politische Gefangene gewesen. Wir haben gestern Abend zusammengesessen mit einer großen Gruppe von Bürgerrechtsaktivisten, von Umweltaktivisten, von Leuten, die sich im Bereich Erziehung einsetzen. Viele von denen haben im Gefängnis gesessen, wir haben rund um den Tisch gesessen und eifrig diskutiert über die Zukunft dieses Landes, also ich kann inzwischen wirklich sehr viele Leute treffen. Es gibt immer noch eine Handvoll politischer Gefangener, die müssen auch noch rauskommen, aber es ist ein deutlicher Fortschritt zu spüren, und alle sprechen wirklich frei über die Zukunft ihres Landes, das ist schon ein ganz, wirklich ein bewegendes Gefühl, das zu erleben.

Haben Sie auch Gelegenheit, mit Aung San Suu Kyi persönlich zu sprechen, der großen Heldin der Demokratiebewegung? - 125 - Ich hatte ja bei meinem letzten Besuch im Juni ein sehr ausführliches Gespräch mit ihr gehabt, und im Moment bin ich in der Shan-Region, in einem der Minderheiten- Gebieten in den Bergen hier, deswegen ist auch unsere Telefonverbindung so schwierig. Ich hoffe, wenn ich übermorgen nach Rangun zurückkehre, dass wir uns dann treffen können. Ich hoffe, dass wir am Wahlabend die Gelegenheit haben, da auch ein paar Worte miteinander zu reden, aber da schaut natürlich die ganze Welt auf sie. Ich hoffe, dass ich ihr dann Glückwünsche für eine hoffentlich gelungene Wahl überbringen kann.

Herr Löning, Sie haben jetzt viel über Ihre Gespräche in dem Land gesprochen. Sie haben gesagt, da herrscht mittlerweile ein ganz anderes Klima als früher, die Menschen würden frei und offen sprechen. Wenn man sich aber jetzt die Opposition anhört, wenn man sich auch anguckt, was Dissidenten fordern, dann ist das ein wenig anders, das Bild. Die Exilopposition fordert zum Beispiel, den Druck auf das Regime von Thein Sein so lange aufrecht zu erhalten, bis alle politischen Gefangenen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden sind. Ist es zu früh, wenn die Europäische Union jetzt schon Lockerungen der Sanktionen in Aussicht stellt nur für den Fall, dass die Wahlen fair verlaufen?

Also die Europäische Union hat ja einen Teil ihrer Sanktionen schon gelockert. Sie hat Einreiseverbote gegen einige Mitglieder der Regierung schon aufgehoben, weil wir gesagt haben, es ist wichtig, mit den Menschen zu reden. Man muss zu den Forderungen der Exilopposition auch wissen, dass die Forderungen der Exilopposition schon immer andere gewesen sind und wesentlich härter und wesentlich schärfer gewesen sind als die der Opposition hier im Land. Alle Menschen, mit denen ich hier im Land gesprochen habe, gerade Leute, die jetzt aus dem Gefängnis kommen, haben gesagt, die Sanktionen, die wir verhängt haben, das war richtig, ein Signal zu setzen, ein klares Signal zu setzen, dass wir das falsch finden, was hier passiert. Aber man muss eben sehen, dass diese Sanktionen auch vielen, vielen normalen Leuten geschadet haben, und alle haben gesagt, haltet den politischen Druck auf das Regime aufrecht, damit die Demokratisierung weitergeht, aber hebt die Sanktionen bitte auf.

Birma vor den Parlamentswahlen, das war Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Der FDP-Politiker ist zurzeit in Birma unterwegs. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Löning!

Vielen Dank auch nach Deutschland!

Interview: André Hatting. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von Deutschlandradio Kultur. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 126 - Statement von Bundesaußenminister Guido Westerwelle beim Treffen der Freundesgruppe des syrischen Volkes in Istanbul am 1. April 2012 (Englisch)

Mr. Chairman, Excellencies, I would like to thank Prime Minister Recep Erdogan, my dear colleague Ahmet Davutoglu and the Government of Turkey for hosting ustoday and for the excellent preparations.

Germany's policy on Syria is based on three priorities: First, we must put an end to the brutal violence and the continuing bloodshed. Secondly, we are strongly committed to a political solution. We need to prevent this conflict from deepening and affecting the whole region. Thirdly, we support the people of Syria in their aspirations to achieve democracy, rule of law, pluralism and religious tolerance.

Last week, the Security Council endorsed the six-point-plan of Kofi Annan. Germany wholeheartedly supports Kofi Annan's mission. His plan should be implemented immediately, including an effective, UN-supervised cessation of armed violence.

The regime claims to have accepted this plan. But words are not enough: We must see deeds. We must maintain the political and economic pressure on the regime. The pressure has already had an effect. And we are willing to increase it further. It is my strong belief that it is for the Syrian people to decide their own future.

The “National Pact on the Future of Syria” presented today by the Syrian opposition is a milestone in this struggle for freedom. We expect the Syrian National Council to take steps to become more inclusive and effective. And we expect the Council to support fully Kofi Annan and his plan.

In Tunis, the Friends' Group endorsed the idea of a Working Group on Economic Recovery and Development. Together with the United Arab Emirates, Germany has taken this idea forward. We are pleased that today the mandate for the group has been endorsed.

The UAE and Germany are willing to continue their engagement as co-chairs. The International Community and the Syrian opposition must be ready for transition to begin. Given the dramatic situation on the ground, there is an urgent need for increased humanitarian assistance.

Today, I can announce that Germany is making available an additional 2.5 Mio. Euros. There is no time to waste. The International Community must stand united to end the violence and to support the political transition. We will stand by the people of Syria.

Thank you.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 127 - Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, erschienen in der Bild am Sonntag am 8. April 2012

Iran treibt sein Nuklearprogramm ungeachtet aller internationaler Kritik voran. Es gibt glaubhafte Hinweise auf eine mögliche militärische Dimension. Iran verweigert völkerrechtswidrig seit Jahren umfassende Zusammenarbeit bei der Kontrolle seines Nuklearprogramms

Denen, die das auch jüngst nicht wahrhaben wollen, sei gesagt: Das alles ist keine Spielwiese für Polemik, Ideologie und Vorurteile, sondern bitterer Ernst.

Wir betreiben mit unseren Bemühungen um politische Lösungen kein diplomatisches Glasperlenspiel, sondern wollen gemeinsam mit unseren Partnern zur Wahrung des Friedens die richtigen Antworten auf krisenhafte Entwicklungen in einer für Deutschland und Europa außerordentlich wichtigen Region finden.

Wir setzen uns für eine atomwaffenfreie Zone im gesamten Nahen und Mittleren Osten ein.

Iran hat das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie. Es hat nicht das Recht auf atomare Bewaffnung.

Wer die davon ausgehende Bedrohung verharmlost, verweigert sich der Realität.

Ein Iran mit Atomwaffen hätte schwerwiegende Folgen: Die ohnehin gefährdete, prekäre Stabilität der Region wäre endgültig dahin. Es würde ein kaum kontrollierbares Wettrüsten einsetzen. Auch die globale Sicherheitsarchitektur käme ins Wanken.

Atomwaffen in den Händen Irans wären auch eine Bedrohung für die Sicherheit Israels. Das ist für unsere verantwortungsvolle deutsche Außenpolitik Grund und Anlass für besondere Sorge.

Denn Deutschland hat eine historische Verantwortung für die Menschen in Israel. Aber es gibt weit mehr, das uns mit Israel eint: Eine echte Wertepartnerschaft. Wir teilen mit der einzigen wirklich funktionierenden Demokratie in der Region den Glauben an die Rechte des Einzelnen, an Freiheit, Verantwortung und den Rechtsstaat.

Wir teilen diese Werte mit einer streitbaren Demokratie. In der Knesset wird vielleicht noch heftiger debattiert als im Bundestag. Und mit einer Demokratie, die Kritik auch von außen ertragen kann. Ich habe in Pressekonferenzen mit meinem israelischen Amtskollegen in Jerusalem vor allen Medien des Landes die israelische Siedlungspolitik in deutlichen Worten kritisiert. Vergleichbares wäre in Iran undenkbar.

Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen, ist nicht geistreich, sondern absurd.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 128 - Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen am 12. April 2012 (Englisch)

-- es gilt das gesprochene Wort -- Excellencies, Ladies and Gentlemen,

Thank you for being with us tonight !

It is a great pleasure for me to speak to you here in this beautiful Morgan Library, which is, as you know, an iconic place containing an important collection, also including very unique manuscripts from Germany.

Today, however, I would like to talk about Germany’s engagement in the United Nations.

The United Nations stand for a global political approach based on cooperation. To secure peace and protect human rights, we need a strong and efficient United Nations. We need it for a global policy committed to the well-being of mankind. The Human Rights Council is one of the key forums of the United Nations for carrying out this task.

The Human Rights Council not only plays a role in conflict situations where Human Rights are threatened but also serves as the forum for the ongoing development of human rights standards – be it economic, social, cultural, civil or political rights.

Let me give you an example:

In response to an initiative by Germany and Spain, the Human Rights Council laid the foundation for the recognition of the right to water and sanitation.

The object of all our endeavours is not to make sweeping allegations. The object is to provide advice and support so that all states can better fulfil their human rights obligations.

We welcome the fact that the Universal Periodic Review examins the human rights records of all states.

The emphasis lies on “all states”: Rich and developed countries do not have a monopoly on safeguarding human rights. The protection of Human Rights is never complete. Nowhere.

Germany has actively participated in the work of the Human Rights Council from the very beginning. Our constitution and all our political initiatives are rooted in the belief that human dignity and human rights are the basis of every community and of peace and justice in the world.

Germany was one of the first members of the Council from 2006 to 2009. At that time, we were elected by a convincing margin. I would like to thank you again for this expression of your confidence.

- 129 - It has always been important to us to speak frankly and, at the same time, seek dialogue in order to work hand in hand with our partners to find solutions. Cooperation instead of confrontation is the guideline of our engagement.

The great strength of the Human Rights Council is that it is a forum where states with very different backgrounds and, in some cases, very different concepts of human rights can come together to find answers to the questions arising in a complex and globalized world.

We are grateful to our partners for the many positive experiences we have gained from dialogue.

I am thinking of our cooperation with the Philippines to improve protection for victims of human trafficking. I am thinking of our support for the Maldives’ initiative to address the issue of human rights and climate change. I am thinking of the “Blue Group”, which we co‑founded and within which we have joined forces with Spain, Egypt, Bangladesh, Brazil, Croatia, France, Maldives, Morocco, Slovenia and Uruguay to promote the human right to safe drinking water and sanitation.

Germany will continue its role as a bridge builder in the Human Rights Council.

The extent to which human rights are respected and protected serves as a yardstick for the stability and sustainable development of our societies. Thus, the pursuit of the Millennium Development Goals constitutes human rights policy par excellence

Germany is a candidate for a seat on the Human Rights Council 2013-2015. We are again ready to take on responsibility and help shape the Council so it can discharge its mandate even more effectively, serve as a forum for constructive dialogue and take decisions that will positively and sustainably change the lives of people worldwide.

We accept this challenge and ask for your support in the coming elections to the Human Rights Council.

Thank you for your attention.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Gemeinsamer Namensartikel von Bundesaußenminister Guido Westerwelle und EU-Kommissar Günther Oettinger, erschienen in der Stuttgarter Zeitung am 14. April 2012

Vielen mag heute kaum mehr bewusst sein, dass ein Plan zur Energiezusammenarbeit die Geburtsstunde der Europäischen Union war. Die gemeinsame Kontrolle über Kohle und Stahl im Rahmen der Montanunion bildeten den Kern, aus dem die heutige Europäische Union erwachsen ist. Das europäische Einigungswerk hat uns Frieden, Freiheit und Wohlstand gebracht. Heute aber steht vor Europa vor ganz neuen Aufgaben: Eine beispiellose Staatsschuldenkrise, eine Weltordnung im Umbruch und ein allgemein nachlassender Rückhalt für den Europagedanken. Um diese Bewährungsprobe zu bestehen, braucht das Projekt Europa dringend neue Energie.

- 130 - Die Überwindung der Schuldenkrise und nachhaltiges Wachstum für Europa sind die vorrangige Aufgabe. Wir dürfen aber unseren Blick nicht auf die Finanzkrise verengen. Die großen Herausforderungen unserer Zeit können nur bewältigt werden, wenn Europa zu einem globalen Akteur von Gewicht wird. Neues Vertrauen in Europa wird nur entstehen, wenn uns bewusst wird: die Integration ist nicht nur eine vergangene Erfolgsgeschichte, sondern auch die beste Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Die vor uns liegenden Aufgaben machen eine neue Debatte über die Zukunft der Europäischen Union erforderlich. Dabei müssen wir uns drei Aufgaben stellen:

Erstens benötigen wir ein klares und ehrgeiziges Leitbild von Europa als globaler Gestaltungskraft. In den rasant wachsenden Gesellschaften der Schwellenländer entstehen neue Kraftzentren. Die einzelnen Staaten Europas laufen Gefahr, weiter an relativem Einfluss zu verlieren. Ein funktionierender globaler Ordnungsrahmen muss erst entstehen, bei der Regulierung der Finanzmärkte, der Bekämpfung der Klimaerwärmung genauso wie in der Außen- und Sicherheitspolitik und bei der Energiesicherheit. Europa muss Partnerschaften mit anderen Gestaltungsmächten eingehen und gemeinsam mit ihnen auf eine wirkungsvolle global governance hinarbeiten. Zugleich werden wir uns mit ihnen im Wettbewerb der Wirtschaften, Ideen, Bildungssysteme und Gesellschaftsmodelle messen müssen. Hier müssen wir unsere Kräfte sehr viel stärker bündeln und als Europäer gemeinsam handeln.

Zweitens muss die Europäische Union eine Region nachhaltigen Wohlstands bleiben. Es geht deshalb nicht nur darum, den gegenwärtig angeschlagenen Volkswirtschaften in Europa wieder auf die Beine zu helfen. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, in ganz Europa die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu erhöhen. Die Schuldenkrise war ein massiver Weckruf und die Lektion liegt auf der Hand: Die Währungsunion muss um eine funktionierende, umfassende Wirtschaftsunion ergänzt werden. Dabei wird die Kunst darin bestehen, die notwendige Haushaltskonsolidierung mit intelligenten Impulsen für nachhaltiges Wachstum zu verbinden. Europa muss wettbewerbsfähiger werden –der Binnenmarkt in Bereichen wie Energie und IT muss vertieft und deutlich mehr in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert werden. Dafür bieten die laufenden Verhandlungen über eine neue siebenjährige Finanzperiode der EU eine große Chance.

Drittens brauchen wir konkrete Zukunftsprojekte, mit denen sich die Menschen identifizieren und für die sie sich engagieren. Ein solches ist zweifellos eine sichere, nachhaltige Versorgung mit sauberer Energie. Eine starke europäische Energiepolitik wird in immer größerem Maße zur zentralen Grundlage für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Solidarität in Europa bedeutet nicht zuletzt, durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine stetige Energieversorgung in allen Ländern und Regionen Europas sicherzustellen. Für zentrale Fragen benötigen wir gemeinsame europäische Lösungen: Wie können wir eine funktionsfähige europäische Energieinfrastruktur schaffen? Wie gestalten wir die Energieaußenbeziehungen, mit denen unser Kontinent seine Energieversorgung sichert? Wie können wir Energie effizient nutzen?

Unser Ziel bleibt ein politisch geeintes Europa, das seine Kräfte in zentralen Politikbereichen bündelt, um sich im neuen globalen Gefüge behaupten zu können. Deutsche Interessen und europäisches Gemeinwohl stehen dabei nicht in einem - 131 - Spannungsverhältnis. Kritiker behaupten gern, dass Deutschland den europäischen Partnern seinen Willen aufzwingen und Europa nach deutschen Vorstellungen formen wolle. Andere meinen, Deutschlands Engagement für Europa schwinde. Beide Behauptungen sind Klischees und beide sind falsch. Wir wissen, dass der Erfolg des europäischen Projekts auf dem Gedanken partnerschaftlicher Führung beruht. Gerade deswegen empfinden wir heute wie gestern Verantwortung für ein starkes Europa: In einem nie da gewesenen Maß übt Deutschland Solidarität mit den europäischen Nachbarn, die durch die Schuldenkrise unter Druck geraten sind. Dafür steht nicht zuletzt Deutschlands Beitrag zum europäischen Rettungsschirm. Zugleich wurde mit der Initiative für den Fiskalvertrag die Grundlagen für eine neue Kultur der Stabilität in Europa geschaffen.

Deutschland hat eine doppelte Verantwortung: Wir wollen das Europa von morgen in Partnerschaft mitgestalten. Zugleich müssen wir die Menschen in Deutschland und in Europa überzeugen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es gibt keine gute Zukunft für unser Land ohne die europäische Einigung. Und es gibt für unsere Nachbarn keine gute Zukunft ohne ein europäisch gesinntes Deutschland. Diese Lektion galt nicht nur in Zeiten des Kalten Krieges. Sie gilt auch heute. Sie wird unseren europapolitischen Kurs auch morgen bestimmen.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle aus Anlass des Welttags der Pressefreiheit vor dem National Press Club in Washington am 3. Mai 2012 (Englisch)

--- Es gilt das gesprochene Wort! --- Dear Mrs Werner, Dear Mr. Cramer, Ladies and Gentlemen,

I appreciate very much your friendly invitation on the occasion of the World Press Freedom Day.

I. Freedom of the press and freedom of expression are inalienable rights. They are the cornerstones of democracy and freedom. Without them, it is impossible to imagine free societies.

More than 60 years after being adopted, the freedom of opinion and expression, as enshrined in the “Universal Declaration of Human Rights” is as important as ever before.

Of course, in the era of internet, satellite television, smartphones and social networks, in times of Facebook and Twitter, it may seem as if this finally had become a global and globalized reality.

Unfortunately, this dream has only come true in parts of the world, not everywhere.

In Iran and elsewhere, censorship continues to oppress the free flow of information, to distort facts and to change the perception of reality. - 132 - Not only in Belarus, journalists still are behind bars, for the mere fact that they act according to Art. 19.

As we speak, journalists have died, have been attacked and risk being killed while reporting about the bloodshed in Syria.

All that reminds us of how heavy the responsibilities of journalists are and how precious – and dangerous - their daily work can be.

Ladies and Gentlemen,

Democracy is impossible without the freedom of expressions and the critical assessment of state actions by a free and investigatiing press.

Therefore: We will continue to refuse to look the other way when journalists are persecuted and political opponents are oppressed.

II. What we strive to achieve everywhere, is particularly significant for Millions of people throughout North Africa and the Middle East.

With the Arab spring, fundamental change has come to the Arab world. The peoples in the region, in particular the youth, had the courage to stand up for freedom, dignity and participation.

We will never forget the moving pictures from the Avenue Bourghiba in Tunis or the Tahrir Square in Cairo. They showed us the power of freedom. And they taught us how quickly autocratic regimes can collapse in today’s globalized world.

Nobody knows what the wind of change blowing through North Africa and parts of the Arab world will ultimately bring about.

However, we do know what a crucial role the media can play to overcome repression and violence.

III. Thanks to the brave struggle of activists and journalists for a free press, today’s international community is more than ever able to watch, to get information, to judge and to act accordingly. The internet has revolutionized the media. Great new technological opportunities have changed information patterns dramatically. In our free societies, that does not fundamentally change the rules of the game.

Not so in North Africa, the Middle East and in other parts of the world: There, new forms of journalism play a crucial role in and for civil society. Without them - without Al Jazeera, YouTube, Facebook, Twitter and others - it would hardly be possible for us to see, to hear and thus to know what is really going on in Syria, in cities like Homs, Hama or Idlib. Maybe the revolutions in Tunisia and Egypt had not succeeded without these new forms of journalism.

- 133 - Thus, the so-called Arab Spring has already written history, but we are still only at the beginning. Freedom of the press, democracy and the rule of law are far from being guaranteed, most countries in the region are still relying on autocratic structures and media control.

We must therefore carry on our struggle for a free press worldwide and for freedom of opinion worldwide. Thank you for your attention.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Rheinischen Post am 3. Mai 2012

Frau Timoschenko ist im Hungerstreik, die Ärzte der Charité machen sich große Sorgen um ihre Gesundheit, wie viel Zeit hat die ukrainische Führung noch, um zu reagieren?

Frau Timoschenko und andere erkrankte Häftlinge aus der früheren Regierung brauchen unverzüglich angemessene medizinische Behandlung. Deshalb habe ich persönlich gegenüber dem ukrainischen Außenminister das Angebot der Bundesregierung erneuert, dass Frau Timoschenko auch hier in Deutschland ärztliche Behandlung bekommen kann.

Nun wird eine Verlegung der Fußball-EM diskutiert. Wie sehen Sie das?

Ich rate davon ab, den Gesprächsfaden zu durchschneiden. Wir wollen ein gutes Ergebnis für Frau Timoschenko und die anderen Häftlinge.

Wären Sie bereit, Frau Timoschenko persönlich abzuholen?

Es wird alles getan, was nötig ist, um Frau Timoschenko zu helfen. Ich habe sie mehrfach getroffen und sie auch als Oppositionsführerin bewusst aufgesucht, um ein Zeichen zu setzen. Ich bin in großer Sorge um sie.

Kiew spricht vom Kalten Krieg.

Ein abwegiger Vergleich. Die Ukraine selbst hat sich zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards verpflichtet. Wir erwarten, dass Kiew diese Verpflichtungen nach den Buchstaben der Verträge und im europäischem Geist erfüllt. Wir wollen, dass die Ukraine auf dem Weg nach Europa bleibt. Die Brücke nach Europa ruht auf den beiden Pfeilern: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Gibt es weitere Instrumente, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen?

Wir setzen die gesamte Palette diplomatischer Möglichkeiten ein, um die Lage zu verbessern. Das ist in erster Linie die Suche nach Lösungen im Gespräch. Mit unseren Partnern in der Europäischen Union sind wir uns einig, dass das EU- Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nicht ratifiziert werden kann, solange sich die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine nicht in die richtige Richtung entwickelt.

Der Nato-Gipfel rückt näher, wird als Ergebnis der Abzugsplan für Afghanistan unumstößlich sein?

- 134 - Es kann in Afghanistan keine militärische, sondern nur eine politische Lösung geben. Der Aussöhnungsprozess geht voran. Bei der Reintegration von früheren Mitläufern und Mitkämpfern sehen wir ermutigende Erfolge. Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte liegt ebenso im Plan wie die schrittweise Übergabe der Sicherheitsverantwortung. Es bleibt dabei, dass der Abzug der internationalen Kampftruppen bis Ende 2014 abgeschlossen sein soll.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Taliban sich dann wieder breit machen und 13 Jahre Kampf vergeblich waren?

Es darf kein Sicherheitsvakuum entstehen. In diesem Jahr sollen schon mehr als zwei Drittel des Staatsgebietes unter afghanischer Sicherheitsverantwortung stehen. Die letzten terroristischen Attacken in Kabul haben die afghanischen Sicherheitskräften ja schon selbst bekämpft, und zwar in einer Weise, die Experten durchaus Respekt abgenötigt hat. Deutschland und die internationale Gemeinschaft werden auch nach 2014 an der Seite Afghanistans stehen.

Welche Rolle werden die Taliban in einer afghanischen Nachkriegsordnung spielen?

Das Angebot zu Reintegration und Versöhnung steht, setzt aber voraus, dass die Taliban dem Terror abschwören, die Verfassung akzeptieren und grundlegende Menschenrechte, insbesondere die von Frauen, respektieren. Klar ist: Wirklichen Frieden wird es nur geben, wenn ein politischer Ausgleich zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen Afghanistans gelingt.

[...]

Fragen: G. Mayntz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Rheinischen Post. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York am 4. Mai 2012 (Englisch)

-- Es gilt das gesprochene Wort -- Mr President,

At the outset, I would like to congratulate you and the Republic of Azerbaijan for assuming the presidency of this Council for the month of May. Let me thank you for convening today's debate on the threat to international peace and security caused by terrorist acts.

Over the past decade the Security Council has shown remarkable resolve in countering terrorism. Significant resolutions have been passed. Member states have adopted effective counter measures.

Our sanctions regimes have weakened terrorists’ resources. As Chair of the Al- Qaeda- Sanctions Committee Germany remains committed to working with all Member states to confront the threats posed.

- 135 - Although we have been successful in disrupting terrorist structures, we must not relent in our efforts. Recent attacks in Afghanistan, Nigeria and Iraq are evidence of terrorists’ persistence.

Terrorism cannot be associated with a certain ideology, religion or ethnic affiliation.

The threat of international terrorism is evolving. And we must adapt our responses to the new patterns.

In consequence, Germany strongly advocates a further strengthening of international cooperation and capacity building. Mr. Secretary-General, we thus welcome your most recent report on the implementation of the UN Global Counter-Terrorism Strategy.

Mr President,

Let me make three points.

First, strategies and measures to counter terrorism must always be based on the respect of human rights and the principles of the rule of law. These are the core values of our United Nations.

Our measures need to be effective. But they are self-defeating when they jeopardize the very principles they aim to protect. We cannot protect our values by sacrificing them in the same effort.

Second, the sanctions regimes of the United Nations need to be a leading example for fair and transparent procedures. Countering of terrorism and adherence to the rule of law are mutually reinforcing goals.

For several years Germany has been advocating improvements in this field We attach great importance to the office of the ombudsperson who, in the framework of the Al Qaeda sanctions regime, is mandated to receive de-listing requests from individuals. We commend the ombudsperson, Mrs. Kimberley Prost, and this Council, for the work done so far.

We encourage the Council to continue on this route and to consider options for further enhancing fair and clear procedures when implementing counter-terrorism measures.

Third, the face and methods of international terrorism are changing. The internet is increasingly abused by terrorist groups for incitement and recruitment.

In Germany, a terrorist group went unnoticed for many years as it used the internet to plan vicious attacks and recruit supporters.

In response, we need to reduce virtual hiding places for terrorists and we need to counter incitement. Identifying effective measures whilst ensuring full respect for fundamental freedoms is a challenge for all of us.

We support the pilot projects of the UN Counter-Terrorism Implementation Task Force.

- 136 - More needs to be done in this field. We will only succeed if the whole international community works together.

Mr President,

Let us take advantage of today's debate to send a strong message of our determination.

We will counter the threat of international terrorism collectively.

We will adapt our instruments to address the evolving nature and the root causes of terrorism.

Only enhanced civil liberties, economic prosperity and a chance for political participation can counter the appeal of terrorism in the long run. The basis for all our actions is the rule of law and the respect for human rights.

Thank you, Mr President.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am 7. Mai 2012

-- Es gilt das gesprochene Wort ! -- Sehr geehrte, liebe Frau Springer, Sehr geehrter Herr Außenminister, lieber Avigdor, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, Sehr geehrter Herr Robbe, Lieber Matthias Döpfner, meine Damen und Herren, es ist mir eine große Ehre, heute Abend hier zu sein. Ich danke der Deutsch- Israelischen Gesellschaft ganz herzlich für die Ausrichtung dieser Feierstunde.

Ich freue mich sehr, dass wir heute den Außenminister des Staates Israel hier in Berlin zu Gast haben. Lieber Avigdor, herzlich Willkommen, Schalom ve Baruch Haba!

Deutschland und Israel pflegen heute einzigartige Beziehungen. Vor dem Hintergrund des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte war und ist dies alles andere als selbstverständlich. Und es wäre undenkbar ohne die Arbeit der Generationen vor uns.

Axel Springer hat sich wie kaum ein anderer für die deutsch-israelischen Beziehungen engagiert.

Die deutsch-jüdische Aussöhnung und die Mitgestaltung der damals noch jungen Beziehungen unserer beiden Länder waren für ihn ein ganz persönliches Anliegen.

Axel Springer reiste bereits in den Jahren 1966 und 1967 nach Israel. Zu einer Zeit, da die deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen noch ganz am Anfang - 137 - standen. Er reiste nicht als Tourist. Er führte Gespräche mit dem Staatspräsidenten, dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister. Er sah sich als Wegbereiter im noch jungen und von Unsicherheit gekennzeichneten Verhältnis zwischen unseren Ländern.

Die persönliche Erfahrung der Schreckensherrschaft der Nazis und der Imperativ des „Nie wieder!“ waren Beweggrund und Maxime für Axel Springers Engagement für die deutsch-israelische Freundschaft. Axel Springer hat früher als viele andere erkannt, Israel und Deutschland verbindet eine echte Wertegemeinschaft von Freiheit und Demokratie.

Axel Springer hat es vermocht, in Israel Vertrauen in die Bundesrepublik Deutschland aufzubauen. Er war dabei ein hervorragender Botschafter der noch jungen deutschen Nachkriegsdemokratie. So heißt es in einem Bericht der Botschaft Tel Aviv vom 15. November 1966:

„Einen wirklich positiven Presseniederschlag fand der Besuch Axel Springers in Israel. Aufmerksam und freundlich wurde Springers Programmablauf verfolgt. Über seinen Besuch beim Ministerpräsidenten und die Grundsteinlegung zu dem von ihm gestifteten Bibliotheksgebäude wurde ausführlich berichtet. Sein sehr zurückhaltendes Auftreten und seine sehr geschickt gewählten Worte wurden anerkennend vermerkt.“

Die richtigen Worte zu finden, den richtigen Ton zu treffen, das war 1966, gut 20 Jahre nach der Shoa, für einen Deutschen in Israel eine Gratwanderung. Heute, ein halbes Jahrhundert später, können Deutschland und Israel auf ein tief verwurzeltes vertrauensvolles und freundschaftliches Verhältnis blicken.

Vertrauen und Freundschaft, das heißt auch, dass wir unterschiedlicher Meinung sein dürfen. Die Behauptung, man dürfe Israels Regierung nicht kritisieren, ist unzutreffend.

Ich habe Israel bei meinen vielen Besuchen selbst als streitbare und lebhafte Demokratie erlebt. Und selbstverständlich ist Israel eine Demokratie, die auch Kritik von außen ertragen kann.

Wichtig ist mir dabei, dass wir respektvoll und sachlich miteinander umgehen und miteinander statt übereinander sprechen. Dazu gehört auch, dass wir uns ernsthaft mit den Fakten und der Lage vor Ort beschäftigen.

Anfang der 1980er Jahre war ich als junger Student zum ersten Mal in Israel. Ich habe auf den Golan-Höhen gestanden und verstanden, wie verletzlich Israel ist. Ich habe gelernt zu verstehen, wie sich Israel und seine Bürgerinnen und Bürger im Laufe der jüngeren Geschichte immer wieder bedroht und verwundbar fühlen mussten.

Es ist offensichtlich, dass Israel sich bedroht fühlt, wenn Iran sein derzeitiges Atomprogramm weiter vorantreibt. Eine nukleare Bewaffnung des Iran wäre nicht nur eine Bedrohung für Israel und die ganze Region, sondern auch eine Gefahr für die globale Sicherheitsarchitektur. Eine solche Entwicklung ist für uns nicht hinnehmbar.

- 138 - Iran bedroht Israel. Nicht Israel bedroht Iran. Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen, ist nicht geistreich, sondern absurd und schadet dem Ansehen unseres Landes.

Deutschlands historische Verantwortung hat kein Verfallsdatum. Wir werden nicht zusehen, wenn Israel bedroht und sein Existenzrecht in Frage gestellt wird. Wir werden unsere Stimme erheben, wenn Israel in internationalen Foren einseitig kritisiert wird. Deutschland steht fest an Israels Seite.

Gleichzeitig bin ich überzeugt davon, dass wir den Gesprächen der E3+3 mit Iran eine Chance geben müssen.

Eine diplomatische Lösung ist im Interesse aller Beteiligten.

Irans Bereitschaft zu Gesprächen über sein Nuklearprogramm zeigt aus meiner Sicht, dass die Sanktionen Wirkung zeigen.

Iran muss nun das internationale Vertrauen in den rein zivilen Charakter seines Atomprogramms vollständig wiederherstellen.

In der vergangenen Woche habe ich wörtlich vor dem Global Forum des American Jewish Committee gesagt:

„We are not naïve. Our patience is limited. We have signaled to Iran the urgency of the situation.

We will not accept playing for time. We will not accept talks for the sake of talks. We know where we stand.”

Die dramatischen Veränderungen in der Region haben die strategische Landschaft im Nahen Osten verändert. Wir erkennen, dass das Ungewissheit und Risiken für Israel mit sich bringt.

Teil der Antwort auf diese Entwicklungen sollte unserer Ansicht nach sein, mit Nachdruck eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern zu verfolgen.

Die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, sind in jeder Hinsicht schwierige Entscheidungen.

Aber die Zeit drängt. Wir fordern beide Seiten auf, jetzt mutig voranzuschreiten. Die Zwei-Staaten-Lösung darf nicht durch faktische Entwicklungen unmöglich gemacht werden.

Denn nur die Zwei-Staaten-Lösung bietet langfristig Sicherheit für Israel. Nur sie kann die historischen Errungenschaften von 1948 wahren: den Charakter Israels als jüdischen und demokratischen Staat.

Und nur die Zwei-Staaten-Lösung kann dem palästinensischen Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung in einem unabhängigen und lebensfähigen Staat gerecht werden.

- 139 - Die jüngsten Signale der Gesprächsbereitschaft sind daher mehr als willkommen. Jetzt gilt es, diesen Prozess konstruktiv und mit Verantwortung von beiden Seiten zum Erfolg zu führen.

Die Erinnerung an den Holocaust und die gemeinsamen Werte sind das solide Fundament der einzigartigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

Gemeinsam werden wir die Erinnerung an die Shoa für zukünftige Generationen bewahren und Antisemitismus weltweit bekämpfen.

Gemeinsam investieren wir aber auch in die Zukunft unserer Beziehungen. So bauen wir unsere Zusammenarbeit immer weiter aus, sei es in der Spitzenforschung, bei erneuerbaren Energien oder beim Klimaschutz.

Ich bin ich mir sicher, Axel Springer wäre über den aktuellen Stand der deutsch- israelischen Beziehungen hocherfreut gewesen. Hocherfreut über die ungebrochene Neugier und das ehrliche Interesse aneinander, gerade bei der jungen Generation.

Mehr als eine halbe Million Jugendliche haben in den vergangenen Jahrzehnten an Austauschprogrammen teilgenommen. Nachwuchswissenschaftler, Kulturschaffende, Filmemacher und Autoren sind in ständigem Kontakt. Unzählige persönliche Freundschaften sind gewachsen.

Die deutsch-israelischen Beziehungen sind kein Elitenprojekt. Schauen Sie sich den wachsenden Tourismus in beide Richtungen oder die hohe Zahl der lebendigen Städtepartnerschaften an.

Vielen jungen Israelis erscheint Berlin heute als die im positiven Sinn aufregendste Stadt der Welt. Berlin ist eine Stadt mit großer jüdischer Vergangenheit und eine Stadt, in der das jüdische Leben heute wieder blüht.

Dass heute auf den Straßen wieder viel Hebräisch zu hören ist, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.

Axel Springer schrieb einmal:

„Das Unaussprechliche, das im deutschen Namen geschah, kann nicht ungeschehen gemacht, kann auch nicht ‚bewältigt’ werden. Eine Wiedergutmachung im wahren Sinne des Wortes gibt es nicht. Was bleibt, ist nur eines: die historische Chance, die der Herr der Geschichte offensichtlich meinem Volk eingeräumt hat: Dem Staat Israel fest durch alle Fährnisse zur Seite zu stehen.“

- 140 - Wir sind dankbar für die mutigen Menschen, die diese Chance der Versöhnung zwischen Deutschland und dem jüdischen Volk ergriffen haben. Die unermüdlich daran gearbeitet haben, den Namen Deutschlands in Israel von seinem furchtbaren Klang zu befreien.

Denen das Verdienst gebührt, dass Deutschland und Israel heute Partner, Verbündete und Freunde sind. Menschen wie Axel Springer.

Sie haben den Weg gewiesen, den wir heute in Verantwortung und in Anerkennung seiner Leistungen fortsetzen wollen.

Vielen Dank!

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles vor der deutsch-südafrikanischen Binationalen Kommission am 8. Mai 2012

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Exzellenz, sehr geehrter Herr Vizepräsident Motlanthe, sehr geehrte Frau Ministerin Nkoana-Mashabane, sehr geehrte Herren Minister Gordhan und Minister Davies, sehr geehrte Frau Ministerin Pandor, sehr geehrter Vizeminister Martins, sehr geehrter Botschafter Stofile, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, Sie alle hier zum Abschlussplenum der 7. Deutsch-Südafrikanischen Binationalen Kommission im Auswärtigen Amt in Berlin begrüßen zu dürfen. Durch Ihre Anwesenheit unterstreichen Sie die Bedeutung, die Sie dem bilateralen Verhältnis unserer beiden Länder beimessen.

Nachdem Dirk Niebel und ich im April 2010 Ihre vorzügliche Gastfreundschaft in Pretoria genießen durften, freuen wir uns sehr, Sie nun in Deutschland willkommen heißen zu können.

Südafrika ist Deutschlands wichtigster Partner in Subsahara-Afrika. Deutschland und die Deutschen haben die friedliche Entwicklung, die Südafrika genommen hat, stets mit großem Respekt verfolgt. Im politischen und wirtschaftlichen Aufstieg Südafrikas sehen wir eine große Chance, unsere gute Zusammenarbeit noch weiter auszubauen und zu vertiefen. Südafrika und Deutschland verbindet eine strategische Partnerschaft.

Die Binationale Kommission ist Ausdruck unseres Wunsches einer noch engeren Zusammenarbeit im Rahmen unserer strategischen Partnerschaft.

Südafrika und Deutschland werden in den Zukunftsbereichen Klimaschutz, erneuerbare Energien sowie Bildung und Ausbildung zukünftig ihre Kooperation ausbauen. Gerade im Bereich berufliche Bildung hat Deutschland einen besonders großen Erfahrungsschatz anzubieten. - 141 - Südafrika und Deutschland sind als bevölkerungsreiche und wirtschaftlich starke Staaten Schlüsselländer in ihren jeweiligen Regionalverbünden.

Südafrika ist Motor und Schwergewicht innerhalb der „South African Development Community“ und der Afrikanischen Union.

Deutschland wiederum ist fest in der Europäischen Union verankert. Die Bekämpfung der europäischen Staatsschuldenkrise steht für uns derzeit im Fokus.

Deutschland ist sich seiner Verantwortung in Europa bewusst und Deutschland kennt die Verantwortung Europas in der Welt. Durch die kurzfristige Bereitstellung von Liquidität haben wir ein klares Signal der Entschlossenheit an die Märkte gesendet. Mit einer wachstumsorientierten Politik, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärkt, wollen wir dafür arbeiten, dass unser Kontinent stärker aus der Krise hervorgeht, als er zu Beginn der Krise war.

Südafrika und Deutschland werden ihre Zusammenarbeit nicht nur zum gegenseitigen Nutzen verstärken, sondern auch in gemeinsamer Verantwortung für das Ganze. Gestern tagte erstmals unsere neu geschaffene Fachkommission für Außen- und Sicherheitspolitik. Sie ist Ausdruck unseres gemeinsamen Wunsches, zur Lösung globaler Herausforderungen beizutragen. Beispielsweise bei der angestrebten Reform des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ziehen Südafrika und Deutschland bereits fest an einem Strang. Wir sehen Südafrika bei der Gestaltung der Globalisierung als starken und verlässlichen Partner.

Die intensiven und vielfältigen südafrikanisch-deutschen Beziehungen sind nur möglich, weil sie ein festes Fundament haben, nämlich gemeinsame Werte. Die

Geschichte unserer Länder zeigt, die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde ist stärker als Stacheldraht. Uns mögen Tausende von Kilometern trennen, aber diese gemeinsame Erfahrung verbindet.

Bevor wir die Berichte aus den verschiedenen gemeinsamen Fachkommissionen hören, gebe ich das Wort an meinen sehr verehrten Co-Vorsitzenden, Vizepräsident Motlanthe: „The floor is yours!“

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum G 8-Gipfel in Camp David und NATO-Gipfel in Chicago, vor dem Deutschen Bundestag am 5. Mai 2012

(Stenografische Mitschrift des Deutschen Bundestages)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In den nächsten Wochen werden die Vereinigten Staaten von Amerika Gastgeber zweier wichtiger internationaler Konferenzen sein. Zuerst treffen sich die G-8-Staaten in Camp David. Anschließend findet die Jahrestagung der NATO in Chicago statt.

Im Mittelpunkt des G-8-Treffens werden – das ist bei allen G-8-Treffen so – Themen der Weltwirtschaft stehen. Dabei wird natürlich auch die wirtschaftliche Entwicklung im Euro-Raum eine ganz wesentliche Rolle spielen. Wir, die europäischen - 142 - Teilnehmer, werden natürlich über die Anstrengungen zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone berichten. Dabei werden wir sowohl über die nächsten Schritte zur Konsolidierung der Haushalte sprechen als auch über die Maßnahmen zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung, die wir auf dem EU- Rat der Staats- und Regierungschefs im Dezember, im Januar und im März auf den Weg gebracht haben bzw. im Juni auf den Weg bringen werden.

Der Abbau der Verschuldung und die Stärkung von Wachstum und Beschäftigung sind die beiden Säulen der Strategie, mit der die europäischen Staats- und Regierungschefs, die europäischen Institutionen und der Internationale Währungsfonds die Staatsschuldenkrise in Europa überwinden. Um es an dieser Stelle noch einmal ganz unmissverständlich zu sagen – auch gerade in Richtung der Opposition –: Wachstum durch Strukturreformen, das ist sinnvoll, das ist wichtig, das ist notwendig, Wachstum auf Pump, das würde uns wieder an den Anfang der Krise zurückwerfen. Deshalb dürfen wir genau das nicht machen, und wir werden es auch nicht machen.

Ich werde also, wie schon viele Male zuvor, auch in Camp David wieder deutlich machen: Die Überwindung der Staatsschuldenkrise in Europa kann und wird nicht über Nacht erfolgen, auch nicht mit dem – sosehr wir uns das wünschen – alles befreienden Paukenschlag. Ebenso wenig gibt es den einen Königsweg oder das eine vermeintliche Wundermittel. Es wurde schon über so vieles diskutiert, von Euro- Bonds bis zur Hebelwirkung. All diese Mittel kamen und gingen, wirkten erst wie Wunderwaffen und sind dann doch wieder als nicht tragfähige Lösungen erkannt worden. Tragfähig ist und bleibt allein eines: zu akzeptieren, dass die Überwindung der Krise ein langer, anstrengender Prozess ist, der nur erfolgreich sein wird, wenn wir bei den Ursachen der Krise ansetzen. Das sind sowohl die horrende Verschuldung als auch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Staaten.

Das heißt, wir müssen gemeinsam Verschuldung abbauen und Wettbewerbsfähigkeit stärken. Das sind keine Gegensätze, sondern das gehört zusammen. Das gilt im Übrigen nicht nur für Europa, sondern für nahezu alle Industriestaaten. Gemeinsam müssen wir im Kreis der Industriestaaten – dafür ist die G 8 genau das richtige Format – stärker denn je daran arbeiten, von der hohen Verschuldung herunterzukommen. Damit legen wir den Grundstein für ein stabiles und dauerhaftes, also nachhaltiges, Wachstum.

Für ein so verstandenes Wachstum der Weltwirtschaft sind freier Handel und offene Weltmärkte ganz wesentliche Faktoren. Ich trete daher auf den anstehenden Gipfeln, sowohl auf dem G-8-Gipfel in diesem Monat als auch auf dem G-20-Gipfel im Juni in Mexiko, dafür ein, dass wir unser gemeinsames Bekenntnis zum freien Handel bekräftigen. Die G 20 haben sich dazu verpflichtet, keine neuen Handelshemmnisse zu errichten und bestehende abzubauen. Allerdings muss man sagen, dass die letzten OECD-Berichte genau zu diesem Thema das Gegenteil gezeigt haben. Deshalb spreche ich auch darüber. Es gibt immer wieder Versuche, Handelshemmnisse zu errichten. Genau dies hemmt Wachstum. Die zuständigen internationalen Organisationen haben deshalb immer wieder gesagt, dass wir die Fragen des freien Handels ernst nehmen müssen, dass wir effektive Kontroll- und Korrekturmechanismen brauchen. Genau das werde ich auf dem G-8-Gipfel ansprechen.

- 143 - Außerdem werden wir in Camp David an die sogenannte Deauville-Partnerschaft anknüpfen, die wir beim Gipfel in Frankreich im letzten Jahr mit den Staaten in Nordafrika begründet haben. Seitdem ist diese Deauville-Partnerschaft erweitert worden, einmal um das Land Libyen, aber vor allen Dingen auch um neue Instrumente. Ein wichtiger Baustein ist die Mandatserweiterung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Der Deutsche Bundestag hat mit seiner Entscheidung am 29. März 2012 dazu beigetragen, dass wir hier einen Erfolg vermelden können. Ich hoffe, dass auch der Bundesrat morgen dem Ratifizierungsgesetz zustimmen wird.

Ebenso wünsche ich mir, dass auf der anstehenden Jahrestagung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung am 18. und 19. Mai möglichst viele weitere Staaten ebenfalls die Ratifizierung erklären, damit die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ihre Tätigkeit in den südlichen und östlichen Mittelmeeranrainerstaaten so rasch wie möglich aufnehmen kann.

Meine Damen und Herren, die wirtschaftlichen Herausforderungen werden ohne Zweifel im Mittelpunkt des G-8-Treffens stehen. Dennoch dürfen wir andere - Herausforderungen wie den Klimawandel und dessen Kernthemen nicht aus den Augen verlieren. Deshalb werden wir auch darüber in Camp David beraten.

Wir müssen deutlich mehr Anstrengungen unternehmen als bisher vereinbart, um die CO2-Emissionen nachhaltig so zu reduzieren, dass das 2 Grad-Ziel erreicht werden kann. Die Bundesregierung hält gemeinsam mit der ganzen Europäischen Union an dem Ziel fest, ein neues und verbindliches UN-Klimaschutzabkommen zu vereinbaren. Wir wissen – das ist auch im Kreis der G 8-Staaten ganz offensichtlich –: Der Weg dorthin ist mühsam, aber er liegt in unser aller Interesse. Deshalb ist er unumgänglich.

Auch in der Energiepolitik stehen wir vor großen Herausforderungen. Die G-8- Staaten haben sich verpflichtet, eine Politik für eine saubere, sichere und bezahlbare Energie zu machen. Aber wir wissen natürlich, dass der Energiemix in den einzelnen Mitgliedstaaten der G 8 sehr unterschiedlich ist. Dennoch – trotz dieser sehr unterschiedlichen Herangehensweise in der Energiepolitik – wollen wir über die Auswirkungen eines veränderten Energiemixes auf die Infrastruktur sprechen. Das heißt: Wie können wir einen fairen Marktzugang im Gassektor erreichen? Wie kann Energieförderung auf Basis von Transparenz und gemeinsamen Standards erfolgen? Wie können wir die Sicherheit der Energieproduktion gewährleisten, und das ganz besonders mit Blick auf die Offshoregewinnung von Öl und Gas? Das werden die Themen sein, über die wir sprechen.

Es geht natürlich auch um den Einsatz erneuerbarer Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz. Ich glaube, wir sind uns einig: Die Bundesregierung ist Vorreiter dieser Entwicklung, weil wir die erneuerbaren Energien zu einem wichtigen Bestandteil unserer Energieversorgung ausbauen. Ich glaube deshalb, wir können diese Diskussionen auf dem G-8-Gipfel mit gutem Selbstbewusstsein bewältigen.

Meine Damen und Herren, 7 Milliarden Menschen leben inzwischen auf der Erde. Sie alle wollen Zugang zu Energie, sie wollen Teilhabe am Wohlstand, und sie wollen vor allen Dingen Wasser und Nahrung. Deshalb ist es in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen, dass gerade die USA für Camp David eine sogenannte neue Allianz

- 144 - planen, und zwar mit sechs Staaten aus der Subsahara-Region Afrikas, um die Ernährungssicherung in Afrika weiter auszubauen.

– Hochverehrte Frau Künast, Sie haben sicherlich schon mitbekommen, dass ich über die Tagesordnung des Gastgebers Vereinigte Staaten von Amerika spreche. Das ist für Sie vielleicht schwer auszuhalten; aber das ist hier meine Aufgabe. Deshalb komme ich dieser Aufgabe nach.

Die Vereinigten Staaten von Amerika wollen sich richtigerweise mit der Ernährungssicherung in der Subsahara-Region beschäftigen. Dass Sie das nicht besonders interessiert, kann ja sein. Aber wir werden uns dafür interessieren.

2012 läuft das dritte und letzte Jahr der Initiative von L‘Aquila aus. In diesem Rahmen haben die G-8-Staaten und viele weitere Staaten 22 Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen den Hunger eingesetzt. Allein mit dem deutschen Beitrag von 2,1 Milliarden Euro wurde eine Menge erreicht. Doch wir haben im letzten Jahr gesehen – die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika hat es uns noch einmal gezeigt –: Unser Engagement darf auf gar keinen Fall nachlassen. Das wird es auch nicht. Deshalb ist das ehrgeizige Ziel der neuen Allianz zur Ernährungssicherung, binnen zehn Jahren 50 Millionen Afrikaner aus der Armut zu befreien. Das wollen die G 8 in erster Linie durch bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen erreichen.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir nicht immer mit Nahrungsmitteln, die woanders angebaut wurden, helfen, sondern dass wir wirklich Hilfe zur Selbsthilfe geben, und zwar auf Basis privater, sich rentierender Investitionen. Deshalb teile ich dieses Ziel absolut.

Es geht darum, Kleinbauern Zugang zu Geld und Märkten zu verschaffen,

Technologien für besseren Anbau und bessere Lagerung zur Verfügung zu stellen und die Risiken besser zu beherrschen. Ich glaube, die Entwicklungspolitik von Minister Niebel bietet eine gute Gelegenheit, hier über unsere Erfolge zu berichten.

Die intensiven Bemühungen zur Ernährungssicherung müssen jedenfalls über 2012 hinaus fortgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, Staatsverschuldung abbauen, Wettbewerbsfähigkeit stärken, Wachstum und Beschäftigung schaffen, den Hunger auf der Welt bekämpfen und das Klima schützen, das alles sind Themen, die zeigen, was Globalisierung im 21. Jahrhundert bedeutet. Kein Land der Welt kann die großen Herausforderungen unserer Zeit tatsächlich erfolgreich alleine bewältigen – auch die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht.

So ist es nur folgerichtig, dass unmittelbar im Anschluss an den G-8-Gipfel der NATO-Gipfel in Chicago stattfindet, auf dem ebenfalls einmal mehr deutlich werden wird, in welch veränderter Form gegenüber der Zeit des Kalten Krieges die außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben unserer Zeit die Allianz und darüber hinaus die Staaten der Welt fordern.

Wir sollten den Ausgangspunkt nie vergessen: In den vergangenen 63 Jahren stand keine Organisation so klar und so zuverlässig für Frieden und Freiheit wie die Nordatlantische Allianz. Gerade wir Deutschen – das möchte ich hier heute noch

- 145 - einmal erwähnen – haben der NATO und der Solidarität unserer Verbündeten ganz besonders viel zu verdanken.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Kalten Krieges in den 90er-Jahren öffnete die NATO ihre Türen für neue Mitglieder und Partner im Osten, und sie beendete den Krieg auf dem Balkan.

Erstmals seit dem Washingtoner NATO-Gipfel von 1999 sind die USA jetzt wieder Gastgeber eines NATO-Gipfels. Der Bundesverteidigungsminister, der Bundesaußenminister und ich werden gemeinsam dort sein.

Eine zentrale Botschaft unseres Treffens in Chicago ist für mich die Bekräftigung der transatlantischen Verbindung zwischen Europa und Nordamerika auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Interessen – und das in Zeiten völlig neuer Bedrohungen.

Die Welt verändert sich, und zwar immer schneller. Sie wird komplexer, und Europäer und Amerikaner blicken heute stärker als früher zum Beispiel auf Asien und die aufstrebenden Schwellenländer. Aber ich sage: Dennoch oder vielleicht gerade deswegen sind wir, die Europäer und die Amerikaner, unverändert aufeinander angewiesen. Dies gilt vorneweg für die Stabilisierung Afghanistans, damit von dort keine terroristische Gefahr mehr für die Welt ausgeht.

Wir werden eine Bilanz des bisherigen ISAF-Engagements ziehen und weitere wichtige Schritte für ein stabiles und sicheres Afghanistan beschließen. Immer wieder mussten wir Rückschläge auf dem Weg dorthin verkraften; das steht völlig außer Zweifel. Doch ebenso steht außer Zweifel, dass in Afghanistan bereits wichtige Ziele erreicht worden sind: Das Land ist heute kein Rückzugsraum für al-Qaida mehr, die Taliban sind geschwächt, die Zahl der Anschläge geht seit Monaten kontinuierlich zurück, die Zahl der afghanischen Sicherheitskräfte ist in den letzten Jahren durch verstärkte Ausbildungsmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft kontinuierlich gestiegen und wird in diesem Jahr die geplanten 352 000 erreichen.

Aber nicht nur die Quantität der Sicherheitskräfte wurde erhöht, auch ihre Qualität hat sich deutlich verbessert. So hat die rasche und professionelle Reaktion der afghanischen Sicherheitskräfte auf die jüngsten Anschläge in Kabul und anderen Städten im vergangenen Monat gezeigt, dass die laufenden Ausbildungsanstrengungen durchaus Früchte tragen. Die afghanischen - Sicherheitskräfte sind zunehmend in der Lage, selbst für die Sicherheit im eigenen Land zu sorgen. Das heißt, die Rolle der internationalen Truppen in Afghanistan verschiebt sich immer mehr von der Operationsführung hin zu Unterstützung und Beistand. Das ist genau das, was die internationale Gemeinschaft mit der graduellen Übergabe der Sicherheitsverantwortung im gesamten Land an die afghanische Regierung bis 2014 erreichen will.

Die internationale Rolle schwindet in dem Maße, in dem die Afghanen Verantwortung übernehmen können und wollen. Heute lebt bereits mehr als die Hälfte der Afghanen in Gebieten, für die die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung tragen. Die gute Nachricht lautet also: Der Prozess der Übergabe in Verantwortung, den wir auf dem NATO-Gipfel 2010 in Lissabon beschlossen haben, kommt voran, und zwar so, wie wir uns das vorgenommen haben.

- 146 - In Chicago wird es nun konkret darum gehen, den in Lissabon beschlossenen Fahrplan bis Ende 2014 zu bekräftigen. Die Bundesregierung steht zu dem oft genannten Motto: zusammen hinein, zusammen heraus.

Dazu gehört im Übrigen auch, dass sich Afghanistan über 2014 hinaus auf die internationale Staatengemeinschaft verlassen kann. Die internationale Afghanistan- Konferenz in Bonn im Dezember 2011 hat das ausdrücklich bestätigt.

Konkret heißt das: Wir unterstützen Afghanistan auch nach dem Ende von ISAF ab 2015 substanziell, auch wenn der künftige NATO-Auftrag ein grundlegend anderer sein wird als der bisherige. Kern des neuen Auftrags werden die Ausbildung, die Unterstützung und die Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte sein, sowohl beim Militär als auch bei der Polizei. Gleichzeitig erwarten wir von Afghanistan, dass es seine Regierungsführung verbessert, den Wahlprozess reformiert und vor allen Dingen die Korruption bekämpft.

Afghanistan braucht für die Zeit nach 2014 jedoch nicht nur eine sicherheitspolitische, sondern auch eine wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Perspektive. Wir wollen dazu schon beim G-8-Gipfel in Camp David an die Afghanistan-Konferenz in Bonn im letzten -Dezember anknüpfen und für die nächste Afghanistan-Konferenz in Tokio ein Signal aussenden; denn die Mitgliedstaaten der G 8 tragen derzeit knapp 80 Prozent der zivilen Hilfe für Afghanistan. Deshalb haben wir hier weiterhin eine sehr große Verantwortung.

Die Bundesregierung wird sich mit einem substanziellen Beitrag auch an dieser Aufgabe beteiligen, erwartet allerdings auch ihrerseits von ihren Partnern, dass sie dies ebenfalls tun, bis die Afghanen auch die finanzielle Verantwortung, nach und nach aufsteigend, übernehmen können. Hier sind allerdings nicht nur die NATO- Staaten gefragt, sondern auch die internationale Staatengemeinschaft insgesamt; denn die ganze Welt hat ein Interesse an Stabilität in dieser Region und daran, dass Afghanistan nie wieder Rückzugsraum für Terroristen werden kann.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht über Afghanistan sprechen, ohne an alle deutschen Landsleute zu denken, die dort ihren Beitrag leisten. Ich danke unseren Soldatinnen und Soldaten genauso wie den zivilen Helferinnen und Helfern. Ihr Einsatz ist von großer Bedeutung, und er verdient unser aller Respekt.

Meine Damen und Herren, ein zweites wichtiges Thema in Chicago werden die militärischen Fähigkeiten sein, die wir brauchen, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute und morgen zu begegnen. Gerade in Zeiten knapper Kassen müssen wir Synergien und Gemeinsamkeiten durch noch engere Zusammenarbeit nutzen. In Lissabon 2010 – Sie erinnern sich – -haben wir deshalb das neue Strategische Konzept -beschlossen und das Bündnis damit auf das aktuelle -Sicherheitsumfeld und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet. Dafür brauchen wir die geeigneten militärischen Fähigkeiten, die jetzt stufenweise entwickelt werden müssen.

In diesem Zusammenhang wurde das Schlagwort „Smart Defense“ geprägt. Dabei geht es um die richtige Prioritätensetzung, eine enge Abstimmung der nationalen Verteidigungsplanungen und die gemeinsame Entwicklung, Beschaffung und Nutzung wichtiger militärischer Fähigkeiten. Dazu einige konkrete Beispiele.

- 147 - Erstes Beispiel: die NATO-Raketenabwehr. In Lissabon haben wir 2010 dazu einen Grundsatzbeschluss gefasst, um uns vor neuen Bedrohungen, wie der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und der Existenz weitreichender Trägersysteme in einigen Ländern, zum Beispiel im Iran, zu schützen. In Chicago können wir jetzt feststellen, dass die sogenannte Anfangsbefähigung der NATO-Raketenabwehr erreicht ist. Für den weiteren Ausbau des Systems hat Deutschland als nationalen Beitrag mobile Patriot-Luftabwehrsysteme angeboten.

Beim Gipfel in Lissabon 2010 hat das Bündnis Russland die Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr angeboten. Mit dieser Zusammenarbeit wollen wir ein qualitativ neues Kapitel im Verhältnis zu Russland aufschlagen.

Zum ersten Mal würden die NATO und Russland echte gemeinsame Verteidigungsanstrengungen unternehmen. Die Diskussionen sind zum Teil noch sehr kontrovers. Aber Deutschland hat ein elementares Interesse daran, sie zu einem Erfolg zu führen. Es bestehen unterschiedliche Vorstellungen, wie eine Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr konkret in die Praxis umgesetzt werden kann. Aber wir werden unsere ernsthaften Bemühungen um eine Kooperation mit Russland fortsetzen. Das Angebot steht weiterhin. Die von Deutschland im März ausgerichtete gemeinsame computergestützte Raketenabwehrübung mit NATO- Nationen und Russland hat unser Engagement einmal mehr unterstrichen.

Ein zweites Beispiel neuer militärischer Fähigkeiten im Sinne von Smart Defense ist das NATO-Projekt zur Bodenraumüberwachung, Alliance Ground Surveillance.

Deutschland wird die hierfür benötigten unbemannten Flugzeuge bereitstellen. So ist unser Plan. Ich weiß um die Diskussionen im Haushaltsausschuss.

Dadurch erhalten wir neue Aufklärungsmöglichkeiten und erhöhen so die Sicherheit unserer Soldaten in ihren Einsätzen.

Ein drittes Beispiel: In Chicago plant die NATO die Verstetigung des sogenannten Air Policing, also die Überwachung des Luftraums, im Baltikum. Die Bundeswehr hat diese Aufgabe im Baltikum schon mehrfach übernommen. Unsere baltischen Alliierten können somit ihre Ressourcen für andere Fähigkeiten einsetzen, die das Bündnis braucht, anstatt zusätzlich eigene Luftstreitkräfte aufzubauen.

Meine Damen und Herren, bei der Umsetzung des neuen Strategischen Konzepts insgesamt wird es immer öfter nicht mehr nur um nationale Beiträge gehen, sondern auch um die gemeinsame Bereitstellung von Fähigkeiten in der Allianz. Dies geht mit der Erwartung unserer alliierten Partner einher, dass solche Fähigkeiten im Falle eines Einsatzes auch sicher und verlässlich zur -Verfügung stehen müssen.

Ich muss im Deutschen Bundestag auf diese Erwartung hinweisen. Deshalb werden wir uns im Deutschen Bundestag perspektivisch damit beschäftigen müssen. Denn wie wir die Erwartungen auch an deutsche Beiträge zu gemeinsam bereitgestellten NATO-Fähigkeiten für den Fall eines Einsatzes mit den Bestimmungen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes in Einklang bringen können, das müssen wir im Parlament noch intensiv diskutieren. Diese Diskussion kommt mit Sicherheit auf uns zu.

- 148 - In Lissabon haben wir darüber hinaus beschlossen, die Mischung der militärischen Fähigkeiten des Bündnisses – konventionell, nuklear und Raketenabwehr – -einer grundsätzlichen Überprüfung zu unterziehen. Dieser Prozess kam nicht zuletzt auch auf deutsche Initiative, insbesondere des Bundesaußenministers, zustande und ist bisher einmalig in seiner Art. Dabei spielen der kooperative Sicherheitsansatz und die Themen Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung eine große Rolle.

Ich will noch einmal daran erinnern, dass die NATO sich mit diesen Themen, Abrüstung zum Beispiel, bislang so noch nicht befasst hat. Deshalb ist es gut, dass ich berichten kann, dass wir hier auf gutem Wege zu einem überzeugenden Gipfelergebnis sind. Es zeichnen sich substanzielle Aussagen zum Thema Abrüstung ab sowie auch im Bereich gegenseitiger Transparenzmaßnahmen gegenüber Russland bei substrategischen Nuklearwaffen.

Dies führt zum dritten Hauptthema, das neben Afghanistan und den militärischen Fähigkeiten in Chicago beraten wird. Das ist die Zusammenarbeit der NATO mit ihren Partnern außerhalb der NATO.

Deutschland setzt sich traditionell ganz besonders für diese Zusammenarbeit ein. Sie entspricht unserem Verständnis von moderner, kooperativer Sicherheit, das gerade auch im neuen Strategischen Konzept der NATO verankert ist. Deshalb begrüße ich sehr, dass in Chicago insgesamt 60 Staaten und Organisationen teilnehmen werden, unter anderem auch die Europäische Union, die aus unserer Sicht natürlich einen der wichtigsten strategischen Partner der Allianz darstellt. Denn für die -Bundesregierung gehören eine starke transatlantische Sicherheitsgemeinschaft und eine europäische Sicherheitspolitik untrennbar zusammen.

Die Bedeutung unserer Partner wird auch bei den einzelnen Operationen ganz offensichtlich. So sind in Afghanistan heute gemeinsam mit den Alliierten der NATO mehr als 20 Partnerstaaten als Truppensteller für ISAF engagiert. Aber auch an anderen NATO-geführten Operationen sind Partnerstaaten substanziell beteiligt. Ich erinnere nur an das aktuelle Beispiel KFOR, wo erneut das gemeinsame deutsch- österreichische Reservebataillon in den Kosovo entsandt wurde, um während der serbischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen die Sicherheit insbesondere im Norden des Kosovo zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, halten wir für einen Moment inne. Vor zwei Tagen war der 8. Mai. Vor 67 Jahren endete am 8. Mai 1945 die furchtbarste Katastrophe, die in der Geschichte der Menschheit von Deutschland über Europa und die Welt gebracht wurde. Heute leben wir in Deutschland und in der Europäischen Union in Frieden und Freiheit, leider nicht in ganz -Europa; denn in der Ukraine und in Weißrussland leiden Menschen immer noch unter Diktatur und Repression.

Niemals dürfen wir vergessen – und sind die Aufgaben unserer Zeit auch noch so groß und mag manche parteipolitische Auseinandersetzung auch noch so anstrengend sein –, welchen Schatz wir in der Europäischen Union und der transatlantischen Gemeinschaft seit nunmehr 67 Jahren hüten müssen: den Schatz von Frieden und Freiheit, von Demokratie und Menschenrechten, von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde.

Mich hat deshalb auch das Bild berührt, als der bisherige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und sein Nachfolger François Hollande vor zwei

- 149 - Tagen, am 8. Mai, gemeinsam des Endes des Zweiten Weltkrieges in Paris gedacht haben. In ihrem gemeinsamen Gedenken – übrigens auch in dem Besuch unseres Bundespräsidenten am vergangenen Samstag in den Niederlanden – wird uns allen der immerwährende Auftrag aller Staaten -Europas und der Welt vor Augen geführt: der Auftrag für Frieden und Freiheit.

Der G-8-Gipfel in Camp David und der NATO-Gipfel in Chicago, der politischen Heimat des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, einer Stadt, die für Offenheit, Dynamik und das Zusammentreffen ganz verschiedener Kulturen steht, diese beiden Gipfel werden demonstrieren, wie eng die Welt wirtschaftlich und sozial verflochten ist. Sie werden demonstrieren, wie eng gerade das Band zwischen unseren nordatlantischen Alliierten und Europa ist, wie erfolgreich dieses Bündnis durch ein weltumspannendes Netz aus Partnerschaften für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenwürde heute und in Zukunft eintritt. Diese Werte sind jede Anstrengung und jeden Einsatz wert.

Herzlichen Dank.

Quelle: Homepage der Bundesregierung

Grußwort von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Eröffnung der "Days of India" am 11. Mai 2012 (Englisch)

Honourable Minister Anand Sharma, Your Excellency Ambassador Sujatha Singh, Your Excellency, Consul General Murugesan Subashini, Excellencies, Honorable First Mayor of the Free and Hanseatic City of Hamburg, Mr Olaf Scholz, Honourable President of the Parliament of the Free and Hanseatic City of Hamburg, Ms Carola Veith, Honourable members of the German Bundestag, Dignitaries, Ladies and gentlemen,

I am delighted to be here at the opening of the ‘Days of India in Germany – connecting Cultures’. India has chosen well to start this venture in the harbour city of Hamburg, Germany’s gateway to the world and a city with a long and deep relationship with India.

The Days of India which your Excellency is launching today will bring us a colourful array of activities during the year to come: we are looking forward to such cultural highlights as the performance of classical Indian dances; a play by Rabindranath Tagore, who was born 150 years ago last year; a spectacular Bollywood dance performance and a presentation of Tchaikovsky's Swan Lake performed in the South Indian classical dance style of Kerala. These cultural highlights will be accompanied by a number of workshops and academic exchanges between now and March of 2013. I am sure that we will be met with great interest by the German public in general and particularly by the experts who will come together - your German partners in business, education and science.

- 150 - Looking back on the history of our cultural and our intensifying and broad political cooperation, especially since etablishing our Strategic Partnership in 2000. I esteem the sequence of events starting now in Germany and – already in course - in India a congenial symbol of our close and trustful relationship.

The first German-Indian Intergovernmental Consultations held in New Delhi 31 May 2011 demonstrated our intense and multi-faceted bilateral cooperation as well as its potential for the future.

Speaking of potential: It seems that we can be very optimistic getting very close to the mark of of 20 billion euros envisaged by Federal Chancellor Merkel and Prime Minister Singh as our bilateral trade volume by the end of 2012. We are looking forward to the second round of Intergovernmental Consultations in 2013.

Referring to the Year of Germany in India, which is currently in full swing und the title “Germany and India 2011-2012: Infinite Opportunities”, I would like to take this opportunity to thank the Government of India for its support for this ambitious venture.

Launched in New Delhi by Federal Chancellor Angela Merkel in May last year to mark 60 years of diplomatic relations between the Federal Republic of Germany and India, the Year has included a huge number of activities all over India.

I had the enormous pleasure to inaugurate one of the kick-off events in September last year: the first public concert of our Year in New Delhi, a jam-session by India’s star percussionist Shivamani and Germany’s Christoph Haberer in front of thousands of young Indian spectators in a beautifully illuminated Nehru Park. I think this concert epitomized what both India and Germany should strive for with our respective activities – we should aim to get the young generations interested and involved in the Indo-German partnership, as it is up the them to further develop this relationship. This is the true importance of ‘Connecting Cultures’.

We are encouraged by the rise of the number of Indian students in Germany – + 25 % last year alone. We are equally encouraged by the fact that more and more schools in India introduce the German language as a subject. I would hope that the Days of India in Germany will inspire more young Germans to choose India as a place of study and research.

I am convinced that both our Year “Germany and India 2011 – 2012: Infinite Opportunities” and your “Days of India in Germany: Connecting Cultures” starting today will be a catalysts for connecting our peoples, enhance our mutual understanding and help to identify new areas of cooperation between our nations.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 151 - Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles bei den Kronberger Gesprächen in Istanbul am 15. Mai 2012 (Englisch)

-- Es gilt das gesprochene Wort -- Ladies and gentlemen,

I am honoured to participate in this year’s Kronberg Talks on Europe, Turkey and the Mediterranean.

We know from Orhan Pamuk’s novels that fifty years ago, Istanbul was a somehow melancholic city of one million inhabitants.

Since then, it has undergone dramatic change. Today, the city boasts of more than twelve million inhabitants. It has turned into one of the most vibrant cultural and economic hubs on the planet. Recent meetings on Syria and Iran show that it is also a hotspot of world politics.

Here in Istanbul, everyone realizes that the Turkish society is living through an imposing success story. Turkey has set off to become one of the shaping powers of the globalized world.

Over the past decade, the Turkish economy has been growing at amazing rates. In 2011 alone, the gross national product increased by almost nine percent.

We welcome the course of internal modernisation. The judicial system has undergone substantial reform. Significant, and necessary, improvement has been achieved concerning the estates of religious minorities. There is more to do.

In terms of foreign policy, Ankara has become a political heavy-weight in the region and beyond.

Turkey’s impressive rise and self-confidence is nothing to be afraid of. The opposite is true. It opens new horizons for cooperation. Our cooperation can build on a strong basis:

Today, some 2.5 million people of Turkish origin live in Germany. It has become impossible to imagine our society without their enriching contribution. The intensity of our trade is enormous. Last year, it amounted to over 30 billion Euros.

I am confident that the artists’ academy at nearby Tarabya, which Ahmed Davutoglu and I opened last October, will soon become a symbol for the vibrant exchange between our cultures.

"Going it alone" is not an option, neither for Turkey, nor for Germany. We are partners in shaping globalization. It is in our best mutual interest and to the benefit of an efficient international system to take our relationship to a new level, (I) in terms of the bilateral relationship between Turkey and Germany, (II) in terms of the rapprochement between Turkey and the European Union (III) and in terms of calibrating our foreign policies at the global level, especially towards the Southern Mediterranean and the Middle East.

- 152 - (I) The bilateral relationship between Turkey and Germany is historically close. And yet, we must ask ourselves whether the dialogue between our societies and governments is already as intense as it could be. We should explore ways to intensify our political exchange, for example by establishing a Strategic Dialogue chaired by the Foreign Ministers. This dialogue could cover a broad range of bilateral and European issues. It could also serve as a platform to exchange views on global matters like those discussed at the G 20.

At the same time, we should think about how to foster closer exchange between young Turks and Germans. Programmes Germany has developed with its French and Polish neighbours could serve as an inspiration. We should set up a Turkish- German Youth Bridge.

(II) At the level of the European Union, we must work hard to give new dynamic to the relationship with Turkey. Europe must offer Turkey a fair deal in the accession negotiations. It is self-evident that the European Union cannot predict if and when Turkey will join the club. But our Turkish friends do have the legitimate expectation that progress must depend on Ankara’s own merits, not on domestic considerations elsewhere. I am optimistic that the latest elections in Europe will strengthen this principle. I am optimistic to overcome the standstill. Still, progress can only continue if Turkey steers an ambitious course of reform, including the implementation of the Ankara Protocol.

EU-Turkey relations and accession negotiations must be re-dynamised. For too long we have not opened a single chapter. For too long we have moved around in circles.

And for too long we have not put enough attention to the fact how much growth could be stimulated by even closer ties between Turkey and Europe.

Stronger economic ties with the new economic heavy-weights, such as Turkey, should be part of a European growth pact.

Strengthen our economic ties with the new centres of power is a convincing alternative to stimulus packages financed by new debts.

It would, however, be wrong to limit our vision of EU-Turkey relations to the accession negotiations. We must explore complementary paths that bring us closer together. This is why I have strongly supported the new “Positive Agenda” set by the European Commission and Turkey when it was discussed in Brussels last December. Germany stands ready to support. I believe we should explore the creation a Turkish- German European Partnership complementing the agenda. We should also consider the idea of a Turkish-German Rule of Law-Initiative, which could buil d on the excellent existing cooperation in this field.

Visa is another key area in which progress is vital. The spirit of our cooperation must be one of confidence and openness, not one of distrust and exclusion. I fully understand the wish of Turkish people to travel freely to Europe. Therefore we welcome the current initiative to have a dialogue on Mobility and Security between the European Union and Turkey. We hope, we will get results rather sooner than later.

- 153 - Turkey and the European Union must also engage in a more intense exchange on foreign policy. We have not yet tapped the full potential of a Dialogue on Common Foreign and Security Policy.

(III) In terms of our policy vis-à-vis the Mediterranean, both Turkey and Germany have understood that the reforms and revolutionary processes under way are a historic opportunity. Both the European Union and Turkey have the potential to play key roles in fostering democratic and economic transition in the region. We should therefore continue to explore where we can join efforts through concrete cooperation. Turkey serves as an inspiration to many in the Mediterranean, not least due to her close ties with the European Union. Prime Minister Erdogan’s visit to Cairo sent an encouraging message to the people in the region that democracy can be successfully reconciled with a secular Muslim society.

This is why people in the region are watching attentively how the Turkish success story continues. They are scrutinizing with equal attentiveness whether the European Union treats Turkey as a modern, secular country with Muslim identity as it should: on an equal footing.

Given Turkey’s special role for the region, Turkish-Israeli relations are important far beyond the bilateral sphere. As a friend of both Israel and Turkey, I urge both sides to resolve their difficulties. Turkish-Israeli ties of friendship would not only bring great mutual benefit. They could also act as a model for co-operation in the region as a whole.

Turkey is also a key player in seeking a solution to the appalling situation in Syria and in helping the suffering of the population. The international community cannot overestimate the humanitarian assistance Turkey is providing to those who flee from Syria. Both our countries have also worked hard to develop a political solution putting an end to brutal repression. We must continue on this path. We must continue to support the Annan plan. Repression must not stand – not in Syria, not elsewhere.

We must strive relentlessly to create a world where prosperity wins over poverty, tolerance wins over hatred, and freedom prevails over oppression. This spirit must inspire the cooperation between Europe, Turkey and the Mediterranean. The world is in a period of dramatic change.

These changes are not without risks, but also full of chances. It is up to us, it is up to Turkey and Germany to seize these opportunities and to use these chances politically, culturally and economically.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 154 - Ansprache von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Festveranstaltung„20 Jahre deutsch-ungarischer Freundschaftsvertrag“ in der ungarischen Botschaft in Berlin am 22. Mai 2012

Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident Kövér, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Lammert, sehr verehrte Damen und Herren, Meine Damen und Herren!

Mit der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze im Jahr 1989 für Bürgerinnen und Bürger der DDR hat Ungarn einen historischen Beitrag zur Überwindung der deutschen und europäischen Teilung geleistet.

Auf dieser Basis und auf dem Fundament einer jahrhundertelangen historischen Verbundenheit steht unser Vertrag über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa von 1992, den wir das ganze Jahr feiern. Im Jubiläumsjahr können wir auf eine erfolgreiche bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit zurückblicken.

Deutsche und Ungarn sind enge Partner in der Europäischen Union und in der Nato.

Wir tragen gemeinsame Verantwortung für das Werk der Europäischen Einigung und die Verteidigung der demokratischen Grundwerte. Wir führen einen engen und vielgestaltigen, dabei – wo nötig – auch kritischen Dialog. Dies betrifft die Parlamente, die Bundesregierung aber auch die Bundesländer.

Mit dem seit 1990 jährlich veranstalteten Deutsch-Ungarischen Forum haben wir zudem ein ganz besonderes Dialoginstrument für Fragen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien. Seit letztem Jahr wird es überdies um das zukunftsweisende Element „Junges Forum“ ergänzt.

Bei der Unterzeichnung des Vertrages im Februar 1992 stand vor allem die Überwindung der Teilung Europas und die Unterstützung der Demokratiebewegung im osteuropäischen Raum im Vordergrund. Die Osterweiterung der Europäischen Union ist sowohl politisch als auch wirtschaftlich ein Erfolg. Deutschland war enger Partner Ungarns auf dem Weg in die Europäische Union. Mittlerweile hat Ungarn bereits eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft hinter sich gebracht und dies unter schwierigen Rahmenbedingungen.

Ich danke der ungarischen Nationalversammlung für die am 20. Februar ein- stimmig (!) verabschiedete Resolution zum 20. Jahrestag und teile die Auffassung über wichtige Gebiete der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ungarn, nämlich „die Vertiefung der Europäischen Union, die Aufstellung einer wertorientierten, starken, wettbewerbsfähigen, einer auf dem globalen Markt wirtschaftlich und politisch einflussreichen Gemeinschaft und die konsequente Weiterführung des Erweiterungsprozesses“.

Es hat in der letzten Zeit einige offene Fragen zwischen Ungarn und den europäischen Institutionen gegeben.

- 155 - Die Bundesregierung kann hier der ungarischen Regierung nur raten, den inzwischen eingeschlagenen Weg des vertrauensvollen und ergebnisorientierten Dialoges konsequent weiterzuverfolgen.

Als wichtigster Handelspartner und ausländischer Investor in Ungarn hat die deutsche Wirtschaft maßgeblich zur Entwicklung der ungarischen Wirtschaft beigetragen. Rund 7.000 Firmen mit deutscher Beteiligung sind in Ungarn tätig und schufen bisher etwa 300.000 Arbeitsplätze.

Neben der Tätigkeit namhafter deutscher Großunternehmen wie Deutschen Telekom, RWE, Bosch, Audi, Mercedes, Siemens, der Lufthansa Technik gibt es unzählige mittelständische Betriebe in Ungarn.

Spektakulär sind Werkseröffnungen wie etwa kürzlich von Mercedes im zentralungarischen Kecskemét mit 3.000 Arbeitsplätzen oder die Erweiterung der Produktion von Audi in Raab (ung.: Győr) um eine komplette Fahrzeugfertigung mit 2.500 neuen Arbeitsplätzen. Aber der Automobilsektor steht nur für ein Viertel der Investitionen, die Hälfte wird vom Handel und vom Dienstleistungssektor getätigt.

Dabei wird von den deutschen Unternehmen auf eine möglichst langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit mit den ungarischen Partnern Wert gelegt. Deshalb bringen die deutschen Unternehmen nicht nur Kapital und „know how“ ein, sondern engagieren sich auch im Sozial- und Bildungsbereich beispielsweise in Form der Berufsausbildung und in zahlreichen Kooperationen mit ungarischen Hochschulen.

In den vergangenen Monaten kamen deutliche Signale von deutschen aber auch anderen ausländischen Investoren, dass sich das Investitionsklima in Ungarn verschlechtert. Insbesondere die Berechenbarkeit der ungarischen Wirtschaftspolitik wird schlechter beurteilt als früher.

Eine Fortsetzung des eingeschlagenen Dialogs mit den Unternehmen ist essentiell, denn die ungarische Regierung braucht eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und damit auch mit den ausländischen Partnern. Dabei sollten die Sorgen der Investoren vor einer zu großen Belastung durch die 2010 eingeführten Sondersteuern zusammen mit den jüngst verabschiedeten neuen Steuern im Telekommunikations- und Bankensektor berücksichtigt werden.

Der Bereich Kultur und Wissenschaft spielt im deutsch ungarischen Freundschaftsvertrag eine wesentliche Rolle. Er wird erfolgreich getragen von zahlreichen Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, von der Arbeit der Mittlerorganisationen sowie von der deutschsprachigen Andrássy-Universität in Budapest, dem Leuchtturmprojekt der deutsch-ungarischen kulturellen Zusammenarbeit. Ich erinnere mich gerne daran, dass ich zusammen mit Staatssekretär Prőhle im letzten Jahr dazu beitragen konnte, die Finanzierung der Andrássy-Universität für weitere fünf Jahre zu sichern.

In Kooperation mit der Deutschen Botschaft organisiert die Andrássy-Universität beispielsweise in diesem Jahr eine Vortragsreihe mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaft und Finanzen. Anlässlich unseres Vertragsjubiläums finden dort gemeinsam organisiert mit dem ungarischen Außenministerium etliche weitere Veranstaltung statt.

- 156 - Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung ist in Ungarn besonders aktiv. Pro Kopf der Bevölkerung hat Ungarn die meisten AvH-Stipendiaten und Preisträger.

Eine Schlüsselrolle im deutsch-ungarischen Verhältnis fällt den persönlichen Kontakten zu.

Sie sind der Nährboden für die „gefühlte Nachbarschaft“ zwischen Ungarn und Deutschland. Bei all dem, was über die institutionellen Verbindungen gesagt wurde, ist es dieses Netz, das nachhaltig wirkt. Sehr erfolgreich wird an diesem Netz auch von Menschen im Rahmen von Städtepartnerschaften gewoben. Fünfkirchen (ung. Pécs) und Fellbach haben beispielsweise bereits ihr 25jähriges Partnerschaftsjubiläum gefeiert.

Hier kommen die Menschen einander näher, sie kennen die Lebensumstände der anderen aus eigener Anschauung. Auch etliche familiäre Bande sind hieraus bereits entstanden. An den touristischen Zentren, aber auch abseits trifft man auf Landsleute.

Tausende von Studenten, Wissenschaftlern, Künstlern und Mitarbeitern von Wirtschaftsunternehmen halten sich in Ungarn oder Deutschland auf.

„Last but not least“ ist in diesem Kontext die deutsche Minderheit zu nennen. Mit ihrer lebendigen Traditionspflege und ihren zahlreichen fruchtbaren Verbindungen nach Deutschland, die im Freundschaftsvertrag besonderer Förderung anempfohlen wird.

Zusammenfassend kann man über die deutsch-ungarischen Beziehungen sagen: sie gründen tief, sie sind vielgestaltig, und sie sind vital.

Auf dieser Basis können wir sowohl bilateral, als auch im europäischen und internationalen Kontext weiterarbeiten. An Herausforderungen mangelt es nicht.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Laudatio von Staatsminister Link zu "Zehn Jahre Zentrum für Internationale Friedenseinsätze" in Berlin am 24.05.2012

-- Es gilt das gesprochene Wort -- Liebe Frau Wieland-Karimi, lieber Herr Kühne, liebe Kolleginnen und Kollegen, Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, und vor allem: Liebe Expertinnen und Experten, die in den vergangenen Jahren im Ausland aktiv waren!

Ich freue mich, heute hier mit Ihnen feiern zu können!

Das Auswärtige Amt ist ja kein kleines Haus.

Wer einmal versucht hat, seinen Weg über die Flure unseres Ministeriums am Werderschen Markt zu finden, der weiß, wovon ich spreche. - 157 - Hinzu kommen weit über 200 Auslandsvertretungen in aller Welt.

Was das Auswärtige Amt aber nicht hat – im Gegensatz zu manch anderem Ressort – ist eine Vielzahl von Institutionen, die im Sinne und Auftrag des Ministeriums handeln. Mit der Gründung des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze vor 10 Jahren haben wir als Auswärtiges auch in dieser Hinsicht einen Riesenschritt getan!

Ich sage das zum einen, um zu unterstreichen, was für ein „Solitär“ Sie, liebe Frau Wieland-Karimi, und Ihr Team für uns im AA sind. (Und ich weiß auch, dass das die Sache für Sie nicht immer nur leicht macht.)

Ich erwähne das aber auch, weil es lohnt, sich ins Gedächtnis zu rufen, warum es das ZIF gibt.

Als wir in den 90er Jahren zivile Experten für OSZE-Missionen auf dem Balkan brauchten, da wurde aus dem zuständigen Referat, damals noch an der Bonner Adenauerallee, in alle Richtungen herumtelefoniert, um einen deutschen personellen Beitrag zusammenzutrommeln.

Als wir im Sommer 1999 auf der Grundlage der Sicherheitsratsresolution 1244 die Zivilverwaltung UNMIK im Kosovo aufbauen mussten, da gab es immerhin schon einen recht gut sortierten Zettelkasten, der half, die Mission auch mit deutschen Experten auszustatten.

Aber spätestens in jenem Sommer wurde allen Beteiligten deutlich, dass die sicherheits- und friedenspolitischen Herausforderungen der Zukunft nicht mit Hilfe eines Zettelkastens zu bewältigen waren, und sei er noch so gut gefüllt.

Über die vielen praktischen Schritte, die noch notwendig waren, um von dieser Erkenntnis bis zur Gründung des ZIF im Jahr 2002 zu gelangen, kann wohl niemand besser Auskunft geben als der Gründungsdirektor Winrich Kühne.

Lieber Herr Kühne, Sie können stolz sein auf das, was Sie damals auf den Weg gebracht haben!

Meine Damen und Herren, in den schwierigen Jahren der Kriege, Bürgerkriege und internationalen Missionen auf dem Balkan in den 90er Jahren haben wir gelernt, dass die eigentliche Arbeit erst beginnt, wenn die Waffen schweigen.

Dann geht es um den Aufbau funktionierender Institutionen, um die Verankerung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz. Dann geht es um die Versorgung mit dem Nötigsten zum Leben, um sauberes Wasser, um ein Dach über dem Kopf, um Bildung und Perspektiven für ein besseres Leben.

Ausgehend von diesen Erfahrungen haben wir das Konzept „vernetzter Sicherheit“ entwickelt. Ein Konzept, das Sicherheits- und Friedenspolitik nicht auf den Einsatz von Militär und Polizei beschränkt, sondern einen erweiterten Sicherheitsbegriff zugrundelegt und die vielfältigen Instrumente unserer Politik aufeinander abstimmt und miteinander vernetzt. Das ist beileibe nicht immer einfach. Jeder von Ihnen, der in einer internationalen Mission mitgearbeitet hat oder Erfahrungen mit zivil- militärischer Zusammenarbeit gesammmelt hat, weiß um die unterschiedlichen - 158 - Kulturen, die da aufeinanderprallen. Und doch hat sich dieses Konzept überaus bewährt. Friedenspolitik und Friedenssicherung umfasst heute wie selbstverständlich ein breites Spektrum, das von krisenpräventiven Experteneinsätzen bis hin zur bewaffneten Friedenserzwingung reicht.

Bei allen Schwierigkeiten und auch Ernüchterungen im Zuge unseres Einsatzes in Afghanistan haben wir doch gerade dort enorme Fortschritte in der Vernetzung der Arbeit von Bundeswehr, Polizei, Diplomaten, Entwicklungshelfern und Experten gemacht.

Meine Damen und Herren,

Friedenssicherung ist immer komplex. Sie kennt keine einfachen Lösungen, denn sie muss sich der tiefer liegenden, strukturellen Konfliktursachen annehmen. Zivile Krisenprävention wird damit zur Querschnittsaufgabe der Außen-, Sicherheits-, und Entwicklungspolitik.

Es ist im übrigen meine persönliche Überzeugung, dass wir in der Außenpolitik erst am Beginn der Vernetzung stehen. Die rasante Zunahme an Akteuren auf staatlicher wie auf nichtstaatlicher Ebene und zugleich die immer weiter wachsende Zahl von Politikfeldern, die nach internationalen kooperativen Lösungen verlangen, stellt uns vor eine völlig neue Herausforderung bei der Steuerung von Außenpolitik.

Die Internationalisierung immer weiterer Fachpolitiken ist dabei durchaus zu begrüßen. Gesundheits-, Umwelt-, Klimapolitik und viele andere Bereiche brauchen enge Abstimmung über Grenzen hinweg. Aber die Summe all dieser Fachpolitiken gibt noch keine schlüssige Außenpolitik, wenn es uns nicht gelingt, diese Stränge zusammenzuführen und sinnvoll miteinander zu verbinden, auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Wir brauchen in Zukunft eine noch stärker netzwerkorientierte Außenpolitik, die weit über das etablierte Konzept vernetzter Sicherheit hinausgreift.

Aber zurück zu den Friedenseinsätzen: Erst die Vernetzung von militärischer, polizeilicher und ziviler Konfliktbewältigung macht nachhaltige Erfolge möglich.

Hier setzt die Arbeit der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der OSZE und anderer Akteure der zivilen Konfliktbearbeitung an.

Aber nur durch die Bereitstellung und Entsendung von qualifiziertem Personal können sie vor Ort konkrete Fortschritte erreichen.

Angesichts der stetig wachsenden Nachfrage nach zivilen Experten und des ausdrücklichen Ziels der Bundesregierung, die Handlungsfähigkeit dieser Institutionen zu unterstützen und zu stärken, war die Gründung des ZIF ein folgerichtiger, ja aus heutiger Sicht fast zwangsläufiger Schritt.

Am 24. Juni 2002 wurde das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) hier in Berlin eröffnet. Im Auftrag des Auswärtigen Amts sollte es sich fortan um die Gewinnung, Betreuung und Entsendung von Personal in internationale Friedensmissionen und Wahlbeobachtungseinsätze kümmern.

Das klingt technisch, war und ist aber für die Wirksamkeit unserer Sicherheits- und Friedenspolitik von größter Bedeutung. Denn Friedensicherung und Krisenprävention braucht zuallererst qualifizierte und einsatzbereite Fachleute. - 159 - Zehn Jahre sind nicht nur in der Berliner Innenpolitik eine sehr lange Zeit.

Wenn ich die Schar der Gäste überblicke, wenn ich die große Zahl internationaler Partner und Freunde sehe, die heute hier sind, dann ist das die verdiente Anerkennung für zehn erfolgreiche Jahre, in denen das ZIF zu einer Institution mit Modellcharakter geworden ist. Das ZIF hat sich aber nicht nur international einen exzellenten Ruf erarbeitet, sondern genießt bei uns in Deutschland parteiübergreifend großen Respekt.

Die Expertise des ZIF wird heute gezielt von den Vereinten Nationen, der OSZE oder der EU angefordert.

Die Nachfrage nach zivilen Experten steigt weiter an: Jedes Jahr sind im Rahmen von EU, NATO, OSZE und VN insgesamt 300 deutsche zivile Expertinnen und Experten in langfristigen Auslandsmissionen eingesetzt.

Über 2000 Experten haben an ZIF-Trainingsmaßnahmen teilgenommen, über 3000 deutsche Wahlbeobachter wurden über das ZIF entsandt.

Meine Damen und Herren, wir werden auch in Zukunft immer wieder mit krisenhaften Zuspitzungen und Konflikten konfrontiert sein. Mehr und mehr sind wir mit dem Phänomen schwacher oder zerfallender Staatlichkeit konfrontiert. Neue grenzüberschreitende Gefahrenpotenziale bedrohen die Stabilität vieler Gemeinwesen, ob Nahrungsmittelknappheit, Wassermangel, oder der Klimawandel, ob Pandemien oder Migrationswellen. Immer wieder wird die internationale Gemeinschaft aufs Neue um die richtigen Konzepte ringen müssen, um diesen Gefahren zu begegnen. Weit über die Ausbildung, Auswahl und Entsendung von qualifizierten Experten hinaus beschäftigt sich das ZIF heute mit der Frage, was das für zivile Krisenprävention in der Zukunft bedeutet.

Sie, liebe Frau Wieland-Karimi, haben den Staffelstab von Winrich Kühne nicht nur schwungvoll übernommen, sondern haben Ihre eigenen Akzente gesetzt. Der vielfältigen internationalen Anerkennung, die Sie dafür nicht nur am heutigen Tag erfahren, möchte ich mich von ganzem Herzen anschließen. Möge Sie Ihnen Ermutigung sein und auch gerade jetzt Kraft geben, um Ihre so wichtige Arbeit mit Ihrer unerschöpflichen Energie auch in Zukunft fortzusetzen.

Meine Damen und Herren, liebe Expertinnen und Experten, ich freue mich, dass so viele von Ihnen heute der Einladung gefolgt sind. Ihnen zu Ehren sind wir heute hier zusammengekommen. Wir wollen Ihre Leistungen in den internationalen Missionen in Erinnerung rufen. Wir wollen Ihren ganz persönlichen Einsatz für Frieden, Sicherheit und Stabilität würdigen.

Friedenseinsätze stellen enorme Anforderungen an jeden Einzelnen. Neben Ihrer fachlichen Qualifikation sind hohe Flexibilität, Nervenstärke und Kommunikationstalent gefragt. Die exponierte Rolle als ausländischer Experte inmitten einer konfliktgeschüttelten Gesellschaft zieht viel Aufmerksamkeit von Bürgern und Medien auf sich. Sie stehen nicht nur als internationale Experten, sondern immer auch als Deutsche im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie werden mit - 160 - einer Erwartungshaltung konfrontiert, der Sie nur mit besonderem Verantwortungsgefühl und Sensibilität gerecht werden können.

Jeder von Ihnen hat seine eigenen Erfahrungen gesammelt. Ob als Richter im Kosovo, als Grenzbeobachter in Georgien, als Mediator in Afghanistan, als Polizeiberater in Zentralasien, oder auf einer von vielen anderen Missionen. Ich bin überzeugt, dass diese Zeit für jeden und jede von Ihnen eine Bereicherung gewesen ist. Dabei weiß ich sehr wohl, dass zu den konkreten Erfahrungen oft genug auch Gefahr, Frustration und ein Gefühl der Vergeblichkeit gehören. Aber das darf uns im Kleinen vor Ort wie auch in der großen Politik nicht davon abhalten, unser Möglichstes zu versuchen. Viele von Ihnen haben für die Möglichkeit, an Missionen teilzunehmen, private und berufliche Einschränkungen auf sich genommen. Auch dafür möchte ich Ihnen ausdrücklich danken.

Meine Damen und Herren, unsere Soldaten und Polizisten werden traditionell für ihren Auslandseinsatz mit Auszeichnungen geehrt. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren die Debatten und Abstimmungen des Deutschen Bundestages über den Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten in VN-, NATO- oder EU-Missionen. Ich will das keineswegs geringschätzen. Denn in jeder einzelnen dieser Abstimmungen geht es um die schwierigste Entscheidung, die einem Verantwortung tragenden Politiker abverlangt werden kann – um die Entscheidung, andere Menschen für eine wichtige Sache in lebensgefährliche Einsätze zu entsenden.

Aber gerade angesichts der Erfahrungen, die wir in der Praxis der vernetzten Sicherheit gemacht haben, halte ich eine angemessene Würdigung auch ziviler Friedenseinsätze für wichtig, ja für unbedingt notwendig.

Das ist ein Zeichen unserer Wertschätzung für Ihren ganz persönlichen Einsatz und Ihre Arbeit.

Das ist ein zugleich ein Signal an die Öffentlichkeit, wie wichtig diese zivilen Einsätze für unser aller Ziel sind, zu Frieden und Sicherheit in gefährdeten Regionen beizutragen.

Der „umfassende Ansatz“, der unsere Sicherheits- und Friedenspolitik seit Jahren leitet, sollte auch in einer angemessenen Würdigung aller daran Beteiligten seinen Ausdruck finden.

Ich könnte mir gut vorstellen, liebe Frau Wieland-Karimi, dass das wie von Ihnen vorgeschlagen auch an einem gemeinsam gewählten Tag der Anerkennung geschieht.

Ich freue mich deshalb, dass wir mit der heutigen erstmaligen Urkundenübergabe einen Schritt machen auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Anerkennung Ihres Einsatzes.

- 161 - Mein Damen und Herren,

Ich danke dem Zentrum für Internationale Friedenseinsätze und dem gesamten Team für die geleistete Arbeit.

Ich wünsche Ihnen und dem ZIF eine gute Zukunft.

Und lassen Sie mich das auch im Namen von Bundesaußenminister Westerwelle und des Auswärtigen Amtes ganz persönlich zum Schluss hinzufügen:

Wir sind froh, dass wir Sie haben!

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung am 25. Mai 2012

De Maiziere ist sich sicher: Der Abzug aus Afghanistan wird teuer. Doch auch nach 2014 soll die Bundeswehr Aufgaben am Hindukusch übernehmen. Welche, das will er erst im Herbst festlegen. Über Operationen gegen Terroristen reden bilateral die Amerikaner mit den Afghanen. Nicht die Nato - so der "Zwischenstand".

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): Herr Minister, vor dem Nato-Gipfel haben Sie auf Fragen nach einem vorzeitigen Abzug Frankreichs aus Afghanistan abgewiegelt. Jetzt kommt es doch so. Droht ein Wettlauf zum Ausgang?

Thomas de Maizière: Nein. Der Gipfel hat beschlossen, dass die bisherige Strategie gilt. Frankreich hat erklärt, bei dem zu bleiben, was der französische Präsident im Wahlkampf versprochen hatte: den Abzug der Kampftruppen bis Ende 2012. Er hat aber angeboten, mit anderen Kräften im Verbund der Isaf zu bleiben. Deutschland engagiert sich in der einen Region der Welt etwas mehr, Frankreich in einer anderen. Wir haben uns entschlossen, das nicht öffentlich zu kritisieren. Das heißt dann aber, dass wir, wenn es mal andersrum ist, auch nicht wollen, dass wir kritisiert werden.

FAZ: Gibt es denn eine kohärente Abzugsstrategie der Nato? de Maizière: Eine Rückverlegung ist eine komplizierte und eigenständige Operation. Die Logistik dafür ist eigentlich eine nationale Angelegenheit. Ein Blick auf die Karte zeigt aber, dass das nicht sinnvoll ist. Wir haben daher darauf gedrungen, dass es eine Koordinierung durch die Nato gibt. Das Konzept wird bis zum Herbst vorliegen. Gleichzeitig erfassen wir für die Bundeswehr bereits unser Material und kategorisieren es: Was soll dableiben? Was wird zurückgeführt? Und wir arbeiten an der Sicherstellung der Routen.

FAZ: Es kommen nur wenige Routen in Frage. Treibt das die Preise in die Höhe? de Maizière: Der Presse entnehme ich, dass Pakistan pro Container statt 200 jetzt 5000 Dollar verlangt. Das wäre eine happige Steigerung. Manchmal bin ich froh, dass wir hauptsächlich im Norden an der Grenze zu Usbekistan stationiert sind. Aber auch wir wollen nicht allein auf eine Transitroute angewiesen sein, und Usbekistan

- 162 - weiß auch, was Transitrouten wert sind. Auch Lufttransport ist nicht preiswert. Keine Frage, die Rückverlegung wird teuer.

FAZ: Welche Aufgaben wird die Bundeswehr nach 2014 haben? de Maizière: Es gibt nicht nur Beschlüsse zur Ausbildung und Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte, sondern wir haben uns in Chicago auch darüber unterhalten, was die Völkergemeinschaft nach 2014 leisten will. Darauf haben wir sehr gedrungen. Der Nato-Gipfel hat erstmals in einem strategischen Plan für Afghanistan die Umrisse für ein Profil eines solchen Einsatzes beschlossen. Dazu gehören folgende Eckpunkte: Es soll keine Fortsetzung des Isaf-Mandats sein, sondern ein neues.

Diese Mission wird keine Kampfmission sein. Sie soll ebenfalls auf einer soliden Rechtsgrundlage fußen, also einer UN-Resolution. Sie soll Nato-geführt sein und eine Nato-Kommandostruktur haben. Inhaltlich soll es bestehen aus Unterstützung, Ausbildung und Beratung. Dazu kann auch eine notwendige Schutzkomponente für die Ausbilder und Berater gehören. Und die Ausbildungshilfe soll auch die Spezialkräfte umfassen. Der Nato-Oberbefehlshaber ist gebeten worden, dazu einen Operationsplan vorzulegen.

Ich rechne mit dem nächsten Bericht dazu im Herbst. Das ist angesichts dessen, was man vor zwei, drei Monaten zu erwarten hatte, viel. Welches dann der deutsche Beitrag ist, werden wir entscheiden, sobald der Operationsplan vorliegt. Aber es werden auch deutsche Soldaten beteiligt werden.

FAZ: In welcher Größenordnung? de Maizière: Wir müssen erst wissen, welche Fähigkeiten wir brauchen, und erst dann kann sich daraus eine Zahl ergeben.

FAZ: Wird es künftig noch Operationen zur Terrorismusbekämpfung geben? de Maizière: In den Vorgaben, die die Nato jetzt beschlossen hat, ist das nicht enthalten. Gleichwohl gibt es bilaterale Abkommen, etwa der Amerikaner mit den Afghanen. In der Tat wird noch darüber geredet, ob es sinnvoll ist, nichtafghanische Anti-Terror-Einheiten nach 2014 zu haben.

FAZ: Das gab es doch schon einmal, mit den zwei nebeneinander laufenden Operationen Isaf und OEF. Bewährt hat sich das nicht. Wird am Ende doch noch ein Anti-Terror-Auftrag in die Nato-Operation integriert? de Maizière: Ich berichte zunächst nur über den Zwischenstand der Debatte. In den beschlossenen Eckpunkten ist das nicht enthalten.

FAZ: Brauchen Sie für den Abzug ein eigenes Bundestagsmandat? de Maizière: Wir wollen deutlich machen, dass die Rückverlegung eine eigenständige Operation ist. Sie kann nicht mit den bisherigen Aufgaben der Isaf vermengt werden. Außerdem kann es sein, dass wir anderen Nationen, die über den Norden abziehen, Hilfe leisten. Eine solche Operation bindet Kräfte. Wie viele, können wir im Herbst sagen. Ich möchte jedenfalls nicht, dass uns vorgeworfen wird, wir würden eine Rückverlegung kämpfender Soldaten nicht durchführen, weil die Zahlen nicht so - 163 - sinken, wie sich das manche vorstellen. Durch eine getrennte Darstellung oder durch ein getrenntes Mandat könnte man deutlich machen, dass das zwei verschiedene Vorgänge sind.

FAZ: Hätte ein neues Mandat für Sie nicht auch den Vorteil, dass das dann nicht aus dem Wehretat, sondern dem allgemeinen Bundeshaushalt gezahlt werden müsste? de Maizière: Das kann auch ein Argument sein, aber all diese Fragen bedürfen eh des Einvernehmens des Finanzministers. Mehr Geld entsteht dadurch ja nicht.

FAZ: Einige Bundestagsabgeordnete haben Sorgen, dass durch die Bestrebungen der Nato unter dem Stichwort „Smart Defense" die Beteiligungsrechte des Parlaments aufgeweicht werden. Teilen Sie diese Sorgen? de Maizière: Nein. Es ist glasklar und auch Teil der Gipfel-Papiere, dass die Entsendung von Soldaten für eine Mission immer souveräne Entscheidung ihres Nato-Mitglieds ist und bleibt. In manchen Ländern entscheidet das die Regierung allein, und in manchen, nicht nur Deutschland, ist das Parlament beteiligt. Wir haben mit diesem Parlamentsvorbehalt sehr gute Erfahrungen gemacht. Eine breite Zustimmung im Parlament nimmt den Bundestag auch in Haftung für den Einsatz und seine Ergebnisse. Das habe ich genauso auch in Chicago erwähnt.

Hier geht es um etwas anderes. Es wird geprüft, ob die nationale Entscheidung mit der Verfügbarkeit gemeinsamer Fähigkeiten vereinbart werden kann. Dabei kann es um Kommandostrukturen, Logistik und Aufklärung gehen. Wenn beispielsweise die Nato sich darauf einigt, dass Seetransporte gemeinsam abgewickelt werden, und Deutschland für einen bestimmten Zeitpunkt zusagt, drei Schiffe zu stellen, dann muss sich die Nato darauf verlassen können, dass Deutschland diese drei Schiffe tatsächlich für Transportzwecke zur Verfügung stellt, auch wenn es sich an dem eigentlichen Kampfeinsatz nicht beteiligt.

FAZ: Kampfverbände wie die Nato Response Force sind also nicht gemeint? de Maizière: Nein.

FAZ: Der SPD- Vorsitzende Sigmar Gabriel hat in einer sicherheitspolitischen Rede im Frühjahr vor „törichten Alleingängen" gewarnt und erklärt, dass die SPD bereit sei, auf längere Sicht Souveränitätsrechte abzugeben und dafür auch das Grundgesetz zu ändern. Wollen Sie das auch? de Maizière: Einerseits freue ich mich über die Aussage. Natürlich wäre es konsequent gewesen, wenn die SPD dann auch der Erweiterung von Atalanta zugestimmt hätte, weil wir dort einen einstimmigen europäischen Beschluss haben. Man muss aber auch sehen: Es gibt schon den Souveränitätsverzicht. Artikel 24 des Grundgesetzes erlaubt die Übertragung von Befugnissen auf überstaatliche Systeme kollektiver Sicherheit.

Die deutschen Soldaten in Afghanistan werden nicht von Deutschland geführt, sondern durch einen amerikanischen General. Und ein deutscher General in Nordafghanistan führt nicht nur die deutschen Soldaten, sondern auch Amerikaner und Soldaten aus 16 weiteren Nationen. Diese Souveränitätsübertragung, die es bereits gibt, hat aber Grenzen. Die Grenzen hat ungefragt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Lissabon-Vertrag festgelegt. - 164 - Die schlichte Forderung nach einer europäischen Armee will daher sorgfältig geprüft werden.

FAZ: Sind die bisherigen Aufwendungen für das Raketen-Abwehrsystem Meads von mehreren hundert Millionen Euro in den Sand gesetzt? de Maizière: Die Entwicklungsergebnisse wären in den Sand gesetzt, wenn wir die Arbeit nicht beenden könnten. Das ist ein Thema, das wir streitig mit den Vereinigten Staaten haben. Wir wollen das. Dort gibt es Teile, die die Entwicklungsarbeiten sofort abbrechen wollen, obwohl es dazu verbindliche Vereinbarungen gibt. Diese Entwicklungsarbeiten, würden sie abgeschlossen, böten eine technologische Grundlage für Raketenabwehr aller Art, aber dazu ist Weiteres nicht konkret geplant.

FAZ: Es ist zu beobachten, dass die politische Linke zunehmend aggressiv reagiert, wenn sich die Bundeswehr in der Öffentlichkeit präsentiert. Ist nicht die Bundeswehr nach Wegfall der Wehrpflicht genau da rauf angewiesen? de Maizière: Ja, in der Tat, und das Gebaren der Linken ist unerhört: Man kann nicht einerseits sagen, die Bundeswehr soll nicht Staat im Staate sein, sondern Teil der Gesellschaft - aber dann, wenn sich die Bundeswehr als Teil der Gesellschaft zeigt, ihr den Zutritt verweigern. Das passt überhaupt nicht zusammen.

FAZ: Ein besonders sensibler Punkt sind die Schulen. de Maizière: Es bleibt dabei, dass Jugendoffiziere an Schulen keine Nachwuchswerbung für die Bundeswehr betreiben sollen. So wie das auch für Parteien, Gewerkschaften, ADAC oder Krankenversicherungen gilt. Schulen sind generell keine Werbeveranstaltungen. Aber dass an Schulen informiert wird über den Auftrag der Bundeswehr wie über den Auftrag der Polizei und des Staates insgesamt, das halte ich für selbstverständlich.

Und dass die Bundeswehr auf Messen, Märkten und an Tagen der offenen Tür teilnimmt wie andere demokratische Institutionen, halte ich für das Selbstverständlichste in der Welt. Aber erfreulicherweise vertritt solche abstrusen Auffassungen nur die Linke, mit Ausfransungen in Teilen der Sozialdemokratie und der Grünen.

FAZ: Sie saßen in dieser Woche erstmals mit Peter Altmaier zusammen am Kabinettstisch, der Norbert Röttgens Platz eingenommen hat. Beunruhigt es Sie nicht, wie schnell man vom scheinbar unentbehrlichen Minister zur Belastung für die Kanzlerin werden kann? de Maizière: Ich bin jetzt 15 Monate Verteidigungsminister und gehöre in der Nato schon zu den Dienstältesten. Die Verweildauer auf Ministerpositionen ist nicht so lang. Jeder, der ein solches Amt innehat, weiß in einer Demokratie, das ist nur ein Amt auf Zeit. Das erzieht hoffentlich alle Beteiligten zu einer gewissen Demut. Was Norbert Röttgen erleben musste, ist persönlich sehr bitter: innerhalb weniger Wochen!

- 165 - Es ist menschlich absolut verständlich, dass das weh tut. Nicht nur ihm, sondern uns auch als Kollegen; mir jedenfalls. Nur, die Bundeskanzlerin hat das in diesem Fall richtig entschieden. Ein Minister braucht über seine Person hinaus eine bestimmte Autorität, um Dinge zu bewirken. Und wenn die Bundeskanzlerin einen Minister um seinen Rücktritt bittet, dann hat man dem Folge zu leisten. Das ist jedenfalls meine Auffassung.

FAZ: Es ist jetzt auch von Illoyalitäten die Rede. de Maizière: Es ist unerträglich, was aus Einzelgesprächen, zum Teil Gesprächen unter vier Augen und Telefonaten, berichtet oder kolportiert wird. Ich habe auch harte Entscheidungen treffen müssen und darüber nicht öffentlich, nicht mal intern geredet. Denn das macht die Dinge für die Betroffenen zwar nicht weniger hart, aber leichter zu ertragen. Ich meine damit alle möglichen Beteiligten außer der Kanzlerin, die von ihren Gesprächen nämlich nicht berichtet hat.

Das Interview führte Stephan Löwenstein für die FAZ. Quelle: Homepage der Bundesregierung

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Leipziger Volkszeitung am 25. Mai 2012

Gibt es eine bedingungslose Solidarität Deutschlands mit Israel?

Die Sicherheit Israels und das Existenzrecht Israels sind deutsche Staatsraison.

Wäre eine atomare Schutzschirmgarantie für Israel, ausgesprochen von Frankreich, England, den USA, nicht die Lösung für den Streit um Erstschlag oder Gegenschlag im Zusammenhang mit dem iranischen Atomwaffenprogramm?

Ich rate dazu, dass wir mit ganzer Kraft an einer politischen und diplomatischen Lösung im Atomstreit mit Iran arbeiten. Der Iran hat das Recht, die Atomkraft zivil zu nutzen. Wir sind bereit, Iran dabei auch technisch zu unterstützen. Aber Iran hat die Pflicht, nachvollziehbar und überprüfbar auf jede Option einer nuklearen Bewaffnung zu verzichten. Das betrifft weit mehr als die Frage der Sicherheit unseres Freundes Israel. Hier geht es um die Sicherheit und Stabilität der gesamten Region und es geht auch um die Sicherheitsarchitektur in der Welt. Ein nuklear bewaffneter Iran hätte zur Folge, dass ein atomarer Rüstungswettlauf beginnen könnte. Wir wollen aber die nukleare Nichtverbreitung voranbringen.

Gibt es auch eine Beistandspflicht eines deutschen Regierungsmitglieds für den deutschen Literaturnobelpreisträger Günther Grass gegen den Vorwurf, er sei antisemitisch?

Der von mir als Literat geschätzte Günther Grass hat mit seiner Kolumne nicht nur die Menschen in Israel sondern auch in Deutschland verstört. Den Eindruck zu erwecken, nicht Iran bedrohe die Sicherheit Israels, sondern Israel bedrohe die Sicherheit Irans, verkennt Ursache und Wirkung.

Ist die Reise des deutschen Bundespräsidenten nach Israel auch der abschließende Akt der Wiedergutmachung nach dem Fall Grass?

- 166 - Die Reise von Bundespräsident Gauck nach Israel ist doch viel wichtiger als die Antwort auf eine aktuelle Diskussion. Es ist der erste Staatsbesuch, den unser neuer Bundespräsident Joachim Gauck überhaupt unternimmt. Dass er dieses in Israel macht, ist eine glückliche und geschichtsträchtige Entscheidung. Ich bin fest davon überzeugt, dass Bundespräsident Gauck mit seinem großen Lebensthema Freiheit und Menschenwürde die Herzen der Bürger Israels tief berühren wird.

Weshalb scheint es politisch immer noch lukrativ zu sein, sich an Holocaust- Vergleichen messen zu lassen? Letztes Beispiel ist Thilo Sarrazin, der den Euro für Deutschland als eine Art Ablasssymbol für die Judenvernichtung zu verstehen scheint.

Die Anführung des Holocausts zur Begründung eigener politischer Ansichten sollte nicht Schule machen. Als die damalige rot-grüne Bundesregierung deutsche Soldaten auf den Balkan geschickt hat, habe ich, unabhängig von der Richtigkeit dieser Entscheidung, kein Verständnis für die Begründung mit dem Holocaust gehabt. Der Holocaust ist ein so unvergleichliches Drama der Menschheitsgeschichte, dass man mit Vergleichen und Referenzen auf dieses dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte äußerst sensibel und vorsichtig sein sollte.

Sarrazin hat ja mehr im Blick.

Es ist unangemessen, die gemeinsame europäische Währung als eine Art europäische Kompensation des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte erscheinen zu lassen. Europa und die gemeinsame Währung in Europa sind nicht nur die Antwort des Friedens auf Jahrhunderte der Kriege auf dem europäischen Kontinent. Europa und der Euro sind in Zeiten der Globalisierung und aufstrebender neuer Gestaltungsmächte in der Welt auch unsere Wohlstandsversicherung und Teil unserer kulturellen Selbstbehauptung.

Fragen: Dieter Wonka. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Leipziger Volkszeitung. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Schwäbischen Zeitung am 26. Mai 2012

Das folgende Interview zu außenpolitischen Themen wie Afghanistan, NATO-Gipfel, Libyen und Europa erschien am 25. Mai in der Online-Version der Schwäbischen Zeitung und am 26. Mai in gekürzter Blattfassung:

Frage: Herr Bundesaußenminister, wir sind auf dem Rückflug von Chicago nach Abschluss des Nato-Gipfels dort. Sind Sie mit dem Ausgang zufrieden?

Außenminister Westerwelle: Das, was auf dem Gipfel möglich war, ist gelungen. Aber natürlich stehen die Mühen der Ebene noch bevor.

Frage: Die finden sich wo? In Afghanistan oder bei der Abrüstungsthematik?

Außenminister Westerwelle: Wir alle wissen, dass wir in Afghanistan nicht auf Dauer bleiben können und bleiben wollen. Also müssen wir die Übergabe der

- 167 - Sicherheitsverantwortung und den eingeleiteten Abzug seriös und verantwortungsvoll umsetzen. Auch im Bereich der Abrüstung müssen weiter dicke Bretter gebohrt werden.

Nun gab es ja, Sie haben es heute in der Pressekonferenz auch gesagt, gewisse Nervositäten auf dem Weg hierher, was mit den Franzosen geschieht. Jetzt scheint eine Lösung gefunden, die es allen ermöglicht, insbesondere dem französischen Präsidenten gegenüber seinen Wählern, das Gesicht zu wahren. Wie kam das zustande?

Allen, auch in Frankreich, ist bewusst, dass es beim Vorsatz „together in, together out“ bleiben muss. Ich begrüße die unzweideutige Erklärung des französischen Präsidenten, dass Frankreich auch nach 2012/2013 Verantwortung in Afghanistan wahrnehmen wird.

Aber wie das dann konkret aussehen wird, dieses französische Engagement, das hat er noch nicht definiert?

Das ist wenige Tage nach der Amtsübernahme auch nicht möglich. Wichtig ist das politische Bekenntnis. Auch nach dem Regierungswechsel in Frankreich hat sich die deutsch-französische Zusammenarbeit auf internationaler Ebene bewährt.

Sie und auch der Bundesverteidigungsminister haben gesagt, dass Deutschland natürlich nach 2014 noch für Afghanistan Verantwortung zeigen wird. Glauben Sie, dass das der deutschen Öffentlichkeit klar ist?

Eine große Mehrheit der Bürger ist froh darüber, dass die jetzige Bundesregierung in den letzten beiden Jahren den Abzug eingeleitet hat. Ich habe das vor der Bundestagswahl versprochen und freue mich darüber, dass der Abzug jetzt in großer Einigkeit mit der internationalen Staatengemeinschaft umgesetzt wird. Natürlich ist klar, dass der Einsatz der letzten zehn Jahre nicht umsonst gewesen sein darf. Wir müssen wachsam bleiben im Kampf gegen den Terrorismus. Das ist auch eine Frage unserer eigenen Sicherheit. Wir dürfen nicht zulassen, dass Staaten zerfallen und zu Rückzugsgebieten für Terroristen werden. In Somalia kam es nach dem staatlichen Zerfall zu einer dramatischen Zunahme der Piraterie. Das gefährdet nicht nur unsere Sicherheit, sondern schadet auch unseren Interessen als größter Handelsnation Europas.

Sie und die Kanzlerin haben in den vergangenen Tagen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kritik an Deutschland, am vermeintlich zögerlichen Verhalten Deutschlands, innerhalb der Nato unberechtigt sei. Es gäbe genügend Beispiele etwa in Afghanistan und dem Kosovo, wo Deutschland sich engagiert. Gleichwohl ist natürlich die Nichtbeteiligung Deutschlands am Einsatz gegen Gaddhafi in Libyen ein immer wiederkehrender Vorwurf an die deutsche Adresse, der sich auch in ihrer Person personifiziert. Wurden Sie in Chicago darauf angesprochen?

Nein. Die Arbeit Deutschlands in der internationalen Staatengemeinschaft wird sehr geschätzt. Ich habe seinerzeit unsere Entscheidung, keine deutschen Soldaten in den Einsatz nach Libyen zu schicken, umfangreich mit unseren Partnern besprochen. Die Mehrzahl der Nato- und EU-Staaten hat keine Soldaten nach Libyen geschickt.

- 168 - Das heißt, Sie würden heute in einer ähnlichen Situation wieder so entscheiden?

Ich habe die Entscheidung, keine deutschen Soldaten nach Libyen zu schicken, im Ausland und zu Hause ausführlich begründet. Es trifft nicht zu, dass das unser Ansehen international geschwächt hat. Unser internationales Engagement wird hoch anerkannt. In Afghanistan sind wir seit 10 Jahren engagiert und der drittgrößte Truppensteller. Wir sind auch bei der Pirateriebekämpfung, auf dem Balkan oder vor der Küste des Libanon engagiert. Das wird respektiert.

Werden Sie in Libyen darauf angesprochen, ihr habt euch ja seinerzeit nicht daran beteiligt, den Diktator aus dem Amt zu jagen?

Ich bin seither zweimal in Libyen gewesen, auch mit einer Wirtschaftsdelegation. Dort war man dankbar für unsere praktische Unterstützung, etwa durch humanitäre Hilfe, durch die Behandlung von Verletzten oder durch die schnelle Bereitstellung eines Kredites, als der nationale Übergangsrat einen erheblichen Finanzbedarf hatte.

Sie haben ja bevor sie Außenminister wurden sich auch mit außenpolitischen Themen befasst, aber es war sicherlich nicht der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Wie füllt man so ein Amt nach und nach aus? Ihnen wurde ja nachgesagt, dass sie mit dem Amt ein bisschen fremdeln würden. Wie wächst man in so ein Amt hinein, in dem man ein neues Deutschland repräsentieren muss?

Schon als Partei- und Fraktionsvorsitzender habe ich mich intensiv auch mit Außenpolitik beschäftigt und regelmäßig die USA, europäische Partner und die neuen Kraftzentren der Welt besucht. Viele meiner Außenministerkollegen sind mir aus dieser Zeit bekannt. Ich bin mit großer Leidenschaft Außenminister.

Wie repräsentiert man denn heutzutage Deutschland im Ausland? Ist eine Sensibilität bei den Gesprächspartnern für deutsche Vergangenheit vorhanden?

W: Ein deutscher Außenminister muss immer auch die deutsche Geschichte im Hinterkopf haben. Oft genug resultiert daraus eine besondere Verantwortung. Wenn ich mich etwa international für Menschenrechte einsetze, tue ich das nicht mit dem erhobenen Zeigefinger eines Lehrmeisters aus dem Westen, sondern stets mit dem Hinweis, dass wir uns selbst nach dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte den Respekt vor den Menschenrechten erarbeiten mussten. Auch deshalb legen wir so viel Wert auf eine werteorientierte Außenpolitik. Wer die Zukunft eines Landes gestalten möchte, muss die Geschichte kennen und daraus die richtigen Lehren ziehen. Ich rate in der Europapolitik dazu, dass gerade wir Deutsche ein ausreichendes Maß an Sensibilität gegenüber unseren Gesprächspartnern in Europa haben. Gerade weil wir wirtschaftlich stark sind, sollten wir ein besonderes Maß an Respekt gegenüber anderen Völkern und anderen Ländern zeigen. Für manches, was in der Debatte über Griechenland bei uns gesagt worden ist, habe ich kein Verständnis.

Weil?

Weil man in einer Schuldenkrise einem Land doch nicht im Ernst vorschlagen kann: Verkauft eure Inseln. Das war eine teutonische Keule, die immer zu einem Bumerang wird und die sich auch nicht gehört.

- 169 - Wenn sie Deutschland im Ausland repräsentieren, reisen sie auch gelegentlich mit Ihrem Lebenspartner. Ich weiß, dass viele Bürger im Lande die Natürlichkeit oder die Normalität, mit der sie das tun, anerkennen, obwohl es ja, glaube ich, der erste Fall ist, dass ein deutscher Außenminister so etwas tut. Wie reagiert man in Ländern darauf, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften entweder geächtet oder gar verboten sind.

Das wurde in Deutschland mehr problematisiert als im Ausland. Die Welt hat sich weiterentwickelt, vielleicht auch dadurch, dass zum ersten Mal ein Außenminister seinen gleichgeschlechtlichen Partner nicht verschweigt. Wir hatten vor kurzem ein Treffen in den USA mit Vertretern von Schwulen, Lesben und Transgender- Vertretern. Sie haben es als Ermutigung empfunden, dass ich mich offen mit ihnen getroffen habe. Wir dürfen in der Welt nicht nur unsere Wirtschafts-, Sicherheits- und strategischen Interessen vertreten, sondern wir müssen immer auch für unsere Werte eintreten. Dazu zählen die Menschen- und Bürgerrechte, die religiöse Pluralität, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit und der Respekt gegenüber Minderheiten.

Für sie als Außenminister: was sind die größten Herausforderungen in den nächsten Monaten?

Zuerst die Zukunft der europäischen Einigung. Auf Europa wirken derzeit viele Fliehkräfte. Manche meinen, man könnte Teile von Europa rückabwickeln. Dabei wird vergessen, dass dann auch andere Errungenschaften wie die Reisefreiheit, die wir alle schätzen, auf dem Spiel stehen. Meine Generation weiß noch, wie wenig selbstverständlich und wie kostbar das alles ist.

Und heute fahrt man mit dem Eurocity von Hamburg nach Budapest und wird nicht kontrolliert.

Ich hoffe, dass wir Deutsche klug genug sind zu begreifen, dass Europa nicht nur die Antwort des Friedens auf Jahrhunderte von Kriegen ist, sondern dass es zugleich unsere wirtschaftliche Lebensversicherung in Zeiten der Globalisierung ist. Allein in Indien werden bald 1,5 Milliarden Menschen leben, also dreimal so viel wie in der gesamten Europäischen Union. Auf diese Wettbewerber und gleichzeitigen Partner müssen wir uns einstellen. Europa muss sich als Kulturgemeinschaft behaupten wollen.

Für unsere Bürger oder unsere Leser ist nicht immer ganz klar, wo denn eigentlich Außenpolitik gemacht wird. Sie sehen die Kanzlerin auf großen Konferenzen und bei Zusammenkünften, sie fragen dann manchmal, macht jetzt eigentlich das Auswärtige Amt oder das Kanzleramt Außenpolitik?

Können Sie das unseren Lesern erklären, wie sich das Auswärtige Amt und das Kanzleramt abstimmen?

- 170 - Wir stimmen uns in allen außenpolitischen Fragen eng ab. Das gilt auch für den Verteidigungs-, Entwicklungs- und andere Minister. Viele Ministerien haben zunehmend internationale Aufgaben. Ich denke zum Beispiel an die wichtigen Fragen von Bildung, Schulpartnerschaften oder internationaler Forschungszusammenarbeit. Diese Außenwissenschaftspolitik ist genauso wichtig wie die vom Wirtschaftsministerium verantwortete Außenwirtschaftspolitik. Der Außenminister hat die Aufgabe, die Grundlinien zu konzipieren und dafür zu sorgen, dass es einen einheitlichen und überzeugenden Auftritt der verschiedenen Institutionen im Ausland gibt.

(...)

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit Die Welt am 1. Juni 2012

Die Welt (Welt): Herr Westerwelle, was haben Sie mit Syrien verbunden, bevor das Blutvergießen begann?

Guido Westerwelle: Ich habe Syrien 2010 besucht und auch mit Präsident Assad gesprochen. Es handelt sich um ein Land mit großer Kultur und auch erheblichem Potenzial. Unsere Hoffnung war, dass Syrien den Weg einer vorsichtigen Öffnung einschlägt.

Welt: Was beobachten wir jetzt? Einen Bürgerkrieg?

Westerwelle: Das Bild ist ebenso vielfältig wie unübersichtlich. Die Gewalt mit schweren Waffen geht vom syrischen Regime aus. Das Massaker von Hula hat mich schockiert. Wir appellieren an alle Beteiligten, jede Form von Gewalt einzustellen. Der Friedensplan von Kofi Annan muss eine Chance bekommen.

Welt: Erinnert Sie die Lage an Libyen vor einem Jahr?

Westerwelle: Beide Länder lassen sich aus vielen Gründen nicht vergleichen. In Syrien spielen verschiedene Religionen und ethnische Gruppen eine Rolle. Die Gefahr ist groß, dass in Syrien ein Flächenbrand entsteht. Wir beobachten mit großer Sorge die ersten Anzeichen, dass die Gewalt auf den Libanon übergreift.

Welt: Wieder ist es ein französischer Präsident, der als Erster eine Militärintervention erwägt. Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Westerwelle: Francois Hollande hat unter der Voraussetzung eines Mandats der Vereinten Nationen die militärische Option nicht gänzlich ausgeschlossen. Wir müssen derzeit davon ausgehen, dass es zu einem solchen Mandat nicht kommen wird. Auch deswegen beteiligt sich die Bundesregierung auch nicht an Überlegungen, militärisch in Syrien einzugreifen, und setzt weiter auf eine politische Lösung. Wie im Jemen könnte - bei allen Schwierigkeiten, die wir dort sehen - die Macht auf einen Übergangspräsidenten übergehen, der einen Neuanfang organisieren müsste. Wir müssen vorsichtig sein, dass wir mit Diskussionen über ein militärisches Eingreifen nicht Erwartungshaltungen wecken, die am Schluss nicht zu erfüllen sind. - 171 - Welt: Macht Hollande damit Wahlkampf?

Westerwelle: Der französische Präsident arbeitet wie wir alle für eine Beendigung des Konflikts. Seine Trauer und Erschütterung angesichts der andauernden Gewalt teile ich.

Welt: Vordenker eines militärischen Eingreifens ist abermals der französische Philosoph Bernard-Henri Levy. Wie bewerten Sie seine Rolle?

Westerwelle: Entscheidend ist, dass wir vernünftige Politik machen und tun, was nötig und möglich ist. Die Gewalt und Unterdrückung der Menschen müssen ein Ende finden. Aber wir müssen auch einen Flächenbrand in der gesamten Region verhindern. Das kann nur gelingen, wenn die internationale Gemeinschaft zusammensteht.

Welt: Russland steht bisher abseits. Was versprechen Sie sich von Putins Berlin- Besuch an diesem Freitag?

Westerwelle: Ich möchte vorab keine zugespitzten Erwartungen formulieren. Aus 'unserer Sicht sollte Russland aber erkennen, dass wir nicht gegen strategische russische Interessen arbeiten, wenn wir die Gewalt in Syrien beenden möchten. Russland und seine Haltung zum Regime Assad spielen in der Syrien-Frage eine Schlüsselrolle.

Welt: In Libyen haben Diplomatie und Sanktionen nicht gereicht, um das Morden zu stoppen. Warum sollte es in Syrien anders sein?

Westerwelle: Man darf in dieser schwierigen Lage nicht den Eindruck erwecken, als wäre eine militärische Intervention der Königsweg zu einer schnellen Lösung. Die politischen und diplomatischen Bemühungen sind äußerst mühsam, aber sie müssen weitergehen. Der Plan von Kofi Annan als Sonderbeauftragtem der UN und der Arabischen Liga ist immer noch die beste Grundlage für eine politische Lösung.

Welt: Hilft es, die militärische Option ganz vom Tisch zu nehmen?

Westerwelle: Auch das Assad-Regime weiß, dass ein Mandat der Vereinten Nationen derzeit nicht zu erwarten ist. Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt werden können, sollten vermieden werden. Um das Assad-Regime zu schwächen, setzen wir auf Sanktionen und auf politisches und diplomatisches Handeln wie zuletzt die Ausweisung syrischer Botschafter aus europäischen Hauptstädten.

Welt: Sie schließen deutsche Soldaten auf syrischem Boden also aus.

Westerwelle: Ich habe gesagt, was wir wollen. An Spekulationen beteilige ich mich nicht.

Welt: Wenn Sie zurückdenken: Wie bewerten Sie die Haltung der Bundesregierung, Ihre persönliche Haltung in der Libyen-Frage?

Westerwelle: Die Entscheidung der Bundesregierung, keine deutschen Soldaten nach Libyen zu schicken, habe ich ausführlich und ausreichend im In- und Ausland begründet.

- 172 - Welt: Der Iran liefert Waffen nach Syrien - und nutzt dazu nach neuen Berichten auch Zivilflugzeuge. Welche Reaktion empfiehlt sich?

Westerwelle: Zu diesen Nachrichten kann ich keine eigenen Erkenntnisse beitragen. Dem regionalen Umfeld Syriens sollte es ein eigenes Anliegen sein, den Konflikt nicht weiter anzuheizen. Die Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm sind davon zu trennen. Für die Sicherheit Israels und für die regionale Stabilität, aber auch für die globale Sicherheitsarchitektur ist es von entscheidender Bedeutung, dass es keine atomare Bewaffnung des Iran gibt.

Welt: Bundespräsident Gauck hat in Israel gesagt, er glaube nicht an einen bevorstehenden Militärschlag gegen den Iran. Teilen Sie diese Meinung?

Westerwelle: Es ist nicht üblich, einen laufenden Staatsbesuch des Bundespräsidenten zu bewerten. So viel sei gesagt: Wir alle können mit dein Verlauf der Nahost-Reise des Bundespräsidenten sehr zufrieden sein. Der Besuch in Israel hat die Beziehungen zwischen unseren Ländern weiter vertieft.

Welt: Ist Israels Sicherheit deutsche Staatsräson?

Westerwelle: Es ist Politik der Bundesrepublik seit vielen Jahren, dass die Sicherheit Israels für uns nicht verhandelbar ist und das Existenzrecht Israels Staatsräson ist. Nicht nur als Antwort auf das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, sondern auch als Ausdruck der Wertepartnerschaft, die wir mit Israel haben. Israel ist bislang die einzige funktionierende Demokratie in der gesamten Region.

Welt: Gauck hat das Wort Staatsräson bewusst nicht verwendet.

Westerwelle: Man sollte von einem Bundespräsidenten nicht erwarten, dass er dieselben Worte wählt wie andere vor ihm. Er hat seine besondere Verbundenheit mit Israel in eigenen Worten zum Ausdruck gebracht. Ich finde, das ist ihm sehr gut gelungen.

Das Interview führten Jochen Gaugele und Ulf Poschardt für die Welt. Quelle: Homepage der Bundesregierung

Rede von Staatsminister Michael Georg Link beim 30. Forum Globale Fragen in Berlin am 6. Juni 2012

-- Es gilt das gesprochene Wort -- Exzellenzen, Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüße Sie herzlich im Auswärtigen Amt.

Legitimität, Sicherheit, Verantwortung; diese drei Elemente sind wesentlich, wenn wir den Dialog über Fragen des Waffenhandels führen wollen. Gleichzeitig sind es auch Schlüsselworte, die den Diskurs im Abrüstungsbereich prägen. Beide Themen, Abrüstung und Exportkontrolle, jedes für sich genommen wichtig und immer wichtiger, sind in mehrfacher Weise miteinander verbunden und doch in ihren Ansätzen unterschiedlich.

- 173 - Es freut mich deshalb umso mehr, dass dieses Forum Globale Fragen zum Thema Internationaler Waffenhandelsvertrag („Arms Trade Treaty“), ausgerichtet durch das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung Friedensforschung diese Dualität aufgreift und den ATT-Prozess in einen breiteren Kontext stellt.

Die Verhandlungen hin zu einem Arms Trade Treaty, das heißt einem internationalen Vertrag zur Regulierung des weltweiten Waffenhandels, die im Juli diesen Jahres bei den Vereinten Nationen in New York stattfinden werden, sind in mehrfacher Hinsicht innovativ und wegweisend. Sollte es der internationalen Staatengemeinschaft – unter fortgesetzter tatkräftiger Mithilfe der Zivilgesellschaft - gelingen, ein derartiges Vertragswerk auszuarbeiten, dann, so bin ich überzeugt, wird das Jahr 2012 als Meilenstein in die Geschichte der Bereiche Abrüstung und Exportkontrolle eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Welche Bedeutung hat ein internationaler Waffenhandelsvertrag, wie ordnet er sich ein?

Einerseits haben Rüstungsgüter, anders als andere Waren besondere Eigenschaften, die sie potentiell zu gefährlichen Instrumenten machen, zum anderen bergen Rüstungsgüter bei unkontrollierter Verbreitung und Anhäufung ein erhebliches destabilisierendes Potential. Schließlich sind Rüstungsgüter, sofern sie legitim eingesetzt werden, essentiell für die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols und des in der Charta der Vereinten Nationen garantierten Selbstverteidigungsrechts.

Wenn es aber legitime Verwendungszwecke für Rüstungsgüter gibt, dann ist es folgerichtig, auf den verantwortungsvollen Umgang mit Rüstungsgütern abzustellen. Es geht zunächst nicht um ein Verbot oder eine Begrenzung des Handels mit Rüstungsgütern per se. Dies bedeutet gleichzeitig, dass es sich bei einem Waffenhandelsvertrag in erster Linie um einen regulierenden Vertrag handelt und nicht um einen Verbotsvertrag. Diese Abgrenzung gegenüber bisher bestehenden regionalen und internationalen Abkommen und Absprachen im Bereich Rüstungskontrolle und Abrüstung erscheint mir von großer Bedeutung.

Die Herausforderung während der Verhandlungen in New York im Juli diesen Jahres besteht somit darin, die grundsätzliche Freiheit des Handels, die vielschichtigen Sicherheitsbedürfnisse der Staaten sowie die notwendige Verantwortung im Umgang, insbesondere beim Handel, mit Rüstungsgütern in einem Dokument allgemeingültig und verbindlich zusammenzufassen.

Mit einem derartigen Verständnis ordnet sich ein internationaler Waffenhandelsvertrag in die bestehende Friedens- und Rüstungskontrollagenda eindeutig ein, ist aber gleichzeitig doch ein Projekt sui generis. Die Bundesregierung schöpft dabei einerseits aus den Erfahrungen mit der langjährig bewährten nationalen Exportkontrolle, den bestehenden Regelungen und Mechanismen auf europäischer Ebene, insbesondere dem Gemeinsamen Standpunkt betreffend Rüstungsgüterausfuhren aus dem Jahr 2008 sowie den Diskussionen in den Exportkontrollregimen, insbesondere im Wassenaar Arrangement. Andererseits fließen die jahrelangen Erfahrungen aus dem Kontext der Vereinten Nationen, u.a. mit dem Kleinwaffenaktionsprogramm, dem UNO-Waffenregister aber auch die

- 174 - Erfahrung mit den bislang ausbleibenden Fortschritte bei den seit 15 Jahren andauernden Abrüstungsgesprächen in Genf in dieses Projekt mit ein.

Warum bemühen wir uns seit mehr als fünf Jahren im Rahmen der Vereinten Nationen um einen internationalen Waffenhandelsvertrag?

Fest steht: Das Fehlen internationaler Standards für den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern hat weitreichende negative Konsequenzen.

Die Folgen von nicht oder nur rudimentär vorhandenen Exportkontrollsystemen vieler Staaten im Bereich der Rüstungsgüter und hier insbesondere bei den kleinen und leichten Waffen sind ausufernde illegale Waffenmärkte und Waffenmissbrauch in Konflikten. Rüstungsgüter und wiederum insbesondere kleine und leichte Waffen werden massenweise zur Begehung von schweren Menschenrechtsverletzungen missbraucht. Die dramatische Lage der Zivilbevölkerung und unzähligen Opfer in Bürgerkriegen sind ein mahnender Appell an die Weltgemeinschaft für mehr Kontrolle.

Vor diesem Hintergrund kann eine Regulierung des internationalen Waffenhandels, wenn Sie flächendeckend vereinbart und auch angewandt wird, zur Verhütung bewaffneter Konflikte, zur Begrenzung transnationaler organisierter Kriminalität und von Terrorismus beitragen.

Darüber hinaus bedeutet die Regulierung des Handels mit Waffen auch, dass langfristig die Chancen steigen, den illegalen Markt für Rüstungsgüter aller Art auszutrocknen oder doch zumindest zu beschneiden und den verantwortungslosen Handel zu begrenzen.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Mit einem internationalen Waffenhandelsvertrag sollen erstmals auf hohem Niveau, global und rechtlich bindende Standards für den internationalen Waffenhandel geschaffen werden.

Ziel der Bundesregierung ist es - und von dieser Maxime werden wir uns während der anstehenden Verhandlungen leiten lassen - mit einem Arms Trade Treaty einen substanziellen Beitrag für Frieden und Sicherheit sowie regionale Stabilität und die Gewährleistung einer nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Dieses Ziel wird für die Bundesregierung Richtschnur während der Verhandlungen und Messlatte für ihre Zustimmung zu einem derartigen Vertrag sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Mit der Staatenkonferenz im Juli 2012 zur Erarbeitung eines internationalen Waffenhandelsvertrages kulminiert ein Prozess, der vor ca. zehn Jahren von der Zivilgesellschaft angestoßen wurde und seit 2006 im Rahmen der Vereinten Nationen geführt wird und den Deutschland in allen Phasen sehr aktiv begleitet hat.

An dieser Stelle möchte ich den zahlreichen Nichtregierungs-organisationen und auch den Wirtschaftsverbänden für Ihre tatkräftige Mitwirkung meinen Dank aussprechen.

Ein Vorbereitungsausschuss hat seit 2010 die inhaltlichen und formalen Grundsteine für die Verhandlungen zu einem ATT gelegt. Ich möchte dem Vorsitzenden des Vorbereitungsausschusses und designierten Präsidenten der Konferenz, Botschafter - 175 - Roberto Garcia Moritan, für seinen unermüdlichen Einsatz danken. Für den Arms Trade Treaty hat er in den letzten beiden Jahren sicherlich bereits mehrfach die Erde umrundet und dabei versucht, die Elemente herauszuarbeiten, die diesen Vertrag ausmachen könnten.

Wie tragfähig die vom Vorbereitungsausschuss gelegten Fundamente sind, dies wird sich während der Staatenkonferenz beweisen müssen. Bereits jetzt ist klar: Die Verhandlungen werden schwierig werden. Das Meinungsspektrum innerhalb der Staatengemeinschaft ist groß und die Vorstellungen über den Geltungsbereich des Vertrages, die Kriterien für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen und die Umsetzung eines Arms Trade Treaty durch die zukünftigen Vertragstaaten sind auch weiterhin vielfältig und zum Teil kontrovers. Dennoch, es hat sich gezeigt, dass es eine gemeinsame Basis für die Verhandlungen gibt.

Welche Elemente soll ein internationaler Waffenhandelsvertrag beinhalten?

Die Bundesregierung leitet Ihre Vorstellungen für einen zukünftigen Vertrag aus den Erfahrungen bei der Umsetzung nationaler und europäischer Regelungen zur Exportkontrolle ab: dazu zählen die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter aus dem Jahr 2000 und der bereits erwähnte Gemeinsame Standpunkt des Rates der EU betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern aus dem Jahr 2008. Beide Instrumente haben sich bewährt. Wir wollen sie anderen Staaten nicht gegen ihren Willen aufnötigen, sondern diese überzeugen, dass ihr Kerngehalt eine Verankerung auf globaler Ebene verdient.

Ohne an dieser Stelle der Diskussion des zweiten Panels vorzugreifen, orientiert sich die Bundesregierung während der Verhandlungen an folgenden Leitideen. Ein ATT muss:

− robust, anwendbar und wirksam,

− umfassend und rechtlich verbindlich sowie

− geprägt durch hohe Standards für Ausfuhrgenehmigungs-Entscheidungen sein.

Unter Rückgriff auf die von mir eingangs erwähnte Trias aus Legitimität, Sicherheit und Verantwortung möchte ich festhalten, dass ein ATT nur dann einen Mehrwert liefern kann, wenn Staaten bei Ausfuhrentscheidungen angehalten werden, diese auf den Prüfstand eines klaren und anspruchsvollen Kriterienkataloges mit höchstmöglichen Mindeststandards zu stellen. Zu einem derartigen Kriterienkatalog zählt unbedingt auch die Beachtung von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts! Wichtig sind aber auch die Bewahrung der regionalen Stabilität und die Berücksichtigung der inneren Lage im Empfängerland. Nur so können wir ein Mehr an Verantwortung erreichen.

Umfassend muss ein ATT in mehrfacher Hinsicht sein: sowohl in Bezug auf den Güterkreis und die erfassten Aktivitäten als auch auf den Kreis der Zeichnerstaaten. Ein ATT sollte sich nach Vorstellung der Bundesregierung auf sämtliche konventionellen Rüstungsgüter erstrecken, insbesondere auch auf Kleine und Leichte Waffen sowie Munition und ein breites Spektrum an Aktivitäten wie Export,

- 176 - Re-Export, Import und Transit umfassen. Die breite Unterstützung für einen ATT durch die Unterschrift möglichst vieler Staaten und die rechtliche Bindungswirkung wird ihm zur notwendigen Legitimität verhelfen. Gleichzeitig kann ein ATT nur gelingen, wenn im weltweiten Kontext Exporteure und Importeure gleichermaßen Verpflichtungen eingehen und dann auch erfüllen.

Eine weitere Priorität beim ATT ist für Deutschland ein wirksames System zur Endverbleibssicherung sowie ein nach Transferarten differenziertes, nationales Kontrollsystem.

Schließlich ist es, nicht nur für entwickelte Industrienationen, sondern insbesondere für die Staaten, die bisher kaum oder keine Transferkontrollen durchführen, enorm wichtig, dass ein ATT anwendbar bleibt. Das bedeutet, dass der bürokratische Aufwand für die Vertragsumsetzung und Vertragsanwendung beherrschbar bleibt. Dies trifft sowohl auf Regierungen als auch auf Unternehmen zu. Nur durch gezielte und risikoorientierte Kontrollen ist angesichts knapper personeller Ressourcen ein Mehr an Sicherheit mit vertretbarem Aufwand umsetzbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Ich möchte meine Ausführungen schließen mit einem Dank an die Organisatoren und Kooperationspartner dieser Veranstaltung sowie an die Panelisten und Moderatoren. Diese Veranstaltung bietet ein Forum für alle ATT Interessierten und ist Teil der Vorbereitungen der Bundesregierung auf die anstehenden Verhandlungen. Ich kann Sie nur ermuntern, diese Gelegenheit zu nutzen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelles beim 2. Ministertreffen des Global Counterterrorism Forum in Istanbul am 7. Juni 2012 (Englisch)

-- Es gilt das gesprochene Wort -- Dear colleagues, Excellences, Ladies and gentlemen,

I would like to express my sincere thanks to Secretary Clinton and Minister Davutoglu for co-chairing this second plenary meeting of the Global Counterterrorism Forum.

In recent years, international co-operation in combating terrorism has led to remarkable results. Thanks to dedicated international cooperation, numerous terrorist attacks were averted.

The attentive work of intelligence services prevented an assault on civilian aviation in Yemen last month. But only a few days later, a suicide bombing killed almost a hundred Yemenite soldiers.

- 177 - These shocking attacks clearly show us the continuous threat posed by terrorist groups and networks. Although we have been successful in disrupting terrorist structures, we must not relent in our efforts. The threat of international terrorism is evolving. And we must adapt our responses to the new patterns.

In this context, last year’s launch of the Global Counterterrorism Forum marks an important step to complement the international architecture.

From the beginning, Germany has supported the concept of the Global Counter- terrorism Forum. We continue to see the Forum first and foremost as an action- oriented group. Tangible results and sustainable capacity building are the key to secure the Forum’s success.

Germany remains committed to support the Forum's two priority areas, namely strengthening rule of law institutions and countering violent extremism. Germany will continue to contribute financially and with human resources.

Effectiveness in countering terrorism and adherence to the rule of law are mutually reinforcing goals. Therefore strategies and measures to counter terrorism must always be based on the respect of human rights and the principles of the rule of law.

Strengthening the legal regime against terrorism has been the focus of German support since 2003. In 2012, Germany provides project funding of about 13.4 Million Euro for rule of law.

Acknowledging the threat of rising violent extremism, Germany is currently funding a wide range of projects in this area. We highly appreciate the creation of the “Center of Excellence for Countering Violent Extremism” in Abu Dhabi. Germany will consider supporting the Centre by seconding short-term and long-term consultants.

We are also ready to support the creation of a Justice and Civilian Security Training Academy and hope that progress can be made quickly. I particularly thank the government of Tunisia for his readiness to host the Academy.

Germany remains committed to its active partnership in the Global Counterterrorism Forum. You can count on German support.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Welt am Sonntag am 10.06. 2012

Herr Außenminister, ist der Annan-Friedensplan für Syrien gescheitert?

Der Friedensplan von Kofi Annan ist noch immer die beste Grundlage für eine politische Lösung. Aber niemand kann verhehlen, dass die Umsetzung des Plans bislang nicht gelungen ist. Wir müssen dem Annan-Plan gemeinsam mehr Nachdruck verleihen.

Wie soll das geschehen? Sie brachten bereits mögliche Maßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta ins Gespräch…

- 178 - Kofi Annan hat festgestellt, dass die Gewalt in Syrien fortgesetzt wird und beide Seiten dafür verantwortlich sind. Aber auch, dass die Verantwortlichkeit in erster Linie und ganz überwiegend beim Regime von Assad liegt.

Das könnte und sollte Anlass für die russische Regierung sein, ihre Haltung noch einmal zu überdenken und an der Umsetzung einer nicht-militärischen Lösung mit der Androhung von Sanktionen im Sicherheitsrat mitzuwirken.

Gilt das auch für den Artikel 42 des Kapitels VII, der bei Fehlverhalten militärische Maßnahmen zuließe?

Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über militärische Interventionen, auch weil es die Chancen für eine politische Lösung schwächen würde, die zwar gesunken, aber immer noch da sind.

Sehen Sie Anzeichen dafür, dass Moskau seine Haltung überdenken könnte?

Ich habe den Eindruck, dass auch in Russland über einen Transitionsprozess nachgedacht wird.

Das heißt also, ein künftiges Syrien wird es mit Assad nicht geben?

Auch bei den vielen Gesprächspartnern, mit denen ich auf meiner jüngsten Reise in die Region gesprochen habe, besteht der Eindruck, dass das Regime von Assad zu weit gegangen ist und es nun kein Zurück mehr gibt.

Eine jemenitische Lösung bedeutet also Rücktritt und Exil Assads, wie beim jemenitischen Staatschef Saleh. Aber dann wäre der gesamte Apparat, den Assad aufgebaut und der ihn getragen hat, noch immer da…

Es gibt keinen Königsweg. Wir wählen in einer für die ganze Region potenziell explosiven und schwierigen Lage zwischen Optionen, von denen nach gemeinsamer Einschätzung aller unserer Partner die politische bei weitem die beste ist. Dafür ist die Arbeit Kofi Annans entscheidend. Es bleibt richtig, dass wir in unserem Bemühen nicht nachlassen, Russland einzubinden.

Denn Russland hat den größten Schlüssel zur Lösung der Krise in der Hand. All denjenigen, die jetzt auf eine militärische Intervention als vermeintlich schnellen Lösungsweg setzen, möchte ich sagen, dass die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes groß ist.

Meine Reise in den Libanon bestätigt mich in meiner wachsenden Sorge, dass nicht nur der Libanon, sondern auch andere Nachbarländer in den Sog der schweren Krise in Syrien geraten könnten. Wir müssen das verhindern.

Russland will den Iran bei der Konfliktlösungssuche dabei haben. Die USA lehnen das kategorisch ab. Wie ist Ihre Haltung?

Ich rate dazu, jetzt zunächst die Vorschläge von Kofi Annan abzuwarten. Ich begrüße jeden Schritt, der uns weiter auf dem Weg zu einer politischen Lösung bringt. Entscheidend ist letztlich das, was wir politisch erreichen können. Dass die Nachbarn Syriens dabei eine wichtige Rolle spielen, liegt auf der Hand.

- 179 - Geht es Moskau denn wirklich nur um strategische Interessen, also den syrischen Mittelmeerhafen von Tartus als Stützpunkt, oder sitzt das Libyen-Trauma noch tief?

Es gibt viele Motive. Natürlich spielt der freie Zugang zum Mittelmeerraum eine Rolle. Moskau argumentiert aber auch, der Westen habe unter dem Vorwand, die Zivilbevölkerung schützen zu wollen, militärisch in Libyen interveniert, aber in Wahrheit einen Regimewechsel betrieben. Auch wenn wir diese Argumentation nicht teilen, müssen wir sie dennoch ernst nehmen.

Russland sagt zwar, es stelle sich nicht hinter Assad. Aber das Assad-Regime nimmt das offensichtlich so wahr. Und Russland weist zu Recht darauf hin, dass es in Syrien auch Kräfte gibt, die nicht Teil der demokratischen Opposition sind, sondern Terror im Schilde führen. Einen friedlichen politischen Wandel haben diese Kräfte nicht im Sinn.

Sie meinen radikale islamistische Kämpfer, die etwa aus dem benachbarten Irak eingesickert sind?

Radikale Kräfte, Fanatiker, gewalttätige Islamisten, die mit Terror an die Macht kommen wollen.

Ihre jüngste Reise hat Sie ja auch an den Golf geführt. Dort wächst die Ungeduld angesichts der Tatsache, dass in Syrien täglich "sunnitische Brüder" sterben. Bisher verzichten Saudi-Arabien oder auch Katar auf Alleingänge. Wie lange werden sie noch still halten?

Es stimmt, dass Unruhe und nachvollziehbare Empörung gerade in den arabischen Ländern wachsen. Aber auch die Arabische Liga drängt unverändert auf eine politische Lösung. Es ist nicht klug, derzeit Fristen zu setzen. Man muss aufpassen, keine Erwartungen zu wecken, die man nicht einhalten kann. Gleichwohl ist richtig: Die Zeit läuft nicht, sie rennt!

Wie will die internationale Staatengemeinschaft einer Lösung in Syrien nun näher kommen?

Das Wichtigste ist jetzt, zügig den Annan-Bericht auszuwerten und ihn mit neuer konstruktiver Energie für eine politische Lösung umzusetzen. Dieser Weg ist beschwerlich, auch frustrierend und aufwendig. Er wird auch mit Rückschlägen verbunden sein. Aber er bleibt der richtige Ansatz.

Wer zum jetzigen Zeitpunkt zu einer militärischen Intervention aufruft, muss wissen, welche Risiken damit verbunden sind: Schon jetzt ist das Risiko eines Überschwappens der Krise auf die Region eine Realität. Die Gefahr eines regionalen Stellvertreterkrieges ist sehr ernst und besorgt mich zutiefst. Wer jetzt die Arbeit an einer politischen Lösung aufgibt, der gibt die Menschen in Syrien auf. Das sollten wir auf keinen Fall tun.

Fragen: Dietrich Alexander. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Welt am Sonntag. Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 180 - Statement von Bundesaußenminister Guido Westerwelles auf der Afghanistan-Regionalkonferenz am 14. Juni 2012 in Kabul (Englisch)

-- Es gilt das gesprochene Wort! -- Excellencies, Colleagues, ladies and gentlemen,

The fact that we are meeting here in Kabul today, only seven months after our initial meeting in Istanbul, shows the impressive dynamics of the “Heart of Asia” process.

This process is one between neighbours. Between those who live in the region. Between those, who are immediately affected by its future.

I would like to congratulate Afghanistan on its leadership, and the region on its ownership.

Let me also express my great respect for Turkey and its guidance in the Istanbul process.

Regional cooperation is crucial for peace and stability in Afghanistan and the region as a whole.

In Europe, centuries of war and mistrust have finally been overcome by ambitious regional cooperation. In this regard we have a lot of experience and knowledge to offer.

The international community will remain firmly engaged in Afghanistan during the transformation decade after 2014.

Our diplomats, our civilian reconstruction specialists, our aid workers, and our continued and enduring support for the Afghan people will remain.

We will also continue to train, advise and assist the Afghan National Security Forces. NATO and its allies and partners have made it very clear that our presence in Afghanistan will not pose a threat to any other country. We will not forget the people of Afghanistan.

We all know: There is still a lot to be done in Afghanistan. Terrorism, extremism, drug trafficking and organised crime remain serious threats. Some are global, most are regional.

This requires regional efforts and cooperation based on trust, confidence and shared values. This also puts the region in the driver’s seat.

- 181 - Today’s conference is an impressive demonstration of this common purpose.

While every one of the neighbours may look at Afghanistan from a slightly different angle, and certainly with a different history, you have all come here to address these challenges. You all have a legitimate stake in the future of Afghanistan.

Germany will actively support the Istanbul process as an observer. I would also like to offer our expertise in the areas of regional infrastructure and Chambers of Commerce. We are looking forward to working with our partners in the region.

Thank you very much.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière an der Technischen Universität des Mittleren und Nahen Ostens in Ankara am 20. Juni 2012.

-- Es gilt das gesprochene Wort! --

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Studentinnen und Studenten, wir Deutsche bringen der Türkei große Wertschätzung entgegen. Umgekehrt genießt Deutschland in der Türkei ein hohes Ansehen. Unsere beiden Länder blicken auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück: Die türkisch-deutschen Beziehungen sind vielschichtig und intensiv. Sie sind getragen von Vertrauen und Freundschaft, von gemeinsamen Erfahrungen (auch weniger schönen), gemeinsamen Interessen und gemeinsamen Antworten auf die Fragen unserer Zeit.

Daran haben nicht zuletzt die in Deutschland lebenden rund 2,5 Millionen Menschen türkischer Abstammung (davon 1,7 Millionen türkische Staatsangehörige) großen Anteil. Zwei Offiziere meiner Delegation sind übrigens Kinder von „Gastarbeitern“. Unsere türkischen Mitbürger haben in der Vergangenheit ganz wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands beigetragen. Sie haben unser Land auch kulturell bereichert. Sie sind das Bindeglied, das unsere beiden Völker eng miteinander verbindet, auch in der Zukunft.

Im November des letzten Jahres haben wir in Berlin das 50-jährige Jubiläum des Anwerbeabkommens mit der Türkei gefeiert. Auch wenn dieses Abkommen eine entscheidende Weichenstellung für eine noch stärkere Verbindung unseren beiden Nationen war: Unsere freundschaftlichen Beziehungen reichen wesentlich weiter zurück.

Bereits 1761 schloss der Preußenkönig Friedrich II. einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit Sultan Mustafa III. In den Jahren 1935 bis 1939 lud Mustafa Kemal Atatürk jüdische und antinationalsozialistisch Professoren, die aus Deutschland und Österreich kamen, in die Türkei ein.

Über die Jahrhunderte trugen Politiker, Künstler, Wissenschaftler und nicht zuletzt Soldaten wie Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke, der Sultan Mahmud II. in militärischen Fragen beriet, zur stetigen Weiterentwicklung der freundschaftlichen - 182 - Bande zwischen unseren Nationen bei. Dabei gab es auch „Schattenseiten“. Und wir sind gemeinsam in der Pflicht, uns auch mit den schwierigen Seiten unserer Zusammenarbeit auseinanderzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Türkei und Deutschland sind Verbündete und Freunde. Seit Jahrzehnten stehen wir in der NATO Seite an Seite, um die Freiheit und Sicherheit Europas zu schützen. Damals, in der Zeit des Kalten Krieges, war Deutschland geteilt und die Türkei ein wichtiger Eckpfeiler des Bündnisses. Dass Deutschland heute in Freiheit wiedervereinigt ist, verdanken wir auch der Türkei.

Wirft man einen Blick auf die heutige globale sicherheitspolitische Situation, so wird deutlich: Wir stehen heute vor ganz anderen Herausforderungen als zur Zeit des Kalten Krieges. Wir stehen heute vor neuartigen Risiken und Bedrohungen. Die Globalisierung hat insbesondere in den letzten beiden Dekaden einen maßgeblichen Einfluss auf jedes Land und jede Gesellschaft der Welt genommen.

Internationale Handelsströme, Investitionen, Reisen und auch Kommunikation eröffnen neue Chancen. Gerade Deutschland, dessen Wohlstand vom Zugang zu Rohstoffen und vom Austausch von Waren und Ideen abhängt, hat ein grundlegendes Interesse am friedlichen Wettbewerb von Gedanken und an einem globalen Freihandelssystem und uneingeschränktem Handel.

Die Türkei befindet sich in einer vergleichbaren Situation: Die türkische Wirtschaft boomt seit Jahren. Und auch die Prognosen sind positiv: Als Energiedrehscheibe und Brückenland zwischen Okzident und Orient wird der Türkei gerade in Zukunft eine Schlüsselrolle zukommen.

Trotz aller sicherheitspolitischer Veränderungen und Herausforderungen, die unsere beiden Länder gleichermaßen betreffen, ist die geopolitische Lage Deutschlands und der Türkei unterschiedlich: Deutschland ist in einer – historisch betrachtet – einzigartigen Position: Es ist von Freunden und Partnern umgeben. Eine unmittelbare konventionelle Bedrohung ist mittelfristig sehr unwahrscheinlich geworden.

Für die Türkei stellt sich die Lage sicherlich anders dar – ich werde darauf gleich zurückkommen. Es gibt jedoch Entwicklungen, die unsere beiden Länder betreffen: Nach dem Wegfall der alles beherrschenden Ost-West-Gegensatzes brachen während der Zeit des Kalten Krieges eingefrorene Konflikte und ungeklärte Jahrhundertprobleme wieder auf.

Dazu gehören: Spannungen sowohl im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika wie auch in Südasien, eine Vielzahl ungelöster Konflikte nach dem Zerfall der Sowjetunion, bspw. im Kaukasus, in Transnistrien und in Zentralasien. Auch hier kommt der Türkei eine Schlüsselrolle zu, insbesondere aufgrund ihrer sehr guten Beziehungen zu weiten Teilen des Südkaukasus und Zentralasiens.

Von besonderer Relevanz für unsere Sicherheit erscheinen heute aber gerade auch die qualitativ neuen Herausforderungen: Fundamentalismus und der unversöhnliche, von blindem Hass getriebene internationale Terrorismus zielen qualitativ anders auf

- 183 - die Zerstörung unserer Gesellschaften und unserer Werte. Auch die Türkei wird von diesem neuen Gegner nicht verschont.

Von anderer Qualität, aber durchaus damit verknüpft, ist die weltweit vernetzte Organisierte Kriminalität, die uns alle betrifft. Sie verursacht mittlerweile Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe. Auch hier müssen wir gemeinsame Antworten finden. Auch die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen stellt leider auch heute noch eine nicht zu unterschätzende Bedrohung dar.

Wir sind Zeugen, wie Iran und Nordkorea außerhalb der anerkannten Kontrollmechanismen der Vereinten Nationen auf besorgniserregende Art und Weise nukleare Forschung betreiben. Und das in Kombination mit Versuchen, die Reichweite von Trägerraketen zu steigern. Dies untergräbt die Wirksamkeit und Zuverlässigkeit internationaler Abkommen, führt zu regionaler und globaler Instabilität und zwingt auch uns im Rahmen der Allianz, Vorsorge zu unserem Schutz zu treffen.

Sehr beunruhigend ist der Umstand, dass es heute nicht einmal mehr gänzlich auszuschließen ist, dass Nuklearmaterial im Rahmen weiterer Proliferation in die Hände nicht-staatlicher oder gar terroristischer Akteure gelangt.

Auch ehemalige Randthemen der Sicherheitspolitik haben heute eine unmittelbare strategische Relevanz: der Klimawandel und damit einhergehende Umweltkatastrophen, Ressourcenkämpfe und unkontrollierte Migration, hervorgerufen u.a. durch Wassermangel, aber ebenso Piraterie als Reaktionen auf regionale Armut mit globaler Dimension.

Wir können den Bogen noch weiter spannen: von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen über die Verwundbarkeit der weltweiten Energieversorgung und anderer Infrastrukturen bis hin zu „Cyber Attacks“.

All das sind Störungen oder Unterbrechungen im weltweiten Beziehungsgeflecht. Sie können heute schwerwiegende Folgen für die unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand und die Stabilität unserer Gesellschaften haben.

Auch wenn wir gemeinsam Antworten auf globale Sicherheitsfragen wie Terrorismus, Cyber, Piraterie und Klimawandel finden müssen, lässt sich die jeweilige sicherheitspolitische Lage beider Nationen – ich sagte es bereits – nicht gleichsetzen.

Ich möchte Ihnen dafür einige Beispiele nennen: Stichwort Iran: Der Iran ist für Deutschland weit entfernt. Die Türkei verfügt über eine 380 Kilometer lange Grenze mit dem Iran. Der Iran ist für die Türkei ein wichtiger und langjähriger Partner – insbesondere wegen der Energieversorgung.

Vom Iran geht wegen seines umstrittenen Atomprogramms ein erhebliches Risiko für die ganze Region aus. Niemand spricht dem iranischen Volk das Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie ab. Aber dieses nationale Anliegen darf sich nicht destabilisierend auf die gesamte Region auswirken.

Der Iran muss mit der internationalen Gemeinschaft ernsthafte, nachhaltige ,zielgerichtete Gespräche über sein Atomprogramm führen. Deutschland akzeptiert zudem keinerlei politische Aussage, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen.

- 184 - Stichwort Syrien: Dort verlassen täglich hunderte Menschen ihre Heimat und suchen Schutz in der Türkei. Alleine nach dem Massaker im syrischen Hula flohen 2.000 Syrer innerhalb von drei Tagen in den Süden der Türkei.

Ich möchte der Türkei ein Wort des aufrichtigen Dankes und der Anerkennung für die Aufnahme der Flüchtlinge aussprechen. Sie helfen damit den Syrern, die – auch in diesen Minuten – um ihr Leben fürchten müssen.

Ich appelliere an Russland, seine Haltung zum Assad-Regime zu überdenken. Das menschenverachtende Morden von allen Seiten muss ein Ende haben! Die Türkei ist für die Lösung der Syrien-Krise von zentraler Bedeutung. Die Entscheidung der syrischen Regierung neben dem deutschen, amerikanischen, französischen und englischen Botschafter auch die türkischen Diplomaten auszuweisen, ist vor diesem Hintergrund ein weiterer schwerer Fehler der syrischen Führung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Syrien und Iran bleiben auf absehbare Zeit dominierende Themen auf der globalen Agenda. Niemand ist heute in der Lage, eine schnelle regionale Lösung zu skizzieren. Eines ist jedoch klar: Ohne die Türkei gibt es keine Lösung in diesen drängenden Fragen.

Wir haben also genug Gründe, uns der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern und in den bewährten sicherheitspolitischen Institutionen wie den VN und der NATO noch stärker und intensiver abzustimmen, um gemeinsam den Herausforderungen zu begegnen.

Die Türkei und Deutschland sind auch innerhalb der NATO militärische Partner. Unsere Zusammenarbeit ist langjährig gewachsen. Sie ist vertrauensvoll und vor allem mit Blick auf unsere Streitkräfte von hoher Qualität: Das gilt für die Ausbildung an den nationalen Führungsakademien und Offizierschulen, für gemeinsame Übungsvorhaben.

Und es gilt vor allem für den Einsatz: Nur kurz nach dem Ende des Kalten Krieges, 1991, wurden deutsche Kampfflugzeuge, Flugabwehr- und ABC-Abwehr-Kräfte in den Süden der Türkei verlegt, nach Erhac und Diyarbakir, um das Bündnis gegen einen etwaigen Angriff Saddam Husseins zu schützen.

Seither hat sich viel verändert. Geblieben ist jedoch, dass wir Seite an Seite international Verantwortung tragen. Das gilt für den Balkan, wo deutsche und türkische Soldaten für Sicherheit eintreten, (EUFOR: 270 türkische Soldaten; KFOR: mehr als 300 türkische Soldaten). Das gilt in gleicher Weise für VN-Missionen im Nahen Osten und natürlich auch für Afghanistan.

Im Regional Command Capital ist die Türkei mit rund 1.400 Soldaten unter der Führung des türkischen Brigadegenerals Levent Gözkaya im Einsatz. Im Regional Command North stellt die Türkei ein zivil geführtes Provincial Reconstruction Team (PRT) in der Provinz Jowzjan. Auch in der Provinz Sar-e Pul beteiligt sich die Türkei an der Stabilisierung des Landes.

Sehr geehrte Damen und Herren,

- 185 - für Deutschland ist die NATO unverändert die wichtigste Säule unserer Sicherheit. Die Verbindung von europäischer und amerikanischer Sicherheit bleibt für uns unverzichtbar. Umgekehrt war und ist auch die Türkei ein für die NATO ein Mitglied von strategischer Bedeutung.

War die Türkei in der Zeit des Kalten Krieges ein Eckpfeiler der Bündnissicherheit im Südosten Europas, liegt sie nun insbesondere vor dem Hintergrund (Syrien, Lybien, Iran) der aktuellen Herausforderungen im Zentrum einer von Instabilität geprägten Region.

Als säkulares Land islamischer Prägung nimmt die Türkei eine wichtige Brückenfunktion zwischen westlicher Allianz und islamischer Welt ein.

Sie ist für die NATO ein sehr wertvoller und verlässlicher Partner. Sie trägt dazu bei, dass Staaten vom Pazifik bis nach Asien mit ganz unterschiedlichen Kulturen auf der Basis gemeinsamer Prinzipien zum Wohle unserer Sicherheit miteinander verbunden sind.

Von ebenso hoher Bedeutung sind jedoch die Beziehungen zwischen der NATO und der Europäischen Union. Es ist kein Geheimnis, dass diese Beziehung aufgrund der politischen Verhältnisse zwischen Zypern und der Türkei keine ganz einfache ist.

Eine Verbesserung der Zusammenarbeit wäre für alle Parteien und die gesamte EU und die NATO wichtig.

Dass dies möglich ist, zeigt die Tatsache, dass es trotz aller bestehender Meinungsverschiedenheiten bereits eine funktionierende Zusammenarbeit gibt: Ein gutes Beispiel dafür ist der Einsatz auf dem Balkan – eine für die Türkei und die EU bedeutende Region. Hier arbeiten die NATO und die Türkei Seite an Seite mit der EU.

So ist die Türkei beispielsweise bei der EU Operation ALTHEA in Bosnien und Herzegowina einer der verlässlichsten und größten Truppensteller (zweitgrößter Truppensteller mit 270 Soldaten, nach Österreich mit 368 – Stand: 4. Juni). Mit dem Kommando über einen Regionalbereich in Bosnien trägt die Türkei darüber hinaus Führungsverantwortung.

Gleiches gilt für die Beteiligung der Türkei an der EU-Polizeimission in Bosnien und Herzegowina (EUPM BIH – aktuell zwei türkische Polizisten), der EU- Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo (aktuell 71 türkische Experten) oder auch für die türkische Beteiligung an der EU Battlegroup im Jahr 2010.

Diese Beispiele zeigen: Kooperation und Dialog sind unerlässlich, wenn wir gemeinsam Fortschritte erzielen wollen. Und wenn wir die vor uns liegenden großen Herausforderungen gemeinsam lösen wollen. Dies erfordert Pragmatismus und viel guten Willen von allen Beteiligten. Dialog und die Bereitschaft, auch kleine Schritte zu gehen, führen zu Annäherung und gegenseitigem Verständnis.

Wer wüsste das besser als die Deutschen? Wie erfolgreich auch kleine Schritte sein können, das haben wir während des Kalten Kriegs gelernt. Die Verständigungspolitik über die angestrebten UNO Mitgliedschaften der damaligen beiden deutschen Staaten führte zur Aufnahme in die Vereinten Nationen. Dies war ein wichtiger Schritt zur weiteren Integration in die Völkergemeinschaft. - 186 - Und auch die deutsch-deutsche Annäherung ist eine Geschichte der kleinen Schritte.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch heute – vielleicht noch mehr als damals – sind die Vereinten Nationen ein unverzichtbares Ordnungsinstrument für die internationale Konfliktbewältigung.

Ein gutes Beispiel für die konstruktiv und Völker verbindende Rolle der Türkei in den Vereinten Nationen ist die im Jahr 2005 gemeinsam mit Spanien ins Leben gerufene „Allianz der Zivilisationen“. Auch beim Peacekeeping im Rahmen der Vereinten Nationen ist die Türkei sehr aktiv: Sie beteiligt sich gegenwärtig an zehn VN- Friedensmissionen, wobei der Schwerpunkt bei UNIFIL liegt.

Deutschland und die Türkei verfolgen das gemeinsame Interesse, auch auf internationaler Ebene Politik verantwortlich zu gestalten.

Was folgt aus alledem für unsere beiden Länder? Was bedeutet das für die NATO?

In Chicago haben wir die notwendigen Entscheidungen getroffen, um das Bündnis für die Zukunft auszurichten. Das heißt unter anderem, trotz nicht steigender Verteidigungsbudgets die Fähigkeiten der NATO für unseren Schutz und unsere Sicherheit zu erhalten oder gemeinsam zu verbessern.

Mit dem „Defence Package“ haben wir bisherige Einzelinitiativen zusammengefasst und mit „Smart Defence“ einen richtigen Weg beschritten.

Mit „Smart Defence“ wollen wir eine besser koordinierte und effizientere, gemeinsame Nutzung unserer begrenzten Ressourcen erreichen.

Zwei Projekte möchte ich an dieser Stelle erwähnen:

ERSTENS: Multinationales Streitkräfte-gemeinsames Hauptquartier Ulm. Deutschland hat die Führung für die Etablierung dieses multinationalen Hauptquartiers übernommen. Ziel ist es, über ein ständig besetztes Hauptquartier schnell und effektiv Einsätze planen und führen zu können.

Ich freue mich, dass sich auch die Türkei (mit sieben Dienstposten) an diesem Hauptquartier beteiligen will.

ZWEITENS: Ausbildung von Luftfahrzeugbesatzungen. Die Türkei hat die Führung für ein Kooperationsprojekt zur Ausbildung militärischer Luftfahrzeugbesatzungen übernommen. Das halte ich für einen klugen und zukunftsweisenden Ansatz: Hier bieten sich noch viele Möglichkeiten: Ausbildung und Übungen werden künftig ein ganz entscheidendes Handlungsfeld der NATO.

Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland wird als gestaltendes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft künftig häufiger als bisher international gefragt sein, Verantwortung zu übernehmen – auch militärisch. Dafür benötigt die Bundeswehr ein breites Fähigkeitsspektrum – von der Hilfeleistung über die Unterstützung beim Katastrophenschutz, über die humanitäre Intervention, über den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, über Evakuierungen deutscher Staatsbürger, bis hin zu mehrjähriger Durchhaltefähigkeit bei

- 187 - Stabilisierungsoperationen und bei der Unterstützung von Partnerstreitkräften und natürlich bis hin zur Bündnisverteidigung.

Und deshalb sind wir dabei, die Bundeswehr neu auszurichten.

Fest steht: Die neue Bundeswehr braucht hinreichend verfügbare und professionelle Einheiten, die mit modernster Technologie ausgestattet, mobil und schnell verlegefähig sind sowie modular auf die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden können – „tailored to the mission“.

Unsere Strukturen und Verfahren orientieren sich künftig stärker an den Kriterien von Wirkung und Leistung, d.h.: wir verzichten auf Führungsebenen zu Gunsten der Kräfte, die den Auftrag zu erfüllen haben – weniger oben, mehr unten an der Basis.

Hinzu kommt: An die Stelle des verpflichtenden Grundwehrdienstes ist ein neuer freiwilliger Wehrdienst von 7 bis 23 Monaten für junge Frauen und Männer getreten.

In Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten wirkt der demographische Wandel gegenläufig zur Entwicklung der Weltbevölkerung. Anders als die türkische Bevölkerung schrumpft die deutsche Bevölkerung, das Durchschnittsalter steigt beträchtlich und die Erwerbsbevölkerung nimmt ab.

Aus den wesentlichen Faktoren des demographischen Wandels resultieren viele Herausforderungen für unser Land, auch für die Bundeswehr.

In unseren Planungen müssen wir den gravierend verschärften Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs berücksichtigen. Im Verhältnis zu 1990 sind die Jahrgänge der heute und in den nächsten Jahren 18-Jährigen praktisch halbiert.

Die Bundeswehr wird folglich deutlich kleiner, aber einsatzfähiger.

Künftig wird der gesamte Personalumfang bei maximal 185.000 Soldatinnen und Soldaten sowie 55.000 zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (zusammen 240.000) liegen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Soldat zu sein, das ist – in der Türkei genau wie in Deutschland – kein Beruf wie jeder andere. In keinem anderen Beruf wird verlangt, tapfer das eigene Land zu verteidigen – notfalls mit dem eigenen-Leben.

Soldaten verdienen daher unsere volle Unterstützung. Sie verdienen unsere Fürsorge und sie können von uns erwarten, dass wir uns genau überlegen, wie wir mit ihnen umgehen.

Gerade in Zeiten des Wandels gibt es jedoch Konstanten, die wir bewahren müssen, weil sie sich bewährt haben.

Dazu gehört für uns Deutsche die Rolle unserer Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“. Als am 12. November 1955 die ersten freiwilligen Soldaten der Bundeswehr ihren Dienst antraten, war der Tag bewusst gewählt: Es war der 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers Gerhard von Scharnhorst. Damit knüpften die Gründungsväter der Bundeswehr an Leitgedanken an, die die

- 188 - preußischen Reformer im Zuge der napoleonischen Freiheitskriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt hatten.

Nicht Söldner, sondern die Bürger sollten für ihren Staat einstehen und Freiheit mit bürgerschaftlichem Engagement, Wehrpflicht mit Landesverteidigung verbunden werden.

Diese Ideen wurden in der Bundeswehr zu einem Ausgangspunkt einer völlig neuen Konzeption: Das war das Prinzip der „Inneren Führung“ mit dem „Staatsbürger in Uniform“. Durch die „Innere Führung“ werden die Werte und Normen unseres Grundgesetzes wie die Achtung und der Schutz der Menschenwürde in der Bundeswehr verwirklicht. Das gilt auch für den Einsatz.

Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind „Staatsbürger in Uniform“, die bewusst von ihren Rechten Gebrauch machen und ebenso selbstverständlich ihre damit verbundenen Pflichten erfüllen.

Die „Innere Führung“ und der „Staatsbürger in Uniform“ – das sind und bleiben die tragenden Säulen der deutschen Streitkräfte.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Fähigkeit, das Gute und Bewährte zu erkennen und in Tradition fortzuentwickeln ist aus meiner Erfahrung ebenso wichtig wie die ehrliche Bereitschaft, sich zu verändern und neue Wege zu gehen.

Die Türkei leistet heute einen substanziellen Beitrag zur bündnisgemeinsamen Verteidigung. Und gerade vor dem Hintergrund ihrer geostrategischen Lage wird ihre Bedeutung künftig wohl noch weiter zunehmen.

Deutschland steht als Partner an der Seite der Türkei. Und umgekehrt ist es genauso – das kann ich am Ende meines Besuchs mit Gewissheit sagen.

Und dennoch warne ich davor, uns selbstgefällig zurückzulehnen. Im Güvenpark hier in Ankara steht das Denkmal des Vertrauens. Es trägt als Inschrift ein Zitat von Atatürk, dass Sie alle besser kennen als ich:

„Türke, rühme dich, arbeite und vertraue“ (türkisch: „Türk, öğün, caliş, güven“).´Und das gilt auch für die türkisch-deutschen Beziehungen: Auf unserer historisch gewachsenen Partnerschaft und Freundschaft dürfen wir uns verlassen, ausruhen dürfen wir uns darauf nicht.

Wir müssen arbeiten und vertrauen, damit auch unsere Kinder und Enkel die türkisch-deutsche Freundschaft rühmen können, wie wir es heute tun.

Vielen Dank.

Quelle: BMVg

- 189 - Namensartikel von 16 Außenministern, erschienen im EUobserver und in der Hürriyet Daily News am 28. Juni 2012 (Englisch)

By 16 Foreign Ministers:

At a time when the EU faces economic challenges and continuing instability in the Middle East, our relationship with Turkey matters more than ever. Last week saw the 50th EU/Turkey Association Council, which demonstrated the need to work together to promote our shared prosperity, security and values.

Delivering prosperity and mobility

In these tough economic times, increasing trade with Turkey offers opportunities for EU businesses. With a GDP growth rate of 8.5% last year, the second fastest in the G20 after China, Turkey is now the EU’s fifth largest export market. Turkish entrepreneurs in Europe run businesses worth €40 billion, employing half a million people. In sectors like aviation, automobiles and electronics, our economies are increasingly integrated. Turkey is well placed to become an energy hub, with both sides benefiting from projects to build the necessary infrastructure, including development of the Southern gas corridor.

The commercial relationship is strong, but could be stronger. While EU/Turkey trade has grown steadily, Turkey’s trade with other regions has grown even faster. This is partly a symptom of the wider shift of economic power to Asia, but also reflects problems with the EU/Turkey Customs Union and other trade restrictions that prevent our commercial relationship from achieving its full potential. Removing these restrictions should form an important part of wider efforts to boost economic growth, building on the recent G20 Summit and on the European Council later this week.

We welcome the very recent agreement on a path towards visa liberalisation, linked to broader co-operation on migration. This has the potential to promote trade, combat illegal immigration and support wider people to people contacts. Here, signature by Turkey of the EU/Turkey Readmission Agreement would be a crucial step on the way towards fulfilling Turkish citizens’ aspirations to travel more freely in Europe. As the dialogue between the EU and Turkey on mobility and security grows, we hope to see further concrete results. In this framework, we hope Turkey will extend visa free travel to EU member states.

Reinforcing collective security

The last few months have again demonstrated Turkey’s importance in supporting stability in the Middle East and beyond. Istanbul has hosted a series of key meetings to discuss Syria, Iran, Somalia and terrorism. Turkey is playing a critical and constructive role in increasing international pressure on the Assad regime and is a crucial partner in building security in Afghanistan.

Turkey offers its neighbours an inspirational example of a secular and democratic country with a growing middle class. At the same time, the EU remains the largest trading partner for most of these countries and a vital source of investment and ideas. The many priorities the EU and Turkey share in this region make it essential that we continue to deepen our co-operation. Our meeting with Foreign Minister Davutoğlu in - 190 - the margins of the March Foreign Affairs Council, initiated by Cathy Ashton, was a good first step. We should build on this through further dialogue on regional issues like the Western Balkans and Southern Caucasus and joint projects in the Middle East and North Africa. The EU and Turkey should be partners in shaping events. Working together we can achieve more and send a stronger message to encourage transformation.

Sharing common values

Turkey’s ability to inspire reform in its neighbourhood is linked to its EU accession process. The Turkey of today is radically transformed from the country that applied to join the EU a quarter of a century ago. Just as the EU helped consolidate democracy across Central Europe and continues to promote democracy in Eastern Europe, the accession process has played a powerful role in supporting Turkey’s reforms in areas such as civilian control of the military and the independence of the judiciary.

Significant results have been achieved but, as Turkey itself recognises, reform remains a work in progress. Improvements are needed in the areas of freedom of expression, women’s rights and protection of minorities. The work on a new constitution presents a crucial opportunity to address such issues. We encourage Turkey to maintain an inclusive constitutional reform process and welcome the recent discussions between Prime Minister Erdoğan and Opposition Leader Kılıçdaroğlu, including on how to address the Kurdish issue and the menace of PKK terrorism. Turkey’s constructive contribution to a Cyprus settlement and its willingness to open its ports and airports to Cypriot vessels remain key. Progress is also needed on the important issue of EU/NATO co-operation, where we encourage Turkey to show flexibility.

Reinvigorating the accession process

Just as Turkey must meet its obligations to the EU, so the EU must meet its obligations to Turkey. Commissioner Stefan Füle has led the way with his “positive agenda” for EU/Turkey relations, designed to support the accession process and strengthen practical co-operation. He has our full support.

We represent countries that have not always shared the same view on how to realize Turkey’s European perspective. But we are united in seeing the accession process as a vital framework for cooperation and a powerful stimulus for reform. Injecting new momentum into the process will benefit both the EU and Turkey. That must be our ambition in the months ahead.

Nikolay Mladenov, Urmas Paet, Erkki Tuomioja, Guido Westerwelle, János Martonyi, Giulio Terzi di Sant'agata, Edgars Rinkēvičs, Audronius Ažubalis, Radosław Sikorski, Paulo Portas, Andrei Marga, Miroslav Lajcák, Karl Erjavec, José Manuel García-Margallo, Carl Bildt and William Hague are the Foreign Ministers of Bulgaria, Estonia, Finland, Germany, Hungary, Italy,Latvia, Lithuania, Poland, Portugal, Romania, Slovakia, Slovenia, Spain, Sweden, and the UK . Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 191 - Festansprache von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verleihung der Medaille „Verdienste um Europa“ an Botschafter József Czukor am 28. Juni 2012

Sehr geehrter Herr Czukor! Ihre Exzellenzen, Herr Präsident Dr. Conrad, Herr Vizepräsident Spary, Frau Smith! Sehr geehrte Mitglieder der Stiftung Mérite Européen – Verdienste um Europa! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir haben uns heute in der Botschaft Ungarns versammelt, um Botschafter Dr. József [phon. Júzhef] Czukor mit der Medaille „Verdienste um Europa“ der Stiftung Mérite Européen zu ehren. Es ist mir eine große Freude, heute für den Preisträger die Festansprache halten zu dürfen.

Deutschland und Ungarn sind enge Partner in Europa, die ein starkes Band der Freundschaft miteinander verbindet.

Basis dieser Partnerschaft sind – und das kann man nicht oft genug sagen – die Verdienste Ungarns um die Deutsche Einheit und die Überwindung der Teilung Europas, als im Sommer 1989 der „Eiserne Vorhang“ durchschnitten wurde.

In diesem Jahr haben wir den 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Deutsch- Ungarischen Vertrags über Freundschaft und partnerschaftliche Zusammenarbeit in Europa gefeiert. Mit diesem Vertrag ging die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1991 unter anderem die Verpflichtung ein, die Annäherung der Republik Ungarn an die Europäische Union mit aller Kraft zu unterstützen. Auch Deutschland hat seinen Beitrag geleistet, damit Ungarn am 1. Mai 2004 zusammen mit anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks der Europäischen Union beitreten konnte.

Ungarn hat seine Feuertaufe während der allerersten EU-Ratspräsidentschaft des Landes im 1. Halbjahr 2011 bestanden. Wichtige Dossiers konnten entscheidend vorangebracht werden: Das Six-pack gibt uns den Rahmen, um die sparsame Haushaltsführung im Euroraum zu unterstützen.

Der kroatische EU-Beitritt konnte unter ungarischer Präsidentschaft nachhaltig vorangetrieben werden, so dass wir schon im nächsten Jahr Kroatiens als 28. EU- Mitgliedsstaat begrüßen können. Andere bedeutende Dossiers wurden abgeschlossen: die EU-Donauraumstrategie – für die sich Botschafter Czukor in seiner Zeit als Unterstaatssekretär in Budapest besonders eingesetzt hat – fasst einen heterogenen Bereich mit EU-Mitgliedern und Nicht-EU-Mitgliedern zusammen und erhöht das EU-Engagement in der Region.

Mit der EU-Rahmenstrategie für die Roma wird die Basis gelegt, um die schwierige Lage der größten europäischen Minderheit innerhalb der Europäischen Union nachhaltig zu verbessern.

Botschafter Czukor hat als Vertreter seines Landes in Deutschland seinen Anteil dazu beigetragen, dass die ungarische EU-Ratspräsidentschaft ein Erfolg wurde.

Deutschland und Ungarn erleben bewegte Zeiten innerhalb der Europäischen Union.

- 192 - Die Schuldenkrise mehrerer EU-Länder bedroht die bereits erreichten Integrationsschritte und gibt den Zentrifugalkräften innerhalb der EU Auftrieb. Das europäische Projekt erlebt die schwerste Bewährungsprobe seiner Geschichte. In dieser Situation braucht die europäische Einigung mutige Fürstreiter, um die Krise als Chance für historische Schritte zu mehr Integration zu nutzen. Der Rückgriff auf die Nationalstaaten kann kein zukunftsträchtiger Weg sein, um die Krise zum Wohle der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu überwinden. Es darf kein „weniger Europa“ geben! Mehr Europa ist die Antwort auf die Krise!

Es ist die feste Überzeugung der deutschen Außenpolitik, dass es gelingt, die gegenwärtige Krise zu überwinden, wenn wir die Kompetenzen der Gemeinschaft stärken. Wir müssen über neue Aufgaben der EU-Kommission nachdenken, auch in Bereichen wie der Haushaltspolitik. Das wird nicht ohne die weitere Übertragung nationaler Souveränitätsrechte an EU-Institutionen gehen.

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle hat mit der sog. Zukunftsgruppe einen offenen Dialog über die Zukunft Europas angestoßen. Das Gremium hat bereits erste Vorschläge gemacht.

Auch der ungarische Außenminister Dr. János Martonyi hat sich in einem Brief an Bundesminister Westerwelle an der Diskussion über die künftige Entwicklung der EU beteiligt. Auf diesem Weg wollen wir weitergehen. Und wir laden alle europäischen Partner ein, diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Ungarn hat sich in der Vergangenheit durchaus auch an Entscheidungen der EU- Kommission gerieben. Die Diskussion wurde offen geführt.

Deutschland ermutigt Ungarn, die EU-Kommission als das zu sehen, was sie ist – als Partner und ehrlichen Makler der Interessen der EU-Mitgliedsstaaten, aber vor allem als „Hüterin der Verträge“, auf deren Einhaltung die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, an dieser Stelle die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft im historischen Prozess der europäischen Einigung zu unterstreichen. Europa und europäische Geist entstehen im kleinen, im unmittelbaren Kontakt zwischen den Menschen.

Sie erkennen ihre Nähe zueinander und lernen, dass sich viele Herausforderungen leichter bewältigen lassen, wenn man grenzüberschreitende, europaweite Lösungen findet. Die Begegnungen etwa von Schülern, Künstlern und einfachen Bürgern miteinander schaffen Vertrauen. Auf dieser Basis entwickelt sich eine stärkere und tiefere Zusammenarbeit der Völker in Europa.

Unser besonderes Augenmerk gilt hier der jungen Generation. Es ist ein Glücksfall der europäischen Geschichte, dass das Friedensprojekt Europäische Union eine nunmehr über 60jährige Friedensperiode in weiten Teilen Europas ermöglicht hat. Doch schweißt das Erlebnis der Schrecken eines Weltkrieges die junge Generation, die so etwas nicht durchstehen musste, heute nicht mehr wie selbstverständlich zusammen. Hier muss Europa neue Wege finden, um jede Generation aufs Neue für die europäische Idee zu begeistern, und hier liegt die große Bedeutung der Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften untereinander.

- 193 - Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Schon früh hat er seine berufliche Karriere eng an Deutschland geknüpft, sei es in seiner Zeit als junger Deutschlandreferent in Budapest oder während seiner Jahre an der ungarischen Botschaft in Bonn und – nach dem Umzug in dieses wunderschöne Haus – hier in Berlin.

Die ungarische Botschaft am Pariser Platz mit dem unvergleichlichen Blick auf das Brandenburger Tor – Symbol für die Teilung und die Einheit Deutschlands gleichermaßen – bietet auf sinnfällige Weise den Rahmen für Begegnung und Austausch. Dieser Austausch findet hier im besten europäischen Geiste statt:

Botschafter Czukor hat mit seinen Fähigkeiten in der Kommunikation und der Bildung von Netzwerken in den letzten zwei Jahren Menschen zusammengebracht. Zahlreiche Podiumsdiskussionen, Vorträge und auch kulturelle Veranstaltungen bildeten Rahmen und Gelegenheit für Begegnung und Meinungsaustausch sowohl politischer Multiplikatoren und Entscheidungsträger als auch von Vertretern der Zivilgesellschaft. Im Blick standen dabei die deutsch-ungarischen Beziehungen ebenso wie die Frage, wie wir uns das Miteinander in Europa vorstellen, wie wir unsere europäische Zukunft gestalten wollen.

Dies ist besonders in einer Zeit bedeutsam, in der die Entwicklungen in Ungarn in ganz Europa mit großem Interesse verfolgt werden und wir uns in besonderem Maße darum bemühen, das Geschehen in Ungarn zuweilen kritisch – aber immer fair – zu bewerten. Es ist Botschafter Czukor hoch anzurechnen, dass die ungarische Botschaft immer ein Ort des Austausches war, wo auch kritische Stimmen zu Wort kamen.

Der Literaturnobelpreisträger Eugene O’Neill hat den Diplomaten so charakterisiert: „Ein Diplomat ist ein Mann (ich füge hinzu: oder eine Frau), der die Paukenschläge der Staatsmänner in zarte Harfenklänge verwandeln soll.“

Diese Harfenklänge, meine sehr verehrten Damen und Herren, dienen keinesfalls einer Verschleierung der Herausforderungen, denen wir entgegensehen. Sie ermöglichen uns im Gegenteil immer wieder aufs Neue, den Dialog lebendig zu halten und gemeinsam nach Lösungen zu streben.

Des überzeugten Austauschs und der engagierten, konstruktiven Diskussion bedarf Europa heute wie selten zuvor. Wir danken Botschafter Czukor für seinen Beitrag in diesem Sinne.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

- 194 - Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum G20-Gipfel in Los Cabos (Mexiko) vor dem Deutschen Bundestag am 14. Juni 2012

(Protokoll des Deutschen Bundestages) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Nächste Woche wird in Los Cabos in Mexiko der diesjährige G-20-Gipfel stattfinden. Seit Beginn der Finanzkrise 2008/2009 hat sich die G 20 auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs als zentrales Forum für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit etabliert. Geboren ist dieses Forum aus der Erfahrung der wechselseitigen Abhängigkeit, in der wir auf der Welt zusammenleben, insbesondere nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Seither ist die Agenda der G 20 von der allein akuten Krisenbewältigung hin zu einer wirklich breiten globalen Zusammenarbeit erweitert worden. Internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit ist deshalb heute umfassend zu verstehen. Alle Themen, die auf der Tagesordnung stehen, ordnen sich dieser gemeinsamen internationalen Zusammenarbeit unter.

Erstens wird es um das sogenannte Green Growth gehen. Es steht auf der G-20- Agenda der diesjährigen mexikanischen Präsidentschaft ganz oben. Ich begrüße, dass Mexiko hier einen Schwerpunkt setzt, auch mit Blick auf den danach stattfindenden Gipfel Rio+20 in Brasilien. Grünes Wachstum ist ein Thema für alle G- 20-Staaten, egal ob sie Schwellen- oder Industrieländer sind; denn nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit gilt das Prinzip der gemeinsamen, wenn auch im Einzelfall unterschiedlichen Verantwortung. Es müssen Wege gefunden werden, mit denen Wirtschaftswachstum, Klima und Umweltschutz weltweit in Einklang gebracht werden können. Das kann nur geschehen, wenn wir die Wachstumsdynamik so gestalten, dass sie von Innovationen und grünen Technologien, Verfahren und Produkten getragen wird. Es geht also darum, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Das Ganze wird dann Inclusive Green Growth genannt. Das Ergebnis, wenn dieser Grundsatz beherzigt wird, ist das, was unter dem Stichwort Nachhaltigkeit diskutiert wird. Es geht hier allerdings um sehr konkrete Dinge. Wir dürfen nicht vergessen, dass von den 7 Milliarden Menschen, die auf der Welt leben, 1 Milliarde akut von Hunger bedroht ist. Das heißt, es geht darum, Hunger zu bekämpfen, die Biodiversität zu erhalten, dem Klimawandel zu begegnen. Wir wissen, dass Fortschritte, wenn es um verbindliche internationale Abkommen geht, in diesem Bereich eher im Schneckentempo erzielt werden. Es ist ein gutes Signal, dass es in Durban gelungen ist, wenigstens die Absicht zu verfestigen, dass wir ein weltweit bindendes Klimaabkommen brauchen. Aber der Weg ist mühsam. Doch genau das liegt im Interesse des gesamten Deutschen Bundestages bzw. der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb wird sich die deutsche Delegation, geführt von Umweltministerium und Entwicklungsministerium, bei Rio+20 genau dafür einsetzen.

In Los Cabos werden wir darüber beraten, welchen Beitrag die grüne Ökonomie für eine nachhaltige Entwicklung leisten kann, auch und gerade im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung und der Sicherung der Ernährung. Es geht um nachhaltige Produktion und Produktivität im Agrarsektor. Es geht darum, die Situation der Kleinbauern zu verbessern. Wir werden insbesondere über spezielle

- 195 - Finanzierungsmechanismen für Kleinbauern beraten. Es ist deshalb sehr wichtig, dass es vor kurzem gelungen ist, eine Einigung über die freiwilligen Leitlinien zu den Landnutzungsrechten zu erzielen. Das mag uns aus unserer Perspektive hier heute Morgen sehr fern vorkommen. Für Millionen von Menschen kann es aber eine Zukunft bedeuten. Wir haben über die entsprechende Agenda schon beim G-8-Gipfel in Camp David diskutiert und dort eine neue Allianz zur Ernährungssicherung geschaffen. Dies soll im Rahmen der G 20 fortgesetzt werden. Ziel ist es, in den nächsten zehn Jahren 50 Millionen Afrikanern aus der Armut zu helfen – ich glaube, ein zutiefst menschliches Anliegen.

Internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit leistet die G 20 auch bei einem zweiten Thema, nämlich der Beschäftigung. Gerade dieses Ziel wird im Rahmen der G 20 von der Gruppe der Gewerkschaftsvertreter und der Internationalen Arbeitsorganisation sehr intensiv verfolgt. Es geht hier vor allen Dingen um den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Das ist nicht nur ein Problem in Europa, sondern ein weltweites Problem. Es wird deshalb auch in Los Cabos diskutiert. Es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen zur Förderung der Jugendbeschäftigung. Da geht es um den reibungslosen Übergang von der Schule in den Beruf, praxisorientierte Ausbildung, die Förderung von beruflicher Ausbildung. Ich glaube, Deutschland kann und wird hier seinen Erfahrungsschatz aus dem dualen Berufsausbildungssystem sehr gut einbringen.

Die Erfahrung zeigt, dass, wenn wir das schaffen wollen, wir es nur gemeinsam mit Arbeitgebern und Gewerkschaften schaffen werden. Wir in Deutschland haben gerade in der Krise 2008/2009 gute Erfahrungen mit der sozialen Marktwirtschaft gemacht. Dieses Beispiel kann, glaube ich, weltweit Schule machen. Drittens gehört zu dem Thema der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit der freie Handel. Hier ist ein deutliches Wort notwendig, und ich werde dort auch entsprechend auftreten. Das Bekenntnis zum freien Handel ist zu oft nur ein Lippenbekenntnis. Die Monitoringberichte der internationalen Organisationen zeigen, dass die G 20 ihre Selbstverpflichtung in Sachen Protektionismus bislang nicht immer ernst genug genommen hat. WTO, OECD und UNCTAD haben zuletzt Ende Mai mit Sorge darauf hingewiesen, dass mittlerweile fast 4 Prozent des Handels der G-20-Staaten von solchen handelsbeschränkenden Maßnahmen betroffen sind. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, wirksame Instrumente zu schaffen, um dieser Entwicklung entschieden zu begegnen. Protektionismus verhindert Wachstum. Wir brauchen nicht tagelang über Wachstum zu sprechen, wenn wir anschließend nicht bereit sind, im Sinne von freiem Handel alles zu tun, um Wachstum zu fördern.

Das Thema wird in Los Cabos sehr konkret werden; denn wir haben bei der G 20 ein sogenanntes Stillhalteabkommen zur Begrenzung des Protektionismus, das Ende 2013 ausläuft. Wir müssen es in Los Cabos verlängern, und zwar möglichst weit in die Zukunft hinein, weil internationaler Handel Impulse für Innovation, Wachstum und Beschäftigung schafft. Wir wissen, dass die Doha-Runde stockt. Deshalb müssen wir vor allen Dingen regionale und bilaterale Ansätze voranbringen. Die Europäische Union führt hierzu strategische Gespräche mit wichtigen Partnern in Asien und Lateinamerika. Deutschland ist bei diesen Verhandlungen immer ein konstruktiver Partner. Internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit verlangt viertens und nicht zuletzt die Stärkung der Institutionen. Wir haben seit 2009 eine erstaunliche, auch sehr schnelle Entwicklung gehabt, bei der internationale Organisationen gestärkt wurden. Das gilt insbesondere für den Internationalen Währungsfonds. Der Internationale Währungsfonds muss zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, seine - 196 - überaus wichtige Aufgabe zugunsten aller Mitgliedsländer wahrzunehmen. Deshalb war es wichtig, dass es auf der Frühjahrstagung des IWF gelungen ist, die Ressourcen aufzustocken. Wir erinnern uns: Zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe von 430 Milliarden USDollar, davon allein rund 150 Milliarden Dollar aus der Euro- Zone, sprechen hier eine eigene Sprache. Jetzt geht es aber auch um die Umsetzung der 2010 beschlossenen IWF-Quotenreform. Hier geht es um die neue Machtbalance, die letztlich widerspiegelt, wie sich die ökonomischen Verhältnisse weltweit verändert haben. Das heißt, die Schwellenländer werden einen größeren Einfluss im IWF bekommen. Deutschland hat diese Quotenreform national fristgerecht umgesetzt, aber das haben noch nicht alle gemacht. Ich meine, es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit auch für die internationale Zusammenarbeit, dass alle Mitgliedstaaten dieser Quotenreform gerecht werden, damit der IWF auch arbeiten kann.

Der IWF hat nicht nur die Rolle, finanzielle Mittel in Notfällen bereitzustellen, sondern er entwickelt sich auch immer mehr zu einem Überwachungs- und Beratungsgremium. Er hat ja bei der Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise eine ganz wichtige Aufgabe im Rahmen der Troika. Ich will an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, meine Damen und Herren, dass es die Troika war – der IWF an vorderster Stelle mit dabei –, die die Programme für Griechenland, für Portugal und für Irland ebenso wie Programme für andere europäische Länder, die wie zum Beispiel Lettland nicht im Euro-Raum sind, entwickelt hat, und dass deshalb diese Programme auf internationalem Fundament ruhen und aus diesem Grunde auch umgesetzt werden müssen. Die Themen grünes Wachstum, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, freier Handel, Stärkung der Institutionen sind von größter Bedeutung. Aber machen wir uns nichts vor: So wichtig all diese Themen sind, so sehr werden sie in Los Cabos alle im Schatten eines Themas stehen, das seit gut zwei Jahren auch uns, Deutschland, Europa und die Welt nahezu unablässig beschäftigt, nämlich die Staatsschuldenkrise in Europa. Sie wird zentrales Thema in Los Cabos sein. Sie wird die Beratungen – so sehe ich voraus – auch dominieren.

Damit – daran gibt es nicht den geringsten Zweifel – wird gerade auch unser Land, wird Deutschland einmal mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Es ist so: Alle Augen richten sich auf Deutschland, weil wir die größte Volkswirtschaft im europäischen Raum und weil wir eine große Exportnation sind. Deshalb möchte ich noch einmal daran erinnern: Es ist zwar viel passiert seit dem letzten Gipfel in Cannes – Aufstockung des Rettungsschirms, strukturelle Reformen in vielen Ländern, Verhandlungen um den Fiskalvertrag; wir sind auf dem Weg, uns in Europa intensiver als jemals zuvor abzustimmen und die Union weiter zu vertiefen –, aber das wird nichts daran ändern, dass die aktuelle Situation dort auf der Tagesordnung steht. Wir beachten immer, dass die Stärkung des Wachstums und die Haushaltskonsolidierung Hand in Hand gehen müssen. Im Übrigen sind alle Programme, die von der Troika verabschiedet wurden, genau diesem Ziel geschuldet. Diese beiden Säulen gehören in der Krise in Europa zusammen. Beide Säulen sind unverzichtbar. Beiden Säulen liegt die Überzeugung zugrunde, dass wir die Krise nur nachhaltig überwinden können, wenn wir an ihren Wurzeln ansetzen: an der massiven Verschuldung und vor allem an der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten wie auch an der mangelnden Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit Europas, die entsteht, wenn es seine eigenen Regeln nicht einhält.

- 197 - Ich bin zutiefst davon überzeugt: Nur eine schonungslose Analyse unserer eigenen Erfahrungen in Europa weist uns den Weg aus der Krise. Immer wieder haben wir in Europa unsere Ziele nicht eingehalten. Im Jahre 2000 wurde von den Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass man 2010 der dynamischste Kontinent der Welt sein wolle. Wir haben dies erkennbar nicht erreicht. Ich sage auch: Angefangen hat diese Entwicklung bei der Gründung der Wirtschafts- und Währungsunion vor 20 Jahren. Eigentlich sollte sie auf dem Fundament einer politischen Union aufgebaut werden.

Es gab damals zwei große Konvente bzw. Gruppen, die zwei Aufgaben hatten: Die eine hatte die Aufgabe, die Währungsunion zu schaffen, die andere die Aufgabe, die politische Union zu schaffen. Anschließend hat man die Währungsunion beschlossen, die politische Union aber nie realisiert. Deshalb ist es unsere Aufgabe, heute das nachzuholen, was damals versäumt wurde, und den Teufelskreis von immer neuen Schulden, von nicht eingehaltenen Regeln zu durchbrechen. Ich weiß, dass das mühsam ist, dass das schmerzhaft ist, dass das langwierig ist. Es ist eine Herkulesaufgabe, aber sie ist unvermeidlich. Alles andere wäre Augenwischerei und würde uns in noch schwierigere Probleme führen – vielleicht nicht morgen, aber mit aller Sicherheit in ziemlich kurzer Zeit, meine Damen und Herren.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal die Frage stellen, die uns beschäftigen muss, mit der man sich ja auch weltweit beschäftigt: Wie konnte eigentlich die internationale Finanzkrise 2008/2009 entstehen?

Sie konnte entstehen und fatale Wirkungen entfachen, weil immer wieder Fakten ignoriert wurden, Wechsel auf die Zukunft gezogen wurden, Kräfte überschätzt wurden und riskante Instrumente finanzieller Art angewandt wurden. So ist die Immobilienkrise entstanden, so wurde zu viel Liquidität bereitgestellt, so konnten neue Finanzprodukte entwickelt werden – ein Teufelskreis, den wir für die Zukunft durchbrechen müssen. Wir müssen verstehen: Erfolgreich werden wir nur sein, wenn alle – ich betone: wirklich alle –, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die europäischen und internationalen Institutionen genauso wie die Gesellschaften unserer Länder, bereit und in der Lage sind, die Fakten anzuerkennen und die Kräfte jeweils realistisch einzuschätzen und sie zum Wohle des Ganzen auch wirklich einzusetzen. All denen, die in diesen Tagen in Los Cabos wieder auf Deutschland schauen, die von Deutschland den Paukenschlag und die Lösung erwarten, die Deutschland von Euro-Bonds, Stabilitätsfonds, europäischen Einlagensicherungsfonds, noch mehr Milliarden und vielem mehr überzeugen wollen, sage ich deshalb: Ja, Deutschland ist stark, Deutschland ist Wirtschaftsmotor, und Deutschland ist Stabilitätsanker in Europa. Und ich sage: Deutschland setzt diese Stärke und diese Kraft auch ein, und zwar zum Wohle der Menschen – nicht nur in Deutschland, sondern auch im Dienste der europäischen Einigung und auch im Dienste der Weltwirtschaft.

Warum tun wir das? Weil wir überzeugt sind: Europa ist unser Schicksal und unsere Zukunft. Und weil wir überzeugt sind: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Aber wir wissen ebenfalls: Auch Deutschlands Stärke ist nicht unendlich; auch Deutschlands Kräfte sind nicht unbegrenzt. Deshalb besteht unsere besondere Verantwortung als größte Volkswirtschaft in Europa darin, unsere Kräfte glaubwürdig einzuschätzen, damit wir sie für Deutschland und Europa mit voller Wirkung einsetzen können. Das gelingt nur, wenn wir unsere Kräfte nicht überschätzen, sondern wenn wir glaubwürdig Schritt für Schritt unseren Weg zu einer politischen - 198 - Union gehen. Alle Mittel, alle Maßnahmen, alle Pakete wären am Ende Schall und Rauch, wenn sich herausstellen sollte, dass sie über Deutschlands Kräfte gehen, dass sie Deutschland überfordern. In dem Moment würden alle Maßnahmen, die jetzt gefordert werden, ihre Wirkung sofort verlieren, und wir würden von den Märkten wieder abgestraft. Deshalb sage ich: Wir sind verpflichtet, zum Wohle unseres Landes, aber auch zum Wohle Europas zu arbeiten. Das heißt, wir dürfen uns nicht nach dem Mittelmaß richten, nach der schnellen Lösung suchen, sondern wir müssen das Beste für unser Handeln versuchen.

Diese scheinbar einfachen Vergemeinschaftungsüberlegungen, ganz abgesehen davon, dass sie verfassungsrechtlich gar nicht machbar sind, sind somit völlig kontraproduktiv. Sie würden das Mittelmaß für Europa zum Maßstab erklären. Wir würden damit unseren Anspruch aufgeben, unseren Wohlstand im weltweiten Wettbewerb zu halten. Wir würden die Fehler der Anfangszeit des Euro, als die Märkte uns mit fast einheitlichem Zins beurteilt haben, jetzt politisch wiederholen. Damit würden wir eben nicht an der Wurzel unseres Problems ansetzen, sondern die Probleme allenfalls kurzfristig verschleiern. Manchen Marktteilnehmern mag das recht sein – das kann ich verstehen –; aber wir machen Politik doch nicht im Auftrag der Märkte, sondern wir machen sie für die Zukunft der Menschen in unserem Lande.

Wir haben unverändert das Ziel, dass Europa stärker aus dieser Krise hervorgeht, als es in sie hineingegangen ist. Deshalb müssen wir umfassend unsere Strukturen reformieren. Es gibt ganz einfache Ausarbeitungen, zum Beispiel der Weltbank, wo beschrieben steht, wie Europa seinen Glanz wiederherstellen kann: „Restoring the lustre of the European economic model“. Allein schon in diesem Titel drückt sich aus, dass bei uns etwas nicht richtig gelaufen ist. Wir müssen mehr Innovationen haben. Wir brauchen mehr neue Technologien. Wir müssen den Binnenmarkt vervollständigen. Wir müssen einen Arbeitsmarkt in Europa schaffen, auf dem mehr Mobilität herrscht. Wir müssen unsere Mittel, die Strukturfondsmittel, die Kohäsionsfondsmittel, besser einsetzen. Wir müssen Bürokratie abbauen. Über alles das sprechen wir jetzt auch im Zusammenhang der Vorbereitung des Rates mit den Vertretern der Oppositionsfraktionen. Ich glaube, das sind gute Gespräche. Dass wir all das nicht ausreichend getan haben, dass wir die Regeln immer wieder nicht eingehalten haben, hat Europa Vertrauen gekostet – Vertrauen auf den Märkten und bei den Investoren. Dieses Vertrauen muss schnellstmöglich wiederhergestellt werden.

Meine Damen und Herren, nehmen wir Spanien. Spanien macht – nach langer Zeit – die richtigen Reformen. Der spanische Ministerpräsident tut dies mit großem Mut und großem Engagement. Aber Spanien sitzt auf den Folgen einer Immobilienblase, die durch unverantwortliches Handeln in den letzten zehn Jahren entstanden ist. Deshalb war es auch richtig, dass Spanien sich anschickt, einen Antrag zu stellen, um die Solidarität Europas in Anspruch zu nehmen, damit die Folgen dieser Vergangenheit bewältigt werden können. Denn wir wissen: Banken müssen vernünftig kapitalisiert sein, um den Wirtschaftskreislauf am Laufen zu halten. Das ist die Lehre von 2008/2009. Natürlich wird dies auch eine Konditionalität für die Zukunft des spanischen Bankensektors beinhalten. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass wir in Deutschland ebenfalls relativ leidvolle Erfahrungen mit der Umstrukturierung einiger Banken sammeln mussten. Je schneller der Antrag von Spanien gestellt werden kann, umso besser ist es. Am Fall Spanien können wir aber auch noch ein Weiteres sehen. Vor einem halben Jahr hat die neu geschaffene europäische Bankenaufsicht einen Stresstest für alle Banken in Europa durchgeführt. - 199 - Bei diesem Stresstest damals haben die nationalen Bankenaufseher sehr viel mitgesprochen. Meine Damen und Herren, das Ergebnis können wir heute besichtigen: Die spanischen Banken befinden sich in einer anderen Lage, als es der Stresstest erscheinen ließ. Deshalb geht es – das kann man an diesem Beispiel exemplarisch sehen – in Europa um unabhängige Aufsicht, zum Beispiel im Bankensektor. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Europäische Zentralbank hier künftig eine stärkere Rolle einnimmt, damit sie auch Aufsichtsbefugnisse bekommt, die uns davor schützen, dass nationale Einflüsse uns Probleme verschleppen lassen.

Wir brauchen eine glaubwürdige Bankenaufsicht. Wir brauchen auf der Ebene der EU eine klarere Beurteilung, wie wir Strukturfondsmittel besser in Maßnahmen und Investitionen lenken, um Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu stärken. Die Tatsache – das ist bereits ein Schritt dessen, was wir im sogenannten Six-Pack miteinander beschlossen haben –, dass die Europäische Kommission heute Länderberichte für jedes Land vorlegt und darin die Wettbewerbsschwächen schonungslos analysiert, ermöglicht es uns natürlich auch, die Strukturfondsmittel in Zukunft sehr viel zielgerichteter einzusetzen. Es ist vollkommen richtig: Auch Deutschland werden Hausaufgaben aufgegeben. Herr Trittin, wenn wir dann über die bessere Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie sprechen, werden wir sicher ganz schnell zusammenkommen; denn gerade im Dienstleistungsbereich wird Deutschland immer mangelnde Wettbewerbsfähigkeit vorgeworfen. Ich weiß, dass das uns allen schwerfällt. Ich sage aber auch: Wenn wir ein glaubwürdiger Partner in Europa sein wollen, müssen auch wir unsere Hausaufgaben machen und können nicht immer sagen, dass uns das gerade nicht passt.

Meine Damen und Herren, der Fiskalpakt ist auch deshalb von so großer Bedeutung, weil er ein erster Schritt ist, mehr Gemeinsamkeit mit mehr Kontrolle auf europäischer Ebene zu verbinden. Es wird ganz wichtig sein, zu berücksichtigen, dass nationale Kompetenzen nur dann abgegeben werden können, wenn klar ist, dass Vergemeinschaftung auch immer mit unabhängiger Kontrolle der europäischen Institutionen verbunden ist. Haftungen und Kontrollen gehören zusammen. Alle anderen Diskussionen führen nur zu einer Scheinlösung unserer Probleme. Europa hat sich aufgemacht, die Wirtschafts- und Währungsunion zu vollenden. Wir sind hier mit Sicherheit in einem Wettlauf mit den Märkten. Das spüren wir jeden Tag. Ich kann uns aber nur dringend raten – und ich werde in Los Cabos dafür eintreten –, dass wir diesen Weg Schritt für Schritt weitergehen, damit das Fundament, auf dem wir unsere Zukunft aufbauen, ein ehrliches und ein vernünftiges Fundament ist. Es ist unsere gemeinsame politische Verantwortung vor den Bürgerinnen und Bürgern Europas und vor der Geschichte unseres Kontinents, diesen Weg erfolgreich zu gehen. Das Ergebnis wird darüber befinden, wie die zukünftigen Generationen leben können, ob weiter in Wohlstand oder ob Europa als Ganzes zurückfällt. Deshalb ist dies eine wahrhaft historische Aufgabe, meine Damen und Herren.

Diese Aufgabe können wir nicht mit weniger Europa lösen – darum geht es in diesem Parlament bei den allermeisten glücklicherweise auch nicht –, sondern nur mit mehr Europa, aber mit Europa auf einem guten Fundament. Wenn die G 20 als G 20 überzeugend agieren wollen, dann muss in Los Cabos auch klar werden, dass nicht die Euro-Zone allein die Voraussetzung für ein starkes und nachhaltiges Wachstum weltweit schaffen kann. Die G 20 insgesamt haben eine Verantwortung. Dann muss klar werden, dass alle Partner in der G 20 alle Anstrengungen unternehmen müssen, um zu einem stabileren, stärkeren und nachhaltigeren Wachstum zu kommen. Alle müssen wir der Versuchung widerstehen, Wachstum erneut mit mehr Schulden zu - 200 - finanzieren. Wenn wir in Los Cabos einen Aktionsplan verabschieden, der aufbauend auf den Ergebnissen der G-20-Gipfel in Seoul und Cannes kurz- und mittelfristige Maßnahmen einzelner Länder zur Stärkung und Stabilisierung auflisten wird, muss genau das unser Credo sein. Es ist unverzichtbar, dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wesentliches Element dieses Los-Cabos-Action-Plans sein wird. Ich werde das sehr deutlich machen. Deutschland hat sich eindeutig zum Schuldenabbau und zu einer nachhaltigen Wirtschaft bekannt. Deutschland geht mit Blick auf die Einhaltung der sogenannten Toronto-Ziele – auch ein G-20-Beschluss, nämlich die Halbierung des Defizits bis 2013 zu erreichen – mit gutem Beispiel voran. Wenn der Los-Cabos-Aktionsplan dazu beitragen soll, dass wir als G 20 das Vertrauen in eine stabile weltwirtschaftliche Entwicklung tatsächlich stärken, dann müssen alle Staaten daran mitwirken. Alle müssen bereit sein, ihre spezifischen Schwachpunkte zu überwinden: die Europäische Union – ich habe darüber gesprochen – durch die Überwindung der Konstruktionsmängel der Wirtschafts- und Währungsunion; die USA, indem sie ihr Haushaltsdefizit reduzieren; China und die anderen Schwellenländer müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, indem sie eine höhere Wechselkursflexibilität zulassen. Die Ursachen der schwächelnden Weltwirtschaft liegen wahrlich nicht nur in der Euro-Zone. Ausgangspunkt der Krise waren die weltweiten Turbulenzen an den Finanzmärkten vor gut vier Jahren, die deutliche Regulierungslücken offenbarten. Das Vertrauen der Menschen in das weltweite Finanzsystem ist dadurch erheblich erschüttert worden. Seitdem haben wir in der G 20 eine Reihe von wichtigen Maßnahmen beschlossen und auch umgesetzt: stärkere Kapitalausstattung für Banken, Regulierung der Derivatemärkte, Regeln für Ratingagenturen, eine Beaufsichtigung aller Fondsmanager und die Neuordnung und Stärkung der Finanzmarktaufsicht. Dass es nicht gelungen ist, global den Schwung zu nutzen und zu sagen: „Wir müssen auch die Akteure der Finanzmärkte einheitlich und global besteuern“ als Lehre aus der Finanzmarktkrise, gehört zu dem, was ich als negativ sehe. Deshalb werde ich auch weiter darauf drängen, dass die Agenda zur Regulierung der Finanzmärkte nicht aus den Augen verloren wird. Wir haben noch wichtige Aufgaben, zum Beispiel bei der Beaufsichtigung und Regulierung der Schattenbanken, zu erledigen. Wir müssen sicherstellen, dass überall auch die Hedgefonds erfasst werden. In Europa haben wir sie einer Aufsicht unterworfen, aber nicht weltweit. Auch die konsequente Umsetzung der Konkretisierung der G-20- Beschlüsse zur Regulierung der systemisch wichtigen Finanzinstitute, der sogenannten SIFIs, ist unerlässlich. Meine Damen und Herren, es ist gut und es ist wichtig, dass wir uns in der G 20 zu allen Fragen austauschen, die unsere Welt bewegen. Wir haben in diesem Gremium entschieden, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Nur mit einem solchen kooperativen Ansatz wird es gelingen, Lösungen für die vielen Herausforderungen unserer Zeit zu finden: von der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Schuldenabbau über die Strategien zum Schutz der Umwelt und des Klimas bis hin zur Bekämpfung des Hungers und der Armut. Wir sind eine Welt. Los Cabos wird das in diesen Tagen einmal mehr unter Beweis stellen. Ich füge hinzu: Los Cabos wird es unter Beweis stellen müssen, wenn wir den Menschen weltweit dienen wollen. Deutschland nimmt seinen Teil dieser gemeinsamen Verantwortung wahr.

Herzlichen Dank.

Quelle: Homepage der Bundesregierung

- 201 - Eingangsstatement von Staatsministerin Cornelia Pieper beim Transatlantischen Forum in Berlin am 29. Juni 2012 (Englisch)

-- Translation of advance text! -- Dear Friends, guten Abend und herzlich willkommen in Berlin.

Dear Margarita, thank you very much for your kind words of welcome. It is a great pleasure and honor for me to be with you here tonight. Ambassador Tanaka, thank you so much for being with us to talk about this very timely subject: The trilateral relationship between America, Europe and Japan.

The recent strategic “pivot to Asia” of the United States has drawn a lot of attention. The USA is putting an increased emphasis on being a “Pacific Nation” and on developing stronger ties with Asia. President Obama hosted the APEC summit in Honolulu and participated in the East Asia Summit. Secretary Clinton wrote a remarkable article in Foreign Affairs about the strategy of the USA in Asia. The Transpacific Partnership is in the making. All in all, the U.S. is very serious about building a web of partnerships and institutions across the Pacific which is comparable to the one we have across the Atlantic. Japan as America’s indispensable and strongest Asian ally is of course at the center of this partnership.

At the same time, we clearly see that the U.S. is also firmly committed to remaining a European power. NATO will continue to be the most important security alliance in the world. The scope of the US military redeployment in Europe will be limited. Major changes however are happening in the Middle East and Central Asia with the withdrawal of US forces from Iraq and the planned transition in Afghanistan in 2014.

Japan, the United States and Europe share important security interestsbeyond the Euro-Atlantic area. Stability and conflict-prevention in the Asia-Pacific region, open trade routes in the Indian Ocean and a stable Afghanistan are in our common interest. We are particularly thankful to Japanese leadership for hosting the important Tokyo Conference on Afghanistan on July 8, 2012.

The American pivot to Asia is of course also a function of the rapid economic growth in Asia, in particular in China and in India. The strategic emphasis on Asia is a very rational decision to gradually shift an increasing part of attention and strategic resources to the most dynamic region of our globe. Europe is doing very much the same for its own good reasons, albeit with less public attention.

When you look at overall economic figures and total numbers, Europe accounted still for more than half of total foreign output of U.S. affiliates in 2008, nearly US $ 1.2 trillion. U.S. investment in Europe was nearly four times more than that in all of Asia at the end of 2009. Obviously, transatlantic economic ties are still very powerful. At the same time, an increased U.S. economic engagement in Asia also is in European and especially in Germany’s interest.

The German economy has already pivoted towards Asia some time ago. German trade with Asia is on a steady rise, not only with China, but also with Korea, India and the ASEAN countries. Our relations with Japan are not as dynamic any more as they

- 202 - used to be. Both sides clearly need to increase their efforts to make good use of the common potential.

In this context, Germany has been very active as an interlocutor for both sides to promote negotiations for a new trade agreement between the EU and Japan. The decision to launch formal free trade negotiations with Japan is due to be taken by the Council of the European Union during the fall after the Commission will have issued its recommendation. The decision to remove non-tariff-related barriers to trade on the one side and to reduce tariffs on the other side needs courage, but, and I am convinced of that, will be to the benefit of both sides at the end of the day.

As a trading nation, Germany relies on fair rules and standards for all, on unhindered access to raw materials, and on free shipping lanes. Strategic stability in Asia is as much in America’s interest as it is in our own, and we do welcome America’s efforts in this regard.

Ladies and Gentlemen, we are living in a truly globalized world. As individual nations, Germany and Japan have not enough weight to shape global outcomes by themselves. But as trading nations with global involvement and interdependence, we have a crucial interest in stability and a world order based on international law and democratic values we jointly share with the United States. We are convinced that our trilateral partnership with the United States and Japan will continue to be vital to all of us.

Ambassador Tanaka, we are very much looking forward to listening to your thoughts and ideas on this subject.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

DEUTSCHLAND / BUNDESWEHR

Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière im Interview mit dem Spiegel am 5. März 20125

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière spricht im Interview mit dem „Spiegel“ über die jüngsten Ereignisse in Afghanistan. Er berichtet über den Rückzug aus Taloqan und verurteilt die "unentschuldbare, irrtümliche Verbrennung von Teilen des Korans". SPIEGEL: Herr Minister, warum haben vorvergangene Woche 50 deutsche Soldaten in Afghanistan vor gut 300 Demonstranten kapituliert?

Thomas de Maizière: Ihre Darstellung des Sachverhalts trifft nicht zu. Es war ein geordneter Rückzug

SPIEGEL: …der aber so überstürzt ablief, dass er wie eine Kapitulation aussah.

De Maizière: Das Lager liegt im Stadtgebiet von Taloqan so ungünstig, dass es nicht zu schützen ist. Es sollte ohnehin in vier Wochen geschlossen werden. Bereits vor den Demonstrationen hatte der verantwortliche Kommandeur entschieden, die Schließung einen Monat vorzuziehen. Als die Demonstrationen begannen, sind sämtliche Bewegungen durch unsere Aufklärungsdrohnen live übertragen worden. Der Kommandeur konnte also jeden Schritt der Demonstranten beobachten.

- 203 - SPIEGEL: Und hat dann kalte Füße bekommen?

De Maizière: Sie haben offenbar vergessen, dass am 18. Mai vorigen Jahres eine Anzahl von Demonstranten kurz davor war, das Lager zu stürmen. Unsere Soldaten mussten ihre Schusswaffen gebrauchen, um eine Erstürmung zu verhindern. Damals ist die Bundeswehr dafür kritisiert worden. Eine solche Eskalation wollten wir vermeiden. Deshalb haben die Soldaten das Lager geordnet und nicht überstürzt verlassen. Es ist dabei übergeben worden.

SPIEGEL: An wen?

De Maizière: An das afghanische Wachpersonal dort, und sobald wieder Ruhe herrscht, wird es vollständig abgebaut. Diese verantwortliche Entscheidung des Kommandeurs vor Ort habe ich überhaupt nicht zu kritisieren.

SPIEGEL: Sie erklären die Rolle der Bundeswehr in Afghanistan oft mit einem Bild: Die Bundeswehr ist der Fahrlehrer und rutscht nun vom Fahrer- auf den Beifahrersitz, damit die Afghanen endlich selbst das Fahren lernen. In Taloqan hatte man den Eindruck, die deutschen Soldaten sind aus dem Auto gesprungen, weil sie Angst hatten, es fährt vor die Wand.

De Maizière: Ein Abzug ist, das werde ich nicht müde zu sagen, eine komplizierte Angelegenheit. Er muss sicher, geordnet und nachhaltig erfolgen. In Taloqan ist genau das geschehen.

SPIEGEL: Ist der Abzug mit der politischen Führung in Berlin abgesprochen gewesen?

De Maizière: Das entscheidet der Kommandeur vor Ort. Es ist ziemlich hochmütig, wenn von hier aus selbsternannte Experten alles besser wissen.

SPIEGEL: Den Afghanen jedenfalls schien der Rückzug überstürzt. Nicht einmal der Provinzgouverneur war informiert.

De Maizière: Der Provinzgouverneur war über den Abzug informiert, aber nicht über den Zeitpunkt. Und das hat seine guten Gründe.

SPIEGEL: Welche?

De Maizière: Die kann ich nicht öffentlich vortragen.

SPIEGEL: Es heißt immer, der Abzug der internationalen Truppen sei von der Sicherheitslage abhängig. Ist die Situation inzwischen so instabil, dass der gesamte Abzugsplan gefährdet ist?

De Maizière: Natürlich ist die Lage nach der unentschuldbaren, irrtümlichen Verbrennung von Teilen des Korans schwierig, es war ein Rückschlag, keine völlig neue Lage.

SPIEGEL: Dann hätte die Bundeswehr doch auch vier Wochen länger in Taloqan bleiben können.

- 204 - De Maizière: In dieser Situation, nein. Der Schutz unserer Soldaten hat oberste Priorität. 50 deutsche Soldaten ungeschützt ohne operativen Auftrag in der Mitte eines so schwierigen Gebietes zu stationieren hat von Anfang an wenig Sinn gemacht. Man hätte das Lager längst auflösen müssen. Diese Antwort ist nicht schön, aber so ist es.

SPIEGEL: Vorvergangene Woche wurden zwei US-Soldaten, die als Berater im Kabuler Innenministerium arbeiteten, von einem afghanischen Sicherheitsbeamten erschossen. Nun hat die Isaf alle Berater aus den afghanischen Ministerien abgezogen. Damit ist der Einsatz doch faktisch beendet?

De Maizière: Das ist eine vorübergehende Sicherheitsmaßnahme, sie ist nicht auf Dauer angelegt und absolut verständlich.

SPIEGEL: Die Taliban haben Teile der afghanischen Sicherheitskräfte längst unterwandert. Bildet der Westen also die Taliban von morgen aus?

De Maizière: Wir wissen, dass es den Versuch gibt, die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterwandern. Dagegen gehen wir an - mit Biometrie, mit Personalüberprüfungen, mit Kontrollen. Doch das ändert nichts daran, dass die Strategie des Partnering, des Mentoring, des Zusammenarbeitens richtig ist. Aber natürlich können Soldaten allein in diesem Einsatz nicht erfolgreich sein. Es ist nicht die Aufgabe des Militärs, ein politisches System zu etablieren. Deshalb kommt es entscheidend auf den politischen Prozess bis 2014 und darüber hinaus an.

SPIEGEL: Und? Sind Sie mit diesem Prozess zufrieden?

De Maizière: Nein, natürlich nicht. Der politische Fortschritt hinkt dem militärischen und sicherheitspolitischen hinterher.

SPIEGEL: Die Aufständischen bedrohen die Bevölkerung im Moment weitgehend ungestört. Vor zwei Wochen sind im Süden Afghanistans wieder Menschen, die angeblich mit dem Westen kooperierten, geköpft worden.

De Maizière: Ich sage ja nicht, dass die Strategie bereits erfolgreich zu Ende gebracht worden ist. Sie besteht bis 2014 aus zwei Elementen: dem harten Einsatz gegen die Aufständischen bis hin zum Einsatz von Spezialkräften und dem politischen Prozess der Versöhnung und der politischen Balance mit den Nachbarn. Eine Garantie, dass es klappt, gibt es nicht.

SPIEGEL: Im Moment scheinen es vor allem die Amerikaner zu sein, die es sehr schnell zum Ausgang drängt.

De Maizière: Nein. Die Staats- und Regierungschefs haben eine Strategie beschlossen, die bis Ende 2014 eine klare Linie festzurrt. Ich war gerade in den USA und habe mit meinem amerikanischen Kollegen gesprochen. Und er steht fest zu dieser Strategie. Dass der Einsatz umstritten ist, dass viele in der Bevölkerung kritische Fragen stellen, ist doch verständlich. Aber politische Führung muss Gegenwind aushalten.

SPIEGEL: Wenn Sie jetzt nach zehn Jahren Afghanistan-Einsatz schonungslos Bilanz ziehen - was bleibt übrig?

- 205 - De Maizière: Die Frage würde ich am liebsten im Jahr 2016, 2017 oder 2018 beantworten. Aber ich möchte der Antwort nicht ausweichen. 2001 waren die Erwartungen zu hoch. Wir werden in Afghanistan keine Demokratie westlichen Musters aufbauen können. Aber der Einsatz war und ist dennoch richtig. Ob er auf Dauer ein Erfolg bleibt, wissen wir eben erst in einigen Jahren.

SPIEGEL: Was wäre für Sie ein Erfolg?

De Maizière: Wenn es dauerhaft keinen Terrorexport mehr aus Afghanistan gibt und afghanische Sicherheitskräfte dieses labile Staatswesen halbwegs sicher halten können.

SPIEGEL: Welche Lehren ziehen Sie aus dem Einsatz?

De Maizière: Erstens muss es eine Strategie dafür geben, wie man Soldaten in den Einsatz schickt und wie man sie wieder herausholt. Ein Irrtum im Laufe des Prozesses ist okay, aber ohne eine solche Strategie zu Beginn geht es nicht. Zweitens sollte man vorher realistisch abwägen, ob das gesteckte Ziel erreichbar ist. Und drittens muss man abschätzen: Was kostet der Einsatz? Wie hoch ist der wahrscheinliche Blutzoll? Und viertens spielen natürlich auch unsere Verpflichtungen im Bündnis eine Rolle.

SPIEGEL: Damit legen Sie die Schwelle für künftige Einsätze enorm hoch.

De Maizière: Früher standen die Verteidigungspolitiker im Verdacht, eher zu schnell als zu langsam Soldaten zu schicken, während die Menschenrechtspolitiker davor gewarnt haben. Seit dem Genozid in Ruanda, dem die Weltgemeinschaft tatenlos zugesehen hat, erlebe ich die umgekehrte Frontstellung. Die Menschenrechtler wollen lieber schneller als langsamer Soldaten schicken, während das Militär „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ ruft.

SPIEGEL: Und wo stehen Sie?

De Maizière: Allein mit gutem Willen und guter Absicht sollte man Soldaten nicht in den Einsatz schicken. Das kann leider bedeuten, dass man bei Menschenrechtsverletzungen zusehen muss.

SPIEGEL: So wie im Moment in Syrien?

De Maizière: Im Falle Syriens brauchen wir die internationale Völkergemeinschaft und eine Uno-Resolution. Davon sind wir Lichtjahre entfernt.

Das Interview führten Ulrike Demmer und Konstantin von Hammerstein für den Spiegel. Quelle: Homepage der Bundesregierung

- 206 - Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière in der Katholischen Akademie in München am 20. März 2012

Es gilt das gesprochene Wort! Monsignore Schuller, lieber Herr Breit, lieber Herr Wilhelm, sehr verehrter Herr General a.D. Naumann, liebe Angehörige der Bundeswehr, meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren, wozu brauchen wir Soldaten? Wozu töten, wozu sterben? Was für Fragen! Diese Fragen sind wohl die schwersten, die es gibt, und sie sind wohl so alt wie die Menschheit selbst.

Im Jahre 1909 war es die Friedensnobelpreisträgern Bertha von Suttner, die auch diesen Fragen nachging und einen aus ihrer Sicht höchst verwegenen Blick in die Zukunft wagte. „Der Frieden in hundert Jahren“, so heißt ihr erstaunlicher Aufsatz, aus dem ich einige Passagen zitieren möchte. Dieses Buch ist im Jahre 2010 unter dem Titel „Die Welt in hundert Jahren“ noch einmal erschienen und wurde zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2010 erklärt.

Ich zitiere, was Bertha von Suttner 1909 geschrieben hat:

"Wir schreiben das Jahr 2009. Gegen unsere Vorfahren sind wir glücklich zu preisen. Wir haben, was sie gar nicht kannten, wofür sie nur einen Namen, aber niemals das Wesen hatten, wir haben den Frieden".

So weit ist dieser Blick in die Zukunft vielleicht noch nicht sonderlich erstaunlich, stammt er doch von einer der größten Pazifistinnen des 20. Jahrhunderts. Und wer sonst, wenn nicht Pazifisten, sollen träumen von einer Vision des Friedens, hundert Jahre nach der eigenen Zeit? Doch Bertha von Suttner sagt noch mehr. Ich zitiere weiter, wie sie sich 1909 die Zukunft in 100 Jahren vorstellt:

"Wir besitzen immer noch zu Lande, zur See und zur Luft disziplinierte, bewaffnete Heere, die aber niemals zu Eroberungs-, Hass- und Rachezwecken dienen, sondern zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Gesetze, zur Hilfeleistung und Rettung überall dort, wo ein Volk in Not ist".

Eine Pazifistin sieht die Existenz von bewaffneten Heeren als Bedingung für ein Leben in Frieden an: Das ist doch wohl auch aus heutiger Sicht wirklich bemerkenswert.

Worauf basiert aber dieses künftige Leben in Frieden, von dem Bertha von Suttner schreibt? Die dazu vor mehr als hundert Jahren zu Papier gebrachten Gedanken will ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Ich zitiere Bertha von Suttner ein letztes Mal:

"Wir sind im Besitz von so gewaltigen Vernichtungskräften, dass jeder von zwei Gegnern geführte Kampf nur Doppelselbstmord wäre. Wenn man mit einem Druck auf einen Knopf auf jede beliebige Distanz hin jede beliebige Menschen- oder Häusermasse pulverisieren kann, so weiß ich nicht, nach welchen taktischen und - 207 - strategischen Regeln man mit solchen Mitteln noch ein Völkerduell austragen könnte".

Ein halbes Jahrhundert und zwei Weltkriege später befindet sich die Welt mitten im Kalten Krieg. Hannah Arendt wird Zeugin genau der Entwicklung, die Bertha von Suttner vor einem halben Jahrhundert prognostiziert hatte, und sie kommentiert sie wie folgt.

Ich zitiere Hannah Arendt aus dem Jahr 1959: "Wir haben gegenwärtig ein Stadium in der technischen Entwicklung erreicht, in welchem ein zweckmäßiger Einsatz der Gewalt- und Vernichtungsmittel nicht mehr möglich ist. Es ist, als ab das atomare Wettrüsten in einer Art hypothetischer Kriegsführung mündet, die dazu führen kann, dass ein kalter Krieg, also ein Krieg, der niemals ausgebrochen ist, eines Tages durch den Sieg des einen oder die Niederlage des anderen beendet werden kann. Sind das Phantasien? "

Mit ihren visionären Gedanken haben sowohl Bertha von Suttner als auch Hannah Arendt viele der späteren Entwicklungen vorweggenommen. In einem entscheidenden Punkt aber haben sie beide Unrecht behalten: Der Krieg ist bis heute ein sehr realer Teil der Welt geblieben in der Welt, in der wir leben, wenn auch nicht im eigenen Land.

Das Gesicht des Krieges hat sich jedoch in den vergangenen Jahren massiv verändert.

"Um 1900", so der Militärhistoriker Martin von Krefeld, „"zweifelte niemand daran, dass eine Großmacht ausschließlich von einer anderen Großmacht wirklich in Gefahr gebracht werden konnte".

Der Kalte Krieg schien dieses traditionelle Verständnis von Machtpolitik zu bestätigen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Ost- West-Konfliktes verkündete der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sogar das Ende der Geschichte. Seine These lautete, Demokratie und Marktwirtschaft würden sich weltweit durchsetzen; das Zeitalter antagonistischer Konflikte in der internationalen Politik sei vorbei, das Ende der Geschichte sei gekommen.

Dann aber kamen die Balkankriege, Ruanda, der 11. September, Afghanistan, Irak. Wir erleben asymmetrische Konflikte, in denen wenige Aufständische unseren modernen und hochtechnologisierten Armeen ihre Grenzen aufzeigen. Sie kennen vielleicht das berühmte Zitat eines Taliban-Kämpfers, der den Amerikanern in Afghanistan den Satz entgegenschleuderte: "Ihr liebt Coca-Cola, wir lieben den Tod".

Neue Mächte betreten die weltpolitische Bühne: Indien, Brasilien, Südafrika. Alte Mächte wie China kehren zurück. Wir erleben einen Zusammenbruch von scheinbar ewigen Herrschaftsverhältnissen im Nahen und Mittleren Osten, innerhalb von Wochen.

Kurz: Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges, als die militärische Bedrohung zwar schrecklich, aber einigermaßen klar kalkulierbar war, umgeben uns heute zahlreiche diffuse und nicht klassisch-militärische Risiken, die unberechenbar erscheinen.

Wir Deutschen sind Teil, wir sind Objekt und wir sind Subjekt all dieser Entwicklungen, auch wenn wir das bis zum Jahre 1990 nicht so ganz wahrhaben - 208 - wollten. Bis 1990, so kann man es vielleicht ausdrücken, war Deutschlands internationale Sicherheitspolitik unterentwickelt. Man sprach nicht ohne Grund von Deutschland als dem wirtschaftspolitischen Riesen, der zugleich ein sicherheitspolitischer Zwerg sei.

Seit 1990, seit der Wiedererlangung der Deutschen Einheit und vor allem der vollen Souveränität, hat unser Land ziemlich schnell einen ziemlich langen Weg zurückgelegt.

Seit zehn Jahren sind wir in Afghanistan. Als drittgrößter Truppensteller und einzige Nation außer den USA haben wir dort eine Führungsrolle im Norden des Landes inne. Wir haben das Kommando über Soldaten aus 18 Ländern, darunter auch über 4.000 US-Amerikaner.

Im Kosovo stellt Deutschland zum dritten Mal in Folge den Kommandeur der KFOR und ist einer der größten Truppensteller. Insgesamt beteiligen wir uns seit 20 Jahren an Operationen zur Stabilisierung des Balkans. Bei der Antipiraterie-Mission der EU Atalanta sind wir seit Beginn mit Schiffen und Seefernaufklärern im Einsatz; auch dort übernimmt Deutschland Führungsverantwortung, mehr als andere.

Heute, während wir hier sitzen, leisten über 7.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten auf drei Kontinenten ihren Dienst in den Einsätzen der Bundeswehr. Über 300.000 deutsche Soldaten waren seit 1991 im Einsatz. Manche waren mehrfach im Einsatz, deswegen ist die Zahl so hoch. Eine Berechnung, wie viele Menschen es im Einzelnen sind, ist nicht genau möglich. Wir schätzen, dass es zwischen 60.000 und 80.000 sind.

Warum tun wir das? Erste Aufgabe jeder Armee ist es, der eigenen Bevölkerung ein Leben in Sicherheit und Freiheit zu ermöglichen. Landesverteidigung ist die erste und vornehmste Aufgabe auch der Bundeswehr. Aber es ist nicht mehr die einzige Aufgabe.

Den Begriff der Sicherheit definieren wir heute weitaus umfassender als noch zu Zeiten des Kalten Krieges, umfassender in einem geographischen Sinne. Selbst geographisch weit entfernte Krisen- und Gefahrenherde können heute rasch unmittelbare Auswirkungen auf Europa und Deutschland haben, unmittelbare, nicht nur mittelbare. Umfassender aber auch in einem inhaltlichen Sinn: Sicherheit umfasst heute soziale, demographische, religiöse, ökologische und wirtschaftliche Aspekte.

Vielleicht war es immer schon so und wir erkennen es heute erst vollständig. Ohne gesicherten Zugang zu Rohstoffen und ohne freien Handel wäre Deutschland als rohstoffarme und dicht besiedelte Exportnation gefährdet. Gefahren oder mindestens Risiken drohen heute auch durch den Zerfall staatlicher Ordnung in vielen Teilen der Welt. Piraterie, die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln sowie der internationale Terrorismus gedeihen gerade in solchen „failed states“.

Galt unsere Sorge früher den Staaten, die zu stark werden, bereitet es uns heute eher Sorge, dass Staaten zu schwach werden.

Umfassende oder mindestens regional wirkende internationale Sicherheit kann es nur geben, wenn jemand dafür Verantwortung übernimmt. Wir Deutschen müssen uns also die Frage stellen: Geht unser umfassender Sicherheitsbegriff gleichzeitig mit

- 209 - einer neuen umfassenden Verantwortung einher? Oder, um es noch klarer zu fragen: Müssen wir eigentlich überall dabei sein? Sicher nicht.

Auf internationaler Ebene bilden für uns die Vereinten Nationen, die NATO und die Europäische Union den Rahmen, in dem wir Antworten auf die gemeinsamen Herausforderungen finden und abstimmen. Und es entspricht unseren politischen Zielen, und es ist in unserem nationalen Interesse, dass wir füreinander einstehen und deshalb diese Institutionen stärken.

In unseren Verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai letzten Jahres haben wir den Rahmen für Auftrag und Ziel deutscher Sicherheitspolitik, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, definiert: "Deutschland nimmt als gestaltendes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft seine Interessen wahr und setzt sich aktiv für eine bessere und sichere Welt ein".

Umfassender kann man Verantwortung kaum formulieren. Hinzu kommt: Früher haben wir europäische Sicherheitsverantwortung eher als eine nachgeordnete Verantwortung verstanden. Hinter der etwas negativ besetzten Bezeichnung der Amerikaner als Weltpolizei steckte wohl doch auch die Tatsache, dass die Amerikaner sicherheitspolitisch und auch finanziell nur allzu oft auch für uns Europäer die Kohlen aus dem Feuer geholt haben.

Das war ziemlich bequem. Europa muss wohl künftig mehr in der Lage sein, auch militärisch Verantwortung für die Sicherheit wenigstens in seiner unmittelbaren Nachbarschaft übernehmen zu können.

Auf welcher Basis aber nehmen wir nun unsere Verantwortung wahr? Welche Überzeugungen leiten uns? Welchen Anspruch stellen wir dabei an uns selbst? Eine Antwort findet sich auch in den Verteidigungspolitischen Richtlinien.

Ich zitiere: "Deutsche Sicherheitspolitik ist in Werten und Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und des Völkerrechts verpflichtet". Die Werte und Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und des Völkerrechts, das sind die universalen Menschenrechte Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Soweit so unstreitig – und so folgenlos.

Was aber sind deutsche Interessen? Interessen, das klingt – anders als Werte – so egoistisch, so einseitig. Bei dem Stichwort „Interessen“ fallen auch vielen Menschen zunächst einmal wirtschaftliche Interessen ein. Wirtschaftliche Interessen werden in unserem Land mitunter als ethisch minderwertig angesehen, wie Interessenwahrnehmung überhaupt.

Man verfolgt nur Werte, Interessen möglichst nicht. Das sehe ich anders. Als bevölkerungsreichstes Land, als stärkste Volkswirtschaft Europas, als zweitstärkste Exportnation der Welt sind wir Deutschen von internationaler Stabilität abhängig. Das liegt in unserem Interesse. Dieses Interesse zu verfolgen, ist meines Erachtens legitim.

Aber was heißt „internationale Stabilität“? Gibt es überhaupt so etwas wie internationale Stabilität? Ist Stabilität ein Wert? Und wie stehen dann Freiheit und Stabilität zueinander? Und wie genau definieren wir den Unterschied zwischen

- 210 - Stabilität und Sicherheit? War das Regime von Mubarak stabil oder sicher? Was folgt für den Friedensvertrag von Ägypten und Israel aus einer möglicherweise anderen Stabilität in Ägypten?

Alle diese Fragen müssen wir gründlich und öffentlich diskutieren. Anders als andere Nationen tun wir das bisher zu wenig. Ich werde nicht müde, für diese Diskussion zu werben. Wir brauchen sie. Heute leiste ich dazu einen Beitrag.

Klar ist: Die Frage nach der Stabilität ist auch von der subjektiven Wahrnehmung geprägt. Für uns gilt zum Beispiel: Die transatlantische Partnerschaft ist eine nicht nur historisch gewachsene, tiefe Partnerschaft, deren Pflege und Weiterentwicklung höchste Priorität für unser Land hat. Sie ist wertvoll und liegt in unserem Interesse

Auch die Pflege der deutsch-russischen Beziehung gehört sicherlich zu den prioritären Aufgaben deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Gerade uns Deutschen muss es ein Anliegen sein, neuen Irritationen zwischen Ost und West entgegenzuwirken und hier zu vermitteln. Aber eine Wertegemeinschaft ist etwas ganz anderes.

Ein großes Interesse haben wir auch daran, einen bewaffneten Konflikt zwischen Israel und dem Iran zu verhindern. Ich hatte heute die Gelegenheit, mit dem israelischen Verteidigungsminister lange darüber zu sprechen. Diese Beispiele sind natürlich nicht umfassend und vollständig. Sie sollen, ja sie können es auch nicht sein, denn unsere Interessen verändern sich. Das liegt in ihrer Natur.

Eines ist jedoch klar: Es ist ein komplexes Geflecht von Werten und Interessen, das unsere Sicherheitspolitik prägt. Das ist zwar kompliziert, aber es ist so. Und es ist richtig so.

Unter welchen Umständen sind wir nun bereit, für diese Werte und Interessen, erst recht für ein kompliziertes Interessengeflecht, unsere Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz zu schicken? In den Verteidigungspolitischen Richtlinien habe ich dazu festgehalten: "Militärische Einsätze ziehen weitreichende politische Folgen nach sich. In jedem Fall ist eine klare Antwort auf die Frage notwendig, inwieweit die Interessen Deutschlands und die damit verbundene Wahrnehmung internationaler Verantwortung den Einsatz erfordern und rechtfertigen, und welche Folgen ein Nicht- Einsatz hat".

Ein militärischer Einsatz, der Einsatz von Gewalt, kann ethisch gesehen nur als „ultima ratio“ betrachtet werden. Wobei wir das Wort „ultima ratio“ nicht strikt zeitlich verstehen sollten. „Ultima“ heißt „das äußerste“ oder „das letzte“. Äußerster Einsatz kann etwas anderes bedeuten als letzter Einsatz im zeitlichen Sinn. Dahinter steht natürlich jederzeit unsere klare Überzeugung: Gewalt bleibt immer ein Übel, auch wenn sie einem guten Zweck dient.

Die existenzielle Frage nach der Legitimität der Anwendung von Gewalt zur Überwindung von Gewalt ist eine ambivalente und komplexe Frage. Die katholische Kirche hat sich mit ihren Bemühungen um die Lehre vom gerechten Krieg seit Augustinus darum bemüht.

Die moralische Frage stellt sich nicht nur dem einzelnen Soldaten, der im Einsatz in die Situation kommen kann, das Gebot „Du sollst nicht töten“ brechen zu müssen.

- 211 - Sie stellt sich mir als Bundesminister der Verteidigung, sie stellt sich der Bundesregierung und dem Parlament.

Ich bejahe sie und ich wiederhole: Die Anwendung von Gewalt zur Beendigung von Gewalt ist legitim oder kann legitim sein. Auch die Bürger müssen sich diese Frage stellen, denn der Soldat hat seinen Eid nach Artikel 1 des Soldatengesetzes geschworen: Er dient seinem Land, ist in unserem Auftrag im Einsatz, nicht in seinem eigenen Auftrag.

Die Frage des Einsatzes von Gewalt zur Beendigung von Gewalt stellt sich in besonderer Form bei sogenannten humanitären Interventionen, also einem militärischen Eingreifen in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates, um schwerste Menschenrechtsverletzungen zu stoppen oder weitere zu verhindern.

Wo liegt hier für uns die kritische Schwelle für ein militärisches Eingreifen? Folgt unter Umständen aus dem Recht zum Eingreifen sogar eine Pflicht, militärisch einzugreifen? Wenn alles Verhandeln, wenn alle Drohungen und Sanktionen nichts nutzen, wann muss eingegriffen werden? Wenn es um die Verhinderung massiver Verletzungen von Menschenrechten geht? Wenn Massenvertreibungen stattfinden oder ein Genozid droht oder bereits erfolgt?

Viele von uns werden sich bei diesen Fragen vielleicht an den Völkermord in Ruanda erinnern. Am 7. April 1994 begann damals das Töten. Innerhalb von hundert Tagen wurden in dem kleinen afrikanischen Staat über eine Million Menschen umgebracht. Es gab dazu nur wenige Fernsehbilder. Der Blauhelm-Kommandeur Dallaire flehte in Washington, Paris und London um Unterstützung. Vergeblich.

Die Vereinten Nationen zogen mitten in diesem Völkermord ihre vor Ort stationierten Blauhelme bis auf eine kleine Truppe ab. Zehn Jahre später, schreibt General Dallaire in seinem Buch „Shake Hands with the Devil“, ich zitiere: "Die wahren Verräter, die wahren Mittäter, das sind die Staaten, das ist die internationale Gemeinschaft mit ihrer Gleichgültigkeit, ihrem Eigeninteresse und ihrem rassistischen Denken".

Brutaler kann man es kaum formulieren. Auch heute werden wir in Staaten wie Sudan, Somalia, Syrien Zeugen von dramatischen Menschenrechtsverletzungen aus je unterschiedlichen Gründen. Angesichts der Situation in der syrischen Stadt Homs warnte in der letzten Woche ein Augenzeuge, ich zitiere: "Was wir zurückgelassen haben, wird ein neues Ruanda werden".

Welche Verantwortung trägt Deutschland in dieser Situation? Nicht nur das Völkerrecht macht deutlich: Eine humanitäre Intervention kann unter Einhaltung strenger Kriterien erfolgen. Die Vereinten Nationen haben auf ihrem Weltgipfel 2005 die „responsibility to protect“ klar auf die Bereiche Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschränkt.

Eine politische Entscheidung für oder gegen ein entsprechendes kollektives Vorgehen in solchen Fällen ist allerdings immer schwierig. Inzwischen, und das ist eine ziemlich neue Entwicklung, fordern sehr oft Menschenrechtsorganisationen oder Intellektuelle ein militärisches Eingreifen, während die militärischen Führungen eher zurückhaltend sind.

- 212 - Nun, ein von vornherein festgelegtes Prüfungsschema, oder gar einen Automatismus zur Anwendung oder Unterlassung militärischer Gewalt kann es aber nicht geben. Wir müssen vielmehr in jeder konkreten Situation eine Abwägung vornehmen: Ist der militärische Eingriff verhältnismäßig geeignet und erforderlich? Können wir mit einem militärischen Eingreifen die Situation der Menschen vor Ort verbessern? Haben wir die entsprechenden Mittel?

Wie kann – und jetzt variiere ich Clausewitz –Politik fortgesetzt werden, wenn der Einsatz beginnt, während er läuft oder beendet wird? Welcher Preis ist zu zahlen, an Menschen, an Zerstörung, an Geld? In Syrien zum Beispiel ist die Antwort dazu gar nicht einfach. Und ich habe jetzt gar nicht über internationale Mandate gesprochen oder das Völkerrecht. Schon bei der Frage, ob eine militärische Intervention geeignet ist, die Menschenrechtsverletzung zu beenden, tauchen Zweifel auf.

Denken wir auch an die jüngsten Ereignisse in anderen arabischen Ländern, dann wird uns auch die Begrenztheit unseres Wissens bewusst. Keiner von uns, und auch keiner der sogenannten Experten, hatte die Entwicklung der letzten beiden Jahre für möglich gehalten oder vorhergesehen.

Wir müssen uns den Fragen stellen, die mit unserem Handeln verbunden sind: Fördern wir mit unserem Eingreifen möglicherweise nur den Sturz eines bestimmten Regimes? Was dann? Wem helfen wir eigentlich? Ist unser militärisches Eingreifen womöglich nur der Startschuss für einen neuen Bürgerkrieg? Kann sich ein ursprünglich nationaler Konflikt durch das Eingreifen internationaler Truppen möglicherweise sogar zu einem Flächenbrand in der ganzen Region entwickeln?

Die Frage vor jeglicher Entscheidung muss jedenfalls sein: Ist eine militärische Intervention geeignet, mehr Positives als Negatives zu bewirken, und zwar nachhaltig? Klar ist: Es kann immer zu Fehleinschätzungen kommen. Dinge können sich anders als erwartet entwickeln, aber überlegt haben sollte man sich die Dinge vorher.

Ich komme zum Schluss. In der letzten Woche habe ich Generalleutnant von Butler in den Ruhestand verabschiedet. Er war der Chef des Heeresführungskommandos und hat vor zehn Jahren das erste Afghanistan-Kontingent der Bundeswehr in den Einsatz geführt.

Den Wandel der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik fasste er so zusammen, ich zitiere: "Wir übernehmen jetzt Verantwortung für Dinge, über die wir früher nicht einmal nachgedacht haben". Die Verantwortung für Afghanistan, die haben vor zehn Jahren mit unserer Intervention übernommen. Die aktuellen Diskussionen über den Abzug bestätigen jedoch, wie behutsam wir mit der Verantwortung und auch der Sprache umgehen sollten. Man kann nicht zuhause etwas anderes erzählen als gegenüber der internationalen Völkergemeinschaft. Das gilt in Deutschland, das gilt in Afghanistan, und das gilt auch in den Vereinigten Staaten von Amerika.

In der letzten Woche habe ich in Pakistan und Afghanistan viele Gespräche geführt. Ich kann Ihnen sagen: Es ist nicht so, dass sich die Soldaten oder gar die Mehrheit der Afghanen freuen, wenn der Einsatz im Jahre 2014 beendet ist.

- 213 - Ganz im Gegenteil: Es ist vielmehr so, dass die Soldaten vor Ort selbst beim Datum 2014 eher vorsichtig sind – und die Afghanen allemal. Sie nehmen ihren Auftrag sehr ernst, und sie wollen, dass ihr Einsatz eine realistische Chance hat oder jedenfalls eine Chance hat, zu einem dauerhaften Erfolg zu werden. Sie haben Verantwortung übernommen und Kameraden von ihnen sind gefallen.

Wenn wir zu früh abziehen, wenn wir das bisher Erreichte gefährden würden, dann würden diese Soldaten uns fragen: Wofür sind dann meine Kameraden gestorben? Auch deshalb sage ich: Es bleibt bei der verabredeten Abzugsstrategie einer schritt- weisen Übergabe in Verantwortung bis 2014, und das abhängig von der Sicherheitslage vor Ort.

Wofür töten? Wofür sterben? Darauf gibt es keine einfachen Antworten. Es wäre schlimm, wenn es so wäre.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage: Wie reagiert die Heimat auf den Tod eines Soldaten? Auch das ist ein Gradmesser für das Verhältnis eines Landes zu seinen Auslandseinsätzen. Eine deutsche Wochenzeitung interviewte vor wenigen Wochen die Angehörigen eines deutschen und eines amerikanischen Gefallenen.

Das Ergebnis ist ein bewegender Artikel. Die Reaktionen der Eltern auf den Tod der beiden Söhne waren sehr unterschiedlich. Ich zitiere: "Die deutschen Eltern fragten: Wofür starb unser Sohn? Und welche Eltern hätten nicht alles Recht, das zu fragen. Die amerikanischen Eltern sagten: Er starb für Heimat und Freiheit." Wie repräsentativ diese Antworten für Deutschland und die USA sind, vermag wohl keiner zu sagen. Zum Nachdenken regen sie allemal an.

Die Entsendung der Bundeswehr in Auslands- oder sogar Kampfeinsätze „out of area“ ist für die deutsche Gesellschaft noch eine relativ neue Erfahrung. 20 Jahre, das ist in einem kollektiven Bewusstsein keine lange Zeit. In dieser Zeit hat jedoch eine rasante sicherheitspolitische Entwicklung stattgefunden. Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der wir weiter von so etwas wie einem Ende der Geschichte entfernt sein könnten als die heutige Situation.

Wir leben in einer Welt großer Umbrüche, und die Umbrüche fangen vielleicht gerade erst an. Das bringt Unsicherheit. Wer von uns würde sich heute wie Bertha von Suttner im Jahre 1909 noch zutrauen, eine Prognose zur Welt in hundert Jahren abzugeben? Wer mag hier im Raum heute sagen, wie es bereits in einem Jahr in Nordafrika aussieht? Das bringt Unsicherheit, aber auch Chancen, denn Unsicherheit ist der Rahmen, in dem wir unsere Freiheit nutzen und Verantwortung übernehmen können.

Hier möchte ich unsere heutige Fragestellung „wozu töten, wozu sterben?“ um eine Frage ergänzen: Wozu leben wir? Damit möchte ich die Frage nach unserem Gestaltungswillen aufwerfen.

- 214 - Nationale Interessen wahren, internationale Verantwortung übernehmen und Sicherheit gestalten, das ist die Überschrift der Verteidigungspolitischen Richtlinien. Das ist eine große Herausforderung. Für mich ist es Friedensethik und Verteidigungspolitik zugleich.

Das ändert nichts daran, dass wir uns auch künftig vor, in und nach jedem militärischem Einsatz in einem moralischen Dilemma befinden werden. Wir Deutschen werden uns in Zukunft nicht mehr durch Wegducken aus diesem moralischen Dilemma befreien können – und hoffentlich auch nicht mehr befreien wollen.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung

Rede des Bundesministers der Verteidigung Thomas de Maizière im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden am 21. März 2012

Es gilt das gesprochene Wort! "Die bisherige Organisation des Ministeriums hat sich als nicht klar und eindeutig herausgestellt. Vor allem die Verantwortung des Generalinspekteurs für die Gesamtaufgaben der Streitkräfte und die Verantwortung der Inspekteure für die Einsatzbereitschaft ihrer Teilstreitkräfte treten zu wenig hervor".

Dieses Zitat stammt von Helmut Schmidt. Mit diesen Worten leitete er heute vor 42 Jahren, am 21. März 1970, den sogenannten „Blankeneser Erlass“ ein. Erstmals wurden die militärischen Führungsstrukturen in der Bundeswehr per Erlass geordnet.

Collage: Lautsprecher-Icon und de Maizière im Porträt

Minister zum Dresdener Erlass (Quelle: Bundeswehr/Bienert)

Wer hatte nun mehr Macht bekommen – die Inspekteure oder der Generalinspekteur? Diese – meines Erachtens falsch formulierte – Frage stand damals für viele Betrachter innerhalb und außerhalb der Bundeswehr im Vordergrund. Den Entscheidungen des gerade ins Amt gekommenen Verteidigungsministers waren langwierige Diskussionen innerhalb und außerhalb des Ministeriums vorangegangen.

Es ist zwar richtig, dass Führung immer auch Machtausübung bedeutet. Viel mehr jedoch und in erster Linie ist Führung mit der Organisation von Verantwortung und mit persönlicher Verantwortung verbunden. Vor diesem Hintergrund gesehen trifft die Bewertung der damaligen Presse wohl eher zu. Der SPIEGEL schrieb: "Der Minister will Generale, die für ihren Laden verantwortlich sind und die er deshalb auch für Missstände zur Verantwortung ziehen kann.“

"Verantwortlichkeiten festlegen, Kompetenzen definieren, Befugnisse erteilen, Kontrolle ermöglichen – das ist nirgendwo eine leichte Aufgabe. In Deutschland war und ist es aber etwas Besonderes, die Spitzengliederung, Unterstellungsverhältnisse und Führungsorganisation im Bundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr zu entscheiden.

- 215 - Auch vor 42 Jahren, bereits 17 Jahre nach Aufstellung der Bundeswehr, stellte es eine besondere Herausforderung dar, Führung und Verantwortung sinnvoll zu vereinen, in der militärischen Spitzenorganisation der noch jungen Bundeswehr in der noch jungen Bundesrepublik. Die Geschichte warf ihre Schatten.

Aus diesem Grund habe ich Sie für den heutigen Anlass hier in das Militärhistorische Museum in Dresden gebeten. Dieses Museum ist ein guter Ort, um drastisch den Unterschied vor Augen führen, ob Führung im Militär aus undemokratischem Machtstreben oder aus demokratisch gebundenem Verantwortungsbewusstsein heraus ausgeübt wird. In der deutschen Geschichte findet sich dazu mancher Abgrund.

Nie wieder sollte eine wie auch immer geartete militärische Führung aus Deutschland zum Nachteil anderer wirken – das war nach der moralischen Katastrophe des Nationalsozialismus und der menschlichen Tragödie des Zweiten Weltkrieges zunächst die Maßgabe der alliierten Siegermächte. Ihr Programm für Deutschland fassten sie in den berühmten „vier Ds“ zusammen: Denazifizierung, Demilitarisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung.

Besonders die letzten beiden Prinzipien Dezentralisierung und Demokratisierung sollten über die Nachkriegsjahre hinaus bis heute unsere Staats- und Gesellschaftsordnung prägen. Dezentralisierung und Demokratisierung – das hieß im Kern, nicht zu viel Macht an einer Stelle oder in einer Person zu konzentrieren, weder funktional noch sektoral noch horizontal. Von der föderativen Grundstruktur der Bundesrepublik über die Gewaltenteilung bis hin zur strikten Trennung der Machtinstrumente im exekutiven Bereich: An keinem Punkt im neuen Staatsaufbau sollte zu viel Macht auf einmal kulminiert werden.

Die damit zwangsläufig einhergehende Orientierung auf Konsens hin brachte der politischen Kultur in unserem Land Langsamkeit, aber Stabilität, mangelnde Spektakularität, aber Zuverlässigkeit, wenig Explosivität, aber Nachhaltigkeit. In Deutschland ist Politik mehr als anderswo pfadabhängig, also geprägt von den bisher eingeschlagenen Pfaden. Das alles hat seine Vor- und Nachteile. Aber es ist so.

Die Entscheidung, im Angesicht der Koreakrise und der Bedrohung durch die Sowjetunion doch deutsche Streitkräfte aufzustellen, bedeutete für die junge parlamentarische Demokratie in Deutschland eine große Herausforderung.

Parteiübergreifend wurde im Deutschen Bundestag erheblicher Zweifel angemeldet, ob es gelingen würde, demokratische Verantwortung, dezentrale Führung und Wertschätzung für den Konsens auch in der neuen Bundeswehr durchzusetzen.

Die besondere Aufmerksamkeit der Parlamentarier galt dabei den militärischen Führungsstrukturen.

Die Gründungsväter der Bundeswehr versuchten ihrerseits, mit einem streitkräftegemeinsamen Führungs-ansatz – „Bundeswehr-Lösung“ genannt – Bedenken auszuräumen, die ehemals eigenmächtigen Teilstreitkräfte könnten wieder erwachen.

- 216 - Der Weg bis zur Gründung unserer Bundeswehr, er war mühselig – angefangen von den ersten Protesten bis hin zu den nachträglich ins Grundgesetz eingefügten Wehrgesetzen. Mit Blick auf die Zeit damals ist manche Sorge verständlich.

Heute wissen wir: Der Versuch ist geglückt. Eine neue militärische Kultur, eine neue Kultur der Bundeswehr versöhnte scheinbar Unvereinbares miteinander. Und zwar mit Erfolg: Die Bundeswehr wird heute als einer der Garanten unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung angesehen.

Deshalb sind heute, 42 Jahre nach dem Blankeneser Erlass, die Sorgen von früher gegenstandslos geworden. Wir brauchen nicht mehr gegen Gespensterargumente antreten. Wir müssen nicht mehr Organisationsentscheidungen aus Sorge vor Missbräuchen treffen, sondern danach, was wir heute und für die Zukunft brauchen und richtig finden.

Der Primat der Politik manifestiert die Ausrichtung der Bundeswehr auf das Gemeinwohl hin. Er verwirklicht sich in der politischen Leitung, in der politischen Führung der Streitkräfte und in der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte.

Der Primat der Politik verortet die letzte politische und militärische Verantwortung für die und in der Bundeswehr klar und eindeutig nach dem Grundgesetz beim Bundesminister der Verteidigung als Ressortchef und Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, der wiederum Teil der Regierung und parlamentarisch kontrolliert ist.

Deshalb beschränkt sich der neugefasste Erlass auf politisch exekutive Rahmenbedingungen und überlässt die inhaltliche Ausgestaltung der Führungsstruktur der jeweiligen Organisation.

Es gehört zu den vornehmsten Pflichten in meinem Amt, den Rahmen der ministeriellen, die militärischen und zivilen Führungsstrukturen festzulegen. Dazu sind wir heute hier.

Meine Damen, meine Herren,

Verantwortung muss klar und eindeutig sein. Als Führungskräfte der Bundeswehr wissen Sie, dass es kaum einen Bereich in unserer Gesellschaft gibt, in dem das so wichtig ist wie in einer Armee.

Ein Teil der Probleme unseres Staates beruht darauf, dass Dezentralisierung damit verwechselt wird, Verantwortung zu teilen. Es ist jedoch nichts gut organisiert, wenn am Ende niemand mehr verantwortlich ist.

Klare Verantwortung in den immer unübersichtlicher gewordenen Strukturen der schnell aufgewachsenen Bundeswehr zu schaffen – diesem Ziel war auch der heute vor 42 Jahren gegebene Blankeneser Erlass verschrieben. Er definierte die Befugnisse des Generalinspekteurs und wies ihm zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als ranghöchster Soldat Inspektions- und gewisse Weisungsrechte zu. Die Inspekteure wurden in den truppendienstlichen Befugnissen gegenüber ihrer jeweiligen Teilstreitkraft gestärkt und in die Beratung von Minister und Generalinspekteur eingebunden.

- 217 - Das war 1970, mitten im Kalten Krieg, und vor allem noch im Schatten des Wiederaufbaus. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands haben sich nicht nur die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen, sondern auch Auftrag und Einsatzbedingungen für die Bundeswehr massiv gewandelt: Von der Armee der Einheit über den Wandel zur Armee im Einsatz bis hin zu den erheblichen Personalreduzierungen und strukturellen Veränderungen der vergangenen zwei Jahrzehnte.

Der Umfang der Bundeswehr wurde übersichtlicher. Für ihre Strukturen galt das nicht. Die Anforderungen der Auslandseinsätze konnten mit den alten Führungsstrukturen nur noch mäßig bewältigt werden.

Klare Verantwortung in der Dynamik von Einsätzen sicherzustellen – das war das Ziel des Berliner Erlasses von 2005. Die Führungsfähigkeit im Einsatz sollte verbessert werden. Einsätze als gemeinsame und internationale Herausforderung der Streitkräfte verlangen streitkräftegemeinsames und fähigkeitsorientiertes Denken.

Geordnete Führungsstrukturen im Ministerium und verbesserte Führungsfähigkeit im Einsatz – die Erlasse von Blankenese und Berlin haben für ihre Zeit ihr Ziel erreicht. Sie sind den Erfordernissen ihrer Zeit gerecht geworden.

Meine Damen und Herren, heute stehen wir mitten in der Neuausrichtung unserer Bundeswehr.

Wir haben die gesamte Bundeswehr auf den Prüfstand gestellt und ich habe die grundlegenden Entscheidungen getroffen – vom Ministerium angefangen über alle Bereiche der Wehrverwaltung bis zu jedem einzelnen Verband der Truppe.

Unser Anspruch in der Leitung des Ministeriums ist es, alle Teile der Bundeswehr auf ein gemeinsames Ziel hin auszurichten und zu gliedern: Eine leistungsfähige Bundeswehr,

• die der Politik im Bedarfsfall ein breites Spektrum an Fähigkeiten und damit Handlungsoptionen bietet,

• die sich durch einsatzorientierte und effiziente Strukturen und Verfahren auszeichnet,

• die nachhaltig finanziert und ausgerüstet ist,

• die eine demographiefeste und ausgewogene Personalstruktur vorweisen kann,

• und die als Freiwilligenarmee fest in der Gesellschaft verankert ist.

Dieses Ziel können wir nur im Ganzen erreichen – mit allen Bereichen unserer Bundeswehr, sei es das Ministerium, die Wehrverwaltung oder seien es die Streitkräfte.

Dieses Ziel können wir nur gemeinsam erreichen – mit allen Angehörigen unserer Bundeswehr, ob Zivilist oder Soldat, ob Minister, Staatssekretär oder Schreibkraft, ob General oder Rekrut, ob Soldat oder Zivilist. - 218 - Anders als im Blankeneser und im Berliner Erlass regelt der Erlass von heute daher auch die Verantwortlichkeiten der zivilen Strukturen. Wir müssen uns als EINE Bundeswehr begreifen – und als EINE Bundeswehr denken.

Alle Angehörigen der Bundeswehr tragen dafür Verantwortung – Sie, meine Damen und Herren, wir alle als Führung in besonderem Maße.

Verantwortung in Führung umzusetzen, das gelingt nur mit geeigneten Führungsstrukturen. Diesen zentralen Baustein der Neuausrichtung setzen wir heute. Verantwortung und Führung in den neuen Strukturen unserer Bundeswehr zu vereinen – mit diesem Ziel erlasse ich heute hier in Dresden die „Grundsätze für die Spitzengliederung, Unterstellungsverhältnisse und Führungsorganisation im Bundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr“.

Der heutige Erlass setzt die Vorstellungen, mit denen wir unsere Ziele aus den Eckpunkten zur Neuausrichtung erreichen wollen, in klare Vorgaben um:

1. Wir machen das gemeinsame und übergreifende Denken möglich, indem wir es auch strukturell verankern.

2. Wir führen fachliche und organisatorische Kompetenz in den neuen Strukturen konsequent zusammen.

3. Wir schaffen klare Zuständigkeiten und bauen Schnittstellen ab.

4. Das Ministerium konzentriert sich künftig auf ministerielle Aufgaben.

5. Führung und Verantwortung werden belohnt. All das muss seinen Niederschlag auch in den neuen Führungsstrukturen finden.

Lassen Sie mich heute Abend mündlich näher nur auf drei Bereiche eingehen:

1. die Stellung des Generalinspekteurs,

2. die Rolle der Inspekteure,

3. die stärkere zivil-militärische Durchmischung aller Positionen, verbunden mit neuen Unterstellungsverhältnissen.

Zum ersten Punkt:

Die neue Struktur stattet den Generalinspekteur mit Mitteln und Befugnissen aus, mit denen er als ranghöchster Soldat tatsächlich und erfolgreich führen kann, um die ihm bisher schon gestellten Aufgaben zu erfüllen.

Dazu wird der Generalinspekteur künftig als ranghöchster Soldat der Bundeswehr auch truppendienstlicher Vorgesetzter aller Soldaten in den Streitkräften sein.

Primat der Politik bedeutet, dass Vorgaben und Ziele der politischen Leitung vollumfänglich und in der fachlich geeigneten Weise in den militärischen Bereich übersetzt werden.

- 219 - Dafür hat die politische Leitung künftig einen militärischen Ansprechpartner, der als Vorgesetzter für alle Bereiche der Streitkräfte verantwortlich ist.

Der Generalinspekteur ist Teil der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung. Er ist nicht der Vertreter des Bundesministers der Verteidigung. Das kann er nicht sein. Das muss ein Zivilist sein. Das folgt aus dem Primat der Politik.

Neben der allgemeinen Führung der Streitkräfte obliegt dem Generalinspekteur auch künftig die Steuerung der Einsätze. Zur Bewältigung dieser doppelten Führungsaufgabe werden ihm drei Abteilungen unmittelbar zugeordnet: „Planung“, „Führung Streitkräfte“ sowie „Strategie und Einsatz“.

Die operative und taktische Einsatzführung verlagern wir weitgehend in das Einsatzführungskommando. Der bisherige Dualismus zwischen einem Einsatzführungsstab im Ministerium und einem Einsatzführungskommando außerhalb des Ministeriums wird abgeschafft.

Der Generalinspekteur wird mit alledem Befugnisse haben, wie kein Generalinspekteur vor ihm. Auch international ist unser „CHOD“ stark im Vergleich zu vielen NATO-Partnern. Ich halte das für richtig und auftragsangemessen.

Zum zweiten Punkt:

Die Führungsfähigkeit der Inspekteure wird dadurch gestärkt, dass sie künftig klar an der Spitze ihrer eigenen militärischen Organisationsbereiche stehen. Sie sind die „Force Provider“.

Die Doppelfunktion als militärische Führer und als ministerielle Abteilungsleiter war früher vielleicht richtig. Heute wirkt es eher wie eine wechselseitige Behinderung. Die Inspekteure sollen mehr Soldaten als Abteilungsleiter sein.

Die Auslagerung aus dem Ministerium stärkt die militärischen Kommandos in ihrer Eigenständigkeit und erhöht die Identität stiftende Kraft der Teilstreitkräfte und Organisationseinheiten, ohne dass sie das streitkräftegemeinsame Denken aufgeben. Führung und Verantwortung liegen bei den Inspekteuren künftig in einer Hand.

Zum dritten Punkt:

Viele Angehörige der Bundeswehr definieren sich über ihren Status als Zivilist oder als Soldat – oft in Abgrenzung gegenüber der vorherrschenden sozialen Umgebung.

Zweifellos gibt es Unterschiede zwischen dem Dienst von Zivilisten und dem Dienst der Soldaten. Doch wir alle sind die EINE Bundeswehr. Ich möchte erreichen, dass dies die gemeinsame Grundlage unseres Dienstes ist und daraus eine gemeinsame Identität wächst.

Nehmen wir uns daher die Worte zu Herzen, die uns mein Amtsvorgänger Franz Josef Strauß bereits vor über fünfzig Jahren, im Mai 1961, zum Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Stellen ins Stammbuch schrieb: "Hier geht es aber nicht um die Frage der rechtlichen Zuständigkeiten, hier geht es auch nicht um die Frage von Rivalitäten, hier geht es auch nicht um die Frage der Priorität des einen oder des anderen, sondern um die Erfüllung der gemeinsamen Aufgabe.“ - 220 - "Ich teile diese Haltung. Wir alle sollten sie teilen. Nun gilt es, sie zu leben. Dazu werden die Abteilungen im Ministerium sowie die weiteren Behörden und Dienststellen im Ressort künftig verstärkt „gemischt“ mit militärischem und zivilem Personal besetzt.

Damit nutzen wir ein Potential, das es in so großem Umfang nur in der Bundeswehr gibt: Während die Qualifikation unseres militärischen Personals durch häufige Verwendungs- und Standortwechsel geprägt ist, weisen unsere zivilen Mitarbeiter in ihren Verwendungen einen hohen Grad an Erfahrung und Spezialisierung auf.

Wir brauchen Beides und zwar zusammen! Nur so kommen wir im Rahmen der Neuausrichtung zu effizienten Verfahren und effektiven Strukturen.

Dazu gehört auch die Neuregelung der für mich bisher merkwürdig anmutenden Stellung von Soldaten außerhalb der Streitkräfte, insbesondere in Behörden und in Dienststellen der Bundeswehrverwaltung. Auch hier gehen wir neue Wege. Soldaten in den Dienststellen der Bundeswehrverwaltung werden künftig organischer Teil der Dienststelle. Sie stehen damit in allgemeinen dienstlichen Unterstellungsverhältnissen entsprechend dem jeweiligen organisatorischen Behördenaufbau. Diese Soldaten werden durch den Leiter der jeweiligen Behörde oder Dienststelle geführt oder führen selbst auf dieser Grundlage, wenn sie eine Leitungsfunktion innehaben. Ihre soldatischen Rechte und Pflichten bleiben davon natürlich ebenso wie die Zuständigkeit für deren Personalführung unberührt. Damit wird das bundeswehrgemeinsame Denken auch hier zum Führungsgrundsatz.

Ähnliches gilt auch für die Bereiche Personal, Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung sowie für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen.

Der Abteilungsleiter Personal verantwortet künftig den Personalprozess im Sinne eines bundeswehrgemeinsamen Ansatzes, also gemeinsam für Soldaten und Zivilisten.

Der Abteilungsleiter Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung trägt die Gesamtverantwortung für den neuen Ausrüstungs- und Nutzungsprozess sowie für die IT-Strategie der Bundeswehr.

Der Abteilungsleiter Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen trägt die Gesamtverantwortung für das Liegenschaftswesen der Bundeswehr im In- und Ausland sowie im Einsatz einschließlich aller damit verbundenen Dienstleistungen.

Meine Damen und Herren,

Organigramme und Erlasse sind wichtig. Aber die Neuausrichtung ist mehr und sie verlangt mehr: Einen tiefgreifenden Mentalitätswandel. Wir brauchen wieder eine Organisationskultur, die diejenigen belohnt, die Mut beweisen und Verantwortung übernehmen. Wir brauchen wieder eine Kultur der Verantwortung, die sich durch selbstständiges Arbeiten und gute Führung auszeichnet.

Wir verlangen den Angehörigen unserer Bundeswehr viel ab. Ich will Ihnen das anhand eines Beispiels aus der Geschichte unserer Bundeswehr aufzeigen: Die 1978 eingesetzte „Kommission zur Stärkung der Führungsfähigkeit und Entscheidungsverantwortung in der Bundeswehr“ stellte im Rahmen ihrer

- 221 - Untersuchungen eine – ich zitiere – „Neigung zu kleinlichem Absicherungsverhalten“ fest.

In ihrem Bericht vom Oktober 1979 schlug sie in der „Empfehlung Nr. 34“ entsprechend vor: „Die Neigung zur kleinlichen Absicherung muß, von oben beginnend, abgebaut werden.“ Das Ministerium reagierte im Juli 1981: „Im Rahmen der Untersuchungen zu den Ursachen der Neigung zur kleinlichen Absicherung sind zwei wissenschaftliche Gutachten erstellt worden, deren Inhalt im Bundesministerium der Verteidigung berücksichtigt wird. Die Empfehlung Nr. 34 wird langfristig weiterverfolgt.“– Zitat Ende.

Die Zeiten haben sich hoffentlich geändert. Sie werden sich ändern müssen. Dafür zähle ich auf Sie als Führungskräfte und auf Ihre Kraft zu guter Führung. Ich will Ihnen zum Schluss anhand von fünf Beispielen oder Maßstäben erläutern, was ich mit „guter Führung“ meine. Das, was ich hier vortrage, ist im Kern mit „Führen mit Auftrag“ immer gemeint und gemeint gewesen. Manches ist dabei durch „Absicherung von oben“ und „Absicherung von unten“ verdunstet. Trauen wir uns wechselseitig zu, uns so zu verhalten, wie es gelernt und gelehrt wird in der Bundeswehr.

1. Führen durch Vorbild

In der Bundeswehr gilt die Autorität des Amtes und des Dienstranges viel. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Führungsfähigkeit und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Das ist auch mehr als Tradition. Das ist notwendig. Schwarmintelligenz und kollektives Mitbestimmen sind ungeeignet, um die Bundeswehr zu führen. Führung muss in einer Armee Gefolgschaft verlangen können, natürlich das Recht auf Widerspruch in Ausnahmesituationen eingeschlossen.

Gute Führung verlangt aber, dass zur institutionellen Autorität die persönliche Autorität hinzutritt. Dafür ist entscheidend, dass unsere persönliche Diensthaltung und Leistung von den Mitarbeitern und Untergebenen jedenfalls im Großen und Ganzen als vorbildlich aufgefasst wird.

Führen durch Vorbild, das ist anstrengend. Das ist im Alltag auch zu viel verlangt. Vorgesetzte, unser Führungspersonal, müssen keine Heiligen sein. Auch der Umgang mit Fehlern kann ein Vorbild bewirken.

Entscheidend ist, dass sich die Vorgesetzten in entscheidenden Situationen als Vorbild begreifen, also an die Sache und nicht zuerst an sich selbst denken, andere mitziehen und sich nicht zuerst in Sicherheit bringen, wissen, was für die eigenen Leute wichtig ist. In diesem Sinne ist Führen durch Vorbild nicht unmöglich, sondern unentbehrlich.

2. Führen durch Führung

Das mag auf den ersten Blick merkwürdig klingen. Aber Führungspositionen bringen es oft mit sich, dass ihre Inhaber nach kurzer Zeit glauben alles besser zu wissen. Diesem Trugschluss ist schwer zu widerstehen. Dennoch sollten wir verhindern, dass Führung dazu verkommt, alles am Ende am besten selbst zu machen. Führen heißt, Andere machen zu lassen, Anderen Erfolg zu gönnen, Anderen aus der Patsche zu helfen. Führung soll steuern, nicht rudern.

- 222 - Führen durch Führung hat zum Ziel, nicht nur auf das Ergebnis, sondern auch auf den Weg dorthin zu schauen. Gute Führung verlangt Kommunikation, Konfliktfähigkeit und Konsensbereitschaft. Und sie verlangt eine regelmäßige und aufrichtige, auch selbstkritische Nachbetrachtung der Ergebnisse und der Prozesse.

3. Führen durch Handeln

Jeder militärische Führer unter Ihnen weiß, was ich damit meine. Und als Minister weiß ich von meinen Besuchen bei der Truppe: Die Soldaten wollen mehr Taten als Worte. Da sind die Soldaten wohl nicht alleine. Die allgemeine Geschwätzigkeit in unserer Gesellschaft geht vielen Menschen zunehmend auf den Geist. Führung muss sich in Entscheidungen und Taten manifestieren, wenn sie dauerhaft respektiert werden will.

Einschätzungen, Beratungen, Bedenken, alles das ist wichtig, gerade auch in einem Ministerium, reicht aber nicht aus. Von Führungskräften werden Bewertungen und Handeln verlangt. Eine solide Bewertung umfasst immer auch ein Urteil und trifft damit eine Entscheidung.

4. Führen durch Vertrauen

Auch hierzu hat Helmut Schmidt 1966 etwas Bemerkenswertes gesagt: „Da wird in akribischer Weise angewiesen und befohlen, die oft den uns Deutschen nachgesagten Hang zum Perfektionismus in schönster Weise bestätigt. Dagegen lehrt man jedoch an Offizierschulen und auf der Führungsakademie die großen Vorzüge der Auftragstaktik“.

Klar ist: Militärische Befehlsketten können nicht alleine auf Vertrauen angewiesen sein. Es macht den militärischen Dienstalltag des Soldaten aus, klar formulierte Aufträge zu erfüllen. Die Bedingungen für ministerielle Arbeit und Verwaltungshandeln sind anders: Da kann mehr Spielraum gegeben werden. Im Gegenzug ist aber auch in stärkerem Maße kreative Mitarbeit gefragt. Auch das gelingt nur in einem Klima des Vertrauens. Dieses Klima müssen wir als Führung gestalten – von oben nach unten, von unten nach oben, im Ressort und in die Bundeswehr.

Dieses Klima können wir etwa dadurch befördern, einmal nicht die abschließende Antwort zu formulieren, sondern eine Frage zu stellen. Fragende Vorgesetzte signalisieren Zutrauen, schaffen Motivation, ermutigen zur Mitverantwortung. Eine Bundeswehr, die gleichzeitig Neuausrichtung und Einsätze bewältigt, braucht Führungskräfte, die Fragen stellen. Vertrauensvolle Führung über Fragen muss auch fehlerhafte Antworten zulassen. Oder um es mit den Worten der Heeresdienstvorschrift 100/100 zu sagen: „Führen mit Auftrag setzt die Bereitschaft der bzw. des Vorgesetzten voraus, das Auftreten von Fehlern in der Durchführung hinzunehmen.“ Führung durch Vertrauen akzeptiert Fehler, weil sie um den Mehrwert an Erfahrung weiß. Aus Fehlern zu lernen heißt, an Erfahrung dazu zu gewinnen.

Ich rede hier nicht über blindes Vertrauen. Aufsicht, Kontrolle, Strenge – alles das muss sein. Es geht mir um die grundsätzliche Haltung zu den anvertrauten Menschen. Meine Überzeugung ist: Misstrauen schwächt Leistung und Charakter. Vertrauen stärkt Leistung und Charakter.

- 223 - 5. Führen durch Lob

Der richtige Umgang mit Lob zeichnet eine erfahrene Führungskraft aus. Viel zu oft – in Armeen auf der ganzen Welt – gilt jedoch: „Keine Kritik ist das größte Lob“. Sicher, der Dienst in der Bundeswehr ist keine Schönwetter-Veranstaltung. Aber gerade deshalb empfiehlt sich auch für die Bundeswehr das Prinzip Führen durch Lob.

Zu Recht fordern wir von der Gesellschaft Anerkennung für den Dienst, den die Mitarbeiter der Wehrverwaltung und die Soldaten hier in der Heimat und in den Einsätzen leisten. Diese Wertschätzung kann, sie muss dann aber auch bereits bei uns beginnen, - im Ministerium - und an jedem einzelnen Standort der Bundeswehr. Lob soll nicht alltäglich sein. Lob soll nicht schmeicheln. Lob soll nicht unehrlich sein. Lob muss auch differenziert sein. Lob kann persönlich ausgesprochen werden, aber auch „vor der Front“.

Ich rede hier nicht von Lobhudelei, die von Kommunikationsberatern zur besseren Stimmung in einem Betrieb empfohlen wird. Ich meine mit Führen durch Lob vielmehr, die Leistung anderer klug und differenziert anzuerkennen – insbesondere die Leistung von Untergebenen. Eine gute Konzeption zur Personalentwicklung gehört natürlich auch dazu.

Meine Damen und Herren, auch die Leistung, die Sie, die wir auf dem bisherigen Weg der Neuausrichtung gemeinsam erbracht haben, verdient ein Lob und Anerkennung. Wir haben unsere Ziele gemeinsam definiert. Wir haben die notwendigen Entscheidungen gemeinsam getroffen. Jetzt ist es unsere Aufgabe, die Umsetzung gemeinsam voranzutreiben.

Am 1. April tritt der Erlass, den ich heute hier in Dresden unterzeichnet habe, in Kraft. Am 1. April beginnt das Bundesministerium der Verteidigung in neuer Struktur zu arbeiten. Gleichzeitig werden im Rahmen der Realisierungsplanung zur Neuausrichtung an allen Ecken und Enden, für alle Behörden und Organisationen, vor allem aber für die Menschen in unser Bundeswehr verschiedenste Veränderungen durchgeführt.

Dabei gilt es, das richtige Maß zu finden zwischen Schnelligkeit und Sorgfalt. Ja, ich erkenne eine gewisse Unsicherheit. Nach dem enormen Tempo der Entscheidungsschritte im letzten Jahr erweckt die bisherige Umsetzung den Anschein, langsamer vonstatten zu gehen. Das stimmt aber nicht. Die Planung für hunderttausende Menschen und eine Vielzahl von Behörden ist ein komplizierter Prozess, der nicht spektakulär ist, sondern mühselige Umsetzungsschritte verlangt.

Dafür brauchen wir Geduld bei den Betroffenen, verbunden mit harter Arbeit bei den „Planern“. Vor allem aber brauchen wir dafür Vorgesetzte und Führungspersonal, die diesen Weg erklären. Meine Erfahrungen der letzten Wochen ist: Überall da, wo die Entscheidungen zur Neuausrichtung gut erklärt werden, werden sie auch akzeptiert. Dort, wo das allerdings nicht der Fall ist, gibt es Kritik und Unverständnis. Das zeigt: Führung ist nötig. In der jetzigen Situation mehr denn je. Führung ist möglich. Mit dem heutigen Erlass mehr als bisher. Im Letzten kommt es auf jeden Einzelnen von Ihnen, von uns an. Werden wir unserer Führungsverantwortung gerecht! So dienen wir Deutschland am besten.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung - 224 - Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 29. Mai 2012

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FASZ): Herr de Maiziere, Ihr Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Aussetzung der Wehrpflicht durchgesetzt, um Geld zu sparen. Jetzt wird die Bundeswehrreform viel teurer als geplant. Warum?

Thomas de Maizière: Den Begriff der Reform benutze ich nicht. Er ist in Misskredit geraten, viele Menschen verbinden damit eine Verschlechterung.

FASZ: Es gibt also gar keine Bundeswehrreform? de Maizière: Es gibt eine Neuausrichtung.

FASZ: Und die wird immer teurer? de Maizière: Nein. Es geht auch nicht nur ums Geld. Das Begrenzende ist die Demographie. Wir haben weniger junge Menschen, also auch weniger Rekrutierungsmöglichkeiten für die Streitkräfte. Das schränkt uns mehr ein als die Finanzen. Dann müssen wir uns an das veränderte sicherheitspolitische Umfeld anpassen, vor allem an die Auslandseinsätze. Erst an dritter Stelle kommt die Bedingung, dass alles finanzierbar bleiben muss.

FASZ: Also war der Gedanke von Anfang an falsch, mit der Aussetzung der Wehrpflicht Geld zu sparen? de Maizière: Ich will nicht zurückschauen. Es gab ein grundsätzliches Problem: Die Bundeswehr hatte zu viele Aufträge und zu wenig Mittel, um sie zu erfüllen. Das kann man lösen, indem man die Mittel dem Auftrag anpasst oder den Auftrag den Mitteln. Mein Ansatz ist: Wir beschäftigen uns erst mit dem Auftrag, dann werben wir die nötigen Mittel ein. In dieser Reihenfolge. Eine Sicherheit nur nach aktueller Haushaltslage wäre für das Land fatal. Aber genauso gilt: Ein Auftrag, der nicht finanziell untersetzt ist, wäre eine Luftbuchung.

FASZ: Ohne Wehrpflicht wird es nicht billiger? de Maizière: Die Frage ist falsch gestellt. Ohne Wehrpflicht können wir unser Personal besser einsetzen. Die zuletzt 55.000 Wehrpflichtigen haben allein 20.000 Ausbilder gebunden. Diese Soldaten standen für Einsätze gar nicht zur Verfügung.

FASZ: Die Kosten für jeden Soldaten, der im Auslandseinsatz ist, sind bei uns immer noch viel höher als im Nato-Durchschnitt. de Maizière: So können Sie nicht rechnen. Einsätze sind unterschiedlich teuer. Wir wissen im Voraus auch nicht, in welche Einsätze wir künftig gehen. Trotzdem müssen wir darauf vorbereitet sein. Wenn wir zum Beispiel Afghanistan bis oder nach 2014 betrachten, sinkt die Zahl der Einsatzsoldaten - nicht aber die Zahl der einsatzbereiten Soldaten. Wir wollen es nicht wieder so machen wie zu Beginn des Afghanistan-Einsatzes. Dort sind wir mit teils mangelhafter Ausrüstung hineingegangen und haben die Mängel nach und nach behoben. Im Lehrbuch steht so etwas nicht.

- 225 - FASZ: Auf dem Nato-Gipfel in Chicago ging es diese Woche um den Abzug aus Afghanistan, der bis 2014 vollzogen sein soll. Wie teuer wird der Einsatz für Deutschland am Ende gewesen sein? de Maizière: Ich halte den Begriff Rückverlegung für treffender. Im Übrigen haben wir auch darüber gesprochen, wie unser Engagement in Afghanistan nach 2014 aussehen könnte. Jetzt also über Kosten zu sprechen ist Kaffeesatzleserei. Wichtig ist aber, dass unsere Mühen und Opfer nicht umsonst waren.

FASZ: Kommen Sie denn mit dem erhöhten Etat jetzt aus, den Ihnen der Finanzminister spendiert hat? de Maizière: Der Etat ist nicht erhöht. Für das Jahr 2013 steht zwar mehr Geld im Plan. Damit bezahlen wir aber zum allergrößten Teil Mieten, die wir für unsere Liegenschaften an den Finanzminister abführen müssen. Netto haben wir im nächsten Jahr ungefähr so viel Geld wie in diesem. Damit liegen wir etwa in der Größenordnung von Frankreich oder Großbritannien, ohne deren Atomstreitmacht. Und da gehören wir auch hin.

FASZ: Immerhin: Sie müssen nichts einsparen. de Maizière: Auch das stimmt nur auf dem Papier. Wir sind ein sehr personalintensives Ressort. Das eigentliche Problem sind die Versorgungslasten für ausgeschiedenes Personal. Das Personal, das wir jetzt abbauen, müssen wir weiter bezahlen. Wir gewinnen also nur die Differenz zwischen dem aktiven Gehalt und dem Ruhegehalt.

FASZ: Das liegt auch daran, dass Sie sehr gute Abfindungen anbieten. Die Schlecker-Frauen mussten sich selbst nach einem neuen Job umschauen. Warum gilt das für Soldaten nicht? de Maizière: Diesen Vergleich können Sie nicht ziehen. Beamte und Soldaten haben einen anderen Status als die Verkäuferin bei Schlecker. So stehen in unserer Jobbeschreibung auch Auslandseinsätze.

FASZ: Wann sind Sie so weit, dass Sie eine Armee führen wie ein Wirtschaftsunternehmen? de Maizière: Wer fordert denn so etwas?

FASZ: Unter Rot-Grün gab es diesen Wunsch. Ihr Vorgänger Rudolf Scharping hat dafür eine Privatisierungsagentur gegründet. de Maizière: Die Art, wie wir heute über Privatunternehmen Bekleidung beschaffen, funktioniert sicher besser als früher. Aber damals gab es die Idee, dass man damit sogar Gewinne in Milliardenhöhe erzielt. Davon ist nichts eingetreten.

FASZ: Eine Armee ist kein Unternehmen? de Maizière: So ist es. Zwar gibt es durchaus Vergleichbares. Die Logistik für Nachschub, Transport und Instandsetzung funktioniert ähnlich wie bei einer großen Versandfirma. Aber Verteidigung ist eine hoheitliche Aufgabe. Unsere Ausrüstungsgegenstände müssen immer verfügbar sein. Den Streik eines Zulieferers - 226 - können wir uns nicht leisten, die europäische Arbeitszeitrichtlinie kann im Falle der Verteidigung nicht gelten. Und ein Stahlheim für Soldaten muss nicht seinem Hersteller gute Gewinnmargen bringen, sondern den Soldaten im Einsatz schützen.

FASZ: Auch ein Transporthubschrauber ist nicht in erster Linie dafür da, dass sein Hersteller daran verdient? de Maizière: Ja. Ich habe persönlich in die Verteidigungspolitischen Richtlinien hineingeschrieben: Wir bestellen, was wir brauchen - und nicht das, was uns angeboten wird. Das sage ich auch der deutschen Rüstungsindustrie. Das ist neu, das wird auch zu Konflikten führen, aber das ist so.

FASZ: Wollen Sie Aufträge international ausschreiben, statt wie bisher automatisch bei deutschen Herstellern zu kaufen? de Maizière: Erst mal halte ich fest: Wir schreiben aus. Wenn wir wieder Geld haben, Großgerät zu bestellen, ist die Wertschöpfung in Deutschland ein wichtiges Argument. Aber ganz sicher nicht das entscheidende. Entscheidend ist, dass Qualität und Preis so sind, wie wir es brauchen. Leider ist im Moment die Lage so, dass es alte Verträge für Großgeräte gibt, die wir in dieser Anzahl gar nicht mehr brauchen. Hier sind wir mit den Firmen über Änderungen im Gespräch.

FASZ: Gibt es da schon Fortschritte? de Maizière: Mit einem Hersteller sind wir schon so weit, dass wir im Juni wohl zu einem Abschluss kommen können.

FASZ: Wird die Armee langfristig noch weiter schrumpfen müssen? Der Bundeswehrverband spricht schon von 140.000 Soldaten, das wären 30.000 weniger als jetzt geplant. de Maizière: Es gilt, dass wir eine Struktur für 170.000 Zeit- und Berufssoldaten haben. Wenn Sie die Zahl der Soldaten die in Ausbildung sind oder für Ausbildung zur Verfügung stehen, abziehen, dann kommen Sie rechnerisch auf 140.000. Armee ohne Ausbildung geht nicht.

FASZ: Bekommen Sie ohne Wehrpflicht überhaupt genug Personal? de Maizière: Auch hier ist die Rechnung ganz einfach. Bei 170.000 Soldaten müssen wir jedes Jahr 15.000 Rekruten neu einstellen, ohne die freiwilligen Wehrdienstleistenden. Weil wir nicht jeden nehmen wollen, brauchen wir 45.000 Bewerber. In jedem Jahrgang gibt es rund 310.000 bis 320.000 junge Männer. Wenn Sie zehn Prozent Frauen hinzuzählen, was international ein guter Wert ist, sind Sie bei 350.000. Davon müsste sich also jeder Achte bei uns bewerben.

FASZ: Das ist nicht sehr realistisch. de Maizière: Es ist ehrgeizig, aber möglich.

FASZ: Es fällt auf dass Sie vor allem im Westen Deutschlands Standorte schließen und Ihre Präsenz im Osten weitgehend erhalten. Weil es dort viele arbeitslose Jugendliche gibt, die einen Job suchen?

- 227 - de Maizière: Wir sagen doch nicht: Je höher die Arbeitslosigkeit, desto besser für die Rekrutierung. Wir schöpfen nicht dort, wo die Menschen keine andere Arbeit finden. Wir brauchen die Geeigneten und die Besten, egal, wo sie geographisch herkommen. Deshalb sage ich einigen süddeutschen Ländern allerdings auch: Gemessen am Bevölkerungsanteil muss euer Anteil an der Rekrutierung höher sein. Im Übrigen sollten wir bei 18-Jährigen, die im vereinten Deutschland geboren sind, nicht mehr von Ost- und Westdeutschen sprechen. Sondern zum Beispiel von Sachsen oder Bayern.

FASZ: Wie auch immer Sie es nennen: Tatsache ist, dass Sie bei der Rekrutierung nirgends so erfolgreich sind wie im „Zentrum für Nachwuchsgewinnung Ost". de Maizière: In der Vergangenheit war das so. Aber seit ein, zwei Jahren hat ein Angleichungsprozess begonnen. Es wird ja immer ganz aufgeregt über die Zahl derjenigen diskutiert, die freiwilligen Wehrdienst leisten. Mindestens genauso wichtig ist aber, wie viele junge Leute als Zeit- und Berufssoldaten anfangen. Da sind die Zahlen nach wie vor sehr gut. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir brauchen auch mehr Menschen aus den großen Städten oder mit Migrationshintergrund.

FASZ: In einem enger werdenden Arbeitsmarkt bedeutet das: Sie müssen den Job attraktiver machen. de Maizière: Er ist doch schon sehr attraktiv. Ein freiwilliger Wehrdienstleistender geht mit rund 1.000 Euro pro Monat nach Hause. In meinem sächsischen Wahlkreis bekommt ein Lehrling in der Metallbranche anfangs 500 Euro. Dann kommt es darauf an, dass die jungen Leute auch gefordert werden und sich nicht über Gammelei beklagen. Schließlich fragen sich die Bewerber: Verbessert die Zeit bei der Bundeswehr meine beruflichen Optionen? Da können wir alleine wenig tun. Wenn die Arbeitgeber sagen: Ich nehme den Bewerber, der etwas für das Land getan hat und nicht nur für sich selbst - dann haben wir gewonnen.

FASZ: Eingangs sagten Sie, Reformen seien immer unbeliebt. Warum? de Maizière: Ein Grund ist, dass wir den Leuten oft nicht klar genug sagen, worum es geht. Nehmen Sie beispielsweise die Praxisgebühr für Artbesuche. Man kann als Regierung sagen: Das ist eine großartige Verbesserung, es stärkt die Eigenverantwortung des Patienten. Man kann aber auch sagen: Das Geld ist knapp, deshalb soll niemand ohne Not zum Arzt gehen. Ich bin für die zweite Variante. Man soll den Menschen klar sagen, welche Folgen eine Reform hat - vor allem aber, was passiert, wenn nicht gehandelt wird.

FASZ: Er gebt nicht darum, es besser zu machen - sondern zu verhindern, dass es schlechter wird? de Maizière: Wenn ich mir den Wortstamm des Begriffs „Re-form" anschaue, dann heißt das umformen, in eine neue Ordnung bringen.

FASZ: Oder auch: zurückführen.

- 228 - de Maizière: Auch das. Mit der Reform ist, schon vom Wort her, nicht zwingend eine fortschrittliche Verbesserung verbunden. In Zeiten von Frieden und Wachstum haben große Systeme eine automatische Tendenz zur Verfettung - ob es nun ein Ministerium ist, eine Armee, ein Renten- oder Steuersystem. Deshalb ist von Zeit zu Zeit eine „Re-form" nötig. Einen ständigen Transformationsprozess zu verlangen, halte ich für naiv. Man braucht manchmal ein gewisses Maß an Verkrustung, um die Einsicht zu eröffnen: So geht es nicht weiter. Das war ein zentrales Erfolgsrezept für die Agenda 2010, und bei der Neuausrichtung der Bundeswehr ist es ebenso.

Das Interview führten Ralph Bollmann und Eckart Lohse für die FASZ. Quelle: Homepage der Bundesregierung

Rede von Staatsminister Michael Link zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der UNIFIL-Mission vor dem Deutschen Bundestag in Berlin am 14. Juni 2012

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Bundesregierung begründet diesen Antrag natürlich dann, wenn der Bundestag ihn auf die Tagesordnung setzt, auch zu später Stunde – und dies aus Überzeugung.

Aber einen Wunsch an den Bundestag darf sie schon äußern – darin schließe ich mich dem Kollegen Bartels ausdrücklich an –, nämlich dass wir das zu einer früheren Tageszeit machen könnten. Wir denken, dass dieses Thema dort eher hingehören würde.

Keine Krise beschäftigt uns derzeit mehr als die in Syrien. Das Leid der Menschen in diesem immer blutigeren Bürgerkrieg und die unerträglichen Grausamkeiten, die das Regime von Präsident Assad Tag für Tag begeht, stellen die internationale Gemeinschaft derzeit vor extreme Herausforderungen.

Doch als wäre diese Krise für sich genommen noch nicht furchtbar genug, birgt sie zusätzlich die Gefahr, sich zu einem regionalen Flächenbrand auszuweiten.

Das Land, das hiervon vermutlich als Erstes betroffen wäre, ist der Libanon. Seit einigen Wochen bereits beobachten wir die Lage dort mit wachsender Sorge. Die jüngsten tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Alawiten in Tripoli und zwischen sunnitischen Gruppen in Beirut haben gezeigt, wie real die Gefahr eines Übergreifens des Konflikts in Syrien auf den Libanon ist, auch wenn die libanesische Armee die Situation wieder beruhigen konnte.

Außenminister Westerwelle, der letzte Woche in Beirut mit der libanesischen Führung zusammengetroffen ist, hat dort für eine Politik des inneren Ausgleichs geworben und Deutschlands Interesse an einem stabilen Libanon bekräftigt. Dieses Ziel verfolgt die Bundesregierung auf vielfältige Weise. Eine sehr wichtige Rolle kommt dabei auch der deutschen Beteiligung an der maritimen Komponente der VN- geführten Mission UNIFIL zu.

Die maritime Komponente von UNIFIL hat in den letzten Jahren einiges erreicht: Die Sicherung der libanesischen Seegrenzen verläuft effizient und zuverlässig. Die

- 229 - Präsenz der UNIFIL-Schiffe hat erheblich zur Stabilisierung der seeseitigen Grenzen des Libanon beigetragen.

Zugleich ist der Ausbildungsstand der libanesischen Marine deutlich verbessert. Diese ist nun in der Lage, die Seegrenzen mit neuer Radartechnik zu überwachen, und hat neue Fähigkeiten auf dem Meer erworben.

Dazu haben wir nicht nur entscheidende Ausbildungshilfe geleistet, sondern auch die entsprechende Ausstattungshilfe.

Hier bleibt noch vieles zu tun; das ist unbestritten. Aber wir haben erhebliche Verbesserungen erzielt. Das ist besonders das Verdienst der Soldatinnen und Soldaten der deutschen Marine. Hierfür gilt ihnen Dank, Respekt und Anerkennung.

Deshalb beantragt die Bundesregierung die Verlängerung des UNIFIL-Mandats um ein weiteres Jahr. Personalobergrenze, Einsatzgebiet und Aufgabenbeschreibung bleiben unverändert. Es gilt, das bislang Erreichte zu sichern und darauf aufzubauen. Der bisherige Ansatz für die maritime Komponente ist weiterhin richtig. Die deutsche Beteiligung an UNIFIL bleibt eingebettet in das politische, wirtschaftliche und sozial- ökonomische Maßnahmen umfassende Engagement der Bundesregierung für den Libanon und die Gesamtregion.

UNIFIL ist mit seiner Landkomponente und auch mit der maritimen Komponente mehr denn je ein stabilisierendes Element in einer Region, die immer mehr von Instabilität gefährdet wird. Dem Libanon, der in den 80er-Jahren zum traurigen Inbegriff eines von ethnischreligiösen Konflikten zerrissenen Landes wurde, droht nun ein erschreckendes Szenario: Genau diese Art von Konflikten könnte aus dem Nachbarland Syrien wieder über den Libanon hereinbrechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verurteilen in aller Schärfe die Verbrechen, die das syrische Regime an seiner eigenen Bevölkerung begeht und geschehen lässt.

Ich möchte an dieser Stelle auf die aktuellen Tickermeldungen verweisen, die uns ganz besonders beunruhigen. Darin ist davon die Rede – bei aller Vorsicht, die bei Tickermeldungen geboten ist, muss man doch zumindest die entsprechende Sorge haben –, dass die syrische Armee aktuell widerstandsfreie Gebiete in größerem Maßstab schaffen will. Das lässt Schlimmstes befürchten. Auch hier müssen wir klar und deutlich auf die Gefahren hinweisen und das Regime von Assad zum Stoppen bewegen.

Darüber hinaus dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, dass Syrien noch mehr droht – nämlich in einen Teufelskreis ethnisch und religiös geprägter Gewalt zu geraten.

Die Massaker in syrischen Dörfern, die uns in den letzten Wochen so erschüttert haben, fanden auch an der Trennlinie zwischen den Konfessionen statt. Der Konflikt zwischen Sunniten und Alawiten wurde erwähnt. Es ist möglich, dass hier auch untergeordnete lokale Motive eine Rolle spielen. Das entbindet die Regierung in Damaskus aber in keiner Weise von ihrer Verantwortung, zumal die reguläre syrische Armee offenkundig an den Massakern jeweils zumindest beteiligt war.

Wenn aber das, was als politisches Aufbegehren gegen diktatorische Unterdrückung begonnen hat, nun in einen Bürgerkrieg entlang konfessioneller Linien führt, dann - 230 - wird dieser Konflikt noch viel schwerer zu beenden sein, als es ohnehin schon der Fall ist. Dies alles sollte bedacht werden, bevor vorschnell eine militärische Intervention in Syrien gefordert wird.

Derartige Forderungen untergraben im Übrigen den politischen Prozess. Wir brauchen keine Diskussionen um scheinbare militärische Optionen, sondern verstärkte Anstrengungen auf dem politisch-diplomatischen Weg. Er allein kann zu einer Lösung führen.

Wie diese Lösung aussehen wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Doch eines ist schon jetzt klar: Wie immer der Konflikt in Syrien in den nächsten Wochen konkret weitergeht, er wird sich auf die gesamte Region auswirken. Syrien grenzt unmittelbar an die Türkei, den Irak, an Jordanien, Israel und den Libanon.

Allein das zeigt die Dimension des Konflikts – um von anderen schwierigen Nachbarn in der weiteren Region gar nicht zu reden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung bleibt dem politisch- diplomatischen Weg verpflichtet, auch wenn wir auf diesem Weg nicht so schnell vorankommen, wie wir uns dies wünschen. Umso wichtiger ist es, dass wir alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, um die Staaten der Region, der unmittelbaren Nachbarschaft zu unterstützen und zu stabilisieren.

Der Außenminister hat dies in den letzten Wochen bei zahlreichen Reisen in die Region intensiv getan und dafür auch bereits sehr viel Unterstützung gerade aus der Region heraus erfahren. Die Bundesregierung wird exakt diesen Weg fortsetzen.

Ich komme zum Schluss. – Die UNIFIL-Mission leistet einen in der jetzigen Lage nicht ersetzbaren Beitrag. Deshalb wollen wir sie fortsetzen. Die Vereinten Nationen und in seltener Einigkeit auch alle – ich betone ausdrücklich: alle – regionalen Akteure, einschließlich Israel, haben den deutschen Beitrag zur maritimen Komponente von UNIFIL immer wieder gewürdigt und uns gebeten, an diesem Weg festzuhalten. Genau das werden wir tun. Wir bitten um Ihre Unterstützung.

Quelle: Homepage des Auswärtigen Amtes

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