Wanda Landowska Bevorzugt Als Interpretin
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Landowska, Wanda Wahrheit war die Bemerkung an den Cellisten Pablo Ca- sals adressiert, wobei Landowska in einer Diskussion über die Ausführung von Bachschen Verzierungen bei ei- nem musikalischen Treffen in Banyuls-sur-Mer im Juni 1941 wortwörtlich sagte: “… ne discutons pas davantage. Continuez a jouer Bach a votre façon et moi, a sa façon”. (The Oxford Dictionary of American Quotations, hg. von Hugh Rawson, Margaret Miner, 2. Auflage. New York: Oxford University Press, 2006. S. 66.) Inhaltlich bildet der Satz durchaus einen Widerspruch zu Landowskas ei- gener Auffassung von Interpretation in späteren Jahren: „When I play, there is always a frame, although I do not care any longer about the rules of interpretation.“ (Wan- da Landowska, Being an Interpreter [1950er Jahre]. In: Denise Restout (Hg.). Landowska on Music. New York: Stein and Day 1964, S. 407.) Profil Trotz ihrer vielfältigen Begabungen und Aktivitäten sah sich Wanda Landowska bevorzugt als Interpretin. In Le- bensläufen, die von ihr autorisiert wurden, blieben ihre Bestrebungen, sich in jungen Jahren als Komponistin zu Die Cembalistin und Pianistin Wanda Landowska. etablieren, stets ausgelassen. Stattdessen betonte sie die frühe Begeisterung für die Alte Musik und nicht zuletzt Wanda Landowska für Johann Sebastian Bach. Die Basis für diese lebenslan- ge Beschäftigung und damit verbunden das Interesse für * 5. Juli 1879 in Warschau, Polen das damals in Vergessenheit geratene Cembalo war be- † 16. August 1959 in Lakeville, Connecticut, USA reits in Wanda Landowskas Kindheit und Jugend in War- schau und Berlin erkennbar. Dennoch liegen aus der Ber- Cembalistin, Pianistin, Komponistin, Cembalo- und liner Zeit und den Anfangsjahren in Paris zahlreiche Klavierpädagogin, Konzertveranstalterin, Kompositionen vor, die in Stil und Form der spätroman- Musikforscherin, Musikschriftstellerin, Professorin für tischen Tradition zuzuschreiben sind. Die Klavierstücke Cembalo, Pionierin der Alte-Musik-Bewegung, aus dieser Zeit dürften jedoch ausschließlich von ihr selb- Korrespondentin st zum Erklingen gebracht worden sein. Als Landowska ab ca. 1903 das Komponieren gegenüber Zahlreiche Anekdoten sind im Zusammenhang mit Lan- dem Musizieren, bevorzugt auf dem Cembalo, zurücktre- dowskas künstlerischem Umfeld, überliefert, oft werden ten ließ, sah sie sich durchaus einer weiblichen und sie fälschlich ge- und be-nützt, wie z.B. der Satz: männlichen Konkurrenz gegenübergestellt, die ebenfalls vermehrt das Cembalo dem Klavier vorzog. Doch keine „You play Bach your way and I’ll play him his way.“ der Cembalistinnen (und Cembalisten) setzte sich in („Sie spielen Bach auf Ihre Weise, ich spiele ihn auf seine dem Ausmaß wie Wanda Landowska zum Ziel, das Cem- Weise.“) balo als Soloinstrument zu etablieren. Tatsächlich sind – Wanda Landowska, 1941 abgesehen von einigen Ausnahmen – die meisten Kon- zertauftritte der Landowska als Soloabende zu werten. Angeblich hätte Landowska diese Aussage ihrer Konkur- Vergleichsweise selten war Landowska mit ihrem Cemba- rentin, der Pianistin und Bach-Interpretin Rosalyn Tu- lo in Aufführungen mit Kammer- oder Orchestermusik rek (1913-2003) gegenüber geäußert, sie diente somit vertreten. Von Anfang an, bereits ab 1904, war sie jedoch der Nachwelt dazu, die Konkurrenz unter den Musikerin- als „die“ Bach-Interpretin bekannt. nen der damaligen Zeit zum Ausdruck zu bringen. In In der Verfolgung ihres Zieles, das Repertoire der Vergan- – 1 – Landowska, Wanda genheit dem an virtuose Musikpräsentationen gewöhn- durch das Nazi-Regime und der Flucht in die USA im ten Publikum durch ihre spezielle Zugangsweise als neu Jahre 1941 beschränkte sich Landowskas Konzert- und zu entdeckende Musik zu präsentieren, war Wanda Lan- Unterrichtstätigkeit auf Nordamerika. dowska kompromisslos von ihrer künstlerischen Beru- Biografie fung geleitet, wenngleich sie ihr Terrain förmlich ero- bern und harte Kritik einstecken musste. In Bezug auf Wanda Landowska wurde als Tochter des Rechtsanwalts die Verwendung von historischen Instrumenten ging sie Marian Landowski (?-1916) und der Übersetzerin Ewa jedoch sehr wohl - und aus heutiger Sicht - gewagte Kom- Landowska geb. Lautenberg (1859-1925) in Warschau, promisse ein, denn sie arbeitete stetig an der „Verbesse- damals Russland geboren. Die Familie, zu der auch die rung“ des modernen Cembalos. In den Jahren 1904 und Brüder Paul (1882-1937) und André gehörten, war katho- später spielte Landowska auf einem Instrument der Fir- lisch mit jüdisch-polnischen Wurzeln. Wanda wuchs in ma Pleyel, wie es auch von anderen Cembalisten und einem kulturfördernden Umfeld auf und zeigte schon als Cembalistinnen der damaligen Zeit, zumindest seit des- kleines Mädchen große Begabung für die Musik. Im Alter sen Einsatz bei der Pariser Weltausstellung 1889, verwen- von vier Jahren fiel sie bereits durch ihr Klavierspiel auf. det wurde (vgl. Elste 2010 und Battault 2011). Bald ent- Wanda Landowska war in Warschau zunächst Schülerin sprach dieses Instrument jedoch nicht mehr Landowskas von Jan Kleczyński (1837-1895), dann von Aleksander Ansprüchen und idealen Klangvorstellungen. Wanda Michałowski (1851-1938). Neben der intensiven Ausein- Landowska veranlasste daher die Firma Pleyel, ein Ins- andersetzung mit Frédéric Chopin, die ihre Lehrer einfor- trument zu konstruieren, das letzten Endes auch Kritik derten, zeigte Wanda schon in dieser Zeit großes Interes- am zu leisen und wenig nuancierfähigen Klang des Cem- se für die Musik Johann Sebastian Bachs. balos verstummen lassen sollte. Dieses „Grand Modèle de Concert“ (auch Landowska-Modell genannt) kam ab Ausbildung in Berlin 1912 zum Einsatz und begleitete Landowska auf ihren Ende 1895 setzte Wanda Landowska ihre Musikausbil- Konzertreisen und in die Emigration. Trotz der Präfe- dung in Berlin fort. Ihre Lehrer waren Heinrich Urban renz des Cembalos blieb Landowska jedoch auch dem (1837-1901) in Komposition und Moritz (Maurice) Mosz- Klavierspiel treu und mischte noch am Ende ihrer Karrie- kowski (1854-1925) im Klavierspiel. In dieser Zeit trat re z.B. Klavierwerke von Mozart in ihre Cembalo-Aben- Wanda immer wieder als Komponistin und Pianistin auf. de, in denen jedoch Werke des Barock dominierten. Ihre Kompositionen erschienen zum Teil im Druck. Die Konzertprogramme enthielten eigene Werke, spätroman- Orte und Länder tische Klavierstücke ebenso wie Werke von J.S. Bach. Wanda Landowskas erste Auftritte als Pianistin erfolgten In ihrem Bestreben, sich als Komponistin zu etablieren, in Warschau und Berlin, wo auch in den 1890er Jahren wurde sie offensichtlich von ihrer Mutter beraten und ihre ersten Kompositionen zur Aufführung gelangten. auch unterstützt. In Briefen, die an Edvard Grieg gerich- Die Laufbahn als Komponistin wurde ab 1900 in Paris tet waren, ging es darum, diesen zur Begutachtung der fortgesetzt, aber ab ca. 1903 von Solo-Auftritten mit dem von ihr vorgelegten Kompositionen zu bewegen: Nach ei- Cembalo abgelöst. Fortan erfolgte eine rege internationa- ner von Wanda Landowska verfassten Anfrage an Grieg le Konzerttätigkeit mit dem Cembalo, die Landowska und der Übersendung von „einigen Klavierstücken“, da- 1904 nach Deutschland und Österreich führte, 1907 und tiert 6. September 1897 (Vgl. Harer 2011), wandte sich 1909 nach Russland. Ab 1913 war Berlin künstlerischer auch die Mutter an den Komponisten: „ Sie [Wanda] Lebensmittelpunkt, bis sie 1920 wieder nach Paris zu- wohnt studienhalber in Berlin, Steglitzer 58, und weiss rückkehrte. In den folgenden Jahrzehnten gab es kaum nicht davon, dass ich so viel Muth fasste, mich an Sie ein Land, in dem Landowska nicht musizierte, auch nach grosser Meister zu wenden, in der Hoffnung Peer Gynts Südamerika und in die USA führten ihre ausgedehnten Verfasser wird doch einer Mutter zu verzeihen wissen! Konzertreisen. Mit der Etablierung ihrer „École de Musi- Ich bin fest überzeugt, dass Sie, wenn Sie diese jugendli- que Ancienne“ in Saint-Leu-la-Forêt bei Paris erfolgte ab che Componistin, Pianistin und Sängerin näher kennten, 1926 eine intensive pädagogische Tätigkeit, verbunden Sie von ihrer tiefen, grossen, durch und durch musikali- mit der Veranstaltung von Konzerten, sodass das Anwe- schen Seele überrascht sein würden; sie hat über 50 Lie- sen samt Musiksaal zum Magnet der an Alter Musik in- der geschrieben, von denen kein Einziges gemacht, aber teressierten Musikwelt wurde. Nach der Vertreibung alle glühend empfunden sind, Variationen für 1 und 2 – 2 – Landowska, Wanda Klaviere, Einiges für Streichorchester usf. lent.” („ […] ist sie eher Komponistin als Virtuosin oder Sollte Wandas Glücksstern Sie, ihren von Kindheit gelieb- eher Virtuosin als Komponistin? Die Zukunft wird es zei- ten und bewunderten Meister nach Berlin bringen, dann gen: vielleicht ist sie beides mit demselben Talent.“ „Mu- wage ich Sie noch um das große Glück einer Audienz für sica“ 5/2. 1903, S. 73.) Es sollte jedoch anders kommen. das junge Mädchen zu bitten! Nun bin ich sicher ihr Wanda Landowska konnte vorerst Erfolge als Komponis- durch diesen Brief den besten Dienst geleistet zu haben, tin verzeichnen. Im Jahre 1904 wurde sie in einem von und erflehe für sie edler, muthiger und überall bewunder- der Zeitschrift „Musica“ organisierten und ausgetrage- ter Tondichter das Allerbeste. In tiefster Huldigung nen Kompositionswettbewerb „Tournoi Musical Interna- E.[wa] Landowska. Warschau 14.10.99.“ tional 1904“ mit dem 1. Preis (ex aequo) für ihre Kompo- sition „Feu Follet“ (in der Kategorie „Klavier-Konzert- Komponistin, Pianistin und Cembalistin in Paris stück, hoher Schwierigkeitsgrad“)