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DAS UR-ERLEBNIS

Vor 21 Jahren entfachte eine zweiteilige Farbreportage die Sehnsucht vieler Tourenfahrer. Das märchenhafte Hoggar-Massiv und die abgelegene Oase Djanet waren Ziel einer Rundfahrt durch die Zentral-Sahara. Eine Reportage mit Bildern von Reiner H. Nitschke

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Ins Herz des Hoggar-Gebirges

führt uns die Piste von nach Hirhafok. Wir haben das Gefühl, die Zivilisation jetzt endgültig hinter uns zu lassen. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:23 Uhr Seite 52

Ein einzigartiges Erlebnis ist die Fahrt

von Tam hinauf zum 2726 Meter hohen Assekrem, den wir über die östliche Route anfahren. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:23 Uhr Seite 54

Bizarre, kantige Felsformationen

säumen die Piste über das Plateau du Fadnoun nördlich von Fort Gardel. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:23 Uhr Seite 56

Abends ist es schlagartig kalt –

das kleine Lagerfeuer aus Kamelmist und Tamarisken- Ästen wird daher zum Ritual. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:24 Uhr Seite 58

Langweilig oder auch meditativ –

je nach Sichtweise - so sind große Teile der Sahara, wie hier die Region zwischen und . 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:24 Uhr Seite 60

Der Brunnen von Fort Gardel

ist Quelle und wichtiger Orientierungspunkt an der Piste nach Djanet. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:24 Uhr Seite 62

Durchbaggern oder fliegen –

das ist die Alternative, um die Tiefsandfelder vor Djanet zu durchqueren. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:24 Uhr Seite 64

Die Felsen des Tassili n’Ajjer

scheinen im Licht der letzten Sonnen- strahlen zu glühen. Die Reflexion des Kenn- zeichen wirkt wie ein Irrlicht in der Wüste. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:24 Uhr Seite 66

Mit Freude und Neugier

begegnen die Kinder der Sahara allen freundlichen Fremden. Aufdringliches Betteln ist die Ausnahme. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:25 Uhr Seite 68

Ein Meer der Verlockung

ist der Erg Occidental westlich von El Golea. Zwar gelten Sanddünen als Wahrzeichen der Sahara, sie sind aber keinesfalls die beherrschende Wüstenform. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:25 Uhr Seite 70

Erschöpft, aber glücklich

blicken wir auf die sanften Dünen des Erg Occidental. Ein schlichter Kerzenstummel ersetzt heute das mühsame Lagerfeuer. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:25 Uhr Seite 72

Fast so groß wie Frankreich

ist die Gebirgsregion des Hoggar. Die charakteristi- schen Felsendome und Basaltorgeln sind Ergebnis heftiger Vulkan-Ausbrüche in Tertiär und Quartär. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:25 Uhr Seite 74

Wie ein schwerer Samtvorhang

fällt die Nacht über die atemlose Stille der Wüste. Höchste Zeit, eine Lagerstätte zu suchen. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:25 Uhr Seite 76

Wie klein doch der Mensch ist

wird einem nirgends so bewusst wie auf hoher See oder in der monströsen Einsamkeit der Wüste. 048-sahara-ds-U.qxd:048-sahara-ds-U.qxd 08.05.2008 15:26 Uhr Seite 78

Man nennt es schnöde »Wellblech«

wenn der Pistenstaub von den Blattfedern der Landrover und Lastwagen zu hartnäckigen Querrillen verdichtet wurde. Eine Tortur für Mensch und Maschine. 080-sahara-text-U.qxd:080-sahara-text-U.qxd 08.05.2008 16:05 Uhr Seite 80

Reportage

ort Gardel 26.11.1982: Vor 18 Tagen haben wir noch an einem Tag bewältigen konnte. Wir treffen Leute, FAlgier verlassen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit die sind schon eine halbe Woche unterwegs. vor, die uns jetzt von der »Zivilisation« trennt. Sicher Nachdem wir seit zehn Tagen die Sahara von ihrer ein blödes Wort. Doch hier draußen, oder besser hier langweiligen Seite gesehen haben – mit Ausnahme der drinnen in der Zentral-Sahara, wird es wieder zum Be - Umgebung von – saugen wir jetzt umso griff. Man verbindet mit ihm so triviale Dinge wie Früh- begieriger die interessante Landschaft in uns auf. Wir stücksei, Dusche, Tageszeitung, Bier, Musik und schließ- passieren große, gelbe Sanddünen, die schwarze Berge lich sogar Asphalt. Das erste Mal haben wir ihn verlassen, verschlingen; dazwischen Ebenen, in denen runde Fel- als wir hinter El Golea in die Dünen fuhren, um un ser sen wie gigantische Murmeln aufgereiht sind. Mit den erstes Nachtlager im Freien aufzuschlagen. Wir muss - Strahlen der späten Nachmittagssonne erreichen wir ten eine etwa 500 Meter breite Ebene durchqueren. Die die Arak-Schlucht. Die Straße führt am Grund eines Oberfläche schien fest zu sein, darunter verbarg sich tiefen Canyons entlang. Rundliche Basalttürme heben weißer Staub. Ingrid lag schon nach wenigen Metern sich wie Scherenschnitte gegen den untergehenden Feu- auf der Nase. Ich blieb am Gas und erreichte eine erball der Sonne ab und markieren damit die obere Geschwindigkeit, bei der die harte Kruste trägt. Direkt Kante der Schlucht. Hinter jeder Kurve tauchen neue am Fuße der mächtigen Dünen stellte ich die BMW auf Felsgestalten auf. Kupferfarbene Gesteinsbuckel glühen dem Spaten ab, um die zweite Maschine zu holen. Ingrid im Abendlicht. Wir sind begeistert. Nur die stete Prä- war ziemlich frustriert. Djanet, unser Traumziel, schien senz des Militärs hält uns vom Verweilen ab. Auch foto- für sie plötzlich in unerreichbare Ferne gerückt. grafieren ist nicht erlaubt. Eine Woche später sah die Welt wieder etwas anders 20 Kilometer hinter diesem ersten Vorboten des Hog- aus. Wir hatten im Konvoi mit zwei VW-Bussen und gar-Massivs suchen wir uns einen günstigen Nachtplatz. einem Hanomag die Piste von Reggane nach In Salah Das ist nicht einfach hier, denn die Straße wird meist geschafft. von Felsen begrenzt. Endlich finden wir ein Oued, ein Die Entscheidung für den Abstecher nach Reggane trockenes Flussbett, das die Straße kreuzt. Obwohl man an der Tanezrouft-Piste fiel ganz spontan. Wir hatten in einem Oued nicht schlafen sollte, da man von weit gerade unser Dünen-Camp verlassen, uns mit zwei ekel- entfernten Regenfällen überrascht und samt Fahrzeug haft sandigen Umleitungen herumgeplagt, als plötzlich fortgerissen werden kann, erscheint uns dies als einzige das Schild »Timimoun 280 km« auftauchte. Nach dem Möglichkeit. Die Straße ist wie in der ganzen Arak- Motto »wann kommt man da mal wieder hin?« schwenk- Schlucht deichförmig angelegt, die Bankette mit te ich nach rechts in die lang gezogene Abzweigung. Im Maschendraht gesichert. Das Ergebnis ist nicht umwer- Nachinein glaube ich, dass es auch ein unbewusstes Aus- fend. Immer wieder ist die Straße auf 20, 50 oder 100 weichen, Hinauszögern war. Wären wir nämlich gera- Metern weggerissen. Eine tödliche Falle für Nachtfah- deaus weitergefahren, so hätten wir schon in wenigen rer. Von dem sehr hohen Bankett komme ich noch ganz Tagen vor den Toren Tamanrassets und damit auch vor gut runter, aber dann grabe ich die BMW nach 20 Metern der Entscheidung gestanden, uns bis Djanet durchzu- bis zu den Kanistern ein. Sie steht wie betoniert. Wer schlagen oder auf demselben Weg umzukehren. Heute in solchen Situationen alleine ist, muss die ganze Ma- wissen wir, dass die Richtung stimmte. Denn Timimoun schine abpacken, um wieder rauszukommen. ist tatsächlich eine sehr interessante Oase, und die Piste Im Sichtschutz eines Dornenstrauchs schlagen wir Reggane – In Salah war ein gutes Training. Um einige unser Camp auf. Ich suche wie jeden Abend Feuerholz, wichtige Pisten-Erfahrungen reicher kehrten wir wie- Ingrid befreit unsere Schlafstelle von Dornen und Kamel - der zur Hoggar-Route zurück. mist. Es soll unsere letzte Nacht ohne Zelt sein. In den 1978 wurde diese Straße durchgehend geteert. Schon nächsten Wochen wird es nämlich wesentlich kälter ein Jahr später zeigte sie die ersten Schäden. Heute ist werden. Um unser Kopfende baue ich eine »Burg« aus sie größtenteils praktisch unbrauchbar. Es gibt zwischen zwei Gepäck rol len und dem Wasserkanister. Vielleicht In Salah und der Arak-Schlucht noch längere Passagen, hält dies Schlan gen oder sonstige unerwünschten die gut befahren werden können. Doch danach ist die Nachtgäste ab ... Während das letzte Stück Kamelmist Straße so zerrissen, dass man selbst mit dem Motorrad im Feuer glüht, entfaltet sich über uns wieder der nicht mehr allen Löchern ausweichen kann. Teilweise Sternenhimmel. des Hoggar in den Himmel. Je nach Tageszeit haben die Lastwagen den Teer wieder in eine graue Well- Dieser Himmel ist es vor allem, der eine Sahara-Reise Fast 3000 Meter leuchtet das Basaltgestein in den unterschiedlichs- ten Violett-Tönen. Trotz der zauberhaften Kulisse blechpiste zermahlen. Es ist, als ob die Wüste das von zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. Kurz nach- hoch ragen die Kegel gilt es beim Fahren aufmerksam zu sein, sonst Menschenhand besetzte Land zurückerobert. Dort, wo dem sich die Sonne binnen Sekunden verabschiedet hat, gerät die schwere Fuhre schon mal aus der Balance. die Straße wieder die Gestalt einer Naturpiste angenom - glimmt der Horizont wie eine mächtige violett strah- men hat, fährt es sich am besten. In Salah-Tamanrasset, lende Leuchtstoffröhre. Das Violett wird allmählich das sind 700 Kilometer, die man vor wenigen Jahren dunkelblau und schließlich blauschwarz. Mit der

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Reportage

schwindenden Leuchtkraft der Ionosphäre entwickelt sich über uns zugleich das Bild der Sterne. Aufgrund der geringen Luftfeuchtigkeit sieht man in der Wüste wesentlich mehr als in Europa. Wer sich konzentriert, ist die Strecke durch die kann sogar Zeuge der kosmonautischen Umweltver- Viel schöner als Basalt-Klotz-Landschaft des schmutzung werden: Künstliche Himmelskörper zie- Plateau de Fadnoun bei . hen leuchtend ihre Bahn. oft beschrieben Heute erleben wir die Landschaft leider nur noch in zerrissenen optischen Fragmenten, so sehr müssen wir uns aufs Fahren konzentrieren. Im »Spezialslalom« schaffen wir ganze 30 Kilometer in der Stunde. Doch so lange es irgendwie geht, wollen wir nicht runter von der Straße, denn die Lastwagen haben teilweise tiefe Gräben in den Sand gezogen. Schon aus weiter Entfer- nung kündigt sich das Nahen der Trucks an: zuerst ein dumpfes Grollen, dann eine Staubwolke. Oft vergehen noch einige Minuten, bis die 6x6-getriebenen Unge - tüme an uns vorbeidonnern. Herzklopfen bereitet es uns immer, wenn die Fahrer gerade vor uns auf das Straßenbankett zurückkehren oder es sogar kreuzen. Die Zugmaschinen vollführen dabei atemberaubende Bocksprünge und scheinen fast umzukippen; nur der schwere Auflieger (meist ein Tank) scheint sie daran zu hindern. Nicht immer, wie einige Wracks am Wege demonstrieren. An der Tankstelle von In Ecker kommen wir mit einem Trucker ins Gespräch. Er ist einige Jahre in Deutsch- land gefahren. »Urach-Ulm, connaissez-vous?«, erklärt er und macht dabei mit seiner rechten Hand eine spi- ralförmige Bewegung nach oben. Er meint wohl die Geislinger Steige, und ich nicke verständnisvoll. Da fährt er doch lieber hier in der Wüste. Während Autofahrer an das gegenüberliegende »Café« verwiesen werden, lässt der Tankwart uns bei sich Wasser fassen. Die Fahrt nach Tam zieht sich doch länger hin als erwartet. So müssen wir schon hier auftanken. Da In Ecker früher das Zentrum der französischen Atombombenversuche war, hätten wir dies eigentlich lieber vermieden. Ein total genervtes italienisches Paar kommt uns auf einer 1000er Moto Guzzi entgegen. Das letzte Stück vor Tamanrasset wäre die Hölle, nur noch Sand, Sand und nochmals Sand, klagen sie. Auf unsere Frage, wo sie denn überall waren, antworten sie »Tam«, die Endsta- tion der meisten Straßenfahrer und erst recht natürlich mit Sozius. Tatsächlich kommt eine längere Umleitung, die uns jedoch keine Probleme bereitet, und schließlich geraten wir auf eine blitzsaubere, noch ungeteerte Trasse, auf der wir mit 100 km/h bis kurz vor Tam gelan- gen. Hier stoßen wir auf eine Barriere, auf deren Rück- seite ein Umleitungsschild nach links weist ... Wir freuen uns diebisch und rollen auf den letzten Kilometern gepflegten Asphalts in den Ort. Für südalgerische Verhältnisse ist hier richtig was los. Es gibt Brathähnchen, viele Läden, einen schlecht sor-

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Reportage

tierten Markt, ein Hotel und einen Campingplatz. Die Straßenszene wird von Tuareg, Polizisten, Soldaten und Touristen geprägt. Als sich der französische Missionar Charles de Foucauld 1906 hier niederließ, schrieb er über Tamanrasset: »Es sind nur sehr wenige seßhafte Einwohner da, etwa zwanzig armselige Hütten, über einen Raum von drei Kilometern verstreut, aber in der Umgebung gibt es viele Nomaden; dies ist das Zentrum des stärksten Nomadenstammes im ganzen Land. « Heute teilen die stolzen Tuareg das gleiche Schicksal wie die meisten Nomadenstämme dieser Erde. Sie sind entwurzelt und finden sich in der europäisch gepräg- ten Scheinwelt nicht zurecht. So geben sich die einsti- gen Raubritter der Wüste dem Müßiggang hin. Kör- perliche Arbeit verachten sie. Dafür hielten sie sich bis vor kurzem noch schwarze Sklaven. Da wir Begleiter für unsere Fahrt nach Djanet suchen, gehen wir auf den unverschämt teuren Campingplatz. Dort finden wir tatsächlich zwei Deutsche, die mit ihrem betagten Landrover ebenfalls nach Djanet möch- ten und die bereit sind, für uns zusätzlich Benzin mit- zunehmen. Damit ist unser Hauptproblem gelöst, und ich begebe mich auf die Daira, die Gemeindeverwal- tung, um die Genehmigung zum Befahren der B-Piste zu beantragen. Sie gehört zu den landschaftlich schönsten, aber auch zu den schwierigsten Strecken der Sahara. Auf den 700 Kilometern gibt es praktisch keine Versorgungsmög- lichkeiten. Und auch am Ziel- und Wendepunkt, der Oase Djanet, sind sie recht beschränkt. Immerhin gibt es dort Brot und Benzin. Als wir uns vor einer Woche in Reggane für die Piste nach In Salah abmeldeten, mussten wir Wasser-, Lebensmittel- und Benzinvorräte angeben. Hier in Tamanrasset interessiert das nieman- den. Man muss lediglich mit mindestens zwei Fahr- zeugen einen Konvoi bilden. Dafür lässt mich ein arro- gan ter Schreiberling drei Stunden im Wartezimmer schmoren. Am Abend erwische ich endlich den sehr freundlichen Chef der Wilaya (Regierungsbezirk) per- sönlich und erhalte so noch kurz vor Büroschluss die Autorisation. Als ich die Stufen der Daira hinuntersteige, befällt

Wunderbare grüne Tupfer

bilden die Gueltas. Willkommene Wasserstellen inmitten der Felswüste. Die von Issakarasseme sind besonders schön. Karawane bei Illizi.

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Reportage

mich ein bedrückendes Gefühl. Es ist keine beklem- Er hat seine schon im Norden auf der Teerstraße in ein hohen Assekrem durchqueren, sondern eher eine riesige mende Angst, eher ein unsicheres Schweben über einem großes Loch geschmissen ... »Wir haben ein Telex an Hochbühne. Witzige, aber auch unheimliche Basalt figu - riesigen Feld der Ungewissheit. Jetzt, mit den Papieren den ADAC geschickt, und schon war die Sache erledigt, renbilden die Kulisse. Die Farbe der Bühnenaus stattung in der Hand, gibt es kein Zurück mehr. Was werden die die Maschine ist jetzt schon zu Hause!«, erzählt er. Es ändert sich von Stunde zu Stunde, gegen Abend sogar Rosa Pastelltöne und nächsten Tage bringen? Was passiert, wenn einer von ist schon beruhigend, wenn man hin und wieder hört, von Minute zu Minute. Schon deshalb sollte man sich uns schwer stürzt oder eine Maschine liegen bleibt? Dja- dass die Sache mit dem Schutzbrief auch tatsächlich Zeit und Muße nehmen. net kommt mir auf einmal wieder unendlich weit vor. funktioniert. Die Piste ist sehr gut angelegt und stellt erst auf den grüne Palmblätter Auf dem Campingplatz schwatzen wir noch mit drei Die Fahrt von Tam zum Assekrem-Pass wird zum letzten Kilometern zur Passhöhe hinauf höhere fahre- kennzeichnen die Oasen- Toyota-Fahrern aus Bayern. Sie kommen gerade aus einzigartigen Erlebnis. Wer hier durchrast, um »die Rund - rische Anforderungen. Sechs Kilometer unter dem Städte, deren betuliches Djanet und können uns, obwohl sie den leichteren Weg fahrt« an einem Tag zu machen, muss schon blind sein. Scheitelpunkt stehen links zwei Schilder mit den Auf- Treiben einem nach Tagen über gewählt haben, gute Tipps geben. Einer Blind für eine fast außerirdische Welt. Die Fahrt in diese schriften »Tamanrasset 76« und »Assekrem 6«. Nach in der Einsamkeit fast schon von ihnen trägt einen mächtigen Schulterverband und Urwelt ist voller Überraschungen. Es ist kein kompak- rechts weist kein Schild. Trotzdem blicken wir etwas wieder hektisch erscheint. schaut immer etwas wehmütig auf unsere beiden BMWs. tes Bergmassiv, das wir auf dem Weg zum 2726 Meter ehrfürchtig in die Tiefe, denn hier soll die berüchtigte 080-sahara-text-U.qxd:080-sahara-text-U.qxd 08.05.2008 16:06 Uhr Seite 88

Reportage

Piste nach Hirhafok abzweigen. Tatsächlich entdecken erregend, da sie mit Tempo genommen werden müs- wir auf einem flachen Stein das Wort Hirhafok von sen. Nur einmal füßeln oder gar bremsen, schon wird einem krakeligen Pfeil unterstrichen. Kein Zweifel, hier das Vorderrad vom nächsten Stein herumgerissen, und werden wir wohl morgen früh hinunter müssen. man liegt flach. Zunächst kraxeln wir aber in den Fußrasten stehend Nach 18 Kilometern haben wir das Gröbste hinter den Assekrem-Pass empor. Der Bergsattel ist von einer uns. Wir liegen total geschafft in der warmen Mittags- dicken Steinmauer umgeben. Gleichzeitig mit uns tref- sonne und schauen zurück auf den 2243 Meter hohen fen unsere Mitstreiter für die Djanet-Piste mit ihrem Pass, der von hier unten so arglos aussieht. Die hefti- Landrover ein. Sie mussten noch reparieren und sind gen Regenfälle der letzten Jahre haben ihn praktisch erst am Nachmittag in Tam losgefahren. Gemeinsam unpassierbar gemacht. Nach 20 weiteren, nunmehr keuchen wir den steilen Hang zum Gipfel des Assekrem recht flinken Kilometern zweigt nach links eine Piste empor. Noch etwa sechs weitere Besucher genießen das zur Guelta von Issakarassene ab. Dieses Wasserloch ist Schauspiel des Sonnenuntergangs über der Märchen- im Gegensatz zur Guelta, die wir gestern auf dem Weg Kulisse des Hoggar-Gebirges. von Tam zum Assekrem aufgesucht haben, recht sau- Kaum ist der Feuerball hinter den Zinnen und Domen ber. Das dunkelgrüne Wasser ist unter den Schatten verschwunden, kommt der Frost herangekrochen. Er spendenden Felsen gefroren. Entsprechend fröstelnd schüttelt meine vom schnellen Aufstieg nass geschwitz- fällt auch die Kopfwäsche aus. te Rückenpartie. Womit der Grundstein für eine satte Später entdecken wir direkt an der Hauptpiste noch Erkältung wohl gelegt ist. Zum Schutz vor der schnei- einmal eine Guelta-Kette, die von wabenförmigen Basalt- denden Kälte kriechen wir in die Steinhütte des stufen eingerahmt ist. Ein natürliches Amphi theater, in Charles de Foucauld. dem Oleander und Schilf gedeihen. Paradiesisch! Weni- Neben seiner Strohhütte in Tamanrasset hatte sich ger Freude bereitet dafür die letzte Abfahrt hinab in die der Mönch, der sich in den letzten Jahren vor seinem Wüste von Hirhafok. Dass die beiden BMWs hier nicht gewaltsamen Tod voll und ganz den Nomaden und ihrer schlicht und einfach zerbrochen sind, erscheint mir Mo - Sprache gewidmet hatte, hier oben in 2726 Meter Höhe nate später noch als Rätsel. Auch hier wieder die glei- eine zweite Einsiedelei erbaut. »... auf einem Bergpla- che Situation: Während der Landrover sich im Schritt- teau, das Asekrem heißt; man folgt einer undeutlichen tempo von Felsen zu Felsen hangelt, müssen wir es mit Piste, die in Serpentinen riesige Canyons, Felsschluch- den Motorrädern ordentlich krachen lassen. Das Ganze ten und steile Wände durchquert. Das ganze gleicht dürfte ein Gefälle von 30 Prozent haben. Unterwegs gibt einer Mondlandschaft mit unglaublichen Mengen her- es kein Halten. Jedes Zögern würde sofort durch ein abgestürzter Felsbrocken und in den Himmel ragender quer stehendes oder wegrutschendes Vorderrad quit- Spitzen. Man versteht, daß die Tuareg das Zentrum des tiert. Trial pur mit fast 300 Kilo Maschinengewicht. Hoggar ihre Kudia, ihre "Festung" nennen«, schreibt In der Oase Hirhafok umfängt uns ein buntes Trei- Foucauld im Jahre 1911 und fährt fort: »Das Panorama ben. Das Bild wird von unverschleierten, hübschen vor meiner Hütte ist unsäglich, es ist unvorstellbar Frauen und einem Schwarm lachender Kinder geprägt. schön. Ich kann nicht hinsehen auf dieses Meer von Anderen Reiseberichten zufolge sollen die Tuareg von Gipfeln und von wildzerklüfteten Felsen, ohne Gott Hirhafok schon »versaut« sein und für jedes Foto viel anzubeten ... Diesen Anblick kann man nicht beschrei- Geld verlangen. Uns winken zumindest die Frauen zu. ben. Er zeigt uns, wie einsam der Mensch mit ihm ist. Und da es schon spät ist, versuche ich gar nicht erst zu Wie ein Wassertropfen im Meer ... « fotografieren. Wir müssen uns einen Nachtplatz außer- Die 85 Kilometer vom Assekrem hinunter nach Hir- halb der Oase suchen. Etwa fünf Kilometer weiter wird hafok sind in der Tat ein starkes Stück. Aber es hatte ja die breite Sandpiste von einem überdimensionierten nicht an Warnungen gefehlt. Die meisten Djanet-Fah- Murmelfeld gesäumt. Dazwischen finden wir einen sehr rer wählen nicht umsonst die Piste Hirhafok-In Amguel, schönen Platz. um dann auf der Hoggar-Route nach Tam zu gelangen, Im letzten Flackern des kümmerlichen Feuers dres- beziehungsweise umgekehrt. So wundert es uns nicht, sieren wir noch eine winzige Wüstenmaus, die so scharf dass uns keine Menschenseele begegnet. Wer hier lie- auf Brotstücke ist, dass sie sogar auf die Hand kommt. gen bleibt, hat ausgesprochenes Pech, denn Abschlep- Nach einer kalten Nacht wartet auf uns wieder die pen ist unmöglich. Man schleppt schon an sich selbst Piste. Die steinigen Trassen des Hoggars liegen hinter bevölkern die Stadt Ghardaia und deren genug. Vor allem für Autos ist es eine mörderische uns. Jetzt heißt es, mehr oder weniger ominösen Spu- Besonders streng Umgebung. Die Frauen der Mozabiten sind Quälerei. Wir müssen denn auch immer wieder 20 oder renbündeln durch Kies und Sand zu folgen. Immer wie- bis auf ein Auge völlig verschleiert. 30 Minuten auf den Landrover warten, der die fuß- der gabeln sich die Spuren. Genau auf Höhe der Oase gläubige Moslems ballgroßen Felsen nur im Schritttempo bewältigen Tifokraouine strande ich in einem scheinbar bodenlo- kann. Für uns sind die steilen Bergabpassagen Furcht sen Kiesfeld. Die BMW steckt bis zu beiden Achsen in

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Reportage

einem Trocken-Flussbett. Ingrid zieht es vor, durch eine sein. Deshalb habe ich mir wohl auch den Hals etwas Das Oued Tin-Hadjäne, dem die Piste nun folgt, lässt dieser grabenähnlichen Lkw-Rillen zu robben, was an - verrenkt. Im Moment ärgert mich aber mehr der zer- uns kaum Zeit, unsere Kräfte zu regenerieren. Wir gesichts des breiten Boxermotors nicht ganz einfach ist. manschte Scheinwerfer. Alles andere lässt sich wieder schlingern und hoppeln über die winzigen Dünen und Doch sie kommt durch und kann mir schließlich zu hinbiegen. sind froh, endlich einen guten Nachtplatz zu entdecken. Hilfe kommen. So erreichen wir bald Ideles, wo wir klä- Die Wüste hatte also ihren Tribut gefordert. Während Wir warten noch auf den Landrover, der mit den letz- ren wollen, ob es nun eine Tankstelle gibt oder nicht. Die ich nun etwas zaghaft durch den Sand eiere, denke ich ten goldenen Sonnenstrahlen herangestaubt kommt. Angaben hierüber sind nämlich höchst widersprüch- an die Wahnsinnigen der Rallye Paris-Algier-Dakar. In Dann durchqueren wir das Oued und schlagen unser lich. Einige wollen getankt haben, andere schwören Stein wenigen Wochen werden auch sie von Norden aus Rich- Lager direkt am Fuße eines Felsenturmes auf. Auch hier und Bein, dass es in ganz Ideles keine Zapfsäule gebe. tung Djanet vorstoßen. Wer vorne mitreden will, muss bilden riesige Murmeln aus Granitgestein die Ku lisse, Es gibt! Wir sichten die neue Tankstelle schon von wei- 160 fahren. Ich hatte vorhin knappe 100 drauf ... in der wir Knochenreste mehrerer Mufflons finden. tem. Sie wird auch von einem alten Mann behütet. Nur Am Nachmittag muss ich den letzten Rest wehleidi- Wir sind jetzt 340 Kilometer von Tamanrasset ent- Sprit gibt es keinen. Ja, Diesel habe es schon einmal gen Zauderns aufgeben. Das ansteigende Sandfeld am fernt und füllen die 40 Liter Benzinreserve in unsere gegeben. Aber erst im nächsten Jahr soll die Tankstelle Djebel Telertheba fordert volle Power. Es läuft mir kalt beiden Tanks. Damit sind wir nun vom Landrover unab- richtig eröffnet werden. Wir versuchen, wenigstens Brot den Rücken runter, als ich das zierliche Persönchen vor hängig. Wie wichtig es sein kann, dass man selbst genug zu bekommen. Doch das wird in Ideles nur für Kinder mir mit der BMW kämpfen sehe. Ingrid lässt das Gas Vorräte auf seinem eigenen Fahrzeug mitschleppt, zeigt gebacken. Getreide ist rar in Algerien. stehen, selbst als sie mit der Maschine fast quer durch Die Piste ist jetzt teilweise trassiert, da sie über stei- den Sand pflügt, reißt immer wieder im richtigen Mo - nige Bergpassagen führt. Doch dann senkt sich die ment den Lenker herum. Erst kurz unterhalb des Dünen - Strecke wieder hinab in den unvermeidlichen Sand. Die- kamms brechen ihre Kräfte zusammen, und sie beugt Roter Lehm ist ser ist nicht immer weich. Er ist vielmehr voller Tücke. sich dem Sog des feinen Sandes, der die 350-Kilo-Fuhre Mal saugt er dein Vorderrad ein, dass es dich fast über schlagartig abbremst und sie zu Boden zwingt. Ich der Baustoff den Lenker zieht, mal drischt er mit seinen scharfkan- schleudere haarscharf mit dem schweren Heck meiner tigen, sichelförmigen Verwehungen auf dich ein, als BMW vorbei, erreiche mit dem letzten Drehmoment der die oft festungsartigen Orte wolle er das ächzende Motorrad in eine Pistenmarkie- des zweiten Gangs den Kamm und steige mit wackli- der Sahara prägt. Die Ziegel werden einfach in der Sonne getrocknet. rung zerstückeln. Wir sehen Wracks, die an einen aus- gen Knien ab. Das war mehr als knapp. Als ich die paar Nicht vergessen: Algerische Datteln gewachsenen Panzerunfall erinnern: Folgen eines Über- Meter zurückstapfe, sinke ich fast bis zum Ende des gelten als die besten. schlags in der Wüste! Stiefelschafts ein ... Auch mich erwischt es bei Kilometer 233 nach Taman- rasset. Ich fliege im gleißenden Licht der Mittagssonne parallel zur mehligen Hauptpiste über eine recht grif- fige Sand- und Kiesebene. Es fährt sich fast wie auf Schie- nen. Kann sogar mal wieder in den fünften Gang hoch- schalten. Doch urplötzlich scheine ich auf die »Eisen- bahn-Schwellen« geraten zu sein. Ich stehe sofort in den Rasten, krache voll in einen Graben, reiße den Lenker wieder raus, spüre ein Stechen im Kreuz und breche voll in den nächsten Graben, aus dem die noch immer gestauchte Gabel sich nicht mehr herausschnellen kann. Die Maschine steht Kopf und landet schließlich mit dem linken Zylinder im aufgepflügten Kies und mit dem Wasserkanister auf meinem linken Bein. Ich liege re- gungslos im Staub. Angst schnürt mich fest. Die Angst, beim Versuch, mich zu bewegen, feststellen zu müssen, dass es nicht mehr geht. Als ich endlich richtig zur Besin- nung komme, kniet Ingrid kreidebleich neben mir. Ich ertaste meine linke Schulter, die ziemlich schmerzt, ziehe dann meinen Fuß unter dem Motorrad hervor. Der Motocross-Stiefel hat sich bewährt. Während ich auf dem Rücken liege und erstmal kräf- tig durchatme, betrachte ich voller Sorge die Maschine. Wir müssen sie aufrichten, damit nicht noch mehr Ben- zin ausläuft. Ich setze den Integralhelm ab. Er ist genau auf der Höhe der Schläfe, dort wo das Visier befestigt ist, zerkratzt. Ich muss mit dem Kopf seitlich aufgeprallt

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Reportage

sich am nächsten Vormittag. Fünf Kilometer vor dem Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf. Platz verlassen haben könnte. Doch die Angst war um - will sich aus dem halben Dutzend Spuren nicht her- zerfallenen französischen Fort Serouenout warten wir Das Gelände wird immer schwieriger, doch ich bleibe sonst, sie hockt auf einem Felsen und studiert die Land- auskristallisieren. Ich lenke exakt Kurs Nordost. Die vergebens auf den Landrover. Nach einer halben Stunde am Gas. Dritter voll. Eine Stimme scheint sich zu mel- karte. Sie ist wesentlich ruhiger als ich, da sie uns schon Sandfelder werden immer ausgedehnter. Wir schwin- wird es zur Gewissheit, dass irgendetwas nicht stimmt. den: »Das sind die Situationen, in denen die schweren von weitem mit dem Fernglas gesehen hat. gen in weiten Bögen in die Täler und baggern schlin- Das Gelände ist hügelig, und man kann keinen Kilo- Stürze passieren. Fahre konzentriert! Präge dir genau Ab Fort Serouenout gibt es keine Orientierungspro- gernd die Steigungen empor. Teilweise gleiten wir wie meter weit blicken. Während Ingrid an einer markan- die Richtung ein, aus der du kommst!« Ich beginne zu bleme mehr. Die Piste führt jetzt wieder durch ein Stein- auf Samt dahin. Ein Genuss nach den Strapazen des ten Stelle wartet, fahre ich zurück. Ich suche fieberhaft rechnen. Sie haben mindestens eine halbe Stunde Vor- feld, das man kaum verlassen kann. In diesen Passagen Tages. Die Tatsache, dass in diesem butterweichen Feld nach Spuren. Und tatsächlich: Nach etwa zwei Kilo- sprung. Ich muss einen 80er-Schnitt fahren, um sie in nerven die zu regelrechtem Wellblech geformten Quer- noch keiner vor uns gefahren ist, lässt aber allmählich metern, da wo unsere Piste in einem Rechtsknick einen einer Stunde einzuholen. Eine Stunde? So weit kann ich rillen besonders. An der Kreuzung mit der Strecke Zweifel aufkommen. Da die Richtung stimmt, folgen Hügel hinaufführt, geht wirklich eine Spur geradeaus mich unmöglich von Ingrid entfernen. Mittlerweile -Djanet sinken wir wortlos in den schmalen wir jedoch weiterhin unseren Schatten und stoßen weiter in das Kiesfeld des breiten Wadis. Ich erkenne trennt uns schon ein Bergmassiv von der Piste. Die zwei Schatten unserer Maschinen. »AM 443« steht auf dem schließlich auf eine deutlich markierte Piste. die charakteristische Fährte der Michelin-Sandreifen Reifenspuren irren jetzt völlig ziel- und planlos durch skurrilen Steinmal, das von unzähligen Ölsardinen - Fort Gardel rückt in greifbare Nähe. Nach dem Kilo- und jage dem Landrover hinterher. die Wüste. Sie müssen wohl gemerkt haben, dass etwas dosen umgeben ist. Wir mampfen mal wieder Voll- meterstand dürften wir nur nicht stimmt. Und endlich! Ich plumpse wie ein Stein kornbrot mit Schmalzfleisch. Ich registriere erstmals, noch zehn Kilometer entfernt auf die Sitzbank. Am Horizont steht ein kleiner, blauer dass eine Erkältung im Anmarsch ist. Das fehlt noch bei sein. Doch die Wüste hält noch Kasten mitten in der Wüste. Weit und breit keine Piste. der ganzen Anstrengung! eine Sonderprüfung in Form Der feine Sand Die beiden Fahrer gucken leicht verstört durch ihre ver- Das Panorama wird jetzt vom grauen Massiv des 2165 eines ausgesprochen ekelhaf- staubten Scheiben. Sie haben weder Kompass noch Meter hohen Tazat geprägt. Wir steuern direkt auf seine ten Oueds parat. In den knie- IGN-Karte dabei. rechte Dreiecksspitze zu, um sie dann im Norden lie- tiefen Spurrillen steht die ist überall Wir kehren auf den nunmehr drei Reifenspuren zur gen zu lassen. Südöstlich vom Tazat wird die Lage etwas BMW von ganz alleine, als ich staubiges Pflaster in den Piste zurück. Unterwegs packt mich noch einmal die chaotisch. Die ehemals trassierte Hauptpiste ist nur im zurückgehen muss, um Ingrid Gassen der Oasen und stete Angst. Da ja seit dem Sturz mein Tachometer kaputt Schritttempo zu meistern. Eine jungfräuliche Puder- aus dem Sand zu graben. Sie Gefahr für die schnurgeraden ist, habe ich gar keinen Überblick, wie lange ich unter- schicht verrät, dass sich hier schon lange keiner mehr wollte das Oued partout im Asphaltbänder, die die Oasen wegs bin. Und die Befürchtung wächst, dass Ingrid ihren abgequält hat. Doch eine klare alternative Hauptroute Querflug neh men.Obwohl des Nordens verbinden. 080-sahara-text-U.qxd:080-sahara-text-U.qxd 08.05.2008 16:06 Uhr Seite 94

Reportage

der Sand weich ist, hat sie sich ordentlich ge prellt. Und 5000 Touren im dritten Gang. Das sind 80 km/h. Das was viel schlimmer ist: Dieser erste schwere Sturz hat Motorrad wird ruhiger; bei 90 gleitet es über den weiß- ihr Selbstvertrauen angeknackst. grauen Boden hinweg. So sieht der Idealzustand aus. Am Horizont tauchen jetzt die flachen Türme des Doch er dauert wie immer nur sehr kurz. Ein heftiges Tassili auf. Ihr Grau wird von den flachen, langen Rütteln im Lenker kündigt neue, längere Wellblech- Strahlen der Abendsonne violett gefärbt. Unter den Frequenzen an. Ich drehe kurz auf 100 km/h, muss aber hüpfenden Rädern der Motorräder leuchtet das Well- wieder weg vom Gas, da das Motorrad hinten nach blech rostbraun. Schirm-Akazien setzen pittoreske rechts und links ausschlägt. Gut 400 Kilo drohen aus Punkte in die malerische Landschaft. Mit einem un - der Kontrolle zu geraten. Ich bremse mit dem Fuß ab. beschreiblichen Hochgefühl donnern wir nebeneinan- Doch das Schütteln wird immer schlimmer. Ich wähle der die letzten Kilometer gen Norden. Obwohl kein die Flucht nach draußen und folge einigen Spuren, die Schild, kein Haus zu erkennen ist, sind wir sicher – das nach links in die Sandwüste führen. In den Fußrasten ist Fort Gardel. Wichtiger Kreuzungspunkt der Pisten stehend dirigiere ich das Motorrad fast rechtwinklig von nach Illizi im Norden und Djanet im Osten. Wir hal- der Piste weg, um die tiefen Lastwagenspuren zu kreu- ten Kurs Ost. zen. Obwohl purer Sand, staucht jede der gut 30 Zen- Fünfzig Kilometer vor Djanet hält die Sahara eines timeter tiefen Reifenspuren Federn und Wirbelsäule ihrer ausgefeiltesten Marterwerkzeuge bereit: Wellblech zusammen. Endlich bin ich draußen. Etwa 50 Meter extrem. Geschmiedet wurde es in jahrzehntelanger neben der Hauptpiste verlieren sich die Spuren. Ich habe Arbeit von den blattgefederten Rädern der Last- und ein weites Sandfeld für mich. Geländewagen. Man könnte es auch mit Querrillen und Während ich kräftig am Gasgriff drehe, schweift mein Querriffelungen beschreiben. Überall dort, wo Wüsten Blick nach rechts, um mir noch einmal die Hauptrich- auf unbefestigten Routen durchquert werden, findet tung der Piste einzuprägen. Dann muss ich noch wei- man »Wellblech«. Doch die gröbsten »Schmiede« waren ter nach links ausweichen. Ich fahre jetzt exakt nach offensichtlich auf der Piste nach Djanet am Werk. Die Norden – es ist kurz vor zwölf, und ich folge meinem Querrillen gleichen hier eher den Bewässerungsgräben Schatten. Djanet liegt genau im Osten. Doch das Risiko, eines Palmengartens. Statt Wasser gibt es jedoch nur sich zu verirren, ist hier relativ gering, da sich vor mir Sand. Bisweilen sogar recht heimtückischen. Er kün- das Plateau des Tassili n'Ajjer auftürmt und hinter mir digt sich nicht etwa an. Nein – er flimmert im grellen die rötlichgelben Dünen des Erg d'Admer ein undurch- Licht der Wüstensonne vor sich hin, um dann urplötz- dringliches Meer bilden. Zwischen diesen beiden mar- lich das Vorderrad mit einem vernehmlichen »Pfff« kanten Landschaftsformen verläuft die Piste von Fort förmlich einzusaugen. Zurück bleibt eine dichte, weiße Gardel nach Djanet. Wolke. Wenn man Pech hat, verschleiert sie den eige- Die Nähe des Ergs ist allgegenwärtig. Die Ausläufer nen Überschlag. des Dünen-Meeres reichen fast bis zum Plateaurand. Saltos in der Wüste sind gar nicht so selten. Meist Schon 35 Kilometer hinter dem zerfallenen französi- sind diese gemeinen Sandlöcher, auch »Fech Fech« schen Fort mussten wir die erste Düne durchqueren. genannt, daran ursächlich beteiligt. Um nämlich die Sie schien uns unendlich weit von unserem Tagesziel Tortur des Wellblechfahrens zu lindern, muss man als Djanet entfernt. Doch es gibt kein Zurück mehr, auch Wüstenfahrer eine schlichte Devise beherzigen: Gas wenn mich vorübergehend der Mut verlässt, ich nie- geben. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit fallen die dergeschlagen über dem Lenker hänge. Räder nicht mehr in jede Querrille. Sie tanzen vielmehr Fort Gardel – Djanet, das sind 140 bis 150 Kilome- auf den Zwischenstegen. Je tiefer und weiter die Piste ter, je nach Fahrweise. Sie werden übereinstimmend geriffelt ist, umso höher liegen aber diese Ideal- von allen Afrika-Fahrern als die härtesten in der Saha - Geschwindigkeit und das damit verbundene Risiko. Ist ra bezeichnet. Am Ziel wird Ingrid die erste Frau sein, dies im Auto schon kein Zuckerschlecken, so wird der die mit einer voll bepackten Reisemaschine bis zur Ritt auf einem Motorrad zum Urerlebnis: Unter dem libyschen Grenze vorgedrungen ist. Doch diese Hintern einen wild gewordenen Gaul, in den Händen Erkenntnis stellt sich erst Wochen später, daheim in einen Presslufthammer. Am Abend auf der Alu-Matte Gesprächen mit Sahara-Experten, ein. Hier in der vorm Lagerfeuer reibt man sich dann die geschwolle- Wüste bewegen uns andere Dinge. Zum Beispiel: nen Gelenke. Während der Fahrt gilt das Mitgefühl eher Wann kommt endlich die nächste Schatten spendende war wohl dieser VW-Bus? Kritischer Nicht ganz Blick auf die obligatorische IGN-Karte. der Maschine. Immer wieder geht ein Schütteln und Akazie? Lehm-Ruinen bei Timimoun. Krachen durch die Enduro, dass du dich wunderst, dass Am Nachmittag blicken wir hinab in ein weites Tal. wüstentauglich sie nicht ganz einfach zerbricht. Zumindest könnte mal Da unten muss die viel gepriesene Oase liegen. Die letz- das Vorderrad bersten oder die Kardanwelle ihren Geist ten Kilometer haben es noch einmal in sich. Rechts und aufgeben. Doch alles arbeitet wie zum Trotze der Natur. links Felsen. Keine Chance, den tiefen Sandrillen aus-

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Ohne Filter – zuweichen. Am Beginn der geschotterten Ortsstraße wird bis zum kurzen Morgengrauen nicht mehr ru hen. ganz echt will uns ein Schild auf den Arm nehmen: »Chaussée Genauso wenig wie ich. déformée à 10 km«. Nach Tagen in der stillen Schön- Punkt 5 Uhr reißt mich der Muezzin aus dem dump- ist die Mondsichel im violetten Abenvorhang über der Sebkha heit der Wüste wirkt Djanet befremdlich. Überall ste- fen Halbschlaf. Ich habe im Laufe dieser Nacht alles von Timimoun. hen Soldaten mit Schnellfeuergewehren. Militärlaster verflucht. Der Tag muss der letzte sein in diesem Kaff! donnern rücksichtslos durch die Oase. Menschen und Der Drang in die Stille der Wüste wird unerträglich. Pflanzen in eine graue Staubwolke hüllend. Jeder Tou- Aus völlig unerklärlichen Gründen sitzt Ingrid plötz- rist muss in Djanet das »Hotel Zeriba« aufsuchen. Es lich auf der Bettkante und verkündet jovial, dass sie jetzt besteht aus Strohhütten, einigen Zeltstellplätzen und Brot hole. Es ist 6 Uhr 30! Und dies ist in der Tat ein total ruinierten sanitären Anlagen. Nachdem wir eine Ereignis, das mir noch einmal deutlich unterstreicht, der Hütten bezogen haben, gehen wir auf die Daira, die dass dies keine normale Nacht war. Ein Szenario aus Ortsbehörde, wo wir schon seit zwei Tagen als vermisst subtropischen Ge räuschen und Gerüchen und Fieber- gelten – wegen unseres Abstechers zum Assekrem-Pass wahn findet endlich ein Ende, als Ingrid wieder im Raum hatten wir mehr Zeit als geplant benötigt. steht. Drei lan ge, noch warme Baguettes unter dem Arm. Gegen Abend mache ich eine tolle Entdeckung. In Während ich die hervorragende algerische Orangen- der so genannten Bar des »Hotel Zeriba« gibt es Coca konfitüre zentimeterdick auf das knusprige Weißbrot Cola. Nachdem ein messingfarbenes 10-Dinar-Stück streiche, erzählt sie mir, dass es draußen höchstens fünf den Besitzer gewechselt hat, marschiere ich stolz zu Grad Celsius hat und dass vor dem Bäcker mindestens unserer Strohhütte. Zur Feier des Tages kochen wir über zwanzig Kinder barfüßig im Staub stehen und gedul- dem Gas Chili con Carne mit Spaghetti und trinken dig warten. dazu Coca Cola. Die große Flasche gibt nur 0,5 Liter Das Frühstücken schlaucht mich derart, dass ich wie- her. Aber es reicht, damit uns schlecht wird. Dann falle der völlig lasch auf der Matte liege. Ingrid sucht verge- ich erschöpft auf die Strohmatte. Zwischen Kopf und bens in den unergündlichen Wirren unseres Gepäcks der Wand, die aus gebündelten Palmblättern besteht, nach den nicht mitgenommenen Grippe-Tabletten. Ich lege ich meine Daunenweste. Vielleicht haben die denke noch, mein Gott, wie kriegen wir den ganzen weißen Geckos Respekt vor dem glatten Nylonstoff. Scheiß wieder aufs Motorrad. Dann schlafe ich ein. Als Als wir die nackte Glühbirne ausschalten, registrieren Ingrid wieder neben mir am Bett auftaucht, ist es 14 wir, dass es schon wieder dunkel ist. Nacht über Uhr. Ich habe sieben Stunden durchgeschlafen und Djanet. Ich habe leichtes Fieber. Die Erkältung scheint fühle mich bedeutend besser. Wir beschließen, so bald dem Höhepunkt entgegenzustreben. Ich schlafe un- wie möglich aufzubrechen. endlich tief. Träume von haushohen Wellen, die auf Die nächste Überraschung erleben wir beim Bäcker. mich ein stürzen. Ich winde mich immer wieder unter Obwohl er erst um 16 Uhr offiziell öffnet, ist schon um ihnenhindurch. Das Motorrad schlingert wild hin dreiviertel das Brot ausverkauft. Da wir sieben Tage und her. Die Wellen schlagen schließlich über mir ohne Versorgungsmöglichkeit vor uns haben, können zusammen. Sie sind aus Sand. Ich werde seekrank. wir keinesfalls ohne Brot fahren. Als sich das letzte Mal Muss brechen. Lehne mich weit über den Lenker. Doch die dunkle Tür öffnet, zwänge ich mich rein, um mit es kommt nichts. Ich wache auf. Der Baumwollstoff dem Bäcker zu reden. Es tut ihm alles furchtbar leid, meines Schlafsacks klebt an meiner Haut. Ich muss aber er habe nun mal nichts mehr. Und zur endgülti- lange geschlafen haben. Mit den nassen Fingern taste gen Erklärung deutet er auf den vermeintlich leeren ich nach dem Knopf an meiner Armbanduhr, um die Brotkorb. Am Boden liegen noch fünf Brote, die aber Anzeige zu beleuchten. Es ist erst acht Uhr abends! Oh so dunkel gebacken sind, dass kein Mensch sie hier Gott, nimmt das denn kein Ende? kaufen würde. Uns ist schon in den anderen Bäckereien Ein leichter Frost schüttelt mich. Ich versuche, wie- im algerischen Süden aufgefallen, dass immer wieder der einzuschlafen. Meine Schläfen pochen. Ich regis - zu dunkle Baguettes aussortiert werden. Angesichts der triere jedes Geräusch. Die Hütte raschelt an allen Ecken bevorstehenden Etappe sind wir weniger wählerisch. und Enden. Ich höre Schritte hinter der Wand. Dort Ich angele mir drei der Weißbrote und reiche dem wo unsere Maschinen stehen. Haben wir noch das Werk- Bäcker das Geld, den staatlichen Einheitspreis von 1,10 zeug reingeholt? Doch dann übertönt der blöde Schafs- Dinar pro Brot. Doch er will für diese »schäbige« Ware bock meine Gedanken. Ein Kleffer antwortet. Ein Hahn kein Geld. fühlt sich angesprochen. Weitere Köter stimmen ein. Erst nachdem wir uns auf der Daira wieder abge- Dann ein infernalisches Gebrüll. Undefinierbar. Alles meldet haben, können wir zum Tanken fahren. Damit übertönend. Markerschütternd. Ein Kamelbulle wird will man verhindern, dass Touristen auf eigene Faust ganz offensichtlich abgestochen. Doch es ist ein quick- die Felszeichnungen der Umgebung erkunden. An der lebendiger Esel. Der Zirkus Djanet ist erwacht. Und er Tankstelle stoßen wir völlig überrascht auf einen Eng-

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pass: Es gibt kein Superbenzin. So etwas spricht sich normalerweise unter den Fremden schnell herum, aber egal. Wir müssen schließlich weiter und tanken Nor- mal. Der Tankwart glaubt uns, dass wir die Geneh - migung zur Weiterfahrt haben, ohne dass wir sie erst hervorkramen müssen. Er füllt die beiden 40-Liter- Tanks, die zwei 5-Liter-Plastikkanister und den 20- Liter-Wehrmachtskanister, ohne einen Tropfen da- neben zu gießen, und weigert sich anschließend auch noch, Trinkgeld anzunehmen. Erstaunt stellen wir dann Wenn der Himmel fest, dass wir auf der Strecke Tamanrasset-Djanet mit jeder Maschine nur sieben Liter pro 100 Kilometer bleigrau wird verbraucht haben. Mit einem Gefühl der Erleichterung rollen wir ein knirscht es bald zwischen den letztes Mal durch den staubigen Sand von Djanet. Auf Zähnen. Sandstürme kommen dem Weg zum Flugplatz, an dem unsere Piste nach Fort unverhofft und erschweren Gardel abzweigt, halten wir noch bei Ali. Der flickt Land- die Orientierung ungemein ... rover wieder zusammen, verweigert die Annahme von Devisen, kassiert dafür stattliche Dinar-Beträge und ist keinesfalls daran interessiert, einen Motorradreifen von uns zu kaufen. Da wir den lästigen Ballast loswerden wollen, schenken wir ihm den Reifen. Die ersten Kilometer nach Djanet sind wieder die Hölle auf Erden für einen Motorradfahrer mit einem voll bepackten Touren-Bike. Die Freude auf das abend- liche Camp in dieser faszinierenden Landschaft treibt uns trotzdem frohen Mutes ungeachtet der tiefen Sand- felder den Berg empor. Wir werfen einen letzten Blick auf Djanet, diese Oase am Ende der Welt. Gleichzeitig entschwinden die letzten Sonnenstrahlen. Wir fahren noch etwa fünf Kilometer, um aus der Reichweite vaga- bundierender Soldaten zu kommen, und biegen dann rechts ab in ein malerisches Tal. Der Boden ist mit gel- bem Sand gepudert. Schwarze, vom Wind gezeichnete Felsen bilden eine fast unheimliche Kulisse. Die skur- rilen Sodomsapfel-Bäume wirken wie Gewächse aus einer anderen Welt. Ihre vertrockneten Äste stinken und qualmen so erbärmlich, dass sich ein Tuareg lie- ber in seine Decken verkriecht, als damit ein Feuer zu machen. Wir sind keine Tuareg und lernen die Tücke des Brennstoffs erst kennen. So stoßen wir stinkende Rauchzeichen in den bleigrauen Himmel, der schon wieder von eigentümlichen Wolken verhangen ist. Dann wird es rasch dunkel, und die Kälte kriecht he- ran. Ich liege fröstelnd im Daunenschlafsack. Schon nach einer Stunde wälze ich mich wieder verschwitzt auf der Thermomatte hin und her. Das Grippe-Fieber kämpft seinen hoffentlich letzten Kampf. Erst das Klap- pern vom Teekessel weckt mich wieder auf. Ingrid wärmt sich ihre klammen Finger über dem stinkenden Feuer. Die gegenüberliegende Felswand wird schon von fahlem Sonnenlicht erhellt. Über uns wieder die grauen Schäfchenwolken. Eine gespenstische Stimmung liegt über dieser Landschaft. Ich sauge mit dem dünnen Ben-

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zinschlauch Wasser aus dem Wasserkanister an und ebene. Vielmehr ist die Szenerie ausgesprochen bizarr lasse es in unsere rote Waschschüssel rinnen. Im Laufe und abwechslungsreich. In kleine Quader zerborstene der Reise haben wir gelernt, uns mit einem Liter Was- Steinpyramiden säumen die Wellblechpiste, verwun- ser pro Person von Kopf bis Fuß zu waschen. Obwohl schene Schluchten tun sich immer wieder auf, gewagte das Wasser eisig ist, wasche ich mir den Schweiß der Skulpturen erinnern an Monster und Urviecher. Nicht Nacht ab. Es tut sehr gut. Danach ist mir warm. Wir weiche Basaltbuckel wie im Hoggar, sondern kantige frühstücken das dunkle Weißbrot und genießen den Bauklötze, wie von mächtigen Kräften aufgetürmt, prä- Tee, bevor wir das anstrengendste Stück Piste angehen. gen die Natur. Ich habe gerade meinen Tankrucksack befestigt, als Mitten durch diese Mondlandschaft schlängelt sich ein Schuss durch das Tal hallt. Weitere Schüsse folgen. eine Wellblechpiste, die der nach Djanetkaum nachsteht. Nichts wie weg hier, ist die Devise. Vielleicht sind das Nur, das es hier überhaupt kein Ausweichen gibt. Im - nur die Soldaten aus Djanet, die ihre Übungen begin- merhin kann man sich dadurch nicht verfahren. Und nen. Wohl ist uns trotzdem nicht, und wir packen hastig das ist auch gut so. Denn während der zwei Tage, die unsere Sachen auf. Dann kicke ich meine Maschine an, wir bis Illizi brauchen, begegnen uns nur zwei Tuareg um die Batterie zu schonen. Erstmals springt sie auf den mit Range Rovern. Die Trucker meiden das Plateau und ersten Tritt an. Doch als wir losfahren wollen, ver- wählen lieber den Umweg über Amguid. schluckt sich der Motor und geht aus. Beim Druck auf Im Windschatten eines gigantischen steinernen den Anlasserknopf ertönt nur das Klackern des Magnet- Pferdekopfes schlagen wir unser Nachtlager auf. Es ist schalters. Die Batterie ist endgültig zusammengebro- schwie rig, zwischen den scharfkantigen Steinen einen chen! Und schon wieder diese Schüsse ... Platz zum Schlafen zu finden. Hier wird man wieder Der Vormittag ist damit gelaufen. Wir müssen beide anschaulich daran erinnert, dass die Sahara keineswegs Maschinen wieder abpacken, es hilft alles nichts. Dann nur eine Sandwüste ist. Tatsächlich bedecken die Dünen basteln wir aus den beiden Steckdosen-Kabeln ein pro- nur etwa ein Zehntel der Gesamtfläche. Dazwischen do- visorisches Starterkabel von der einen zur anderen Ma - minieren flache Kieswüsten und eben die einmalig fas- schine. Nach einer guten Stunde nervenaufreibender zinierenden Gebirge der Zentral-Sahara, von denen das Schrauberei, untermalt von vereinzelten Schüssen, im Tschad liegende Tibesti praktisch unerreichbar ist. haben wir’s geschafft. Beide Motoren laufen, und wir Unser Camp liegt gut 2000 Meter hoch, und der Wind können endlich verschwinden von hier. pfeift durch die Felsspalten, in denen wir Decken und Die heutige Tagesetappe werden wir in guter Erin- Getreidedepots der Tuareg entdecken. Wir stellen uns nerung behalten. Es läuft recht locker. Das Wissen, diese auf eine kalte Nacht ein. Tatsächlich weckt uns ein über- Strecke ja schon einmal geschafft zu haben, beflügelt raschend milder Morgen. Anzeichen dafür, dass wie- ungemein. Es gibt keine zermürbenden Zweifel mehr. der ein ausgedehntes Wolkenfeld den Himmel verhüllte. Unsere gute Stimmung hält auch am nächsten Tag an, Noch 150 Kilometer trennen uns von Illizi, das wir heute als wir die berüchtigte Bergpiste nach Illizi angehen. erreichen wollen. Morgens füllen wir noch unsere Wasservorräte an der Der oft als schrecklich beschriebene Aufstieg zum Pla- Pumpe in Fort Gardel auf. Ein trostloser Flecken. Bet- teau du Fadnoun entpuppt sich als harmloser Pass, der telnde, von Fliegen umschwirrte Kinder und heimtü- in Denzels Alpenführer bestenfalls den Schwierigkeits- ckisch unter dem Sand versteckter Stacheldraht prägen grad 4-5 erhalten würde. So genießen wir die Vorzüge das Bild. Die Zeribas, die Strohhütten der Tuareg, haben unseres Einspurfahrzeugs, passieren völlig abgebro- hier gar nichts Romantisches mehr an sich. Ich fühle chene Wegpassagen auf dem verbliebenen schmalen mich eher an einen Slum erinnert. Steg und betrachten mit einem leichten Schaudern die Nördlich von Fort Gardel verengt sich die Western- halsbrecherischen Umführungen, die man als Auto - Kulisse zu einem engen Tal, an dessen Ende die Piste fahrer wählen muss. in Kehren emporsteigt. Zuvor warnt noch ein Schild Auch das Wellblech macht uns kaum noch was aus. »200 km gefährliche Piste«. Doch dieser Hinweis bezieht Oft fahren wir am äußersten Rand der Piste auf einem sich mehr auf Auto- und Lastwagenfahrer, die biswei- regelrechten schrägen Bankett, mal finden wir in der len ihre liebe Not haben, alle vier Räder diesseits des Mitte eine ganz passable Spur. Das Wellblech schillert Abgrundes zu halten. Wir hingegen genießen das stei- in allen erdenklichen Farben – blauschwarz, rosa, weiß. erwartet uns in El Adeb Larache: nige Zwischenspiel. Vom Sand haben wir erstmal die Das »Curry-Wellblech« fasziniert mich besonders. Ich Eine tolle Couscous von den Erdölarbeitern. Da sind die Strapazen schnell vergessen. Schnauze voll. muss wieder an das Bild des Plateaus denken, das in Begrüßung Die Durchquerung des Tassili n'Ajjer und des Pla- vielen Büchern gezeichnet wurde. Es entstand zwei- teau du Fadnoun wird in vielen Berichten meiner Mei- felsohne aus dem eingeengten und frustrierten Blick- nung nach völlig falsch beschrieben. Es handelt sich näm - winkel eines Autofahrers. In der Tat würde ich lieber lich keineswegs um eine langweilige schwarze Geröll- mit einem Mofa zum Nordkap eiern, als mich hier mit

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einem ächzenden und bockenden Auto abzuplagen. Wir durchgeknickt ist. Die beiden Bögen des Ständers sind Der Ort, mit dem wir seit Wochen fast schon heimatliche Gefühle lassen es dafür ordentlich knallen. Wellblech in nun nach außen gespreizt und blockieren das Brems- verbinden, weil hinter ihm die Teerstraßewieder beginnen soll, ist Schräglage, anlegen am Bankett, mit Tempo 100 die gestänge. Nur mit Gewalt lässt sich der Ständer etwas gar keiner; nur ein stachel zaun bewehrtes Camp und einige weit Kuppen empor, das ist ein ganz neues Fahrgefühl. Doch nach unten drücken. Jetzt hat die Enduro zwar we niger verstreute Wellblechbaracken. Noch nicht einmal ein Ortsschild die Euphorie erhält schnell einen Dämpfer, als ich mich Bodenfreiheit, aber die Hinterradbremse geht wieder. gibt es. mittels Vollbremsung in eine dichte Staubwolke hülle. Illizi liegt inmitten eines roten Sandmeeres am Fuße Das Schwimmbad entpuppt sich als ziemlich trüber Betontüm- Ingrid deutet mein »Rauchzeichen « richtig und kommt des Plateaus. Die Aussicht vor der Abfahrt ist überwäl- pel. Aber viel wichtiger ist die »Wasserfabrik« direkt daneben. Wer ebenfalls vor dem tiefen Graben zum Stehen. Immer tigend. Weiß glitzernde Salzpfannen und rote Dünen Glück hat und hier das Personal antrifft, kommt in den Genuss einer wieder müssen wir jetzt Auswaschungen durchqueren. werden von schwarzen Bergketten umrahmt. Weniger überwältigenden Gastfreundschaft. Kaum hat man uns gesichtet, Wenig später gibt Ingrid Handzeichen. Ihre Fuß - prosaisch ist der Ort selber. Militär, wohin man schaut. nehmen wundersame Dinge ihren Lauf. Ein junger, bär tiger Alge- bremse geht nicht mehr. Das ist auf unbefestigten Pisten Dafür werden wir auf der Polizeistation freundlichst rier bedeutet uns zunächst, neben dem Schwimmbecken zu warten. besonders unangenehm. Ein Blick unter das Motorrad mit Kaffee bewirtet. Ich lasse mir dann erklären, wo die Dann staubt er mit seinem Range Rover davon. Nur fünf Minuten verschafft Klärung. Sie muss so brutal aufgesetzt sein, drei Läden des Ortes sind. Zwei sind geschlossen, in später jagt er mit durchdrehenden Rädern wieder heran. Der freund- dass der Querträger des Hauptständers in der Mitte dem andern liegen die frischen Eingeweide einer Ziege lich grinsende Fahrer steigt aus und fischt unglaubliche Dinge aus auf der Theke. Ich bevorzuge die eine verrostete Dose dem Führerhaus: eine riesige Schüssel Couscous, frische warme Ölsardinen. Ansonsten gibt es noch jede Menge Erbsen Baguettes, Salatplatten und jede Menge Dosen Aprikosennektar. und Kugelschreiber. Dann hocken sich die drei Algerier mit einem wohlwollenden Sauberes Am Abend sitzen wir auf dem scharfen Kamm einer »mange, mange!« um uns herum und sehen zu, wie sich zwei aus- hohen Wanderdüne und tunken mit dem fünf Tage gemergelte und total verstaubte Gestalten mästen. Auf diese Weise Trinkwasser alten Weißbrot aus Djanet das Sardinenöl. Wir sind nur lernen wir die vorzügliche Kantinenkost der Sonatrac kennen. Aber ist für die Wüstenetappen fundamental. noch etwa fünf Kilometer gefahren, nachdem wir die dies ist nicht das einzige Privileg, das die Arbeiter dieser staatlichen Nicht immer geht es, wie hier bei Maschinen voll getankt hatten. Eine atemberaubende Erdölgesellschaft genießen. Sie gehören auch zu den bestbezahlten In Ecker, ohne Katadyn-Filter. Dünendurchquerung, wie man sie nirgends sonst in Kräften Algeriens und haben alle vier Wochen für zwei Wochen Hei- Algerien findet. Hinter dem Flugplatz sind wir dann maturlaub. Jeder Sonatrac-Mann kommt in den Genuss, egal ob er einige Kilometer von der Piste abgezweigt, um direkt am Bohrloch steht oder einen Tankzug steuert. am Fuße der Dünen zu zelten. Noch vor Sonnenauf- Auch Ali fährt für die Sonatrac einen Tanklastwagen. Wir lernen gang starte ich zu einer kleinen Wanderung. Ein Erleb- ihn am nächsten, am ersten Tag auf dem Asphalt kennen und schät- nis durchaus mit Suchtcharakter. Hinter jedem Sand- zen. Ich habe gerade meine Maschine aus 120 km/h mit einem plat- gipfel tauchen wieder neue auf. Ein Meer, in dem man ten Vorderrad nach einer kriminellen Pendelei zum Stehen gebracht, sich tatsächlich leicht verirren kann. Schließlich ent- als neben uns die Luftdruckbremsen des 30-Tonners pfeifen. Es wird decke ich von einer etwa 150 Meter hohen Düne aus die netteste Reifenpanne meines Lebens. Ali füttert abwechselnd einen winzigen Punkt: unser Zelt. Mit den ersten Son- Ingrid und mich mit einem traumhaften Rindfleisch-Sandwich und nenstrahlen kommt Leben in den Sand. Fahle Riffe- köstlichen Orangen. Ich muss ihm fast auf die Finger klopfen, damit lungen gewinnen Kontur. Geheimnisvolle Tierspuren er mir nicht auch noch das Schlauchwechseln abnimmt. Nach ge - kreuzen meinen Weg. Erstaunlich, dass selbst auf den lungener Operation beschließen wir angesichts der schwindenden höchsten Dünen Pflanzenwurzeln zum Vorschein kom- Sonne, gemeinsam ein Nachtlager aufzuschlagen. Ali kann erst gar men. Dieses eigenartige rötliche Meer, das für den Men- nicht fassen, dass wir in diesem winzigen, dünnhäutigen Zelt unsere schen eine Todesfalle darstellt, bietet doch einigen hoch Nächte verbringen. So zaubert er einen ganzen Stapel Decken und spezialisierten Lebensformen Raum. ein Kopfkissen aus seinem Truck hervor, als die abendliche Kälte Die Piste von Illizi nach El Adeb Larache stellt uns dann schon wieder herangekrochen kommt. Es hat gar keinen Sinn, ihn vor völlig überraschende Probleme. Wir nähern uns von den Vorzügen unserer Daunenschlafsäcke zu überzeugen. Im nämlich den Erdölfeldern und damit auch einem Chaos Windschutz des Trucks kochen wir Tee und essen Käse. Unser letz- aus undefinierbaren Spuren und Wegweisern. Hinzu ter Abend im »Grand Sud«, im großen Süden. kommt, dass 1982 eine vollkommen neue Pistenstraße Es ist, als wolle uns der Norden gebührend empfangen. Kaum vom Militär gewalzt wurde. Laut IGN-Karte und Kom- haben wir uns im Zelt verkrochen, regnen wir ein. Auch nach zwölf pass fahren wir daher stundenlang in die falsche Him- Stunden regnet es noch. Es ist mittlerweile neun Uhr morgens. Da melsrichtung. Dabei fing am Morgen alles ganz harm - wir am Abend durch ein trockenes Oued von der Straße weggefah- los an. Der Sand trägt hier so gut, dass wir die Mo tor - ren sind, befürchten wir das Schlimmste. Ängstlich lugen wir aus räder mit Leichtigkeit durchs Gelände treiben können. dem Zelt, doch die Maschinen stehen noch, und das Flussbett ist Auf Höhe des total versandeten Fort Flatters stoßen wir nicht überflutet. In Windeseile haben wir alles zusammengepackt. auf zwei Lastwagen-Oldtimer aus Deutschland. Freaks, Im Führerhaus von Alis Truck frühstücken wir noch gemeinsam, die mit zwei Borgwards unterwegs sind gen Schwarz- ehe wir die Maschinen starten, zum langen, feuchten und kalten afrika. Die Berliner geben uns den Tipp, in El Adeb Abschied von der Sahara. Drei Tage später stehen wir im Hafen Larache die »piscine«, das Schwimmbad, aufzusu chen. von Algier.

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Dokumentation

Ein Trugschluss – wie sich im Frühjahr 2003 her- sammlern, Schmugglern usw. informiert, ob und und Algerien sind – ganz abgesehen von der höhe- port von Gepäck, Wasser und Benzin) sind nur Algier ausstellte. Insgesamt 32 Reisende wurden im Lauf was es Neues gibt. Die nicht nur der lokalen Exe- ren Terrorismus-Gefahr – nicht zu empfehlen. Die Enduros mit folgenden Features wirklich geeignet weniger Tage in grundsätzlich sicher geltenden kutive, sondern auch in der Zivilbevölkerung schon Übergänge von Marokko sind für Europäer nach (gegebenenfalls nach entsprechender Um- und Regionen der algerischen Sahara gefangen Monate zuvor aufgefallenen logistischen Aktivitä- wie vor grundsätzlich geschlossen. Die An reise Ausrüstung): Bou-Saada genommen und monatelang festgehalten. Täter ten der Geiselnehmer im Bereich der Gräberpiste mit der Fähre von Marseille nach Algier ist wegen 1) langhubige und auch unter Ausnutzung der Tunesien waren bestens organisierte islamistische Revolu- wären einem kompetenten Führer höchstwahr- der danach nötigen Fahrt durch terroristisch mehr vollen Zuladung belastbare und gut gedämpfte tionäre, die die Massen-Geiselnahme von langer scheinlich zu Ohren gekommen. Doch welcher oder weniger bedrohte Regionen als riskant ein- Feder-Elemente, SAHARAATLASLaghouat Hand geplant hatten, um mit dem erpresstem Löse- Individual-Tourist hätte im Zeitalter der GPS-Ori- zustufen. 2) Front- und erforderlichenfalls Hecktanks mit geld ihren Kampf gegen die aktuelle Regierung zu entierung auf einer als sicher geltenden Route wie einer Benzin-Transportkapazität für 500 Kilometer Marokko El Oued finanzieren. der Gräberpiste einen Führer engagiert? Grenzformalitäten: Reichweite bei einem Durchschnittsverbrauch Ghardaia Seit der Geisel-Affäre gibt das Deutsche Aus- Ein einzuführendes Kfz muss zugelassen sein. Ist von zirka 50 Prozent über dem gewohnten. wärtige Amt in seinen Reisehinweisen nicht mehr Visum: man nicht selbst Halter, hat man neben dem Fahr- 3) Unterbringungsmöglichkeit für zirka zehn bis Hassi Messaoud nur die seit Jahren üblichen Empfehlungen her- Deutsche, österreichische und Schweizer zeugschein eine internationale Vollmacht vorzu- 15 Liter Trinkwasser, GRAND aus – z. B. den Norden des Landes wegen mögli- Staatsbürger benötigen zur Einreise nach Alge- legen – am einfachsten erhältlich bei Automo- 4) schwerpunktgünstige Beladung mit leichtem GRAND cher terroristischer Aktivitäten zu meiden und den rien einen mindestens drei Monate gültigen Rei- bilclubs. Nach Erledigung der tunesischen Aus- und nur wirklich notwendigem Gepäck, wegen der ERG OCCIDENTALEl Golea ERG ORIENTAL Süden mit Führern oder Reiseveranstaltern zu sepass mit Visum. Nach brieflicher Anforderung reiseformalitäten beginnt an der einige Kilometer geringeren Verletzungsgefahr untergebracht in Timimoun bereisen. Nun gilt eine offizielle Reisewarnung für der Antragsformulare (Rückumschlag beilegen) Niemandsland entfernten algerischen Grenze die weichen Packtaschen (z. B. von Ortlieb), Tankta- Libyen alle Gebiete südlich der Städte Béchar, Ghardaia sollte das Visum drei Wochen vor Reiseantritt bei Einreise mit der polizeilichen Abfertigung (Ausfül- schen und einer hinter dem Fahrer befestigten PLATEAU DU und Touggourt. Sie macht für deutsche Staats- der zuständigen Botschaft beantragt werden len des Einreise-»Fiche« und Visum-Kontrolle). Camping-Rolle. Was darin keinen Platz findet, ist TADEMAIT Adrar Hassi bürger die gesamte algerische Sahara tabu – (Anm.: Das Visum wird nicht auf algerischen Ver- Vom Zoll werden dann anhand zweier weiterer überflüssig! Bel Guebbour zumindest für alle, die Verantwortung für Mitrei- tretungen außerhalb des Staates ausgestellt, des- auszufüllender Formulare ein »permit de circula- 5) Grobstollige und robuste Bereifung mit ver- sende wie für sich selbst übernehmen. Im nicht sen Staatsbürger man ist). Sobald der Botschaft tion« und eine »déclaration de devises« ausge- stärkten Motocross-Schläuchen (auch auf In Salah Reggane deutschsprachigen Ausland sieht man das anders: die Einladung durch eine algerische Reise-Agen- stellt. In Letztere müssen neben den mitgeführten Schlauchlos-Felgen), El Adeb Larache Schon zu Weihnachten 2003 war wieder relativ tur vorliegt, wird das Visum erteilt. Geldmitteln auch Notebooks und Videokameras 6) ein für die hohen Belastungen geeignetes TASSILI N´AJJERIllizi reger Tourismus im Süden Algeriens zu verzeich- In der BRD: Görschstraße 45, 13187 Berlin, Tel. eingetragen werden. Touristen dürfen in Algerien Satelliten-Navigationsgerät. Entsprechend modi- nen – überwiegend durch nach Tamanrasset und 030/437370. nur mit algerischer Kfz-Haftpflichtversicherung fizierte Geräte und schwingungsdämpfende Hal- Algerien Arak Djanet fliegende Franzosen, Italiener und Spanier. In Österreich: Rudolfinergasse 18, 1190 Wien, Tel. fahren. Am schnellsten und billigsten gibt’s die an terungen gibt es bei der Firma TOURATECH. Sollten die Verhältnisse nach den Parlaments- 1/36988530. der Grenze. (Anm.: Die heimische Kfz-Versiche- Fort Gardel Wahlen im April 2004 ruhiger und stabiler werden, In der Schweiz: Willadingweg 74, 3006 Bern, Tel. rung kann man sich für die Aufenthaltszeit in Alge- Fahrerausrüstung: Teer In Ecker Piste Assekrem dürfte auch der Überland-Tourismus wieder ins 031/3526961. rien erstatten lassen.) Neben einem hochwertigen Enduro- oder Moto- Hirhafok Djanet Rollen kommen – vielleicht auch wieder für Deut- cross-Helm sind Motocross-Stiefel bester Qua- HOGGAR sche. Grund für eine Rücknahme der DAA-War- Anreise: Finanzen: lität, ein Kombi-Protektor (z. B. »Safety-Jacket«) 300 km Tamanrasset Illustration: Claudia Werel nung könnte die nun für alle Sahara-Reisenden Am einfachsten erfolgt die Anreise nach Alge- Geld kann man im Gegensatz zu früher auch auf unter der Jacke und Knieprotektoren in der Hose obligatorischen Betreuung durch eine algerische rien über Tunesien. In dieses kleine Nachbarland der Bank wechseln, ohne die Reise damit drastisch ein Muss! Ein Trinkrucksack (»Camelbag«, auch Reise-Agentur sein, denn die gewährt zweifellos Algeriens gelangt der Motorradreisende mit der zu verteuern. Der einst für Touristen lohnende, weil in Kombination mit einem kleinen Fahrer-Rucksack TF-Autor Thomas Troßmann hat rund drei Jahre gerkrieg zwischen um ihren Wahlsieg betrogenen hohe Sicherheit vor kriminellen Übergriffen. Weni- jeden Samstag von Genua nach Tunis (zurück am nur einen Bruchteil des offiziellen Wechselkurses erhältlich) ist die Lösung des für Motorradfahrer in der algerischen Sahara verbracht, den Groß- Islamisten und machtbesessenen Militärs. Über ger weil lokale Führer Touristen bei solchen An - Freitag) fahrenden Fähre der tunesischen Fähr- betragende Schwarzmarkt-Kurs unterscheidet in der trockenen Sahara-Luft prekären Dehydra- teil davon auf Motorradgruppenreisen seines 100.000 Menschen starben dabei – die meisten griffen wie den Geiselnahmen von 2003 mit Waf- gesellschaft CTN (Fahrzeit rund 22 h). Alternativ sich nämlich nur mit hohem Verhandlungsge- tionsproblems. Veranstaltungsunternehmens. Aufgrund der Rei- durch terroristische Akte, nicht durch kriegsähn- fengewalt verteidigen könnten. Vielleicht aber mit besteht auch zweimal wöchentlich eine Verbin- schick vom Kurs der Bank – und das nur um maxi- se warnungen des Deutschen Auswärtigen Amtes liche Kampfhandlungen. 1999 beruhigten sich die Worten – wie von mir 1987 erlebt, als ein Trupp dung zwischen Marseille und Tunis. Für die Pas- mal zehn bis 15 Prozent. Offiziell erhält man für 1 Literatur: hat seine WÜSTENFAHRER Reise GmbH Verhältnisse unter einer neuen, der bisherigen bewaffneter Tuareg-Rebellen seine offensichtli- sage sind hin und zurück pro Bike rund 130 Euro, Euro im Februar 2004 rund 88 algerische Dinar. »Algerische Sahara«, ein Reiseführer mit (http://www. wuestenfahrer.com) die Destination Korruption und Vetternwirtschaft entgegentre- chen Überfallabsichten nach einem Gespräch mit für den Fahrer rund 330 Euro (bei komfortabler Rund 35 Dinar sind für den Liter Benzin zu bezah- Streckenbeschreibung, erschienen im Verlag Algerien bis auf Weiteres aus dem Programm tenden Regierung. Das Land wurde wieder von unserem Führer zum friedlichen »Tee-Besuch« Unterbringung in einer Zweibettkabine) zu bezah- len. Ein einfaches Hotel kostet rund 1.000 bis 1.500 Reise Know-how; genommen. Liebhabern der algerischen Wüste regelrecht fre- abwandelte. Auch wenn ein solches Erlebnis nicht len. Ein Teil der tunesischen Einreise-Formalitä- Dinar pro Nacht. Ein Pflichtumtausch ist an der »Motorradreisen zwischen Urlaub und Expedi- quentiert. Ab 2002 suchte dann eine neue Welle zu verallgemeinern ist, sind gerade in nicht »hasen- ten wird an Bord erledigt, sodass die Einreise-Pro- Grenze nicht mehr zu leisten. Den für den Ab- tion«, ein umfassendes Handbuch für Sahara- Sicherheitslage: des Terrorismus Nord-Algerien heim, schwappte reinen« Regionen (siehe Sahara-Reportage in TF zedur am Hafen meist zügig verläuft. schluss der algerischen Kfz-Versicherung und ein reisen per Motorrad; 5. Auflage; ebenfalls Verlag Schon zu Zeiten von »Tourenfahrer«-Chefredak- zudem erstmals in die Sahara – zumindest an deren 12/2002 und 1/2003) Guides in der Lage, durch ent- erstes Tanken erforderlichen Betrag kann man Reise Know-how. teur Reiner Nitschke wie auch meiner ersten Alge- Nordrand: In Städten wie Touggourt, Quargla, El sprechende Routen- und Lagerplatzwahl unange- Grenzübergänge: beim algerischen Zoll tauschen. Ist der gerade mal rien-Reise gab es in der Sahara ein gewisses Risiko Golea und Reggane ereigneten sich zahlreiche nehmen Kontakten vorzubeugen. Ihr Informations- Der Übergang zwischen dem tunesischen Ort ohne Bargeld-Vorräte, geht das auch im Versi- Landkarten: durch Kriminalität. Immer wieder mal schockier- Attentate auf Polizisten, Soldaten und Behörden. Stand ist generell ein hoher Sicherheitsfaktor und Hazoua und dem algerischen Taleb-Larbi ist cherungsbüro nebenan oder bei der kleinen Bank Übersichtskarte Michelin 953, 1: 4.000.000; Detail- ten Berichte von ausgeraubten oder gar bei Über- Touristen waren von solchen Ereignissen nie direkt berücksichtigt Risiken, die auch erfahrenen Saha - wegen der für europäische Reisende kulanten im Ort Taleb-Larbi selbst. karten IGN, 1:200.000 (auf CD für ans GPS ange- fällen umgekommenen Reisenden. Den Sahara- betroffen – und konnten sich in den Tiefen der alge- ra-Reisende nicht bekannt sind oder sein können (kaum Gepäck-Kontrollen), zügigen und freundli- schlossene Notebooks und Navigations-Soft- Tourismus brachte dies aber nie zum Erliegen. Dies rischen Sahara sicher fühlen. Zu menschenleer, – nicht zuletzt, weil sich ein Führer bei jeder Begeg- chen Abfertigung die beste Wahl. Die nördlich Motorrad und Ausrüstung: ware; siehe TF 12/2003, Seite 78, »Kartenspiele am gelang erst dem 1994 in Algerien einsetzenden Bür- zu weit weg von den Krisen der Welt erschien sie. nung mit Polizei, Militär, Nomaden, Jägern, Holz- gelegenen Grenzübergänge zwischen Tunesien Ohne Begleitung durch ein Auto (für den Trans- PC« und TF 2/2004, Seite 83, »Neu orientiert«).

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